56
gedenke. johann. grenzenlos. steiermark. EUR 5,- ISSN 0039-1042 1-2/2009 1-2/2009

1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

gedenke.johann.grenzenlos.steiermark.

EUR 5,- ISSN 0039-1042 1-2/2009

1-2/2009

Page 2: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

Von den steirischen berichten zum steirischen Prinzen

Vom steirischen All~Tag zu den steirischen berichten

Vom Innovationsgeist des Prinzen zu neuen Kleidern

Ganz weit weg einen Blick d´rauf werfen, langsam sich der Sache nähern, sich der

Aussagekraft des Gesehenen bewusst werden, und dann ganz tief eintauchen.

Eintauchen in die Steiermark und zugleich das, was sie besonders macht,

emporheben, aufzeigen und für das Heute und Morgen festhalten. Darin finden sich

die steirischen berichte, die zurückblicken auf über 50 Jahre Geschichte.

Kleider machen Leute, sagt ein Aphorismus. Das mag zu einem Teil wohl stimmen. Auch wir haben sie

herausgeputzt, die steirischen berichte. Doch halt, achten Sie vielmehr auf Inhalte. Sie sprechen mit Ihnen, regen

Ihre Gedanken und Fantasien an, zeichnen fantastische Abenteuer im Kopf.

Das, ja genau das, wollen wir erreichen, mit jeder Ausgabe, die wir Ihnen gerne nach Hause bringen

und Sie damit einladen, auch in naher Zukunft sie weiterhin zu lesen, die steirischen berichte.

Page 3: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

Von den steirischen berichten zum steirischen Prinzen

Vom steirischen All~Tag zu den steirischen berichten

Vom Innovationsgeist des Prinzen zu neuen Kleidern

Geschichte hat er geschrieben, Geschichten werden über ihn geschrieben. Er, der steirische Prinz,

hat uns inspiriert. Seinen Gedanken haben wir aufgenommen für dieses und für künftige Hefte.

Sie finden es im Blattinneren, in den Texten und Bildern, im gesamten Auftritt der steirischen berichte.

Innovation, das ist, wofür Erzherzog Johann und das neue Kleid dieses Magazins stehen.

Page 4: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

Vorwort von Kurt Jungwirth

Erzherzog Johann: Stationen seines Lebens im ÜberblickSilvia Renhart

Steiermark 2009: Erzherzog Johann - Ein Gedenken und ein Bedenken, Silvia Renhart

Erzherzog Johann 09Interview mit dem1. Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann SchützenhöferGerald Gölles

Termintippszum Erzherzog-Johann-Jahr

Geist & GegenwartPfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009 auf Schloss Seggau, Leibnitz

Erzherzog Johannauf Schritt und Tritt

Der Mensch „Johann“Silvia Renhart

Eure kaiserliche Hoheit – theurer, liebster, bester Mann.Anna Plochl und Erzherzog JohannElke Hammer-Luza

„Gerichte mit Geschichte“Hildegard Giselbrecht

Bücherecke

Die Erben des steirischen PrinzenFamiliengeschichtlicheSeitenblicke auf die Nachkommen Erzherzog JohannsPeter Wiesflecker

Wenn Gott mit mir, was gegen mich?Der Brandhofer und sein Glaube – ein Interview mit UrurenkelinMaria Cäcilia TrauttmansdorffGertraud Schaller-Pressler

Dynamischer Wirtschaftspolitiker, Reformer und Motor des FortschrittsErzherzog Johann aus der Sicht der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Gerald Schöpfer

Innovation auch in turbulenteZeiten – Interview mit LR Christian Buchmann

Der „steirische Prinz“und seine Bauern – Überlegungen abseits von Idealisierungen und IdeologisierungenHans Putzer

„Joanneischer Geist“und die Gegenwart

Die Pflanzenwelt im TrockenenKurt Zernig

Erzherzog Johann und die EisenstraßeGerhard Sperl

Tunnelbau auf ÖsterreichischTU Graz und Montanuniversität Leoben - gemeinsamer LehrgangGertraud Hopferwieser

Architektonische SpurenMartin Müller

Die Kammermaler des ErzherzogsBettina Messner

Erzherzog Johann und die(Volks-)MusikEva Maria Hois

Die Steiermärkische LandesbibliothekChristoph H. Binder

Im gemeinsamen Interesse handelnGestern wie heute HerausforderungSabina Cimerman

Erzherzog Johann Wein undKulturreise Claudia Pronegg-Uhl

Gradec – Marburg

Was geschah jenseits dersteirischen Grenzen?Kurt Jungwirth

Andreas HoferMonika Mader

Der Zufall machte ihn zumPrinzen der SteirerPatrizia D’Alessandro

Vier Frauen und ein ZugereisterCorinna Steinert

5

6

7

8

10

12

13

14

15

18

20

21

24

26

28

30

32

33

34

36

38

40

42

44

45

46

47

48

50

52

54

8 15 52

gedenke.

johann.

steiermark.

grenzenlos.

Titelbild: Erzherzog Johann am Hochschwab Foto: J. Koinegg, Landesmuseum Joanneum, neue gaLerie graz am Landesmuseum Joanneum

Foto: Land steiermarK Foto: steiermärKisches Landesarchiv Foto: suppan

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Page 5: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

Erzherzog Johann 2009

„Gott kann die Geschichte nicht ändern, Historiker können es.“ Dieser Satz gilt nicht nur für

Geschichtsforscher, das lässt sich in Jubiläumsjahren, die derzeit beliebt sind, leicht beobachten.

Je näher die vergangenen Ereignisse noch sind, umso mehr mischen sich die Heutigen in die

Vergangenheit ein. Fakten werden nicht nur zusammengetragen, sie werden je nach jetzigem

Wissen und neuen Interessen auch interpretiert und dargestellt. Die Versuchung ist groß,

moralisierend Geschichte zu schreiben. Es ist erstaunlich, wie genau manche Leute wissen, was

man vor 30, 50, 100 oder mehr Jahren nicht hätte tun dürfen und was man hätte tun müssen.

Solchen Sittenrichtern muss man mindestens zwei Überlegungen sagen. Erstens sollten sie

keineswegs sicher sein, dass sie selber damals im Sinne ihrer heutigen Ratschläge gehandelt

hätten, und zweitens ist es möglich, dass eine nächste und übernächste Generation wütend auf

unser heutiges Agieren sein wird. Was wir heute mit zeitgeistiger Überzeugung für gut und

richtig halten, kann in 50 Jahren als ein Bündel grober Verirrungen dastehen.

150 Jahre nach seinem Tod wird in der Steiermark Erzherzog Johanns gedacht. Es ist wohl kein

Irrtum, ihn als eine außergewöhnliche Persönlichkeit in einer außerordentlich bewegten Epoche

zu verstehen. Aus unserer heutigen Sicht war jedenfalls seine frühe Zeit von Personen und

Ereignissen in Europa geprägt, die auf längere Sicht die Welt veränderten. Persönlich hätte er

sich sein Leben vermutlich leichter und angenehmer einrichten können, als er schließlich selber

wollte. Dass ihn, den Fremden, Ereignisse und Entschlüsse in die Steiermark verschlugen, war

wohl eine glückliche Fügung für das Land.

1959 gab es im Joanneum eine Gedächtnisausstellung für den Erzherzog im Stil einer ehrfürch-

tigen Huldigung. 1982, 200 Jahre nach seiner Geburt, wurde er in der großen Landesausstellung

auf Schloss Stainz in weitere Horizonte gerückt. So stellten wir damals Büsten des steirischen

Prinzen in Wien, in Frankfurt und in Florenz auf. Es wird interessant sein, wie das Jahr 2009

Erzherzog Johann sieht. Das vorliegende Heft der steirischen berichte soll Anregung zum Nach-

forschen und Nachdenken bringen.

Kurt Jungwirth

Wer Abonnent werden will …… hat es leicht! Die „steirischen berichte“ kosten im Jahr als Abo nur 15 Euro.

Beziehen können Sie das Abo im Steirischen Volksbildungswerk,8010 Graz, Herdergasse 3.Telefon 0 31 6 / 32 10 20 Fax 0 31 6 / 32 10 [email protected]

Impressum:Die „steirischen berichte“ sindein Organ des Volksbildungswerkes.

Redaktionsteam:Mag. Gerald Gölles (Chefredakteur),Dr. Gertraud Schaller-Pressler,Dr. Silvia Renhart,Mag. Eva Heizmann,Dr. Gernot Peter Obersteiner

Layout und Bildbearbeitung:Anita Schöberl, Hart bei Graz

Druck: Medienfabrik Graz

Medieninhaber und Herausgeber:Steirisches VolksbildungswerkObmann: Prof. Kurt JungwirthGeschäftsführer: Kamillo HörnerZVR-Zahl: 968800187

Bankverbindung:Raiffeisenlandesbank Steiermark,Graz, Tummelplatz,Kontonummer: 7 27 28,Bankleitzahl 38000

Schauen Sie ins Internet, dort finden Sie Näheres über uns.www.steirische-berichte.at

gedenke.

johann.

grenzenlos.

steiermark.

Foto: Jungwirth

Page 6: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

6 steirische berichte 1-2 /09

gedenke.

1782 Johann Baptist wird als 13. Kind des Großherzogs Leopold von Toskana und seiner Gattin Maria Ludovika in Florenz geboren (20. Jänner).1790 Leopold II. übersiedelt als Nachfolger seines Bruders, Kaiser Josef II., mit seiner Familie nach Wien.1792 Tod der Eltern (Vater 1. Feb./Mutter 15. Mai), Johanns älterer Bruder Franz besteigt den Thron. 1796 Beginn der militärischen Ausbildung. Ein Ausflug nach Mariazell bringt Johann zum ersten Mal in die Steiermark. 1800 Die Vorbereitung der Volksbewaffnung führt zur Bereisung Tirols. Übernahme des Armee- kommandos. Niederlage bei Hohenlinden. 1803 Weitere Reisen durch die Steiermark, Besteigung des Hochschwabs, Besuch von Vordernberg und des Erzbergs. 1804 Aufbau des Verteidigungssystems von Innerösterreich und Tirol. Erster Besuch in Graz. Erste Begegnung mit Andreas Hofer. 1805 Übernahme des Armeekorpskommandos in Tirol. Befohlener Rückzug der Armee nach Innerösterreich. Friede von Preßburg. Tirol geht verloren. 1807 Ankauf des Schlosses Thernberg (NÖ). Beginn seiner naturwissenschaftlichen und landwirtschaftlichen Studien. 1808 Tätigkeit im Kriegsministerium. Aufbau der Landwehr in Innerösterreich.1809 Johann leitet als Armeekommandant die militärischen Operationen in Oberitalien. Sieg bei Sacile. Befohlener Rückzug bis Preßburg. Johanns Armee kann bei Wagram nicht mehr eingreifen. Friede von Wien. 1811 Schenkung der Sammlungen und Gründung des Joanneums. Beginn der Kulturtätigkeit in der Steiermark.1813 Vorwiegender Aufenthalt in Schloss Thernberg. Alpenbund. Johann als „Alpenkönig“ verdächtigt. 1815 Wiener Kongress. Kommando der Belagerungs- armee von Hüningen (Schweiz). Übergabe der Festung. Reise nach England (über Paris). 1817 Wirtschaftliches Notjahr in der Steiermark. Gründung einer Kartoffelbeitragsanstalt.1818 Ankauf des Brandhofes. Errichtung einer Leseanstalt am Joanneum.

1819 Gründung der Steiermärkischen Landwirtschaftsgesellschaft. Begegnung mit Anna Plochl. 1820 Protektorat über den Steiermärkischen Musikverein. 1822 Erwerbung eines Radwerkes in Vordernberg. Beginn der Förderung der steirischen Eisen- industrie. Ankauf des Weingutes Pickern bei Marburg. 1828 Ankauf eines Grundstückes in Graz. Gründung der Wechselseitigen Brandschaden- Versicherungsanstalt. 1829 Trauung Erzherzog Johanns mit Anna Plochl auf dem Brandhof. 1832 1. Gewerbe- und Industrieausstellung in Graz. 1833 Errichtung des landwirtschaftlichen Versuchshofes in Graz.1836 Erzherzog Johann wird zum Feldmarschall ernannt. 1839 Erzherzog Johanns Sohn Franz wird geboren. 1840 Kauf von Schloss und Herrschaft Stainz. Gründung der Montanschule in Vordernberg. 1842 Die Familie bezieht das Palais in Graz. Beginn des Baues der Eisenbahn Mürzzuschlag–Graz. 1843 Gründung des Historischen Vereines für Innerösterreich.1844 Schloss Schenna in Südtirol angekauft. Eröff- nung der Eisenbahnlinie Mürzzuschlag–Graz.1845 Gründung der Realschule in Graz. Gründung des Montanistischen Vereines für Innerösterreich in Vordernberg. 1848 Ankauf des Blechwalzwerkes Krems in der Weststeiermark. Erzherzog Johann eröffnet als erster Kurator die Akademie der Wissen- schaften in Wien. Eröffnung des konstituie- renden Reichtages in Wien als Vertreter des Kaisers. Wahl zum deutschen Reichsverweser. 1849 Erzherzog Johann legt das Reichsverweseramt zurück. 1850 Rückkehr nach Graz. Bürgermeister von Stainz. 1852 Gründung des Steiermärkischen Forstvereines. 1854 Eröffnung der Eisenbahn über den Semmering. 1857 Einführung der Landarbeiter- und Dienstbotenordnung. 1859 Erzherzog Johann stirbt in Graz (11. Mai).1869 Überführung nach Südtirol – Schloss Schenna.

Silvia Renhart

Erzherzog Johann – Stationen seines Lebens im Überblick

Anna-Plochl-Dirndl, Festtagstracht,

gefertigtim Steirischen

HeimatwerkFoto: toni muhr

Neu kreierter Erzherzog-Johann-Anzug (Ausschnitt)

von Hubert Fink. Foto: donner

Page 7: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 7

gedenke. Steiermark 2009:Erzherzog JohannEin Gedenken und ein Bedenken

Erzherzog-Johann-JahreslogoFoto: voLKsKuLtur steiermarK gmbh

Links:Die Erzherzog-Johann-Statue erwacht 2009 und begleitet durch das Gedenkjahr.Foto: voLKsKuLtur steiermarK gmbh

150 Jahre ist es her (11. Mai 1859), dass Johann Baptist Erzherzog von Österreich, Förderer und Visionär der Steiermark, im Palais Meran in Graz – in den Armen seiner geliebten Anna – verstarb. Es wird berichtet, dass Anna Zeit ihres Lebens das Stück Tapete, auf welches Johanns letzter Blick fiel, fortan bei sich getragen haben soll. Diese große, tragische Liebe, von der heute noch landauf, landab gesprochen wird, trug sicherlich viel dazu bei, dass dieser Mythos „Johann“ noch so präsent ist. Natürlich leistete er zu einer Zeit, als die Steiermark – wie gesamt Innerösterreich – wirtschaftlich darniederlag, Ungewöhnliches. Als guter Netzwerker verstand er es, trotz der Widerstände aus Wien, die Menschen zu moti- vieren und anzuspornen. In zahlreichen Abhandlungen wird das Leben und Wirken Erzherzog Johannsbeleuchtet und wird er seiner großen Bedeutungfür die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge und dergleichen werden das gesamte Gedenkjahr über abgehalten. Zahlreiche Bücher erscheinen und versuchen den bis heute sehr beliebten „steirischen Prinzen“ ins rechte Licht zu rücken. Beiträge in Film- und Printmedien widmen sich ihm und seinem Lebenswerk. Institutionen, deren Gründung auf ihn zurück-geht, beteiligen sich dabei genauso wie Vereine,Verbände und Schulen.So wurden beispielsweise von ihm begründet,unterstützt, auf- und ausgebaut: das Landesmuse-um Joanneum, die Montanuniversität Leoben,die Technische Universität Graz, die Steiermärki-sche Landesbibliothek, das Steiermärkische Landes-archiv, die Landwirtschaftskammer und die

Grazer Wechselseitige Versicherung.Johanns Spuren sind selbst im 21. Jahrhundert noch unauslöschlich und für die Steiermarkprägend. So ist es nur natürlich, dass auch diesesTodesjahr zum Gedenken und auch Bedenken genutzt wird. Nach dem Motto „Nobody is perfect“ soll man wohl auch an die Persönlichkeit Johanns herangehen und eine objektive, wissenschaftlicheAnalyse anhand aller noch vorhandenen und zum Teil bis dato unpublizierten Fakten vornehmen. Eine Vereinnahmung bzw. Verurteilung von Vertre-tern „extremer Lager“ kann zwar nicht verhindert, aber unter Berücksichtigung sämtlicher Einfluss-größen fassbarer gemacht werden.

Das Jahresthema

Die Volkskultur Steiermark GmbH betreut imAuftrag des Ressorts für Volkskultur (Landeshaupt-mann-Vize Hermann Schützenhöfer) dieses Jahres-thema und wirkt als Vernetzungs-, Vermittlungs-, Informations-, Koordinations- und Organisations-stelle für alle Vereine, Verbände und Institutionen, die sich beteiligen. Der Auftakt des Erzherzog-Johann-Gedenkjahres erfolgte am 20. Jänner anlässlich seines wieder-kehrenden Geburtstages. Im von der Volkskultur Steiermark GmbH herausgegebenen Erzherzog- Johann–Reisepass und auch auf der Homepage www.erzherzogjohann.steiermark.at werden die Termine aller Feierlichkeiten und Veranstaltungen präsentiert. Genau 50 Jahre ist es her, dass ein fünf Kilometer (!) langer Festumzug Erzherzog Johannzu Ehren als Abschluss des Steirischen Gedenk-jahres 1959 durch Graz zog. Er war einerseits als letzte Dankeskundgebung an den großen Wohltäter des Landes gedacht, und andererseits sollte er auch Rechenschaft darüber ablegen, was aus dem Erbe Erzherzog Johanns in den vergangenen 100 Jahren erwachsen war. So wollen wir auch 2009 daran anknüpfen und haben alle steirischen Regionen zur Teilnahme aufgerufen. Es soll wie damals kein historischer Umzug sein, sondern die Darstellung der Landes-teile im Hier und Heute sowie im Morgen – basie-rend auf dem „Input“, den dieser Mensch diesem Land beisteuerte.

Silvia Renhart

Page 8: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

8 steirische berichte 1-2 /09

gedenke.

Das Jahr 2009 steht im Zeichen des „Steirischen Prinzen“. Was ist der Anlass für dieses Gedenkjahr?Wie stehen Sie zum Gedenkjahr? Erzherzog Johann war eine außergewöhnliche Per-sönlichkeit – er hat der Steiermark bleibende Werte hinterlassen, sowohl materielle als auch immate-rielle. Sein 150. Todestag am 11. Mai gibt Anlass, seiner und seinem Lebenswerk zu gedenken. Doch wir wollen im Gedenken nicht in der Vergangenheit stehen bleiben. Vielmehr soll das Erzherzog-Jo-hann-Jahr als Anregung gesehen werden, im Heute Visionen zu leben und Projekte mit Nachhaltigkeit zu starten und zu fördern. Es waren nicht zuletzt sein Weitblick und sein vernetztes Denken, die es ermöglichten, dass die Gründungen und Initiativen des „Steirischen Prinzen“ bis heute ihre Spuren ziehen.

Die von Ihnen initiierte und im letzten Jahr gegrün-dete Volkskultur Steiermark GmbH fungiert als Koordinationsstelle für das Erzherzog-Johann-Jahr. Wofür steht dieses junge Kompetenzzentrum?Was bietet diese Einrichtung den Steirerinnen und Steirern?

Die Volkskultur Steiermark GmbH soll sowohl für alle Steirerinnen und Steirer als auch für unsere Gäste Anlaufstelle für ihre Anliegen und Anfragensein und so zur Lebendigkeit unserer Kultur beitra-gen. Neben dem Service- und Beratungsbereich be-treibt die Volkskultur Steiermark GmbH mit ihrem Sitz im ältesten Gebäude der Grazer Sporgasse das Steirische Heimatwerk und das Steirische Volks-liedarchiv.Im Erzherzog-Johann-Jahr wirkt die neue Gesell-schaft als Vernetzungs-, Vermittlungs-, Informa-tions-, Koordinations- und Organisationsstelle. Die Einbindung aller steirischen Regionen und eine enge Zusammenarbeit mit jenen Institutionen, die auf Erzherzog Johann zurückgehen, liegen mir bei dieser Arbeit besonders am Herzen.

Im Tourismusland Steiermark verweisen dieses Jahr zahlreiche Aktivitäten, Ausstellungen und Veranstaltungen auf sein Lebenswerk. Welche dieser Ausflugsziele können Sie empfehlen?

Dank des Engagements vieler einzelner Menschen und Einrichtungen ist es gelungen, in der ganzen Steiermark Aktivitäten zu initiieren, die auf diesen

großen „Wahlsteirer“ verweisen. Das Ergebnis ist ein vielfältiges Veranstaltungsangebot, das von Bad Aussee über Leoben, Mariazell und Graz bis nach Stainz reicht. Aber auch viele Orte, in denen Erzherzog Johann nicht unmittelbar gewirkt hat, haben sich seines Lebenswerkes angenommen und Veranstaltungen organisiert. Jede dieser Aktivi-täten hat ihre Besonderheit, zeigt unterschiedlicheFacetten aus seinem Leben auf, hat einen indivi-duellen Zugang. Um Erzherzog Johann in seiner Vielfältigkeit erfassen zu können, kann ich nur empfehlen, so viele Veranstaltungsangebote wie möglich wahrzunehmen. Besonders erwähnen möchte ich außerdem, dasswir bei Steiermark Tourismus anlässlich des Ge-denkjahres Sonderpakete für Ausflüge und Reisen geschnürt haben: Das Paket „Wir sind Erzherzog - Auf den Spuren von Erzherzog Johann in derSteiermark“ führt zu vielen Orten, an denen er gewirkt und Spuren hinterlassen hat.Die „Rundreise - Auf den Spuren von ErzherzogJohann von Stainz nach Maribor und retour“ ist eine Wein- und Kulturreise, bei der Zusammen-hänge damaliger Errungenschaften und heutiger Traditionen entdeckt werden können.

Erzherzog Johann hat mit viel Weitblick in der Grünen Mark nachhaltig gewirkt. Viele bis heute weithin anerkannte Institutionen wie etwa die Montanuniversität Leoben, das Landesmuseum Joanneum und auch die Landwirtschaftskammer gehen auf sein Wirken zurück. Mit der Landwirt-schaftskammer eng verbunden ist das Engagementfür den ländlichen Raum. Gerade hier gelingt mit der Gründung der steirischen KLEINREGIONEN Großartiges. Welche positiven Beispiele undInnovationen gibt es hier?

Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Steiermark zur lebenswertesten und innovativsten Region Europas zu machen. Der ländliche Raum ist einem starken Wandel und großen Herausforderungen unterwor-fen. Die Kleinregionen sind die ideale Struktur, um die kommunale Infrastruktur auch für die Zukunftabzusichern, da die Gemeinden gemeinsam stärker sind. Darüber hinaus engagieren sich die Kleinregio-nen bereits intensiv in den Bereichen Klimaschutz und erneuerbare Energien, da sie nahe genug beim Bürger sind, um in Zusammenarbeit mit bewährtenInstitutionen wie Landwirtschafts- und Wirtschafts-

Erzherzog Johann 09Interview mit dem 1. Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer

Die steirischen berichte widmen sich dieses Jahr dem Thema „Erzherzog Johann“. Die Hefte tauchen damit für dieLeserinnen und Leser in die Landesgeschichte ein.

steirische berichte

LHStV.Hermann

Schützenhöfer

Mit der Gründung der steirischen

KLEINREGIONEN gelingt Großartiges.

Foto: KLeinregion ÖKoregion KaindorF

Page 9: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 9

kammer realistische und sofort umsetzbare Projekteanzugehen. Ich denke hier an kreative Kleinregio-nen wie etwa die Ökoregion Kaindorf, das Almen-land oder an die Kleinregionen im Vulkanland, wo der ländliche Raum sich zum innovativen Zukunftsraum mit Lösungsideen zur Energie- und Klimafrage entwickelt. In zahlreichen Kleinregio-nen werden auch die Betriebsansiedelungen oder die gemeinsame Nutzung von Veranstaltungshallen und Sportanlagen geplant und gemeinsam umge-setzt. Wir stehen hier am Beginn einer sehr guten Entwicklung. Überall in der Steiermark haben sich Kleinregionen gebildet, am Ende werden es rund 80 bis 90 Kleinregionen sein.

Der Geburtstag Erzherzog Johanns am 20. Jänner 2009 bildete den Auftakt für dieses Gedenkjahr. Sie haben an diesem Tag einen Erzherzog-Johann-Anzug mit Stolz getragen. Mit Stolz, weil er von einem Schneidermeister aus Gratkorn angefertigtwurde und so für Handwerk und steirische Arbeits-plätze steht. Auch das Steirische Heimatwerk ist ein Spezialist für steirische Trachten. Was gibt es dazu zu erzählen?

Ich hege eine tiefe Bewunderung für Handwerks-kunst und jene Menschen, die hinter jedem hand-gefertigten Produkt mit ihrem Können und ihrer Kreativität stehen. Handwerk hat sich im Laufe der Jahrtausende differenziert und spezialisiert, hat neue Berufe, Fertigungstechniken und Produkte hervorgebracht. Im Mittelpunkt steht aber immer der Mensch – ob er nun traditionelle Werkzeuge oder einen Computer bedient. Das Steirische Heimatwerk kann als ein Zentrum für Handwerkskunst bezeichnet werden. AlsVerkaufsstelle für Kunsthandwerk und mit haus-eigenem Schneidereibetrieb und individuell ge-fertigten Trachten spiegelt es die Identität unserer Regionen wider.

Das Gedenkjahr wird mit dem steirischen Fest „Aufsteirern“ in Graz, am 20. September, einen würdigen Abschluss finden. „Aufsteirern ist das Fest für all jene, die steirisch denken, leben, reden, singen, tanzen oder einfach nur das typisch ‚Steirische’ lieben. Einen Tag lang wird die Grazer Altstadt zur Bühne, kurzum zum Dorfplatz, wenn zahlreiche Mitwirkende zu einem Streifzug durch die Vielfalt der weiß-grünen Volkskultur einladen.“

Wie stehen Sie zu diesem Fest? Was leistet dieser Tag für die steirische Volkskultur?

„Aufsteirern“ bietet Steirisches für alle Sinne: Unsere Kultur zum Erleben, Anschauen, Kosten, Schmecken, Fühlen und Hören. Dieses Fest zeigt die enorme Bandbreite auf, die das Steirische zu bieten hat, und präsentiert das reiche Schaffen der unzäh-ligen Vereine und Verbände. Diese Vielfalt, wiewir sie in der Steiermark erleben, spiegelt sichauch in Europa, ja weltweit, wider. So ist es mir einbesonderes Anliegen, in das Festprogramm jedes Jahr Gruppen aus den Nachbarländern einzubinden.Dieser länderübergreifende Austausch lässtuns Kultur in einem größeren Zusammenhangerleben und bildet einen wichtigen Beitrag zum „Aufsteirern“, dem Fest der Vielfalt, des Mitein-ander und der Begegnung.

Wir danken für das Gespräch.

