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econstor www.econstor.eu Der Open-Access-Publikationsserver der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft The Open Access Publication Server of the ZBW – Leibniz Information Centre for Economics Nutzungsbedingungen: Die ZBW räumt Ihnen als Nutzerin/Nutzer das unentgeltliche, räumlich unbeschränkte und zeitlich auf die Dauer des Schutzrechts beschränkte einfache Recht ein, das ausgewählte Werk im Rahmen der unter → http://www.econstor.eu/dspace/Nutzungsbedingungen nachzulesenden vollständigen Nutzungsbedingungen zu vervielfältigen, mit denen die Nutzerin/der Nutzer sich durch die erste Nutzung einverstanden erklärt. Terms of use: The ZBW grants you, the user, the non-exclusive right to use the selected work free of charge, territorially unrestricted and within the time limit of the term of the property rights according to the terms specified at → http://www.econstor.eu/dspace/Nutzungsbedingungen By the first use of the selected work the user agrees and declares to comply with these terms of use. zbw Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft Leibniz Information Centre for Economics Buch, Claudia M.; Eckel, Carsten; Koop, Michael J.; Laaser, Claus-Friedrich; Lücke, Matthias; Schäfer, Clarissa; Schrader, Klaus; Engerer, Hella; Schrettl, Wolfram; Schrooten, Mechthild; Weißenburger, Ulrich; Gabrisch, Hubert; Sigmund, Peter; Werner, Klaus Research Report Die wirtschaftliche Lage Rußlands: Fortsetzung des Niedergangs ohne hinreichenden Strukturwandel. Fünfter Bericht Kieler Diskussionsbeiträge, No. 240/241 Provided in cooperation with: Institut für Weltwirtschaft (IfW) Suggested citation: Buch, Claudia M.; Eckel, Carsten; Koop, Michael J.; Laaser, Claus- Friedrich; Lücke, Matthias; Schäfer, Clarissa; Schrader, Klaus; Engerer, Hella; Schrettl, Wolfram; Schrooten, Mechthild; Weißenburger, Ulrich; Gabrisch, Hubert; Sigmund, Peter; Werner, Klaus (1994) : Die wirtschaftliche Lage Rußlands: Fortsetzung des Niedergangs ohne hinreichenden Strukturwandel. Fünfter Bericht, Kieler Diskussionsbeiträge, No. 240/241, http:// hdl.handle.net/10419/823

1 # # - , - # .' / 0 · 2017. 5. 5. · -15,5-8,6-2,0-7,2-20,8 240 150 1992-18,5-19,5-18,8-7,5 ^H),0-21,7-2,0-39,9-41,3 3280 2500 1993-12-12a-16,2-4-15-25-1 2-30 895 840 ... [1994d,

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  • econstor www.econstor.euDer Open-Access-Publikationsserver der ZBW – Leibniz-Informationszentrum WirtschaftThe Open Access Publication Server of the ZBW – Leibniz Information Centre for Economics

    Nutzungsbedingungen:Die ZBW räumt Ihnen als Nutzerin/Nutzer das unentgeltliche,räumlich unbeschränkte und zeitlich auf die Dauer des Schutzrechtsbeschränkte einfache Recht ein, das ausgewählte Werk im Rahmender unter→ http://www.econstor.eu/dspace/Nutzungsbedingungennachzulesenden vollständigen Nutzungsbedingungen zuvervielfältigen, mit denen die Nutzerin/der Nutzer sich durch dieerste Nutzung einverstanden erklärt.

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    zbw Leibniz-Informationszentrum WirtschaftLeibniz Information Centre for Economics

    Buch, Claudia M.; Eckel, Carsten; Koop, Michael J.; Laaser, Claus-Friedrich;Lücke, Matthias; Schäfer, Clarissa; Schrader, Klaus; Engerer, Hella; Schrettl,Wolfram; Schrooten, Mechthild; Weißenburger, Ulrich; Gabrisch, Hubert;Sigmund, Peter; Werner, KlausResearch Report

    Die wirtschaftliche Lage Rußlands: Fortsetzung desNiedergangs ohne hinreichenden Strukturwandel.Fünfter Bericht

    Kieler Diskussionsbeiträge, No. 240/241

    Provided in cooperation with:Institut für Weltwirtschaft (IfW)

    Suggested citation: Buch, Claudia M.; Eckel, Carsten; Koop, Michael J.; Laaser, Claus-Friedrich; Lücke, Matthias; Schäfer, Clarissa; Schrader, Klaus; Engerer, Hella; Schrettl,Wolfram; Schrooten, Mechthild; Weißenburger, Ulrich; Gabrisch, Hubert; Sigmund, Peter;Werner, Klaus (1994) : Die wirtschaftliche Lage Rußlands: Fortsetzung des Niedergangs ohnehinreichenden Strukturwandel. Fünfter Bericht, Kieler Diskussionsbeiträge, No. 240/241, http://hdl.handle.net/10419/823

  • ELER DISKUSSIONSBEITRAGE

    K I E L D I S C U S S I ' O N P A P E R S

    240/241

    Deutsches Institut fürWirtschaftsforschung, Berlin

    Institut für Weltwirtschaftan der Universität Kiel

    Institut fürWirtschaftsforschung Halle

    Die wirtschaftliche Lage Rußlands

    Fortsetzung des Niedergangs ohnehinreichenden Strukturwandel

    Fünfter Bericht

    I N S T I T U T F Ü R W E L T W I R T S C H A F T K I E L N O V E M B E R 1 9 9 4

    ISSN 0455-0420

  • Inhaltsverzeichnis

    I. Die wirtschaftliche Lage 3

    1. Aktuelle Wirtschaftsentwicklung 3a. Produktion und Investitionen 3b. Preisentwicklung 6c. Arbeitsmarkt 7d. Einkommensentwicklung und Lage der privaten Haushalte 8

    2. Finanz- und Geldpolitik 10a. Öffentliche Haushalte 10b. Geld und Kredit 12

    3. Außenwirtschaft 17a. Außenhandel 17b. Zahlungsbilanz und Auslandsverschuldung 18c. Währungspolitik 20

    4. Ordnungspolitische Entwicklungen 21a. Privatisierungsvorschriften 21b. Konkursvorschriften 22c. Steuervorschriften 23

    5. Zusammenfassung und Ausblick 25

    II. Realwirtschaftliche Anpassung 27

    1. Einleitung 27

    2. Anpassung aus sektoraler und regionaler Perspektive 28a. Industrie 28b. Bauwesen 31c. Landwirtschaft 32d. Dienstleistungen und Handel 34e. Transportwesen 36f. Anpassung aus regionaler Perspektive 39

    3. Anpassung aus eigentumsrechtlicher Perspektive 41a. Fortgang der Privatisierung 41b. Entwicklung der privaten Kleinunternehmen 45c. Unternehmenskontrolle 47d. Finanzierung 49e. Unternehmen in ausländischem (Teil-)Eigentum 51

    4. Einzelaspekte der Anpassung auf Untemehmensebene 53a. Management und Beschäftigung 53b. Produktionssortiment, Absatz und Lagerhaltung 54c. Marktformen und Preisbildung 55

    5. Zusammenfassung und Ausblick 57

    Anhangtabelle 62

    Literaturverzeichnis 69

  • Die Deutsche Bibliothek - CIP-EinheitsaufnahmeDie wirtschaftliche Lage Russlands / Deutsches Institut fürWirtschaftsforschung, Berlin ... - Kiel: Inst, fürWeltwirtschaft.

    Bericht 1 u.d.T.: Die wirtschaftliche Lage Russlands undWeissrusslands

    NE: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung < Berlin>Bericht 5. Fortsetzung des Niedergangs ohne hinreichenden

    Strukturwandel. - 1994(Kieler Diskussionsbeiträge ; 240/241)ISBN 3-89456-083-5

    NE:GT

    ©Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel

    D-24100 KielAlle Rechte vorbehalten

    Ohne ausdrückliche Genehmigung ist es auch nichtgestattet, den Band oder Teile daraus

    auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigenPrinted in GermanyISSN 0455 - 0420

  • Der Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 das Deutsche Institutfür Wirtschaftsforschung Berlin, das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel und das Insti-tut für Wirtschaftsforschung Halle damit beauftragt, das 1992 begonnene Forschungsvorhaben mitdem Titel „Die wirtschaftliche Situation Rußlands und Weißrußlands — wirtschaftliches Potentialund mögliche Entwicklungslinien" fortzuführen. Die beteiligten Institute haben nunmehr ihren fünftenBericht über die Wirtschaft Rußlands fertiggestellt.

    Der Bericht ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird der aktuelle Stand der Wirtschaftsent-wicklung und der Reformpolitik dargestellt. Die wirtschaftliche Lage in der Russischen Föderationließ auch nach Fertigstellung des letzten Berichts kaum Anzeichen einer Wende zum Besseren erken-nen, statt dessen hat sich der wirtschaftliche Niedergang fortgesetzt, und es gibt Anzeichen für eineVerschärfung der Krise. Der zweite Teil des Berichts beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit derrealwirtschaftlichen Anpassung. Die Anpassungsprozesse werden aus sektoraler, regionaler und ei-gentumsrechtlicher Perspektive analysiert; aus Unternehmersicht werden Anpassungen bei der Be-schäftigung, der Finanzierung, der Lagerhaltung und der Preissetzung untersucht.

    Nach wie vor werden die Analysen durch den institutionellen Umbruch und das unzuverlässige undinkonsistente statistische Berichtssystem, dessen Qualität sich im Zeitablauf abermals verschlechterthat, erschwert. Vor allem die Arbeitsmarkt- und die Finanzstatistiken sind lückenhaft und zum Teilwidersprüchlich. Transaktionen mit dem Ausland und die Aktivitäten des sich neu entwickelnden Pri-vatsektors werden statistisch nur unzureichend erfaßt. Informationslücken konnten nur teilweisedurch Befragung staatlicher Stellen und russischer Wissenschaftler vor Ort geschlossen werden, sodaß erhebliche Unsicherheiten über den tatsächlichen Verlauf des Transformationsprozesses ver-bleiben.

    I. Die wirtschaftliche Lage

    1. Aktuelle Wirtschaftsentwicklung

    a. Produktion und Investitionen

    Der Schrumpfungsprozeß der russischen Wirt-schaft hat sich entgegen den Erwartungen desrussischen Wirtschaftsministeriums im bisheri-gen Verlauf des Jahres 1994 beschleunigt (Ta-belle 1). Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sankin den ersten sieben Monaten des Jahres 1994gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiodeum 17 vH (1993: -12 vH), die Industrieproduk-tion sogar um 24 vH (1993: -16 vH) [Goskom-stat Rossii, 1994c, S. 3]. Es ist allerdings nichtauszuschließen, daß in den Statistiken der wirt-schaftliche Niedergang etwas überzeichnet

    wird. Insbesondere muß bezweifelt werden, daßdie Aktivitäten des Privatsektors in vollem Um-fang statistisch erfaßt werden.1

    Im Verlauf des Transformationsprozesses istes zu bedeutenden strukturellen Verschiebun-gen in der Entstehung des nominalen BIP ge-kommen [Goskomstat Rossii, 1994c, S. 5 f.;Pravitel'stvo Rossijskoj Federacii, 1994, S. 7f.]. Merklich an Bedeutung gewonnen habendie Dienstleistungen, deren Anteil am BIP von33 vH 1992 auf 50 vH im ersten Halbjahr 1994gestiegen ist. In demselben Zeitraum ist dasrelative Gewicht der Güterproduktion von 58auf 43 vH zurückgegangen. Diese Entwicklungist auf den stärkeren Anstieg der Preise für

    Dieser Bericht wurde am 30. September 1994 abgeschlossen. Vom Institut für Weltwirtschaft haben ClaudiaM. Buch, Carsten Eckel, Michael J. Koop, Claus-Friedrich Laaser, Matthias Lücke, Clarissa Schäfer und KlausSchrader mitgewirkt. Vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben Hella Engerer, WolframSchrettl, Mechthild Schrooten und Ulrich Weißenburger und vom Institut für Wirtschaftsforschung HalleHubert Gabrisch, Peter Sigmund und Klaus Werner an diesem Bericht gearbeitet. Der Bericht wird auch imDIW-Wochenbericht und in der IWH-Forschungsreihe veröffentlicht.

  • Tabelle 1 — Entwicklung wichtiger Wirtschaftsindikatoren in Rußland 1990—1994 (Veränderungen gegenüber der ent-sprechenden Vorjahresperiode in vH)

    BruttoinlandsproduktGesamtwirtschaftliche ArbeitsproduktivitätIndustrieproduktionAgrarproduktionInvestitionenGütertransportvolumenZahl der BeschäftigtenEinzelhandelsumsatz, realEntgeltliche Dienstleistungen für den

    EndverbraucherVerkaufspreise der Industrie0

    Verbraucherpreise0

    1990

    -2,0-2,7-0,1-3,6

    0,1-4,3

    0,110,0

    10,2

    5,3e

    1991

    -12,9-12,2-8,0-4.5

    -15,5-8,6-2,0-7,2

    -20,8240150

    1992

    -18,5-19,5-18,8

    -7,5^H),0-21,7

    -2,0-39,9

    -41,332802500

    1993

    -12-12 a

    -16,2-4

    -15-25

    -12

    -30895840

    Januar-Juli1994

    -17

    -24,0b

    -27-26

    -10,5

    ^ 8340d

    534*aSchätzung. — Einschließlich Kleinbetriebe und Joint-ventures. Die Produktion der Groß- und Mittelbetriebe sank um25,8 vH. — cJeweils gegenüber Dezember— * Januar-Juli 1994 gegenüber Januar-Juli

    des Vorjahres.1993.

