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1 Marianne Giesert/Heinrich Geißler - boeckler.de · Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahr- ... ökonomischen Gewinnen auch soziale Verpflichtungen

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Marianne Giesert/Heinrich GeißlerBetriebliche Gesundheitsförderung

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Marianne Giesert/Heinrich Geißler

Betriebs- und Dienstvereinbarungen

BetrieblicheGesundheitsförderung

Analyse und Handlungsempfehlungen

Bund-Verlag

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2003 by Bund-Verlag GmbH, Frankfurt am MainRedaktion: Edgar Bergmeier/Henriette Pohler, DüsseldorfHerstellung: Inga Tomalla, Frankfurt am MainUmschlag: Angelika Richter, HeidesheimSatz: Dörlemann Satz, LemfördeDruck: Ebner & Spiegel, UlmPrinted in Germany 2003ISBN 3-7663-3524-3

Alle Rechte vorbehalten,insbesondere die des öffentlichen Vortrags,der Rundfunksendungund der Fernsehausstrahlung,der fotomechanischen Wiedergabe,auch einzelner Teile.

www.bund-verlag.de

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Vorwort

Das neue Arbeitsschutzrecht hat seit 1996 die Bedingungen betrieb-licher Gesundheitspolitik verändert: Einige der bisher als freiwilliggeltenden Aktivitäten der Gesundheitsförderung sind in einen ver-pflichtenden Arbeitsschutz verwandelt worden. Dieser ist mit einemerweiterten Gesundheitsbegriff und seinem verpflichteten Charaktereine gute Basis für die betriebliche Gesundheitsförderung. Denn dieAnpassung an ständig neue Arbeitsmodalitäten kann nicht vorran-gig durch neue Gesetze und Anordnungen geregelt werden – sie be-darf auch ergänzender Regelungen und Maßnahmen der betrieb-lichen Gesundheitsförderung, vor allem durch die Einbeziehung derBeschäftigten als ExpertInnen ihres Arbeitsplatzes und ihrer Arbeits-bedingungen (Kohte 2001, 61).

Mit der vorliegenden Veröffentlichung werden 54 betriebliche Ver-einbarungen ausgewertet, die von den Betriebsparteien abgeschlos-sen wurden. Die untersuchten Betriebs- und Dienstvereinbarungenbehandeln Fragen der Gesundheit im Betrieb unter drei Gesichts-punkten:y Arbeitsschutz: Diese meist vor 1996 abgeschlossenen Vereinbarun-

gen – 11 an der Zahl – beschäftigen sich mit dem gesetzlichen tra-ditionellen Arbeitsschutz.

y Betriebliche Gesundheitsförderung: 31 Vereinbarungen bauen entwederauf dem gesetzlichen Arbeitsschutz auf oder formulieren eigen-ständige Beiträge der betrieblichen Gesundheitsförderung.

y Betriebliches Gesundheitsmanagement: 12 Vereinbarungen, geschlos-sen im Sinne einer Zusammenfassung der Arbeitsschutz- und Ge-sundheitsförderungs-Aktivitäten.

Folgende Fragen sind dabei von Bedeutung:y Welchen Regelungsbedarf sehen die betrieblichen Parteien?y Welche Gegenstände sind geregelt?

6 Vorwort

y Wie und mit welchen Ansätzen haben sie diesen Gestaltungsbedarferfüllt?

y Welche Rahmenbedingungen hat betriebliche Gesundheitsförde-rung?

y Welche Ziele verfolgt betriebliche Gesundheitsförderung?y Welche Instrumente kennt die betriebliche Gesundheitsförderung?y Welche Maßnahmen für einzelne Zielgruppen sind geregelt?y Welche Maßnahmen zu speziellen Problemfeldern sind geregelt?y Wie lässt sich Gesundheitsförderung bewerten und weiterent-

wickeln?y Welche offenen Probleme zeigen sich?y Wie sind die Vereinbarungen zusammenfassend zu bewerten?y Welche Gestaltungsmöglichkeiten wurden genutzt?

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1. Rahmenbedingungen der betrieblichen

Gesundheitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2. Regelungsinhalte der Vereinbarungen . . . . . . . . . . . 162.1 Präambel – gemeinsames Grundverständnis der

betrieblichen Gesundheitsförderung . . . . . . . . . . . . 162.2 Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung . . . . . . . . 18

2.2.1 Gesundheitsförderung als Prozess und Gesundheit alsWohlbefinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.2.2 Beteiligung und Befähigung . . . . . . . . . . . . . . 192.2.3 Produktivität und Nachhaltigkeit betrieblicher

Gesundheitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . 202.2.4 Zielgruppen der betrieblichen Gesundheitsförderung . 24

2.3 Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Verhältnis-prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.4 Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung . . . . 342.4.1 Daten für Taten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352.4.2 Steuerung des Prozesses der betrieblichen Gesund-

heitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492.4.3 Detailanalysen und Vorschläge für Maßnahmen –

Arbeitsgruppen im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . 532.4.4 Zusammenfassende Übersicht über die Instrumente

und Akteure der betrieblichen Gesundheitsförderung . 582.5 Betriebliche Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592.6 Qualifizierung für Gesundheitsförderung . . . . . . . . . . 622.7 Erfolgsbewertung der betrieblichen Gesundheitsförderung . 65

8 Inhaltsverzeichnis

3. Mitbestimmungsrechte, Vorgehensweisen

und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723.1 Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Interessenvertretung 723.2 Beteiligung der Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . 743.3 Verbindungen zur Tarifpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 80

4. Offene Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

5. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . 86

6. Gestaltungs- und Beratungshinweise . . . . . . . . . . . . 906.1 Gestaltungsraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906.2 Ausgangspunkte für die gestaltende Einflussnahme durch

die betriebliche Interessenvertretung . . . . . . . . . . . . . 956.3 Wesentliche rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 98

7. Bestand der Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . 103

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der

Hans-Böckler-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

9

Abkürzungsverzeichnis

AKG Arbeitskreis GesundheitAOK Allgemeine OrtskrankenkasseArbSchG ArbeitsschutzgesetzASA ArbeitsschutzausschussASiG Arbeitssicherheitsgesetz

BASA Psychologische Bewertung von ArbeitsbedingungenBetrVG BetriebsverfassungsgesetzBPersVG BundespersonalvertretungsgesetzBR BetriebsratBV BetriebsvereinbarungenBVerwG Bundesverwaltungsgesetz