Gerald Gölles

1. Landeshauptmann-StellvertreterHermann Schützenhöfer bei der Auftaktveranstaltungzum Erzherzog-Johann-Jahr.Foto: Land steiermarK

Page 10: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

10 steirische berichte 1-2 /09

gedenke. Termintipps zumErzherzog-Johann-Jahr

26. April bis 31. Oktober 2009Kulinarische Aktion „Anna kocht …“Die Mitgliedsbetriebe der BÖG(Beste österreichische Gastlichkeit) kochen Gerichte aus der Zeit Erzherzog Johanns und nach Aufzeichnungen seiner Frau Anna PlochlIn vielen steirischen BÖG-Betrieben Info: BÖG Steiermark,Tel. 0664 / 849 13 23, www.boeg.at 30. April bis 31. Oktober 2009 Ausstellung „modellhaft.Erzherzog Johann“Jagdmuseum Schloss Stainz /Landes-museum Joanneum, Schlossplatz 1,8510 Stainz, Di–So 9–17 Uhr Info: Jagdmuseum Schloss Stainz,Tel. 03463 / 27 720,www.museum-joanneum.at 1. Mai bis 31. Oktober 2009 Ausstellung „Bürgerin – Bäuerin –Kuchldirn. Frauenalltag zur Zeit Erzherzog Johanns“Österr. Freilichtmuseum Stübing,8114 Stübing, täglich 9–17 Uhr(ab 14. 9.: montags geschlossen) Info: Österr. Freilichtmuseum Stübing, Tel. 03124 / 53700, www.stuebing.at 7. Mai bis 27. November 2009 Ausstellung „Erzherzog Johann – Mensch und Mythos“ Steiermärkisches Landesarchiv, Karmeliterplatz 3, 8010 Graz Mo, Di, Do 9–17 Uhr; Mi 9–19 Uhr,Fr 9–13 Uhr Info: Steiermärkisches Landesarchiv, Tel. 0316 / 877-4031,www.landesarchiv.steiermark.at 8. Mai 2009, 11 UhrAkademische Feier „Erzherzog Johann –Begründer der TU Graz“ Festvortrag mit Enthüllung der Originalwerkzeuge für den Spatenstich zur „Alten Technik“ und akademische Ehrungen. Technische Universität Graz, Rechbauerstraße 12, 8010 Graz Info: Technische Universität Graz,Tel. 0316 / 873 6001, www.tugraz.at

11. Mai 2009, 17 Uhr Gedenkgottesdienst anlässlich des 150. Todestages von Erzherzog Johann Baptist von Österreich Dom, Hofgasse/Burggasse, 8010 Graz Info: Volkskultur Steiermark GmbH, Tel. 0316 / 90 85 35,www.volkskultur.steiermark.at 16. Mai 2009, 17 Uhr „Erzherzog Johann und sein Glaube“ Festvortrag von Maria Cäcilia Trauttmansdorff Schloss Stainz, 8510 StainzInfo: Pfarre Stainz, Tel. 03463 / 22 37 20. bis 24. Mai 2009 Reise „Die Familie Erzherzog Johanns und die Toskana“ Unter der Leitung von Univ.-Prof. DI DDr. Gerhard Sperl (Historiker und Montanist) werden der Geburtsort Erzherzog Johanns und die Wirkungsstätten der Habsburger in der Toskana besichtigt. Reiseroute: Graz–Toskana–Graz Info: Österr. URANIA für Steiermark, Tel. 0316 / 82 56 88, www.urania.at 27. bis 29. Mai 2009 Pfingstdialog „Geist & Gegenwart“ – Der Geschmack Europas Der zum dritten Mal stattfindende Pfingstdialog ist vom joanneischen Geist geprägt und widmet sich in einer Spezialveranstaltung „Erzherzog Johann – Herausforderung 2020“. Schloss Seggau, Seggauberg 1,8430 Leibnitz Tagungsbüro: die Organisation,Tel. 0316 / 69 55 80,www.geistundgegenwart.at 29. Mai bis 26. Oktober 2009 Ausstellung „Erzherzog Johann – Radmeister in Vordernberg“ Radwerk IV, Peter-Tunner-Straße 2, 8794 Vordernberg Mo–So 9–17 Uhr Info: Informationsbüro Steirische Eisenstraße, Tel. 03849 / 832,www.radwerk-vordernberg.at

4. Juni 2009, 9 Uhr„Erzherzog Johann und seine Brüder“ Wissenschaftliches Symposion„Erzherzog Johann: Tagebuchder Englandreise 1815/16“ Buchpräsentation Wartingersaal des Landesarchivs, Karmeliterplatz 3, 8010 Graz Info: Historische Landeskommission für Steiermark, Tel. 0316 / 877-3013, www.hlkstmk.at 18. bis 21. Juni 2009 Bergmannsschach „Erz im Feuer“ Erzherzog Johann und das Schachspiel der Berg- und Hüttenleut’ –Ein Spectaculum mit Musik Hauptplatz, 8700 Leoben Info: Museumsverbund Steirische Eisenstraße, Tel. 03842 / 4062-408,www.bergmannsschach.at 19. Juni 2009, 10 bis 17 Uhr„Zukunft braucht Herkunft: EH JOHANN – FH JOANNEUM“ FH JOANNEUM Kapfenberg,Werk-VI-Str. 46, 8605 Kapfenberg (Weiterer Termin: 26. Juni 2009,16–21 Uhr, FH Joanneum Graz,Alte Poststraße 147, 8020 Graz) Info: FH JOANNEUM,Tel. 0316 / 5453-8835 oder 8816,www.fh-joanneum.at

24. Juni 2009, 18 Uhr Flott – Feurig – Steirisch Trachtenpräsentation, Volkstanzfest und Johannisfeuer – zum Namenstag Erzherzog Johanns Schloss St. Martin, Kehlbergstraße 35, 8054 Graz Info: Schloss St. Martin,Tel. 0316 / 28 36 55,www.schlossstmartin.at 25. Juli 2009, 20 Uhr„Er zwängt den Geist in keine Schranken.“ Erzherzog Johann – Eine Annäherung Reinhard Schlüter zeichnet im Stil eines Hörbildes den Lebensweg Erzherzog Johanns nach. Musikalische

Page 11: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 11

Umrahmung: Ausseer Bradlmusi Kurhaus, Kurhausplatz 144,8990 Bad Aussee Info: Kulturreferat der Stadtgemeinde Bad Aussee, Tel. 03622 / 52511-99,www.badaussee.at 5. August 2009, 19.30 Uhr Vortrag: „Durch die Schladminger Tauern.“ Auf den Spuren der Reise Erzherzog Johanns 1810 Von OStR Prof. Mag. Harald Matz Schloss Trautenfels / Landesmuseum Joanneum, 8951 Trautenfels 1 Info: Schloss Trautenfels, Tel. 03682 / 222 33,www.museum-joanneum.at 7. und 8. August 2009„Das Leben, ein Tanz – 2009.Erzherzog Johann von Österreich“ Gastspiel der Vereinigung Wiener Staatsopernballett im Ausseerland Kaiserzelt, 8992 Altaussee Tickethotline: Tel. 0664 / 422 11 12, www.ballett.at 9. August 2009, 11 Uhr Auftaktveranstaltung zur Reihe „Herbst mit den Bäuerinnen“ Eine Fülle von Hoffesten widmet

sich im Ennstal und Ausseerland von August bis Oktober dem Leben und Wirken des steirischen Prinzen. Steinitzen-Alm, 8984 Pichl-Kainisch Info: „Herbst mit den Bäuerinnen“,Tel. 0676 / 94 59 817,www.herbst-baeuerinnen.at 15. bis 16. August 2009,jeweils ab 11 Uhr Säumer, Seiler und Kesselflicker: Salla, ein Dorf zur Zeit Erzherzog Johanns Ein weststeirisches Bergdorf ver-wandelt sich für zwei Tage in einenhistorischen Ort. Dorfplatz, 8592 Salla Info: Gemeinde Salla,Tel. 03147 / 206, [email protected] 18. August 2009, 20 Uhr„Wenn Du nur schon bey mir wärest…“Franz Meran und Barbara Frischmuth lesen unveröffentlichte Briefe von Erzherzog Johann an Anna Plochl. Musikalische Umrahmung: Ausseer Geigenmusik Literaturmuseum Altaussee, Fischerndorf 61, 8992 Altaussee Info: Literaturmuseum,Tel. 0664 / 444 10 69,www.literaturmuseum.at

20. September 2009„AUFSTEIRERNim Erzherzog-Johann-Jahr“ Das steirische Fest in Graz Grazer Innenstadt, 8010 Graz Info: Aufsteirern,Tel. 0316 / 22 52 38,www.aufsteirern.at 2. Oktober 2009 Tagung „Visionäre und Visionen inder Landwirtschaft“ LFZ Raumberg-Gumpenstein, Raumberg 38, 8952 Irdning Info: LFZ Raumberg-Gumpenstein,Tel. 03682 / 22 451-243,www.raumberg-gumpenstein.at

5. November 2009, 19 Uhr „Erzherzog Johann und die Religion“ Vortrag von Mag. Dr. Elke Hammer-Luza Info: Pfarrheim Stainz, 8510 Stainz Weitere Termine finden Sie unter www.erzherzogjohann.steiermark.atund im „Reisepass durch das Erzherzog-Johann-Jahr“. Reisepass anfordern: Volkskultur Steiermark GmbH, Sporgasse 23, 8010 Graz,Tel. 0316 / 90 85 35,[email protected]

Foto: Johannes geLLner voLKsKuLtur steiermarK gmbh.

Page 12: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

12 steirische berichte 1-2 /09

gedenke.

Pfingst-Dialog 27. bis 29. Mai 2009auf Schloss Seggau, Leibnitz

„Der Geschmack Europas“ soll nach dem Willen der Veranstalter beim dritten Pfingst-Dialog auf Schloss Seggau in aller Munde sein: Denn Fragen zur Ernährung, vom Überfluss bis zum Welthunger, von den Rohstoff- und den Lebensmittelpreisen, aber auch zu einem nachhaltigen und verantwor-tungsvollen Umgang mit Ressourcen stehen auf dem diesjährigen Programm. Und nicht zuletzt: wie Nicht-Europäern dieses Europa „schmeckt“. Die daraus resultierenden gesellschaftspolitischen, sozialen und ethischen Herausforderungen werden wieder in Plenarveranstaltungen und „Insieme“-Gruppen diskutiert werden.Neben vollwertiger Geistesnahrung wird aber auch konkret Essen auf den Tisch kommen und analy-siert: Nach dem Motto „Das Auge isst mit“ werden die Autoren des Buches „Food Design“, Honey & Bunny, die kulturell unterschiedlichen Farbreize von Speisen etwa in Asien (weiß) und Österreich(rot) aufzeigen.

„Das Interesse am Pfingst-Dialog ist auch heuer besonders groß“, freuen sich die Organisatoren, „aufgrund der vielen Anmeldungen vor allem von Studierenden sind wir bereits um eine Erhöhung unserer Aufnahmekapazitäten bemüht.“

Und da sich „Geist & Gegenwart“ unter der Schirmherrschaft von Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari und Landeshauptmann-Stv. Hermann Schützenhöfer von Beginn an auch von„joanneischem Geist“ durchweht sieht, ist 2009 ein eigener Schwerpunkt zum Thema „Erzherzog Johann – Herausforderung 2020“ geplant.

Wenn auch Sie auf den Geschmack Europas gekommen sind: Sie sind herzlich willkommen!

Gertraud Schaller-Pressler

Das Symposium „Geist und Gegenwart“ steht heuer unter dem Leitwort „Der Geschmack Europas“. Dieses europäische Forum, das vom Land Steiermark und der Diözese Graz-Seckau in Kooperation mit dem Joanneum Research unddem Club Alpbach Steiermark veranstaltet wird, ist nicht nur zeitlich, sondern seinem Wesen nach mit dem Pfingstfest verbunden. Angesichts zu-nehmender sozialer und kultureller Erosionendarf man von diesem Pfingst-Dialog Impulse für mehr Humanität und mehr Geist in Europa und darüber hinaus erhoffen.Diözesanbischof Dr. Egon Kapellari, Graz-Seckau

Der Pfingstdialog Geist & Gegenwart ist zu einer guten Tradition geworden – für den offenen Dialog zu wichtigen Fragen der Gegenwart und Zukunft über Grenzen hinweg und als Impuls-geber für Reform- und Innovationsprozesse. Also eigentlich ganz in der vorbildlichen Haltung Erzherzog Johanns, der für uns ständige Heraus-forderung ist. Landeshauptmann-Stv. Hermann Schützenhöfer

Geist & Gegenwart – Der Geschmack EuropasPfingst-Dialog, 27.–29. Mai 2009, Schloss Seggau, Leibnitz

ReferentInnen: Wolfgang Benedek, Sihem Benesedrine, Warnfried Dettling, Christian Felber, Benita Ferrero-Waldner, Franz Fischler, Barbara Gerl-Falkovits,Mariella Gruber, Franz Harnoncourt-Unverzagt,Mats Hellstroem, Honey & Bunny, Waldemar Hummer, Dieter Hundt, Valentin Inzko, Egon Kapellari,Monika Kircher-Kohl, Michael Krüger, Richard Kühnel, Jadran Lenarcic, Manfred Lütz, Joseph Marko,Reinhard Marx, Meinhard Miegel, Leopold Neuhold, Fred Ohenhen, Bernhard Pelzl, Klaus Poier,Manfred Prisching, Susanne Scholl, Kurt Scholz, Margit Schratzenstaller, Hermann Schützenhöfer, Ali Soleiman, Dieter Spoeri, Hans Staud, Herwig Sturm, Lojze Wieser.

TEILNAHMEKOSTEN, ANMELDUNG & INFO:Tagungsbüro Geist und Gegenwart,c/o die Organisation, Opernring 12/1, 8010 Graz, Tel: +43/(0)316 /69 55 80,[email protected],www.geistundgegenwart.at

Das Heft in der Hand haben junge Studierende beim

vielsprachigen Pfingst-Dialog auf

Schloss Seggau:Das interdiszipli-

näre Forum widmet sich Fragen zur

Zukunft Europas und lädt zu

internationalem Meinungsaustausch

auf höchstemNiveau.

Foto:geist & gegenwart

Schloss Seggau, Foto: Kirchengast

Geist & Gegenwart

Page 13: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 13

gedenke.

Den 30 Mitgliedern von DieGrazGuidesliegen nicht nur Gäste von auswärts sondern auch die GrazerInnen und SteirerInnen am Herzen. Um deren Wissensdurst nach spannenden, unbe-kannten, oft kuriosen Aspekten der Stadt zu stillen, präsentieren DieGrazGuides von Mai bis Ende September „Graz für Grazer“ im Detail. Da lockt eine Fahrt im Cabrio Bus ins „grüne Graz“ mit seinen Parks, Schrebergärten und paradiesisch bepflanzten Innenhö-fen. Kastner&Öhler offenbart histori-sche Substanz und heitere Geschichten abseits vom Shopping. „Europa in Graz“beleuchtet identitätsstiftende äußereEinflüsse in Vergangenheit und

Gegenwart. Das Jahr der Astronomie veranlasst DieGrazGuides, den Spuren Johannes Keplers zu folgen ... . Und Erzherzog Johann? In zwei Spa-ziergängen – garniert mit Zitaten und amüsanten Anekdoten – wird der volksverbundene Mensch und wissen-schaftliche Visionär Johann Baptist von Österreich näher vorgestellt. Dabei ergeben sich erstaunliche Parallelen zwischen seiner und unserer Zeit. Unter dem Titel „Wissen für jedermann“geht es von der Technischen Universitätzur Kunstuniversität, während „Neue Ideen für das Land“ zu zahlreichen,noch heute florierenden Gründungen

des Erzherzogs quer durch die Innen-stadt führt. Ein Folder mit den genauen Terminen der Aktion „Graz für Grazer“ liegt ab Ende April bei der Graz Tourismus Information, Herrengasse 16, auf.Natürlich können alle Führungen bei DieGrazGuides auch individuell gebucht werden.

WEITERE INFORMATIONEN:DieGrazGuides – Fremdenführer-Club für Graz und die Steiermark, Telefon: 0316 / 58 67 20, Fax: 0316 / 57 53 10, E-Mail: [email protected]; www.grazguides.at

Erzherzog Johannauf Schritt und TrittDer Jahresregent Erzherzog Johann erweitert heuer auch das Angebot von DieGrazGuides – Fremdenführerclub für Graz und die Steiermark. Bereits zum 13. Mal laden die engagierten FremdenführerInnen zu ihrer beliebten Aktion „Graz für Grazer“ und widmen dabei gleich zwei unterschiedliche Spaziergänge dem Leben und nachhaltigen Wirken des steirischen Prinzen.

Wie gefallen Ihnen die neuen steirischen berichte?Wir laden Sie ein, uns darüber Ihre Meinungschriftlich mitzuteilen.

Unter allen Einsendungen verlosen wir 15 Eintritts-karten für die von den GrazGuides zur Verfügung gestellte Erzherzog-Johann-Führung am Samstag, 16.Mai 2009, in GrazBeginn: 11.00 UhrTreffpunkt: Hauptplatz/RathauseingangKennen lernen können Sie dabei auch das Redaktionsteam der steirischen berichte.

Bitte schicken Sie uns Ihre Antwortbis spätestens 30. April 2009 per Post, Fax oder E-Mail an Steirisches Volksbildungswerk8010 Graz, Herdergasse 3Fax (0 31 6) 32 10 [email protected]

Eintrittskarten und Informationen zur Führung erhalten Sie mit der Post. Die Preise können nicht übertragen oder in bar abgelöst werden. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Ihre eingereichten Angaben werden vertraulich behandelt und ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung nicht an Dritte weitergegeben. Mit der Teilnahme am Wettbewerb stimmen Sie zu, dass Ihr Name im Rahmen der steirischen berichte veröffentlicht wird.

5 Bücher„Wie’s g’wesn is“wurden mit densteirischen berichten6/2008 verlost.„Wie’s g’wesn is.Vom Leben auf dem Land“.Inge Friedl/Neues Land. 176 Seiten. Styria 2008,24,95 Euro.Erhältlich auch überNEUES LAND, Reitschulgasse 3,8011 Graz,Tel. 0316 82 63 61-11,[email protected] www.neuesland.at.

Die Gewinner der Bücher sind• Frau Helga Kopeinig aus Graz in der Steiermark• Herr DI Josef Suppan aus Graz in der Steiermark• Frau Ingrid Paul aus Jagerberg in der Steiermark• Frau Maria Stahl aus Stohlberg in Deutschland• Herr Dipl.-Bwt. Josef-H. Hasenmüller aus Berlin in Deutschland

Gewinnen Sie eine Erzherzog-Johann-Führung durch Graz

Sie haben gewonnen

Fotos: diegrazguides

Page 14: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

14 steirische berichte 1-2 /09

johann. Der Mensch „Johann“

Aufgrund seines Standes erfuhr Erzherzog Johann eine umfassende (globale) Erziehung – beeinflusst und geprägt durch verschiedene Kulturkreise und Mentalitäten Europas.Als Kind seiner bewegten Zeit war er nicht nur von den Naturwissenschaften, sondern auch vom Gedankengut der Aufklärung, dem Fortschritts-glauben sowie von der beginnenden Industrialisie-rung angespornt und vom allgemeinen Aufkeimen des Interesses am Volksleben inspiriert. Er zeichnete Erlebnisse und Geschichten auf seinen Reisen durch die Alpenländer auf. Gerne durch-streifte er auch als einfacher Jäger die Steiermark und gesellte sich unters gemeine Volk. Durch seine Heirat mit der Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl und das Tragen der einfachen Jägerkleidung auf seinen Streifzügen fand er die gewünschte Nähe zu den Menschen des Steirerlandes. Mit 14 Jahren bereits interessierte und beschrieb er

auf einer Reise nach Mariazell Land und Leute. AmAbhange des Riedenberges. Hier sind die Häuser schon mit Stroh gedeckt, auch viele halb mit Holz und halb mit Stein gebaut … Die Bauerntracht ist verschieden und hat ihren eigenen Geschmack; manglaubt sich in eine andere Welt versetzt.Genaue Kenntnis des Landes, der Bewohner, deren Bedürfnisse und Fähigkeiten sowie der Leistungen der öffentlichen Einrichtungen erlangte er durch eine statistische Landesaufnahme. Darauf baute und begründete er seine Reformen. Vision und Inspiration holte er sich auf seinen zahl-reichen Studienreisen durch Europa und Kontakten zu bedeutenden Wissenschaftlern seiner Zeit. 1801 beschrieb er auf seiner Reise durch Salzburg und Tirol Bauernhäuser, Lebensweise, Mahlzeiten, Tracht, Charakter, Körperbeschaffenheit, Religion, Volksspiele, Volkslied, Musik und Liebesleben der Bevölkerung. 1802 führte ihn sein Weg durch die Steiermark, wo er sich Jodler und Volkslieder vorsingen ließ und damit seine Liedersammlung begründete. Bereits 1804, als er noch mit seinen militärischen Plänen befasst und auf Tirol konzentriert war,bereitete er eine Arbeit über „Sitten, Gebräuche und Charakter der deutschen Alpenbewohner“ vor.Zugleich erteilte er Naturforschern, Zeichnern undAntiquaren den Auftrag zu forschen und zu sam-meln. Nach seiner „Verbannung aus Tirol“ durch-wanderte und beschrieb er im August 1810 die Aus-seer und Schladminger Alpen: Die Almhütten sind niedrig aber geräumig; die heftigen Winde, welche hier herrschen und oft den Boden furchen, lassen kein hohes Gebäude zu. Die Dächer sind flach und mit Steinen beschwert … Abends waren Geiger und Pfeifer da und von Schladming kamen Bauern mit ihren Alpenhörnern („Wurzhörnern“). Sie sind wie Posaunen gemacht, von Lärchenholz mit Bast um-geben und geben einen reinen, angenehmen aber zugleich traurigen Ton …Im Oktober 1810 durchstreifte er die untersteiri-schen Weingegenden und schrieb Beobachtungenüber Weinbau, Weinlesefeste, Pressen, Keller undWinzerbräuche nieder.Dies gab ihm anscheinend Anstoß, fortan für die Steiermark tätig zu sein, und begeistert schrieb er 1811 in sein Tagebuch: Aus den Gebirgen entspringen die Wasser, die die Ebene beherrschen, dort ist noch der Menschheit Kern, von da muß Rettung kommen!

Silvia Renhart

Leopold Kupelwieser, Erzherzog Johann im

Rock mit grünemAufschlag, 1828. Foto:

neue gaLerie graz

am Landesmuseum

Joanneum

Page 15: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 15

johann. „Eure kaiserliche Hoheit –theurer, liebster, bester Mann.“ Anna Plochl und Erzherzog Johann

Die Beziehung zwischen Erzherzog Johann und Anna Plochl ist mit Sicherheit die bekannteste Liebesgeschichte derSteiermark, birgt sie doch alle Bestandteile einer märchenhaften Romanze in sich: Ein Kaisersohn und eine Postmeisters-tochter verlieben sich ineinander, trotzen im ländlichen Idyll allen Widerständen und dürfen nach jahrelanger Prüfungendlich den Bund für das Leben schließen.

Spätestens seit dem Kinofilm „Erzherzog Johanns große Liebe“ war dieses kitschig-süße Bild in einer breiten Öffentlichkeit festgeschrieben. In der Realität zeigte sich die Beziehung des Habsburgers zu seiner mehr als 20 Jahre jüngeren Gefährtin aus dem Bürgerstand freilich viel facettenreicher und mit einer Reihe von Problemen belastet, unter denen vor allem die junge Frau zu leiden hatte.

Die Postmeisterstochter Nanni

Anna Maria kam als ältestes Kind des Postmeisters Jakob Plochl und seiner Frau Maria Anna, geb. Pilz,am 6. Jänner 1804 in Aussee zur Welt. Sie hatte zwölf Geschwister, wobei ihre Mutter nach der Geburt des jüngsten Kindes 1821 verstarb. Familie Plochl besaß in Aussee ein bürgerliches Haus und galt als durchaus angesehen. Erzherzog Johann lernte die Postmeisterstochter im Sommer 1819 am Toplitzsee kennen und fand an dem jungen Mädchen Gefallen. Im den folgenden Jahren trafen die beidenimmer wieder zufällig zusammen und kamen

einander näher. Im Sommer 1822 tat der Habsburger schließlich den entscheidenden Schritt und erklärte sich der Bürgerstochter. Die Verbesserung seiner finanziellen Situation durch eine Erbschaft sowie der Ankauf von Realitäten in Vordernberg trugen daran nicht unwesentlichen Anteil. Nachdem sich das Paar bald einig war, suchte Johann Anfang 1823 bei seinem kaiserlichen Bruder, Franz I., um die Heiratserlaubnis an. Der Kaiser erteilte zwar seine grundsätzliche Zustimmung, wollte die Heirat jedoch bis auf Weiteres aufgeschoben wissen. Wie stellte sich diese Situation nun für Anna Plochl dar? Die junge Bürgerstochter hatte bei der ersten Zusammenkunft mit dem Erzherzog sicher niemalsdaran zu denken gewagt, in eine nähere Beziehung mit dem so viel höherstehenden und älteren Mann zu treten. Tatsächlich knüpfte das lebenslustige Mädchen zunächst Bekanntschaft zu einem jungen Mann ihres Standes. Es war dies der Leobener Bäckermeisterssohn Vinzenz Pfeifer, der als Ange-stellter in einem Vordernberger Radwerk arbeitete. Die beiden korrespondierten nicht nur miteinander,

ZeitgenössischeGenre-Darstellung„Anna als Postillion“

Page 16: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

16 steirische berichte 1-2 /09

johann. sondern tauschten auch kleine Geschenke aus;unter anderem besaß Vinzenz von Anna eine Rose und einen Ring. Wie lange dieses Verhältnis ge-dauert hatte und aus welchen Gründen es letztlich zerbrach, wissen wir nicht; der Bürgerssohn galtjedoch als leichtlebiger Frauenheld. Nachdem Anna dem Erzherzog diese Episode erzählt hatte, setzte der Habsburger alles daran, die Spuren der ehe-maligen Beziehung zu beseitigen, um das Anse-hen seiner Auserwählten nicht zu gefährden. Über Vermittlung des Bäckermeisters Pfeifer übergab der junge Mann alle von Anna herrührenden und diese unter Umständen kompromittierenden Gegenständean den Habsburger. Damit nicht genug, wurdeVinzenz Pfeifer auch der Abschied aus Vordernberg nahe gelegt. Mit Hilfe von Erzherzog Johann erhielter einen Studienplatz an der Bergakademie in Schemnitz, die Reise- und Aufenthaltskosten über-nahm der Habsburger. Trotz aller Diskretion blieben das Werben von Erzherzog Johann, die plötzliche Abreise Vinzenz Pfeifers und die letztlich gescheiterten Hochzeitsvorbereitungen in Aussee nicht unbe- merkt. Klatsch und Tratsch blühten, wobei vorzugsweise Anna Plochl die Zielscheibe des Spotts bildete. Neider und Übelwollende gab es genug, die ihr vor- warfen, sich anmaßend über ihren Stand erheben zu wollen. Das Gerede zog so weite Kreise, dass sogar Staats- kanzler Metternich in Wien von seinen Po-lizeispitzeln genaue Berichte über die Person der Postmeisterstochter einforderte. Aus einergewissen Naivität und schwärmerischen Verliebt-heit heraus gelang es Anna anfangs, sich ihren Optimismus zu bewahren. Doch zum Druck der Umgebung kam zunehmend auch der Druckinnerhalb ihrer eigenen Familie. Jakob Plochl sorgte sich um den Ruf seiner ältesten Tochter – und suchte zugleich handfeste materielle Vorteile für sie herauszuholen. Erst im September 1823 fand dieser unhaltbareZustand ein Ende, und Anna sollte mit Zustim-mung ihres Vaters als Wirtschafterin des Erzher-zogs tätig werden. Damit begann ein neues Kapitel in ihrem Leben, das für sie – neben der ersten Freude über die erreichte Zweisamkeit mit einem geliebten Menschen – sehr viele Schattenseiten aufweisen sollte.

Die Hausfrau des Erzherzogs

Am 20. September 1823 führte Johann seine Anna nach Vordernberg – um sie nach wenigen Tagen bereits wieder allein zu lassen. Die vielfältigenGeschäfte des Habsburgers ließen es nicht zu, längere Zeit in Ruhe an einem Ort zu verweilen. Das hieß für Anna, dass sie lernen musste, Wochen und sogar Monate in einsamer Zurückgezogenheit zu verbringen. Für ein junges Mädchen, das ge-wohnt war, im Kreis einer großen Familie mit vielenKindern zu leben, musste das eine gewaltige Um-stellung bedeuten. Selbstverständlich trug Johann dafür Sorge, dass Anna in seiner Abwesenheit Gesellschaft hatte, allerdings nur durch einen von ihm ausgewählten Personenkreis. Mit anderen, ihm nicht vertrauenswürdig erscheinenden Menschen sollte sie hingegen keine engeren Kontakte pflegen. Zum Leidwesen Annas hatte der Erzherzog auch Vorbehalte gegen ihre Schwestern und gegen ihren Vater, so dass sie hin- und hergerissen war zwischender Liebe zu ihrer Familie und dem Pflichtbewusst-sein gegenüber Johann. Der Habsburger handelte dabei natürlich aus reifer Überlegung, wusste er doch nur zu gut, wie rasch Anna in ihrer ohnehin unsicheren Position durch unbedachte Handlungen gänzlich desavouiert werden konnte. Für das damals 19jährige Mädchen waren die Be-vormundungen des Erzherzogs jedoch schwer zu ertragen. Anna sah sich wegen der ständigen, bis-weilen übertrieben scheinenden Bedenken immer wieder um jede Freude und Zerstreuung gebracht, um so mehr, da sie bisher eine begeisterte Tänzeringewesen war, die kaum einen Ball ausgelassenhatte. Der schon in die Jahre gekommene Erzherzog mied hingegen nach Möglichkeit solche Veranstal-tungen, die er als höchst verderblich und gesund-heitsschädlich ansah. Hier zeigten sich dieWesensunterschiede, aber auch die Altersdifferenz zwischen dem ungleichen Paar besonders augen-fällig, was auch Anna bewusst war: Willst Du mir denn gar die Freude nicht mehr erlauben, daß ich nicht mehr tanzen soll. […] Du wirst Dir halt den-ken, jung, jung! Leider freylich jung, darum auch noch gerne lustig. Erzherzog Johann hatte in der Wahl seiner Ge-fährtin ein unverdorbenes Geschöpf aus dem Volk gesucht, das er in gewisser Weise noch nach seinen Vorstellungen formen konnte. In diesem Sinn ver-suchte er auch auf Anna einzuwirken, vor allem, was einfache und schlichte Lebensführung betraf.Auch wenn die Bürgerstochter alles andere als an-spruchsvoll war, hatte sie doch eine gewisse Freude an Putz und Zierrat, was der Erzherzog jedoch nichtverstehen wollte. So rügte er sie in harten Worten, dass sie sich bei einem Ausflug nach Graz unter-standen hatte, drei Hüte mitzunehmen: Für Dich wäre ein Gewand für alle Tage und immer das näm-

Herrenhausin Vordernberg

Foto: stLa

Page 17: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 17

liche, eines für Visiten oder ein Überrock und Dein schwarzer Mantel hinlänglich gewesen, denn das viele Kleiderwechseln ist eine unzeitige Eitelkeit,die ich nicht will. Wegen dieser und ähnlicher Zurechtweisungen vergoss Anna viele Tränen. Sie hatte mitunter das Gefühl, von den Freunden und Vertrauten des Habsburgers überall überwacht und kontrolliert und wie ein Kind mit Warnungen überhäuft zu werden. Andererseits wollte sie ihrem „Herzensmann“ alles recht machen und ängstigte sich, seinen Unwillen hervorzurufen. War Erzherzog Johann endlich ein paar Tage zu Hause, so gestaltete sich das Zusammenleben zwi-schen Anna und ihm auch nicht immer erfreulich. Wiewohl das Paar ständig brieflich miteinander in Verbindung stand, trat während der langen Abwe-senheiten doch eine gewisse Entfremdung auf, die es immer wieder abzubauen galt. Zugleich durfte aber auch nicht zu viel Nähe aufkommen, peinlich genau musste darauf geachtet werden, dass man trotz aller Bedürfnisse über das kameradschaftliche Verhältnis nicht hinausging. Der Erzherzog wurde durch diese allseits unbefriedigende und peinigendeSituation in schwere Depressionen gestürzt und glaubte, durch sein Versprechengegenüber Anna Schuld auf sichgeladen zu haben. In der erstenJahreshälfte 1824 war Johannin so düsterer Stimmung, dasser in seinen Tagebüchern sogarSelbstmordgedanken äußerte.Bis aufs äußerste angespanntund oft krankhaft gereizt, warer von Selbstzweifeln zerfressenund stellte bisweilen sogar AnnasLiebe in Frage. Diese fühlte sichmit der düsteren Schwermut ihresGefährten oft überfordert,zumal sie ja selbst mit der beste-henden Lage alles andere als glücklich war. Es zeugt von der Charakterfestigkeit des Paares, dass es diese schwere Zeit miteinander meistern konnte. In der Tat hat es den Anschein, als ob Anna und Johann nach dem ersten Jahr ihres Zusammenle-bens immer besser lernten, miteinander umzugehen und sich an ihre Situation zu gewöhnen. Wie in jeder Beziehung wechselten auch hier bessere und schlechtere Tage einander ab, letztlich sollten sich die Gegensätze zwischen den beiden aber immer mehr abschleifen. Freilich ist zu erwarten, dass die junge Anna hier mehr Zugeständnisse machen musste als ihr Radmeister. Die trotzig zur Schau ge-stellte Prinzipientreue des Erzherzogs beeindruckte letztlich auch seinen kaiserlichen Bruder, der 1829 endlich seine Zustimmung zur Heirat bekräftigte. Am 18. Februar heirateten Anna und Johann in der Kapelle des Brandhofes, nachdem sie fünfeinhalb Jahre einen gemeinsamen Haushalt geführt hatten.