    — dJuli 1994 j»egenüber Juli 1993. — Jahresdurchschnitt.

    Quelle: Goskomstat Rossü [1993a S. 8 ff.; 1994d, S. 3, 295 f.; 1994a, S. 3 ff., 45, 104 f., 153]; Statkom SNG [1993,S. 129 f.; Vestnik statistiki [Nr. 12,1993, S. 45 ff.].

    Dienstleistungen im Vergleich zu den Güter-preisen, auf den relativ geringen Rückgang un-entgeltlicher staatlicher Dienstleistungen (z.B.des Bildungs- und des Gesundheitswesens) so-wie auf das Wachstum einzelner Dienstlei-stungsbereiche (Finanzdienstleistungen, Ver-sicherungen, Vermittlungstätigkeiten) zurück-zuführen. Auf der Verwendungsseite des BIPhat der Anteil des privaten Verbrauchs von 36vH 1992 auf 48 vH im ersten Halbjahr 1994 zu-genommen, der Staatsverbrauch stieg von 14auf 20 vH. Der Anstieg der Verbraucherpreisewar geringer als derjenige des BIP-Deflators, sodaß der Anteil des privaten Verbrauchs am rea-len BIP noch stärker gestiegen ist. Dies korre-spondiert mit dem Anstieg der Realeinkommen(vgl. Abschnitt I.l.d). An Gewicht verloren ha-ben insbesondere die Lagerinvestitionen unddie Exportüberschüsse, die von 12 auf 3vHbzw. von 12 auf 7 vH zurückgingen. Nachdemdie Investitionen 1993 um 16 vH gesunken wa-ren, gab es im ersten Halbjahr 1994 einenRückgang gegenüber der entsprechenden Vor-jahresperiode um 28 vH. Die Investitionen improduzierenden Bereich2 gingen um 37 vH zu-rück, ihr Anteil am Investitionsvolumen sankauf 57 vH. Dagegen hat der Anteil der Investi-tionen in den nichtproduzierenden Bereich, ins-

    Tabelle 2 — Entwicklung der Industrieproduktion 1993und 1994 (vH)

    1993JanuarFebruarMärzAprilMaiJuniJuliAugustSeptemberOktoberNovemberDezember

    1994JanuarFebruarMärzAprilMaiJuniJuli

    In vH zur entsprechen-den Vorjahresperiode

    78,281,083,083,683,683,185,588,085,884,584,783,9

    76,975,972,673,172,072,675,9a

    In vH zumVormonat

    90,3103,7111,992,394,9

    100,887,695,0

    107,597,795,5

    107,9

    82,8102,3107,092,993,5

    101,2101,3a

    Einschließlich Kleinbetriebe und Joint-ventures. DieProduktion der Groß- und Mittelbetriebe sank gegen-über dem entsprechenden Vorjahresmonat um 25,9vH, gegenüber dem Vormonat stieg sie um 1,2 vH.

    Quelle: Goskomstat Rossü [1994d, S. 10; 1994h, S. 11;1994i, S. 2].

  • besondere der Bau von Wohnungen und So-zialeinrichtungen, kontinuierlich zugenommen(vgl. auch Tabellen 13 und 14 in AbschnittII.2.a).

    Die Hälfte aller Investitionen wurde imstaatlichen und kommunalen Sektor getätigt(1993: 63 vH). Die Unternehmen mit gemisch-ten Eigentumsformen, zu denen insbesondereAktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligungzählen, hatten einen Anteil von 30 vH (1993:22 vH), auf den privaten Sektor entfielen 16 vH(1993: 12 vH). Etwa ein Drittel der Investitio-nen wurde aus den öffentlichen Haushaltenbzw. den staatlichen Investitionsfonds finan-ziert. Knapp 4 vH des gesamten Investitionsvo-lumens wurde von ausländischen Unternehmen(einschließlich Joint-ventures) getätigt [Gos-komstat Rossii, 1994c, S. 35 ff.; Pravitel'stvoRossijskoj Federacii, 1994, S. 60 ff.].

    Der Rückgang der Industrieproduktion ge-genüber dem entsprechenden Vorjahresmonatlag im ersten Halbjahr 1994 zwischen 23 vH imJanuar und 28 vH im Mai (Tabelle 2). Anzei-chen einer Stabilisierung waren somit im Vor-jahresvergleich während des gesamten Zeit-

    raums nicht festzustellen. Im Vormonatsver-gleich kam es zwar in vier Fällen zu einemleichten Produktionsanstieg, dieser war jedochüberwiegend saisonaler Natur.

    Die Diskrepanzen in der Produktionsent-wicklung zwischen den einzelnen Industrie-zweigen haben im Vergleich zu 1993 deutlichzugenommen (Tabelle 3). Während die Pro-duktion der extraktiven Industriezweige um 14vH zurückging, blieb die Erzeugung der verar-beitenden Industriezweige um 30 vH unter demVorjahresniveau. Einen unterdurchschnittlichenProduktionsrückgang verzeichneten insbeson-dere die Stromwirtschaft (-7 vH), die Erdgasin-dustrie (-6 vH), die Kohleindustrie (-11 vH)und die NE-Metallurgie (-13 vH). Im Maschi-nenbau und in der metallverarbeitenden Indu-strie führte die weiterhin rückläufige Nachfragenach Investitionsgütern erneut zu massivenProduktionseinbußen (-42 vH), von denen derlandwirtschaftliche Maschinenbau (-77 vH) amstärksten betroffen war. Um mehr als die Hälfteschrumpfte auch die Herstellung von Bau- undWerkzeugmaschinen. Im Unterschied zum Vor-jahr, in dem sich die Erzeugung von langlebi-

    Tabelle 3 — Entwicklung der Industrieproduktion in Rußland nach Branchen 1990-1994 (Veränderungen gegenüber derentsprechenden Vorjahresperiode in vH)

    Industrie insgesamtElektrizitätswirtschaftBrennstoffindustrie

    Erdölfördernde IndustrieErdölverarbeitende IndustrieErdgasindustrieKohleindustrie

    Eisen- und StahlindustrieNE-MetallurgieChemische und petrochemische Industrie

    ChemieindustriePetrochemie

    Maschinenbau und MetallverarbeitungHolz-, Holzverarbeitungs-, Zellstoff-

    und PapierindustrieBaustoffindustrieLeichtindustrieNahrungsmittelindustrieaVorläufige Angaben.

    1990

    -0,12,0

    -3,3-6,4-2,8

    2,9-3,6-1,9-2,4-2,2-3,3-1,3

    1,1

    -1,2-0,9-0,1

    0,4

    1991

    -8,00,3

    -6,0-9,9-2,3

    1,0-12,1

    -7,4-8,7-6,3-8,3-3,0

    -10,0

    -9,0-2,4-9,0-9,5

    1992

    -18,8

    -12,5-16-11,2

    -1,42,2

    -17,4-26,8-22,3-25,0-17,0-14,9

    -14,6-24,7-26,4-18,7

    1993

    -16,2-5,3

    -15,0-14,0a

    -18,0a

    -3,0a

    -8,0 a

    -16,6-18,1

    .-19,9-24,9-15,6

    -18,7-17,6-23,4

    -9,2

    1. Halbjahr1994

    -25,8-7,1

    -13,8-14,4

    -5,7-11,4-24,4-13,3-35,5-30,5^t4,5-^2,0

    -33,3-32,2-13,6

    23,6

    Quelle: Goskomstat Rossii [1992b, S. 33 f.; 1993a, S. 160; 1993c, S. 110, 112; 1993d, S. 108 f.; 1994c, S. 3 ff., 153;1994J, S. 127].

  • gen Konsumgütern durch den „Maschinenbau-komplex" weit günstiger entwickelte als die In-vestitionsgüterproduktion, wurden im erstenHalbjahr 1994 auch hier starke Rückgänge ver-zeichnet, darunter bei Personenkraftwagen um23 vH, Kühl- und Gefrierschränken um 18 vH,Waschmaschinen um 48 vH, Staubsaugern um61 vH und Fernsehgeräten um 36 vH. Unbe-friedigend verläuft weiterhin die Konversionder Rüstungsindustrie, in der die Produktionvon zivilen Erzeugnissen um 40 vH sank (ge-samte Produktion: -42 vH). In einer außeror-dentlich kritischen Situation befinden sich zahl-reiche Unternehmen der Leichtindustrie, derenProduktion um 44 vH zurückging (Textilindu-strie: -38 vH; Bekleidungsindustrie: -51 vH;Leder-, Pelz- und Schuhindustrie: -55 vH). Dader Einzelhandelsumsatz im ersten Halbjahr1994 konstant blieb,3 ist der Rückgang der in-dustriellen Konsumgüterproduktion, der sichinsgesamt auf 28 vH belief, in erster Linie einAusdruck der rückläufigen Lagerbestände undder mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der rus-

    sischen Unternehmen auf dem einheimischenMarkt. Im Verlauf des ersten Halbjahres sankder Marktanteil der russischen Bekleidungs-und Schuhindustrie um 10 Prozentpunkte aufunter 50 vH, bei den Erzeugnissen der Leichtin-dustrie insgesamt beträgt der Marktanteil vonImportwaren derzeit 27 vH gegenüber 11 vH1991.4

    b. Preisentwicklung

    Das Inflationstempo hat sich in den ersten sie-ben Monaten des Jahres 1994 merklich abge-schwächt. Lediglich im Januar lagen die mo-natlichen Steigerungsraten der industriellen Er-zeugerpreise und der Verbraucherpreise mit je-weils etwa 20 vH sowie der gesondert berech-neten Preise für Investitionsgüter und Baulei-stungen mit 25 vH noch auf dem Vorjahresni-veau (Tabelle 4). Von Mai bis Juli belief sichder Anstieg der Produzenten- und Verbraucher-preise auf weniger als 10 vH im Monat [Gos-komstat Rossii, 1994d, S. 71].

    Tabelle 4 — Daten zur Preisentwicklung

    VerbraucherpreiseNahrungsmittelAndere KonsumgüterDienstleistungen

    Industrielle ErzeugerpreiseElektrizitäts WirtschaftBrennstoffindustrieEisen- und StahlindustrieNE-MetallurgieChemieindustriePetrochemieMaschinenbauHolz-, Zellstoff- und

    PapierindustrieBaustoffindustrieLeichtindustrieNahrungsmittelindustrie

    Aufkaufpreise für tierischeErzeugnisse

    Preise für Investitionsgüterund Bauleistungen

    Gütertransporttarife

    Januar

    17,921,010,737,719,022,024,0

    8,013,024,015,021,0

    20,020,012,015,0

    14,0

    25,020,0

    994 (Preisanstieg gegenüber dem Vormonat in vH)

    Februar

    10,810,68,9

    21,516,016,022,012,011,013,018,017,0

    13,016,016,012,0

    12,0

    17,040,0

    März

    7,45,87,7

    16,810,017,013,010,012,013,010,07,0

    11,013,07,09,0

    3,0

    9,08,0

    April

    8,55,67,2

    31,810,011,06,0

    17,09,0

    11,011,012,0

    9,013,012,06,0

    1,0

    21,011,0

    Mai

    6,96,85,5

    12,77,0

    19,03,0

    10,03,0

    11,010,07,0

    8,08,05,05,0

    1,0

    6,010,0

    Juni

    6,05,65,0

    11,48,08,08,0

    12,011,014,08,07,0

    11,06,06,06,0

    0,4

    5,06,0

    Juli

    5,33,85,0

    13,38,0

    12,04,08,0

    5,09,06,0

    8,07,06,06,0

    -0,8

    8,03,0

    JuligegenüberDezember

    827562

    266108165110107

    134115106

    1121188476

    34

    132142

    Quelle: Goskomstat Rossii [1994d, S. 71, 295 f.; 1994i, S. 22 ff.].

  • Die Verkaufspreise der Industrie an denGroßhandel stiegen in den Monaten Januar bisJuli um 108 vH. Stärker als im Durchschnittwurden die Preise der Stromwirtschaft(165 vH), der Chemieindustrie (134 vH) undder Baustoffindustrie (118 vH) angehoben. DiePreiserhöhungen für Erzeugnisse der Brenn-stoffindustrie, der Holzverarbeitungs-, Zell-stoff- und Papierindustrie, der Eisen- und Stahl-industrie und des Maschinenbaus entsprachenungefähr denjenigen für die Industrie insge-samt. Demgegenüber lag der Preisanstieg in derLeicht- und der Nahrungsmittelindustrie ledig-lich bei ungefähr 80 vH [Goskomstat Rossii,1994c, S. 4 ff., 284].

    Die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise wer-den insbesondere auf regionaler Ebene weiter-hin in erheblichem Maße administriert, wobeidie niedrigen Aufkaufpreise durch Subventio-nen kompensiert werden. Im Ergebnis sind dievon den Beschaffungsorganisationen gezahltenPreise für Agrarprodukte im ersten Halbjahr1994 mit 40 vH weit geringer angestiegen alsdie übrigen Preisindizes. Demgegenüber habensich die Preise für die Inputs der Landwirtschaftin der ersten Hälfte des Jahres um 90 vH erhöht[Goskomstat Rossii, 1994c, S. 80 f.; Pra-vitel'stvo Rossijskoj Federacii, 1994, S. 25].