PR Personalrat

SALSA Salutogenische Subjektive ArbeitsanalysenSGB Sozialgesetzbuch

WHO World Health Organization, Weltgesundheits-organisation, mit Sitz in Genf

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Rahmenbedingungen der betrieblichen Gesundheitsförderung 11

1. Rahmenbedingungender betrieblichenGesundheitsförderung

Die Ottawa-Charta der Weltgesundheits-Organisation (WHO) von 1986zur Gesundheitsförderung markiert eine wichtige Wende in derGesundheitspolitik: »Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allenMenschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu er-möglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.«

Bis zu diesem Zeitpunkt war das traditionelle Verständnis des Ar-beitsschutzes ausgerichtet auf Arbeitssicherheit. Notwendige Maß-nahmen wurden von Experten geregelt. Beschäftige hatten keine Mit-wirkungsmöglichkeiten, deshalb gingen Schutzmaßnahmen oft nichtweit genug. Im Wesentlichen wurde Arbeitsschutz durch Geboteund Verbote vermittelt, Aufklärung fand kaum statt.

Die Weltgesundheitsorganisation setzte neue Akzente. Sie stellteder Lehre von den Krankheiten (Pathogenese) die Lehre von derGesundheit (Salutogenese) an die Seite. Die Salutogenese fragt nichtnach den Ursachen von Krankheit, sondern nach den Ursachen vonGesundheit. Daraus wurde das Konzept der Gesundheitsförderungentwickelt.

Neu war, dass Gesundheitsförderung zum Mittelpunkt eines Pro-zesses erklärt wurde, der den Menschen ein höheres Maß an Selbst-bestimmung – und damit die Befähigung zur Stärkung – ihrer Ge-sundheit ermöglichen soll.

Laut Ottawa-Charta beinhaltet der Begriff Gesundheit umfassendesWohlbefinden: »Um ein umfassendes körperliches, seelisches und sozialesWohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl Einzelne als auchGruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahr-nehmen und verwirklichen […] können.« Damit war neben dem umfas-senden Gesundheitsbegriff auch noch dessen Orientierung – überdas Individuum hinaus – auf Gruppen zum Thema der Gesundheits-förderung ernannt worden.

12 Rahmenbedingungen der betrieblichen Gesundheitsförderung

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986.

Rahmenbedingungen der betrieblichen Gesundheitsförderung 13

Das Arbeitsschutzgesetz von 1996 sowie das neugefasste SGB VII(Sozialgesetzbuch) bewirkten eine grundlegende Veränderung imtraditionellen Arbeitsschutz.

Die neue Auffassung von Arbeitsschutz orientiert sich am Men-schenbild und dem Gesundheitsverständnis der WHO und der In-ternationalen Arbeitsorganisation ILO (International Labour Orga-nisation).

Der Begriff Gesundheit umfasst dabei nicht nur das Freisein vontatsächlichen Krankheiten oder Gebrechen, sondern auch die physi-schen und geistig-seelischen Faktoren, die sich auf die Gesundheitauswirken können. Das alte Arbeitsschutzrecht, das vor allem denSchutz körperlicher Unversehrtheit zum Ziel hatte, wurde erweitertdurch einen ganzheitliches Aspekt, der auch »die durch Arbeitsbedin-gungen beeinflussbaren psychischen Befindlichkeiten, insbesondere psychosoma-tische Zustände« (BVerwG NZA 1997, 482) berücksichtigt.

Außerdem legte § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) fest, dass anjedem Arbeitsplatz im Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung durch-geführt werden soll. Damit wurde dem Arbeitgeber eine weitereVerpflichtung hinsichtlich der menschengerechten Gestaltung derArbeit auferlegt.

Wie wichtig dies ist zeigt eine 2002 veröffentlichte Untersuchungder Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, wonach die Kos-ten für arbeitsbedingte Erkrankungen bei 28 Milliarden Euro liegen.Würde, laut Bundesanstalt, mehr Geld in die Förderung von Ge-sundheit investiert werden, könnte erstens das Leid der Menschenverringert und zweitens die Kosten der arbeitsbedingten Erkrankun-gen erheblich gesenkt werden.

Anders als im Rahmen der arbeitsmedizinischen Pflichtuntersu-chungen bzw. der Angebotsuntersuchungen können Arbeitnehmernach neuem Recht eine arbeitmedizinische Vorsorgeuntersuchunganfordern, sobald arbeitsbedingte Erkrankungen nicht auszuschlie-ßen sind. Damit werden die ArbeitnehmerInnen, so Kohte (2001, 57),vom »Gegenstand« zu AkteurInnen.

Zusätzlich erhalten die Beschäftigten ein Recht auf Anhörung vorUmgestaltung der Arbeitsbedingungen und bei akuter Gefahr »dasRecht zur Einstellung der Arbeit« (ebd.). Dieses Recht ist an bestimmteVoraussetzungen geknüpft, die dabei beachtet werden müssen.

Diese Beispiele zeigen, dass das neue Arbeitsschutzrecht wichtigeVeränderungen gebracht hat. Einige der bisher freiwilligen Maßnah-

14 Rahmenbedingungen der betrieblichen Gesundheitsförderung

men der Gesundheitsförderung sind in einen verpflichtenden Ar-beitsschutz verwandelt worden.

Basierend auf einem erweiterten Gesundheitsbegriff liefert dieserneue Arbeitsschutz mit seinem verpflichtenden Charakter eine guteAusgangssituation für betriebliche Gesundheitsförderung. Denn dieAnpassung an ständig neue Arbeitsbedingungen kann nicht vorran-gig durch neue Gesetze und Anordnungen geregelt werden, son-dern muss als kontinuierlicher Prozess erfolgen.