Die Frau ohne Namen

Die Eheschließung mit Erzherzog Johann bedeu-tete für Anna freilich nur die Legitimierung ihrer Beziehung und keine Aufnahme in die Familiedes Habsburgers. Es sollte noch lange dauern, bis sie in Wien überhaupt Zutritt zur kaiserlichen Hof-burg erhielt. Wir können nur Vermutungen darüber anstellen, wie sich die im ländlichen Aussee aufge-wachsene Frau, die keine angemessene Erziehung genossen hatte und keine Erfahrung mit höfischer Etikette besaß, hier fühlen musste. Gerade in den ersten Jahren waren sicherlich alle Augen auf sie gerichtet und jede Ungeschicklichkeit ihrerseits wurde peinlich genau notiert – und wohl auch aus-führlich kommentiert. Dazu kam die Verlegenheit, dass man anfangs nicht wusste, wie man die Frau des Erzherzogs überhaupt anreden sollte. Erst 1834 erhielt sie den Titel einer Freifrau von Brandhofen zuerkannt. So nimmt es nicht wunder, dass Anna die Zeit am liebsten in ihrer steirischen Heimatverbrachte. Aber auch hier bewegte sie sich in ge-wisser Weise zwischen den Welten: Zum Bürger-stand gehörte sie nicht mehr, und selbst der Land- adel behandelte sie nicht als ihresgleichen. Neben diesen äußeren Zurücksetzungen litt Anna unter der anfänglichen Kinderlosigkeit ihrer Ehe, erst 1839 stellte sich der lang erwar- tete Sohn ein. Es scheint, dass Anna durch ihre Mutterschaft eine gewisse Eigenständigkeit erlangte, die sich bisweilen auch mit einem energischen Auftreten paarte – allerdings nur innerhalb der eigenen vier Wände, die sie als ihre Welt ansah. In der Öffent-lichkeit, wie etwa in Frankfurt 1848, fühlte sie sich gänzlich fehl am Platz: Ich bin für die hiesige Welt viel zu einfach […]. Auch ihre Standeserhöhung zur Gräfin von Meran 1850 sollte daran nichts mehr ändern.Nach dem Tod von Erzherzog Johann 1859 lebte Anna vor allem in Graz, wo sie als Wohltäterin in Erscheinung trat; am 4. August 1885 starb siein ihrem Geburtshaus in Aussee.

Elke Hammer-Luza

Verwendete Quellen und Literatur (in Auswahl):

Johann Erzherzog von Österreich, Der Brandhofer und seine Hausfrau. 3. Aufl., bearb. u. eingel. von Walter Koschatzky,Graz 1978.

Renate Basch-Ritter, Anna Plochl. Die Frau an der SeiteErzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte, Graz 2005.

Elke Hammer, Anna Plochl und Erzherzog Johann – Kehrseiten einer „lieblichen Romanze“. In: MittStLA 48 (1998), 299–332.

johann.

Anna Freiinvon Brandhofen.

Johann, Anna undbeider Sohn Franz.Foto: stLa

Page 18: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

18 steirische berichte 1-2 /09

johann. „Gerichte mit Geschichte“

Es ist rund 150 Jahre her, dass Anna Plochl, diebürgerliche Ehefrau des Erzherzogs Johann von Österreich, ihren Gemahl mit viel Gefühl und Liebe „bekochte“.Kein Wunder, dass es fast ein Jahrhundert dauerte, bis erzherzögliche Gerichte nachgekocht werden, denn massige Mengen von Schmalz und 18 Eiern hinterließen einen bombigen Eindruck. Werden die Mengen aber auf vier Personen umgerechnet, so verlieren die Gerichte viel an Kalorienschreck. Erst mussten Umrechnungen von Loth, Quintel, Vier-ting, Pfund, Seidel und Maß vorgenommen werden, bis sich die Mengen aus der Anna-Plochl-Küche nachempfinden lassen.Die reiche Ernährung adeliger und bürgerlicher Zeit mag vielleicht auch an der Lebensfreude, die uns aus Volkstänzen und Walzern entgegenschwingt, zu tun haben. Germspeisen, Salsen und Sulzen, Bratensäfte und Brieschen finden sich zum Abend-mahle ein, bitte zu Tisch auch für Fasansuppe und Ente mit kleinen Zwiebeln.Mit Chips oder Pommes Frites hätte die Adelsküchekeine großen Schlagzeilen gemacht, umso spannen-der die Gerichteküche, in der viele internationale und traditionelle Speisen aus der Pfanne gezaubert wurden. So verraten Pastete à la Plochl undParmesankrustenbraten französisch-italienische Kochneigungen, ohne dass bei den teuren Zutaten gespart wurden, hatte dennoch der Wert der Wirt-schaftlichkeit im Haushalt eine bedeutende Stel-lung. Nicht zu vergleichen mit dem „Arme-Leute-Essen“ der Bauersleut’, die noch in jenen Tagen mit Hungersnöten und Missernten kämpften.

Gerichte

Trends in der Biedermeierküche waren vor allem Rahm und eierreiche Speisen, sogar an Zucker hat-te man sich nichts vom Mund abgespart. Aus dem Erzherzog-Johann-Kochbuch ist herauszulesen,dass es vor allem das Brot war, dem eine besondereWertschätzung zukam. So wurde Brot in Form vonMehlspeisen, Pofesen, Semmelbrösel, Panadel (Semmelbrei, Weißbrotsuppe) veredelt. Auf Panier hatte man in diesen Tagen noch eher verzichtet, doch war die Fleischzubereitung, auf Wurzelwerk aufgesetzt, nicht aus der Küche wegzudenken.

Krapfen wie Schneeballen und Spagatkrapfen warenauf dem „Speiszettl“ angeführt. Hirn, Milz und Leber galten damals als geheime Liebesextrakte. So änderte sich im Laufe der Jahrzehnte das Image von Innereien, und sie finden heute seltener den Eintritt in die Menüauswahl. Steirische Küche am Hof war bekannt für Markigkeit und Kraft!

Das Kochbuch –„ein heiliges Buch“

Alle Ehre den Dirnd’ln der damaligen Zeit, dawurden Rezepte penibel genau in das Kochbuch eingetragen. Ein gut geführtes Kochbuch war für eine junge Frau quasi wie ein Bewerbungsbrief an den Zukünftigen. Vergleicht man die Zeilen derRezepte aus der Zeit von Anna Plochl, so ist es lustig zu erlesen, mit welcher Muße die Gerichte beschrieben wurden.Zum Beispiel die Hühnerpüreesuppe: Eine alte Henne, eine junge Henne, Rindsuppe, ein abgezoge-nes Kalbshirn, im Mörser gestoßen, 20 abgezogene gestoßene Mandeln, mit Obers angefeuchtet, eine ganze abgeriebene, in Obers geweichte Semmel, 6 Eidotter von hartgesottenen Eiern, ebensoviel But-ter, wenig Mußkatnuß, als Einlage Semmelcroutons oder Konsumé.Die Art der Zubereitung gleicht fast einer kleinengeheimen Geschichte, um deren Kräuter und Zuta-ten sich der Hochadel berät. In Anna Plochls Kochbuch verstecken sich zwischenden Zeilen geheime Liebesbeweise. Wohl wissend, dass niemand in das Kochbuch einsehen darf, außer ihrem Liebsten. Je nach Seelenstimmung verwendete Sie das Kochbuch wie einen stillen „Postillion d’amour“ (Liebesbotschafter):Wenn schon Entfernung macht, daß du auf mich vergisst, so denke dann und wann, die unterschrie-ben ist. NanyNach einem Rezept „Tiroler Strudel“ schrieb die auch mit dem Spitznamen „Nany“ genannte Anna Plochl: Lustig wohlauf in Steuerinnen Brauch, und der meinige auch.

Geduld im Leiden, sonst mutig und schweigen, nicht ohne Noth klagen, mehr denken als zagen.

Hildegard Giselbrecht

Fotos: giseLbrecht

Page 19: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 19

Frühlingssuppe von Anna PlochlAus dem Erzherzog Johann Kochbuchvon Herta Neunteufl

Original Rezept:Kleinste junge gelbe Rübchen, Petersilwürzchen, 3 Hände voll gezupfter Salat, ebensoviel Sauerampfer, 1 Handvoll Kerbel-kraut, ebensoviel grüne Petersilie, wenig zu dünnen Stückchen geschnittenen jungen Porre, in kurze Stäbchen geschnittener Schneidespargel, 1 Seidel feinste grüne Erbsen, Consommé, Salz, Muskatnuß, gebähte Semmel, 1 Maß gute Suppe

Quelle: Erzherzog Johann Kochbuch von Herta Neunteufl. Erhältlich im Kammerhof Museum Bad Aussee(Tel: 0676 83 62 25 20) und im Steirischen Heimatwerkin 8010 Graz, Sporgasse 23 (Tel..: 0316 82 71 06)

Heute:10 dag junge Karotten, zu Stäbchen geschnitten, 5 dag junge Petersilwurzeln, 2 Händevoll Zupfsalatblätter, 1 handvollSauerampferblätter, 1 Handvoll Kerbelkraut, 1 handvoll grüne Petersilie, ½ Handvoll grüner Porre, in Scheibchen geschnitten,1 Handvoll grüner dünner Spargel, in kleine Stückegeschnitten, ¼ l junge grüne Erbsen, Salz, weißer Pfeffer,1 Messerspitze Muskatnuß, Eierstich, in Butter angeröstete Semmelstückchen, ¾ l Rindsuppe, Karotten und Petersilwurzelnin guter Suppe bissfest kochen, Porre, Spargelstückchen, Erbsen,dazufügen und köcheln. Zuletzt die gehackten Kräuter beigebenund kurz mitsieden.

Eierstich bereiten: 2 Eier fest versprudeln, salzen und würzen, in gebutterte Förmchen gießen und im Wasserbad stocken lassen. Die Suppe über in Butter gerösteten Semmelstückchen und dem zierlich zerteilten Eierstich anrichten.

Hildegard Giselbrecht

Ihr Habsburger könnts vielleichtbesser regieren, aber kochen könnenwir Plochls besser! Anna Plochl

Wächst unterirdisch – schmecktüberirdisch

Ein schweres Unterfangen war das, bis sich die Erdäpfelüber die Anden von Peru nach Europa durchringen konnte.Der Wert der Anerkennung stieg mit zunehmenden Hun-gersnöten, und so erging 1767 vom Kaiser eine Instruktion über den Anbau und die Verwendungsmöglichkeiten der Erdäpfel in Österreich. Noch während theresianisch-josefinischer Zeit wird im Hofdekret festgestellt, dass Untertanen 2 Gulden für das Tagwerk zur Aufmunterung des Anbaus der Erdäpfel bekommen, vor allem in rauhen Gegenden, wo sich Misswachs des Getreides eingestellt hat.1810 schreibt Erzherzog Johann in sein Tagebuch, dass er einen Bauern getroffen hat, der minutiöse Berichte über den Anbau und den Ertrag der Erdäpfel verfasst hat. Paul Adler vlg. Christoph, Grundbesitzer in Mühlreith, nähe Bad Mitterndorf – stand dem Erzherzog als Berater bei. 1816 und 1817 bereiste Erzherzog Johann die Obersteier-mark und verteilte Erdäpfel an Hungerleidende. Durchdie von ihm gegründete Kartoffelbeitragsgesellschaft und die Landwirtschaftsgesellschaft, die nachfolgend der heutigen Landwirtschaftskammer gleicht, konnte der Erdäpfelanbau gefördert werden. Er wirkte damals als großer Aufklärer, denn der Anblick der Not, die Hilflosigkeit der Bauern, ihre Betriebe aus eigener Kraft ertragreicher zu gestalten, ließen sein Konzept reifen:Das Ziel ist die wirtschaftliche und moralische Unter-stützung des alpenländischen Raumes.1831 ist der Erdäpfelanbau weitgehend durchgedrungen.

In der Eintracht Vieler liegt die Kraft, die das Gute bewirkt. Dazu beizutragen ist eines Jeden Aufgabe. Erzherzog Johann, 1846

Dipl.-Päd. Hildegard Giselbrecht ist im Bezirk Liezen Fachberaterin für Urlaub am Bauernhof, Ernährung und Erwerbskombination.

Bild unten: Blüten der Kartoffel (Solanum tuberosum) Foto: KK

johann.

h. giseLbrecht mit ihrer FamiLie

Page 20: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

20 steirische berichte 1-2 /09

johann.

ISBN 978-3-7020-1228-1Charlotte Keil-MeranFRANZ MERANDer Sohn imSchatten vonErzherzog Johann120 Seiten, zahlrei-che Abbildungen,Hardcover� 29,90

Charlotte Keil-Meran, die Urenkelin von Franz Meran,hat mit viel Liebe zum Detail und Wissen über ihreVorfahren ein Buch zusammengestellt, das Franz Meranaus dem Schatten seines Vaters Erzherzog Johann her-austreten lässt. Es zeigt Franz Meran als liebendenEhemann, fürsorglichen Vater, leidenschaftlichen Jägerund intelligenten Verwalter seiner Güter. Daneben wirdauch auf die nachfolgenden Generationen der FamilieMeran eingegangen, die mittlerweile mehr als 1.000 Mitglieder zählt.

Leopold Stocker Verlag8011 Graz, Hofgasse 5,

Tel.: 0316/821636, Fax: 0316/835612E-Mail: [email protected]

Internet: www.stocker-verlag.com

LEOPOLD STOCKER VERLAG

Bücher zum ThemaZahlreiche „Klassiker“ zu Leben und Wirken Erzherzog Johanns sind fast nur mehr im Antiquariat zu erwerbenoder in Bibliotheken zu benützen. „Der Brandhofer und seine Hausfrau“, herausgegeben von Alfred Wokaun 1959 und seither von Walter Koschatzky mehrfach neu aufgelegt, gehört ebenso dazu wie die umfassende, aber leider nur bis zum Jahre 1811 reichende Biographie aus der Feder von Viktor Theiss („Leben und Wirken Erzherzog Johanns“, Neu-auflage 1981) und die Festschrift „Erzherzog Johann von Österreich. Sein Wirken in seiner Zeit“ zum 200. Geburtstag anno 1982 herausgegeben von Othmar Pickl. Wohlfeil anti-quarisch zu haben sind auch die material- und informations-reichen Kataloge zu den Gedächtnis- bzw. Landesausstellun-gen der Jahre 1959 (Graz, Joanneum) und 1982 (Stainz; hrsg. v. Grete Walter-Klingenstein und Peter Cordes).Mit „Erzherzog Johann. Mythos und Wirklichkeit“ hat sich 1982 der inzwischen verstorbene Publizist Günther Nenning beschäftigt, in romanhafter Form – neben anderen – schon 1950 Hans Gustl Kernmayr („Erzherzog Johanns große Liebe“) und 1980 der langjährige Kulturredakteur der „Südost-Tagespost“ Wolfgang Arnold unter dem Titel „Erzherzog Johann. Sein Leben im Roman“. Der Grazer Leopold Stocker Verlag hat diesen Roman nunmehr in zweiter Auflage herausgebracht; für ein Publikum, das abseits von Jahreszahlen, aber auch einen literarischen Zugang zur Persönlichkeit des steirischen Prinzen sucht, sehr empfehlenswert, wollte der Autor doch „das Romanhafte im Leben dieses volkstümlichsten aller österreichischen Erzherzoge, diese … so stark verkitschte Liebesgeschichte mit der Postmeisterstochter Anna Plochl auf das richtige Maß reduzieren“.

Standardwerk ist und bleibt Hans Magenschabs Biographie des Erzherzogs, 1981 noch mit dem Untertitel „Habsburgs grüner Rebell“ erschienen, 2008 in überarbeiteter und textlich umgruppierter Gestalt zu „Erzherzog Johann. Bauer, Bürger, Visionär“ mutiert. Der reich bebilderte Band von Renate Basch-Ritter, „Anna Plochl. Die Frau an der Seite Erzherzog Johanns. Spurensuche durch zwei Jahrhunderte“ führt als „Porträt einer außergewöhnlichen Frau“ Leben und Nachwirkung der aus dem Bürgerstande stammenden Ehefrau Erzherzog Johanns vor. 1998 brachte Victoria von Haan das Reisetagebuch ihres Vorfahren Leopold von Haan als Begleiter Erzherzog Johanns 1837 in Russland und der Türkei mit Dokumenten aus dem Familienarchiv Meran kombiniert heraus, und im Frühsommer 2009 wird die Historische Landeskommission für Steiermark eine Auswahl aus dem Tagebuch Erzherzog Johanns über seine England-Reise 1815/16 präsentieren, als er wichtige Aufschlüsse über die Industrialisierung Großbritanniens gewann und später in der Steiermark umsetzen ließ. Und auch die Ergebnisse der heurigen Symposien zu Leben und Wirken Erzherzog Johanns werden in Buchform vorgelegt werden, um weitere Forschungen anzuregen.

Gernot Peter Obersteiner

Renate Basch-RitterAnna PlochlDie Frau an der Seite Erzherzog Johanns. Spurensuche durchzwei Jahrhunderte. Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz,2005 (ISBN: 3-201-01845-7)

Erzherzog Johann/Leopold von HaanEine russisch-türkische Reise im Jahre 1837. Aus den Hand-schriften der Tagebücher erstmals hrsg. von Victoria von Haan. Verlag Karolinger, Wien und Leipzig 1998 (ISBN 3-85418-083-7)

Hans MagenschabErzherzog Johann. Bauer, Bürger, VisionärStyria, Wien–Graz–Klagenfurt 2008 (ISBN 978-3-222-13255-1)

Wolfgang ArnoldErzherzog Johann. Sein Leben im Roman2. Auflage, Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart 1980(ISBN 978-3-7020-0365-4)

Page 21: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 21

Die Erben dessteirischen PrinzenFamiliengeschichtliche Seitenblicke auf dieNachkommen Erzherzog Johanns

Die direkte Nachkommenschaft Erzherzog Johanns umfasst heute mehr als 900 Personen. Sie sind über alle Kontinente verteilt und naturgemäß in den unterschiedlichsten Berufen tätig.Ihr zweiter Stammvater ist neben dem steirischen Prinzen dessen einziger Sohn Franz (1839–1891), der 1844 Namen und Titel eines Grafen von Meranerhalten hatte. Die Ehe Johanns mit der bürgerlichenPostmeisterstochter Anna Plochl war unbeschadet ihrer kirchenrechtlichen Gültigkeit nach dynasti-schen Gesichtspunkten nur eine sog. morganatische Ehe, d. h. sowohl Anna als auch ihrem gemeinsamenSohn kam ein anderer Rang zu als ihn der Ehemann und Vater besaß. Erzherzog Johann hatte zur Versorgung Annasden Brandhof ausgesetzt, gleichzeitig sollte ihr der Adel verliehen werden. Doch erst fünf Jahre nach der 1829 erfolgten Eheschließung regelte man am Wiener Hof die künftige Stellung der erzherzog-lichen Gemahlin. Mit kaiserlichem Handschreiben vom 14. März 1834 wurde ihr und etwaigen Kindernaus ihrer Ehe mit dem Erzherzog der Freiherren-stand mit dem Namen von Brandhofen verliehen. Nach der Geburt seines Sohnes beschäftigte sich Johann nicht nur mit der Frage, welcher Name und welcher Rang seinem Sohn künftig zukommen sollten, sondern natürlich auch mit der finanziellen Sicherstellung. Bereits 1840 nahm der Erzherzog mit dem Wiener Hof Verhandlungen darüber auf,

die 1847 in der Errichtung eines Fideikommisses mündeten, das jedoch 1853 vom Erzherzog wider-rufen und 1855 neuerlich errichtet wurde. Dieses gebundene Vermögen, das nur in männlicher Linie nach dem Recht der Erstgeburt vererbt werden sollte, umfasste das Palais Meran in Graz, Gut Schenna mit dem Gut Ober- und Unterthurn bei Schenna und ein Kapital von 700.000 Gulden, das überwiegend in Staatsschuldverschreibungen angelegt war. Die 1840 erworbene Herrschaft Stainz wie auch der Brandhof waren freier Besitz.Auch die Suche nach einem passenden Namen für das neue Geschlecht gestaltete sich schwierig. Es war der steirische Archivar Josef Wartinger, der den Erzherzog auf die mittelalterlichen Herzöge von Andechs-Meranien hinweisen sollte. Der Herzogstitel rührt allerdings nicht vom tirolischen Meran her, sondern von der Bezeichnung für die küstenländischen Besitzungen dieser Familie. Trotzdem war ein Bezug zu Tirol gegeben, da die Habsburger als Nachkommen der tirolischen Görz-Meinhardiner auch von den Andechs abstammten. Am 29. April 1844 (Diplom vom 30. Dezember 1845) erhob schließlich Kaiser Ferdinand I. den aus der morganatischen Ehe mit der Freyin von Brandhofen entsproßenen Sohn Franz [seines Onkels] in den österreichischen Grafenstand mit dem Namen eines Grafen von Meran, Freyherrn von Brandhofen. Sechs Jahre später wurde auch Anna Plochl von Ferdinands Nachfolger Franz Joseph I. in den Grafenstand erhoben.

Der Sohn des Erzherzogs

Die Stellung des Sohnes des steirischen Prinzen amWiener Hof war delikat. Als Sohn eines Habsburgerswar er unzweifelhaft ein habsburgischer Dynast, zugleich jedoch der Spross aus standesungleicher Ehe und damit nicht Mitglied des kaiserlichen Hauses. Als kaiserlicher Offizier – er quittierte denDienst im Rang eines Majors – und vor allem alsGeheimer Rat, der er seit 1881 war, besaß er Zutrittbei Hof. Seiner Herkunft aus kaiserlichem Geblüt trug man seitens des Hauses Habsburg auch inso-fern Rechnung, als ihm und seinem Haus 1861 ein erblicher Sitz im Herrenhaus, dem Oberhaus des österreichischen Reichsrates, verliehen wurde.

johann.

Links: Die WitweErzherzog Johanns, Anna Gräfin Meran,mit ihren EnkelnKaroline, Rudolfund Albrechtim Jahre 1879.stLa

Page 22: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

22 steirische berichte 1-2 /09

johann. Fernab der rigiden Strenge des Hofzeremoniells lässt sich in feinen Nuancierungen die tatsächliche Stellung ausmachen, die der Graf am Wiener Hofeinnahm. 1869 wurde Franz Meran in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen, der bis heute als einer der vornehmsten abendländischen Ritter-orden gilt und dem neben den Prinzen des kaiser-

lichen Hauses und katholischen ausländi-schen Souveränen und Dynasten

die höchsten Würdenträger des Wiener Hofes und Herren des alten

und vornehmlich hohen Adels der Donaumonarchie angehörten. Zu Familienfeiernim Kaiserhaus wurde Franz Meran wiederholt zugezogen, vor allem dann, wenn sie einen intimeren Charakter besaßen, so etwa anlässlich der Vermählung der Kaiser-

tochter Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator

1890 in Bad Ischl, wo der Kreis der geladenen Gäste, zu denen

auch der Graf gehörte, bewusst eng gezogen worden war, so dass man

gleichsam en famille war.Franz Merans persönlicher Wirkungskreis blieb weitestgehend auf die Steiermark beschränkt, von Reisen und den gesellschaftlichen Verpflichtungen, die ihn an den Wiener Hof führten, abgesehen.Jenen Institutionen, die sein Vater in der Steiermarkins Leben gerufen hatte, war auch er verbunden, etwa der Wechselseitigen Versicherungsanstalt, deren Präsident er war, oder dem Landesmuseum Joanneum. Das Grazer Stadtpalais, das Salzkam-mergut und der Brandhof mit seinen ausgedehnten Revieren waren die bevorzugten Aufenthaltsorte des ersten Grafen Meran. Ein schweres Magenleiden machte zahlreiche Kuraufenthalte im Süden notwendig. In Abbazia ist Franz Meran am 27. März 1891 wenige Tage nach seinem 52. Geburtstag gestorben. Ebenso wie seine Eltern haben auch Franz Meran und seine Gemahlin Theresia Gräfin Lamberg (1836–1913),die er 1862 geheiratet hatte und dank der sich demSohn des steirischen Prinzen zahlreiche Verbindun-gen zu Familien des österreichischen Hochadels erschlossen, ihre letzte Ruhestätte im Mausoleum von Schenna gefunden. Das Meransche Fideikommiss und der damit ver-bundene erbliche Herrenhaussitz, die Herrschaften Stainz und Brandhof und das südsteirische Weingutbei Marburg gingen auf seinen ältesten Sohn Dr.Johann Graf Meran (1867–1947) über. Wie seinen Vater finden wir auch ihn an führender Stelle in den von Erzherzog Johann begründeten Institutionen. So war auch dieser Graf Meran Prä-

sident der Grazer Wechselseitigen Versicherung und Mitglied des Kuratoriums des Landesmuseums Joanneum. Auch seine besondere Leidenschaft gehörte der Jagd. Vor allem der Brandhof, auf dem er und seine Frau Ladislaja Gräfin Lamberg alljähr-lich ihre mehr als 40 Enkelkinder zum Sommer-aufenthalt versammelten, und die ausgedehnten Reviere in Ungarn, die seine Gemahlin in die Ehe eingebracht hatte, boten den entsprechenden waid-männischen Rahmen. Johann Meran war zudem Gründungsmitglied und späterer Ehrenpräsident dessteirischen Waldbesitzerverbandes, langjähriger Landesoberschützenmeister von Steiermark und Ehrenmitglied der steirischen Jägerschaft.Im Unterschied zu ihm hatte sein jüngerer Bruder Franz (1868–1949) eine Karriere als Militär einge-schlagen. Am Ende des alten Österreich finden wir ihn als Direktor des k. k. Gestüts in Piber, ehe er mit Kriegsende als Oberst pensioniert wurde. Aus dem Erbe nach seinem Vater war ihm eines der drei sog. Meran-Häuser in der Elisabethstraße zugefallen. Franz Meran war seit 1902 mit Marie Prinzessin von und zu Liechtenstein, der Tochter des sog. „roten Prinzen“ Aloys Liechtenstein verheiratet, der zu den Wegbereitern der christlich-sozialen Bewegung in Österreich gehört hatte. Aus dieser Ehe stammten sechs Kinder, von denen im Übrigen Sohn Albrecht (geb. am 26. April 1908) 2008 seinen hundertsten Geburtstag feierte und damit nicht nur der erste Nachkomme Erzherzog Johanns ist, der ein so hohes Alter erreicht hat,sondern überhaupt der erste habsburgische Dynast, der auf ein volles Jahrhundert Lebenszeit zurück-blicken kann. Franzens jüngerer, mit Johanna Prinzessin Auersperg verheirateter Bruder Rudolf(1872–1959) schlug nach einem rechtswissenschaft-lichen Studium die Laufbahn eines Verwaltungs-beamten ein, die ihn mehrfach in Spitzenpositionen einzelner Kronländer der Monarchie führen sollte. So war er Landespräsident der Bukowina und schließlich Statthalter von Tirol und Vorarlberg.Der jüngste der vier Enkel Erzherzog Johanns, Albrecht Meran (1874–1928), war ursprünglich ebenfalls Militär, studierte dann jedoch Theologie und wurde 1902 zum Priester geweiht und 1904 zum Kuraten der Herz-Jesu-Kirche in Grundlsee bestellt, die er bis zu seinem Tod betreute. Anna (1864–1935), die älteste Tochter des ersten Grafen Meran, wurde 1892 die Frau von Alfons Stefenelli von Prenterhof und Hohenmauer, eines Offiziers des Grazer Hausregiments IR 27 König der Belgier, und heiratete 1896 in zweiter Ehe den 1917 ge-adelten kaiserlichen Offizier Johann (von) Radey, dessen Vater Franz Landeshauptmannstellvertreter von Steiermark gewesen war. Ihre Nachkommen leben heute in Kanada. Ihre Schwester Marie (1865–1933) blieb unverheiratet. Karoline (1870–1944),die jüngste Enkelin Erzherzog Johanns, wurde 1893

Franz Graf MeranstLa

Page 23: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 23

gedenke. die Gemahlin des niederösterreichischen Adeligen Heinrich Freiherrn von Doblhoff-Dier. Dieser Zweig johanneischer Deszendenten ist heute erloschen. Noch zu seinen Lebzeiten hatte Familienchef JohannMeran die Verwaltung von Stainz seinem ältesten Sohn Franz übergeben, der seinem Vater später auchim Besitz von Schenna und Brandhof folgte. Ausder Ehe von Johann Meran und Ladislaja Lamberg stammten insgesamt zehn Kinder, vier Söhne und sechs Töchter. Zwei Söhne, Philipp und Hans, wurdenvon ihrer Mutter mit Teilen ihres ungarischen Be-sitzes ausgestattet, der nach 1945 verloren ging, da-runter die für ihre Jagdreviere bekannte Herrschaft Csákbéreny, die Philipp Meran zugefallen war. Sein Sohn Philipp, der langjährige Leiter des steirischen Jagdmuseums, hat in seinen zahlreichen Büchern zum Thema Jagd den steirischen Jagdherren, Jägernund Revieren ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Ein starker Familienzweig