    Der Anstieg der Verbraucherpreise im Ver-lauf der ersten sieben Monate wird vom Gos-komstat mit 82 vH angegeben5 (Nahrungsmit-tel: 75 vH; übrige Konsumgüter: 62 vH;Dienstleistungen: 266 vH). Besonders starksind seit Jahresbeginn die Mieten, die Woh-nungsnebenkosten und die Tarife für einigekommunale Dienstleistungen angestiegen (um800 bis 900 vH). Im Juli 1994 lag der Preisin-dex um 340 vH über dem Vorjahresniveau(Nahrungsmittel: 310 vH; übrige Konsumgüter:270 vH; Dienstleistungen: 1 HOvH) [Goskom-stat Rossii, 1994d, S. 70 ff., 295]. Ebenso wiedie landwirtschaftlichen Erzeugerpreise werdendie Verbraucherpreise für Nahrungsmittel, aberauch für Kinderkleidung und Medikamente auflokaler Ebene in zahlreichen Regionen admini-striert, wobei häufig eine Begrenzung der Han-delsspannen praktiziert wird [Ministerstvo eko-nomiki Rossijskoj Federacii, 1994a, S. 15].

    c. Arbeitsmarkt

    Die Aussagekraft der Arbeitsmarktstatistiken istmit besonderer Unsicherheit behaftet. Ende Juni1994 waren bei den Arbeitsämtern lediglichl,5Mill. Personen ohne Beschäftigung regi-striert, dies entspricht einer Arbeitslosenquotevon etwa 2 vH (Ende Dezember 1993: 1,1 Mill.bzw. 1,5 vH). Von ihnen waren 1,3 Mill. (EndeDezember: 836 000) als Arbeitslose anerkannt,d.h., sie waren länger als drei Monate ohne Be-schäftigung. Die Zahl der den Arbeitsämterngemeldeten offenen Stellen betrug 374 000 ge-genüber 352 000 Ende Dezember [Governmentof the Russian Federation, 1994, Nr. 1] (Ta-belle 5).

    Es kann davon ausgegangen werden, daßsich insbesondere in den ländlichen Gebietennicht alle Arbeitslosen bei den Arbeitsämternmelden. Goskomstat hat daher alternativ zu denMeldungen der Arbeitsämter die Zahl der Ar-beitslosen nach der Methodik des Internationa-len Arbeitsamtes (ILO)6 mit 4,5 Mill. errech-net, was einer Arbeitslosenquote von 6 vH ent-spricht (Ende Dezember: 3,8 Mill. bzw. 5 vH).Wegen der fortdauernden Unterstützung ver-lustbringender Unternehmen durch den Staat,der Nichtanwendung des Konkursgesetzes so-wie des hohen Umfangs an Kurzarbeit ent-sprach der Beschäftigungsabbau in den staatli-chen bzw. in den in Aktiengesellschaften um-gewandelten Großbetrieben bis jetzt bei weitemnicht dem Produktionsrückgang. Es existiertdaher eine verdeckte Arbeitslosigkeit. Ihr Um-fang wird von Goskomstat gleichfalls auf4,5 Mill. geschätzt, so daß von einer offenenund verdeckten Arbeitslosigkeit von 9 Mill.(Arbeitslosenquote 12 vH) ausgegangen wird.Angesichts eines Rückgangs des BIP seit 1990um etwa 50 vH und der bereits in der Aus-gangssituation vorhandenen personellen Über-besetzung der meisten Staatsbetriebe ist jedochselbst diese Größe zu niedrig.

    Der Arbeitsmarkt wird allerdings durch diezunehmenden Beschäftigungsmöglichkeiten imprivaten Sektor entlastet, die von der Statistiknur in unzureichendem Maß erfaßt werden. Ins-besondere wächst die Bedeutung von zweiten

  • Tabelle 5 — Arbeitsmarktentwicklung nach Monaten 1993 und 1994 (1 000 Personen)

    19931. Januar1. Februar1. März1. Aprill.Mai1. Junil.Juli1. August1. September1. Oktober1. November1. Dezember

    19941. Januar1. Februar1. März1. Aprill.Mai1. Junil.Juli1. August

    Arbeitslose

    Berechnungsmethodedes ILO

    3 588

    3 8003 8004 00044004 5004 5004 5004 600

    aMindestens drei Monate ohne Beschäftigung

    bei den Arbeitsämterngemeldet

    968101410651082108610551006

    989979969994

    1056

    108511651266

    13641460148315161581

    anerkannta

    578628692732751740717717714706728779

    836894989

    10831180121912601324

    Offene Stellen

    307301311358404472519511511496453386

    352283275289325347374382

    Quelle: Goskomstat Rossü [1994a, S. 153 f.; 1994j, S. 48; 1994k, S. 4; 19941, S. 4; 1994b, S. 4; 1994c, S. 4; 1994d, S. 4].

    Arbeitsverhältnissen, die den von Kurzarbeitbetroffenen Personen die Möglichkeit verschaf-fen, ihre Einkommenseinbußen teilweise zukompensieren. Der Gesamtumfang derartigerBeschäftigungsverhältnisse belief sich Mitte1994 nach Schätzungen der Regierung auf8 Mill., davon entfielen etwa 2,5 Mill. auf Han-dels- und Vermittlungstätigkeiten. Angesichtsder Natur dieser Nebenerwerbstätigkeiten sindderartige Schätzungen aber zwangsläufig frag-würdig [Pravitel'stvo Rossijskoj Federacii,1994, S. 84 ff.].

    Zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes hat dieRegierung am 15. Juni 1994 ergänzend zu denbisherigen Beschlüssen auf diesem Gebiet einföderales Beschäftigungsprogramm für das Jahr1994 verabschiedet. Das Programm soll etwa9 Mill. Personen zugute kommen und hat einVolumen von 4 bis 6 Bill. Rubel. Zu den Be-standteilen des Programms zählen gezielte Hil-fen für zahlungsunfähige und vom Konkurs be-drohte Unternehmen, Lohnsubventionen, Ar-

    beitsbeschaffungs- und Umschulungsmaßnah-men, finanzielle Hilfen für Arbeitslose sowieMaßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsver-mittlung durch die Arbeitsämter [Sobraniezakonodatel'stva, 1994, Nr. 13, S. 2020 ff.].

    d. Einkommensentwicklung und Lageder privaten Haushalte

    Die nominalen Geldeinkommen haben sich imZeitraum Januar bis Juni 1994 gegenüber demVorjahreszeitraum um 630 vH erhöht [Gos-komstat Rossii, 1994c, S. 64]. Dem entsprichteine Erhöhung der realen Geldeinkommen von35 vH (Tabelle 6). Die Reallöhne waren imJuni 1994 gegenüber dem Vergleichsmonat desVorjahres um 14 vH niedriger; gegenüber Ja-nuar 1994 ist jedoch eine Steigerung um etwa6 vH eingetreten. Allerdings waren im Trans-portgewerbe, im Gesundheits- und Bildungswe-sen, im Bereich der Kultur und bei den Bankenund Versicherungen seit Jahresbeginn 1994

  • Reallohnverluste zu verzeichnen [GoskomstatRossii, 1994a, S. 311; 1994c, S. 283; 1994d,S. 270]. Der durchschnittliche Monatslohn be-trug im Juni 1994: 207 500 Rubel. Die höch-sten Löhne wurden wie bisher im Banken- undVersicherungssektor (390 200 Rubel) gezahlt,gefolgt vom Transportgewerbe (315 000 Ru-bel). Die Landwirtschaft hat das mit Abstandniedrigste Lohnniveau (100 700 Rubel). DieLöhne der Forstwirtschaft und in den meistenhaushaltsfinanzierten Bereichen liegen eben-falls weit unter dem Durchschnitt. Der Lohnzu-wachs im Kulturbereich, im Bildungs- und Ge-sundheitswesen war für den Zeitraum Januarbis Juni 1994 unterdurchschnittlich, so daß sichder Abstand zu den anderen Sektoren vergrö-ßert hat.

    Tabelle 6 —Entwicklung der realen Geldeinkommenund der Reallöhne 1994

    Tabelle 7 —Struktur der Geldeinkommen 1993 und1994 (vH)

    JanuarFebruarMärzAprilMaiJuni

    Reale Geldein-kommen

    100116,0128,6131,1120,6134,6

    Reallöhne

    10097,3

    103,299,099,1

    105,8

    Quelle: Goskomstat Rossii [1994c, S. 66]; eigene Be-rechnungen.

    Der Mindestlohn beträgt ab 1. Juli 1994:20 500 Rubel, das Existenzminimum 85 700Rubel. Für die durchschnittlichen Altersrentenwerden ab 1. Juli 1994: 82 000 Rubel genannt.

    Die Struktur der Einkommen hat sich gegen-über dem Vorjahr wesentlich verändert (Ta-belle 7). Die sonstigen Einkommen, die Ein-kommen aus selbständiger Tätigkeit, aus Betei-ligungen an betrieblichen Gewinnen und ausFinanz- und Immobiliengeschäften enthalten,erreichten einen Anteil von etwa einem Drittel,während der Anteil der Löhne entsprechend ge-sunken ist. In den sonstigen Einkommen könn-ten auch versteckte Lohnzahlungen enthaltensein.

    In der Verwendungsstruktur der Geldein-kommen traten weitere Veränderungen ein (Ta-

    InsgesamtLöhneTransferleistungenEinnahmen aus Unternehmer-

    tätigkeit, Kredit- undGewinnbeteiligungen,Immobiliengeschäften undFinanzoperationen;sonstige Einnahmen

    Dezember1993

    1007415

    11

    1. Halbjahr1994

    10050,315,5

    34,2

    Quelle: Goskomstat Rossii [1994a, S. 139; 1994c, S. 63f.]; eigene Berechnungen.

    belle 8). Der Anteil der Konsumausgaben istgegenüber 1993 gesunken, während die Er-sparnis weiter gestiegen ist. Dabei hat sich derAnteil der Ausgaben für den Kauf von Devisenvon etwa 3,6 vH im Juli 1993 auf 11,5 vH imJuni 1994 besonders schnell erhöht.

    Tabelle 8 — Struktur der Verwendung der Geldeinkom-men 1992 bis Juni 1994 (vH)

    Gesamteinnahmenverwendet für:

    Kauf von Gütern undDienstleistungen

    Steuern und BeiträgeZuwachs der Spareinlagen

    und Kauf von DevisenZuwachs des Bargeld-

    bestands

    1992

    100

    72,98,7

    4,8

    13,6

    1993

    100

    69,37,8

    14,3

    8,6

    Juni1994

    100

    61,210,8

    19,9

    8,1

    Quelle: Goskomstat Rossii [1994a, S. 149; 1994c, S. 65].

    Der Unterschied in den durchschnittlichenPro-Kopf-Einkommen, gemessen am höchstenund niedrigsten Einkommensdezil, hat sich ge-genüber Juni 1993 vom 8,8fachen auf das7,3fache verringert. Die Gruppe mit den höch-sten Einkommen (jeweils 10 vH der Bevölke-rung) verfügt über 23 vH, die mit den niedrig-sten über 3 vH der Einkommen [GoskomstatRossii, 1994c].

  • 10

    2. Finanz- und Geldpolitik

    a. Öffentliche Haushalte

    Im Mittelpunkt der seit Jahresbeginn 1994 inKraft getretenen finanzrechtlichen Neuregelun-gen stand eine Stärkung der regionalen Steuer-autonomie und die Neufassung des Finanzaus-gleichs. Die Entwicklung der öffentlichenHaushalte im ersten Halbjahr 1994 zeigt, daßauch mit dieser Reform der Beziehungen zwi-schen Regionen und Zentrum die wichtigenProbleme des föderalen Budgets nicht gelöstwerden können. Die anhaltende finanzpolitischeKonzeptionslosigkeit spiegelte sich in den zä-hen Auseinandersetzungen zwischen Regierungund Parlament um Ausgabenstruktur und De-fizithöhe des Föderationshaushalts während derersten sechs Monate des Jahres 1994 wider;Ende Juni 1994 konnte der föderale Haushaltfür das laufende Jahr verabschiedet werden[Sobranie zakonodatel'stva, 1994, Nr. 10, S.1525 ff.]. Dieser sieht für das Jahr 1994 Ein-nahmen in Höhe von 124,5 Bill. Rubel vor, de-nen Ausgaben in der Größenordnung von194,5 Bill. Rubel gegenüberstehen; ein Ausga-

    benanteil von 36 vH würde demnach nichtdurch entsprechende Einnahmen gedeckt wer-den können.

    In den ersten sechs Monaten des Jahres 1994sind die Einnahmen des konsolidierten Haus-halts? im Vergleich zum Vorjahreszeitraum realum etwa 30 vH gesunken.8 Zwar stellten, wiein den Vorjahren, die Gewinn- und die Mehr-wertsteuer die wichtigsten Einnahmequellen9

    dar (Tabelle 9), jedoch mußten bei beidenSteuerarten überdurchschnittliche reale Rück-gänge hingenommen werden, die auch im Zu-sammenhang mit den Produktionseinbrüchenim ersten Halbjahr zu sehen sind. Der deutlicheZuwachs der Einnahmen aus Zöllen ist aufsteuerrechtliche Neuregelungen zurückzuführen(vgl. Abschnitt I.4.c). Nach wie vor spielt dasEinkommensteueraufkommen eine eher unter-geordnete Rolle; durch häufige Anpassung derEinkommensgrenzen an die Inflationsentwick-lung wird die Wirkung der „kalten Progression"weitgehend ausgeschaltet. Über die Zusammen-setzung des Postens „sonstige Einnahmen" lie-gen keine Informationen vor.

    Tabelle 9 — Konsolidierter Haushalt, ausgewählte öffentliche Einnahmen und Ausgaben 1992—1994

    Einnahmen insgesamtDirekte Steuerndavon aus:

    GewinnsteuerEinkommensteuer

    Indirekte Steuerndavon aus:

    AkzisenMehrwertsteuerZölle usw.

    Sonstige EinnahmenAusgaben insgesamtVolkswirtschaftSoziokulturelle MaßnahmenVerteidigungSonstigeSaldo Einnahmen-Ausgaben

    1992

    Jahr

    5,3

    1,60,4

    0,22,00,50,66,02,11,40,91,7

    -0,6a

    1993

    1.Halbjahr

    Bill.