Das Europäische Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung hat 1997in Luxemburg eine Deklaration verabschiedet, die das anerkannteKonzept der betrieblichen Gesundheitsförderung in der Europäi-schen Union darstellt:

»Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst alle Maßnahmen von Arbeit-gebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit undWohlbefinden am Arbeitsplatz. Dies kann durch die Verknüpfung folgenderAnsätze erreicht werden:y Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungeny Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligungy Stärkung der persönlichen Kompetenz.«

Neben dem neu definierten Verständnis von Arbeitsschutz, Gesund-heit und betrieblicher Gesundheitsförderung; den bestehenden ge-setzlichen Neuerungen; den veränderten Bedingungen hinsichtlichder Aufgaben von Kranken- und Unfallkassen, beeinflussen auch ge-sellschaftliche Rahmenbedingungen die betriebliche Gesundheitsför-derung. Josef Kuhn (2002, 22) formuliert im Sinne einer bedarfsorien-tierten betrieblichen Gesundheitsförderung drei Schwerpunkte, diebisher zu wenig berücksichtigt werden: Neben der sozialkompensa-torischen, die sozial bedingte gesundheitliche Benachteiligungen aus-gleichen soll, sind dies die Gesundheitsförderung füry ältere MitarbeiterInnen, auch durch eine Verknüpfung von Ge-

sundheitsförderung und Rehabilitation,y ausländische Beschäftigte – häufig in »unteren beruflichen Status-

gruppen« und in »prekären Beschäftigungsverhältnissen« (Kuhn2002, 22),

y Frauen bzw. allein erziehende Männer im Sinne einer »familien-freundlichen Unternehmenspolitik« (Kuhn 2002, 27).

Rahmenbedingungen der betrieblichen Gesundheitsförderung 15

Diese gilt es im betrieblichen Alltag besonders zu beachten.Darüber hinaus werden die Rahmenbedingungen von betrieblicher

Gesundheitsförderung natürlich auch durch vorherrschende Tenden-zen der Unternehmenspolitik geprägt: Steht allein der shareholder-value, der kurzfristige Gewinn der Aktienbesitzer und Anteilseignerim Mittelpunkt wirtschaftlicher Aktivität, dann hat es betriebliche Ge-sundheitspolitik schwer. Werden in wirtschaftlichem Handeln nebenökonomischen Gewinnen auch soziale Verpflichtungen gesehen, dannhaben eine umfassende betriebliche Gesundheitsförderung guteChancen und UnternehmerInnen und ArbeitnehmerInnen eine ge-sunde, gemeinsame Zukunft.

16 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

2. Regelungsinhalteder Vereinbarungen

Im Folgenden werden die die konkreten Regelungsinhalte aufge-schlüsselt. Im Einzelnen sind diesy 2.1 Präambel – gemeinsames Grundverständnis der betrieblichen

Gesundheitsförderung,y 2.2 Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung,y 2.3 Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Verhältnisprä-

ventiony 2.4 Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderungy 2.5 Betriebliche Organisationy 2.6 Qualifizierung für Gesundheitsförderungy 2.7 Erfolgsbewertung der betrieblichen Gesundheitsförderung

2.1 Präambel – gemeinsames Grundverständnisder betrieblichen Gesundheitsförderung

In den »einleitenden Sätzen«, »Präambeln« oder »Vorworten« werdengrundsätzliche Aussagen zur betrieblichen Gesundheitsförderung ge-troffen, welche die Grundidee der Vereinbarung vorwegnehmen. Siedienen, wie später auch die Ziele, der Auslegung der Vereinbarung.

In den Grundlagen erklären die VertragspartnerInnen ihre Hal-tung und ihr Verständnis von Gesundheit. Jede zehnte der unter-suchten Vereinbarungen – so auch folgendes Beispiel – knüpft ein-leitend am gesetzlich genau definierten Arbeitsschutz als einemMindeststandard an und verweist dann auf die betriebliche Gesund-heitsförderung als eine inhaltliche Erweiterung und Ergänzung destraditionellen Arbeitsschutzes.

Präambel – gemeinsames Grundverständnis der betrieblichen Gesundheitsförderung 17

»Die EU-Rahmenrichtlinie beinhaltet nur die Mindestanforderun-gen an das Unternehmen.

Neben dem gesetzlichen Handlungsauftrag (ASIG (Arbeits-sicherheitsgesetz) bzw. Arbeitsschutzgesetz sowie EU-Rahmen-richtlinie »Arbeitsschutz«) versteht sich betriebliche Gesundheits-förderung als inhaltliche Erweiterung sowie Ergänzung zu dentraditionellen Bereichen Arbeitssicherheit, Arbeitsmedizin undArbeitsschutz.«

(Energiedienstleister, 060700/15)

In allgemeinerer Form, aber mit dem gleichen Inhalt setzt auch diefolgende Vereinbarung am Arbeitsschutz an und erweitert ihn umdie Gesundheitsförderung.

»Der Mensch im Mittelpunkt

Arbeits- und Gesundheitsschutz sind wichtige Bausteine zurArbeitszufriedenheit und zur Erhaltung der Gesundheit unsererMitarbeiter. Voraussetzung für gesunde Unternehmen sind ge-sunde Mitarbeiter. Daraus resultiert die unternehmerische Auf-gabe, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung im Betrieb überdie Fürsorgepflicht hinaus als betriebswirtschaftliche Notwendig-keit zu intensivieren. […]«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060100/17)

Die folgende Vereinbarung zeigt die Möglichkeit auf, konkrete Ziel-setzungen des Arbeitsschutzes, wie z.B. Verhinderung von Berufs-krankheiten und Unfällen, mit gesundheitsförderlichen Ansätzen,wie z.B. Beeinträchtigungsfreiheit, zu verknüpfen. Darüber greifendie »physischen und geistig seelischen Faktoren« den Gesundheits-begriff der WHO auf.

»Zielsetzung ist, präventiv das Entstehen von Berufserkrankungenund Arbeits- und Wegeunfällen zu verhindern sowie die Arbeits-abläufe und das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass gesundheit-liche Beeinträchtigungen für die Mitarbeiter/innen ausgeschlossensind. Gesundheit ist nicht nur das Freisein von Krankheit und Ge-brechen, sondern alle physischen und geistig seelischen Faktoren,

18 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

die sich auf die Gesundheit auswirken und die im unmittelbarenZusammenhang mit der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeitstehen.«

(Gesundheit und Soziales, 060700/26)

2.2 Ziele der betrieblichenGesundheitsförderung

Die Beschreibung bzw. Festlegung allgemeiner Ziele der betrieb-lichen Gesundheitsförderung dienen zur gemeinsamen Orientie-rung, Kommunikation und Auslegung im Sinne eines gemeinsamenSelbstverständnisses – für die Umsetzung der Vereinbarungen, aberauch für Konfliktfälle. Die Regelung konkreter Ziele dagegen soll er-gebnisorientierte Aktivitäten auslösen.

