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1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS Für Geschäftjahre ab 2005 sind die International Financial Reporting Standards (IFRS) für Konzern- abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen in Europa ansässiger Unternehmen anzuwen- den. Damit sind die IFRS für in der Bundesrepublik Deutschland ansässige kapitalmarktorientier- te Unternehmen derzeit das relevante internationale Rechnungslegungssystem. Der Begriff des kapitalmarktorientierten Unternehmens wird durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanz- rechts (BilMoG) 2 , das am 29.5.2009 in Kraft getreten ist, erstmals im deutschen Handelsgesetz- buch definiert. Nach § 264 d HGB n.F. nimmt eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft mit von ihr ausgegebenen Wertpapieren i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG einen organisierten Markt nach § 2 Abs. 5 WpHG in Anspruch. Nachdem die SEC (Securities Exchange Commission) im De- zember 2007 nach IFRS erstellte Abschlüsse für das Listing eines Unternehmens an der New York Stock Exchange (NYSE) anerkannt hat, steht der weiteren Entwicklung der IFRS als dem weltweit dominierenden System internationaler Rechnungslegung nichts mehr entgegen. In diesem Kapitel werden die für das Verständnis der IFRS erforderlichen Grundlagen darge- stellt. Zunächst wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung gegeben, die zur Entstehung und Verbreitung der IFRS geführt hat. Die Rechnungslegung nach IFRS ist nur vor dem Hintergrund der mit ihr verfolgten Zielsetzung verständlich, die von der traditionellen Rechnungslegung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) abweicht. In diesem Zusammenhang werden auch die Änderun- gen, die das HGB durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz erfahren hat, beleuchtet. Im Unterschied zum HGB, das vom nationalen Gesetzgeber beschlossen wird, werden die IFRS von einem privaten Standardsetter, dem International Accounting Standards Board (IASB), erlassen. 1.1 Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegung Die Zunahme der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen machte es notwendig, die Unternehmens- abschlüsse nach einheitlichen Kriterien zu erstellen. Die internationalen Güter- und Kapitalströ- me führten dazu, dass die Unternehmen neben den nationalen Kapitalmärkten auch die Kapital- märkte anderer Staaten in Anspruch nahmen, was durch unterschiedliche Börsenzulassungskrite- rien erschwert wurde. So verlangte die SEC bis 2007 für das Listing eines nicht in den USA an- sässigen Unternehmens an der NYSE neben einem nach den jeweiligen nationalen Kriterien erstellten Abschlusses eine Überleitungsrechnung auf die Werte, die sich bei Anwendung der US- GAAP ergeben würden. Als erstes deutsches Unternehmen wurde die Daimler Benz AG 1993 an der NYSE gelistet. Der nach HGB erstellte Konzernabschluss der Daimler Benz AG wurde von der SEC nicht als ausreichend anerkannt. Wegen der fehlenden Abstimmung zwischen den Sys- temen der nationalen (HGB) und der internationalen Rechnungslegung, war die Daimler Benz AG fortan gezwungen, jährlich einen HGB-Abschluss zur Erfüllung der nationalen Vorschriften sowie die Überleitungsrechnung auf die US-GAAP zu erstellen. Trotz der immensen Kosten, die mit der Erfüllung der unterschiedlichen Rechnungslegungsnormen verbunden waren, sind meh- rere Unternehmen dem Beispiel der Daimler Benz AG gefolgt (z.B. Deutsche Telekom AG, BASF AG, SAP AG). Damit wurde deutlich, dass es eines international anerkannten Rechnungs- legungssystems bedurfte. 2 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl. I 2009, S. 1102 ff. ASCHFALK-EVERTZ, Internationale Rechnungslegung ISBN 978-3-8252-8445-9 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2011

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1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS

Für Geschäftjahre ab 2005 sind die International Financial Reporting Standards (IFRS) für Konzern-abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen in Europa ansässiger Unternehmen anzuwen-den. Damit sind die IFRS für in der Bundesrepublik Deutschland ansässige kapitalmarktorientier-te Unternehmen derzeit das relevante internationale Rechnungslegungssystem. Der Begriff des kapitalmarktorientierten Unternehmens wird durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanz-rechts (BilMoG)2, das am 29.5.2009 in Kraft getreten ist, erstmals im deutschen Handelsgesetz-buch definiert. Nach § 264 d HGB n.F. nimmt eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft mit von ihr ausgegebenen Wertpapieren i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 WpHG einen organisierten Markt nach § 2 Abs. 5 WpHG in Anspruch. Nachdem die SEC (Securities Exchange Commission) im De-zember 2007 nach IFRS erstellte Abschlüsse für das Listing eines Unternehmens an der New York Stock Exchange (NYSE) anerkannt hat, steht der weiteren Entwicklung der IFRS als dem weltweit dominierenden System internationaler Rechnungslegung nichts mehr entgegen.

In diesem Kapitel werden die für das Verständnis der IFRS erforderlichen Grundlagen darge-stellt. Zunächst wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung gegeben, die zur Entstehung und Verbreitung der IFRS geführt hat. Die Rechnungslegung nach IFRS ist nur vor dem Hintergrund der mit ihr verfolgten Zielsetzung verständlich, die von der traditionellen Rechnungslegung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) abweicht. In diesem Zusammenhang werden auch die Änderun-gen, die das HGB durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz erfahren hat, beleuchtet. Im Unterschied zum HGB, das vom nationalen Gesetzgeber beschlossen wird, werden die IFRS von einem privaten Standardsetter, dem International Accounting Standards Board (IASB), erlassen.

1.1 Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegung

Die Zunahme der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen machte es notwendig, die Unternehmens-abschlüsse nach einheitlichen Kriterien zu erstellen. Die internationalen Güter- und Kapitalströ-me führten dazu, dass die Unternehmen neben den nationalen Kapitalmärkten auch die Kapital-märkte anderer Staaten in Anspruch nahmen, was durch unterschiedliche Börsenzulassungskrite-rien erschwert wurde. So verlangte die SEC bis 2007 für das Listing eines nicht in den USA an-sässigen Unternehmens an der NYSE neben einem nach den jeweiligen nationalen Kriterien erstellten Abschlusses eine Überleitungsrechnung auf die Werte, die sich bei Anwendung der US-GAAP ergeben würden. Als erstes deutsches Unternehmen wurde die Daimler Benz AG 1993 an der NYSE gelistet. Der nach HGB erstellte Konzernabschluss der Daimler Benz AG wurde von der SEC nicht als ausreichend anerkannt. Wegen der fehlenden Abstimmung zwischen den Sys-temen der nationalen (HGB) und der internationalen Rechnungslegung, war die Daimler Benz AG fortan gezwungen, jährlich einen HGB-Abschluss zur Erfüllung der nationalen Vorschriften sowie die Überleitungsrechnung auf die US-GAAP zu erstellen. Trotz der immensen Kosten, die mit der Erfüllung der unterschiedlichen Rechnungslegungsnormen verbunden waren, sind meh-rere Unternehmen dem Beispiel der Daimler Benz AG gefolgt (z.B. Deutsche Telekom AG, BASF AG, SAP AG). Damit wurde deutlich, dass es eines international anerkannten Rechnungs-legungssystems bedurfte.

2 Vgl. Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG)

vom 25.5.2009, BGBl. I 2009, S. 1102 ff.

ASCHFALK-EVERTZ, Internationale Rechnungslegung ISBN 978-3-8252-8445-9 © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2011

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2 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS

Abb. 1: Ziele eines internationalen Rechungslegungssystems

Ein internationales Rechnungslegungssystem verfolgt vielfältige Ziele. In erster Linie soll die Vergleichbarkeit der Abschlüsse erhöht werden. Die Adressaten der Unternehmensabschlüsse wie Eigenkapitalgeber, Investoren, Analysten, Geschäftspartner und Arbeitnehmer sollen die Abschlüsse verschiedener Unternehmen ohne größere Probleme vergleichen können. Im Idealfall wird weltweit ein einheitliches System von Rechnungslegungsvorschriften angewendet. Ein sol-ches System ist gewissermaßen eine gemeinsame Wirtschaftssprache, die auch zur Verringerung der Transaktionskosten führt, was den Kapitaltransfer zwischen den Staaten erleichtert.

Über einen langen Zeitraum konkurrierten zwei Rechnungslegungssysteme, die US-GAAP und die IFRS, um die weltweite Vorherrschaft. Zunächst dominierten die US-GAAP, denn Unter-nehmen, die am wichtigsten Kapitalmarkt der Welt ein Listing anstrebten, mussten nach diesen Kriterien bilanzieren. Dabei sind die US-GAAP aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte kein in-ternationales Rechnungslegungssystem, sondern das für in den USA ansässige Unternehmen verpflichtende nationale Normensystem, das aus den Bedürfnissen des amerikanischen Kapital-markts entstand. Die Industrialisierung in den USA führte wegen des hohen Kapitalbedarfs zu zahlreichen Gesellschaften mit der Rechtsform der Kapitalgesellschaft, d.h. Unternehmen, die durch eine weitgehende Trennung von Ausführenden und Kapitalgebern gekennzeichnet sind. Für diese „Kapitalsammelstellen“ wurden Rechnungslegungsregeln benötigt, die den Informati-ons- und Überwachungsbedürfnissen der Kapitalgeber genügten. Das existierende Rechtssystem beeinflusste die Entwicklung dieser Rechnungslegungsstandards. Das im angelsächsischen Raum (USA, Großbritannien und Kanada) verankerte Case Law-System ist ein Rechtssystem mit traditi-onell nur wenigen Beschränkungen der Vertragsfreiheit. Konfliktfälle werden einzeln geregelt und anschließend auf andere Fälle übertragen. Der Abstraktionsgrad der Regelungen ist deshalb begrenzt. Dies gilt auch für die US-GAAP. Die Entwicklung der Rechnungslegungsregeln erfolgt durch private Standardsetter. In den USA übernimmt diese Funktion das FASB (Financial Accounting Standards Board). 1973 wurde das FASB mit der Entwicklung und Standardisierung von Rechnungslegungsregeln beauftragt. Die Verlautbarungen des FASB werden von der SEC ge-nehmigt und dadurch für börsennotierte Unternehmen verbindlich. Hauptkritikpunkt des Sys-tems der GAAP (House of GAAP) ist es, dass es wegen seiner Einzelfallbezogenheit zu wenig prinzipienbasiert ist.