    13,2

    5,11,0

    0,53,60,92,1

    14,63,93,81,95,0

    -1,4

    Jahr

    Rubel

    41,8

    16,84,4

    1,811,32,35,2

    57,316,114,37,2

    19,7-15,5

    1994

    1.Halbjahr

    60,0

    18,15,9

    2,212,17,2

    14,581,019,820,6

    9,631,0

    -21,0

    aIm Jahr 1992 war der Umfang der außerbudgetären Aktivitäten erheblich.

    1992

    Jahr

    1993

    1.Halbjahr

    Jahr

    1994

    1.Halbjahr

    Anteil an den Gesamteinnahmen/-

    100,0

    29,48,1

    4,037,7

    8,812,0

    100,042,023,214,320,5

    ausgaben (vH)

    100,0

    38,67,6

    3,827,3

    6,815,9

    100,026,726,013,034,3

    100,0

    40,110,5

    4,327,0

    5,612,5

    100,028,125,012,634,4

    100,0

    30,29,8

    3,720,212,024,2

    100,024,425,411,938,3

    1992

    Jahr

    29,4

    8,72,4

    1,211,12,63,5

    33,011,47,64,79,2

    -3,6a

    1993

    1.Halbjahr

    Jahr

    Anteil am BIP (vH)

    28,8

    11,12,2

    1,17,92,04,6

    31,98,58,34,1

    10,9-3,1

    25,8

    10,32,7

    1,17,01,43,2

    35,39,98,84,4

    12,1-9,5

    1994

    1.Halbjahr

    25,6

    7,72,5

    0,95,23,16,2

    34,68,58,84,1

    13,2-9,0

    Quelle: Goskomstat Rossii [1994j; 1994d]; eigene Berechnungen.

  • 11

    Größer als jeder einzelne Einnahmepostenwar die Summe der aufgelaufenen Steuerrück-stände der Industriebetriebe, des Baugewerbes,der Landwirtschaft und des Transportwesens;sie beriefen sich zum 1. Juli 1994 auf 18,9 Bill.Rubel (etwa 32 vH der Einnahmen bzw. knapp8vH des BIP) [Goskomstat Rossii, 1994d,S. 90]. Die Steuerrückstände sind zum einen alseine eigenmächtige Erweiterung des Kredit-spielraums von Seiten des Unternehmenssektorszu verstehen; Liquiditätsengpässe im Unter-nehmenssektor werden so auf die Budgetsphäreüberwälzt. Die Rückstände sind zum anderenauch teilweise eine Reaktion der Unternehmenauf ausstehende Zahlungen des Staates für Lie-ferungen und Leistungen. Für die Tilgung derim Jahr 1993 und im ersten Quartal 1994 aufge-laufenen Schulden wurden bis zum 1. Juli 1994Haushaltsmittel im föderalen Budget in derHöhe von 4,3 Bill. Rubel verwandt (etwa 8 vHder föderalen Gesamtausgaben). Alle Anzei-chen deuten darauf hin, daß die öffentlichenHaushalte und insbesondere der föderale Haus-halt Nettogläubiger des Unternehmenssektorssind [Goskomstat Rossii, 1994c, S. 100 f.].

    Auf die Erhöhung der Steuerdisziplin zielenmehrere Präsidialerlasse vom Mai 1994, dieinsbesondere eine Informationspflicht der Ban-ken gegenüber den Finanzbehörden betonenund bestehende Sanktionsmöglichkeiten erwei-tern [Sobranie zakonodatel'stva, 1994, Nr. 5,S. 637 f.]. Diese formale Kompetenzerweite-rung der Finanzbehörden wird jedoch dieSteuerdisziplin nur begrenzt steigern können.Denn einerseits sind die Finanzbehörden mitder Erfassung der steuerrechtlich relevantenwirtschaftlichen Aktivitäten, insbesondere desPrivatsektors, überfordert. Andererseits überla-sten anhaltende Detailänderungen des Steuer-rechts die sich erst etablierende Verwaltung.Insgesamt zeigt sich in dem erheblichen Aus-maß der Steuerrückstände, exemplarisch für diegesamte ordnungspolitische Situation, die im-mer noch schwache Rechtsposition von Gläu-bigern gegenüber Schuldnern, die ihrerseitswiederum die erheblichen Durchsetzungspro-bleme des Staates reflektiert.

    Die Ausgaben des konsolidierten Haushaltssind im ersten Halbjahr 1994 im Vergleich zum

    Vorjahreszeitraum real um etwa 13 vH gesun-ken. Angesichts der seit Herbst 1993 restrikti-veren Geldpolitik könnte diese Entwicklungvordergründig als ein Ansatz interpretiert wer-den, die bislang beobachtbare Substitution vonGeld- und Fiskalpolitik zu begrenzen. Nichtlänger würden die Folgen einer Begrenzung derSubventionszahlungen durch eine expansivereKreditpolitik abgemildert. Bei einem Zusam-menspiel von restriktiverer Geldpolitik undstrafferer Fiskalpolitik würde sich der Anpas-sungsdruck auf den Unternehmenssektor erhö-hen. Allerdings ist unklar, in welchem Ausmaßder reale Ausgabenrückgang durch verzögerteZahlungen aus dem Budget zustande kommt.10

    Im ersten Halbjahr 1994 überstiegen die Aus-gaben für soziokulturelle Maßnahmen, erstmalsseit Beginn des Transformationsprozesses, dasVolumen des bislang dominierenden Postens„Volkswirtschaft" (Tabelle 9), hinter dem sichvor allem Subventionszahlungen und Staatsauf-träge verbergen.11 Die gleichzeitige Anteils-steigerung der „sonstigen Ausgaben" deutet aufeine Umschichtung zugunsten von subventio-nierten Krediten hin. Schrittweise werden dieVerteidigungsausgaben abgebaut, die einen imVorjahresvergleich nahezu konstanten Anteilam rückläufigen BIP haben.

    Die reale Ausgabenkürzung im Vergleichzum Vorjahreszeitraum wurde vom Einnahme-rückgang übertroffen; das Defizit des konsoli-dierten Haushalts erreichte im ersten Halbjahr1994 die Größenordnung von 9vH des BIP.Die Defizitfinanzierung erfolgte, wie in denVorjahren, vorrangig durch vergünstigte Zen-tralbankkredite (18,1 Bill. Rubel; 86 vH desDefizits) [Goskomstat Rossii, 1994d, S. 93].Diese Kredite werden bei einer Laufzeit von 10Jahren zu einem Jahreszinssatz von 10 vH ver-geben [Sobranie zakonodatel'stva, 1994,Nr. 10, S. 15-26]. Eine so deutlich negativeRealverzinsung kommt einem Forderungsver-zicht der Zentralbank gleich. Obwohl die Be-deutung von staatlichen Wertpapieren für dieDefizitfinanzierung wächst, spielt diese Finan-zierungsform nach wie vor eine untergeordneteRolle.12 Das Defizit des konsolidierten Haus-halts entsteht allein auf der Föderationsebene;die Haushalte der nachgeordneten Gebietskör-

  • 12

    perschaften verfügten in ihrer Summe in den er-sten sechs Monaten über leichte Überschüsse(0,8 Bill. Rubel) [Goskomstat Rossii, 1994d,S. 93]. Die unterschiedliche Haushaltssituationder einzelnen föderalen Ebenen reflektiert vorallem deren jeweilige Zugriffsmöglichkeitenauf vergünstigte Zentralbankkredite. Da dieseFinanzierungsmöglichkeit nur dem Födera-tionshaushalt offensteht, fällt das Defizit dortan. Die nachgeordneten Gebietskörperschaftensichern ihre Einnahmen zum Teil durchNichtabführung von Steuern in den föderalenHaushalt und partizipieren zugleich am Finanz-ausgleichssystem.

    Die fehlende Äquivalenz zwischen Ausga-benkompetenzen und Erhebungsrechten auf denunterschiedlichen föderalen Ebenen spiegeltesich in den ersten sechs Monaten des Jahres1994 in der wachsenden Kluft zwischen Ge-samtausgaben- und Gesamteinnahmeanteilendes Föderationshaushalts wider: Während aufdas föderale Budget ein Ausgabenanteil von52 vH entfiel, berief sich der Einnahmeanteilauf 48 vH [Goskomstat Rossii, 1994d, S. 90 f.].Der nicht durch Einnahmen gedeckte Ausga-benanteil des Föderationshaushalts erreichtezum l.Juli 1994 eine Größenordnung von42 vH (etwa 9,3 vH des BIP) und lag damitdeutlich über der Vorgabe des Haushaltsgeset-zes. Die geplanten Ausgaben für die Volkswirt-schaft (23,2 vH der Gesamtausgaben) liegennur wenig über den Verteidigungsausgaben(20,6 vH); etwa 10,5 vH der Gesamtausgabensollen für den Finanzausgleich verwandt wer-den. Tatsächlich wurden im ersten Halbjahr1994 Einnahmen in Höhe von 29,5 Bill. Rubel(24 vH der geplanten Einnahmen) erzielt undAusgaben in der Größenordnung von 51,3 Bill.Rubel (26 vH der geplanten Ausgaben) getätigt.De facto entfielen in den ersten sechs Monaten1994 auf die Verteidigungsausgaben 19 vH derGesamtausgaben, auf die „Volkswirtschaft" je-doch nur 11 vH. Im Zusammenhang mit demFinanzausgleich wurden Ausgaben in der Grö-ßenordnung von 11 vH der Gesamtausgabengetätigt. Nach Angaben des stellvertretendenFinanzministers Alexaschenko sind vor allemdie Einnahmeschätzungen viel zu optimistisch;er erwartet Einnahmen für das gesamte Jahr

    1994 in der Größenordnung von 64 Bill. Rubel,also nur etwa 50 vH der im Haushaltsgesetzgeplanten Summe [Financial Times vom 28.September 1994].

    Insgesamt läßt sich an der bisherigen Ent-wicklung der öffentlichen Haushalte im Jahres-verlauf erkennen, daß auch mit den seit Jahres-beginn implementierten Reformansätzen die er-heblichen finanzpolitischen Probleme nichteinmal ansatzweise gelöst werden konnten.Vielmehr besteht die Gefahr, daß das Defizitdes konsolidierten Haushalts in der zweitenJahreshälfte ansteigen wird. Denn erfahrungs-gemäß fallen insbesondere im dritten Quartalerhebliche Ausgaben vor allem im Zusammen-hang mit dem Aufkauf landwirtschaftlicher Er-zeugnisse an. Dazu paßt, daß im Juli 1994 einebudgetfinanzierte Kreditierungsmöglichkeit fürnotleidende Betriebe eingeräumt und damit be-reits eine gewisse Lockerung der Fiskalpolitikeingeleitet wurde [Sobranie zakonodatel'stva,1994, Nr. 11, S. 1656 f.]. Das Fehlen einertragfähigen finanzpolitischen Konzeption er-schwert die Politik der Ausgabenkürzung alsReaktion auf die Einnahmeausfälle. Angesichtsder bestehenden Haushaltssituation und den zuantizipierenden Ausgabenbelastungen über-rascht, daß die seit Mai 1994 geplante neuerli-che Steuerreform auf eine deuüiche Senkungder Mehrwert- und Gewinnsteuersätze beigleichzeitiger Erhöhung der Einkommensteuer-belastung natürlicher Personen und einer stärke-ren Betonung der Vermögensteuer zielt[Sobranie zakonodatel'stva, 1994, Nr. 5, S. 635f.]. Noch immer ist keine in sich stimmige fi-nanzpolitische Strategie zu erkennen, die derstabilitätspolitischen Verantwortung und denverteilungspolitischen Anforderungen Rech-nung tragen könnte. Das gesamte Finanzsystemwirkt wie ein disharmonisches Zusammenspielvon ad hoc ergriffenen Einzelmaßnahmen, dieihrerseits wiederum jederzeit partiellen Novel-lierungen unterliegen können.

    b. Geld und Kredit

    Der geldpolitische Kurs war im ersten Halbjahr1994, wie bereits in den letzten Monaten von1993, durch eine Verringerung des Geldmen-genwachstums und positive Realzinsen geprägt.

  • 13

    Infolge dieser stabilitätsorientierten Politik sankdie durchschnittliche monatliche Inflationsratevon noch 20 vH im Jahr 1993 auf unter 10 vHin der ersten Hälfte von 1994. Allerdings kanndieser positive Befund nicht uneingeschränktals Indiz für einen nachhaltigen Kurswechsel inder Geld- und Kreditpolitik der Zentralbankgewertet werden. Vielmehr gibt es Hinweiseauf eine Lockerung der Geldpolitik. Zum einenverschärft sich das Problem notleidender Kre-dite in den Bilanzen russischer Banken, so daßeine Bankenkrise droht. Zum anderen ist diezwischenbetriebliche Verschuldung stark an-gestiegen, für deren Verminderung bisher nochkein stabilitätsorientierter Lösungsansatz ge-funden wurde. Vielmehr ist es in den vergange-nen Wochen erneut zu der Ausgabe subventio-nierter Bargeld- und Kreditlieferungen an Un-ternehmen der Landwirtschaft, der Schwerin-dustrie und des militärisch-industriellen Kom-plexes gekommen.