Die allgemeinen Zielbestimmungen der Vereinbarungen beziehensich aufy Gesundheitsförderung als Prozess und Gesundheit als Wohlbe-

findeny Beteiligung und Befähigungy Produktivität und Nachhaltigkeit der betrieblichen Gesundheits-

förderungy die Zielgruppen der betrieblichen Gesundheitsförderung

Ebenso wie die Ausführungen zu den Grundlagen der betrieblichenGesundheitsförderung in den Vereinbarungen sind die Beschreibun-gen der allgemeinen Ziele nicht einklagbar.

2.2.1 Gesundheitsförderung als Prozessund Gesundheit als Wohlbefinden

Der betonte Prozesscharakter von Gesundheitsförderung ist immerwieder Thema einleitender Bemerkungen und Gedanken. Damit wirdauch ausgedrückt, dass dieser Prozess nicht endet, sondern stets anveränderte Bedingungen, Problemlagen und Ziele angepasst bzw. –wie unten formuliert – »immer wieder neu hergestellt« werden muss.

Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung 19

»Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschenein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zuermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu be-fähigen.«

(Großhandel [ohne KFZ], 060700/01)

»Diese schrittweise Entwicklung trägt dem prozesshaften Charak-ter von Gesundheit Rechnung.

Da es ein beständiges, lebenslanges Wohlbefinden nicht gibt,muss Gesundheit/Wohlbefinden im Laufe des Lebens immer wie-der neu hergestellt werden.(…)Die Schaffung günstiger Voraussetzungen für Gesundheit im Be-trieb ist somit ein Entwicklungsprozess, der von den Beteiligten undBetroffenen problem- und zielorientiert gestaltet werden muss.«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 060000/08)

In der gerade zitierten Vereinbarung wurde neben der Betonung derProzesshaftigkeit von Gesundheit(sförderung) auch das Wohlbefin-den genannt. In der folgenden Vereinbarung wird dieses Wohlbefin-den noch genauer – fast wortwörtlich wie in der Ottawa Charta derWHO – beschrieben. Dieser breite Begriff von Gesundheit, der auchdas soziale Wohlbefinden beinhaltet, bietet damit entsprechend um-fassende Ansatzpunkte für Gesundheitsförderung.

»Gesundheit wird hierbei verstanden als Wohlbefinden im psychi-schen, sozialen und körperlichen Bereich. Dieses Wohlbefindenwird zum einen durch das Verhalten und die Einstellungen deseinzelnen beeinflusst und zum anderen durch die Verhältnisse, indenen er lebt und arbeitet. […]«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 060000/08)

2.2.2 Beteiligung und Befähigung

Weitere Bestimmungsgrößen für Gesundheitsförderung in den bei-den folgenden Vereinbarungen sind Beteiligung (Partizipation) undBefähigung (Empowerment, siehe Glossar) zur Teilhabe und Teil-nahme an Gesundheitsförderung.

20 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Dies setzt auf eine kooperative und partizipative Mitarbeiterfüh-rung sowie eine Führungspraxis, die dem Wohlbefinden der Be-schäftigten am Arbeitsplatz einen hohen Stellenwert einräumt.«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/54)

»Gesundheitsförderung ist ein stetiger Prozess, in dessen VerlaufMenschen in zunehmendem Maß befähigt werden, ihre gesund-heitliche Situation zu erkennen, zu kontrollieren und zu verbes-sern.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/57)

Beide Vereinbarungen zitieren mit Partizipation und Befähigung zweiLeitbegriffe der WHO-Definition von Gesundheit.

Beteiligung wird in einer weiteren Vereinbarung durch eine Auflis-tung der Beteiligten genauer bestimmt. Gleichzeitig wird die Mög-lichkeit genutzt, bestimmte Sachverhalte – im vorliegenden FalleMaßnahmen gegen Kranke – durch die Vereinbarung auszuschlie-ßen, da sie kein Ziel der betrieblichen Gesundheitsförderung dar-stellen.

»Die Entwicklung und Durchführung derartiger Maßnahmen isteine Gemeinschaftsaufgabe im Unternehmen, die nur unter Betei-ligung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Füh-rungskräfte, des Personalwesens, der Betriebsräte und der betrieb-lichen Sicherheits- und Gesundheitsexperten bewältigt werdenkann. Sie hat nicht zum Ziel, individuelle Krankengeschichten zuanalysieren und mit Maßnahmen zu belegen.«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 060000/08)

2.2.3 Produktivität und Nachhaltigkeit betrieblicherGesundheitsförderung

In den Vorworten der Vereinbarungen stellt die Verknüpfung betrieb-licher Gesundheitsförderung mit Produktivität und dem gemeinsa-men Nutzen für das Unternehmen und die MitarbeiterInnen einenwichtigen Faktor da. Es geht aber auch um gesellschaftliche und über-betriebliche Fragestellungen, wie z.B. Arbeitsplatzsicherheit.

Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung 21

»Die Vertragspartner stimmen in der Erkenntnis überein, dass be-triebliche Gesundheitsförderung ein Beitrag zur Wertschöpfungdes Unternehmens ist. Eine altersgerechte Organisation der Ar-beit, eine adressatengerechte Qualifikation, das Verhalten der Füh-rungskräfte, eine moderne Sachmittelausstattung an den Arbeits-plätzen, das Arbeitsumfeld, transparente Kommunikations- undEntscheidungsstrukturen, die Sicherung von Arbeitsplätzen undStandorten, die Förderung der Gleichstellung im Betrieb, einepartizipative offene Betriebskultur sind wesentliche Einflussfakto-ren auf die Gesundheit und auf das Wohlbefinden und somit aufdie Leistungsfähigkeit der Beschäftigten.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

Die folgende Vereinbarung benennt die Synergien von betrieblicherGesundheitsförderung, jene für Beschäftigte und das Unternehmengleichermaßen positiven Auswirkungen. Damit werden auch imübertragenen Sinne gemeinsame »Werte« beschrieben.

»Betriebliche Gesundheitsförderung lohnt sich gleichermaßen fürdas Unternehmen wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:Nutzen für den Betrieb:– Erhöhte Arbeitszufriedenheit und Arbeitsproduktivität,– langfristige Senkung des Krankenstandes,– gesteigerte Produktions- und Dienstleistungsqualität,– verbesserte betriebliche Kommunikation und Kooperation,– lmageaufwertung für das Unternehmen.

Nutzen für die Beschäftigten:– Weniger Arbeitsbelastungen,– verringerte gesundheitliche Beschwerden,– gesteigertes Wohlbefinden,– besseres Betriebsklima,– mehr Arbeitsfreude,– gesunderes Verhalten in Betrieb und Freizeit.«

(Gesundheit und Soziales, 060700/33)

In einer anderen Vereinbarung wird auf die Nachhaltigkeit von be-trieblicher Gesundheitsförderung verwiesen.