In anderen Staaten wie Deutschland, Japan oder Frankreich herrscht das prinzipienbasierte Code Law-System vor. Rechnungslegungsregeln werden als Gesetz erlassen. An die Stelle der detaillier-

Erhöhung der Vergleichbarkeit der Abschlüsse internationaler Unternehmen

Schaffung einer gemeinsamen Wirtschaftssprache

Erstellung der Abschlüsse auf der Basis einheitlicher Standards

Verringerung der Transaktionskosten

Anpassung an die lokalen Rechnungslegungsregelungen

Erleichterung des Kapitaltransfers zwischen den Staaten

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1.1 Die Entwicklung der internationalen Rechnungslegung · 3 ten Regelung von Einzelfragen treten abstrakte grundsätzliche Vorschriften, die ein weites Prob-lemspektrum abdecken. Die Auslegung der Normen erfolgt im Rahmen ihrer praktischen An-wendung sowie durch Gerichte und Verwaltungen. Die sich daraus ergebenden Regeln werden in Kommentierungen gesammelt. Diese Kommentierungen unterstützen die Rechnungsleger bei der Lösung von (praktischen) Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Rechnungslegung entstehen.

Als der Bedarf für ein internationales Rechnungslegungssystem offensichtlich wurde, hätten die beteiligten Akteure das amerikanische Rechnungslegungssystem übernehmen können, was jedoch aufgrund dessen starker Anlehnung an den Case Law-Gedanken von vielen abgelehnt wurde. Aus diesem Grund einigten sich Mitgliedsorganisationen professioneller Rechnungsleger auf ein Gre-mium, das stärker prinzipienorientierte Rechnungslegungsstandards entwickeln sollte. Als Ergeb-nis wurde 1973 in London die Vorläuferorganisation des IASB, das International Accounting Stan-dards Committee (IASC), gegründet. Gründungsmitglieder waren die Berufsverbände der Wirt-schaftsprüfer von zehn Staaten (Deutschland, Großbritannien, Irland, Australien, Kanada, Frank-reich, Japan, Mexiko, die Niederlande und die USA). Ziel dieses privaten Standardsetters war die Entwicklung und Förderung eines weltweit akzeptierten Rechnungslegungssystems. Gleichzeitig wurde in den USA durch das FASB die Weiterentwicklung der US-GAAP forciert, obwohl die amerikanische Organisation der Wirtschaftsprüfer Gründungsmitglied des IASC war. Dadurch wurden zeitgleich zwei Regelungssysteme entwickelt, die Anspruch auf Anerkennung als interna-tionales Rechnungslegungssystem erhoben.

1977 wurde die IFAC (International Federation of Accountants) als internationaler Zusammenschluss von Wirtschaftsprüfern gegründet. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob IASC, IFAC oder FASB fortan die Entwicklung eines internationalen Rechnungslegungssystems prägen sollte. Seit 1982 waren alle Mitglieder der IFAC automatisch Mitglieder des IASC. 1987 verkündete die Internationale Börsenaufsicht IOSCO (International Organization of Securities Commissions) nach zä-hen Verhandlungen mit dem IASC, dass sie die Abschlüsse von Unternehmen, die nach den IAS (International Accounting Standards) erstellt wurden, unter bestimmten Voraussetzungen für ein Zweitlisting (sog. Cross Border Listing) an einer ausländischen Börse akzeptieren würde. Die erfor-derlichen Änderungen wurden in einem Katalog zusammengestellt, mit dessen Hilfe das IASC ein System von Kernstandards entwickelte. Diese stellten die von allen Unternehmen anzuwen-denden Mindeststandards dar, wurden allerdings von der IOSCO als unzureichend abgelehnt. Der weltweite Durchbruch für die IAS kam im Juni 2000, als die EU-Kommission erklärte, sie beim Erstlisting in den EU-Staaten zum Standard machen zu wollen, was dann durch die soge-nannte IAS-Verordnung vom 19.7.2002 auch geschah. Kapitalmarktorientierte Unternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind aufgrund dieser Verordnung seit dem 1.1.2005 verpflichtet, einen Konzernabschluss nach IFRS zu erstellen.

Die Tatsache, dass das IASC als privater Standardsetter von professionellen Rechnungslegern dominiert wurde, behinderte jedoch dessen internationale Akzeptanz. Um dies zu ändern, wurde das IASC in ein allen am Rechnungslegungsprozess beteiligten Personen offenstehendes Gremi-um verwandelt. Nach mehrfachen Änderungen der Satzung und der Struktur wurde das IASC 2001 schließlich in IASB umbenannt. Seitdem ist es eine unabhängige Expertenorganisation, deren neu geschaffenes Aufsichtsgremium, die IASC Foundation (IASCF), mit Fachleuten aus unterschiedlichen Berufen besetzt wird. Seit der Namensänderung bezeichnet das IASB seine neuen Standards als IFRS. Die zuvor erlassenen Standards, die IAS, behalten allerdings ihre Gül-tigkeit.

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4 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS In den nächsten Jahren machte die Akzeptanz der IFRS, die heute in mehr als 100 Staaten ange-wendet werden, beachtliche Fortschritte. Das Nebeneinander von IAS/IFRS und US-GAAP sorgte allerdings für zunehmenden Unmut, da es nach allgemeiner Auffassung einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Wege steht. So entschieden sich einige deutsche börsennotierte Unternehmen, die ein Listing in den USA anstrebten, für die US-GAAP, während andere Kon-zerne wie Adidas, die Lufthansa oder die Metro die IFRS verwendeten. Sowohl auf Seiten des IASB als auch des FASB wurde deshalb eine Konvergenz der beiden Rechnungslegungssysteme als sinnvoll erachtet, um Unterschiede und daraus resultierende Kosten für die Anwender zu reduzieren. 2002 wurde das sogenannte Newark Agreement unterzeichnet und ein Konvergenzpro-gramm festgelegt. Gemeinsame Arbeitsgruppen von IASB und FASB sind seitdem damit befasst, die Standards weiterzuentwickeln und Unterschiede zu verringern. Ende 2007 verkündete die SEC, nach full IFRS erstellte Abschlüsse ausländischer Unternehmen zu akzeptieren.3 Eine Über-leitungsrechnung ist seit diesem Zeitpunkt nicht mehr erforderlich. Die SEC will zudem US-Emittenten die Anwendung der IFRS ermöglichen. Im November 2008 wurde ein Sieben-Stufen-Plan vorgestellt, nach dem die IFRS für amerikanische Unternehmen ab dem Jahr 2014 verbind-lich sein sollen. Es könnte deshalb sein, dass die US-GAAP eines Tages zugunsten der IFRS aufgegeben werden. Die Diskussion, welchem der beiden Systeme der Vorzug gegeben werden soll, dürfte damit beendet sein.

1.2 Unterschiedliche Zielsetzungen der Rechnungslegungssysteme

Zum Verständnis der IFRS ist eine Auseinandersetzung mit ihrer Zielsetzung nötig, da diese von den Zielen des traditionellen Rechnungslegungssystems, dem HGB, abweicht. Dabei geht es auch um die Frage, inwieweit durch das BilMoG eine Angleichung der Ziele erreicht wurde.

1.2.1 Die Zielsetzung der Rechnungslegung nach IFRS Die Zielsetzung der IFRS wird im Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen und in IAS 1 Darstellung des Abschlusses definiert. Hauptziel eines nach IFRS erstellten Abschlusses ist die Information der Investoren und speziell der potenziellen Investoren (vgl. R. 12; IAS 1.9).4 Die auf der Grundlage des Abschlusses zu gewinnenden Informationen sollen entscheidungsrele-vant sein. Der Maßstab für die Entscheidungsrelevanz sind die derzeitigen und die potenziellen Eigenkapitalgeber. R. 10 unterstellt, dass Informationen, die dem Informationsbedarf der Inves-toren entsprechen, auch den Anforderungen der übrigen Adressaten genügen. Die verbesserte Information soll durch eine größere Marktnähe der im Abschluss ausgewiesenen Werte erreicht werden. Die erforderliche Methode ist eine möglichst zeitnahe Bewertung der Vermögenswerte und Schulden. Diesen beizulegenden Zeitwerten (Fair Values) wird im System der IFRS eine höhere Informationsrelevanz beigemessen als den historischen Anschaffungs- oder Herstellungs-kosten. Die IFRS orientieren sich somit vorrangig am Ziel der Vermittlung entscheidungsnützli-

3 Vgl. Final Rule: Acceptance From Foreign Private Issuers of Financial Statements Prepared in

Accordance With International Financial Reporting Standards Without Reconciliation to U.S. GAAP: File No. S7-13-07, http://www.sec.gov/rules/final/2007/33-8879.pdf.

4 Die Zitierweise folgt dem gebräuchlichen Vorgehen. Das Rahmenkonzept wird mit R, Standards werden mit der Bezeichnung IAS/IFRS sowie der jeweiligen Nummer und Textziffer angegeben.

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1.2 Unterschiedliche Zielsetzungen der Rechnungslegungssysteme · 5 cher Informationen (Decision Usefulness). Es gilt einheitlich für sämtliche Abschlüsse, eine Diffe-renzierung nach Einzel- und Konzernabschluss erfolgt nicht.

Neben die Informationsfunktion tritt als weiteres Ziel die Überwachung des Managements (Stewardship Function). Durch die im Abschluss dargestellte Unternehmenssituation soll den Adres-saten die Überwachung der Entscheidungsträger ermöglicht werden (R. 14). Der Abschluss muss deshalb die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens wahrheitsgetreu darstellen (Fair Presentation). Dieser Anforderung kommt die Rolle eines Overriding Principle, einer General-klausel, zu. Sie ist der Bezugsrahmen, der durch die detaillierten Standards mit Inhalt gefüllt wird. Nur in ganz seltenen Fällen kann sich der Bilanzierende über Bestimmungen in den Standards hinwegsetzen, wenn dies die Fair Presentation verlangt.

Abb. 2: Zielsetzung des Abschlusses nach IFRS

Die Ausrichtung der IFRS an Investoren und potenziellen Investoren führt zu einer starken Ori-entierung an der Informationsbereitstellung zum Zwecke der Analyse des Unternehmens und seiner künftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Man geht davon aus, dass die Adressaten sich in erster Linie für die künftigen Cashflows, die das Unternehmen generieren kann, interessieren. Prognosen dieser Cashflows werden auf Grundlage der vorliegenden Abschlüsse erstellt. In den Mittelpunkt der Betrachtung rücken dabei die der Gesamtergebnisrechnung zu entnehmenden Komponenten des Periodenergebnisses. Die Annahme, die Gläubiger würden durch Ausweis eines vergleichsweise niedrigen Eigenkapitals am besten geschützt, wie dies beim statischen, an den Anschaffungskosten orientiertem Ansatz der Fall ist, wird zugunsten einer dynamischen Sichtweise aufgegeben. Diese orientiert sich an der Fähigkeit des Unternehmens, Zahlungsströme zu generieren. Die entsprechenden Abschlüsse sollen es den (potenziellen) Investoren ermögli-chen, die richtigen Schlüsse für ihre Entscheidungen zu ziehen.