    Hinsichtiich der Entwicklung der nominalenGeldmenge ergibt sich für die ersten beidenQuartale von 1994 kein einheitliches Bild.Nachdem noch im ersten Quartal sämtlicheGeldmengenaggregate weniger stark als imVorjahresdurchschnitt gestiegen waren, war einstärkerer Anstieg im zweiten Quartal als im er-sten zu verzeichnen (Tabelle 10). Auch dieNettokreditvergabe an die Regierung stieg stär-ker an.13 In realen Größen gemessen sankensowohl die Geldmenge M2 und die Kreditver-gabe der Zentralbank als auch die Bargeld-menge in der zweiten Hälfte von 1993 und imersten Quartal von 1994. Diese Kontraktion derrealen Geldmenge war Anfang 1994 nach ein-einhalb Jahren erstmals wieder von einem rea-len Anstieg der zwischenbetrieblichen Ver-schuldung der Unternehmen begleitet (Schau-bild l) .1 4 Nachdem der Anteil der überfälligenVerschuldung Mitte 1992 seinen Höchststandmit gut 60 vH der gesamten Lieferantenkrediteerreicht hatte und im Jahr 1993 auf 40 vH abge-sunken war, lag dieser Anteil 1994 mit leichtsteigender Tendenz bei rund 45 vH.

    Bisher ist noch unklar, wie die Regierungdem Problem der gegenseitigen Kreditierungder Unternehmen begegnen will. Offensichtlichist die beobachtbare Entwicklung eine Reaktion

    der Unternehmen auf die Verknappung derBankkredite. Die Unternehmen erwarten, daß,wie dies in der Vergangenheit der Fall war,Forderungen von Lieferanten durch die Zen-tralbank monetisiert werden.15 Der konsequenteWeg zur Lösung des Verschuldungsproblemswäre demgegenüber, eine restriktive Geldpoli-tik fortzusetzen und diejenigen Unternehmen zuschließen, die nicht überlebensfähig sind. Dieserfordert auch die Umsetzung eines Konkursge-setzes, das es solventen Unternehmen erlaubt,Forderungen durchzusetzen und Zugriff auf dieAktiva säumiger Schuldner zu nehmen. Esscheinen sich jedoch die Erwartungen der Un-ternehmen auf finanzielle Hilfe der Regierungund damit letztlich der Zentralbank zu erfüllen:Derzeit fließen den Unternehmen Liquiditäts-hilfen der Zentralbank zu, so daß die zwischen-betriebliche Verschuldung zumindest teilweisemonetisiert wird. Der resultierende Anstieg derGeldmenge M2 dürfte preistreibende Wirkunghaben. Im Spätsommer 1994 wurden der Land-wirtschaft Kreditzusagen in Höhe von 6 Bill.Rubel gemacht. Im August wurden zudem 3,5Bill. Rubel in Form von Vorzugskrediten an In-dustrieunternehmen ausgeschüttet.16 Sie wür-den jedoch nur ausreichen, um rund 20 vH dergesamten überfälligen Forderungen, die russi-sche Unternehmen Ende Juni gegenüber ihrenLieferanten akkumuliert hatten, zu bedienen.17

    Tabelle 10 —Wachstumsraten der Geldmengenaggre-gate pro Quartal 1992-1994 (vH)

    BargeldM2Zentralbankkredite0

    Bankkredited

    1992 1993

    I-IVa1994

    n8268

    12586

    70514658

    209

    4028

    2948b

    52b

    aDurchschnittliche Quartalswerte. — "Durchschnitt-liche Monatswerte für April und Mai, umgerechnet aufdas Quartal. — cInländische Bruttokreditvergabe(ohne Kredite an die GUS-Staaten). — dKredite derGeschäftsbanken an Unternehmen, Haushalte und dieRegierung.

    Quelle: Central'nyj Bank Rossijskoj Federacii [a, 1994,Nr. 1]; Government of the Russian Federation [lfd. Jgg.];Interne Arbeitsunterlagen des Russischen Wirtschafts-ministeriums; eigene Berechnungen.

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    Schaubild 1 — Geldmenge M2 und zwischenbetriebliche Kredite 1992-1994a (Bill. Rubel)

    i i i i i i i i i i i i i i i \ i i i i i

    ~ M2 Zwischenbetriebliche Kredite

    aIn konstanten Produzentenpreisen von Januar 1992.

    Quelle: Central'nyj Bank Rossijskoj Federacii [a]; Government of the Russian Federation [lfd. Jgg.]; eigene Berechnun-gen.

    Die Zinspolitik der Zentralbank gibt derzeitkein einheitliches Bild ab. Zwar sind die offi-ziellen Refinanzierungssätze bei realer Betrach-tung bereits seit Ende 1993 deutlich im positi-ven Bereich (Schaubild 2),18 jedoch erhält dasFinanzministerium nach wie vor Kredite zuZinssätzen weit unter dem Marktzinssatz. Da-neben gibt es drei verschiedene Zinssätze, diebei der Kreditvergabe an Banken angewandtwerden:

    - Die Obergrenze der Zinsen stellt der all-gemeine Refinanzierungssatz dar, der inden vergangenen Monaten schrittweise andie Zinsen auf dem Interbankenmarkt an-genähert worden ist und in letzter Zeit so-gar darüber gelegen hat. Dieser Zinssatzist im Verlauf des Jahres 1994 stufen-weise von jährlich 210 vH im Januar auf130 vH seit Ende August gesenkt worden[Goskomstat Rossii, 1994c; VWD-Osteu-ropa vom 23.8.1994].

    - Der Zinssatz für zentralisierte Kreditewurde bis auf eine Marge von maximal5 vH an den sogenannten verrechnetenInterbankenzinssatz, der einem Durch-schnittswert der Zinsen der vergangenenvier Wochen entspricht, angenähert. Zen-

    tralisierte Kredite wurden Ende Juni zueinem Jahreszins von 123 vH und damitrund 50 Prozentpunkte unterhalb des all-gemeinen Refinanzierungssatzes abgege-ben [Goskomstat Rossii, 1994c]. Über dieVerwendung dieser zentralisierten Krediteentscheiden nicht die Banken selbst, son-dern die Zentralbank oder die Regierung.

    - Seit Anfang des Jahres versteigert dieZentralbank einen Teil ihrer Kreditmittel,wobei sowohl der Umfang der Kreditver-gabe als auch ein Mindestzinssatz, deroberhalb des Interbankenzinses liegt,vorab festgelegt werden (Zinstender). BisEnde des Jahres sollen 15 vH der gesam-ten Kredite über Kreditauktionen verge-ben werden. Der Auktionskurs lag imApril 1994 zwischen dem allgemeinenund dem Zinssatz für zentralisierte Kre-dite, Ende Juni jedoch mit 114 vH deut-lich darunter [Izvestija vom 11.8.1994].

    Tatsächlich gewinnt die Kreditvergabe an dieRegierung immer größere Bedeutung in derKreditpolitik der Zentralbank. Nachdem derAnteil der an die Regierung vergebenen heimi-schen Zentralbankkredite Ende 1992 rund

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    Schaubild 2 — Realverzinsung 1992-1994 (vH pro Monat)

    20

    -302 4 6 8 10 12 2

    1992 1993

    —E3— Durchschnittlicher Interbanken-Zins

    10 12 2 4 6

    1994

    Refinanzierungszins (deflationiert mit Produzentenpreisen)

    Einlagenzins (Einlagen < 1 Monat; Zinsen deflationiert mit Konsumentenpreisen)

    Quelle: Goskomstat Rossii [1994d]; unveröff. Arbeitsunterlagen des russischen Finanzministeriums; eigene Berech-nungen.

    44 vH betragen hatte, ist dieser kontinuierlichauf 55 vH Ende 1993 und schließlich 66 vHEnde Mai 1994 angestiegen [Central'nyj BankRossijskoj Federacii, b, 9.8.1994, S. 5]. Derdurchschnittliche Zinssatz auf alle Kredite derZentralbank dürfte bei nur knapp 64 vH im Jahroder umgerechnet 5,4 vH monatlich und damit,bei realer Betrachtung, noch immer im negati-ven Bereich gelegen haben.19

    Die Entwicklungen im russischen Geschäfts-bankensektor sind von einer erhöhten Instabili-tät des heimischen Bankensektors sowie voneiner leichten Verbesserung der Tätigkeiten vonAuslandsbanken gekennzeichnet. Die Politikder Subventionierung der Wirtschaft durch dieBanken führt zu erheblichen Gefahren für dieStabilität des Bankensystems. Darüber hinausbegünstigen unzureichende Regulierungendurch die Bankenaufsicht eine unsolide Kredit-vergabe der Banken. Im Verlauf des vergange-nen Jahres ist der Anteil der überfälligen Kre-dite an dem gesamten Kreditbestand der Ban-ken von 9 vH im ersten Quartal auf 12 vH imvierten Quartal angestiegen [Central'nyj BankRossijskoj Federacii, a, 1994, Nr. 6/7, S. 6]. Inden ersten fünf Monaten haben die überfälligenBankkredite dann noch einmal stark zugenom-

    men und Ende Mai einen Anteil von 21 vH anden Bankkrediten erreicht.20

    Der starke Anstieg der überfälligen Kreditedürfte eine Folge der geldpolitischen Stabilisie-rungsbemühungen sein. Angesichts des hohenAnteils notieidender Kredite dürfte ein Großteilder Banken insolvent sein, wenngleich es bishernicht zu Konkursen von Banken in größeremAusmaß gekommen ist. Für den Fortbestandeiner solchen Situation gibt es verschiedeneErklärungen. Die Liquidität grundsätzlich in-solventer Banken kann durch den Zugang zuspeziellen Refinanzierungskrediten der Zentral-bank gesichert werden. Inoffiziellen Angabender Zentralbank zufolge vergibt sie diese Kre-dite an illiquide Banken für maximal siebenTage zu einem Zinssatz von 20 Prozentpunktenoberhalb des allgemeinen Refinanzierungssat-zes. Zudem könnten sich die Banken durch dieAttrahierung neuer Einlagen refinanzieren.Schließlich kann durch eine unzureichendeUmsetzung bankenaufsichtsrechtlicher Rege-lungen verhindert werden, daß Banken ihre bi-lanziellen Verluste aufzeigen und eine entspre-chende Risikovorsorge treffen müssen. Somitkönnen im Prinzip insolvente Banken für einegewisse Zeit liquide bleiben.

  • 16

    Zur Lösung der Probleme im Geschäftsban-kensektor hat die Zentralbank in den vergange-nen Wochen eine Reihe von Maßnahmen einge-leitet [Oxford Analytica, 1994].21 Bereits imJuli wurden die Mindestkapitalanforderungenfür russische Geschäftsbanken von 2 Mrd. auf2,2 Mrd. Rubel oder umgerechnet 1 Mill. US$angehoben. Nachdem schon im vergangenenJahr eine Reihe von Banklizenzen wieder ein-gezogen worden war, wurde dann im Augustinsgesamt fünf Banken die Lizenz entzogen,weitere sechs Banken wurden für die Nichtein-haltung von Regelungen der Bankenaufsichtmit Geldstrafen belegt. Darüber hinaus ver-stärkt die Zentralbank, in deren Aufgabenbe-reich die Aufsicht des Geschäftsbankensektorsfällt, ihre Inspektionen von Banken vor Ortbzw. nimmt direkten Eingriff in die Tätigkeiteinzelner Geschäftsbanken. Die Wirksamkeitdieser Maßnahmen dürfte jedoch begrenzt sein,solange die Anreizsysteme im Bankensektorunverändert bleiben. Die Vergangenheit hat ge-zeigt, daß die Banken gestiegenen Anforderun-gen an ihr Eigenkapital nur unzureichend nach-kommen. Zudem beschränken sich die Banken-konkurse bisher auf sehr kleine Banken.

    Von vorübergehenden Schwankungen abge-sehen ist der Geldmultiplikator seit der Preisre-form Anfang 1992 kontinuierlich von einemWert von rund 2,75 im Januar 1992 auf 1,6Ende 1993 gefallen.22 Diese Entwicklung warin erster Linie Folge der zunehmenden Bargeld-haltung der privaten Haushalte, während dieReservehaltung der Geschäftsbanken nach ei-nem starken Anstieg in 1992 im Jahr 1993 na-hezu konstant blieb. Darüber hinaus hat in denPortfolios der privaten Haushalte eine Um-schichtung zugunsten von Einlagen in ausländi-scher Währung stattgefunden. Die Entwicklungin den ersten fünf Monaten von 1994 ist vonzwei gegenläufigen Tendenzen geprägt.23 Ei-nerseits haben die Haushalte als Folge der er-höhten realen Verzinsung verstärkt Terminein-lagen und weniger Sichteinlagen nachgefragt.Da die Mindestreserveanforderungen auf Ter-mineinlagen geringer sind als die auf Sichtein-lagen, sank die Reservehaltung der Banken.Diese Entwicklung würde, isoliert betrachtet,einen Anstieg des Geldmultiplikators induzie-

    ren. Andererseits haben die Haushalte aber auchihre Bargeldhaltung im Verhältnis zu denBankeinlagen erhöht. Die erhöhte Bargeldhal-tung kann damit erklärt werden, daß die Anle-ger gestiegene Realzinsen auch als eine Risiko-prämie für gestiegene Bilanzrisiken interpretie-ren. Insgesamt blieb damit der Geldmultiplika-tor in den ersten Monaten von 1994 nahezustabil, da die Effekte erhöhter Risiken im Ban-kensystem und erhöhter Realzinsen auf denMultiplikator sich gerade kompensiert haben.