22 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Dabei sind wir uns bewusst, dass es ein Spannungsfeld zwischenWirtschaftlichkeit und betrieblicher Gesundheitsförderung gibt.Aber Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz machenProduktivitätsreserven frei und zahlen sich langfristig aus.«

(Öffentliche Verwaltung, 060100/28)

Ein weiterer Aspekt in den einleitenden Bemerkungen einiger Ver-einbarungen ist die Notwendigkeit gesundheitsförderlicher Präven-tion im Sinne detaillierter Planung, welche die oft erforderlichen,meist auch teuren Korrekturen von Fehlplanung vermeidet.

»Prävention

Verstanden als die gedankliche Vorwegnahme von Folgen undWirkungen betrieblicher Maßnahmen bereits im Planungssta-dium.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060100/17)

Auch die Einführung neuer Technik bedarf einer rechtzeitigen Ein-schätzung und Vorsorge, wie nachstehende Vereinbarung einleitendfordert.

»Diese Auswirkungen (der Einführung neuer Technologien), dieauch durch arbeitsorganisatorische Umstellungen und Flexibilitätder Arbeitsabläufe begleitet wird, sind bis zu einem gewissen Maßeunsichtbar. Sie stellen uns alle vor neue Aufgaben, weil nunmehrFragen der Arbeitsorganisation, der sozialverträglichen Technik-gestaltung, der Qualifikation und auch psychosoziale Problem-bereiche abgewogen und Lösungen im Interesse aller Beteiligtenerarbeitet werden müssen.

Wir müssen diese Probleme in unseren Bereichen verstärktdurch präventive Maßnahmen mit einer aktiven Gesundheitsför-derung lösen. […]«

(Öffentliche Verwaltung, 060100/28)

Die Senkung der Fehlzeiten kann ebenfalls zum Bereich der Kosten/Nutzen-Überlegungen, also zur Produktivität der betrieblichen Ge-sundheitsförderung gerechnet werden, wie folgende Vereinbarungzeigt. Bemerkenswert ist hier die vorgeschriebene Richtung: Die Ver-besserung der Arbeitsbedingungen bewirken »verbessertes Betriebs-

Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung 23

klima« und »höhere Motivation« – Faktoren, welche die Fehlzeitendurchaus positiv beeinflussen können.

»Zusammengefasst besteht die Aufgabe darin, zu einer Gesund-heitsförderung im Betrieb zu kommen, in deren Folge durch ver-besserte Arbeitsbedingungen, durch aufgaben- und mitarbeiter-orientierte Führung, durch ein verbessertes Betriebsklima sowiedurch höhere Motivation im Ergebnis eine positive Beeinflussungder Fehlzeiten erreicht wird.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060700/46)

Während in den bisher zitierten Vereinbarungen die möglichen Er-gebnisse betrieblicher Gesundheitsförderung für Unternehmen undMitarbeiterInnen beschrieben werden, sind in den folgenden Verein-barungen einleitend die »Arbeitsfelder der Gesundheitsförderung«nach den beiden Akteuren Unternehmen/Führung und MitarbeiterInnengenauer ausgearbeitet.

»Arbeitgeberseite

Auf Grundlage der Gesetze und Verordnungen des Arbeits- undGesundheitsschutzes sind als wesentliche Felder der Gesundheits-förderung auf Seiten des Unternehmens zu nennen:– eine gesundheitsorientierte Gestaltung von Räumen und Ferti-

gungsmitteln– Durchführung erforderlicher Qualifizierungsmaßnahmen zur

Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes– ständige Optimierung der Arbeitsorganisation und der Ar-

beitsabläufe– ein Führungsstil, geprägt durch Wertschätzung und Achtung

der Mitarbeiterinnen und MitarbeiterArbeitnehmerseiteAuf Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zu nennen:– Erkennen und Vermeiden gesundheitsgefährdender Verhal-

tensweisen– Steigerung der Eigenverantwortlichkeit für sich und seine Ge-

sundheit– Erhöhung gesundheitsfördernder Kompetenzen, gestützt durch

die Krankenversicherungsträger«(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 060000/08)

24 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

Diese Regelung verweist indirekt auf eine möglicherweise verbes-serte Produktivität als Folge betrieblicher Gesundheitsförderung –»Optimierung der Arbeitsorganisation und Arbeitsabläufe« – durchQualifizierung aller Akteure, eine wertschätzende Kultur, aber durchEigenverantwortung der ArbeitnehmerInnen.

2.2.4 Zielgruppen der betrieblichenGesundheitsförderung

Die untersuchten Vereinbarungen beschäftigen sich sehr konkret miteinzelnen Zielgruppen wiey Älterey schwerbehinderte und behinderte Menscheny Schichtarbeiter

Frauen, Lehrlinge und AusländerInnen stellten in den untersuchtenVereinbarungen – mit Ausnahme einer summarischen Erwähnung –keine Beschäftigtengruppen mit besonderen Regelungen dar, diehier zitiert werden könnten. Dies zeigt, dass es dahingehend nochungenutzte Spielräume für spezifische Vereinbarungen gibt.

Ältere und (schwer-)behinderte Menschen

Interessanterweise werden Ältere und schwerbehinderte Menschenmeist in einer Gruppe genannt, obwohl es keine zwingenden Zu-sammenhänge zwischen Schwerbehinderung und Alter gibt. Esfolgen vier Beispiele für besondere Schutzregelungen für Ältere undschwerbehinderte Menschen. Zunächst wird pauschal auf entspre-chende gesundheitsförderliche Maßnahmen hingewiesen.

»y Gesundheitsförderung im Betrieb schließt besondere Schutz-bestimmungen für Schwerbehinderte, ältere Arbeitnehmer undWechselschichtler mit ein.

y Gesundheitsförderung im Betrieb ist eine ständige, dauerhafteAufgabe mit langfristiger Zielsetzung.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060700/46)

Andere Vereinbarungen legen das Augenmerk – noch ausgestal-tungsbedürftig – auf bestimmte Tätigkeiten.

Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung 25

»Mitarbeiter, die das 55. Lebensjahr erreicht haben, dürfen nur spo-radisch und kurzzeitig an Datensichtgeräten eingesetzt werden.«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 060000/08)

Auch Bestimmungen zu Pausen- und Arbeitszeiten für Ältere undBehinderte sind zu finden.