Unter den Nachkommen Erzherzog Johanns ist jenerZweig, der von seinem gleichnamigen Enkel, demzweiten Familienchef, herrührt, der an Mitgliedernstärkste. Seine älteste Tochter Maria Theresia wurde1912 die Gemahlin von Karl Graf Kottulinsky auf Neudau. Beider Sohn Dipl.-Ing. Hans Kottulinsky ge-hörte von 1945 bis 1949 und von 1953 bis 1959 demösterreichischen Nationalrat an. Maria Anna Meran heiratete 1919 Friedrich Freiherrn Mayr von Melnhof, dem die Salzburger und oberösterreichischen Besitz-ungen dieser steirischen Familie zugefallen waren.Ihr Sohn Dipl.-Ing. Friedrich Mayr-Melnhof war von 1983 bis 1986 Salzburger Agrarlandesrat. Dessen Tochter Doraja Eberle ist gegenwärtig als Landesrätin Mitglied der Salzburger Landesregie-rung. Zu den Nachkommen von Friedrich Mayr-Melnhof und Marianne Meran zählen auch der deut-sche Wirtschaftsminister Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und Marianne Fürstin Sayn-Wittgenstein, die Grande Dame der Salzburger Gesellschaft. Über ihre Schwiegertochter, die Schauspielerin Sunnyi Melles, die zwischen 1990 und 1993 die Rolle der Buhlschaft im Jedermann übernommen hatte, lässt sich sogar ein Bogen von den Nachkommen Erzherzog Johanns zu denSalzburger Festspielen schlagen, so man diese Verbindung nicht über den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt, den Sohn von Ladislaja Meran, ohnehin herstellen könnte. Diese war seit 1928 mit dem späteren Leiter der Kulturabteilung des Landes Steiermark Eberhard (Graf de la Fontaine und d’) Harnoncourt-Unverzagt verheiratet. Beider Sohn Franz ist heute – wie vor ihm sein Onkel FranzMeran, sein Groß- und Urgroßvater – Aufsichtsrats-vorsitzender der Grazer Wechselseitigen Versiche-rungen und Mitglied des Kuratoriums des Landes-museums Joanneum. Mit seinem Bruder, dem

Liturgiewissenschafter und Universitätsprofessor Philipp Harnoncourt, finden wir einen NachkommenErzherzog Johanns unter den derzeitigen Mitglie-dern des Grazer Domkapitels. Der Besitz von Schenna, Stainz und dem Brandhof blieb auch unter Dr. Franz Meran (1891–1983) in derHand des Familienchefs vereinigt. Dieser hatte als Oberleutnant am 1. Weltkrieg teilgenommen undanschließend Rechtswissenschaften studiert, ehe erdie Verwaltung des Stainzer Familienbesitzes über-nahm. Zwischen 1934 und 1938 war Franz Meran Mitglied des Steiermärkischen Landtages, vor 1938 zudem Präsident des steirischen Forstvereines,Obmann des Forstausschusses der Kammer für Land-und Forstwirtschaft, Obmann des Zentralkomitees österreichischer Waldbesitzerverbände und Vize-präsident der österreichischen Landwirtschaftsge-sellschaft. Nach 1945 fungierte er als Obmann des Verbandes steirischer Waldbesitzer, war seit 1951 Präsident und später Ehrenpräsident des Steirischen Jagdschutzvereines, Präsident der Grazer Wechsel-seitigen Versicherung und durch ein Vierteljahr-hundert (1946–1971) Präsident des Kuratoriums des Landesmuseums Joanneum. Das Land Steiermark würdigte die Verdienste des Stainzer Schlossherrndurch die Verleihung der höchsten Landesauszeich-nung, des Ehrenringes des Landes Steiermark. FranzMeran war seit 1923 mit Wilhelmine Prinzessin Auersperg verheiratet. Beider Sohn Johann (1934–1978) übernahm 1972 von seinem Vater Stainz und den Brandhof. Die von ihm und seiner Frau, der gebürtigen Stainzerin Ingrid Messner, eingeleiteten Rationalisierungs- und Sanierungsmaßnahmenermöglichten eine breitere Nutzung von Schloss Stainz, in dem heute das Bauernmuseum und steiri-sche Jagdmuseum untergebracht sind. Heute ist seinälterer Sohn Franz Besitzer von Stainz und Chef desHauses Meran, während dessen jüngerem Bruder Friedrich der Brandhof zugefallen ist. Gut Schenna in Südtirol wird heute von der ältesten Schwester des gegenwärtigen Familienchefs, Dr. Johanna Spiegelfeld-Meran, und ihrem Mann Franz Spiegelfeld verwaltet. Peter Wiesflecker

Peter Wiesflecker, Aus der Geschichte der Familie Meran.In: Eleonore Steinbauer (Hg.), Stainz. Aus der Vergangenheit in die Gegenwart, Stainz 2009, 82–89. Ders., „Mein Sohn würde dadurch der erste seines Stammes und Namens werden …“.

Familientreffenin den 1960er Jahren.stLa

Page 24: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

24 steirische berichte 1-2 /09

johann.

Frau Trauttmansdorff, Sie befassen sich seit länge-rem mit dem Thema „Erzherzog Johann und sein Glaube“ – auf welche Quellen und Familien-erzählungen können Sie zurückgreifen?

Es gibt eigentlich sehr wenige Familienerzählungen,das beste Dokument ist der Brandhof selber – hierhat Erzherzog Johann seinen Glauben am deut-lichsten dokumentiert, würde ich sagen. Vor allem mit dem Bau der Kapelle: In diesem Raum und im angrenzenden großen Saal gibt es an der Wand und an den gemalten Fenstern Spruchbänder mit Worten aus der Heiligen Schrift, die ihm offenbarOrientierung für sein Leben gegeben haben. Dass man sich an der Bibel angehalten hat, war ansons-ten aber zu Erzherzog Johanns Zeit ganz unüblich.

Woher hatte er diese ungewöhnliche Gestaltungs-idee, Bibelsprüche auf Spruchbändern an der Wand zu verewigen?

Er dürfte sie in England kennen gelernt haben, denn wie ich selbst erst kürzlich erfahren habe, ist es etwas typisch Anglikanisches, Bibelsprüche in Bauten anzubringen. Für uns Kinder waren sie so etwas wie ein stummer Religionsunterricht.

Inwieweit hat Erzherzog Johann sich selbst um die Ausgestaltung seiner Hauskapelle gekümmert?

Für die Kapelle hat er vom Wiener BildhauerBöhm seinen Namenspatron, Johannes den Täufer, schnitzen lassen. Vom selben Künstler stammt auch ein Vortragskreuz für eine Dankwallfahrt mit seinem ganzen Hausgesinde nach Mariazell, das heute noch bei Familienwallfahrten mitge-tragen wird. Solche Zeichen zu setzen war ihm ganz wichtig. Am Hauptaltar steht – in Anlehnung an den Fischer-von-Erlach-Altar in Mariazell – ein weiteres Kreuz auf einer Weltkugel, angefertigt aus vergoldetem Gusswerker Eisen. Gusswerk hat zu dieser Zeit ein sehr bedeutendes Kunsthandwerk gehabt und schwarze Eisenkreuze produziert,die in der ganzen Gegend aufgestellt wurden;bis Weichselboden hinaus und ebenso bis weit

hinter den Seeberg. Überall sieht man sie, und interessant: Sie rosten nicht. Links in der Kapelle sehen Sie eine Muttergottes aus dem 15. Jahrhundert, die aus dem Schloss Thernberg, einem früheren Besitz des Erzherzogs, stammt. Der Tabernakel wurde nach einem Entwurfvon Schnorr von Carolsfeld angefertigt. Er ist aus Zedernholz. Erzherzog Johann hat einmal im Auf-trag der Regierung eine Orient-Reise unternehmen müssen und dabei auf der Rückreise den Patri-archen von Antiochien kennen gelernt. Er erzählte ihm vom Bau der Kapelle, worauf hin ihm der Patriarch das Zedernholz als Geschenk dafür mitgab.

Was bedeutet diese Kapelle seinen Nachkommen?

„Wenn Gott mit mir,was gegen mich?“

steirische berichte

Maria Cäcilia Trauttmansdorff

Foto: schaLLer-pressLer

Der Brandhofer und sein Glaube – ein Interview mit Ururenkelin Maria Cäcilia Trauttmansdorff

Der Wahlspruch Erzherzog Johanns

rechtes Bild: KapelleInnenansicht

3 Fotos: KeLLner

Page 25: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 25

Das Beten in dieser Kapelle hat uns, also meine Generation, in der Jugend sehr stark geformt. In den großen Ferien hat es täglich Messen gegeben, denn meine Großmutter und auch noch meine Eltern haben in den Sommermonaten immer einen Priester eingeladen, der dort seinen Urlaub ver-bringen konnte. Es ist natürlich keiner von uns gezwungen worden, die heilige Messe zu besuchen, aber wir haben es gerne getan. Im Sommer waren von den 45 Enkeln meiner Großmutter oft bis zu 30 am Brandhof oben. Der Brandhof war auch immer von einer starken, natürlichen religiösen Atmosphäre geprägt. Unsere Großmutter hat uns immer eine halbe Stunde vor dem Mittagessen zusammengefischt und mit uns – immer vor dem Hintergrund ihres sehr starken Glaubens – religi-öse Gespräche geführt; auch darüber, wie man mit verschiedenen Lebenssituationen fertig wird. Ein Tischgebet war selbstverständlich. Und Mariazell war für uns wie auch für die nächste und über-nächste Generation der Ort, wo man gerne hinge-pilgert ist. Oft haben meine Vettern und Cousinen gesagt: So, morgen gehen wir nach Mariazell. Das war ein vier- bis viereinhalbstündiger Weg, und wir mussten früh aufstehen, dass wir rechtzeitig zur Acht-Uhr-Messe dort waren.

Ist Erzherzog Johann regelmäßig gewallfahrtet?

Das kann ich nicht sagen. Die Wallfahrten haben zu dieser Zeit gerade erst wieder begonnen. Unter Kaiser Josef II. waren sie ja verboten. Zu ErzherzogJohanns Zeiten hat man sich allerdings nicht mehrdaran gehalten. Es gibt übrigens ein schönes Bild, wo Erzherzog Johann auf einer Wallfahrt zu sehen ist: kniend, den Gnadenort schon in der Weite erblickend. Dieses Motiv wird in Mariazell auch als Postkarte verkauft.

Und wie sieht es aus mit persönlichen Glaubens-aussagen Erzherzog Johanns?

Man hat zu dieser Zeit nicht so viel über Religion in der Gesellschaft gesprochen – auch in meinerKindheit war das noch nicht üblich. So wie man auch über intimere persönliche Dinge nicht ge-

sprochen hat. Es war vielmehr eine Selbstverständ-lichkeit, dass man aus dem Glauben heraus gehan-delt hat. Und der Glaube ist so vorgelebt worden, dass man nicht viel darüber sprechen musste. Ein Ausspruch von Erzherzog Johann ist allerdings ziemlich bekannt, den er vor dem Bau der Kapelle tätigte: „Am Hause meines Herrn will ich selbst mit Hand anlegen.“ Er hat auch tatsächlich selbst als Maurer mitgearbeitet. Außerdem hat er gesagt: „Beim Bau des Brandhofs soll die Kapelle die Mitte des Hauses ausmachen.“ Offensichtlich war es ihm sehr wichtig, dass eben der Herrgott den Haupt-Platz in seinem Haus hatte – mit der Kapelle als einem Ort der Geborgenheit für eine zukünftige große Familie.

Ich danke für das Gespräch.

Gertraud Schaller-Pressler

… darum gehe ich bald auf den Brandhof arbeiten,wie jeder andere, an dem Haus meines Gottes,

an dem schönsten Teil meines Gebäudes;da arbeite ich als Maurer wie jeder andere und denke dabei an den Gott,

dem ich so vieles zu danken habe, Friede, Ruhe und sie meine Th: N: [teure Nani], die er mir gab, um mich sonderbar zum Guten zu führen.

erzherzog Johann v. Österreich.sein wirKen in seiner zeit, FestschriFt, hrsg. v. o. picKL, graz 1982.

Votivbild mitdem Brandhof.

johann.

Page 26: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

26 steirische berichte 1-2 /09

steiermark. Dynamischer Wirtschafts- politiker, Reformer und Motor des Fortschritts Erzherzog Johann aus der Sicht der Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Erzherzog Johann war ein nachhaltiger Erneuerer, dessen Leistungen bis heute spürbar sind. Mehrere Zufälle bewirkten, dass der 1782 in Florenz gebo-rene Prinz in die Steiermark kam. Die Toskana war unter der habsburgischen Verwaltung eine hoch entwickelte Region. Hier hatte sich die Wirtschaft gut entfaltet und man war im Bank- und Manufak-turwesen sehr fortschrittlich. Erzherzog Johanns Vater hatte als toskanischer Großherzog PietroLeopoldo viele Reformen durchgeführt. Nach dem Tod seines Bruders Josef II. musste der Großherzog nach Wien, um als Kaiser Leopold II. ein schweres Erbe anzutreten. Er regierte nur kurz, 1792 starb erüberraschend; doch es war ihm gelungen, die Refor-men seines Bruders mit Augenmaß weiter zu führen. Erzherzog Johann war das 13. Kind von Leopold II. – damit war klar, dass er weder für die Kaiser-würde, noch für die des Großherzogs der Toskana bestimmt sein würde. Dies relativiert auch seinen formellen Thronverzicht, den er wegen seiner un-standesgemäßen Heirat erklären musste. Johann war für eine militärische Karriere vorgesehen. In der von den Wirren der Napoleonischen Kriege ge-prägten Periode wurde er Feldmarschall und Gene-raldirektor für das Genie- und Fortifikationswesen. Es gab blutige Schlachten und die nüchterneErkenntnis, dass man Napoleons strategischenFähigkeiten nicht gewachsen war. Auch politisch gab es für Erzherzog Johann Misserfolge: SeinEngagement für den erfolglosen Tiroler Freiheits-krieg und den „Alpenbund“ wurden vom Hof abge-lehnt, und Kaiser Franz I. verbot ihm, sich in Tirol aufzuhalten. Dies bewirkte Johanns Hinwendungzur Steiermark, wo er sich – ohne offiziellen Auf-trag dazu – für viele Reformen einsetzte.

Dabei kam ihm sein großes Wissen zugute. Schon früh war er an Natur, Technik und Wirtschaftinteressiert und hatte mit wissenschaftlicher Akri-bie Sammlungen angelegt.

Warum waren Reformen inÖsterreich bitter notwendig?

Während sich in England bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Industrielle Revo-lution und der Liberalismus durchgesetzt hatten, war Österreich noch bis 1848 von der bevormun-denden Wirtschaftspolitik des Merkantilismusgeprägt. Es herrschte ein Klima der Unfreiheit, bis 1848 war die Zeit des „Vormärz“ und des Bieder-meier von Repression gekennzeichnet. Das geistige Leben war von internationalen Strömungen abge-schottet, selbst Erzherzog Johann hatte Probleme mit der Zensur, wenn er sich ausländische Bücher besorgte. Staatliche Eingriffe behinderten die freie Entfaltung, dazu kamen noch die mächtigen Zünfte,die bei uns erst 1859 abgeschafft wurden. Sie beherrschten den Markt, verhinderten Konkurrenz und waren innovationsfeindlich. Aber auch die Struktur der Landwirtschaft war antiquiert; denn es gab noch bis 1848 die Grunduntertänigkeit. Hier waren fast alle europäischen Staaten fortschrittli-cher. Man litt aber auch unter den Missernten von 1816 und 1817, die zu Hungersnöten führten. Dazu kamen noch die ökonomischen Probleme, welche mit den Franzosenkriegen verbunden waren. Viele Manufakturen waren zugrunde gegangen. Die für die Steiermark wichtige Eisenindustrie litt unter den durch die Kriegswirren verstopften Absatz-wegen. Doch es gab auch Strukturprobleme: Die steirische Eisenindustrie war lange im Spitzenfeld Europas angesiedelt, doch durch die Industrielle Revolution geriet die Steiermark ins Hintertreffen. Die Welt stand im technologischen Umbruch, aber man hielt noch an veralteten Produktionsmethoden fest und hatte den Anschluss verpasst. Aber auch die Finanzsituation des Staates spitzte sich zu; dieLasten der Kriege und die ungünstigen Konditionender Friedensschlüsse brachten einen Ruin der Staatsfinanzen. Im Jahr 1811 kam es sogar zum österreichischen Staatsbankrott.

Eine der ersten Dampfmaschinen.

Foto: KK

Page 27: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 27

steiermark.

Mutig und kreativgegen die Krisen

Gerade in der Krise bekämpfte Erzherzog Johannden Niedergang mit mutigen Initiativen. So kann es als Lehrstück aufgefasst werden, dass er geradeim dramatischen Jahr 1811 das Joanneum als Lehr-und Forschungsanstalt begründete, die später Keim-zelle der Technischen Universität in Graz war. Er setzte auch Initiativen zur Schaffung der späteren Montanuniversität. 1827 war er wesentlich an der Wiedererrichtung der Grazer Universität beteiligt, die, bereits 1585 begründet, unter Josef II. zumLyzeum abgesunken war. Johann setzte Marksteinein Richtung einer modernen Wissensgesellschaft. Es ist deutlich, dass ihm die Hebelwirkung von Forschung und Entwicklung bewusst war und er seiner Zeit vorauseilte. Heute entspräche dies den Zielsetzungen der „Lissabon-Strategie“. Er setzte sich auch für die Kunst ein. So war er Protektor desSteiermärkischen Musikvereines: Daraus ging später die Hochschule bzw. Universität für Musik und dar-stellende Kunst hervor. Er wusste auch um dieBedeutung moderner Interessenvertretungen und trug zu den Grundlagen für die ab 1848 nach aus-ländischen Vorbildern begründeten Handelskammernbei, aber auch die Vorläufer der Landwirtschafts-kammer tragen seine Handschrift. Er war auch Begründer der Grazer Wechselseitigen Versicherung. Er setzte sich für die Modernisierung der Eisenerzeu-gung ein und wirkte selbst in Vordernberg alsRadmeister. Er kümmerte sich auch um die soziale Situation der Arbeiter und setzte sich für die Bruder-laden der Berg- und Hüttenarbeiter ein, die eine Vor-läuferfunktion für die Sozialversicherungen hatten.

Durch IndustriespionageAnschluss anneue Technologien

In Österreich erkannten führende Persönlichkeiten bereits vor 1800, dass es wichtig wäre, wieder denAnschluss an neue Technologien zu gewinnen undden Briten nachzueifern. Um den Rückstand auf-zuholen war die Wirtschaftsspionage ein proba-tes Mittel. Bereits 1789 gelang es dem Grafen

Batthyány, in England moderne Spinnereimaschi-nen am Schwarzmarkt zu erwerben. Man ging ein hohes Risiko ein, als man diese nach Hamburg schmuggelte.Dort wartete ein Ochsengefährt für den langen Transport in die Oststeiermark. Dies war der Start der modernen Spinnereiindustrie in Österreich;die damals begonnene Textilfabrikation war ein Vorläufer der heutigen Firma Borckenstein.Großbritannien versuchte Exporte von Know-how zu verhindern. Es war britischen Technikern unter-sagt, ihr Wissen weiterzugeben, und aus Angst vor Wirtschaftsspionen gab es Besichtigungsverbote für britische Fabriken.Dennoch gelang es Erzherzog Johann 1815/16 wäh-rend eines dreimonatigen Aufenthalts in Englandzahlreiche Industriebetriebe zu besichtigen. Der Bogen reichte von Eisenwerken, Dampfmaschinen-fabriken, chemischen Fabriken, Whiskybrennereien bis zu Infrastruktureinrichtungen, wie beispiels-weise dem legendären Bridgewater-Kanal. Fürsein Besichtigungsprogramm legte er sich englische Kleidung zu, um nicht als Ausländer erkennbar zu sein. Er lehnte viele Einladungen zu Hofereignissen ab, um mehr Zeit für Industriebesuche zu haben. Oft besuchte er sogar mehrere Fabriken am Tag und analysierte genau die dort angewandten Technolo-gien. Viele der neu gewonnen Erkenntnisse setzte er in der Steiermark um.Er zählte auch zu den ersten heimischen Unter-nehmern, welche bereits Dampfmaschinen einsetz-ten. Er sandte den Techniker Peter Tunner auf einezweijährige Studienreise zu Betrieben in ganz Europa. Es kann dies als eine staatliche Lenkung der Industriespionage betrachtet werden. Erzherzog Johann war auch ein Vorkämpfer für die Moder-nisierung der Infrastruktur. Seine Intervention bewirkte, dass die Trasse der Südbahn nicht über Deutsch-Südwestungarn (= heutiges Burgenland) geplant wurde. Er war ein wirksamer Lobbyist für die Steiermark. Ohne ihn wäre der Aufschwungdes Mur- und Mürztales undenkbar gewesen. Dabei war man vom unbegrenzten Vertrauen in dieTechnik getragen, denn die Semmering-Strecke wurde von Carl Ritter von Ghega geplant, als esmit solchen Steigungen einer Gebirgsbahn noch keine Erfahrungen und keine geeigneten Lokomo-tiven gab. Man war zuversichtlich, dass dies biszur Fertigstellung der Trasse gelöst sein würde – und man behielt Recht. Erzherzog Johann darf nicht zum Universalgenieverklärt werden, doch er hatte als Politiker die Gabe, die fortschrittlichsten Ideen seiner Zeitaufzugreifen und die besten Köpfe für derenUmsetzung zu gewinnen. In diesem Sinne wäreder joanneische Geist auch heute noch wichtig.

Gerald Schöpfer

Links:Erzförderungmit Hilfe einessog. Sackzuges.Foto: KK

Erzherzog Johannvon Österreich. Gemälde vonLeopold Kupelwieser.Foto: KK

Page 28: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

28 steirische berichte 1-2 /09

steiermark.

Im Jahr 2009 feiert die Steiermark eine ihrer wesentlichsten Identifikationsfiguren, Erzherzog Johann, sieht sich aber andererseits mit den realen Problemen der Wirtschaft konfrontiert. Wie geht es dem Wirtschaftsstandort Steiermark so zwi-schen Tradition und Krise?

Die Auswirkungen der Finanzkrise sind von der Wall Street in der Main Street angekommen. Die steirischen Unternehmen spüren das nachhaltig,beinahe täglich erhalte ich die Meldung, dass wieder ein Unternehmen Mitarbeiter zur Kurzarbeit anmeldet oder im schlimmsten Fall sogar kündigen muss. Das ist bitter. Ich bin aktuell sehr viel in denRegionen, in den steirischen Bezirken, bei Betriebs-besuchen unterwegs, um Mut zu machen, und ma-che dabei auch viele positive Erfahrungen. So gibt es etwa 30 Unternehmen in der Steiermark, die in der nächsten Zeit bis zu zwei Millionen Euro inves-tieren möchten. Das spannt aus meiner Sicht auch den Bogen zum Erzherzog: Wenn nicht gerade hier in der Steiermark, der grünen Mark, immer wieder Menschen beheimatet gewesen wären, die sich über alle Regeln hinweggesetzt haben und den Mut hatten, Neues zu schaffen, wären wir heute nicht das Forschungsland Nummer eins in Österreich.

Die Montanuniversität in Leoben geht auf eine Ini-tiative von Erzherzog Johann zurück. Hat er trotz der heute nicht mehr im wirtschaftlichen Ausmaß vorhandenen Bodenschätze richtig gehandelt?

Er hat in jedem Fall richtig gehandelt, weil er etwas möglich gemacht hat. Er hat Rahmenbedingungen geschaffen, die von den Fachleuten perfekt genutzt worden sind. Das zeichnet den Erzherzog aus, das zeichnet aber auch jeden Politiker von heute aus. Die Montanuniversität ist seit ihrem Bestehen eine Hochburg technologischer Innovation. Im Bereich der Werkstoffe, wo die Montanuni österreichweit führend ist, ist es uns aufgrund der ausgezeichne-ten Leistungen von Expertenteams gelungen, einesvon drei genehmigten Superkompetenzzentrennach Leoben zu holen.

Was darf man sich unter Kompetenzzentrenvorstellen?

Kompetenzzentren sind „Innovations-Schmieden“. Von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen finanziert, wird in Kompetenzzentren Grundlagen-forschung so weit spezialisiert, dass sie durch an-gewandte Forschung letztlich in am Markt umsetz-bare Innovationen mündet. Das Wirtschaftsressort unterstützt die Kompetenzzentren in den nächstenJahren mit 100 Millionen Euro, auch mit der Absicht, das Thema Innovation in der Steiermark zu verbreiten. Es müssen mehr kleine und mittlere Unternehmen die Schwellenangst vor dem Thema verlieren und sich in Innovationsprozesse einklin-ken. Derzeit haben wir in der Steiermark 25 von 66 Kompetenzzentren in Österreich.

Die Steiermark hat schon jetzt die höchsteregionale Forschungs- und Entwicklungsquote, lässt sich das noch steigern?

Die Steiermark konnte in Zeiten der Hochkonjunk-tur eine Forschungs- und Entwicklungsquote von 3,9 % erreichen, das ist die höchste regionale Quote in Österreich. Die F&E-Quote errechnet sich am Bruttoregionalprodukt, Ziel ist selbstverständlich diese Quote zu halten oder sogar wirklich an den4 %, die wir uns in der Wirtschaftsstrategie desLandes „Innovation serienmäßig“ für 2010 als Ziel gesetzt haben, zu kratzen. Denn auch in denaktuell wirtschaftlich äußerst turbulenten Zeiten halten wir am Ziel, Innovation serienmäßig zu leben, fest. Wie bereits erwähnt, werde ich beimeinen Betriebsbesuchen laufend mit der paradoxenSituation konfrontiert, dass Unternehmen einerseits Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, anderer-seits aber qualifizierte Fachkräfte zum Beispiel für den Engineeringbereich suchen. Bei Magna werden seit einigen Monaten 200 Ingenieure gesucht.

Was kann die Politik tun, was können Sie konkret als Wirtschaftslandesrat in der Steiermark in der aktuellen Situation tun?

Innovation auchin turbulenten Zeiten

Wirtschafts- und Innovationslandesrat Dr. Christian Buchmann im Interview mit den steirischen berichten

Die Steiermark ist ein Innovations- und Wissensstandort. Diese Position will die Steiermark auch in wirtschaftlich turbulen-ten Zeiten halten und nach Kräften ausbauen. Spätestens seit Erzherzog Johann, dem „steirischen Prinzen“, beweisen dieSteirerinnen und Steirer, dass „hier Innovation aus Tradition“ gelebt wird, dies gilt es gerade im Erzherzog-Johann-Gedenk-jahr 2009 besonders zu beachten. „Im Wirtschaftsressort des Landes wurden deshalb wesentliche Initiativen zur Unterstüt-zung von Unternehmen und zur Dynamisierung des Wirtschaftsstandortes gesetzt“, betont der Landesrat im Interview.

steirische berichte

InnovationslandesratDr. Christian

Buchmann.Foto: FranKL

Page 29: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 29

Um die steirischen Unternehmen auf ihrem Weg durch turbulente wirtschaftliche Zeiten zu unter-stützen, wurden im Wirtschaftsressort des Landes Steiermark noch im Dezember 2008 wesentliche Maßnahmen beschlossen. Das Ziel der Wirtschafts-strategie, die Steiermark zur Meisterin der am Marktumgesetzten Innovation zu machen, gilt gerade indiesen Zeiten, um Wertschöpfung am Standort Steiermark zu ermöglichen. Es ist aber zu erwarten, dass durch die Turbulenzen einige steirische Unternehmen zunehmend Restruk-turierungsbedarf aufweisen werden, deshalbinstallierte das Wirtschaftsressort des Landes in Kooperation mit der Wirtschaftskammer einen „Beraterpool“, mit dem Ziel, gerade für kleinere Unternehmen mit Liquiditätsbedarf Bonitätsbera-tungen durchzuführen.Außerdem stehen steirischen Unternehmen vermehrtdie Instrumente der Haftung und der Garantien zur Verfügung: Insgesamt 25 Millionen Euro für Haftungen und Garantien stehen für steirischen Unternehmen bereit, um ihnen aus der Kreditklem-me zu helfen.Zudem ergreift die Steiermark als eines der ersten Bundesländer in Österreich die von der Europä-ischen Union eingeräumte Möglichkeit zurInstallierung einer Dachrichtlinie „Überbrückungs-maßnahmen während der Finanz- und Wirt-schaftskrise im Geltungsbereich des BundeslandesSteiermark“. So können die Mitgliedsstaaten insbe-sondere zu erleichterten Bedingungen Zinsenzu-schüsse, Kreditbürgschaften mit günstigerenPrämien, höhere Risikokapitalbeihilfen für KMU und direkte Zuwendungen gewähren. Nur wer schnell hilft, hilft nachhaltig – das Wirtschafts-ressort des Landes Steiermark hat als erstes inÖsterreich umgehend die Förderungsinstrumen-tarien an dieser Richtlinie orientiert!

Hat man sich in der Steiermark zu sehr auf den Exporthit „Auto“ verlassen?

Ein Viertel der steirischen Wertschöpfung und rund 40.000 Arbeitsplätze hängen mit der Automobil-produktion zusammen. Die aktuelle Situation hat gezeigt, dass der Wirtschaftsstandort aufgrund seiner hohen Konzentration auf den automotiven Sektor verletzbar ist und nicht alle gesetzten Maß-nahmen der 80er und 90er Jahre heute im Zeichen des Lichts stehen. „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“ sagte schon der Titelheld in Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen“.Dennoch: Das Arbeiten in Clustern und Netzwerken haben wir Steirer zwar nicht erfunden, aber in den vergangenen Jahren europaauffällig gelebt. Durch die starke Konzentration auf das Automobil wurden aber Wachstumschancen in anderen Bereichen un-terschätzt. Diesen wachstumsintensiven Bereichen wie Humantechnologie, Umwelttechnologie oder

auch Kreativwirtschaft, die nicht nur auf Design beschränkt ist, gilt seit meiner Verantwortung für das Wirtschaftsressort im Jahr seit 2005 verstärkte Aufmerksamkeit.

In der Steiermark entsteht jeder zweite Arbeits-platz durch den Export. Jetzt sind exportintensive Wirtschaftszweige besonders betroffen, wie lässt sich da gegensteuern?