1.2.2 Die Ziele der Rechnungslegung nach HGB Die Rechnungslegung nach HGB versucht unterschiedliche Ziele durch Hierarchiebildung zu koordinieren. Die Informationsfunktion tritt dabei hinter die als bedeutsamer angesehenen Auf-gaben der Rechenschaftslegung, der Dokumentation sowie der Ausschüttungsbemessung zurück. Wegen des Maßgeblichkeitsprinzips der Handelsbilanz für die Steuerbilanz kommt einem nach HGB erstellten Abschluss zudem eine Steuerbemessungsfunktion zu.

Zielsetzung des Abschlusses nach den IFRS

Generierung entscheidungsnützlicher Informationen (Decision Usefulness)

Kontrolle des Managements (Stewardship)

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6 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS

Abb. 3: Ziele der Rechnungslegung nach HGB

Rechenschaftslegung bedeutet, dass der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entspre-chendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zeichnen soll. Voraus-setzung dafür ist die Dokumentation der im betrachteten Zeitraum erfolgten Transaktionen. Dazu gehört auch die Information der Geschäftsleitung und der externen Adressaten. Im Vor-dergrund steht der Gläubiger (Gläubigerschutzfunktion) und nicht der aktuelle oder potenzielle Eigenkapitalgeber (Investor). Die Dokumentation dient also primär dem Rechtsverkehr, aus den Abschlüssen sollen verlässliche Informationen über das Unternehmen gewonnen werden. Die Funktion der Ausschüttungsbemessung ist eng mit den Zielen des Gläubigerschutzes und der Kapitalerhaltung verknüpft. Durch einen Abschluss nach HGB soll der an die Gesellschafter ausschüttbare Gewinn ermittelt werden, der die Investoren zufriedenstellt, ohne die Kapitaldecke des Unternehmens auszuhöhlen und damit seinen Fortbestand zu gefährden. Der anhand dieser Kriterien ermittelte Betrag ist eine vorsichtig bemessene, umsatzabhängige und verlustantizipie-rende Richtgröße. Eine Ausschüttung darf nur erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass zur Finan-zierung erfolgter Ausschüttungen keine künftigen Geschäftserfolge nötig sind, was eine vorsich-tige, imparitätische Bilanzierung und Bewertung erforderlich macht. Die Rechnungslegung ent-sprechend den HGB-Grundsätzen wird daher auch als imparitätisches Fair Value-Accounting5 bezeichnet. Absehbare Risiken sollen die Ausschüttungsbemessungsgrundlage mindern, Gewinne erst nach ihrer Realisation ausgewiesen werden. Aufgrund dieser Dominanz des Vorsichtsprin-zips kommt es auf der Passivseite tendenziell zu einem früheren und höheren Ausweis von Risi-ken. Auf der Aktivseite werden wegen des Anschaffungskostenprinzips Gewinne häufig später realisiert als nach den Grundsätzen der IFRS. Der ausgewiesene Gewinn wird dadurch gering gehalten, was die Aufgabe des Gläubigerschutzes in höherem Maße erfüllt.

Hinsichtlich der Ziele bestehen zwischen Einzel- und Konzernabschluss nur geringfügige Unter-schiede. Der Konzernabschluss entsprechend dem HGB erfüllt auch eine Informationsfunktion, die jedoch durch das Ziel des Gläubigerschutzes beschränkt wird. Er bildet zwar nicht die Grundlage für die Steuerbemessung und die Höhe einer möglichen Ausschüttung, Vorsichts- und Imparitätsprinzip gelten jedoch auch für ihn.

5 Baetge/Zülch (2001), S. 547.

Ziele der Rechnungslegung nach dem HGB

Rechenschaftslegung und Dokumentation

Ausschüttungsbemessung

Steuerbemessung

Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des

Unternehmens

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1.2 Unterschiedliche Zielsetzungen der Rechnungslegungssysteme · 7 An dieser Dominanz des Vorsichtsprinzips hat sich auch durch das am 29.5.2009 in Kraft getre-tene BilMoG nichts Wesentliches geändert. Den Unternehmen soll mit diesem reformierten HGB eine vereinfachte, kostengünstige Alternative zu den IFRS zur Verfügung gestellt werden.6 Von den Regeln zur Deregulierung und Kostensenkung sollen überwiegend kleine und mittel-ständische Unternehmen profitieren. Das Ziel einer Modernisierung des HGB wird durch die Streichung nicht mehr zeitgemäßer und international nicht gebräuchlicher Regeln (z.B. Auf-wandsrückstellungen, Sonderposten mit Rücklageanteil) und die Reduzierung von Ansatz-, Aus-weis- und Bewertungswahlrechten erreicht. Durch Abschaffung der sogenannten umgekehrten Maßgeblichkeit wird zudem die Informationsfunktion etwas stärker betont. Die HGB-Regeln werden auf diese Weise an den Regelungskanon der IFRS angenähert, ohne der Zeitwertbewer-tung zu viel Gewicht zu verschaffen und dadurch den Gläubigerschutz zu schwächen. Ein han-delsrechtlicher Abschluss wird also auch in Zukunft die Aufgaben der Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinnermittlung erfüllen. Die Erstellung einer an die steuerlichen Vor-schriften angepassten (HGB-)Einheitsbilanz, wie sie der deutsche Mittelstand nach wie vor präfe-riert, wird durch die neuen Vorgaben allerdings erschwert.

1.2.3 IFRS und HGB im Vergleich Mit der Betonung der Informationsfunktion unterscheiden sich die IFRS von den traditionellen, primär am Gläubigerschutz orientierten Rechnungslegungssystemen wie dem HGB. Beim HGB tritt die Informationsfunktion hinter die als bedeutsamer angesehenen Aufgaben der Rechen-schaftslegung und des Gläubigerschutzes zurück. Die Rechenschaftslegung bedingt jedoch, dass der Abschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zeichnen muss, was sich durchaus mit den IFRS deckt. Denn nach IAS 1.9 ist ein Abschluss eine strukturierte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Er-tragslage eines Unternehmens. Zweck eines Abschlusses nach IFRS ist somit die Information über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Unterschiede gibt es lediglich bei den Fragen, wie dieses Ziel erreicht werden soll und an wessen Informationsbedürfnis sich der Abschluss orien-tieren muss. Die IFRS verwenden stark marktorientierte Werte, während sich das HGB eher an historischen Werten orientiert. Bei den IFRS wird die Rechenschaftspflicht des Managements für die ihm anvertrauten Vermögenswerte in erster Linie gegenüber den aktuellen und potenziellen Eigenkapitalgebern gesehen, während beim HGB der Gläubiger und nicht der Eigenkapitalgeber oder der (potenzielle) Investor im Vordergrund steht. Die Dokumentationsfunktion wird hier als Aufgabe gesehen, die für den Rechtsverkehr erforderlich ist. Aus den Abschlüssen sollen verläss-liche Informationen über das Unternehmen gewonnen werden.

Die zunehmenden Forderungen nach einer dynamischen, am künftigen Ertragspotenzial des Unternehmens orientierten Bilanzierung kommen insbesondere aus dem Bereich der Unterneh-mensbewertung. Die dabei eingesetzten Verfahren orientieren sich vorrangig an Ertrags- oder Cashflow-Werten, wobei im Rahmen von Unternehmenskäufen häufig hohe Goodwill-Zahlungen geleistet werden. Mit ihrem am Substanzwert bzw. den Anschaffungskosten orientier-ten Ansatz steht die Bilanzierung nach HGB im Widerspruch zur Theorie und Praxis der Unter-nehmensbewertung. Stille Reserven sowie ein zusätzlicher Unternehmenswert spiegeln sich nicht im Abschluss wider. Durch Verwendung von Marktwerten (Fair Values) soll im Rahmen der IFRS die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens besser wiedergegeben werden. Kritisch

6 Vgl. Bundesregierung, Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts

vom 21.5.2008, BT-Drucks 16/10067.

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8 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS einzuwenden ist, dass Unternehmenstransaktionen nicht allein auf der Grundlage bilanzieller Werte abgewickelt werden. Somit ist fraglich, ob die an diesen Transaktionen beteiligten Berater den aus dem Abschluss generierten Zahlen tatsächlich einen hohen Stellenwert einräumen. Ande-re Informationen, insbesondere solche, die im Rahmen einer – vor Unternehmenskäufen häufig durchgeführten – Due Diligence gewonnen werden, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Ungeklärt ist bisher die Frage, ob mit einer Fair Value-Bewertung im Vergleich zu einer am An-schaffungskostenprinzip orientierten Bewertung tatsächlich qualitativ hochwertigere Abschlüsse erreicht werden. Kritiker der IFRS wenden ein, dass die Informationsfunktion des Abschlusses nicht überschätzt werden dürfe. Informationen, die aus einem zwangsläufig vergangenheitsorientier-ten Abschluss abgeleitet werden, würden oft überbewertet. Es bestehe die Gefahr zu großer Erwar-tungen, was deren Aussagekraft hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Unternehmens anbelangt.

Problematisch bei den IFRS ist zudem die Tatsache, dass die Marktorientierung nicht konsequent in allen Bereichen umgesetzt wird. Durch den Grundsatz der Einzelbewertung werden Werte wie ein originärer Geschäftswert oder Teile des Forschungs- und Entwicklungsaufwandes nicht er-fasst. Eine Veränderung dieser Faktoren beeinflusst jedoch das Effektivvermögen eines Unter-nehmens. Nimmt man die Steigerung des Effektivvermögens eines Jahres als Maßstab für betriebli-che Entscheidungen, so wird dieser Wert auch bei Anwendung der IFRS nicht in vollem Umfang ermittelt. Die Gesellschafter werden somit durch den ausgewiesenen Gewinn nicht zweckdienlich informiert. Zudem besteht große Unsicherheit hinsichtlich künftiger Zahlungsströme. Moxter spricht in diesem Zusammenhang vom „Extrapolationsmythos“7 des Abschlusses. Aus den Daten des vergangenen Jahres wie etwa den Umsatzerlösen lassen sich keine zuverlässigen Umsatzprogno-sen für Folgejahre ableiten. Ein im Anlagevermögen für ein Grundstück oder ein Wertpapier ange-setzter Fair Value ist mangels tatsächlicher Realisation lediglich ein Hoffnungswert. Die Aussage-kraft der aus Bilanzdaten gewonnenen Informationen bleibt somit begrenzt.