    Einen wichtigen Beitrag zu einer erhöhtenEffizienz des russischen Bankensystems kannder Marktzugang ausländischer Banken leisten.In diesem Zusammenhang ist mit der Unter-zeichnung des Partnerschaftsabkommens mitder Europäischen Union vom Juli 1994 ein er-ster Fortschritt erzielt worden. Allerdings be-hindern nach wie vor erhebliche Barrieren denMarktzugang ausländischer Banken [Cen-tral'nyj Bank Rossijskoj Federacii, b, Nr. 20,1994, S. 1 f.; Oxford Analytica, 1994]. Die Re-gelungen des Partnerschaftsabkommens sehenden Marktzugang in zwei Stufen vor. In der er-sten Stufe, die bis Januar 1996 andauert, dürfendiejenigen Banken, die bereits eine Lizenz fürdas Bankgeschäft in Rußland haben, ihre Tätig-keiten ausüben. Von dieser Regelung werdenauch diejenigen Banken begünstigt, deren Tä-tigkeit durch das Dekret des Präsidenten vomHerbst 1993 eingeschränkt worden war [DIW etal., 1994a]. Es bleiben jedoch Beschränkungenfür die Geschäftstätigkeit dieser Banken beste-hen. So dürfen Auslandsbanken neben ihrerHauptstelle nicht mehr als eine Zweigstelle er-öffnen, müssen Einlagen eine bestimmte Min-desthöhe übersteigen, dürfen die Banken keineGeschäfte mit Aktien russischer Unternehmendurchführen und darf der gesamte Anteil aus-ländischer Banken am Kapital des Bankensy-stems nicht mehr als 12 vH betragen. In derzweiten Stufe, die bis Juni 1999 verwirklichtwerden soll, werden auch neue Lizenzen anausländische Banken vergeben. Allerdings wirdderen Tätigkeit stark reglementiert bleiben,etwa werden sie nur Einlagen in Höhe vonmindestens 55 000 ECU annehmen dürfen.Damit dürfte der Zugang zu dem Privatkunden-geschäft für diese neuen Auslandsbanken de

  • 17

    facto verschlossen bleiben. Ferner dürfen dieseBanken keine Geschäfte mit Unternehmen imrussischen Mehrheitsbesitz durchführen.

    3. Außenwirtschaft

    a. Außenhandel

    Im ersten Halbjahr 1994 konnte sich der Handelmit den Staaten außerhalb der GUS weiterstabilisieren. Die Exporte werden mit 21,3 Mrd.US$ und die Importe mit 13,2 Mrd. US$ ge-ringfügig höher als für das erste Halbjahr 1993angegeben.24 Hingegen ging der Handel mitden GUS-Mitgliedern verglichen mit dem er-sten Halbjahr 1993 nochmals zurück und mach-te nur noch gut ein Fünftel des gesamten russi-schen Außenhandels aus [Ministerstvo ekono-miki Rossijskoj Federacii, 1994a, S. 48 ff.].

    Auf der Exportseite trug zu diesen Entwick-lungen vor allem bei, daß die Rohstoffpreiseauf dem russischen Inlandsmarkt und im zwi-schenstaatlichen Handel weiter an das Welt-marktniveau herangeführt wurden. So lagen imSeptember 1994 die Inlandspreise für Rohölund Erdgas bei mehr als einem Drittel derWeltmarktpreise; im Handel mit Weißrußlandwurden etwa drei Viertel dieses Niveaus er-reicht.25 Bei zurückgehendem Inlandsverbrauchund sinkenden Ausfuhren im zwischenstaatli-chen Handel konnten die Exportmengen inDrittländer soweit gesteigert werden, daß trotzniedrigerer Weltmarktpreise insbesondere fürRohöl und Erdgas die Exportwerte gehaltenwurden.26

    Die Warenstruktur der Importe hat sich in-folge der endgültigen Abschaffung der 1993 be-reits reduzierten Importsubventionen verscho-ben. Die früher subventionierten Einfuhren vonGetreide, Rohzucker und anderen Grundnah-rungsmitteln gingen deutlich zurück. Im Ge-genzug ermöglichte die reale Aufwertung desRubels höhere Importe relativ hochwertigerKonsumgüter [Government of the Russian Fe-deration, 1994, Nr. 2].

    Im Bereich der Handelspolitik zeichnetensich im ersten Halbjahr 1994 sowohl auf dernationalen als auch auf der internationalenEbene erhebliche Veränderungen ab. Auf russi-

    scher Seite wurde grundsätzlich beschlossen,die Exportbeschränkungen für zahlreiche Roh-stoffe weitgehend abzubauen. Diese Beschrän-kungen dienten bisher dazu, trotz der künstlichniedrig gehaltenen Preise ein ausreichendesAngebot im Inland sicherzustellen. Da die In-landspreise für Rohstoffe nunmehr schrittweiseangehoben werden, sollen die Exportquoten ab-geschafft und die Exportsteuern entsprechendden steigenden Inlandspreisen gesenkt werden[Konovalov, 1994].

    Darüber hinaus führen die Exportbeschrän-kungen bisher zu einem geringeren Angebotvon Fremdwährung auf dem Devisenmarkt unddamit tendenziell zu einer Unterbewertung desRubels. Dadurch verteuern sie indirekt die rus-sischen Importe verglichen mit heimischen Er-zeugnissen und gewähren importsubstituieren-den Wirtschaftssektoren Schutz vor der Kon-kurrenz vom Weltmarkt.27 Ein derartigerSchutz soll nach dem Abbau der Exportbe-schränkungen durch die Erhöhung von Import-zöllen weiterhin gewährleistet werden. Wennauch die Umsetzung des entsprechenden De-krets zunächst aufgeschoben wurde, ist dochmittelfristig mit einer Erhöhung der Importzöllezu rechnen.

    Ein Abbau der Exportbeschränkungen unddie Konzentration der handelspolitischen Ein-griffe auf Importzölle wären selbst bei einemper saldo unveränderten Protektionsniveau po-sitiv zu bewerten. Zum einen würde die Ver-schwendung von Rohstoffen durch künstlichniedrige Preise vermieden; zum anderen würdedie Transparenz der russischen Handelspolitikerhöht. Im Zusammenhang mit der anstehendenGATT-Mitgliedschaft Rußlands wären dieseMaßnahmen auch Voraussetzung für eine ver-bindliche Fixierung (Listenbindung) und an-schließende schrittweise Reduzierung der Zoll-sätze.

    Im Bereich der internationalen Handelspoli-tik stellt das im Juni 1994 abgeschlossene Part-nerschaftsabkommen mit der EU die Beziehun-gen Rußlands mit seinem wichtigsten Handels-partner (jeweils über ein Drittel der Exporteund Importe im Drittländerhandel) auf eine um-fassende vertragliche Grundlage [Nachrichtenfür Außenhandel vom 13./14.7.1994].28 Im

  • 18

    handelspolitischen Teil des Abkommens wer-den die schon 1993 geltenden Regelungen überdie wechselseitige Meistbegünstigung und dieEinbeziehung Rußlands in das Allgemeine(Zoil-)Präferenz-System der EU (ursprünglichfür Entwicklungsländer) festgeschrieben.29 DieBedingungen für die Einführung neuer Han-delshemmnisse werden enger gefaßt und ent-sprechende Konsultationsmechanismen institu-tionalisiert. Weitere Vereinbarungen betreffendie Niederlassung und Geschäftstätigkeit vonGesellschaften auf dem Gebiet des jeweiligenVertragspartners sowie arbeits- und sozialrecht-liche Fragen.

    Damit leistet das Abkommen allerdingskaum einen Beitrag zu einem Abbau der Barrie-ren der EU gegen Importe aus Rußland. DieBedingungen für die Anwendung handelspoliti-scher Maßnahmen (z.B. Antidumping) bleibenzum Teil hinter den Regelungen zurück, dieohnehin nach dem bevorstehenden BeitrittRußlands zum Allgemeinen Zoll- und Handels-abkommen (GATT) gelten werden. Auch nachAbschluß des Abkommens bleibt es bei denMeistbegünstigungszollsätzen, die fühlbar ge-gen Industriegüterimporte zugunsten von Roh-stoffen diskriminieren [Kaminski, Yeats, 1993].Damit behindern sie eine Diversifizierung derrussischen Exporte. Dies wiegt um so schwerer,als das Allgemeine Präferenz-System der EUnicht zu einer wesentlichen Entlastung führtund anderen Transformationsländem durch dieEuropa-Abkommen (Polen, Ungarn, Bulgarien,Rumänien, Tschechische und Slowakische Re-publik) bzw. Freihandelsabkommen (baltischeStaaten) deutlich günstigere Marktzugangsbe-dingungen eingeräumt wurden.

    Nicht verändert werden durch das Partner-schaftsabkommen schließlich die bestehendenHandelsbeschränkungen im Agrarsektor sowiein den Bereichen Stahl, Buntmetalle, Chemika-lien und Weltraumtransport. Gerade hier könnteRußland kurzfristig seine Exporte ausweiten.Mittelfristig werden die häufigen Erklärungenüber die westiiche Unterstützung für den Trans-formationsprozeß in Rußland an Glaubwürdig-keit verlieren, wenn sie nicht mit der Bereit-schaft verbunden sind, die notwendigen Struk-turanpassungen als Folge der Eingliederung

    Rußlands in die internationale Arbeitsteilungzuzulassen.

    b. Zahlungsbilanz undAuslandsverschuldung

    Eine zusammenhängende Zahlungsbilanz wirdin Rußland bisher nur für die Wirtschaftsbezie-hungen mit Drittländern außerhalb der GUSerstellt. Obwohl genaue Daten lediglich für daserste Quartal 1994 vorliegen, lassen weitereverfügbare Einzelinformationen den Schluß zu,daß sich im ersten Halbjahr 1994 das Gesamt-bild verglichen mit dem Jahr 1993 nicht we-sentlich geändert hat. Unverändert weist dieHandelsbilanz einen nennenswerten Überschußaus, der nach den vorliegenden Statistiken imersten Halbjahr 1994 bei etwa 8 Mrd. US$ lag.Unter den Kapitalzuflüssen im mittel- und lang-fristigen Bereich ist vor allem die zweiteTranche der Systemtransformationsfazilität desInternationalen Währungsfonds in Höhe von1,5 Mrd. US$ zu nennen. Von westlichen Re-gierungen garantierte Handelskredite beriefensich auf bis zu 2 Mrd. US$ [Ministerstvo eko-nomiki Rossijskoj Federacii, 1994a, S. 45 ff.].Angesichts der niedrigeren Inflationsraten warein etwas größeres Interesse ausländischer In-vestoren sowohl bei Direkt- als auch bei Port-folioinvestitionen zu verzeichnen. Insgesamtgesehen blieben die Mittelzuflüsse in diesemBereich mit bis zu 1 Mrd. US$ im ersten Halb-jahr 1994 aber noch gering [Kommersant vom9.8.1994].30

    Für die russischen Auslandsforderungen ge-genüber zahlreichen Entwicklungsländern, diemit insgesamt 147 Mrd. US$ angegeben wer-den, hat sich ansatzweise ein Sekundärmarktherausgebildet, wo einzelne Titel zu 10 bis 20vH ihres Nennwertes verkauft werden. Da essich bei den Schuldnerländern aber großenteilsum Empfänger von Waffenlieferungen sowieum sehr arme Länder wie Äthiopien und Mo-sambik handelt, bleiben die empfangenenSchuldendienstleistungen mit voraussichtlichetwa 2 Mrd. US$ im Gesamtjahr deutlich hinterden vertraglichen Ansprüchen zurück [Izvestijavom 2.7.1994 und 4.8.1994; Financial Timesvom 27.728.8.1994].

  • 19

    Trotz dieser Zuflüsse kommt die russischeRegierung auch in diesem Jahr ihren Schul-dendienstverpflichtungen nicht nach. Für die1994 fälligen Zahlungen in Höhe von 7 Mrd.US$ aus Regierungskrediten an die ehemaligeSowjetunion wurde im Pariser Club wiederumeine langfristige Umschuldung nach dem Mu-ster der Regelung für das vergangene Jahr ver-einbart [Frankfurter Allgemeine Zeitung vom21.9.1994]. Die Verhandlungen über die Ver-bindlichkeiten gegenüber privaten Banken voninsgesamt 24 Mrd. US$ konnten im Rahmendes Londoner Clubs aus formalen Gründenimmer noch nicht abgeschlossen werden. Esbleibt bei einem jeweils vierteljährlich befriste-ten Zahlungsaufschub [Handelsblatt vom29.8.1994]. Eine mittelfristige, befriedigendeLösung der Schuldenfrage müßte wohl zumin-dest beinhalten, daß Rußland laufende Zinsenfür seine Auslandsschulden aufbringt. Über-schlägig gerechnet wären dies bei Außenstän-den von mehr als 90 Mrd. US$ und einem hy-pothetischen Zinssatz von 7,5 vH etwa 6,75Mrd. US$ pro Jahr.31 Dieser Betrag liegt deut-lich über den voraussichtiichen Schuldendienst-leistungen in diesem Jahr von etwa 4 Mrd.US$, die im übrigen die Tilgung von nach 1991aufgenommenen Krediten einschließen.

    Über den Verbleib der nicht für den Schul-dendienst aufgewandten Mittelzuflüsse könnennach dem jetzigen Informationsstand keine ge-nauen Angaben gemacht werden. Die Wäh-rungsreserven von Zentralbank und Finanzmi-nisterium nahmen von 4,2 Mrd. US$ zur Jah-reswende auf 7,0 Mrd. US$ am 1. Juni 1994zu.32 Der Bestand an Dollar-Banknoten außer-halb des Bankensystems soll allein im erstenQuartal 1994 um knapp 3 Mrd. US$ angestie-gen sein [Ekonomika i zizn', Nr. 30, Juli 1994].Dies würde eine stark zunehmende Dollarisie-rung der russischen Volkswirtschaft bedeuten.Angesichts nachhaltig gesunkener monatlicherInflationsraten erscheint eine solche Entwick-lung aber wenig wahrscheinlich. Zumindestplausibel ist hingegen, daß diese Barzuflüsse anNichtbanken großenteils zur Bezahlung stati-stisch nicht erfaßter Importe verwendet wurden.Diese könnten im ersten Halbjahr 1994 insge-

    samt bis zu 5 Mrd. US$ betragen haben (vgl.Abschnitt I.3.a). Angesichts von statistisch aus-gewiesenen Mittelzuflüssen von insgesamt etwa12 Mrd. US$ in diesem Zeitraum bleiben selbstbei Zugrundelegung dieser hohen Schätzungper saldo Abflüsse von etwa 4 Mrd. US$ unge-klärt. Dies spricht dafür, daß entgegen anders-lautenden Äußerungen einiger russischer Politi-ker weiterhin in erheblichem Umfang Kapitalins Ausland abgeflossen ist.