Die Erfolge der exportorientierten Unternehmen haben der Steiermark in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung ermöglicht, 2007 beliefen sich die Exporte auf über 16 Milliarden Euro, die Steiermark hatte damit immerhin einen Österreich-anteil von 14 Prozent. Ich möchte künftig die Internationalisierung der steirischen Wirtschaft weiter vorantreiben und so stark auf die Steiermark aufmerksam machen, dass Unternehmen ihre Zen-tralen im „Neuland Steiermark“ ansiedeln. In den nächsten Jahren sollen insbesondere know-how-in-tensive Unternehmen oder Unternehmensteile von internationalem Format vor Ort angesiedelt werden. Im Auge haben wir im Wirtschaftsressort soge-nannte Headquarters, also Zentralen internationa-ler Unternehmen, und Centers of Competence, das sind die Technologie- bzw. F&E-Zentren interna-tionaler Konzerne, um Stärkefelder der steirischen Wirtschaft zu stärken und damit Arbeitsplätze zu sichern und falls möglich neue zu schaffen.

Gerald Gölles

Oben: Versuch im Grazer Kompetenz-zentrum „Virtual Vehicle“.

Unten: Forschung an Enzymenim GrazerKompetenzzentrum„AngewandteBiokatalyse“.

Fotos: FranKL

steiermark.

Page 30: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

30 steirische berichte 1-2 /09

steiermark. Der „steirische Prinz“ und seine BauernÜberlegungen abseits von Idealisierungen und Ideologisierungen

Am 23. Oktober 2004 hat die Steirische Landwirt-schaftskammer in einer zünftigen Feierstunde im Grazer Kongress ihr 75jähriges Bestehen gefeiert, heuer gedenkt auch sie – wer eigentlich nicht in unserem weiß-grünen Land? – ihres eigentlichen Urhebers Erzherzog Johann, der am 28. März 1819 die Gründungsversammlung einer steirischen „Landwirtschaftsgesellschaft“ präsidierte. Nicht nur agrarpolitische Insider erinnert diese eigenar-tige Inkonsistenz historischer Zuschreibungen an die im Mai 1999 in den Kasematten des Grazer Schlossberges groß ins- zenierte Hundertjahrfeier des nach- weislich am 13. Juni 1945 gegrün- deten Steirischen Bauernbundes. Natürlich, man kann das alles wohlfeil argumentieren: 1899 hat Franz Hagenhofer den „Katholisch- conservativen Bauernverein für Mittel- und Obersteiermark“ gegrün-det, der in hier nicht weiter zu erörternder Weise durch Monarchie, Weltkrieg, Erste Republik und Austrofaschismus Bestand hatte und als Wurzelstock der politischen Neupositionierung der konservativ-christlichen Bauernschaft wie auch der national-liberalen Landbund-Nachfolger Platz in der ebenfalls neu gegründeten Volkspartei fand. Selbstverständlich lassen sich auch genügend Entwicklungslinien von der ange-sprochenen Landwirtschaftsgesellschaft bis zur Kammergründung 110 Jahre danach konstruieren. Und es ist halt allemal attraktiv, im gleißenden Licht einer steirischen Ikone wie Erzherzog Johann durch Feste sowie Gedenktage und -jahre Fakten zu setzen.

Steirischer Reformatorwider Willen

Die Bedeutung des „steirischen Prinzen“ für das Land ist unbestritten. Daran ändert auch nichts, dass Erzherzog Johann in die Steiermark überhaupt erst nach seinem weitgehend missglückten poli-tischen und militärischen Engagement im Tiroler Freiheitskampf gekommen ist. Sein Bruder Kaiser Franz I. hatte ihm den Aufenthalt im Land des Andreas Hofer schlicht und einfach verboten, und die Steiermark „wäre ein Pflaster auf die Wunde, welche mir der Verlust von Tirol schlug“. Daran

ändert ebenfalls nichts, dass der vermeintliche Höhepunkt in Johanns Leben, die Bestellung zum deutschen Reichsverweser 1848, von der realpoli-tischen Bedeutung her betrachtet letztlich kaum Gewicht in der deutschen Geschichte findet. Aber: Wir sind Erzherzog Johann!Der „steirische Reformator wider Willen“, wie ihn Gerfried Sperl in seiner „knappen Geschichte eines üppigen Landes“ zu Recht bezeichnet, der „liberale“Habsburger, dessen Liberalität wohl auch mit seinem Platz in einer der hinteren Reihen in der Hierarchie des Herrscherhauses korrespondiert, verdankt sein – sagen wir es modern – hervor-ragendes Image zwei im öffentlichen Diskurs nur schwer zu differenzierenden Entwicklungen. Zum einen hat er als Person die Zeichen der Zeit nicht nur erkannt, sondern dieses Erkennen in Taten auch manifest gemacht. Damit wurde Erzherzog Johann selbstredend zu einer her-ausragenden, aber nicht unbedingt einzigarti-gen Persönlichkeit der weiß-grünen Geschichte. Zum anderen aber, und das ist sein eigentliches Alleinstellungsmerkmal, haben ihn Entwicklungen der Landesgeschichte insbesondere nach 1945 zur Ikone werden lassen. Zur Erinnerung: Das große Erzherzog-Johann-Gedenkjahr 1959, das in einer Generalkodifizierung des „Steirischen“ mündete, war nicht zuletzt auch die weiß-grüne Selbstversicherung, dass Begriffe wie Heimat, Boden und Bauernstand ihre braune Punzierung nicht mehr länger verdienten. Einfacher gesagt: Erzherzog Johann war und ist bis heute der unver-dächtigste Steireranzugträger geblieben.

Bauer – Bürger – Visionär

Hans Magenschab nennt den Erzherzog Johann in seiner 2008 wiederaufgelegten Biografie im Untertitel „Bauer, Bürger, Visionär“. Das, was wir heute oft recht gedankenlos den „ländlichen Raum“ nennen, war für den Erzherzog eine Gegenwelt zur erfahrenen städtischen Realität von Intrigen und Machtkalkül. Es wird heute gerne übersehen, dass die Gründung der Landwirtschaftsgesellschaft (1819) in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Gründung des Joanneums (1811) steht. Der wissenschaftlich-pädagogischen Absicht einer Darstellung der Natur, ihrer Vielfalt und ihres Reichtums, auch im ökonomischen Sinn, ließ

Page 31: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 31

gedenke.

Johann durchaus schlüssig Instrumente zur Stärkungjener entwickeln, die diese Natur bestellten. Das„Selbstdenken“ ist dabei einer seiner Schlüsselbe-griffe, der Johanns Texten ihre ungebrochene Aktualität verleiht. Sein Interesse galt weniger der Landwirtschaft insgesamt als vielmehr jenen Höfen, die sich dem Fortschritt verpflichtet fühlten,weniger einer in sich abgeschlossen lebenden Bauernschaft, sondern jenen, die als Mitgestalter einer sich neu und aus den Idealen der Aufklärungformierenden ländlichen Gesellschaft agierten.

Schicksalsgemeinschaft

So wie heute der steirische Landesrat Hans Seitinger, der das „Lebensressort“ der Steiermärki-

schen Landesregierung leitet, hat auch ErzherzogJohann den ländlichen Raum als Schicksalsge-meinschaft aller hier Lebenden verstanden. Er war der, der die Bauern zu bilden und die großen Grundherren aus ihrem ständisch-selbstzufrie-denen Dünkel herauszuholen versucht hat. Erzherzog Johann, der sein Amt stets auch als Dienst verstanden hat, wollte die „Herren vom Land“ als Dienstleister für die Allgemeinheit verstanden wissen. Das war – rückblickend betrachtet – zumindest ebenso bedeutsam wie die Vielzahl der auf ihn direkt zurückgehenden agrarischen Neuerungen, wovon eine Reihe von Musterbetrieben beredtes Zeugnis gibt.

Hans Putzer

Die Schwarzen-seealm (links) und der Schwarzensee (rechts) laden zum Verweilen imsteirischenKleinsölktal ein.Fotos: giseLbrecht

Page 32: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

32 steirische berichte 1-2 /09

wissenschaft.

kunst.

kultur.

„Joanneischer Geist“ und die Gegenwart

Der vielbeschworene „joanneische Geist“ – also dieBesinnung auf das zukunftsorientierte Denken und Handeln des „steirischen Prinzen“ Erzherzog Johann – ist in der Wissenschafts- und Innovations-politik der Steiermark nicht nur wohlklingende Leerformel, sondern in weiten Bereichen erfolgreich gelebte Realität.Die für Wissenschaft und Forschung in der Steier-märkischen Landesregierung zuständige LandesrätinMag. Kristina Edlinger-Ploder stellt stolz fest: „Mit einer Forschungs- und Entwicklungs-Quote von über 3,9 % ist die Steiermark seit Jahren nicht nur an der Spitze der österreichischen Bundesländer, sondern unter den Top-Regionen Europas.Wir liegen damit über dem Österreich-Schnitt von2,46 % und haben damit auch das für 2010 von derEU proklamierte Barcelona-Ziel signifikant über-troffen. Das ist in erster Linie dem Forschergeist exzellenter steirischer WissenschafterInnen, aber vor allem auch überdurchschnittlich innovativer Unternehmen, gezielten Investitionen und der forcierten Förderung von Wissenschaft und Forschung zu danken.“Diese Forscherpersönlichkeiten wirken zu einem großen Teil in Institutionen, deren Gründung aufden Erzherzog zurückgeht. Bekanntlich sind sowohldie Technische Universität als auch die Montanuni-versität Leoben in ihren Wurzeln joanneische Gründungen, aber auch die Karl-Franzens-Uni-versität Graz verdankt dem steirischen Prinzen die Rangerhöhung von einem Lyzeum, zu dem sie unter Kaiser Joseph II. herabgestuft worden war, zu einer Volluniversität. Und das Palais Meran in Graz, der heutige Hauptsitz der Kunstuniversität, war der letzte Grazer Wohnsitz des Erzherzogs. Die größte landeseigene Forschungsgesellschaft Österreichs wurde bewusst programmatisch „Joan-neum Research“ genannt. Das Motto von JoanneumResearch lautet „Innovation aus Tradition“. Auch das ist ein joanneisches Leitmotiv: Seit Erzherzog Johann hat Innovation in der Steiermark Tradition und wächst Innovation aus Tradition.

Steirischer Forschungsrat

Seit 2006 wird die Steiermärkische Landesregierung durch den „Steirischen Forschungsrat“ (Forschung, Innovation und Technologie für die Zukunft) in strategischen Fragen für künftige Herausforderun-gen beraten und begleitet. Dieser setzt sich aus international angesehenen Persönlichkeiten ausWissenschaft, Forschung und Wirtschaft zusammen.Nach 18 Monaten seiner Tätigkeit hat der Ratzunächst der Landesregierung und im Herbst 2008 der Öffentlichkeit die bisherigen Ergebnisse seiner Beratungen präsentiert. Der Rat bescheinigt derSteiermark im Österreich-Vergleich eine hervor-ragende Stellung bei Forschung, Innovation undTechnologie, und zeigt auch sehr gute Möglichkeitenzu weiteren Verbesserungen in acht Handlungs-feldern auf. Daran werden wir uns – so Edlinger-Ploder – im besonderen Maße orientieren.In der Tat ist die steirische Bildungs- und For-schungslandschaft in ihrer reichen Vielgestaltigkeit und Breite beeindruckend: fünf Universitäten, zwei Fachhochschulen, zwei Pädagogische Hochschulen,Joanneum Research; die meisten Christian-Doppler-Labors. Dazu kommen die meisten Kompetenz-zentren Österreichs, sowohl im abgelaufenen als auch im neu gestarteten Förderprogramm: In Graz angesiedelte Institute der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, zahlreiche privateForschungseinrichtungen und die überproportionalesteirische Beteiligung an den EU-Forschungs-Rahmenprogrammen zeugen davon.Internationale Studien und Vergleiche belegen:Je höher die Forschungsquote, umso besser für Arbeitsplätze, Wachstum, Wohlstand, Lebens-qualität und Zukunftsaussichten.Daher bekennt sich Edlinger-Ploder zur konse-quenten Fortsetzung der gezielten steirischen Förderungspolitik: „Wir wissen, dass Bildung und Wissenschaft, Forschung und Entwicklung unsere entscheidenden Standortvorteile im Wettbewerb der Regionen sind. Sie sind wichtige Wege in die Zukunft. Gerade in Krisenzeiten ist der Förderung der Innovation absoluter Vorrang zu geben.Wer an Forschung und Entwicklung spart, gefähr-det die Zukunft – besonders das können wir von Erzherzog Johann lernen, der in einer besonders krisenhaften Entwicklung im 19. Jahrhundert die Weichen für einen neuen Aufschwung der Steiermark stellte.“

LandesrätinMag. Kristina

Edlinger-Ploderzu Besuch

in steirischenForschungs-

einrichtungen. Deren Gründung geht

zu einem großenTeil auf den

Erzherzog zurück.Foto: Fischer

Page 33: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 33

„8000 getrocknete Pflanzen in 60 großen Foliobän-den“ überließ Erzherzog Johann im Jahr 1811 dem Joanneum und begründete damit das Herbariumdes Landesmuseums. Schnell wuchs die Sammlung, insbesondere durch zahlreiche Schenkungen, an. Das Herbarium diente anfänglich – wie übrigens das gesamte Joanneum – vor allem der Ausbildung und Forschung, oder, wie es der Gründer selbst formulierte, „zum Behufe praktischer Studien gemeinnütziger Wissenschaften, und zur Bildung der Jugend“.Ein Herbarium ist eine Sammlung konservierter, meist gepresster und getrockneter Pflanzen, die jeweils auf einem Papierbogen aufgeklebt sind. Ein Etikett mit der Information von wem, wann und wo die jeweilige Pflanze gesammelt wurde, macht aus der getrockneten Pflanze einen Herbarbeleg, ein für die Wissenschaft wertvolles Dokument. Bei entsprechender Aufbewahrung und sorgsamem Umgang sind Herbarbelege unbegrenzt haltbar. Im Laufe der Zeit wuchs das Herbarium durch An-käufe, die Sammeltätigkeit von angestellten Botani-kerinnen und Botanikern sowie durch zahlreiche Schenkungen von seiner Gründung bis heute aufrund 500.000 Belege an. Und es wächst weiter – nochimmer hauptsächlich im Rahmen von Schenkungen.Beispielhaft seien hier etwa die mit 80.000 Belegenvon Moosen besonders umfangreichen Sammlungenvon Johann Breidler und Julius Glowacki genannt. Anfänglich wurden Pflanzen zu Lehr- und Lern-zwecken getrocknet und gepresst. Dank dieser Technik konnten Schüler die Merkmale einer Pflanze im direkten Vergleich zu ähnlichen Arten studieren, und Lehrer verfügten – unabhängig von der Jahreszeit – über Anschauungsmaterial für denUnterricht. Herbarbelege, insbesondere solche vonPflanzen aus fernen Ländern, dienten (und dienenimmer noch) als Vorlagen für botanische Illustra-tionen in wissenschaftlichen Werken.

Ein unverzichtbares Werkzeug

Obwohl naturkundlichen Sammlungen allgemein und Herbarien im Besonderen oft ein verstaubtes Image anhaftet, ist für jene Teildisziplinen der Bo-tanik, die sich im weitesten Sinne mit Biodiversität,also mit der Artenvielfalt, beschäftigen, das

Herbarium ein unverzichtbares Werkzeug. Botaniker aus anderen Fachbereichen greifen inihrer Forschung, wenn auch in geringerem Ausmaß,ebenfalls auf Herbarbelege zurück.Das pflanzliche Material selbst ist zwar getrocknet und gepresst, aber viele Merkmale der Pflanze bleiben erhalten oder rekonstruierbar. Die Form von Blättern, die Anzahl der Blütenblätter, ob und wie der Stängel behaart ist – all das und noch Vielesmehr kann man auch an getrockneten Pflanzen analysieren; sogar DNA-Analysen von Herbar-material sind heute möglich. Damit lässt sich z. B.die evolutionäre Entwicklung bzw. die verwandt-schaftliche Beziehung von Pflanzen oder gar diegenetische Vielfalt innerhalb einzelner Pflanzen-populationen erforschen. Die rasant fortschreitende Entwicklung der Molekularbiologie verspricht für die Zukunft weitere spektakuläre Möglichkeiten.Ein Herbarbeleg ist ein Dokument, welches das Vorkommen der gesammelten Art am Fundort zum Sammelzeitpunkt nachweist. Stehen für eineUntersuchung viele Herbarbelege einer Art zur Verfügung, so lassen sich mit dieser örtlichen und zeitlichen Verankerung von Herbarbelegen Verbreitungskarten erstellen; ebenso können zeit-liche Entwicklungen wie die Ausbreitung rekons-truiert oder – in letzter Zeit viel häufiger – das Zurückgehen oder Aussterben von Arten dokumen-tiert werden. Das Herbarium ist dem Botaniker, was das Archivdem Historiker ist. Ein Herbarbeleg – und sei ernoch so alt – kann immer wieder von Neuem untersucht werden, und das vor dem Hintergrund des gerade aktuellen Wissens und mit den jeweilsmodernsten Methoden. Aber: Jede Forschungsakti-vität in einem Herbarium beruht auf der Sammlungstätigkeit der Vorfahren.Daraus ergibt sich für uns die moralische Verpflich-tung gegenüber den nächsten Generationen, mit heutigen Aufsammlungen den Grundstock für zu-künftige Untersuchungen zu legen.

Kurt Zernig

Die Pflanzenweltim TrockenenDas Herbarium am Landes-museum Joanneum und seineBedeutung für die Forschung

„Carex firma.Steifes Riedgras. Gesammelt aufdem Pfitschjoch und dem Zemergebirge im Julius 1802.“ Einer der rund8000 ersten Herbarbelegedes Joanneums. Foto: Landesmuseum Joanneum

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Page 34: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

34 steirische berichte 1-2 /09

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Erzherzog Johann und die Eisenstraße Freund des Berg- und Hüttenwesens, Urgründer der Montanuniversität

Schon in Kindheit und Jugend zeigte Erzherzog Johann ausgeprägtes Interesse an der Natur und ihren Erscheinungen inGesteinen, Flora und Fauna. Seine umfangreichen Sammlungen bildeten 1811 den Grundstock für das Joanneum, das einer-seits der musealen Präsentation dienen, andererseits aber als Lehranstalt Bildung und Wissenschaft vermitteln sollte. Wich-tige Innovationen des Erzherzogs und seiner Berater auf dem Gebiet des Berg- und Hüttenwesens wirken bis heute nach.

Hauptansicht des Neubaus der k. k. Montanistischen

Hochschule Leoben, vollendet 1910,

Architektur-zeichnung 1906.

Foto: originaL in der universitätsbibLiotheK,

Kopie aus gahLeitner 1990

Die Englandreise 1815/16

Nach dem Wiener Kongress 1815 reiste Erzherzog Johann als Vertreter des Kaisers mit seinem Bruder Ludwig nach England, wo sich sein besonderesInteresse dem Berg- und Hüttenwesen, vor allem dem Eisenhüttenwesen, zuzuwenden begann, dennEngland galt damals als führend in der Technik. Der Erzherzog besuchte dort auch die modernen Berg- und Hüttenbetriebe, so den berühmten Eisen-bezirk um Ironbridge/Telford, worüber er in seinem Reise-Tagebuch ausführlich berichtet. Wurzbach schreibt darüber: „Sie besuchten nun die wichtig-sten Fabriksstädte und in denselben die großartigenManufacturanstalten, Maschinenwerkstätten, Eisen-und Stahlwaaren-Fabriken, Spinnereien, Webereien u. dgl. m. … Seine Reise nach England hatte nach-haltige Folgen für die Steiermark. Er nahm überall Muster der Erzeugnisse, Pläne, Zeichnungen und Modelle, welche er bei seinem Eintreffen in Gratz (15. Mai 1816) in den Räumen des Joanneums zur Einsicht und Benützung niederlegte …“

Vom Joanneum zurMontanuniversität

Auf dieser Reise hatte den Erzherzog auch der ge-bürtige Grazer Alois von Widmanstetten begleitet, letzter Vertreter der Grazer Druckereidynastie,der durch die Entdeckung der Struktur in Eisen-

meteoriten 1808 noch heute weltweit jedem Eisen-metallographen ein Begriff ist.Auf ihn gehen die frühesten Anschliffe an Guss-eisen, u. a. aus Vordernberg, zurück.Johann hatte ihn auch als Fachmann auf dem Gebietdes Eisenwesens in England zum ersten Professor für Eisenhüttenkunde in Graz vorgeschlagen, doch Widmannstetten winkte aus Altersgründen ab. Wohl auf Anregung Johanns brachten die Kuratoren des Joanneums das Problem der Lehre des Bergbaues und der Hüttenkunde 1828 wieder aufs Tapet, und Kaiser Franz antwortete mit der Aufforderung, die Erfordernisse zu präzisieren; dem folgten dieKuratoren unter dem Abt von Rein, Ludwig, mit einem ausführlichen Gutachten. Es dauerte noch bis 1836, bis feststand, dass diegeplante Lehranstalt in Vordernberg, im Mittelpunktdes Eisenwesens der Steiermark und nicht in Graz am Joanneum, eingerichtet werden konnte.

Erzherzog Johann in Vordernberg

Nach Verhandlungen mit dem Grundbesitzer inVordernberg, Josef Fürsten von Schwarzenberg, konnte 1837 mit dem Bau der „steiermärkisch-ständischen Lehranstalt in Vordernberg“ begonnen werden, die feierlich 1840 eröffnet wurde. Daneben hatte der erste Professor Peter Tunner, der auf Vor-schlag von Erzherzog Johann vom Schwarzenbergi-schen Hammer in Katsch bei Murau an diese Stelle berufen worden war, auch Vorschläge zur Einrich-tung der „Lehrfrischhütte“, ein „Zerrennfeuer mit Hammerschlag“, auf den Gründen der Handlschen Schmiede unterbreitet, die Zustimmung der Stände erreicht, 1840 die Pläne vorgelegt und 1842 den Lehrbetrieb aufgenommen.Johanns Braut Anna Plochl hatte ihm schon seit 1823 in Vordernberg im Gewerkenhaus des Rad-werkes II, das einst dem Gewerken Stampfer und seiner „Stampferin“ ( jener mit dem „Hausbüchl“)gehörte, den Haushalt geführt, während sich Johannpersönlich um die Entwicklung des Vordernberger Eisenwesens kümmerte – durch Modernisierungseines Radwerkes II und durch Bemühungen, die altehrwürdige „Radmeisterkommunität“ wieder zu

Page 35: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 35

beleben. Die Zusammenfassung der Abbautätigkeit am Vordernberger Erzberg (oberhalb der „Eben-höhe“), die Organisation des Erztransportes unddie Errichtung der Erzförderbahn durch Johann Dulnigg zwischen 1835 und 1845 waren ebenso ihm zu verdanken.

Peter Tunner, der erste Professorder Montanlehranstalt

Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Eisenwesens in Mitteleuropa waren die Bildungs-reisen des Peter Ritter von Tunner; dieser war am 10. Mai 1809, heuer vor 200 Jahren, in (Deutsch-)Feistritz nahe Graz geboren und starb am 8. Juni 1897 in Leoben. Aus einer Familie stammend, die schon über Generationen mit dem Eisenwesen ver-bunden war, entdeckte ihn Erzherzog Johann 1834als bereits anerkannten Hüttenmeister in Katsch beiMurau. Auf Vorschlag des Erzherzogs wurde er 1835 als Professor für Bergbau und Hüttenkunde vereidigt. Mit diesem Titel reiste er nun, wie zwanzig Jahre früher Erzherzog Johann, durch die wichtigsten Industriegebiete Europas, um sich die grundlegenden Kenntnisse zur Förderung des alpinen Eisenwesens zu erarbeiten.Nach dem Beginn der „Kurse“ in Vordernberg 1840war er lange der alleinige Lehrer an der „steier-märkisch-ständischen Montanlehranstalt“, deren Gründung mit den Ständen der Steiermark eng verbunden blieb, bis 1848/49 durch den Zuzug der deutschsprachigen Studenten aus dem magyarisier-ten Schemnitz (ungar. Selmecbanya, slowakisch Banska Stiavnica) der Eisenmarkt zu klein wurde. Die Stadt Leoben bot das „Neue Seminargebäude“ an, das bis zur Errichtung des heutigen „Peter-Tunner-Gebäudes“ (1883/85) Sitz der Lehrtätigkeit der nunmehrigen „k. k. Montanlehranstalt“ wurde; Tunner blieb lange im alten Gebäude, in dem auch der erste Professor für Hüttenkunde, Franz Sprung, wohnte. Damals begann auch Albert Miller (von Hauenfels) seine Lehrtätigkeit für Bergbaukunde. Tunner unterrichtete bis 1866 Eisenhüttenkundeund blieb bis 1874 Direktor der Montanlehranstalt. Er war bis ins hohe Alter wissenschaftlich tätigund als Eisenhüttenfachmann weltweit anerkannt. Die k. k. Montanlehranstalt wurde 1861 mit der

Erhebung zur k. k. Bergakademie anderen univer-sitären Einrichtungen weitgehend gleichgestellt und erhielt mit der Aufwertung zur k. k. Montanis-tischen Hochschule 1904 das Promotionsrecht. Sie wurde 1975 im Zuge einer Universitätsreform zur „Montanuniversität“ umgetauft.

Erzherzog Johann als Gründer

Aber Erzherzog Johann war umfassend aktiv, man könnte ihn heute als „Workaholic“ für die Steier-mark bezeichnen: Neben den wissenschaftlichen und industriellen Interessen förderte er auch die Landwirtschaft, ähnlich wie es schon sein VaterLeopold und sein Bruder Ferdinand in der Toskana taten, er kümmerte sich um ein modernes Geldwesen und um soziale Einrichtungen für die Bevölkerungunseres Landes. Der Bau der Eisenbahnen in der Steiermark, vor allem der Semmeringbahn, istseiner Initiative zu verdanken, da er die Umfahrungder Obersteiermark durch eine Trasse im ebenen Osten fürchtete. 1844 wird die Strecke Mürzzu-schlag–Graz eröffnet, 1854 die Bahn über denSemmering, die für die Eisenindustrie der Mürz-Mur-Furche von besonderer Bedeutung war und ist. Seine Funktion als „General-Geniedirektor“ der kaiserlichen Armee war dafür sehr hilfreich.Die Eisenindustrie Vordernbergs ging mit der Grün-dung der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft1881 allmählich an die ÖAMG. Das heutige „voest–alpine“-Werk Donawitz ist der lebende Nachfolger der Vordernberger Eisenindustrie, die der Erzherzog einst zu neuem Schwung brachte. Die Radwerke Vor-dernbergs, Hochöfen des 19. Jahrhunderts, sind mit dem Radwerk IV, dem Ofenstock des Radwerkes X und anderen Denkmälern des Eisenwesens, wie den zahlreichen historischen Gewerkenhäusern, so das Meranhaus (zum Radwerk II), noch heute Attraktionfür die Technikgeschichte Mitteleuropas und ein wichtiges Standbein für den Kulturtourismus an der „Steirischen Eisenstraße“. Gerhard Sperl

Literatur:Anton Schlossar, Auszugweise Abschrift der „Denkwürdigkeiten“, Lebensbericht Erzherzog Johanns. Diese Schrift befindet sich jetzt im Besitze des Heimatmuseums Aussee.

Alfred Gahleitner, Baugeschichte der Montanuniversität, in:150 Jahre Montanuniversität Leoben 1840–1990, hrsg. v. Friedwin Sturm, Graz 1990.

Hans Jörg Köstler, „Dem großen Meister und Lehrer“. Das Denkmal für Peter Ritter von Tunner (1809–1897) in Leoben, Leoben 2008.

Gerhard Sperl, Erzherzog Johann in England; in: Katalog der Ausstellungen in Vordernberg 1982, S. 60–67.

Gerhard Sperl, Die Metallographie des Alois Beckh vonWidmanstätten (1754–1849); Vortrag und Abstract der42. internationalen Materialographie-Tagung in Jena am 18. September 2008; Publikation in BHM 2009 in Vorbereitung.

Viktor Theiss, Leben und Wirken Erzherzog Johanns, 2 Bände, Graz 1960–69.

Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon desKaiserthumes Österreich, Wien 1856–1891.

Bild: KaiserFerdinand besucht1841 ErzherzogJohann und seine Familie inVordernberg im Gewerkenhauszum Radwerk IV(Meranhaus). Ausschnitt einesBildes im Privatbesitz.Foto: sperL

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Page 36: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

36 steirische berichte 1-2 /09

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Pionier aus St. Kunigund

Neu ist relativ. Einer der Pioniere war Ladislaus von Rabcewicz, der, 1893 in St. Kunigund bei Marburg geboren, in Graz und Wien Bauingenieurswesen studierte. Er war beim Eisenbahnbau in Java und in der Türkei tätig, beim Kraftwerksbau in Reutte in Tirol, anschließend im Iran, wo er es zum Chef der Bahnerhaltung der Persischen Staatseisenbahnen brachte. Die Kluft zwischen Theorie und Praxisließ ihn den Kontakt zur Technischen Hochschule Wien suchen, an der er dann, während des Zweiten Weltkrieges, Ordentlicher Professor war. Von 1956 bis 1958 setzte er als UNO-Berater inVenezuela seine Forschungserkenntnisse bei Auto-bahn- und Eisenbahntunneln konsequent um. Das waren die ersten Tunnel nach der neuen Bauweise.Ab 1958 wirkte er weltweit als freischaffender Ziviltechniker. Mit den Salzburgern Leopold Müllerund Franz Pacher verhalf er der Neuen Österreichi-schen Tunnelbaumethode zu ihrem heute anerkann-ten Baustandard.