All dies lässt befürchten, dass eine konsequente Fair Value-Bewertung aufgrund der hierfür erfor-derlichen Schätzungen und sich daraus ergebender Bewertungsspielräume fast zwangsläufig zu weniger verlässlichen Informationen führt. Ob die Bilanzierung zu Fair Values die Informations-funktion der externen Rechnungslegung verbessert, muss daher bezweifelt werden. Gleiches gilt für die Annahme, die Bilanzierung nach IFRS mit ihrem häufig höheren Eigenkapitalausweis verbessere die Kreditchancen der Unternehmen. Damit unterschätzt man die analytischen Fähig-keiten der Banker. Allerdings bestehen Banken – im Bestreben, einheitliche Analysetools einzu-setzen – immer öfter auf der Erstellung eines IFRS-Abschlusses. Somit könnte über den Markt-mechanismus ein faktischer Zwang zur Bilanzierung nach IFRS ausgeübt werden.

Die in Deutschland oft geäußerte Kritik, die Anwendung der IFRS führe zu einer Spaltung in eine kapitalmarkt- und eine nicht-kapitalmarktorientierte Rechnungslegung sowie zu unterschied-lichen Regelungen für Einzel- und Konzernabschlüsse ist nur vor dem Hintergrund der unter-schiedlichen Rechnungslegungstraditionen verständlich. Auf internationaler Ebene gibt es bereits seit langem eine Trennung in Abschlüsse für informatorische und solche für steuerliche Zwecke. Die vom deutschen Mittelstand nach wie vor bevorzugte Einheitsbilanz, d.h. eine nach steuerli-chen Grundsätzen modifizierte Handelsbilanz, die sowohl die handels- als auch die steuerrechtli-chen Anforderungen erfüllt, gibt es in anderen Staaten in dieser Form nicht.

Für das Verständnis der Bilanzierungsgrundsätze der IFRS sind die übergeordneten Ziele, die die EU-Kommission mit ihrer Durchsetzung verfolgt, von Bedeutung. Dazu gehört die Stärkung des

7 Moxter (2000), S. 2146.

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1.3 Die Akteure der internationalen Rechnungslegung · 9 Kapitalverkehrs im Binnenmarkt. Durch die Harmonisierung der Rechnungslegungsvorschriften sollen die nach nationalem Recht erstellten Abschlüsse besser miteinander vergleichbar sein, was eine effizientere Kapitalallokation innerhalb der EU ermöglichen soll. Gleichzeitig soll dadurch ein leichterer Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten (Cross Border Listings) erreicht wer-den. Die Rechnungslegungsrichtlinien sollen an moderne (angelsächsische) Richtlinien angepasst werden und flexibel auf Veränderungen reagieren können. Durch die Vorgabe von Rahmenbe-dingungen soll die Herausbildung spezieller „Euro-IAS“ und national unterschiedlicher IFRS verhindert werden.

Durch das BilMoG ändert sich der Regelungskanon des HGB. Die Abschaffung von Wahlrech-ten und international nicht gebräuchlichen Positionen trägt dem Ziel einer größeren Objektivität Rechnung. Ob sich dadurch auch die primären Aufgaben des Abschlusses verändern, ist jedoch fraglich. So sind zwar Regeln wie das Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens oder das Abzinsungsgebot für langfristige Rück-stellungen in Anlehnung an die IFRS übernommen worden. Die Praxis muss jedoch erst noch zeigen, inwieweit die Unternehmen die eingeräumten Wahlrechte tatsächlich nutzen. Durch die Kombination von Regeln, die zu einem höheren ausgewiesenen Gewinn führen, mit dem In-strument der Ausschüttungssperre (beispielsweise bei aktivierten Entwicklungskosten) stärkt der Gesetzgeber zwar einerseits die Informationsfunktion des Abschlusses. Andererseits wird damit auch der Gläubigerschutz gestärkt.

Auffällig an den Änderungen durch das BilMoG ist, dass der Gesetzgeber in stärkerem Maße Definitionen und Konkretisierungen in das HGB aufnimmt (vgl. Definition des kapitalmarktori-entierten Unternehmens § 264d HGB n.F., Definition von Forschungs- und Entwicklungskosten § 255 Abs. 2a HGB n.F. sowie den neu gefassten § 248 HGB n.F.). Ob es sich dabei um einen generellen Trend weg von der Prinzipienorientierung hin zur Einzelfallregelung handelt, wird die weitere Entwicklung zeigen.

1.3 Die Akteure der internationalen Rechnungslegung

Ein Hauptproblem bei der Entwicklung internationaler Rechnungslegungsnormen ist die Vielzahl der Interessengruppen, die die Standards beeinflussen. Um ihre Unabhängigkeit und Objektivität zu gewährleisten, musste das Standardsetting daher vereinheitlicht werden. Die wichtigsten Ak-teure in diesem Prozess sind das FASB und das IASB. Diese Standardsetter legen den Inhalt der Rechungslegungsnormen fest. Da es sich um private Organisationen handelt, die keine legislative Kompetenz besitzen, mussten Mechanismen zur Übernahme der Standards in nationales Recht geschaffen werden. Um eine weltweite Akzeptanz zu erreichen, muss zudem eine Anpassung der nationalen Rechnungslegungssysteme an dieses internationale Rechnungslegungssystem erfolgen. Der Europäischen Kommission kommt hierbei besondere Bedeutung zu, denn sie beobachtet den Prozess der Entscheidungsfindung beim IASB und fördert gleichzeitig die Verbreitung der IFRS. Da die neuen Rechnungslegungsregeln nach ihrer Freigabe durch die EU-Kommission für alle EU-Staaten verbindlich sind, müssen von den Regierungen Verfahren zu ihrer Übernahme entwickelt werden. Außerdem müssen die Regeln erläutert und ihre Auswirkungen auf die nationalen Unter-nehmen analysiert werden, weshalb in allen Staaten ein hoher Informations- und Beratungsbedarf besteht. Aus diesem Grund wurde in Deutschland der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) ge-gründet. Daneben spielen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie die Interessenvertretungen der Unternehmen und die Beratungsbranche eine wichtige Rolle.

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10 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS

Abb. 4: Einflussnahme auf die Entwicklung der IFRS (Quelle: www.drsc.de)

1.3.1 Das International Accounting Standards Board (IASB) als internationaler Standardsetter

Aufgrund der weltweiten Akzeptanz der IASB-Standards und der 2007 erfolgten Anerkennung von IFRS-Abschlüssen durch die SEC ist das IASB zum Standardsetter Nummer eins geworden. Abbildung 5 veranschaulicht die Struktur des IASB.

Abb. 5: Die Struktur des IASB (Quelle: www.IASB.org)

SEC

DSR EUIASBFASB

IOSCO CESR BAFin

US GAAP IAS/IFRS EG-VO/RL HGB/DRS

national (USA) global supranational

(Europa) national

(Deutschland)

ernennt Mitglieder

berichtet

interpretiert berät

entwickelt

ernennt

informiert

ernennt

Monitoring Board

IFRIC SAC

IASC Foundation

IASB

IFRS qualitativ hochwertig, durchsetzbar

und weltweit einsetzbar

überwacht

ernennt

finanziert

informiert

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1.3 Die Akteure der internationalen Rechnungslegung · 11 Eingebettet ist das IASB seit der Strukturveränderung von 2001 in die IASC Foundation (IASCF), eine Non-Profit-Organisation. Die 22 Treuhänder (Trustees) der IASCF werden für drei Jahre ernannt, die Treuhänder-Gruppe soll international und interdisziplinär sein. Ihre Aufgabe ist die Beschaffung der Mittel, die das IASB für seine Arbeit benötigt, und die Ernennung der Mitglieder von IASB, IFRIC (International Financial Reporting Interpretations Committee) und SAC (Standards Advisory Council). Ziel der IASCF ist die Entwicklung eines Systems qualitativ hochwer-tiger, verständlicher und international durchsetzbarer Rechnungslegungsstandards und deren Konvergenz mit den nationalen Normen. Dieses System soll durch Informationen, die aus den Abschlüssen gewonnen werden, ökonomische Entscheidungen ermöglichen. Die IASCF bemüht sich um die Durchsetzung der Standards, wobei die Bedürfnisse kleiner und mittelgroßer Unter-nehmen in besonderem Maße berücksichtigt werden. Für die Ernennung der Treuhänder und die Kontrolle der Aktivitäten der IASCF ist ein Monitoring Board zuständig, das gleichzeitig als Ver-bindungsglied zu den öffentlichen Autoritäten fungiert. Mitglieder des Board sind ein Abgesand-ter der Europäischen Kommission sowie Abgesandte der IOSCO, der SEC und anderer Börsen-aufsichtsbehörden.

Das IASB ist eine unabhängige Gruppe von derzeit 15 Rechnungslegungsexperten (ab 2012: 16). Sie werden von den Treuhändern des IASCF ernannt. Das IASB setzt sich aus Angehörigen aller Adressatengruppen zusammen, die über langjährige Erfahrung in der Rechnungslegung verfügen. Diese Erfahrungen können aus einer Tätigkeit als Abschlussprüfer, als Ersteller oder Nutzer von Abschlüssen, als Entwickler von Standards oder aus einer Tätigkeit im akademischen Bereich resultieren. Das IASB entwickelt die IFRS und interpretiert sie. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, auftretende Probleme zu lösen und die Entwicklung der Normen zu standardisieren.

Die IASCF ernennt überdies die 14 Mitglieder des IFRIC. Es sind überwiegend Partner von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, aber auch Ersteller von Abschlüssen und andere Personen. Aufgabe des IFRIC ist die Interpretation bestehender Standards und das Schließen von Rege-lungslücken, die sich in der Praxis als problematisch erwiesen haben. Zudem pflegen seine Mit-glieder Kontakte zu nationalen Rechnungslegungsinstitutionen. Ein weiteres Kontrollorgan ist der SAC, dessen Mitglieder ebenfalls von der IASCF ernannt werden. Es sind unabhängige Per-sonen, die aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen dem IASB beratend zur Seite stehen und ihm die Informationsbedürfnisse eines breiteren Anwenderkreises näherbringen. Die Satzung der IASCF enthält für alle genannten Institutionen detaillierte Vorschriften hinsichtlich der Qualifika-tion ihrer Mitglieder, der Anzahl der jährlich nötigen Zusammenkünfte und anderem mehr.

1.3.2 Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) als nationaler Standardsetter

Seit den achtziger Jahren werden zunehmend internationale Kapitalmärkte von deutschen Unter-nehmen durch ein Zweitlisting in Anspruch genommen. Der deutsche Gesetzgeber erkannte des-halb in den neunziger Jahren die Notwendigkeit, die bestehenden Rechnungslegungsvorschriften an die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze anzupassen.8 1998 wurde das DRSC (Deut-sches Rechnungslegungs Standards Committee) mit Sitz in Berlin als nationale Standardisie-rungsorganisation gegründet, um die Anpassung des HGB an internationale Rechnungslegungs-

8 Der in jüngerer Vergangenheit zu beobachtende Trend des Delisting deutscher Unternehmen an

amerikanischen Börsen (z.B. BASF SE 2007, Bayer AG 2006, E.ON AG 2006) widerspricht dieser Aussage nicht. Weiterhin besteht ein Bedarf an Abschlüssen, die nach international gebräuchlichen Rechnungslegungsstandards erstellt sind.