    Weitgehend offen ist immer noch die Be-handlung der Handelsbilanzdefizite der meistenGUS-Mitgliedsländer gegenüber Rußland. Diegrößten Schuldner sind hier die Ukraine,Kasachstan und Weißrußland. Seitdem die rus-sische Zentralbank keine Überziehungskrediteauf den Korrespondenzkonten mehr gewährt,haben diese Staaten gegenüber ihren russischenLieferanten von Erdgas und Rohöl umfangrei-che Zahlungsrückstände angehäuft (so etwa dieUkraine 1,1 Mrd. US$ und Weißrußland knapp360 Mill. US$ zur Jahresmitte 1994) [Minister-stvo ekonomiki Rossijskoj Federacii, 1994a,S. 48 ff.]. In der Vergangenheit kam es in sol-chen Fällen wiederholt zu Liefersperren. Aus-geglichen wurden die Zahlungsrückstände dannteilweise durch die Übertragung von Vermö-genswerten an die russischen Konzerne oderdurch Regierungskredite aus Rußland. Letzterelauten auf US$ und sind mit maximal 2 vHüber Libor zu verzinsen [Mündliche Angabeneines Vertreters der weißrussischen National-bank; IMF, 1994, Tabelle 3].

    Im russischen Staatshaushalt für 1994 sindoffenbar weitere Kredite an GUS-Mitgliedslän-der in Höhe von über 533 Mrd. Rubel vorgese-hen; dies entsprach zu Jahresbeginn über400 Mill. US$ [Ministerstvo ekonomiki Ros-sijskoj Federacii, 1994a, S. 52]. In Anbetrachtder hohen aufgelaufenen Außenstände und deserhöhten Bedarfs an Energieträgern wegen desbevorstehenden Winters müßten die betroffenenStaaten ohne derartige Hilfe wohl mit ernstenVersorgungsengpässen rechnen. Völlig offen istallerdings angesichts ihrer schlechten Wirt-schaftslage und ihres geringen Exportpotentials,wie sie auf die Dauer den Schuldendienst ge-währleisten können.

  • 20

    c. Währungspolitik

    Die Zentralbank hat ihre im Juli 1993 eingelei-tete Politik der Auflösung der Rubelzone weiterfortgesetzt und die Kreditierung der übrigenGUS-Staaten eingestellt.33 Seit Anfang 1993waren Regierung und Zentralbank bereits dazuübergegangen, Kredite an die GUS-Staatengrundsätzlich nicht mehr durch die Zentralbank,sondern in Form von Regierungskrediten zuMarktkonditionen zu vergeben [IMF, 1994].Gleichzeitig wird der Zahlungsverkehr zwi-schen den Nachfolgestaaten zunehmend überGeschäftsbanken und kaum noch über die Kor-respondenzkonten der Zentralbanken abge-wickelt [Government of the Russian Federa-tion, 1994, Nr. 1, S. 28]. Nachdem noch imAugust 1993 der Anteil der an die übrigenNachfolgestaaten vergebenen Zentralbankkre-dite an den gesamten Krediten der Zentralbankbei 30 vH gelegen hatte, war dieser kontinuier-lich auf schließlich 14 vH im Juli 1994 gesenktworden [Central'nyj Bank Rossijskoj Federacii,b, 9.8.1994, S.5].34 Damit geht von der Ru-belzone ein immer geringerer inflatorischerDruck auf die russische Wirtschaft aus. Nach-dem bereits am Anfang dieses Jahres nur nochTadschikistan Mitglied der Rubelzone gewesenwar, ist mit Weißrußland zwar im April einAbkommen über die Vereinigung der Geldsy-steme unterzeichnet worden, allerdings sind imBereich der monetären Integration bisher keineFortschritte erzielt worden.35 Lediglich die er-ste Stufe der in dem Abkommen festgelegtenIntegration ist mit der Aufhebung zwischen-staatlicher Handelsbeschränkungen Ende Maierreicht worden.

    Die Bestimmung des Wechselkurses zumUS$ erfolgt nach wie vor unter erheblichen In-terventionen der Zentralbank.36 Insgesamt hatsich der Kursverfall des russischen Rubels miteiner nominalen Abwertung in den ersten sechsMonaten von 1994 von 58 vH im Vergleichzum zweiten Halbjahr 1993, als der Rubel le-diglich um 18 vH abwertete, beschleunigt. An-fang Oktober 1994 kam es zu einem ausgepräg-

    ten Kurssturz des Rubels am Devisenmarkt.Entscheidend für diesen Kurssturz waren die imSpätsommer 1994 einsetzende Beschleunigungder Vergabe von Zentralbankkrediten, die da-durch wieder zunehmenden Inflationserwartun-gen und die gleichzeitige Senkung des Refi-nanzierungssatzes auf zuletzt 130 vH. Darauf-hin ergab sich ein Angebotsüberhang von Ru-bel, den die Zentralbank durch Interventionenzu beseitigen versuchte. Diese Interventionen,in deren Folge die Devisenreserven der Zen-tralbank von etwa 7 Mrd. auf 3,4 Mrd. US$sanken, wurden zunehmend erfolgloser, so daßes bereits in den Wochen vor dem Kurssturz zueinem immer schnelleren Verfall des Rubelkur-ses kam. Als die Zentralbank ihre Interventio-nen einstellte und sich an der Devisenbörse dieMeinung verfestigte, daß weitere Kursstützun-gen ausbleiben würden, kam es zu der panikar-tigen Flucht aus dem Rubel, mit einem Kurs-rückgang von etwa 20 vH an nur einem Tag.Durch erneute, massive Zentralbankinterven-tionen konnte dieser Kursverlust zwar wiederrückgängig gemacht werden, doch sanken dieDevisenreserven der Zentralbank auf zuletzt nurnoch 1,8 Mrd. US$. Zur Stabilisierung desDevisenmarktes wurden zudem die Refinanzie-rungszinssätze der Zentralbank auf 170 vH an-gehoben, und Dollar-Nachfrager mußten denRubelgegenwert bereits zwei Tage vorfristig involler Höhe deponieren [Reuters vom17.10.1994].

    Die reale Aufwertung des Rubel gegenüberdem US$ blieb im ersten Halbjahr 1994 mit 6vH weit unter der Rate des vorherigen Halbjah-res, als sie 60 vH betrug (Schaubild 3). Diesegeringe Änderung des realen Wechselkurses istdie Folge sowohl der stärkeren nominalen Ab-wertung des Rubels als auch der Eindämmungdes Preisauftriebs in Rußland. Die jüngstenEreignisse um den Rubelkurs ändern an dieserFeststellung nichts. Im Ergebnis bedeutet dieseEntwicklung, daß sich die Exportchancen russi-scher Unternehmen auf den Weltmärkten kaumverändert haben dürften.

  • 21

    Schaubild 3 — Entwicklung des Wechselkurses 1993-1994 (Rubel/US$)

    3500

    3000

    2500

    2000

    1500

    1000

    5008 10 12

    30

    25

    20

    15

    10

    1993 ' " " ° ' " " 1994 "—o— Nominaler Wechselkurs (Rubel/US$), ünke Achse—o— Realer Wechselkurs (1992:1=100; Rubel/US$), rechte Achse; deflationiert mit dem Konsumentenpreisindex

    Quelle: IMF [unveröffentl. Daten]; Government of the Russian Federation [lfd. Jgg.]; eigene Berechnungen.

    4. Ordnungspolitische Entwicklungen

    a. Privatisierungsvorschriften

    Wie auch in den Vorjahren war zu Beginn desJahres 1994 ein Privatisierungsprogramm inKraft gesetzt worden, auf dessen Grundlage diekleine und große Privatisierung bis zum Endeder ersten Privatisierungsphase durchgeführtwerden sollte. Diese endete mit dem Abschlußder Voucher-Privatisierung am 30. Juni 1994.Daher mußten für die unmittelbar anschlie-ßende zweite Privatisierungsphase neue Durch-führungsbestimmungen beschlossen werden.Dabei kam es wie schon vor der Verabschie-dung des Privatisierungsprogramms 1994 zuheftigen Auseinandersetzungen zwischen Re-gierung und Parlament, das dem Regierungs-entwurf seitdem die Zustimmung verweigert.Somit wurden die „Grundsätze des staatlichenProgramms zur Privatisierung von staatlichenund munizipalen Betrieben in der RussischenFöderation nach dem 1.7.1994" erst durch denErlaß des Präsidenten Nr. 1535 vom 22. Juli1994 in Kraft gesetzt [Sobranie zako-nodatel'stva, 1994, Nr. 13, S. 1974 f.]. DieGrundsätze für die zweite Privatisierungsphaseschreiben das Privatisierungsprogramm 1994 inwichtigen Punkten fort, führen aber auch neueRegelungen ein:37

    Umfang der Privatisierung: Wie bisher ent-scheiden die Regierung und die staatliche Ver-mögensverwaltung darüber, in welchen Wirt-schaftszweigen eine Privatisierung uneinge-schränkt stattfinden kann, eine zeitlich be-grenzte Staatsbeteiligung erforderlich ist odereine Privatisierung generell ausgeschlossenbleibt. Die Privatisierung in „sensiblen" Berei-chen ist weiterhin unter dem Vorbehalt einerauf drei Jahre befristeten Staatsbeteiligung inHöhe von 25,5 oder 51 vH möglich. Zu diesenBereichen zählen etwa das Nachrichtenwesen,die Energiewirtschaft, die Rohstofförderung,der Atomanlagenbau, die Außenhandelsunter-nehmen sowie das Transportwesen und Rü-stung. Die Dauer der staatlichen Beteiligungkann zwar um weitere drei Jahre verlängertwerden, doch kann ebenso das gesamte staatli-che Aktienpaket vorzeitig verkauft werden. EinKompromißvorschlag der Regierung an dasParlament sah vor, Betriebe mit mehr als50 000 Beschäftigten und einem Buchwert vonmehr als 200 Mrd. Rubel nur mit der Zustim-mung beider Parlamentskammern zu privatisie-ren. Außerdem sollten „sensible" Unternehmenvorerst von der Privatisierung ausgenommenwerden.

    Zahlungsmittel bei der Privatisierung:Grundsätzlich wird nunmehr die Bezahlung fürden Erwerb staatlichen Eigentums vorgeschrie-

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    ben. Die noch vorhandenen Voucher dürfenaufgrund eines Präsidentenerlasses lediglich in-nerhalb eines Übergangszeitraums weiterver-wendet werden. In Ausnahmefällen ist eine un-entgeltliche Übertragung von staatlichem Ei-gentum möglich.

    Privatisierung von Grund und Boden: ImEinklang mit dem Ende 1993 eingeräumtenRecht auf privaten Bodenerwerb [DIW et al.,1994a, S. 19 f.] sehen sowohl das Programm1994 als auch die Grundsätze die Privatisierungbebauter und unbebauter Grundstücke vor, so-fern sie gewerblichen Zwecken dienen. Nachden Grundsätzen ist eine Privatisierung vonGrund und Boden nicht vorgesehen, wenn essich dabei um land- oder forstwirtschaftlicheFlächen — für diese gilt ein eigenes Regelwerk—, um Liegenschaften, die für Infrastruk-turzwecke benötigt werden, oder um umweltge-schädigte Flächen handelt. Bei den Einigungs-versuchen mit dem Parlament war die Regie-rung bereit, generell auf den Verkauf vonGrund und Boden solange zu verzichten, bisdas Parlament ein entsprechendes Gesetz verab-schiedet hätte.

    Privilegien der Belegschaften: Abweichendvom Privatisierungsprogramm räumen dieGrundsätze der Belegschaft eines zu privatisie-renden Betriebes nicht länger das Privileg ein,51 vH der stimmberechtigten Aktien zu Vor-zugskonditionen zu erwerben. Es wird den Be-legschaften nur noch das Privileg gewährt,stimmrechtslose Aktien in Höhe von 25 vH desGrundkapitals unentgeltiich zu erhalten sowiestimmberechtigte Aktien in Höhe von bis zu10 vH des Grundkapitals mit einem 30prozenti-gen Preisnachlaß zu erwerben.

    Privatisierungsverfahren: Die Grundsätzenennen als weitere Privatisierungsverfahren ne-ben der unentgeltiichen Übertragung Investi-tionsausschreibungen, kommerzielle Ausschrei-bungen (auch mit begrenzter Teilnehmerzahl)sowie Auktionen. Im Fall offener Aktiengesell-schaften müssen Aktienpakete von mindestens15-20 vH des Grundkapitals angeboten werden.Ausländische Investoren können im allgemei-nen ohne besondere Erlaubnis an den Privatisie-rungsveranstaltungen teilnehmen. Im Jahr 1993hatten sich ausländische Investoren vornehm-

    lich an den 181 Investitionsausschreibungen be-teiligt, von denen sie jede fünfte für sich ent-schieden [GoskomimuScestvo, 1994, S. 9].