Sicher und kostengünstig

Jeder beliebige Tunnelquerschnitt kann mit dieser Methode ausgebrochen, „vorgetrieben“, werden und wird sofort durch Spritzbeton gesichert. Mitte1950 war die Technologie des Spritzbetons so weitentwickelt, dass er für diese Bauvorhaben geeignetwar. Weder Verschalungen noch riesige Tunnelbohr-maschinen waren mehr notwendig. Mit dem Bausind immer Verformungen des Gebirges verbunden, die ständig messtechnisch überprüft werden. Danach richtet sich der Einsatz von Stützmitteln, wobei der Baugrund mitgenutzt wird, um denHohlraum zu stabilisieren. Sicherheit und Wirt-schaftlichkeit machen den großen Erfolg dieser Methode aus. Dipl.-Ing. Dr. mont. Wulf Schubert leitet an derTU Graz das Institut für Felsmechanik und Tunnel-bau, innerhalb der Fakultät für Bauingenieur-wissenschaften.Die Forschungen befassen sich überwiegend mit Tunnelbau im schlechten Gebirge, in schlechten,

gestörten Materialien. Ein Labor für Gesteins-prüfungen ist im Institut integriert. Die Planungeines Tunnelbaus muss alle eventuellen Möglich-keiten abdecken, ein Geologe steht zu Beobachtun-gen und Messungen auf jeder Baustelle bereit.Bei der Auswertung der Messdaten und ihrer Inter-pretation ist das Grazer Institut weltweit Markt-führer. Das erzählt Professor Schubert eher nebenbei, als wäre es für ihn und sein Institut selbstverständlich, international gehört zu werden.Er, der unter anderem vier Jahre beim U-Bahnbau in Seoul in Korea leitend mitgewirkt hat, bringt seine reichen praktischen Erfahrungen in Forschungund Lehre ein und setzt seine wissenschaftlichen Erkenntnisse wieder bei der Betreuung von Baustellen um. Diese Wechselwirkung hätte sein Großvater Ladislaus von Rabcewicz gutgeheißen.

Lehrgang zum„NATM-Engineer“

Durch den großen Erfolg der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode ist ein gravierender Mangel anhoch qualifizierten Tunnelbauingenieuren entstan-den. Die TU Graz und die Montanuniversität Leoben bilden nun gemeinsam in einem postgradualen Lehrgang Experten zum „NATM-Engineer“ aus. Ingenieure mit bau- oder bergbautechnischer Aus-bildung, Geotechniker oder Ingenieurgeologen erhalten berufsbegleitend in vier Semestern – abSeptember 2009 – eine zusätzliche Spezialisierung in Tunnelbau. Für drei Wochen pro Semester kommen die Teilnehmer nach Graz oder Leoben,Englisch ist Unterrichtssprache. Die Zusammen-arbeit zwischen den beiden Universitäten funktioniert ausgezeichnet. Dipl.-Ing. Dr. mont. Robert Galler leitet das Partnerinstitut „Subsurface Engineering“, das früher Geomechanik, Tunnelbau und konstruktiver Tiefbau geheißen hat. Einer seiner Forschungsschwerpunkte liegt im Langzeitverhalten von Geomaterialien, wobei es um Prognosen über einen Zeitraum von rund hundert Jahren geht.Die Nachfrage nach Absolventen dieses Lehrgangs

Tunnelbau auf Österreichisch TU Graz und Montanuniversität Leoben starten gemeinsamen Lehrgang

Ob Sie mit der U-Bahn in Wien, London, Washington oder São Paolo unterwegs sind, Sie fahren durch einen Tunnel, der mit Hilfe der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode errichtet wurde, im internationalen Sprachgebrauch als NATM – NewAustrian Tunneling Method – bekannt. Es könnte auch ein Eisenbahn-, Kraftwerks- oder Autobahntunnel sein. Oder der in Bau befindliche Gotthard-Tunnel in der Schweiz, der mit 57 Kilometer Länge der längste Tunnel der Welt sein wird. Oder der zweiröhrige Koralmtunnel zwischen Graz und Klagenfurt, der mit seiner beachtlichen Länge von 32,8 Kilometer voraussichtlich 2017 fertig sein wird, als Teil der adriatisch-baltischen Achse von Venedig nach Gdansk in Polen. Etwa 50 Prozent aller Tunnel weltweit werden „auf österreichische Art“ erbaut.

Page 37: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 37

gedenke.

wird enorm sein, sie werden sich ihre Stellen aus-suchen können. Auf- oder Ausbau von Infrastrukturin exotischen Regionen für Abenteurer, U-Bahnbau in den großen Metropolen für Weltenbummler, Kraftwerksbau für Naturverbundene und für Vielseitige: ein Projekt nach dem anderen …

Übrigens: Frauen

Nicht nur bei den Wiener Philharmonikern, auch im Berg- und Tunnelbau war die Zulassung von Frauen ein heiß diskutiertes Thema, das seine Brisanz verloren hat. Derzeit studieren an der TU Graz etwa 15 Prozent Frauen Bauingenieurwesen, Tendenz leicht steigend, an der Montanuniversität sind es geringfügig weniger. Durch die sich ständig weiter entwickelnde Com-putertechnologie werden viele Baustellen nicht mehr vor Ort betreut, Messdatenauswertung und Planung sind in einem Büro, in einem Institut möglich, durchaus auch in leitender Position.

Kooperationen mit Shanghai, Singapur und Kuala Lumpur

In China sind in den nächsten Jahrzehnten tau-sende Kilometer Tunnel zu bauen. Das Institut fürFelsmechanik und Tunnelbau hält schon jahrelang Kontakt zur Tongji University in Shanghai. Diese renommierte Universität soll nach chinesischerPlanung zu den 33 weltbekannten Universitäten aufgebaut werden. Keine schlechte Ausgangs-position für die Grazer.Der Stadtstaat Singapur nimmt mit über vier Millionen Einwohnern den größten Teil einer Insel ein. Für eine Erweiterung der Stadt bleibt nur noch Platz in größeren Tiefen, die auf Fels anstehen. Als Experten wurden bereits zwei Mal Prof. Schubert und der Geologe Prof. Kurt Klima, ebenfalls von der TU Graz, nach Singapur geholt, die dritte Auflage eines einwöchigen Kurses wird im November erfolgen. Auch in Kuala Lumpur, Malaysien,

wurde bereits eine Einführung in den Tunnelbau abgehalten, eine Wiederholung ist geplant.

Bildung als Existenzgrundlage

Sowohl die Technische Universität Graz als auchdie Montanuniversität Leoben gehen auf ErzherzogJohann zurück. 1811 stiftete er seine naturkund-lichen Sammlungen den steirischen Landständen zur Gründung des „Innerösterreichischen National-museums“, das ihm zu Ehren den Namen „Joanneum“erhielt. Diese Sammlungen sollten Grundlage für eine Lehranstalt mit naturwissenschaftlichen Schwerpunkten sein, zunächst Physik, Chemie Mineralogie und Botanik. Die Absicht dahinter war eine fundierte Ausbildung für Landwirtschaft und Industrie. Nach und nach wurde der Unterricht um technische Fächer erweitert, schließlich wurde 1874 die Technische Hochschule in Graz vom Staat über-nommen. Dabei wurde die Abteilung für Land- undForstwirtschaft aufgelassen und der 1872 gegrün-deten Hochschule für Bodenkultur in Wien eingegliedert. 1975 wurde aus der Hochschule die Technische Universität Graz, ein Jahr darauf beschloss der Senat den Beinamen „Erzherzog-Johann-Universität“.In Vordernberg wurde 1840 auf Anregung von Erzherzog Johann die „Steiermärkisch-Ständische Montanlehranstalt“ gegründet. Bereits 1849 wurdesie als „Kaiserlich-königliche Montan-Lehranstalt“ nach Leoben verlegt und vom Staat übernommen. 1904 wurde sie zur Montanistischen Hochschule und 1975 zur Montanuniversität. Erzherzog Johann hat in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Lehranstalten, Bildungsstätten, gegründet, um die wirtschaftliche Existenz der Menschen zu sichern. Er war vermutlich einer der ersten Politiker, der Bildung in den Mittelpunkt seiner gesellschaftspolitischen Überlegungen stellte.

Zeitgemäß. Nachahmenswert.

Gertraud Hopferwieser

Links:Wulf Schubert (rechts) und derGeologe Kurt Klima, beide TU Graz, bei einer Exkursion im Semmeringgebiet.Foto: KK

Rechts:Eisenbahntunneldurch den Wiener-wald, in Fertig-stellung.Foto: schubert

Page 38: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

38 steirische berichte 1-2 /09

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Der Brandhof wurde vom Erzherzog

zu einem landwirtschaftlichen

Musterbetriebausgebaut und

künstlerisch ausgestattet.

Foto: tributsch

Architektonische Spuren Zahlreiche Bauten dokumen- tieren bis heute das Wirken und die breit gefächerten Interessen Erzherzog Johanns, der sich auch mit dem Bauwesen intensiv beschäftigte, besonders im Dienste der Verteidigung der habsburgischen Länder. Im Wesentlichen lassen sich die erhaltenen Gebäude desErzherzogs in drei zweckbedingt unterschiedliche Gruppen teilen, wobei Johann fast durchwegs bereits vorhandene Anwesen oder Betriebe kaufte und diese umgestalten bzw. adaptieren ließ.

Vorbildhaftes

Die erste Gruppe wird von den Mustergütern und -betrieben gebildet, die vorbildhaft-didaktisch wirken, aber zum Teil auch als private Wohnsitze dienen sollten. Als bestes Beispiel kann hier wohl der Brandhof in der Gemeinde Gußwerk bei Mariazell herangezogen werden. Das 1390 erstmals erwähnte Bauerngut wurde 1818 vom Erzherzog erworben und in den folgenden Jahren zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb ausgebaut. Bis 1828 erfolgte eine großzügige Umgestaltung des Haupthauses, wobei die künstlerische Ausgestaltung in den Händen des nazarenischen Künstlers Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld (1788–1853) lag. Der lang gestreckte und blockhafte, mit Schopfwalmdach gedeckte Bau besitzt eine neugotische Kapelle, die an der östlichen Traufseite mit ihrem polygonalen Grundriss, den gliedernden Strebepfeilern und dem steilen Zeltdach auffällig in Erscheinung tritt. Auch wenn der Brandhof insgesamt zurückhaltend gestaltet ist, finden sich vor allem im Inneren sehr wohl Details, wie etwa habsburgische Wappen,die verraten, dass der Besitzer kein „gewöhnlicher“ Steirer war. Der Brandhof war aber nicht der einzige Musterhof, den Erzherzog Johann initiierte. So begründete er 1822 mit dem „Steirisch ständischen Versuchshof“ in Graz die erste landwirtschaftliche Schule der Steiermark. Sie erstreckte sich mit ihren Obst- und Weinbauanlagen von der Annenstraße bis zum Plabutsch, wobei das 1833/1834 nach Plänen des Architekten Franz Xaver Aichinger errichtete Hauptgebäude bis zum Neubau eines Möbel- bzw. Modehauses an der Ecke Annenstraße/Eggenberger Gürtel noch zum Teil erhalten war. Ebenfalls im Jahr 1822 richtete Erzherzog Johann das Weingut

Pickern/ Pekre bei Marburg/Maribor ein, wo 1832 eine Winzerschule folgte. Die erzherzogliche Tätigkeit blieb aber nicht nur auf die Landwirtschaft beschränkt, sondern das Interesse Johanns galt auch dem Bergbau und der Industrie. Aus diesem Grund erwarb er 1822 in Vordernberg das Radwerk II sowie das zugehörige Radmeisterhaus, wodurch er in die Vordernberger Radmeisterkommunität eintrat und in weiterer Folge die steirische Eisenproduktion beeinflussen konnte. 1837 folgten das Radwerk V in Vordernberg, 1848 das Blechwalzwerk Krems bei Voitsberg, das Hammerwerk Obergraden bei Voitsberg und Kohlengruben im Raum Maria Lankowitz, Pichling und Köflach. Während in Vordernberg von den Radwerken des Erzherzogs nichts mehr vorhanden ist, hat sich doch mit dem Herrenhaus zum Radwerk II, dem so genannten „Meranhaus“, ein eng mit Johann und Anna Plochl (1804–1885) verbundener Bau erhalten. Die Gemahlin des Erzherzogs wohnte hier vor ihrer Verehelichung über mehrere Jahre. Das zweigeschoßige, gedrungen wirkende Gebäude wurde 1684 nach einem Brand neu errichtet und besitzt einen straßenseitig vortretenden Turm mit Zeltdach. Die klassizistisch veränderte Fassade zeigt ein besonders bemerkenswertes Portal. Neben dem „Meranhaus“ wurde auch das so genannte „Prinzen-Amts-Haus“ 1822 vom Erzherzog als Verwaltungs- und Personalwohnhaus angekauft.

Persönlicher Einsatz

In Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen Erzherzog Johanns steht auch die zweite Gruppe an Bauten. Es handelt sich dabei um Bauwerke, die nicht direkt vom Erzherzog, jedoch aufgrund seines persönlichen Einsatzes errichtet wurden.Johann war ständig bemüht, die Steiermark zu modernisieren, und im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung erkannte er die Bedeutung von gut ausgebauten Verkehrswegen. Er förderte daher nicht nur den Straßen- und Brückenbau, sondern setzte sich zudem bereits ab 1825 für den Bau von Eisenbahnlinien ein. Mit einer ihm unterstellten Ingenieurtruppe konnte er zum Beispiel Lösungen für die Trassierungsprobleme bei der Errichtung der Südbahn erarbeiten, so dass diese letzten Endes nicht, wie ursprünglich vorgesehen, über Westungarn, sondern über den Semmering nach Triest geführt wurde. 1844 erfolgte die Aufnahme des Verkehrs zwischen Mürzzuschlag und Graz,

Page 39: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 39

1854 die Betriebsaufnahme des Streckenabschnitts Gloggnitz–Mürzzuschlag, die gesamte Bahnstrecke wurde 1856 in Betrieb genommen. Auch für die erst nach seinem Tod verwirklichte Graz-Köflach-Bahn entwarf der Erzherzog selber Trassenskizzen und stellte Kostenüberschläge für die zugehörigen Bauten an.Zudem beeinflusst Erzherzog Johann mit den von ihm begründeten Institutionen bis heute das Bild dermodernen Steiermark und das auch in architektoni-scher Hinsicht. Unter anderem bilden die Gebäude der Montanuniversität Leoben, der heutigen Erzher-zog-Johann-Universität (Technische Universität Graz) oder des Landesmuseums Joanneum wichtige, ganze Stadtviertel prägende Körper, die immer wie-der ergänzt, erneuert und weiterentwickelt werden. Als jüngstes Beispiel kann hier die Neugestaltung des Grazer „Joanneumsviertels“ zwischen Neutor-gasse, Kalchberggasse und Raubergasse anlässlich der 200-Jahr-Feier des Landesmuseums 2011 dienen.

Kampf um die Anerkennung

Die letzte, wohl am privatesten motivierte Bau-gruppe wird vom Schloss Stainz und dem Palais Meran in Graz gebildet. Die Wahl dieser großen, repräsentativen Bauten als Wohnsitze liegt wohl im Kampf um die Anerkennung der Familie Johanns bei Kaiser und Adel begründet.Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Stainz war bereits um 1229 gegründet und 1785 durch Kaiser Joseph II., den Onkel Erzherzog Johanns, säkularisiert worden. Am 8. April 1840 kaufte Erzherzog Johann die barocke, im 17. Jahrhundert gestaltete Anlage, nicht nur um seiner Nachkom-menschaft einen repräsentativen Wohnsitz zubieten, sondern auch um ihre Stellung zu unter-streichen. Dem gräflichen Titel und seiner Liebe zu Tirol entsprechend erwarb Johann 1845 auch das Schloss Schenna bei Meran, wo er beigesetzt wurde. Johann ließ Schloss Stainz in den Jahren nach dem Ankauf aufwändig renovieren und setzte

seine Reformgedanken auch in Stainz um, was dazuführte, dass er 1850 zum Bürgermeister der Marktgemeinde gewählt wurde. Das heute die Kunstuniversität beherbergende Palais Meran im Grazer Stadtteil St. Leonhard hat die selbe Bedeutung wie Schloss Stainz, schließlich trägt es sogar den Namen der Familie des Erzherzogs. Johann ließ es zwischen 1841 und 1843 durch Baumeister Georg Hauberrisser d. Ä. (1791–1875) errichten. Der spätklassizistische Bau zeigt zwar zurückhaltend gestaltete, dem Zeitgeschmack entsprechende Fassaden. Die Gesamtdisposition mit dem dreigeschoßigen Mitteltrakt und zweigeschoßigen Flügelbauten macht deutlich, dass es sich hier um ein hochherrschaftliches Gebäude handelt. Zudem ist die Haupt- und Schauseite zur Stadt hin orientiert und kündet mit dem Wappen im Giebelfeld des Frontispizes vom erzherzoglichen Besitzer. In diesem Palais verstarb der Erzherzog am 11. Mai 1859, und es stellt insofern eine Beson-derheit dar, als dass es der einzige Wohnsitz ist, den Erzherzog Johann komplett neu errichten ließ.

Denkmäler im Land

Insgesamt hat Erzherzog Johann von Österreich wie kaum ein anderer Habsburger vor oder nach ihm die Steiermark mitgestaltet, was sich auch in vielen Bauten ausdrückt. So verwundert es nicht, dass nach seinem Tod zahlreiche Denkmäler im Land errichtet wurden. Das aufwändigste ist der am Grazer Hauptplatz stehende und nach einem Entwurf von Franz Pönninger gestaltete Erzherzog-Johann-Brunnen, der 1878 enthüllt wurde. Aber auch in Bad Aussee (im Kurpark überlebensgroße Bronzefigur von 1882), Vordernberg (Hauptplatz, Büste von Hans Zeilinger, 1982), in Laßnitzhöhe (bei der Pfarrkirche, Büste von Fred Pirker) oder in Leoben (Postpark, Büste von Erwin Huber, 1982) erinnern Ehrenmäler an den „steirischen“ Erzherzog.

Martin Müller

Repräsentative Bauten wiedas Schloss Stainz(links) und das Palais Meran (rechts)dienten Johann als Wohnsitze und verweisen auf seine hochherrschaftliche Herkunft.Foto schLoss stainz: Landesmuseum Joanneum,nicoLas LacKner

Foto paLais meran: müLLer

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Page 40: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

40 steirische berichte 1-2 /09

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Die Kammermaler sollten im Sinne von volksbild-nerischen und naturwissenschaftlichen Interessen die Landschaft der Steiermark und deren Bevölke-rung möglichst wirklichkeitsgetreu erfassen, wofür der Erzherzog genaue Anleitungen vorgab. Dies war eine neue Herausforderung und Aufgabe für die akademisch geschulten Künstler. Zwischen 1801 und 1848 entstanden so zahlreiche Landschaftsbilder, meist Aquarelle, die die Stim-mung des Biedermeier einfangen. So sind die Landschaften sowohl durch einen ausgeprägten Realismus in der Darstellung geprägt, als auch voneiner romantischen Sehnsucht nach einem Ideal durchdrungen. Diese bildnerischen Landschaftsbe-schreibungen bildeten den Kern der Kunstsamm-lung des 1811 gegründeten Joanneums.

Zwischen Aufklärung und Romantik:Fortschrittsglaube unddas „Eigene“ als Verteidigung

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Natur ins Zentrum gestellt, sie wurde zum Symbol für dasSchöne und Reine. Die Sehnsucht nach einerunberührten, ursprünglichen Natur steht in engem Zusammenhang mit der zunehmenden Industriali-sierung, welche das 19. Jahrhundert prägte. Trotz aller Begeisterung für den Fortschritt und die

damit verbundenen Möglichkeiten sah man auch die Nachteile dieses Prozesses: Verstädterung und Landflucht, Anonymisierung und Mechanisierung der Gesellschaft, Verlust des traditionellen sozia-len Lebens. Die Natur wurde hierzu als Gegensatz stilisiert.Erzherzog Johann ist in diesem Sinne ein Mensch des Biedermeier: Obwohl er sehr fortschrittsbe-zogen und zukunftsgläubig war – so studierte er z. B. in London alles, was für Ökonomie und die maschinelle Entwicklung nützlich und übertragbar zu sein schien: Maschinenwerkstätten, Gusswerke, Stahlöfen, Hammerwerke etc. –, war er überzeugt, dass damit auch die Werte seiner Zeit wie Gemein-sinn, Glauben, Familie usw. verloren gingen.Sein Bestreben war daher, einerseits die Wirtschaft durch Modernisierung anzukurbeln, aber auch den Menschen durch Arbeit „menschenwürdige Lebensverhältnisse zu schaffen“. Damit verbunden war der tiefe Glaube an das „Eigene“, das es, beeinflusst vom Krieg Österreichs gegen Frankreich, zu verteidigen galt und das man in der Natur, verkörpert durch die alpine Bergwelt, gespiegelt sah. Die Entdeckung dieses „Eigenen“ sollte einen nationalen Stolz entfachen. Basisdieses Strebens waren Beschreibungen vonLandschaften und Bewohnern und deren Sitten, Habitus und Kleidung.

Die Kammermalerdes Erzherzogs Johann

Bildnerische Dokumentaristen ihrer Zeit

Seit Beginn des 19. Jahrhunderts beschäftigte Erzherzog Johann, der Tradition der Hof- und Kammermaler folgend, eine Reihe von Künstlern, u. a. Johann Kniep, Jakob Gauermann, Karl Russ, Matthäus Loder und Thomas Ender. Seine Beweg-gründe waren durch neue aufklärerische Ideen geprägt.

Abdruck der drei Faksimiles

mit freundlicher Genehmigung der Steiermärkischen Landesbibliothek.

Page 41: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 41

Bilder eines persönlichen Lebens

Die Kammermaler hatten neben der anstrengenden Erfassung des Landes mittels Fußmärschen auch die Aufgabe, das persönliche Leben des Auftragge-bers zu dokumentieren. Jener Künstler, der diesbe-züglich am berühmtesten und über ein Jahrzehnt zu Johanns engstem Vertrauten wurde, warMatthäus Loder (1781–1828). 1819 traf der 37jährige Johann auf einer seiner Wanderungen beim Toplitzsee auf Anna Plochl, die Tochter des Ausseer Postmeisters, damals 15 Jahre alt, und verliebte sich in sie. Loder wurde der künstlerische Historiograph der Beziehung. Der Künstler schuf u. a. ab 1826 eine Anzahl von miniaturhaften Aquarellen, vom Künstler auf eine goldverzierte Unterlage montiert, das sogenannte Stammbuch der Anna Plochl, heute im Familienbe-sitz der Grafen Meran. Das Stammbuch wurde zu Annas Geburtstag begonnen und zeigt die wich-tigsten Momente der Liebe zwischen Erzherzog Johann und ihr. Die Geschichte dieser Liebe wurde schon zu Lebzeiten romantisch verändert. Johann gab hierfür genaue Anweisungen, wie aus einem Brief vom 3. Jänner 1826 ersichtlich wird: ... und für dein Stammbuch nach der Aussicht von Aussee und deines väterlichen Hauses, das erste Sehen am Gössl, am Toplitzsee … ich bringe die Fortsetzung mit, es wird eine Geschichte in hübschen Bildern werden. So oft ich allen dem zu-rückdenke, habe ich eine innige Freude. Hoffentlich werden noch viele Bilder folgen, die ich im Kopfe habe, die mich noch weit mehr freuen werden … (zit. nach: Matthäus Loder, 1978, S. 36–37.)Acht Blätter in einer Mappe mit Faksimile-Wieder-gaben im Originalformat „Aus dem Stammbuch der Anna Plochl“ befinden sich in der Steiermärkischen Landesbibliothek, das Umschlagbild stammt von einer Glückwunschkarte an Anna, datiert 1824 und vom Künstler signiert. Drei dieser Blätter werden hier kurz vorgestellt.

Matthäus Loder war, wie viele Künstler seiner Zeit, tuberkulös und starb früh, 1828 in Vordernberg, wohin er mit seiner Frau gezogen war. Das dokumentarische Programm des Erzherzogs aber musste weitergehen. Er übergab Loders Skiz-zen und Aquarelle zur Fertigstellung dem bereits erfolgreichen Maler Thomas Ender, der sein letzter Kammermaler wurde. Ender reiste ab 1829 zwanzig Jahre umher und schuf nach einem systematischen Plan ein wichtiges Gesamtwerk österreichischer Ansichten. Einen so engen Kontakt wie Loder er-reichte jedoch kein anderer Maler, auch begründet in der Tatsache, dass sich Johann immer mehr von den Wanderungen zurückzog und durch seine wirt-schaftlichen Vorhaben sesshafter geworden

Bettina Messner

war. li.: Anna und Erzherzog Johann, im Hintergrund sein Radwerk in Vordernberg. Anna ist im Vordergrund sitzend mit einer jüngeren Schwester dargestellt. Die Kleine reicht dem Erzherzog, der aufrecht im Hinter-grund steht, einen Blütenkranz. Neben Anna befindet sich ein Korb mit Rosen als Sinnbild der Liebe, und mit Lilien, die für die Unschuld stehen. Hinter Anna bildet eine Ranke ein Oval, das ein J., das Monogramm des Erzherzogs, umschließt. Johann wird dargestellt auf dem Weg von der sachlichen Arbeit, seinem Radwerk im Hintergrund, zu Anna, seiner Liebe und Gefühlswelt: Nur noch eine letzte Hürde, in Form einer Holzlatte, die die Felsen überbrückt, trennt ihn von den freudig Wartenden. Johann gleicht einer Erscheinung. In dieser Zeit wurde das heute noch vorherrschende „Idealbild“ des Erzherzogs im grauen Rock geprägt. Die Szene wird zum Abbild romantischer Gefühlsstim-mungen, die realistisch geschilderte Landschaft spielt hier nur eine Nebenrolle.

mi.: Abschied beim Gatter ober der Traunmühle1819 war Johanns erste Begegnung mit Anna bei einer Wanderung. Das Bild zeigt den Abschied nach der ersten gemeinsam verbrachten Zeit. Johann und Anna reichen einander die Hände, hinter Anna stehen drei Freundinnen, hinter Johann seine Begleiter. Die Szene ist eingebettet in eine realistische, klare Naturschilde-rung. Der wichtigste Moment, die Berührung der beiden Liebenden, wird durch natürliche Elemente, die dahinter ersichtliche Baumgruppe, optisch hervorgehoben.1823 gestattete der Kaiser seinem erzherzoglichen Bru-der, die bürgerliche Anna zu heiraten. Doch Intrigen-spiele des Hofes vereitelten durch Rufschädigungen den Plan. Johann griff seinerseits zu einer List: Er stellte Anna als Haushälterin für sein Wohnhaus in Vordern-berg ein. Nach sechs Jahren wurde ihm die Heirat doch noch gewährt.

re.: Anna und Johann auf dem Gipfel des ErzbergesAb 20. September 1823 lebte Anna als Haushälterin beim Erzherzog. Am 1. Oktober gehen die beiden allein auf den Erzberg. Die Darstellung der beiden Gestalten auf dem überdimensionalen und steinigen Erzberg, schon auf einem Gipfel, aber noch nicht beim Gip-felkreuz, spiegeln ihre Gefühle wider: Auch wenn die ersehnte Hochzeit nicht stattfinden kann, können die Liebenden doch gemeinsam ihre Zeit verbringen. Die detaillierte Naturschilderung jedoch überragt und über-dauert die menschliche Geschichte.

Literatur, (in Auswahl):Walter Koschatzky, Erzherzog Johann. Die Kammer-maler, Ausstellungskatalog, Galerie und Auktionshaus Hassfurther, Wien 1996.Inge Schwarz, Einleitung. Aus dem Stammbuch der Anna Plochl. Faksimile-Wiedergaben im Originalformat, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1982.