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12 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS standards voranzutreiben. Gesetzliche Grundlage des Gremiums ist § 342 HGB. Das DRSC wurde mit dem Standardisierungsvertrag vom 3. September 1998 vom Bundesministerium der Justiz anerkannt. Es ist eine unabhängige, private Organisation. In ihren Aufgabenbereich fallen laut § 342 HGB

1. die Entwicklung von Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze der Konzernrechnungs-legung,

2. die Beratung des Bundesministeriums der Justiz bei Gesetzgebungsvorhaben zu Rechnungs-legungsvorschriften und

3. die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien.

Das DRSC ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein und Träger des Deutschen Standardisie-rungsrats (DSR).

Abb. 6: Organe und Gremien des DRSC (Quelle: www.drsc.de)

Die Aufgaben des DRSC ergeben sich aus seiner Satzung:

� im öffentlichen Interesse die Qualität der Rechnungslegung und Finanzberichterstattung zu erhöhen und die Konvergenz der nationalen Regeln mit den internationalen Rechnungsle-gungsvorschriften voranzutreiben

� die Entwicklung von Empfehlungen (Standards), wie die Grundsätze der Konzernrechnungs-legung anzuwenden sind

� die Zusammenarbeit mit dem IASB und anderen Standardisierungsgremien und Standardset-tern

fachliche Unterstützung

fachliche Unterstützung

wählt

wählt

wählt

wählt

Mitgliederversammlung des DRSC

Deutscher Standardisierungsrat (9 Mitglieder)

DRSC-Mitarbeiter

Rechnungslegungs Inter-pretations Committee (RIC)

(bis zu 10 Mitglieder + Vorsitzenden)

Vorstand des DRSC (7-20 Mitglieder)

Vorstandsausschuss (3-5 Mitglieder, Vertretung

des Vereins nach außen)

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1.4 Das System der IFRS · 13 � die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungs-gremien

und Organisationen, die die internationale Konvergenz der Rechnungslegungsvorschriften fördern

� die Beratung des Gesetzgebers auf nationaler und EU-Ebene in allen Fragen der Rechnungs-legung

� die Erarbeitung von Interpretationen der internationalen Rechnungslegungsstandards im Sinne von § 315a Abs. 1 HGB

� die Förderung der Forschung und Ausbildung auf diesen Gebieten

Umgesetzt werden diese Aufgaben vom Deutschen Standardisierungsrat (DSR), wobei sich seine Tätigkeit auf Fragen der Konzernrechnungslegung beschränkt. Die entwickelten Empfehlungen werden als Deutsche Rechnungslegungsstandards (DRS) bezeichnet. Nach § 342 Abs. 2 HGB entsprechen sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, sobald sie vom Bundesminis-terium der Justiz publiziert wurden. Durch die regelmäßige Veröffentlichung von Stellungnah-men und die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen, in denen über die neuen Standards diskutiert wird, ist das DRSC ein wichtiges Bindeglied zwischen IASB und Bundesregierung bzw. den Prak-tikern der Rechnungslegung.

1.4 Das System der IFRS

Das IASB ist verantwortlich für die Entwicklung des Rechnungslegungssystems IFRS. Die Ver-fahren zur Entwicklung der Standards sowie Interpretationen sind streng normiert.

1.4.1 Die Komponenten der IFRS Durch die Veröffentlichung der IAS-VO durch die Europäische Kommission hat sich die Bedeu-tung der IASB-Standards grundlegend gewandelt, denn die IFRS sind nun geltendes (sekundäres) Gemeinschaftsrecht. Hinsichtlich der Komponenten der IFRS kann man von einer dreistufigen Normenhierarchie sprechen. Neben das grundsätzliche Fragen regelnde Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen (Framework for the Preparation and Presentation of Fi-nancial Statements) treten die Standards, die Regeln für einzelne Positionen des Abschlusses oder bestimmte Branchen enthalten. Die zusätzlich veröffentlichten Interpretationen bieten Lösungen für spezielle Probleme. Das Rahmenkonzept dient als Unterbau der IFRS-Rechnungslegung und wird für das Verständnis der Standards als notwendig erachtet, indem es durch Vorgabe allge-meingültiger Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze deren Prinzipienbasierung verdeutlicht. Das Rahmenkonzept wurde zusammen mit der IAS-VO veröffentlicht, es handelt sich jedoch nicht um einen Standard, sondern lediglich um einen allgemeinen Bezugsrahmen. Die konkreten Vorschriften der Standards gehen seinen Leitlinien deshalb vor. Ein IFRS-konformer Abschluss erfordert die Befolgung der Standards und Interpretationen, nicht aber unbedingt der Bestim-mungen des Rahmenkonzepts.

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14 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS

Interpre-tationen

Standards

Rahmenkonzept

Abb. 7: Hierarchie der IFRS

Den wichtigsten Teil des IFRS-Regelungswerks bilden die Standards. Sie enthalten die Bilanzie-rungs- und Bewertungsregeln zu den jeweiligen Regelungsbereichen und ändern sich ständig. Derzeit sind bei der Abschlusserstellung folgende Standards zu beachten (Stand 31.12.2009):

IAS 1: Darstellung des Abschlusses

IAS 2: Vorräte

IAS 7: Kapitalflussrechnungen

IAS 8: Rechnungslegungsmethoden, Änderungen von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen und Fehler

IAS 10: Ergebnisse nach der Berichtsperiode

IAS 11: Fertigungsaufträge

IAS 12: Ertragsteuern

IAS 16: Sachanlagen

IAS 17: Leasingverhältnisse

IAS 18: Umsatzerlöse

IAS 19: Leistungen an Arbeitnehmer

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1.4 Das System der IFRS · 15

IAS 20: Bilanzierung und Darstellung von Zuwendungen der öffentlichen Hand

IAS 21: Auswirkungen von Wechselkursänderungen

IAS 23: Fremdkapitalkosten

IAS 24: Angaben über Beziehungen zu nahestehenden Unternehmen und Personen

IAS 26: Bilanzierung und Berichterstattung von Altersvorsorgeplänen

IAS 27: Konzern- und Einzelabschlüsse

IAS 28: Anteile an assoziierten Unternehmen

IAS 29: Rechnungslegung in Hochinflationsländern

IAS 31: Anteile an Gemeinschaftsunternehmen

IAS 32: Finanzinstrumente: Darstellung

IAS 33: Ergebnis je Aktie

IAS 34: Zwischenberichterstattung

IAS 36: Wertminderung von Vermögenswerten

IAS 37: Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten, Eventualforderungen

IAS 38: Immaterielle Vermögenswerte

IAS 39: Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung

IAS 40: Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien

IAS 41: Landwirtschaft

IFRS 1: Erstmalige Anwendung der International Financial Reporting Standards

IFRS 2: Aktienbasierte Vergütung

IFRS 3: Unternehmenszusammenschlüsse

IFRS 4: Versicherungsverträge

IFRS 5: Zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche

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16 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS

IFRS 6: Exploration und Evaluierung von Bodenschätzen

IFRS 7: Finanzinstrumente: Angaben

IFRS 8: Geschäftssegmente

IFRS 9: Finanzinstrumente

IFRS für kleine und mittelgroße Unternehmen

Tab. 1: Die aktuellen IAS/IFRS

Die Nummerierung der Standards folgt der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung. Seit 2001 er-scheinende Standards werden als IFRS bezeichnet. Erscheint ein IFRS, der den Regelungsbereich eines IAS ersetzt, wird der entsprechende IAS gestrichen (beispielsweise ersetzte IFRS 8 Operating Segments IAS 14 Segment Reporting). Der Übersicht ist zu entnehmen, dass es unterschiedliche Arten von Standards gibt. Neben solche, die Regeln für konkrete Abschlusspositionen enthalten (z.B. IAS 2, IAS 16), treten Standards, die allgemeine Bilanzierungsfragen regeln (z.B. IAS 1, IAS 8, IAS 10) sowie branchenorientierte Standards (z.B. IAS 26, IAS 41). Die jeweils gültigen Standards bilden den Regelungskanon der IFRS. Nur die Anwendung sämtlicher Vorschriften (= full IFRS) führt zu einem IFRS-gemäßen Abschluss. Das Unternehmen hat zusammen mit dem Abschluss eine Erklä-rung zu veröffentlichen, mit der es zusichert, die Vorschriften uneingeschränkt befolgt zu haben.

Außer den Standards gibt es noch die Interpretationen, die vom IFRIC verfasst werden. Die noch vom IASC veröffentlichten Interpretationen wurden vom SIC (Standing Interpretations Committee), dem damals zuständigen Gremium, erstellt und mit SIC 1 ff. nummeriert. Auch diese Interpretationen sind weiterhin anzuwenden.

SIC 7: Einführung des Euro

SIC 10: Beihilfen der öffentlichen Hand – Kein spezifischer Zusammenhang mit betrieblichen Tätigkeiten

SIC 12: Konsolidierung – Zweckgesellschaften

SIC 13: Gemeinschaftlich geführte Gesellschaften – Nicht monetäre Einlagen durch Partnerunternehmen

SIC 15: Operating-Leasingverhältnisse – Anreize

SIC 21: Ertragsteuern – Realisierung von neubewerteten, planmäßig abzuschreibenden Vermögenswerten

SIC 25: Ertragsteuern – Änderungen im Steuerstatus eines Unternehmens oder seiner Anteilseigner

SIC 27: Beurteilung des wirtschaftlichen Gehalts von Transaktionen in der rechtlichen Form von Leasing- verhältnissen

SIC 29: Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen: Angaben

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1.4 Das System der IFRS · 17

SIC 31: Umsatzerlöse – Tausch von Werbedienstleistungen

SIC 32: Immaterielle Vermögenswerte – Kosten von Internetseiten

IFRIC 1: Änderungen bestehender Rückstellungen für Entsorgungs-, Wiederherstellungs- und ähnliche Ver- pflichtungen

IFRIC 2: Geschäftsanteile an Genossenschaften und ähnliche Instrumente

IFRIC 4: Feststellung, ob eine Vereinbarung ein Leasingverhältnis enthält

IFRIC 5: Rechte auf Anteile an Fonds für Entsorgung, Rekultivierung und Umweltsanierung

IFRIC 6: Verbindlichkeiten, die sich aus einer Teilnahme an einem spezifischen Markt ergeben – Elektro- und Elektronik-Altgeräte)

IFRIC 7: Anwendung des Anpassungsansatzes unter IAS 29 Rechnungslegung in Hochinflationsländern

IFRIC 9: Neubeurteilung eingebetteter Derivate

IFRIC 10: Zwischenberichterstattung und Wertminderung

IFRIC 12: Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen

IFRIC 13: Kundenbindungsprogramme

IFRIC 14: IAS 19 – Die Begrenzung eines leistungsorientierten Vermögenswerts, Mindestdotierungsverpflich- tungen und ihre Wechselwirkung

IFRIC 15: Vereinbarungen über den Bau von Immobilien

IFRIC 16: Absicherung einer Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb

IFRIC 17: Sachdividenden an Eigentümer

IFRIC 18: Übertragung von Vermögenswerten durch einen Kunden

IFRIC 19: Ersatz von finanziellen Verbindlichkeiten durch Eigenkapitalinstrumente

Tab. 2: Die aktuellen Interpretationen

Interpretationen werden für spezielle Probleme herausgegeben, die oft kurzfristig einer Lösung bedürfen. Sobald ein Standard veröffentlicht wird, der den Regelungsbereich eines IFRICs oder SICs umfasst, wird der bestehende IFRIC/SIC aufgehoben. Exemplarisch ist hier die Aufhebung von SIC 6 Kosten der Anpassung vorhandener Software, SIC 14 Sachanlagen – Entschädigung für die Wert-minderung oder den Verlust von Gegenständen und SIC 23 Sachanlagen – Kosten für Großinspektionen oder

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18 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS Generalüberholungen durch die Veröffentlichung des überarbeiteten IAS 16 Sachanlagen zu nennen (vgl. IAS 16.83).