    Insgesamt vermitteln die neuen Grundsätzefür die zweite Privatisierungsphase den Ein-druck, daß Privatisierungshindernisse abgebautwurden, sofern dies nicht schon durch das Pri-vatisierungsprogramm 1994 geschehen war:Das Parlament verfügt über kein Veto-Rechtbei Unternehmensprivatisierungen, die Privati-sierung auch „sensibler" Unternehmen ist mög-lich, Grund und Boden können in Privateigen-tum übergehen, und die Privilegien der Beleg-schaften schließen nicht länger Mehrheitsbetei-ligungen externer in- und ausländischer Inve-storen aus. Jedoch muß bedenklich stimmen,daß die Regierung bei den Verhandlungen mitdem Parlament eine Kompromißlinie vertrat,die gerade diese Fortschritte geopfert hätte. Da-her dürfte von dem für Herbst 1994 geplantenPrivatisierungsgesetz, das den entsprechendenPräsidentenerlaß ersetzen soll, eher eine Ver-schlechterung der Privatisierungsbedingungenzu erwarten sein.

    b. Konkursvorschriften

    Das seit dem l.März 1993 geltende Konkurs-gesetz wurde bislang kaum umgesetzt. DemStaatskomitee für Vermögen wurde in einemersten Schritt per Erlaß des Präsidenten vomDezember 1993 neben der Zuständigkeit für diePrivatisierung auch die Zuständigkeit für Kon-kursverfahren übertragen [DIW et al., 1994a,S. 19]. Weitere Schritte stellen der Regierungs-beschluß vom Mai „Über einige Maßnahmenzur Durchführung der Gesetzgebung zur Insol-venz von Betrieben" sowie ein Präsidentenerlaßvom Juni „Über den Verkauf staatlicherSchuldnerbetriebe" dar [Sobranie zakonoda-tel'stva, 1994, Nr. 5, S. 764 ff.; 1994, Nr. 6,S. 862 ff.].

    Gemäß dem Regierungsbeschluß soll zuBeginn eines Konkursverfahrens mit Hilfe ei-nes Bewertungssystems darüber entschiedenwerden, ob ein Unternehmen zahlungsunfähigist und ob es möglich ist, die Zahlungsfähigkeitwiederherzustellen. Danach kann ein Antrag auffinanzielle Unterstützung oder Verkauf erfol-

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    gen. Die Regierung gewährt eine finanzielleUnterstützung dann, wenn ein Unternehmens-plan besteht, der die Wiederherstellung derZahlungsfähigkeit des Unternehmens sowie dieAufrechterhaltung der Produktion möglich er-scheinen läßt. Außer für Sanierungszweckekönnen staatliche Finanzhilfen auch für die Ab-wicklung von Liquidationsmaßnahmen zur Ver-fügung gestellt werden.

    An diesen Regierungsbeschluß knüpfte derPräsidentenerlaß an, der die Voraussetzungenfür den Verkauf eines Schuldnerbetriebs —Zahlungsunfähigkeit und mangelnde Vorausset-zungen für eine staatliche Finanzhilfe — sowiedie möglichen Formen des Verkaufs beschreibt.Zu den aufgeführten Verkaufsformen zählen derVerkauf über kommerzielle Ausschreibungenoder Investitionsausschreibungen unter Beibe-haltung der Rechtspersönlichkeit der Schuld-nerbetriebe, die Liquidation der Schuldnerbe-triebe mit nachfolgendem Verkauf der Aktivaauf Auktionen oder über Ausschreibungen undder Verkauf der im staatlichen Eigentum be-findlichen Geschäftsanteile auf Auktionen[Ekonomika i zizn', Nr. 24, 1994, S.l].

    Trotz dieser neuen Regelungen bleibt das ei-gentliche Problem bestehen: Das Konkursrechtdient weniger der zügigen Abwicklung, sondernvielmehr der Verhinderung von Konkursendurch staatliche Finanzhilfen. Die Sanierungeines notleidenden Unternehmens auf demWege der Privatisierung bzw. der Liquidationmit einem Verkauf der Produktionsmittel anprivate Nutzer scheint nur für die selbst ausSicht der staatlichen Sanierer hoffnungslosenFälle vorgesehen zu sein. So befanden sich bisAugust 1994 erst wenige Unternehmen in un-terschiedlichen Phasen des Konkursverfahrens:In 60 Fällen fehlte nur noch die Entscheidungdes zuständigen Wirtschaftsgerichts, für 100weitere Unternehmen war das Konkursverfah-ren eingeleitet worden. Nach Untersuchungender Konkursabteilung des Staatskomitees fürVermögen scheint das Konkurspotential aller-dings wesentlich höher zu sein: So sollen al-leine 1 500 mittlere und große Betriebe mit ei-nem Staatsanteil von mehr als 25 vH die Krite-rien der Zahlungsunfähigkeit erfüllen, wobeivor allem Unternehmen aus den Bereichen

    Textilindustrie, Maschinenbau und Transport-wesen betroffen sind [Finanzen und Wirtschaft,Nr. 14, Juli 1994, S. 12].

    c. Steuervorschriften

    Ende Dezember 1993 wurden Veränderungenim Steuersystem eingeleitet, die über die bisdahin üblichen Novellierungen einzelnerSteuern hinausgehen (Tabelle II) .3 8 Zu denwichtigsten Änderungen zählt die Anhebungdes Körperschaftsteuersatzes, der nunmehr biszu 38 vH betragen kann. Es hängt von den ein-zelnen Föderationssubjekten ab, ob dieserHöchstsatz angewendet wird. Banken und Ver-sicherungen können allerdings mit einem Steu-ersatz von bis zu 43 vH belastet werden.39

    Ebenfalls zu einer höheren Belastung vieler Un-ternehmen führt der Anstieg der Vermögen-steuer. Da Barmittel und Forderungen nichtlänger der Vermögensteuer unterliegen, sindweniger Handels- und Finanzunternehmen alsvielmehr Industrieunternehmen mit relativ gro-ßem Anlagevermögen betroffen [Ost- und Süd-osteuropa-Institut, 1994, S. 61]. ZusätzlicheBelastungen können sich weiterhin aus den ge-änderten Bedingungen für die Steuer ergeben,die auf Lohnzahlungen erhoben wird, die ge-genwärtig das Sechsfache des Mindestlohnsüberschreiten. Die allgemeine Steuerlast wirddes weiteren durch eine zweckgebundene Son-derumsatzsteuer angehoben. Diese dreiprozen-tige Sondersteuer soll zur „finanziellen Unter-stützung der wichtigsten Branchen der Volks-wirtschaft der Russischen Föderation und zurSicherstellung der dauerhaften Arbeit der Be-triebe dieser Branchen" verwendet werden.Darüber hinaus soll diese Steuer zum regiona-len Finanzausgleich beitragen [Ekonomika izizn', Nr. 11, 1994, S. 1]. Gleichzeitig wurdedie Mehrwertsteuerpflicht auf Darlehen, ausge-nommen Bankkredite, ausgedehnt. Damit ver-teuert sich etwa für ein ausländisches Unter-nehmen die Finanzierung einer russischenTochtergesellschaft, wenn dies auf dem Wegeeines Gesellschafterdarlehens geschieht [Blickdurch die Wirtschaft vom 20.6.1994].

    Doch ist die Steuerreform mit den im De-zember 1993 eingeleiteten Maßnahmen nicht

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    Tabelle 11 — Wichtige Veränderungen im Steuer- und Abgabensystem 1992-1994

    Mehrwertsteuerallgemeinermäßigt

    SonderumsatzsteuerAkzisenKörperschaftsteuer

    (Gewinnsteuer)allgemeinBankenVersicherungen

    Persönliche Einkommensteuer

    Betriebliche Vermögensteuer0

    SozialabgabenSozialsteuerRentenfondsKrankenversicherungBeschäftigungsfonds

    Steuer auf „über-normative"Löhne

    TransportsteuerSonstige regionale Steuern

    aIn den föderalen Haushalt fließeneine breite Streuung (z.B. 25 vH inderale Komponente beträgt 13 vH,

    Steuersätze (vH)

    Dezember 1992

    2010-

    nv

    32bis 30

    2512-40

    stufenweiseprogressiv

    bis 0,5nvnvnvnvnv

    32,50--

    13 vH, in die regionalen

    Juni 1994

    20103

    bis 300

    bis 38a

    bis 43 b

    bis 43 b

    12-30stufenweiseprogressiv

    1-2395,4

    2 8 + l d

    3,62

    38a

    1verschieden

    Haushalte bis zu 25 vH;Moskau, 5 vH in Kalmückien) [Ekonomika i zizr

    Bemessungsgrundlagen

    Warenumsatz

    WarenumsatzWarenwert

    Bilanzgewinn

    Einkommen

    BruttobetriebsvermögenBruttolohnsumme

    Lohnsummee

    Lohnsummeverschieden

    bei dem regionalen Anteil existierti", Nr. 15, 1994, S. 18]. — bDie fö-

    die regionale bis zu 30 vH [VWD-Osteuropa vom 08.6.1994, S. 8]. — cRegionalvariierbar. — ^Arbeitnehmerbeitrag bezogen auf den Bruttolohn. — e1993 wurdeAchtfache des gesetzlichen Mindestlohns überstieg, mit 32das Sechsfache übersteigt. — *Dazu zählen u.a.: Regionale

    deT Betrag, der das Vierfache bzw.bzw. 50 vH besteuert; der neue Satz gilt für den Betrag, derTransportsteuer, Steuer auf Wohneigentum, Steuer auf den

    Betrieb von Bildungseinrichtungen, Steuer auf den Devisenhandel, Reklamesteuer, Umweltabgaben.

    Quelle: DIW et al. [1993, S. 34 ff.]; Blick durch die Wirtschaft vom 20.6.1994; Kommersant vom 24.5.1994, S. 54 ff.;vgl. auch Fußnoten a-b.

    abgeschlossen. Denn Erlasse des Präsidentenverpflichten die Regierung zu weitreichendenÄnderungen in der Steuerpolitik, die zum Teilvon der Richtung der bisherigen Steuerreformabweichen. So fordert ein Präsidentenerlaß vomMai 1994 Entlastungen, die vornehmlich denUnternehmen zugute kommen sollen; der Erlaßenthält aber auch die Forderung nach einer zu-sätzlichen Belastung der privaten Haushalte[Sobranie zakonodatel'stva, 1994, Nr. 5, S. 635f.]. Schließlich wird die Regierung durch einenPräsidentenerlaß vom Juli 1994 aufgefordert,einen Gesetzentwurf über Steuerbefreiungen fürden Kapitaleinsatz im Rahmen des Privatisie-rungsprozesses vorzubereiten [Sobranie zako-nodatel'stva, 1994, Nr. 13, S. 1974 ff.].

    Insgesamt vermitteln die durchgeführten undbeabsichtigten Änderungen der Steuervorschrif-ten ein wenig konsistentes Bild. Die Ende letz-ten Jahres beschlossenen Änderungen führtende jure zu einem Anstieg der Steuerbelastung,insbesondere für Unternehmen. Die Beweg-gründe für diese Reform waren offensichtlichdarin zu sehen, daß der Staatshaushalt durchMehreinnahmen statt durch weitere Ausgaben-kürzungen konsolidiert, die Finanzkraft derRegionen durch neue Steuerquellen statt durcheine Umverteilung von Steuerkompetenzen ge-stärkt und die Sanierung „wichtiger Branchen"durch staatliche Finanzhilfen statt durch einekonsequente Privatisierung durchgeführt wer-den soll. Hingegen würde sich bei der Umset-

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    zung des Präsidentenerlasses eine Entlastungfür die Unternehmen ergeben. Allerdings ent-halten die Erlasse des Präsidenten lediglichAbsichtserklärungen und Forderungen, es feh-len rechtsverbindliche Zusagen. Die Vor-schläge, die auf eine Vereinfachung des Steuer-systems hinauslaufen, sprechen jedoch einesder Hauptprobleme an. So sind die gegenwärti-gen Steuervorschriften so kompliziert, daß dieSteuerverwaltung sie gar nicht oder nur relativwillkürlich zu handhaben weiß. Die Folge sindwachsende Steuerwiderstände bzw. ein Anstiegder Steuerhinterziehung. Eine Steuervereinfa-chung und eine damit einhergehende größereTransparenz des gesamten Steuersystems könn-te Abhilfe schaffen.

    5. Zusammenfassung und Ausblick

    In ihrem diesjährigen Frühjahrsgutachten zurwirtschaftlichen Lage Rußlands hatten die Insti-tute vor einer Zuspitzung der wirtschaftlichenProbleme, insbesondere vor einem weiterendrastischen Rückgang der wirtschaftlichen Lei-stung und einer erneuten Beschleunigung derInflation gewarnt. Die tatsächliche Entwicklungim ersten Halbjahr 1994 hat diese Warnung ge-rechtfertigt, und der wirtschaftliche Niedergangscheint sich auch im zweiten Halbjahr fortzu-setzen. Die Institute teilen die von verschiede-nen Seiten in den vergangenen Monaten geäu-ßerten optimistischen Beurteilungen der Lagein keiner Weise, auch wenn in einzelnen Teil-bereichen zunächst eine Entspannung eingetre-ten zu sein scheint. Zu diesen Bereichen gehörtvor allem die Preisentwicklung, die sich in denvergangenen Monaten deutlich abgeschwächthat. Der Anstieg der Verbraucherpreise nahmim direkten Monatsvergleich von 18 vH im Ja-nuar auf etwa 5 vH im Juli dieses Jahres ab.Dieser Rückgang der Inflation ist vor allem aufeine Verringerung des Geldmengenwachstumsim ersten Quartal des Jahres und auf positiveRealzinsen zurückzuführen. Verschiedene An-zeichen — erneute Expansion der Geldmengeund der Zentralbankkredite im zweiten Quartal,erneute Ausgabe subventionierter Kredite anLandwirtschaft, Schwerindustrie und militä-risch-industriellen Komplex — deuten aller-

    dings bereits wieder auf eine Lockerung derGeldpolitik hin.

    Die