»Behinderte und ältere Arbeitnehmer

Behinderten und älteren ArbeitnehmerInnen sind auf eigenes,jederzeit zulässiges Verlangen gesonderte, bezahlte Pausen undspezielle Arbeitszeitregelungen zu gewähren. Hierbei sind die Ar-beitnehmervertreter hinzuziehen. Dieser Anspruch kann geltendgemacht werden:a) ab einem Grad der Behinderung von 50 Prozentb) ab einem Alter von 50 Jahrenc) ab einem Alter von 40 Jahren und einer Behinderung ab 30 Pro-

zent«(Datenverarbeitung und Softwareentwicklung, 060100/45)

Darüber hinaus gibt es auch Regelungen für behindertengerechtePlanung von Bauten und Arbeitsbedingungen, so dass auch in die-sem Zusammenhang indirekt von einer vorausschauenden und ge-sundheitsförderlichen Planung gesprochen werden kann.

»Bei der Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten von Be-triebsanlagen, Arbeitsabläufen, Arbeitsverfahren und Arbeitsplät-zen werden die Belange der Schwerbehinderten im Rahmen derBetriebsvereinbarung über die Wahrnehmung der sich aus § 90BetrVG ergebenden gemeinsamen Aufgaben zur menschenge-rechten Gestaltung der Arbeit (…) entsprechend berücksichtigt.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 010301/01)

Gerade die letzte Vereinbarung kann die nachhaltigste Wirkung aufdie Gesundheit der Beschäftigten entfalten: »Neu-, Um- und Erwei-terungsbauten von Betriebsanlagen, Arbeitsabläufen, Arbeitsverfah-ren und Arbeitsplätzen« – das entspricht einer umfassenden Berück-sichtigung von Gesundheitsschutz und -förderung bereits in derPlanungsphase.

26 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

SchichtarbeiterInnen

Aufgrund der besonders belastenden Arbeitsbedingungen derSchichtarbeit enthalten die untersuchten Vereinbarungen z.T. sehrumfangreiche Regelungen zu dieser Problematik.

»Schichtarbeitnehmern können in den Fällen, in denen die Tag-schlafbedingungen direkt durch äußere Einflüsse erheblich gestörtsind, im Rahmen der Möglichkeiten– bei der Vergabe von ruhig gelegenen Werkswohnungen bevor-

zugt berücksichtigt werden,– Darlehen für den Einbau von Lärmschutzmaßnahmen in der

eigenen oder angemieteten Wohnung in Höhe bis zu 10 000,–DM mit einer Laufzeit von bis zu 10 Jahren erhalten,

– bei der Eigenheimförderung bevorzugt berücksichtigt werden.6. Vermeiden regelmäßiger Überstunden und Sonderschichten7. Verpflegung für Spät- und Nachtarbeiter8. Betriebliches Fortbildungsangebot für Schichtarbeitnehmer9. Information der Schichtarbeitnehmer

10. Sportangebot für Schichtarbeitnehmer[…]«

(Chemische Industrie, 010306/12)

Neue MitarbeiterInnen

Wichtig ist auch die Einbeziehung und Information der neuen Mit-arbeiterInnen in die betrieblichen Aktivitäten zur Gesundheitsför-derung. Denn diese hat nicht in allen Betrieben den Stellenwert wiein jenen Unternehmen, deren Vereinbarungen im Rahmen der vor-liegenden Untersuchung ausgewertet wurden.

»Neue Mitarbeiter werden jeweils unverzüglich in das Konzeptder betrieblichen Gesundheitsförderung der (Firma) integriert.

Innerhalb der ersten drei Monate der Betriebszugehörigkeitwird am Arbeitsplatz eine Ergonomieschulung unter physiothera-peutischen Gesichtspunkten durchgeführt.

Ein neuer Mitarbeiter kann vom ersten Arbeitstag an allen Prä-ventions- und Unterweisungsmaßnahmen teilnehmen und hat dasRecht und die Pflicht zur Beteiligung.«

(Verlags- und Druckgewerbe, 050100/134)

Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Verhältnisprävention 27

Die zitierten Vereinbarungen zu gesundheitlichen Belangen einzel-ner Zielgruppen resultieren einerseits aus besonderen Belastungs-situationen, andererseits aus besonderen Einschränkungen in derArbeitsfähigkeit. Es erscheint sinnvoll – neben der umfassendenInformation neuer MitarbeiterInnen – in Vereinbarungen zur be-trieblichen Gesundheitsförderung auch die Frage der Zielgruppen zuregeln, wenn es die individuellen oder betrieblichen Bedingungenerfordern.

2.3 Gesundheitsförderung durchVerhaltens- und Verhältnisprävention

Wie oben bereits angedeutet, unterscheiden Regelungen in den un-tersuchten Vereinbarungen zwischen Verhaltens- und Verhältnisprä-vention und klären auch – wie in folgendem Beispiel – was für dieBelegschaftsvertretung Vorrang hat: Verhältnisprävention, die mög-lichst bei der Planung beginnen sollte.

»Prävention

(…) Bei diesen Präventionsmaßnahmen muss unterschieden wer-den zwischeny Verhältnisprävention durch Schaffen gesundheitsfördernder

Arbeitsbedingungen.y Verhaltensprävention durch Verminderung gesundheitsriskan-

ten VerhaltensDas Schaffen gesundheitsfördernder Arbeitsbedingungen hatgrundsätzlich Vorrang vor anderen Maßnahmen. Es ist der wirk-samste Weg zur Prävention und sollte bereits in der frühen Pla-nungsphase berücksichtigt werden. (…)«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060700/46)

Immer wieder wird der zweifache Ansatz Verhältnis- und Verhaltensprä-vention der betrieblichen Gesundheitsförderung thematisiert. Meiststeht die Veränderung der Arbeitsbedingungen an erster, die Verhal-tensprävention an zweiter Stelle.

28 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Gesundheitsförderung im Betrieb will sichere, anregende und ge-sündere Arbeitsbedingungen schaffen und die Beschäftigten zugesünderem Verhalten motivieren und qualifizieren.«

(Großhandel [ohne KFZ], 060700/01)

»Unter Gesundheitsförderung werden im Sinne der Ottawa-Chartaalle präventiven Maßnahmen verstanden, die sowohl die Änderungder Arbeitsbedingungen als auch verhaltensbezogene (auf Einstel-lungen und Motivation von Individuen zielende) Maßnahmen um-fassen.«

(Unbekannt, 060700/53)

Auch wenn immer wieder der umfassende Gesundheitsbegriff derWHO als Orientierungsmaßstab gilt, kann die Reichweite der Ge-sundheitsförderung durchaus unterschiedlich sein. In der folgendenVereinbarung beschränkt sie sich auf die Beseitigung der Ursachenvon Gesundheitsstörungen.