Die einzelnen Schritte bei der Entwicklung eines Standards bzw. einer Interpretation sind klar festgelegt.

1.4.2 Der Prozess des Standardsetting Beim Standardsetting handelt es sich um ein normiertes sechsstufiges Verfahren, das in einem Handbuch, dem Due Process Handbook, festgehalten ist. Eine Teilnahme steht Organisationen und Einzelpersonen weltweit offen, um eine möglichst hohe Internationalität und Unabhängigkeit der Regeln zu gewährleisten.

Das IASB entscheidet in öffentlicher Sitzung über die Aufnahme eines Themas in sein Arbeits-programm, das von verschiedener Seite an das Gremium herangetragen werden kann. Als Input-geber kommen neben den IASB-Mitarbeitern Vertreter der Wissenschaft, von Berufsorganisatio-nen, Verbänden und Unternehmen in Frage. Nach der öffentlichen Diskussion und der Beratung mit anderen Standardsettern, etwa dem DRSC oder FASB, wird festgelegt, ob das Thema auf die Agenda kommt. Ist dies der Fall, werden in einer Planungsphase die Projektmitglieder benannt und ein Projektplan erstellt. Dann nimmt die Projektgruppe ihre Arbeit auf, relevante Fragen werden in regelmäßigen Sitzungen besprochen. Der erste Schritt auf dem Weg zu einem neuen Standard ist die Veröffentlichung eines Diskussionspapiers. Dies ist zwar nicht zwingend erfor-derlich, erfolgt aber bei den meisten Projekten. Das Diskussionspapier enthält üblicherweise neben einem zusammenfassenden Überblick eine Darstellung der möglichen Herangehensweisen, grundlegende Ansichten der Projektmitglieder zu den behandelten Fragen (Preliminary Views) sowie die Aufforderung zur Kommentierung.

Die Verlautbarungen werden in englischer Sprache auf der Webseite des IASB (www.iasb.org) veröffentlicht und sind dort für jedermann einsehbar. Die Veröffentlichung von Diskussionspa-pier und Standardentwurf ist jeweils mit einer meist dreimonatigen Kommentierungsfrist ver-knüpft. Innerhalb dieses Zeitraums können Institutionen, Unternehmen und Privatpersonen Stel-lungnahmen einreichen. Diskussionspapiere und Entwürfe sind jeweils mit einem Fragenkatalog ausgestattet. Personen, die einen Kommentar abgeben möchten, werden gebeten, diese Fragen oder Teile davon zu beantworten. Nach Ablauf der Kommentierungsfrist werden die eingegan-genen Stellungnahmen analysiert.

1. Festlegung der Agenda

2. Planung des Projekts

3. Entwicklung und Veröffentlichung eines Diskussionspapiers (Discussion Paper, DP, fakultativ)

4. Entwicklung und Veröffentlichung eines Entwurfs (Exposure Draft, ED)

5. Entwicklung und Veröffentlichung des Standards

6. Überprüfung des Standards nach Veröffentlichung

Tab. 3: Die Entwicklungsschritte eines Standards

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1.4 Das System der IFRS · 19 Die Veröffentlichung eines Standardentwurfs (Exposure Draft) ist verpflichtend. Im Unterschied zum Diskussionspapier ist ein Standardentwurf ein konkreter Vorschlag eines neuen Standards oder einer neuen Regel zur Anpassung (Amendment) eines bereits existierenden Standards. Er stellt das wichtigste Instrument des IASB zur Befragung der Öffentlichkeit dar. Nach dem Ende der Kommentierungsfrist werden die eingereichten Stellungnahmen in der Projektgruppe diskutiert und gegebenenfalls Anpassungen des geplanten Standards vorgenommen. Das IASB entscheidet dann, ob aufgrund der Änderungen ein neuer Entwurf veröffentlicht wird. Am Ende dieses Pro-zesses stimmen die IASB-Mitglieder – nach abschließender Würdigung aller Themenaspekte – über den Standard ab. Ziel ist die Zustimmung aller Mitglieder. Wird dieses Ziel nicht erreicht, wird dies unter Nennung der Person(en) und Angabe der Gründe für die abweichende Ansicht in einem gesonderten Dokument veröffentlicht. So wurde IAS 38 nur von 13 der 14 Mitglieder akzeptiert. Die abweichende Meinung von Professor Geoffrey Whittington wurde als Anhang zu IAS 38 veröffentlicht.

Abb. 8: Entwicklungsprozess eines Standards (in Anlehnung an: www.iasb.org)

Anschließend wird der verabschiedete Standard auf der Webeite des IASB veröffentlicht. Ein kostenloser Download ist – im Gegensatz zu den Diskussionspapieren und Entwürfen – nicht möglich. Die Standards werden in englischer Sprache verfasst und auch als Druckversion veröf-fentlicht. Eine Übersetzung in eine andere Sprache muss das IASB genehmigen. Auch nach der Veröffentlichung bleibt ein Standard Gegenstand von Diskussionen. Erfahrungen und Probleme, die sich bei seiner praktischen Anwendung ergeben, werden vom IASB erörtert. Gegebenenfalls werden Studien zu seiner Überprüfung initiiert.

Die Entwicklung einer Interpretation erfolgt in einem siebenstufigen Prozess, der ebenfalls in einem Handbuch beschrieben wird. Auch bei diesem Verfahren wird zunächst ein Entwurf ver-öffentlicht, zu dem man innerhalb einer Kommentierungsfrist Stellung beziehen kann. Eine vom

� gerichtlicher Adoptionsprozess � Umsetzungsbericht des IASB nach zwei Jahren

Vorschläge

Agenda-Entscheidung

öffentliche Konsultation

Discussion Paper/DP (optional)

öffentliche Konsultation

Exposure Draft/ ED

veröffentlichte IFRS

Feedback Statement

Beiträge von:

� Beratungsgremium � Arbeitsgruppen � internationale Gruppen,

Analysten, Vorbereiter � spezielle Interessengruppen � regionale Standardsetter � Regulatoren � politische Gruppen

Recherche

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20 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS IFRIC akzeptierte Interpretation muss anschließend in einer öffentlichen Sitzung vom IASB rati-fiziert werden, wobei ihr mindestens neun Mitglieder zustimmen müssen. Anschließend wird die Interpretation vom IASB veröffentlicht.

1. Identifizierung des Problems

2. Festlegung der Agenda

3. Abstimmung auf einer Sitzung des IFRIC

4. Entwicklung eines Interpretationsentwurfs

5. Veröffentlichung des Interpretationsentwurfs nach Entscheidung des IASB

6. Überprüfung des Entwurfs nach Veröffentlichung

7. Veröffentlichung der Interpretation durch den IASB

Tab. 4: Die Entwicklungsschritte einer Interpretation

1.4.3 Der grundsätzliche Aufbau der Standards Die Standards sind nach einem einheitlichen Schema aufgebaut, das hier exemplarisch anhand von IAS 16 Sachanlagen erläutert wird. Jeder Standard ist durch Überschriften und Zwischenüber-schriften gegliedert, fortlaufende Ziffern erleichtern das Auffinden der Textstellen.

Inhalt Ziffer

Zielsetzung 1

Anwendungsbereich 2-5

Definitionen 6

Ansatz 7-14

Erstmalige Anschaffungs- oder Herstellungskosten 11

Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten 12-14

Bewertung bei erstmaligem Ansatz 15-28

Bestandteile der Anschaffungs- oder Herstellungskosten 16-22

Bewertung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten 23-28

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1.4 Das System der IFRS · 21

Folgebewertung 29-66

Anschaffungskostenmodell 30

Neubewertungsmodell 31-42

Abschreibung 43-62

Abschreibungsvolumen und Abschreibungszeitraum 50-59

Abschreibungsmethode 60-62

Wertminderung 63-64

Entschädigung für Wertminderung 65-66

Ausbuchung 67-72

Angaben 73-79

Übergangsvorschriften 80

Zeitpunkt des Inkrafttretens 81

Rücknahme anderer Verlautbarungen 82-83

Tab. 5: Schematischer Aufbau eines Standards

Erster Gliederungspunkt eines Standards ist die Zielsetzung, im vorliegenden Fall die Bewer-tungs- und Bilanzierungsregeln für Sachanlagen. Im anschließenden Punkt „Anwendungsbereich“ werden die Sachverhalte beschrieben, auf die der Standard anzuwenden ist. Zudem erfolgt eine negative Abgrenzung von denjenigen Bereichen, auf die er nicht angewendet werden darf. Im Falle von IAS 16 Sachanlagen sind das Zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgeho-bene Geschäftsbereiche (IFRS 5), biologische Vermögenswerte (IAS 41 Landwirtschaft) und nichtrege-nerative Ressourcen. Durch diese Abgrenzungen sollen Überschneidungen der Anwendungsbe-reiche verhindert werden. Unter dem Punkt „Definitionen“ werden die im Standard verwendeten Begriffe definiert. Bei IAS 16 sind dies u.a. der Buchwert, die Anschaffungs- oder Herstellungs-kosten, das Abschreibungsvolumen und der beizulegende Zeitwert (Fair Value). Der weitere Auf-bau ergibt sich aus dem jeweiligen Regelungsbereich. In IAS 16 werden zunächst die Ansatz- und dann die Bewertungsvorschriften für Sachanlagen erörtert. Allen Standards gemein ist wiederum der Punkt „Angaben“ (Disclosure), der die für das Verständnis und die Analyse des Abschlusses bereitzustellenden Anhangsangaben nennt. Bei den Sachanlagen sind dies beispielsweise die Be-wertungsgrundlagen für die Bestimmung des Bruttobuchwertes der Anschaffungs- oder Herstel-lungskosten, die verwendeten Abschreibungsmethoden, die zugrundegelegten Nutzungsdauern oder Abschreibungssätze und eine Überleitung des Buchwerts zu Beginn und zum Ende der Periode. Die Punkte „Übergangsvorschriften“, „Zeitpunkt des Inkrafttretens“ und „Rücknahme anderer Verlautbarungen“ schließen den Standard ab.