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Page 42: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

42 steirische berichte 1-2 /09

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Erzherzog Johann und die (Volks-)Musik

Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859) war der einfachen Bevölkerung Zeit seines Lebens ver-bunden. Diese Haltung dürfte er von seinem Vater Leopold (1747–1792) übernommen haben, der mein-te, für einen Regenten sei es wichtig, „sich leutselig zu verhalten, ohne Unterschied alle Leute zu grü-ßen, auch die Angehörigen des niederen Volkes, […] bei den Volksfesten zu erscheinen, […] den Tanz-festen“.(1) Getreu dieser „Weisung“ notierte Johann etwa am 31. August 1817: „In der Scheuer war ein Bub der schlecht leierte, da tanzten wieder andere, kurz alles war herzlich lustig. Ich sah mit Vergnü-gen zu, da ich diese Leute sehr gern habe.“(2)

Angeregt von frühen volkskundlichen Beschreibungen wie einer ähnlichen Aktion in Frankreich ließ Johann imJahre 1811 eine landesweite Bestands-aufnahme durchführen. Dazu wurden Fragenentwürfe an sämtliche steyer-märkische Werbbezirke zum Behufe einer physikalischen Statistik dieses Landes mit etwa 90 Fragen zu den Themen Topographisch-Politisches, Physikalisch-Naturhistorischesund Medizinisches, Forstwirt-schaftliches, Ökonomisches,

Montanistisches sowie Kommer-zielles verschickt. Im ebenfalls abgefragten BereichReligiös-Sittliches wurde besonders auf die „Be-schreibung vorzüglicher Lieblingsunterhaltungen und Vergnügungen, ländlicher Spiele und der-gleichen des Volkes, mit Mitteilung der gewöhn-lichsten oder jedem Ort eigenen Volksgesänge, Nationalmelodien, womöglich mit beigefügter Musik, der Tänze u. a. m[it] Angabe der üblichen musikalischen Instrumente“ Wert gelegt, wobei alles genau so niedergeschrieben werden sollte, wie es die Menschen sangen und spielten. Der vor allem naturwissenschaftlich und historisch umfassend ausgebildete, aber auch von Tanzmeistern und Musikern unterwiesene Prinz interessierte sich laut eigenen Tagebucheintragungen bereits seit 1802 für das Volkslied, seine Sammlung, Verbreitung und somit auch Bewahrung; seiner Meinung nach sollte es „nicht verloren gehen!“(3)

Wertschätzung des Volkslebens

Schon mit diesem ersten Sammelaufruf bezeugte derErzherzog seine Wertschätzung des Volkslebens und initiierte zugleich eine einzigartige Dokumen-

tation der steirischen Volkskultur zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Etwa 70 Einsendungen, darunter auch reine Notenhandschriften, wurden aufgrund des Aufrufs nach Graz geschickt; sie werden heute zum Großteil im Steiermärkischen Landesarchiv verwahrt. Die Sammlung umfasst an die 3.000 Titel,darunter deutsche und steyerische Tänze, Märsche und Menuette, Liebes-, Standes-, Hochzeits- und Weihnachtslieder, die zum Teil aus dem heutigen Slowenien stammen. In den 1830er Jahren war eine Publikation des Sammelgutes geplant, für die Johann Nepomuk Geiger (1805–1880) ein Titelblatt anfertigte.Zu den bedeutendsten und umfangreichsten Einsen-dungen zählt Johann Felix Knaffls (1769–1845) Versuch einer Statistik vom kameralischen BezirkeFohnsdorf im Judenburger Kreise aus dem Jahr 1813.(4) Knaffl überlieferte hier unter anderem ländliche Bräuche und die damit in Zusammenhang stehende Musik, die er aber nicht nur so „verhunzt“ wiedergab, wie er sie gehört hatte, sondern auch in einem seiner Meinung nach „richtigen Sa[t]z“.Somit ist diese Handschrift ein wertvolles Doku-ment für die ländliche Musizierpraxis am Beginn des 19. Jahrhunderts.1819 unterstützte Erzherzog Johann die von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien unter Joseph Sonnleithner (1776–1835) österreichweit durchgeführte Volksliedsammlung.(5) Zeitgleich sandte er neuerlich eine eigene „Einladung an Schullehrer und Musikfreunde“, worin es hieß: „Es sollen alle Lieder, geistlichen oder weltlichen In-halts, als Kirchenlieder, Weihnachts-, Leichen- und Hochzeitsgesänge, Spottgedichte, Gsetzln, Gstanzelnin deutscher oder windischer Sprache mit ihrer Singweise – auch alle Tänze älterer und neuerer Zeit, Märsche, Tafelstücke u. s. w. – aufgeschrieben werden. […] Sie sollen ja nichts für zu gering oder unbedeutend oder anstößig halten, da es sich hier alles zu besitzen handelt.“(6) Dieser Sammelaufruf war nun auch mit einer „Preisverteilung“ verbunden.Im Dezember 1840 veranstaltete der Erzherzog imRahmen einer Feier für die Landwirtschaftsgesell-schaft einen „Volksmusik-Wettbewerb“, der wiede-rum die Bedeutung des Sammelns bewusst machen sollte. Ein Verzeichnis listet die aus vielen Teilen der Steiermark stammenden TeilnehmerInnen auf, darunter SängerInnen und MusikantInnen ausAussee, Rottenmann, Gröbming, St. Lambrecht, Unzmarkt, Bruck, Graz, Judenburg, Stainz und dem heute zu Slowenien gehörenden Obernburg/Gornji Grad.(7)

Page 43: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 43

Mehr oder minder bedeutende Komponisten wid-meten dem Erzherzog Stücke wie die „Alpen-Klänge“ (Josef Gungl) oder die „Erzherzog Johann! Marsch-Polka“ (Theodor F. Schild), die heute al-lerdings weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Im Gegensatz dazu werden einige der so genannten Erzherzog-Johann-Lieder(8) – einst Zeichen seiner Beliebtheit bei den einfachen Menschen – auch heute noch gerne gesungen, allen voran das be-rühmte „Wo i geh und steh“. Der Text dieser „Älp-lerballade“ wurde 1830 vom Beamten und Mund-artdichter Anton Schosser (1801–1849) in Schärding verfasst und 1849 unter dem Titel „’s Hoamweh“ in seinen Naturbildern aus dem Leben der Gebirgsbe-wohner abgedruckt; die Melodie dazu dürfte aus Tirol stammen. In seiner späteren Version mit dem kunstvollen Bravourjodler, der wiederum auf ein Wiener Flugblattlied zurückgehen könnte,(9) ist dieses Lied heute vielleicht sogar die heimliche steirische Landeshymne. Vielen SängerInnen sind aber auch einfachere Volkslieder wie das auf den vom Erzherzog erworbenen Brandhof am Seeberg gedichtete „Von der Steiermårk san ma außer“(10) bekannt, die oft das vom Prinzen geliebte Jagen und/oder die Natur thematisieren.

Die bürgerliche Kunstmusik

Erzherzog Johann bemühte sich aber auch um die damals aufstrebende bürgerliche Kunstmusik. So übernahm er 1819 das Protektorat des erst einige Jahre zuvor ins Leben gerufenen „Musikvereins von Steyermark“ und meinte dazu scherzhaft: „Wenn es nach dem Sprichworte gehet, welches sagt, wem Gott das Amt giebt, dem giebt er den Verstand, so werde ich noch ein gewaltiger Virtuos werden, und wenn nicht auf irgend einem aus-gezeichneten Instrument, doch vielleicht auf der Maultrommel oder dem Hackbrettel.“(11) Womit wir wieder bei der Volksmusik gelandet wären. Eva Maria Hois

(1) Zitiert nach Hans Magenschab: Erzherzog Johann. Bauer – Bürger – Visionär, Graz 2008, S. 22.(2) Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl: Der erste Tourist. Mit Erzherzog Johann durch die Steiermark, Graz 2003, S. 128.(3) Zitiert nach Inge Friedl und Karl Friedl: Der erste Tourist, S. 128.(4) Viktor von Geramb: Die Knaffl-Hand- schrift, eine obersteirische Volkskunde aus dem Jahre 1813 (= Quellen zur Deutschen Volkskunde 2), Berlin 1928. (5) Vgl. Klaus Petermayr: Lieder und Tänze um 1800 im Hausruckviertel aus der Sonnleithner-Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, redigiert und ergänzt von Walter Deutsch und Eva Maria Hois (= Corpus Musicae Popularis Austria- cae 18), Wien – Köln – Weimar 2006, S. 11–26.

(6) Zitiert nach Hannes Lambauer: Kommentar zum „Titelblatt zur Volksliedersammlung Erzherzog Johanns“. In: Helfried Valentinitsch (Hg.): Steiermark Archiv: Wissenschaft, Literatur und Musik, 1995 ff., STA 0350.(7) Vgl. Viktor v. Geramb: Erzherzog Johanns Verdienste um das Volkslied. In: Das deut- sche Volkslied 18, Wien 1916, S. 120.(8) Helmut Brenner: Gehundsteh Herzsoweh. Erzherzog-Johann-Liedtraditionen vor, in, neben und nach „Wo i geh und steh“, Mürzzuschlag 1996.(9) Gertraud Pressler: (Rez.) Helmut Brenner: Gehundsteh Herzsoweh. In: Michael Weber und Thomas Hochradner (Hg.): Identität und Differenz. Beiträge zur vergleichenden und systematischen Musikwissenschaft (= Musicologica Austriaca 17), Wien 1998, S. 220–226.

(10) „Der Brandhof“ wurde bereits 1833 mit drei Strophen in einer oberbayrischen Handschrift notiert. Franz Blümel veröffentlichte eine Variante in Steirerlieder, Graz 1889, S. 13, Rudolf Schwarz und Emil Seidel publizierten ihn in Steirische Volkslieder, Graz – Wien 1981, S. 22. Im Steirischen Volksliedarchiv gibt es eine Niederschrift (um 1910) von Johann Gollob (1850–1923) aus Ingering im Bezirk Knit- telfeld (StVLA Mappe 398).(11) Zitiert nach Hannes Lambauer: Die Anfän- ge des Musikvereins für Steiermark. In: Grete Klingenstein (Hg.): Erzherzog Johann von Österreich. Beiträge zur Geschichte seiner Zeit. Katalog zur Landesausstellung 8. Mai bis 31. Oktober 1982, Schloß Stainz, Graz 1982, S. 271.

Titelblatt derErzherzog-Johann-Sammlung vonJ. N. Geiger,Volkskundemuseum.

Page 44: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

44 steirische berichte 1-2 /09

wissenschaft.

kunst.

kultur.

Als am 26. November 1811 die von Erzherzog Johann am 16. Juli desselben Jahres unterfertigte Stiftungsurkunde für das „Innerösterreichische Nationalmuseum“, das bald darauf nach seinem Gründer „Joanneum“ genannt werden sollte, im Rahmen eines feierlichen Aktes an die steirischenStände im Landtag überreicht und damit der Grundstein für die erfolgreiche Entwicklung der technisch-naturwissenschaftlichen Bildungsstätte gelegt wurde, kamen nicht nur seine umfang-reichen Sammlungen, sondern auch ein Großteil seiner privaten Bibliothek in den Besitz des Landes. So konnte noch vor Beginn der Lehrtätigkeit zu Jahresanfang 1812 die „Lese-Anstalt“ Joanneum ihren Betrieb eröffnen. Die Buchbestände, die schon in den folgenden Jah-ren durch zahlreiche umfangreiche Schenkungen meist adeliger Gönner, wie etwa der Grafen Egger, Brigido und Saurau, und ständige weitereZuwendungen durch den Erzherzog selbst einen beträchtlichen Umfang annahmen, waren von Anfang an nicht nur auf die Unterstützung des Lehrbetriebes, sondern auch auf alle geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereiche ausgerichtet. Die Joanneums-Bibliothek sollte sich entsprechend den Statuten „nicht lediglich auf das unmittelbare Bedürfnis der Lehranstalt einschränken, sondern …, da sie als eine der wichtigsten Quellen der Beleh-rung, des Unterrichtes und der Bildung überhaupt anzusehen ist, sich auch auf andere Gegenstände erstrecken, wenn sie nur nicht gänzlich außer dem Wirkungskreis des Institutes liegen“. Betrug die Zahlder aufliegenden Journale 1812 noch 35, konnten 1844 bereits 207 Titel eingesehen werden.Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass

trotz der rigorosen Zensur während der Metternich-Ära 16 verbotene ausländische Zeitungen aufgelegt werden konnten. Der 1819 genehmigte „Leseverein am Joanneum“, der durch seinen hohen Mitglieds-beitrag und durch die große Zahl seiner Mitglieder erheblich zur Popularität und zur Bestandsver-mehrung beitragen konnte, festigte bis zu seiner Auflösung 1871 die Verankerung der Bibliothek im Bewusstsein der bildungsbeflissenen Kreise der Bevölkerung des Landes, so dass auch die Verselb-ständigung der Montanistischen Lehranstalt 1840 und der Technischen Hochschule 1864/65, die zu-nächst zu einer existenziellen Krise der Bibliothek geführt hatte, letztlich zur Identitätsfindung und weitreichenden Absicherung des Institutes beitrug. Der 1825/26 erfolgte Anbau an der Südseite des Lesliehofes wurde abgetragen; am 26. November 1893 konnte der nach den Plänen von AugustGunolt errichtete Neubau eröffnet werden, dersich von Anfang an als zu klein und wenig zweck-mäßig erwies.

Zeitgemäßes Ambiente in Sicht

Der 1948 unter der Direktion von Julius Franz Schütz herausgegebene Führer der Landesbiblio-thek vermerkt lapidar, dass das Bibliotheksgebäude „in den letzten Jahren so unzureichend geworden (ist), dass ein Neubau oder eine Erweiterung immer dringender nötig wird“. Mehr als sechzig Jahre danach steht die Steiermärkische Landesbibliothek nun vor der Realisierung dieses Projektes, das allein im Hinblick auf die Bestandszahlen jeder allfälligen Kritik trotzen kann: 1827 wies die Bib-liothek 20.000 Bände auf, um 1900 etwa 145.000, 1937 etwa 300.000, und gegenwärtig sind es mehr als 700.000, gelagert im bestehenden Gebäude so-wie in mehreren Außendepots. Als wissenschaftli-che Bibliothek, als eine den Bedürfnissen aller Be-völkerungsschichten gerecht werdende öffentliche Bibliothek, als Behördenbibliothek und vor allem als Bewahrerin steirischen Schrifttums wird sie nach Fertigstellung des das gesamte Joannneums-viertel umfassenden Projektes endlich wieder in einem zeitgemäßen Ambiente den Erfordernissen eines modernen Bibliotheksbetriebes und demjoanneischen Bildungsauftrag gerecht werden können.

Christoph H. Binder

Die SteiermärkischeLandesbibliothek Rückblick und Ausblick

Außenansichtder Steiermärkischen

Landesbibliothek.Foto: scheLLnegger

Page 45: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 45

In Zeiten schrumpfender Budgets zur Förderung öffentlicher Anliegen hat die Europäische Kommis-sion die finanziellen Mittel zur Förderung grenz-überschreitender Programme erneut erhöht. Wie sie dies seit Beginn dieser Förderprogramme tut und wie sie, wenn man dem derzeitigen Planungsstand trauen kann, das auch für die Zukunft beabsichtigt. Mit gutem Grund. Denn diese Programme zur Stär-kung der bilateralen und transnationalen Zusam-menarbeit sind ein Beitrag zu einem der grundle-gendsten Ziele der europäischen Union. Sie sind ein Beitrag zur nachhaltigen Friedenserhaltung. Sie ermöglichen allen Beteiligten, deren interkulturelle Kompetenz zu entwickeln, zu schulen und zu leben. Denn wir werden uns in Zukunft mit zwei auf den ersten Blick gegensätzlichen Trends auseinander setzen müssen.Auf der einen Seite wird die Globalisierung das Eigenkulturelle in jedem von uns ansprechen bzw. verstärken. Wir werden uns stärker mit einer Gruppe identifizieren und deren kulturelle Eigen-heiten pflegen und leben. Denn dies stärkt unser Zugehörigkeitsgefühl und gibt uns Sicherheit und Gelassenheit. Auf der anderen Seite werden wir herausgefordert, uns mit Mitgliedern anderer Gruppen auseinander zu setzen und darüber hinaus mit diesen erfolgreich zusammen zu arbeiten und zu leben. Dazu müssen wir diese Herausforderung als Chance, als Bereicherung sehen. Mit interkultu-rellem Verständnis und entsprechender Handlungs-kompetenz kann uns dies gelingen.

InterkulturelleHandlungskompetenz

Was ist nun interkulturelle Handlungskompetenz? Es ist die Fähigkeit, mit Menschen anderer Kultur-kreise erfolgreich zu kommunizieren und zu inter-agieren. Die Basis bildet das Kennen der eigenen Kultur und ein gesundes Maß an Selbstsicherheit und emotionaler Stabilität. Damit im Gleichgewicht sollten aber auch Kenntnisse und Erfahrungen betreffend andere Kulturen, die Fähigkeit, sich in andere zu versetzen, Offenheit und Interesse für das Andere und die Bereitschaft im gemeinsamen Interesse zu handeln, stehen. Genau diese Fähigkeiten erwerben alle, die an grenzüberschreitenden Projekten arbeiten. Sie verstehen sehr bald, dass die gemeinsamen wirt-

schaftlichen und sozialen Ziele nur dann erreichbar sind, wenn die Projekte im gemeinsamen Interesse und im guten Einver-nehmen umgesetzt werden. Und sie lernen praktisch, dass wir an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien zwar eine durch viele Jahrhunderte hindurch gemeinsame Geschichte haben, dass aber der Blick zurück sehr unterschiedlich sein kann. Zum Teil durch kollektive Wahr-nehmung und zum Teil durch individuelle Erfahrung der Geschichte. Dass wir zwei Spra-chen haben, die uns trennen, dass aber gerade Slowenien sich der Bedeutung der Mehrspra-chigkeit sehr bewusst ist und diese in der formalen Bildung eine große Rolle spielt. Dass die Geschäftsgepflogenheiten (wie man jemanden anredet, wie weit im Voraus Termine vereinbart werden, kommuniziert man per E-Mail oder Post usw.) zum Teil sehr unterschiedlich sind, dass man sie aber mit gutem Willen und vor allem Offenheit und Dialog überwinden kann. Und sie lernen vor allem, dass der Aufbau persönlicher Beziehungen den nachhaltigsten Erfolg und den größtmöglichen Nutzen bringt.

GrenzüberschreitendeZusammenarbeit

Die Programme zur Förderung der grenzüberschrei-tenden Zusammenarbeit zwischen Österreich und Slowenien gibt es seit mehreren Jahren. Sie haben den Menschen, die sich daran beteiligen, die Gele-genheit gegeben – und werden dies auch in Zukunft tun –, ihre Nachbarn und deren Lebensweise ken-nen zu lernen, sie haben zu einer schnelleren und intensiveren Öffnung der Grenze und zum Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen beigetragen. Und so kommen wir wieder zur Mission der Friedenserhal-tung zurück. Menschen, die man kennt, schenkt man leichter Vertrauen.

Sabina Cimerman

grenzenlos. Im gemeinsamen Interesse handelnGestern wie heute Herausforderung, Chance und Bereicherung

Menschen,die man kennt,schenkt man leichter Vertrauen.Foto: KK

Page 46: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

46 steirische berichte 1-2 /09

grenzenlos. Erzherzog JohannWein & KulturreiseAuf den Spuren des Erzherzog Johann von Stainz nach Maribor

Im Erzherzog Johann Gedenkjahr 2009 bietetdas Weinland Steiermark seinen Gästen eine Spurensuche.Gemeinsam mit dem Tourismusverband Maribor führt man – entlang von steilen Weingärten und durch Hopfenäcker – auf eine Reise durch die Weinbauorte und damit auch durch die Geschichte des Weinbaus in der Steiermark und in Slowenien.Wir starten in Stainz (Schloss Stainz mit Jagd-museum und Sonderausstellung Erzherzog Johannoder Besuch bei den Traditionswinzern) im Wein-baugebiet Weststeiermark und lassen uns auf unserer Reise durch ein Stück weinbäuerliche Kul-tur führen. Wie damals zu Zeiten des Erzherzogs –ohne Grenzen auf der Suche nach Traditionen und besonderen Menschen. Auf der Reise Richtung Süden machen wir Halt in Kitzeck im Sausal. Im Weinbaumuseum vor Ort wird vor allem die weinbäuerliche Lebens- und Wohnkultur längst vergangener Tage anschaulich präsentiert. Ein Wein, der den Namen „Steirische Hoheit“ trägt, zeugt in Kitzeck von großer Hochachtung, zumal ja immer nur der beste Wein des Jahrganges unter Steirischer Hoheit auf den Markt kommt.Die Spurensuche führt uns weiter an die Südsteiri-sche Weinstraße. Hopfenanbau in Leutschach, ein Weinmuseum im Schloss Gamlitz, welches viele Fragen zum Thema Erzherzog Johann und den Weinbau in der Steiermark beantworten wird, und die Erzherzog Johann Weine in Ehrenhausen sindhier unsere Stationen. Immer begleitet von bezau-bernden Landschaften, ausgezeichneten Weinen und kulinarischen Besonderheiten (z. B. Gerichte aus dem Anna Plochl Kochbuch in Abels Wirtshaus).

Kultur und Kulinarik hier und dort

Über Spielfeld begeben wir uns ins Pößnitztal, wo wir zum Beispiel beim Gasthaus Siker einkehren. Das Gebäude wurde 1870 errichtet, im eigenenMuseum kann man ländliche Transportmittel und bäuerliche Arbeitsgeräte besichtigen.

Nun geht es weiter nach Maribor. Die Stadt ist von Weingärten umgeben wie selten eine Hauptstadt und liegt direkt an der Drau. Das Haus zur alten Rebe am Lend mit der neuen Vinothek gehört zu den „musts“ bei der Weinkulturreise. Ebenso wie ein Besuch des Regionalmuseums.Unser nächstes Ziel ist das, von Erzherzog Johann1822 gekaufte, Gut in Meranovo, wo er ein Muster-weingut errichten ließ, welches nachhaltigen Einfluss auf den steirischen Weinbau hatte. Auf dem Anwesen steht das schöne ehemalige Wohnhaus mit Weinkeller. Erzherzog Johann ist es zu verdanken, dass wir heute einerseits auf eine Vielzahl an schriftlichen Aufzeichnungen zum Thema Weinbau aus seiner Zeit zurückgreifen können, andererseits aber auch durch seine Aktivitäten wie zum Beispiel dieErrichtung einer Rebschule auf eine besondere Weinbautradition zurückblicken können.Zurück in die Steiermark über Svecina – zumBeispiel um die Weinbauern Gaube, Kuster und Valdhuber zu besuchen, oder ein Abstecher nach Sveti Urban – um die Aussicht zu genießen, die auch den Erzherzog damals „Wunschlos glücklich in einem verzauberten Land“ sein ließ …www.weinkulturreise.at

Claudia Pronegg-Uhl

Bild links:Unterwegs mit

Erzherzog Johanndurch das

Weinland Steiermarkund Slowenien.

Bild rechts:Das Haus zur

alten Rebe am Lendin Maribor mit

neuen Vinothek.

Fotos:erzherzog Johann

wein & KuLturreise

Page 47: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 47

Gradec–Marburg

Foto links: Bgm. Siegfried Naglund dessenMarburger Kollege Franc Kanglerzeigen sich erfreut bei der Auftaktveranstaltung in Maribor.

Foto rechts: Breda Kolar Sluga (links), Peter Pakesch und Fabian Wallmüller (rechts) präsentieren stolz die Veranstaltungsreihe Gradec-Marburg.

Fotos: Lunghammer

suJet: Landesmuseum Joanneum

grenzenlos.

71,8 Kilometer oder 61 Minuten Zugfahrt: Diese Kleinigkeit trennt Graz und Maribor, und dennochscheint die gefühlte Distanz ein Vielfaches zu betragen. Dabei bilden die beiden Städte eine der am schnellsten wachsenden Regionen an der ehe-maligen Ost-West-Grenze Europas. Vorstöße, diese Distanz zu verringern, gab es in der Vergangenheit bereits zuhauf. 1987 unterzeichneten der damalige Grazer Bürgermeister Alfred Stingl und der Prä-sident der Bürgerversammlung von Maribor, Emil Tomazic, eine Städtepartnerschaftsurkunde mit dem Ziel, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den BürgerInnen beider Städte nicht nur zu erhalten, sondern weiter zu vertiefen. Mit der 2001 gegründeten Europa-Region (Euregio) Graz-Maribor setzte man einen weiteren Schritt in der Zusammenarbeit. Entwicklungshemmnisse auf beiden Seiten sollten abgebaut, Netzwerke von Beziehungen zwischen den Gemeinden, der Wirt-schaft, den BürgerInnen, Vereinen und Verbänden aufgebaut werden.Und die Technologieachse, die sich in den letztenJahren zu einer Dachmarke für technologieorien-tierte Kooperationen entwickelt hat, zeigt vor allem die wirtschaftlichen Chancen auf, die eine grenz-überschreitende Verbindung mit sich bringt.

Im Hinblick auf das bevorstehende Kulturhaupt-stadtjahr Maribor 2012 gibt es nun endlich auch auf kultureller Ebene eine neue Initiative: MitGradec – Marburg möchte Joanneum-Intendant Peter Pakesch in Kooperation mit dem Haus der Architektur Graz und der Umetnostna galerija Maribor unsichtbare Grenzen sprengen und die Dy-namik der grenzüberschreitenden Region anhand verschiedener Diskussionen aufzeigen. Es geht vor allem darum, Erfahrungen auszutauschen und Schnittstelle, Drehscheibe und Wegbereiter für die Zusammenarbeit zwischen steirischen und slowe-nischen Kulturinstitutionen zu sein.

Interkultureller Austausch

Dass das Thema des interkulturellen Austausches auf breites Interesse stößt und viele Menschen bewegt, bewies die Auftaktveranstaltung Bürger-

meister über die Zukunft der Städte. In einer zum Bersten gefüllten Umetnostna galerija Maribor –der eigens für die Veranstaltungsreihe angemie-tete Gratis-Shuttlebus von Graz nach Maribor war binnen eines Tages ausgebucht – untermauerten die DiskutantInnen Peter Pakesch, die Leiterin der Umetnostna galerija Maribor, Breda Kolar Sluga, der Grazer Architekt Klaus Kada, sowie die Bürger-meister Siegfried Nagl und dessen MarburgerKollege Franc Kangler das Vorhaben, beide Partner-städte „mit Dynamik in die Mitte Europas hinein-zuführen“. Die Veranstaltungsreihe Gradec –Maribor jedenfalls ist ein weiterer Wegweiser auf dem Weg zu einer grenzenlosen Kulturlandschaft.

Weitere Termine: 14. 04. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus GrazUniversitäten/Kunstakademie

12. 05. 2009, 19:00 Uhr,Umetnostna galerija MariborTwin Cities – Metropolitanregion Graz-Maribor

09. 06. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus GrazAlternative Szenen und große Institutionen

08. 09. 2009, 19:00 Uhr,Umetnostna galerija MariborAlternative Szenen und große Institutionen

13. 10. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus GrazKulturhauptstadt 10. 11. 2009, 19:00 Uhr, Umetnostna galerija MariborUniversitäten

15. 12. 2009, 19:00 Uhr, Kunsthaus GrazBürgermeister über die Zukunft der Städte

Für alle Diskussionen, die in der Umetnostna galerija Maribor stattfinden, steht ein kostenloser Shuttlebus von Graz nach Maribor bereit. Abfahrt ist jeweils um 17:00 Uhr vor dem Kunsthaus Graz.Wir bitten um rechtzeitige Anmeldung.

Kontakt: Tel.: 0316 / 8017 - 9238

Page 48: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

48 steirische berichte 1-2 /09

20. Jänner 1782Johann kommt in Florenz zur Welt.Sein Vater ist Großherzog in derToskana, wo er als volksnaher, aufge-klärter Fürst regiert. Seine Mutter ist die spanische Infantin Maria Ludovika.Er verlebt seine frühe Kindheit im mächtigen Palazzo Pitti.

14. Juli 1789In Paris bricht die Französische Revolu-tion aus. Sie rüttelt an der Herrschaft der großen Fürsten. Aus Untertanen sollen freie Bürger werden. In Europa beginnt eine lange Periode von Unruhe und Krieg.

1790In Wien stirbt Kaiser Josef II., Johanns Vater wird als Leopold II. römisch-deutscher Kaiser. Der achtjährige Johann kommt an den Hof in Wien.

1792Johanns Vater und Mutter sterben.Sein ältester Bruder Franz wird Kaiser und ist für die Erziehung des zehn-jährigen Waisenkindes zuständig. Die glückliche Zeit von Johanns Kindheit ist vorbei.

1793Die Revolution in Paris radikalisiert sich. König Ludwig XVI. wird enthaup-tet. Auch die Königin Marie Antoinette, Johanns Tante, endet vor der Volks-menge unter der Guillotine. Ab den neunziger Jahren gibt es Krieg zwischen Frankreich und europäischen Koalitionen. Ein junger General steigt wieein Meteor auf: Napoleon Bonaparte.

Er stabilisiert in Paris die Revolution und führt im Namen der neuen Frei-heiten Krieg gegen halb Europa.

1800Der dynastischen Tradition ent-sprechend muss Johann das Kriegs-handwerk lernen, das er wenig liebt. Als junger Erzherzog wird er gegen eine französische Armee in denKampf geschickt. Seine Truppenwerden in einer blutigen Schlacht bei Hohenlinden, östlich von München, geschlagen.

1804Napoleon krönt sich in Paris zumKaiser der Franzosen. JohannsBruder Kaiser Franz II. begründet das österreichische Kaisertum.

1806Franz II. legt in Wien die deutsche Kaiserkrone nieder und bleibtals Franz I. Kaiser von Österreich.

grenzenlos. Was geschah jenseits der steirischen Grenzen?

Im folgenden Kalender soll in sehr gedrängter Form an Personen und Ereignisse jenseits der steirischen Grenzen erinnert werden, die für die Beurteilung Erzherzog Johanns, seiner Persönlichkeit und seines Wirkens von Bedeutung sind.

Flor

enz

Fo

to:

shu

tter

sto

cK

Bild: Die Krönung Napoleons in Notre Dame (1804), Gemälde von Jacques-Louis David

Page 49: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 49

1809Österreich schließt nach einem verlore-nen Krieg Frieden mit Frankreich. Johann sympathisiert jedoch mit Tirol, das sich gegen die Franzosen und ihre bayrischen Vasallen, die dieses Land besetzt halten, erhebt. Johann unter-stützt den Aufstand, der nach anfäng-lichen Erfolgen zusammenbricht und mit der Hinrichtung Andreas Hofers in Mantua endet.

1809–1814Territorien in Kärnten, im heutigen Slowenien, in Kroatien und Italien bis nach Triest werden als Illyrische Pro-vinzen Teil des Französischen Empire. Fünf Jahre lang grenzt die Steiermark direkt an Frankreich.

1810Napoleon ist mehr oder weniger Herr über den Europäischen Kontinent. In Wien verbietet der Kaiser seinem Bruder Johann, das geliebte Land Tirol zu betreten, um nicht neue Schwierig-keiten mit Napoleon zu bekommen. Ein Glück für die Steiermark – Johann wendet ihr sein Interesse zu. Im Zugeiner politischen Annäherungzwischen Wien und Paris heiratet Napoleon Johanns Nichte, Marie Louise von Österreich, Tochter des Kaisers.

1811Erzherzog Johann stiftet seine Samm-lungen den Steirischen Landständen. Das ist der Gründungsakt des Joanne-ums als einer Stätte von Wissenschaft und Forschung, die sich später in meh-rere Richtungen verzweigt. Er beginnt sein Aufbauwerk in der Steiermark im Sinne von Vorbildern in Frankreich und in England. Es geht um neue Bil-dung, neue Technik, neue Wirtschaft.

1812Es gibt wieder Krieg. Napoleon ist der erste europäische Politiker, der an der Illusion, Russland militärisch besiegen und erobern zu können, scheitert. Sein Stern beginnt zu sinken und geht schließlich in der Verbannung aufSt. Helena unter.

1815Der Wiener Kongress beendet ein Vierteljahrhundert von Kriegen und Konflikten in Europa. Die Dynastien können aufatmen, wenngleich die Ideen der französischen und engli-schen Aufklärer weiterwirken. Johann folgt diesen Visionen nicht politisch, wohl aber ist er vom neuen Ideal des Fortschritts überzeugt: „Unaufhör-liches Fortschreiten ist das Ziel des Einzelnen, jedes Staatsvereins, der Menschheit.“Jahrzehntelang leistet Johann in der Steiermark Großes als Gründer eines für seine Zeit modernen Landes. Er holt sich Informationen in weiten Reisen, besonders aus dem England der frühen Industriellen Revolution.