»Im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO)bedeutet Gesundheit soziales, psychisches und körperliches Wohl-befinden. Gesunde, qualifizierte und motivierte Beschäftigte sindein Schlüssel zum Unternehmenserfolg.

Unternehmensverantwortliche und Führungskräfte aller Ebe-nen haben die gemeinsame Aufgabe, betrieblichen Ursachen vonGesundheitsstörungen nachzugehen und auf deren Beseitigunghinzuwirken.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/59)

Aber die Beseitigung von Gesundheitsstörungen ist nur ein Aspektvon Gesundheitsförderung: Einige Vereinbarungen verweisen imVorwort auf das Zusammenspiel von Arbeitsbelastungen und Ge-sundheitspotenzialen, von positiven Arbeitsanforderungen wieKontroll- und Entscheidungsspielräume und Abwechslung bzw. Par-tizipation. So auch folgendes Beispiel.

»Präambel

Als entscheidend für die gesundheitlichen Auswirkungen derArbeit kann das Zusammenwirken von Anforderungen und Be-lastungen einerseits und arbeitsbezogener Kontroll- und Entschei-

Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Verhältnisprävention 29

dungsspielräume der Beschäftigten andererseits gelten. Eine inhalt-lich interessante und abwechslungsreiche Arbeit, deren Ablaufund Einteilung von den Beschäftigten relativ selbstständig ge-staltet werden kann, wirkt sich protektiv und fördernd auf die Ge-sundheit aus. Veränderungen im Arbeitsprozess haben einenumso günstigeren Effekt auf die Gesundheit der Beschäftigten, jegrößer die ihnen bei der Veränderung eingeräumten Partizipa-tions- und Einflussmöglichkeiten sind.«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/50)

Die zitierten Vereinbarungen betonen also durchgängig die Bedeu-tung der Veränderung der Arbeitsbedingungen (Verhältnispräven-tion) und konzentrieren sich vor allem auf diesen Aspekt der Ge-sundheitsförderung. Daneben gibt es viele konkrete Angebote zurVerhaltensänderung:

Angebote der Verhaltensprävention

Viele der untersuchten Vereinbarungen enthalten konkrete Regelun-gen zu speziellen Problemfeldern, die den verhaltenspräventiven Be-reich betreffen. Im Einzelnen beziehen sich diese Vereinbarungen aufy unterstützende Gesundheitsangebotey gesundes Verhalten am Arbeitsplatzy Suchtprävention.

Gesundheitsangebote des Unternehmens zurUnterstützung des individuellen Gesundheitsverhaltens(Ernährung, Bewegung, autogenes Training etc.)

Einen wichtigen Stellenwert hat in den Vereinbarungen das ThemaEssensangebot in der Kantine vor allem im Angestellten-Bereich.

»In der Kantine sollen mindestens zwei Stammessen zur Wahl an-geboten werden. Die Essen sollen aus Fleisch, Gemüse (möglichstFrischgemüse), Kartoffeln oder anderen gleichwertigen Nahrungs-mitteln bestehen. Das Angebot soll um Gerichte aus Produktenausschließlich aus ökologischem Landbau und um vegetarischeGerichte ergänzt werden. Die Nahrungsmittel sollen frisch zube-reitet sein. […].«

(Öffentliche Verwaltung, 050100/159)

30 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

Neben dem unterstützenden Einzelangebot Ernährung werden auchumfassende Angebote in den Bereichen Fitness, Rückenschule, Gymnas-tik und Entspannung im Rahmen eines betrieblichen »Gesundheits-centers« festgeschrieben.

»Das Gesundheits-Center ist Betriebsteil der […] Zentralverwal-tung. […] stellt sicher, dass das Gesundheits-Center einer fachlichqualifizierten Leitung unterliegt.

Die Ausstattung des Gesundheits-Centers mit sportmedizini-schen Geräten erfolgt durch in Abstimmung mit dem Betriebs-arzt, der Leitung des Gesundheits-Centers und dem Betriebsrat.Die entsprechenden Arbeitsschutz-Bestimmungen werden einge-halten. […]

Angebotene MaßnahmenMögliche Maßnahmen sind:– medizinisch gestützte Maßnahmen an den sportmedizinischen

Geräten mit maximal sieben Teilnehmern pro Trainingseinheit– medizinisch freie Maßnahmen wie Rückenschule, Gymnastik,

Entspannungsübungen mit maximal acht Teilnehmern proTrainingseinheit.

Medizinisch gestützte Maßnahmen werden durchgeführt, soweitder Betriebsarzt eine Notwendigkeit feststellt. Die Durchführungerfolgt in Abstimmung mit dem Betriebsarzt und der Leitung desGesundheits-Centers auf der Grundlage eines besonderen Trai-nings- und Terminplans.

Medizinisch freie Maßnahmen können die MitarbeiterInnendirekt mit der Leitung des Gesundheits-Centers vereinbaren.Für eine gesundheitliche Unbedenklichkeitsbescheinigung habendie Mitarbeiterinnen im Bedarfsfall eigenverantwortlich Sorge zutragen.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/31)

Die verhaltenspräventiven Angebote sind wichtig und sinnvoll, wennsie mit Verhältnisprävention kombiniert werden. WissenschaftlicheBegleitstudien zeigen, dass z.B. Rückenschule als isolierte Einzel-maßnahme zwar kurzfristig das Befinden der MitarbeiterInnen posi-tiv beeinflusst, aber keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Ge-sundheit hat.

Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Verhältnisprävention 31

Gesundes Arbeitsverhalten

Die folgenden beiden Vereinbarungen regeln die Unterstützunggesunden Arbeitsverhaltens z.B. durch Bewegungskurzpausen alsAusgleich für große Belastungen bzw. mögliche einseitige Überlas-tungen. Sie orientieren sich an den konkreten, sich veränderndenArbeitsbedingungen.