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22 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS 1.5 Die Übernahme der Standards in nationales Recht

Bei den IAS/IFRS handelt es sich um Rechnungslegungsregeln eines privaten Standardsetters. Für die Übernahme dieser Standards in nationales Recht bedarf es daher genauer Vorgaben. Um von in Deutschland ansässigen Unternehmen angewendet werden zu können, müssen die Regeln – die Bundesrepublik ist Mitgliedstaat der EU – zuvor auf europäischer Ebene übernommen worden sein.

1.5.1 Die Standard-Übernahme durch die EU Die EU hat frühzeitig entschieden, bei der angestrebten Internationalisierung der Rechnungs-legung auf die Entwicklung eigener Standards zu verzichten. Stattdessen übernimmt sie die Nor-men des IASB. Um sicherzustellen, dass die entwickelten Standards mit EU-Recht konform sind, wurde der EU-Kommission beim IASB ein Beobachter-Status eingeräumt. Aus verfassungsrecht-licher Sicht ist die Übernahme der IASB-Standards insofern problematisch, als ein privater Stan-dardsetter wie der IASB keine legislative Kompetenz besitzt.

Abb. 9: Endorsement-Prozess (in Anlehnung an: Oversberg (2007), S. 1600)

Zur Einbindung des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union (EU-Minis-terrat) in das Verfahren der Übernahme wurde der Endorsement-Prozess (Endorsement = Aner-kennung) entwickelt. Dieses Komitologie-Verfahren (Abb. 9) regelt die Zusammenarbeit der EU-Kommission mit den Vertretern der Mitgliedstaaten und unabhängigen Fachleuten sowie die Rolle des Rats und des Parlaments. Das Verfahren wurde mehrfach modifiziert (zuletzt am 10.4.2008 durch Änderung der IAS-VO). Die Übernahme der Standards richtet sich nunmehr

stimmt Vorschlag zu oder keine Beschlussfassung

stimmt Vorschlag nicht zu

stimmt Vorschlag zuoder keine Beschluss-

fassung

stimmt Vorschlag nicht zu

Zustimmung oder keine Beschlussfassung Ablehnung durch Rat oder EP

stimmt Vorschlag zu stimmt Vorschlag nicht zuoder keine Beschlussfassung

Vorschlag Stellungnahme

StellungnahmeInformationsaustausch

Veröffentlichung

IASB EFRAG (2 Monate)

Weiterleitung des EK-Vorschlags an

Rat und EP Kontrolle

durch Rat undEP (3 Monate)

EK ARC (3 Monate)

EP (4 Monate ab Weiterleitung)

Rat (2 Monate)

Veröffentlichung (= Endorsement)

SARG (3-4 Wochen)

veränderter Vorschlag durch

EK möglich

EK: Europäische Kommission Rat: EU-Ministerrat EP: Europäisches Parlament

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1.5 Die Übernahme der Standards in nationales Recht · 23 nach dem sogenannten „Regelungsverfahren mit Kontrolle“, ein zweistufiger Prozess, der aus einer Exekutiv- und einer Kontrollphase besteht.

Im Übernahmeprozess sind nun neben der EU-Kommission auch das EU-Parlament und der EU-Ministerrat mit Kontrollrechten ausgestattet. Die weiteren Akteure sind die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), das Accounting Regulatory Committee (ARC) und die Standards Ad-vice Review Group (SARG). Die EFRAG ist eine 2001 gegründete, private Organisation von Rech-nungslegern, deren Aufgabe die Beratung der EU-Kommission in allen Fragen der IFRS-Anwen-dung ist. Das ARC setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen und stimmt über den Vorschlag der Kommission ab. Die SARG ist eine 2006 gegründete unabhängige Expertengruppe mit zurzeit sieben Mitgliedern. Ihre Aufgabe ist die Überprüfung der Empfehlungen der EFRAG im Hinblick auf Objektivität und inhaltliche Ausgewogenheit.

� 2 Monate

� 3-4 Monate

� 2 Monate

� 3 Monate

(Exekutivphase)

(Kontrollphase; beginnt mit Vorlage der letzten Fassung des in 22 EU-

Amtssprachen zu überset-zenden Entwurfs)

IAS

B v

era

b-

sch

ied

et

IFR

S

EFRAG arbeitet einen Vorschlag zur Übernahme eines IFRS aus. Weiterlei-tung des Vorschlags an die EU-Kommission.

EU-Kommission leitet den Vorschlag SARG zu. SARG überprüft Vor-schlag und gibt ihre Stel-lungnahme der EU- Kommission bekannt.

EU-Kommission legt ARC Übernahmeent-wurf zur Stellung-nahme vor. ARC stimmt Entwurf zu.

Rat und EU-Parlament überprüfen den Über-nahmeentwurf. Rat und EU-Parlament sprechen sich nicht gegen den Entwurf aus.

An

erk

en

nu

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des IF

RS

„Regelungsverfahren mit Kontrolle“

Abb. 10: Das Anerkennungsverfahren der IFRS in der EU (Quelle: Lanfermann/Röhricht (2008), S. 828)

Für einen vom IASB veröffentlichten Standard holt die EFRAG in einem sogenannten Due Pro-cess Kommentare ein (Abb. 10). Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse unterbreitet sie der EU-Kommission dann innerhalb von zwei Monaten einen Vorschlag zur Annahme oder Ableh-nung. Die EU-Kommission leitet diesen Vorschlag an die SARG weiter, die ihn drei bis vier Wochen prüft und dann eine Stellungnahme abgibt. Daraufhin legt die Kommission der ARC den Standardentwurf vor, und die Vertreter der EU-Staaten stimmen innerhalb von zwei Mona-ten über ihn ab. Mit der Zustimmung (oder Ablehnung) der ARC endet die sogenannte Exeku-tivphase. Danach wird der Standardentwurf dem Rat der Europäischen Union und dem Europäi-schen Parlament zugeleitet. Sprechen sich Rat und Parlament nicht gegen eine Übernahme aus, wird der Standard durch die Kommission freigegeben.

Durch das geänderte Verfahren ist die bislang zulässige Übernahme von IASB-Standards ohne Kontrolle durch das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union nicht mehr möglich. Die von Kritikern bemängelte Machtfülle der EU-Kommission, die die nationalen Ge-setzgeber in eine untergeordnete Position drängte, ist damit beseitigt worden. Die weiteren Kri-tikpunkte, das EFRAG habe lediglich die Funktion eines Moderators, nicht die eines Standardset-ters, und der Endorsement-Prozess entspräche nicht einem parlamentarischen Gesetzgebungs-verfahren, bei dem Gesetzesvorschläge überarbeitet und gegebenenfalls neu definiert werden, sind ebenfalls obsolet geworden. Als Problem des neuen Verfahrens könnte sich der erheblich

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24 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS gestiegene Zeitaufwand erweisen. Für die Unternehmen bedeutet dies größere Unsicherheit hin-sichtlich der anzuwendenden Standards. So akzeptiert die SEC nur Abschlüsse nach full IFRS, also Bilanzen, die unter Berücksichtigung aller vom IASB veröffentlichten Standards und Inter-pretationen erstellt wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass das Übernahmeverfahren, das bisher im Regelfall fünf Monate dauert, sich nun auf acht oder mehr Monate ausdehnen könnte.

1.5.2 Die Umsetzung der Standards in nationales Recht Die IFRS sind Regeln eines privaten Standardsetters, die zunächst über § 292a HGB a.F. auch für deutsche Konzerne Bedeutung erlangten. Mit dem Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) wurde 1998 für deutsche börsennotierte Unternehmen der sogenannte befreiende Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards eingeführt (§ 292a HGB a.F.). Mutterunternehmen, die einen Konzernabschluss nach US-GAAP oder IFRS erstellten, waren fortan von der Pflicht zur zusätzlichen Aufstellung eines Konzernabschlusses nach HGB befreit. Mit dieser Bestimmung zogen die internationalen Rechnungslegungsregeln in das deut-sche Handelsrecht ein. Sie war bis zum 31.12.2004 befristet und wurde am 1.1.2005 durch die Übernahme der IAS-Verordnung und durch Aufnahme von §§ 315a und 325 Abs. 2a in das Handelsgesetzbuch abgelöst. Seitdem haben auch nicht börsennotierte Unternehmen die Mög-lichkeit, bei ihrem Konzernabschluss die IFRS anzuwenden.

Voraussetzung für die nationale Geltung der IFRS ist ihre Legitimation durch einen Rechtsakt auf EU-Ebene. Mit der Übernahme der Standards durch die EU-Kommission wurden diese in den EU-Staaten automatisch zu geltendem Recht. Die IAS-VO räumt den EU-Staaten das Wahl-recht ein, die IFRS als verpflichtendes Rechnungslegungssystem für die Abschlüsse aller Unter-nehmen oder nur für den Konzernabschluss kapitalmarktorientierter Unternehmen einzuführen. Die Bundesregierung entschied sich für letzere Option. Die nationale Umsetzung der IAS-VO erfolgte durch Aufnahme von § 315a Abs. 1 in das Handelsgesetzbuch.

Anwendung der IFRS in Deutschland

(Abschlüsse für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2005 beginnen)

kapitalmarktorientierte Unternehmen andere Unternehmen

Konzernabschluss IFRS Wahlrecht: HGB oder IFRS

Einzelabschluss

HGB

Wahlrecht: Abschluss nach IFRS für Zwecke der Veröffentlichung

HGB

Wahlrecht: Abschluss nach IFRS für Zwecke der Veröffentlichung

Tab. 6: Anwendung der IFRS durch in Deutschland ansässige Unternehmen

Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2005 beginnen, müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen konsolidierte Jahresabschlüsse nach IFRS erstellen. Durch Aufnahme von § 324a in das Handelsgesetzbuch können sie seit dem Geschäftsjahr 2005 zudem bei Einzelabschlüssen

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1.6 Auslegungsgrundsätze bei Regelungslücken · 25 die IFRS anwenden, sofern es sich um einen Abschluss zum Zwecke der Veröffentlichung han-delt. Darüber hinaus müssen alle Unternehmen, die im Geltungsbereich des HGB ansässig sind, zum Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung sowie zum Nachweis, dass die Grundsätze des Kapitalerhalts befolgt wurden, Einzelabschlüsse weiterhin nach HGB erstellen. Ein Abschluss nach IFRS hat keine Bedeutung für steuerliche Zwecke.