Metternichs Polizei beobachtet miss-trauisch Johanns Wirken. Er bleibt jedoch loyal und gehorsam gegenüber seinem kaiserlichen Bruder, später auch gegenüber seinem Großneffen, Kaiser Franz Joseph. Er ist der Katholischen Kirche verbunden. Zugleich wird sein Wirken aus zwei großen Zeitströmun-gen verständlich: einerseits aus der Vernunft der Aufklärung, andererseits haben seine Liebe zur Natur und seine Zuneigung zum einfachen Volk auch ihre Wurzeln in Rousseaus „Zurück zur Natur“ und in der Romantik.

1848Wieder bricht in Paris eine Revolutionaus, die auf Europa, auch auf Wien übergreift. Politische Kräfte in Deutsch-land hoffen nach dem Vorbild der französischen Nation auf ein einiges Deutsches Reich. Eine Nationalver-

sammlung wählt in Frankfurt Erz-herzog Johann in Abwesenheit zum Reichsverweser, das heißt zum vorläu-figen Inhaber der Zentralgewalt in der Erwartung, dass sich unter seinem Vorsitz deutsche Einheit konstituie-ren möge. Ein unlösbares Vorhaben angesichts der auseinanderstrebenden Interessen Preußens, anderer deutscher Fürstentümer und des Vielvölkerreichesder Habsburger, mit dem Hintergrund sozialer Spannungen zwischen Aris-tokratie, Bürgertum, Bauernstand und aufsteigender Arbeiterschaft.

1849In die Steiermark heimgekehrt, wirkt Johann weiter in seinem Land und ist sich nicht zu schade, auch als gewählterBürgermeister in Stainz für das lokale Gemeinwesen zu wirken.

11. Mai 1859Erzherzog Johann stirbt in Graz in dem von ihm errichteten Palais Meran.

1869Heimkehr in seine frühe Liebe Tirol. Überführung aus dem Mausoleum Graz zur Grabstätte in Schenna bei Meran.

Kurt Jungwirth

3 Fotos: KK

grenzenlos.

Fürst Metternich

Das Mausoleum des Erzherzogs in Schenna, Südtirol

Page 50: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

50 steirische berichte 1-2 /09

grenzenlos. Andreas HoferJunge Stimmen zum„Freiheitshelden“ der Tiroler

Vor bald 200 Jahren, am 20. Februar 1810, starb Andreas Hofer, der Wirt am Sand aus Passeier. Er wurde auf Befehl Napoleons zum Tode verurteilt und in der Festung zu Mantua erschossen. Damit wurde ein endgültiger Schlussstrich unter dieAufstandsversuche der Tiroler gegen die napoleo-nisch-bayrische Fremdherrschaft gezogen. Für Jahre versank das Land in Depression und Armut.Der 14jährige Tobias aus der Mittelschule St. Leon-hard in Passeier, dem Heimatort Hofers, schreibt: Wir, als Passeierer sollten ihn nicht vergessen, er ist unser Denkmal. Inspiriert durch die beginnenden offiziellen Feier-lichkeiten zum 200jährigen Gedenkjahr an die Freiheitskämpfe der Tiroler widerspiegelt dieseAussage die Meinung vieler Jugendlicher. Keine andere historische Persönlichkeit im Lande ist ihnen mit seinem Namen und Aussehen so vertraut wie der Sandwirt Andre Hofer. Er war und ist der Inbegriff für die männliche Tapferkeit, die bereit ist, auch in den Tod zu gehen, aber auch für die unkritische, gottesfürchtige, loyale Ergebenheit seinem „angestammten“ Kaiserhaus Österreich gegenüber. Dieser Wert der Treue derpolitischen und religiösen Institutionen gegenüber ließ Hofer für die Tiroler Nation bis heute unsterblich werden.Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde besonders dieser Wert herangezogen, um Hofer miteinem glorifizierenden Mythos zu umgeben, der ihn zum „wahren Tiroler“ hochstilisiert. Im Gedenken an sein schicksalhaftes Leben ver-fehlt er bis heute nicht seine Wirkung. Die Gefahr der Vereinnahmung durch parteipolitisches, rechts-orientiertes, populistisches Gedankengut ist heute wieder sehr groß.Besonders männliche Jugendliche auf der Suche nach verbindender Gemeinschaft erliegen ihr leicht, denn das „gemeinsame harte Schicksal“ – für wel-ches „unser Hofer“ steht – schweißt zusammen.So zeigt sich unter den Jugendlichen ein indif-ferentes Bild über den Helden. Das historische Faktenwissen ist sehr oberflächlich und beschränkt sich oft auf verzerrende, unreflektierte Episoden aus Hofers Leben.

Verrat Hofers

Eine besondere emotionale Betroffenheit löst auch bei den Jugendlichen der Verrat Hofers durch einen „unguten“ Landsmann aus. Die Gestalt des Verräters

Franz Raffl ist historisch belegt, wurde aber in be-sonders moralisierender Weise in einen religiösen Kontext gebracht. Dabei war die mentale NäheHofers zur Jesusgestalt beabsichtigt. Die Betroffen-heit über dieses verwerfliche Tun verfehlt auch heute nicht ihre erzieherische Wirkung.Die Gefahr einer unreflektierten Zuordnung zu Gutund Böse, wobei Hofer das unerreichbare und makellos Gute versinnbildlicht, ist groß. Dadurch wurden der einhaltlosen Mystifizierung keine Grenzen gesetzt. Deshalb ist es heute an der Zeit, ein objektives, historisches Bild von Hofer, seinen Mitstreitern und seiner Zeit zu vermitteln.Im Heimattal Hofers ist die Ahnung über seinen Charakter und seine Beweggründe lebendig und nachvollziehbar, weshalb es wie ein gutes Omen anmutet, dass hier die wissenschaftlichen Impulsemit der neu gestalteten Dauerausstellung „Helden&Hofer“ im Museum Passeier aufgegriffen und umgesetzt werden. Die Ausstellungseröffnung fandam 21. Februar 2009 statt.Ein objektiveres Geschichtsbild in Bezug auf dasJahr 1809 und seinen „Helden“ tut Not, um ihm nach200 Jahren Verzerrung die ihm gebührende objek-tive, persönliche Erinnerung zukommen zu lassen. So kann auch bei den Jugendlichen wieder Interessean seiner Person und seiner Zeit geweckt werden. Die 13jährige Sandra meint: Ich finde es schön, dasszum 200jährigen Jubiläum so viel von ihm geredet wird, obwohl es mich nicht so viel interessiert. Aber vergessen sollte man ihn nicht. In der Schule soll man schon etwas von ihm gelernt bekommen.

Kreidezeichnungvon Placidus Altmutter

(1780–1819) Foto: KK

Rechts: Andreas-Hofer-Gedenktafel

von 1909 am Goldenen Adler

in Innsbruck.Foto: Jaritz

Page 51: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 51

Glorifizierendes Bild

Das unwirkliche, glorifizierende Bild Hofers trug in den letzten Jahrzehnten in intellektuellen Kreisen und auch in der Schule dazu bei, ihn durch Verdrän-gen zu vergessen. Der aufdringliche Anachronismusrief nicht selten eine abweisende, peinliche Beschä-mung hervor.So verlor sich auch das Wissen um Hofers 41 Le-bensjahre vor dem Aufstandsjahr 1809, welches ohnehin nur spärlich historisch belegbar ist. Einen wichtigen Beitrag dazu wird die vom jungen Histo-riker Andreas Oberhofer verfasste Biografie leisten. Damit kann allmählich auch im Geschichteunter-richt ein Umdenken zu Gunsten unseres „armen Helden“ geschehen.Denn ob wir es wollen oder nicht, Hofer bleibt eine höchst politische Identifikationsfigur im Lande, die auch weiterhin zur trennenden Polarisation der Gesellschaft im dreisprachigen Südtirol oder zum gemeinschaftlichen Verständnis der sozialen, wirt-schaftlichen und politischen Beweggründe aller Beteiligten der damaligen Zeit, wie auch heute, beitragen kann.Wissen schafft Interesse bei den Jugendlichen, undso glaubt auch Lisa: Wenn ich vielleicht mehr wüss-te, einen Film gesehen oder Bücher gelesen hätte, würde mich sein Leben mehr interessieren!Hofer war 1767 am Sandhof geboren worden, verlor früh seine Mutter und den Vater, lernte leidlich lesenund schreiben und übernahm, nachdem er Anna Ladurner aus Algund geheiratet hatte, als einziger Sohn das Wirtshaus am Sand. Zuvor hatte er, wie in Bürgersfamilien in Tirol üblich, einige Jahre als Lehrjunge am italienischen Nonsberg verbracht und lernte dabei die italienische Umgangssprache und Sitten. Dieses Wissen kam Hofer als Wein- und Viehhändler, der rastlos viel im ganzen Lande un-terwegs war, sehr zugute.Dieses historisch-biografische Wissen, von den Italienischlehrerinnen aufgegriffen und in den Unterricht eingebaut, blieb bei den Jugendlichen in lebendiger Erinnerung. Es widerspiegelt eine real-wirtschaftliche, soziale Offenheit unseres „Helden“, welche ihm im Hinblick auf seine deutschnationale Vereinnahmung nicht zugestanden worden wäre.Es kann einen kleinen Beitrag zu einer etwas gelös-teren Haltung vieler Jugendlicher im Erlernen der zweiten Landessprache leisten. Hofer, Vater von fünf Kindern, war ein leutseliger und gottesfürchtiger Mann mit einem imposanten Äußeren, der es mit seinem charismatischen Wesen verstand, seine Landsleute zu begeistern. Er bekam mit ihnen den wirtschaftlich-politischen Nieder-gang des Landes in der bayrischen Verwaltungszeit zu spüren. Wagemutig, und auf die Hilfe des öster-reichischen Kaisers vertrauend, ließ er sich vonden schwärmerischen Ideen des Freiheitskampfes

für sein Land Tirol begeistern. Durch den jungenErzherzog Johann an ihn herangetragen, wurde erzu dessen politischem Instrument. Er war der füh-rende Kopf, der die Aufstandspläne im Geheimen unter die Leute brachte, der die Tiroler Schützen als ernannter Oberkommandant in die Schlachten führte und der für zwei Monate die Landesregent-schaft in der Innsbrucker Hofburg übernahm.Er war eine gute und überzeugende Wahl für das Land gewesen. Mit seinem einfachen und ehrlichen Wesen verkannte erim Herbst des Jahres 1809 nun aberdie kriegspolitische Realität Europas,zumal Tirol darüber durch die öster-reichische Regierung in Wien lange Zeit im Unklaren gelassen wurde(Friedensschluss vom 14. Oktober in Schönbrunn).In seinem Bestreben, es allen rechtmachen zu wollen, ließ er sich durch radikale und starrköpfige Gruppen zu Fehlentscheidungen ver-leiten. Im zu späten Erkennen derselben entschied er, die gottergebene Buße für sein Tun auf sich zu nehmen und dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Trotz allem hoffte er bis zum Ende auf eine unwirk-liche Hilfe von seinem Kaiser Franz.

Zuviele Opfer

Nachdem die letzten Kämpfe im Passeiertal blutig zuEnde gegangen waren und das Tal endgültig mitfranzösischen Truppen besetzt wurde, floh er bis zu seiner Verhaftung am 29. Jänner 1810 auf die Pfand-ler Alm, nicht weit von seinem Sandhof entfernt.So hat Hofer dazu beigetragen, die Kampfhandlun-gen seiner Tiroler unnötig zu verlängern, wodurch die Zahl der Toten um ein Vielfaches anstieg.All zu oft wird auch heute noch diese Endphase desAufstandsjahres als tapferer Freiheits- und Verteidi-gungskampf der Tiroler dargestellt und die Sinn-losigkeit jeder kriegerischen Auseinandersetzung mit dem damit verbundenen menschlichen Elend nicht wahrgenommen.Er hat für sein Land gekämpft, deswegen ist er auch so bekannt, schreibt David. Judith meint:Ich weiß nicht ganz genau, ob er es war, der dasHerz-Jesu-Feuer erfunden hat, damit Gott ihm hilft, den Kampf gegen Napoleon zu gewinnen.Die Zerrbilder seiner Heldengestalt zu hinterfragen, wird die Aufgabe der Zukunft sein. Damit er zueiner identitätstiftenden Gestalt für junge Menschenwerden kann und Tobias sagen kann: Ich freue mich, dass es ihn gegeben hat, damit Passeier auch einmal bekannt wird. Monika Mader

Weiterführende Informationen zum Andreas-Hofer-Gedenkjahr 1809-2009:www.museum.passeier.it, www.1809-2009.eu

Andreas Hofers Erschießung am20. Februar 1810 in Mantua in Oberitalien,nachdem er aufder Pfandleralm in Südtirol gefangen genommenworden war.Foto: KK

grenzenlos.

Page 52: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

52 steirische berichte 1-2 /09

grenzenlos. Der Zufall machte ihn zum Prinzen der Steirer

Weit über die grüne Mark hinaus weiß man um die Verdienste des Erzherzogs für sein geliebtes Steirerland, doch weniger bekannt ist der von Zufällen geprägte Weg zu dieser ungewöhnlichen Liebe.

Johann Baptist von Habsburg-Lothringen, besser bekannt als Erzherzog Johann von Österreich oder als „steirischer Prinz“, erblickte am 20. Jänner 1782im Palazzo Pitti in Florenz das Licht der Welt. Sein Vater, der Großherzog Leopold von Toskana, warein Sohn Maria Theresias. Maria Ludovica von Bourbon-Parma, seine Mutter, war die Tochter König Karls III. von Spanien, und schenkte 16 Kindern das Leben. Johann war das 13. Kind der beiden. Seinen Namen verdankte Johann dem Stadtpatron von Florenz, Johannes dem Täufer. Die Taufpaten waren ein armer Florentiner Bürger und ein Kapuzinermönch. Seine Kindheit verbrachte Johann teilweise auf den Lustschlössern der Familie in der Toskana und im Palazzo Pitti, unweit der herrlichen Boboli-Gärten. Somit stellte die Natur schon von Kindesbeinen an ein wichtiges Element im Leben des späteren Erzherzogs dar.

Die Jugendjahre des Prinzen

Erst im Alter von fünf Jahren erlernte Johann die deutsche Sprache, bis dahin sprach er Italienisch und Französisch. Mit sechs Jahren erhielt er von unterschiedlichen Personen Unterricht. Neben Pädagogen übernahmen auch frühere Heeresan-gehörige die Erziehung des Prinzen und gaben ihm Einblicke in naturwissenschaftliche und physika-lische Bereiche. Mit dem Tod Kaiser Josephs II. übernahm Johanns Vater Leopold 1790 die Kaiserkrone, und die Familiemusste nach Wien übersiedeln. Bald darauf starben Johanns Eltern, und der junge Erzherzog lernte die

strenge Schule seines um 14 Jahre älteren Bruders Franz kennen, der zum deutschen Kaiser gewählt wurde. Er ließ seine jüngeren Geschwister unter-richten; Strenge statt Zuwendung und Liebe standennun an der Tagesordnung.Graf Mottet, ein gebürtiger Schweizer, weckte in Erzherzog Johann die Liebe zu den Naturwissen-schaften, aber auch Geschichte und Geografie warenseine Lieblingsfächer. Mit Johannes von Müller, einem Schweizer Historiker, bahnte sich eine enge Freundschaft an. Früh wurde bereits der Grundsteinfür die Naturverbundenheit und das Interesse am Leben der einfachen Menschen gelegt. Die aufgeklärten Ideen, die Johann aus Florenz mit-gebracht hatte, hatten keinen Platz am Wiener Hof,denn seine Ausbildung war vor allem auf die militärische Ebene fixiert. Sein Bruder, Kaiser Franz, war von der französischen Revolution 1789 geschockt und versuchte, das Land durch die Wirren der Napoleonischen Kriege zu führen. Die Bevölkerung erlebte dies durch strenge Zensur und Eingriffe in das Privatleben.Mit 18 Jahren übertrug der Kaiser seinem jüngeren Bruder die Aufgaben eines Armeekommandanten.Dieser kaum gewachsen, verlor Österreich die Schlacht bei Hohenlinden in Bayern (1800). Die Schuld wurde Johann gegeben, obwohl er nurformell den Oberbefehl hatte.Der militärische Unglücksfall mündete 1801 in Johanns Ernennung zum „Generaldirekteur des österreichischen Fortifications- und Geniewesens“. In dieser Funktion konnte er das Land bereisen und Leute und Natur studieren, wonach er schon immer gestrebt hatte. Er wollte in Tirol seine Ideen, die auf dem Regierungskonzept seines Vaters aufbauten, verwirklichen. Doch wieder kam es anders, Johann unterstützte Andreas Hofer im Freiheitskampf um Tirol. In der Schlacht bei Wagram erlitt Österreich1809 jedoch eine entscheidende Niederlage gegenNapoleon, und der Friede von Schönbrunn, samt Verlust Tirols und Übergabe des Grazer Schloss-bergs an die Franzosen, wurde geschlossen. Erzherzog Johann wurde an dieser Niederlage Mitschuld gegeben, und sein Bruder verbot ihm nach der Hinrichtung Andreas Hofers im Jahr darauf, jemals wieder Tirol zu bereisen. Einmal noch wollte Johann gegen Napoleon auftreten und Österreich und die Schweiz zu einem „Alpenbund“ zusammenspannen, um gegen Napoleon zu kämp-

Blick über Florenz, eine Stadt am Fluss

Arno, die für ihre Kunst und

Kultur bekannt ist.Foto: KK

Page 53: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

1-2/09 steirische berichte 53

fen. Doch sein Plan flog auf, er wurde beschuldigt, ein „Königreich Rätien“ gründen zu wollen, und daraufhin verurteilt. Nach dieser erneuten Nieder-lage zog er sich endgültig aus allen militärischen Angelegenheiten zurück und widmete sich fortan der Steiermark, die er aufgrund seiner zahlreichen Reisen während des Aufbaus der Landwehr kennen gelernt hatte. Bereits 1805 hatte er einen Landsitz in Thernberg in der Buckligen Welt erworben, dort konnte er nun seinen Studien nachgehen.

Voller neuer Ideen für dieSteiermark

Ursprünglich wollte Erzherzog Johann seine natur-wissenschaftlichen Sammlungen und Aufzeichnun-gen der Innsbrucker Universität überlassen, doch die angesprochenen militärischen und politischen Wendungen zwangen ihn, sich neu zu orientieren. Er erkannte, dass es in der Steiermark, genauer gesagt in Graz, lediglich ein Lyzeum, eine höhere Schule zur Ausbildung von Staatsbeamten, gab und widmete sich ab nun der Bildung und Ausbildung in der Steiermark. Er sprach mit dem Kaiser über die Idee, dem Lyzeum in Graz seine Sammlungen zu schenken und war davon besessen, ein eigenes Institut zu gründen. 1811 wurde eine Schenkungs-urkunde ausgestellt, und die ersten Kuratoren des Museums Joanneum traten ihr Amt an.Nachdem es 1815 zur endgültigen NiederlageNapoleons gekommen war, reiste Johann mit seinem Bruder Ludwig nach England und konnte dort die Erneuerungen der industriellen Revolution eingehend studieren. Heimgekommen mit einem Rucksack voller neuer Ideen, wollte er Industrie und Landwirtschaft durch eine verbesserte Ausbildung der Bevölkerung fördern.1816 kehrte Erzherzog Johann nach Graz zurück. Auf einer seiner zahlreichen Wanderungen durch das Salzkammergut lernte er 1819 Anna Plochl, Tochter eines Ausseer Postmeisters kennen. In den folgenden Jahren trafen die beiden einander immer wieder zufällig bei festlichen Anlässen und lernten sich so kennen und lieben. Anna musste nach demTod ihrer Mutter den Haushalt führen, und so konnten sich die Liebenden immer nur zu Besuchen des Prinzen im Ausseerland treffen. Im August 1822 verlobten sich die beiden auf der Ennsbrücke bei Irdning. 1822 kaufte der Prinz ein Radwerk in Vordernberg und war damit Radmeister geworden. Er holte Anna als Wirtschafterin ins Vordernberger Radmeisterhaus. Nach anfänglichem Missfallen des Kaisers gegen eine Heirat fand im Februar 1829 die kirchliche Hochzeit in der Kapelle des sich seit 1818 im Besitz des Prinzen befindlichen Brandhofes beiMariazell statt. 1834 wurde Anna zur Freifrau vonBrandhofen und 1850 von Kaiser Franz Joseph zur Gräfin von Meran erhoben.

Die beiden hatten einen Sohn, Franz Ludwig Johann Baptist, der 1839 zur Welt kam und 1845 als Graf von Meran geadelt wurde. Johannes Müller hatte Erzherzog Johann seinerzeit auf das Leben der ein-fachen Bevölkerung aufmerksam gemacht. Johann gab von 1810 bis 1840 eine Studie in Auftrag, in der er die Verhältnisse der steirischen Bevölkerung untersuchen ließ. Über ausgeschickte Fragebögen wollte er Einblick in Dinge wie Aberglaube, Brauch-tum bei Taufen, Heirat, Tod, Rebsorten, Dienstboten-lohn, Kost, Wohnhaus, Stall und Wirtschaftsge-bäude gewinnen. Pfarrer, Ärzte oder Herrschafts-verwalter nahmen sich dieser Befragung an, die zujener Zeit als einmalig galt. Das Tragen des Steirer-anzugs, der heute mehr Beliebtheit denn je genießt, drückte die Verbundenheit des Prinzen mit der steirischen Bevölkerung aus.Noch einmal, während der großen Revolution des Jahres 1848, wurde Erzherzog Johann in die Ereignisse der Weltgeschichte verstrickt. Nachdem der beliebte Habsburger kurze Zeit die Übergangs-regierung in Wien geleitet hatte, wurde er wegen seiner liberalen Anschauungen von der in Frank-furt neu einberufenen Nationalversammlung zum Deutschen Reichsverweser gewählt. Doch schon 1849 legte Johann dieses Amt nieder, um in „seine“ Steiermark zurückzukehren.Am 11. Mai 1859 starb Erzherzog Johann 78jährigin seinem Palais in Graz, dem heutigen Palais Meran. Er wurde im Mausoleum in Graz beigesetzt, 1869 überführte man den Leichnam jedoch nach Schenna (Südtirol). Auch seine 1885 verstorbene Gattin und sein Sohn Franz mit seiner FrauTheresia fanden dort ihre letzten Ruhestätten.Rückblickend betrachtet waren es seine nicht geradeerfolgreichen Verstrickungen in die damaligen Ereignisse der Weltgeschichte, die Johann zum Glücksfall für die Steiermark werden ließen, wo er letztlich auch seine wirkliche Berufung und sein persönliches Glück fand.

Patrizia D’Alessandro Verwendete Literatur (Auszug):Lieselotte Jontes, Erzherzog Johann von Österreich(1782–1859). Zum 225. Geburtstag des Steirischen Prinzen(= Universitätsbibliothek der Montanuniversität Leoben.Ausstellungskataloge 11), Leoben 2007.

Anton L. Schuller, Erzherzog Johann … und was von ihm blieb. Graz 1981.

Viktor Theiss, Erzherzog Johann. Der steirische Prinz.Zweite, erweiterte Auflage herausgegeben von Grete Klingenstein, Wien 1981.

Das Radwerk IV in Vordernberg am Fuß des Präbichl in den Eisenerzer Alpendient heute als Museum und ist dereinzige noch vollaus-gestattete Holzkohlenhochofen Österreichs.Foto: marKtgemeinde vordernberg

grenzenlos.

Page 54: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

54 steirische berichte 1-2 /09

grenzenlos.

„Wat kieckst’n so?“ Man wurde nicht alle Tage mitten auf dem Grazer Haupt-platz von einer echten Berliner Schnauzeangesprochen, und so dauerte es einen Moment, bis Bernhard Löffler merkte, dass er gemeint war. Er hatte den Mann mit dem sympathischen Bierbauch wohl ein bisschen zu offensichtlich – und zu amüsiert – angestarrt. Dessen laute Bemerkung über die Frauenfiguren, die das Denkmal des Erzherzogs Johann umringten („gleech vier Frauen auf eenmal, na, dat hätt’ ick ooch jerne!“), hatte ihn an seine ersten Tage in Graz erinnert, als er, der frisch zugereiste „Piefke“, den gleichen Anfängerfehler gemacht hatte. Bereitwillig hatte ihn einfreundlicher Grazer belehrt, dass die Frauen die vier Flüsse symbolisierten, die zu Zeiten des Erzherzogs durch das damalige Territorium der Steiermarkgeflossen seien, nur zwei davon seienauch heute noch steirisch. Damalshatten ihm diese geographischen Erläu-terungen natürlich nichts gesagt, undauch der Erzherzog war ihm kein Begriff gewesen, aber inzwischen war er bes-tens, um nicht zu sagen voll informiert.„Wat kieckst’n so?“ Bernhard zucktezusammen, als er merkte, dass er die Berliner Schnauze immer noch anstarr-te und diese das gar nicht mehr lustig fand. Seit mehr als zehn Jahren lebte er nun schon in Graz, hatte gut Fuß gefasst und auch die eine oder andere Eigenart der Österreicher angenommen (ausschließlich des Dialektes, der ihm nur bedingt von den Lippen kam), und er fragte sich, wie er damals wohl auf andere gewirkt haben mochte. Auch so forsch? Gerade in den ersten Jahren hatte es öfter mal geheißen, er müsse wohl ein Deutscher sein, wenn er, etwa bei einem Behördengang oder auch nuran der Wursttheke einen Drängler da-rauf aufmerksam gemacht hatte, dass er nun an der Reihe sei – die Deutschen, sohatte er erfahren, bestünden ja gerne auf ihrem Recht. Ab und zu traf er auf Menschen, die sofort auf die Vorzüge

der Österreicher gegenüber den Deut-schen zu sprechen kamen und ihn schönauf Distanz hielten, manche Ressenti-ments saßen eben tief. Bernhard ver-zichtete darauf, mit gleichen Geschüt-zen, sprich Vorurteilen, aufzufahren, obwohl ihm da gleich einmal ein paar eingefallen wären.Der Blick des Berliners verfinsterte sich, denn Bernhard starrte immer noch. Er wollte nicht übertreiben, anderemochten Grund zur Klage haben, er ganz sicher nicht. Er fühlte sich wirk-lich, wirklich wohl in Österreich. Die Angebote seines früheren Arbeitgebers, wieder zurück nach Deutschland zu kommen, lockten ihn nicht. Wer die schönen Seiten Österreichs kennen gelernt hatte, trennte sich schwer. Die Landschaft (wenngleich es davon in Deutschland natürlich auch reichlich gab), der Charme, die vielgerühmteGemütlichkeit – ja, die Österreicherlebten um einiges entspannter, dasKlima war weniger rau, weniger hek-tisch, man war, auch wenn man espartout nicht wahrhaben wollte, um einiges zufriedener.„Warum schauen Sie so?“ Um astreinesHochdeutsch bemüht, formulierte der Berliner die Frage neu, denn es konnteja sein, dass Bernhard ihn nicht verstan-den hatte. Weshalb war ihm der Tourist noch einmal aufgefallen? Ach ja, der Erzherzog und die Frauen. Die Steirer mochten ihn wirklich, ihren Johann, und hatten auch allen Grund stolz auf ihn zu sein. Seine nahezu rastlose Ge-schäftigkeit und sein Grenzgängertum, mit dem er sich über alle Konventionen hinweg gesetzt hatte, imponierten – und das ganz besonders in Zeiten, in denen man mit den – drücken wir es vorsich-tig aus – Irrungen der Politik nicht ganz so glücklich war.Die Berliner Schnauze schüttelte jetzt den Kopf und wandte sich ab, erfreu-licherweise war der Mann nicht „auf Krawall gebürstet“, wie man das in Deutschland umgangssprachlich gerne

ausdrückte. Nach seinem damaligen Fauxpas, als er, ganz wie der Berliner eben, die vier Frauenfiguren für die Mu-sen des Erzherzogs gehalten hatte, hatte Bernhard die Geschichte seiner Wahl-heimat aufmerksam studiert, war aber nie ganz vertraut mit ihr geworden.Es machte eben doch einen Unterschied, ob man mit der Geschichte eines Landes aufgewachsen war oder nur über sie gelesen hatte. Im Gespräch mit seinen Freunden merkte er immer wieder, dasssie im Grunde über verschiedene Dinge redeten, denn Bernhards Assoziationenwaren oft ganz andere als die seinerFreunde: Redete man über BrunoKreisky, kam ihm Willy Brandt in den Sinn, sprach man über Staatsvertrag und Neutralität, dachte er an Wiederbewaff-nung. Für ihn war der Beginn der Herr-schaft der Nationalsozialisten Machter-greifung und nicht Anschluss. Er wusste,wer die Weimarer Republik ausgerufen hatte, aber wenig über Karl Renner,und obwohl Johann als Reichsverweser der ersten gesamtdeutschen National-versammlung auch in deutschen Ge-schichtsbüchern auftauchte, war ihm der Erzherzog in diesem Zusammenhang doch eher Fußnote als Begriff.Gerade bestieg der Mann aus Berlin eine Straßenbahn, die ihn zur nächsten Grazer Sehenswürdigkeit bringen sollte. Der österreichischen Geschichte nahm es nichts von ihrer Bedeutung, dass sie Bernhard immer ein bisschen fremd geblieben war, und auch ihn hatte es nicht daran gehindert, sich hier schön langsam zu verwurzeln. Wen störte es also, wenn ein Tourist nur schaute und genoss, aber nicht wirklich wusste, wo-rauf er da blickte? Als die Straßenbahn anfuhr, jodelte er der Berliner Schnauze im Geiste noch ein „Wo i’ geh’ und steh’“ hinterher – und als der Berliner sich tat-sächlich noch einmal zu ihm umdrehte, rief er (in nicht ganz perfektem Dialekt): „Na, da schaust!“

Corinna Steinert

Vier Frauen und einZugereister

Page 55: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

Foto: suppan

Page 56: 1-2/2009 - erzherzogjohann.steiermark.at · für die Steiermark in Vergangenheit und Gegenwart gemäß ausführlich geehrt. Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge ... sche

Der steirische Prinz

Zitate: 4.b-Klasse der Volksschule Viktor Kaplanin Graz Andritz