Die nationale Umsetzung der IAS-VO hat nur deklaratorische Funktion, die Standards werden durch sie in den EU-Staaten geltendes Recht. Diese Vorgehensweise ist effizienter als die zuvor angewandte Methode der EU, die darin bestand, Änderungen beim Handelsrecht in Form von Richtlinien an die EU-Staaten weiterzugeben und ihnen Fristen zur Umsetzung einzuräumen. Dabei kam es – neben dem erheblichen Zeitaufwand – zu Abstimmungsproblemen. So wurden Wahlrechte auf nationaler Ebene unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt und die Richtlinien zum Teil nicht vollständig in nationales Recht übernommen. Hinzu kamen Unterschiede auf-grund der Übersetzung der Standards in die Sprachen der Mitgliedstaaten, was die Vergleichbar-keit der Regeln erschwerte und Investoren abschreckte, da keine Sicherheit hinsichtlich der Kor-rektheit der Finanzinformationen bestand. Aus diesen Gründen gilt die Maxime, dass ein IASB-Standard entweder vollständig übernommen oder abgelehnt wird und dass spezielle Euro-IAS, die nur in der EU gelten würden, vermieden werden.

In Deutschland wurden grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der IFRS geäußert. Diese wurden in erster Linie damit begründet, dass die Definition einer steuerlichen Bemessungs-grundlage nicht von einer privaten Organisation wie dem IASB vorgenommen werden dürfe. Die Grundlagen der Steuerermittlung müssten durch den Gesetzgeber bestimmt werden, die Aufgabe des Staates dürfe sich nicht auf die technische Umsetzung von Regeln beschränken, die zuvor von einem privaten Standardsetter definiert wurden (wenn auch in einem öffentlichen und damit transparenten Verfahren). Diese Kritik ist zumindest dahingehend nicht zutreffend, als ein (Kon-zern-)Abschluss nach IFRS keine Auswirkung auf die steuerliche Bemessungsgrundlage hat, da der Anwendungsbereich der Regeln auf Konzernabschlüsse begrenzt ist.

In Deutschland wird zudem intensiv diskutiert, ob die IFRS auch für den – von den Grundsätzen der Konzernrechnungslegung ausgenommenen – Einzelabschluss Bedeutung erlangen werden, und zwar über die Offenlegung hinaus. Durch das BilMoG hat der Gesetzgeber in dieser Hin-sicht eine Entscheidung getroffen. An der auf den Konzernabschluss börsennotierter Unterneh-men beschränkten Anwendung der IFRS hat sich demnach nichts geändert. In einigen Bereichen wurde jedoch der Fair Value-Gedanke stärker berücksichtigt.

1.6 Auslegungsgrundsätze bei Regelungslücken

Das vergleichsweise junge Rechnungslegungssystem der IFRS weist noch große Regelungslücken auf. Die hohe Zahl der Einzelfallregeln und der begrenzte Anwendungsbereich der Normen haben bei der Auslegung erhebliche methodische Probleme zur Folge. Bei der Formulierung der Standards steht das IASB vor dem Dilemma, das Regelungsniveau möglichst allgemein zu halten, um eine weltweite Anwendung zu ermöglichen, dabei jedoch viele Sonderfälle regeln zu müssen. Dies geschieht mit der Absicht, zu große Interpretationsspielräume zu vermeiden, da diese die Entwicklung nationaler IFRS begünstigen könnten.

Das IASB befindet sich daher im Spannungsfeld zwischen Prinzipienorientierung und Einzelfall-regelung, und es sind Vorgaben nötig, die die Regelungslücken schließen. Im Zentrum steht dabei

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26 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS Art. 3 Abs. 2 IAS-VO. Danach müssen Abschlüsse einen zutreffenden Einblick in die Vermö-gens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens geben, sie dürfen keine öffentlichen Interessen der Gemeinschaft verletzen und müssen den Kriterien der Verständlichkeit, Erheblichkeit, Ver-lässlichkeit und Vergleichbarkeit genügen. Diese Norm stellt im Zusammenspiel mit der Jurisdik-tion durch die nationalen Gerichte und dem EUGH das zentrale Objektivierungselement der IFRS dar. Sie ist im Kontext der kontinentaleuropäischen Rechtstradition zu verstehen und bildet ein Gegengewicht zum privaten Standardsetter und dem eher intransparenten Umsetzungspro-zess. Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage nach der obersten Auslegungsinstanz. Neben dem EUGH kommen auch die nationalen Gerichte in Betracht. Die Auslegungsgrundsätze des EUGH weichen jedoch aufgrund seiner EU-weiten Tätigkeit von denjenigen der nationalen Ge-richte ab, was vor allem daran liegt, dass die IFRS in die Landessprachen übersetzt werden und die Auslegung sich am Wortlaut orientiert. Zu hoffen ist deshalb, dass sich der EUGH zur eigen-ständigen Auslegungsinstanz entwickelt, die unabhängig von den Interessen nationaler Lobby-Gruppen entscheidet.

Bei der Auslegung der IFRS kommt dem Management besondere Bedeutung zu. In IAS 8.11 wird es explizit als Auslegungsinstanz genannt, die bei fehlenden Bilanzierungsregeln für spezielle Sachverhalte aufgrund eigener Einschätzung (Professional Judgement) eine für die Bereitstellung ent-scheidungsnützlicher Informationen adäquate Bilanzierungsform wählen soll. Auf diesen „Mana-gement Approach“ wird in den IFRS an mehreren Stellen Bezug genommen (beispielsweise IFRS 8 Operating Segments). Durch die Betonung des Management Approach soll der Informationsvorsprung interner Abschlussersteller gegenüber externen Nutzern abgebaut werden. Bei der Auslegung soll das Management auf andere Standards, die ähnliche oder verwandte Fragen regeln, die Definitio-nen, Ansatz- und Bewertungsmaßstäbe des Rahmenkonzepts, die Veröffentlichungen anderer Standardsetter sowie die Bilanzierungspraxis zurückgreifen. Diesen Bezugsrahmen können die US-GAAP, aber auch die jeweiligen nationalen Regeln – in Deutschland die Kommentierungen des HGB, die Standards des IDW und des DRSC – bilden. In der deutschen Bilanzierungspraxis wird daher meist auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zurückgegriffen

Dieser Auslegungsmaßstab ist insofern problematisch, als auf diese Weise fast zwangsläufig na-tionale IAS entwickelt werden. Der Rückgriff auf Aussagen anderer Standardsetter ist allerdings nur unter der Bedingung zulässig, dass diese ebenfalls von Grundlagen ausgehen, wie sie durch die IFRS beschrieben werden. Die Bilanzierungsgrundsätze der IFRS und die zur Auslegung herangezogenen Maßstäbe müssen also ähnlich sein. Eine Voraussetzung, die das HGB in vielen Fällen erfüllt.

1.7 Die Agenda des IASB

Die internationale Rechnungslegung muss sich mit vielen Fragen beschäftigen. Neben allgemeine Aufgaben wie die Entwicklung einheitlicher Gliederungsvorschriften für die einzelnen Bestand-teile des Abschlusses treten spezielle Themen, beispielsweise die Erarbeitung von Regeln für Leasing- und Versicherungsverträge sowie für Probleme, die sich aus der weltweiten Finanzkrise für die Bilanzierung und Bewertung ergeben. Aus diesem Grund unterliegt die Tätigkeit des IASB einem ständigen Wandel. Die hier wiedergegebene Agenda stellt insofern nur eine Momentauf-nahme dar (Stand 2.7.2010).

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1.7 Die Agenda des IASB · 27

2010 Q3 2010 Q4 2011 Q1 2011 Q2 2011 H2+

Konsolidierung

Konsolidierung (ein-schließlich Zweckgesell-schaften)

IFRS

Konsolidierung von In-vestmentgesellschaften ED IFRS

Ausbuchung IFRS

Hinweise zur Fair- Value- Bewertung IFRS

Finanzinstrumente (Ersatz von IAS 39)

Finanzinstrumente, Klassifizierung und Be-wertung (ED)

IFRS

Wertminderung IFRS

Hedging ED

Saldierung von Vermö-genswerten und Ver-bindlichkeiten

ED

Darstellung der Gesamt-ergebnisrechnung (ED)

Discontinued Operations ED IFRS

Other Comprehensive Income IFRS

Ersatz von IAS 1 und IAS 7 ED IFRS

Finanzinstrumente mit Merkmalen von Eigenkapi-tal

ED IFRS

Ertragssteuern ED IFRS

Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) IFRS

Leasingverhältnisse ED IFRS

Leistungen an Arbeitnehmer (inkl. Pensionen) IFRS

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28 · 1 Grundlagen der internationalen Rechnungslegung nach IFRS

2010 Q3 2010 Q4 2011 Q1 2011 Q2 2011 H2+

Umsatzrealisierung (ED) IFRS

Annual Improvements 2009-2011 ED IFRS

Emissionshandelssysteme ED

Versicherungsverträge ED IFRS

Verbindlichkeiten (Ände-rungen IAS 37) IFRS

Lagebericht CG

Rate-Regulated Activities IFRS

Rahmenkonzept

Phase A: Ziele und qua-litative Merkmale

Final

Chapter

Phase B: Definitionen und Ansatz TBD

Phase C: Bewertung DP ED

Phase D: Konzept der Berichterstattung

Final

Chapter

Abkürzungen: RT – Round Table; ED – Exposure Draft; CG – Completed Guidance; DP – Dis-cussion Paper; TBD – to be determined

Tab. 7: Die Agenda des IASB (Quelle: www.iasb.org)

Literaturempfehlungen:

IASC Foundation Constitution (Download unter www.iasb.org).

Satzung des DRSC (Download unter www.drsc.de).

Standardisierungsvertrag zwischen BMJ und DRSC vom 3.9.1998 (Download unter www.-drsc.de).

Verordnung 2002/1606/EG, ABIG Nr. L 243 S. 1.

Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl. I 2009, S. 1102 ff.

Final Rule: Acceptance From Foreign Private Issuers of Financial Statements Prepared in Accordance With International Financial Reporting Standards Without Reconciliation to U.S. GAAP: File No. S7-13-07, http://www.sec.gov/rules/final/2007/33-8879.pdf.

Baetge, J./Zülch, H. (2001): Fair Value-Accounting, in: Zfbf, Heft 8/2001, S. 543 - 562.

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