»Bewegungskurzpausen (…)

Da arbeitsmedizinisch erwiesen ist, dass eine längere körperlicheUnterforderung bzw. Arbeiten bei zwangsweiser Körperhaltungoder unter Zeitdruck zu arbeitsbedingten Erkrankungen führenkönnen, werden den betroffenen Mitarbeitern zur Kompensationkörperliche Bewegungsmöglichkeiten auch innerhalb des Betrie-bes angeboten. Betroffene Arbeitnehmer können während derArbeitszeit zur aktiven Erholung von einseitigen Beanspruchun-gen Bewegungskurzpausen zur Durchführung einer Ausgleichs-gymnastik ausüben.«

(Landverkehr, 060700/47)

»Rechtzeitige Information der Beschäftigten über geplante Verän-derungen in ihrem Arbeitsbereich,

Anleitung zu vorbeugenden Übungen (Kurzentspannung derAugen, Rückengymnastik, Kurzpausen mit Entspannung, Tätig-keitswechsel, Organisation des Wechsels von Sitzen-Stehen-Gehen) am Arbeitsplatz durch den Betriebsarzt oder durch denSicherheitsbeauftragten.

Erläuterungen zum betrieblichen System von Gesundheit undSicherheit, Erklärung der Zuständigkeiten und der Verantwor-tung.«

(Branche unbekannt, 060700/45)

Jede zehnte Vereinbarung diskutiert Gesundheitsfragen insbeson-dere hinsichtlich Bildschirmarbeit, z.T. auch mit Bezug auf die Ge-fährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz und darauf auf-bauend. Dazu folgende Vereinbarung.

32 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Arbeitsplatzanalyse/Bildschirmarbeit

Die Arbeitsplatzanalyse dient der Beurteilung der Sicherheits-und Gesundheitsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der phy-sischen und psychischen Gefährdungen, sowie möglicher Kombi-nation. (…)

Gesundheitsschutz in Zusammenhang mit Arbeitsorganisation

und Software

Vermeidung von Stress durch klare Arbeitsaufträge und An-weisungen, Erörterung vorhandener Probleme, Vermeidung vonStress durch ausreichende Qualifikation (Erörterung und Beseiti-gung von Lücken und Mängeln), Anpassung der Arbeitsmittel,z.B. der Software an den Kenntnis- und Ausbildungsstand desBeschäftigten (Klärung und Beseitigung von Problemen), Einwei-sung, wie die Software den persönlichen Bedürfnissen angepasstwerden kann (z.B. Windows-Oberflächen) und was man dabeiaus ergonomischer Sicht zu beachten hat.«

(Branche unbekannt, 060700/45)

Bereits vor dem Arbeitseinsatz an Bildschirmen bzw. vor techni-schen und organisatorischen Änderungen setzen die Qualifizie-rungsmaßnahmen in der folgenden Vereinbarung an.

»Vor dem Einsatz an Bildschirmarbeitsplätzen sowie vor techni-schen und organisatorischen Änderungen dieser Arbeitsplätzesind die betroffenen Arbeitnehmer/-innen rechtzeitig und umfas-send über die neuen Arbeitsmethoden und ihre Aufgaben zu un-terrichten und zu qualifizieren.

Insbesondere sind sie auch in der ergonomischen Arbeitsplatzge-staltung und der richtigen Nutzung des Arbeitsplatzes zu schulen.«

(Branche unbekannt, 060100/42)

Suchtprävention

Die folgenden Ausschnitte aus den untersuchten Vereinbarungenbehandelny Alkohol- und Medikamentensuchty Rauchen/Nikotinmissbrauch.

Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Verhältnisprävention 33

Im Vordergrund steht dabei die Verbesserung der Kenntnisse überEntstehung, Ursachen und Wirkung von Sucht im gesamten Unter-nehmen, um dem/der Abhängigen optimale Unterstützung gewäh-ren zu können.

»Das Ziel präventiver Maßnahmen ist, den verantwortungs-bewussten Umgang mit Alkohol und Medikamenten zu fördern,das Wissen über Wirkung und möglichen Folgen bei Missbrauchzu verbreiten sowie das richtige Verständnis in der Mitarbeiter-schaft und bei Vorgesetzten gegenüber den Suchtgefährdeten undSuchtkranken zu wecken und Vorurteile abzubauen.

Eine wirkungsvolle Umsetzung dieser Betriebsvereinbarung istnur dann möglich, wenn die nachstehenden Regelungen von denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Vorgesetzten und Betriebsratgleichermaßen getragen und eingehalten werden. Eine Verantwor-tung obliegt daher, sowohl bei der Prävention als auch bei derBehandlung von Einzelfällen, den Führungskräften aufgrund ihrerVorgesetzten- und Vorbildfunktion.«

(Möbel-, Schmuck-, Instrumenten-, Sport- und Spielwaren-

hersteller, 050102/67)

Wie die beiden folgenden Vereinbarungen belegen, werden nichtnur die Aspekte individuelle Verantwortung bzw. individuelles Verhaltenangesprochen, sondern auch die Bedeutung der Arbeitsbedingun-gen für das Entstehen von Sucht. Dies erscheint besonders wichtig,weil hier die Arbeitsbedingungen als potentielle Mitverursacher vonSuchterkrankungen gesehen und damit auch der Verhältnispräven-tion zugänglich gemacht werden.

»Ungünstige Arbeitsbedingungen, wie z.B. Schichtdienst, Lärm,Hitze, Staub, Stress, aber auch Über- und Unterforderung könnenzur Suchtentwicklung beitragen. Treten in einzelnen Arbeitsberei-chen Suchtprobleme deutlich häufiger auf, so weist dies zumindestauf eine besondere Problemlage in den Arbeitsbereichen hin.«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 050102/68)

Ebenso wie in der oben zitierten Vereinbarung werden nachfolgendNikotinmissbrauch und die Arbeitsbedingungen als dessen Ursachein Zusammenhang gebracht. Die Konsequenz besteht in der Kombi-

34 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

nation von Verhaltens- und Verhältnisprävention: Abbau von Belas-tungen bei gleichzeitigem Angebot von Nichtrauchertrainings.

»Primärprävention: Arbeitsbedingte Ursachen von Nikotinmiss-

brauch

Auffälliges Konsumverhalten in bestimmten Arbeitsgruppen undAbteilungen ist als Belastungsanzeichen und als Gesundheits-risiko anzusehen und unter Beteiligung der betroffenen Beschäf-tigten auf seine Ursachen hin zu untersuchen.

Ein erforderlicher Abbau besonderer Belastungen aus derArbeit sowie erforderliche Veränderungen des Arbeitsumfeldes,der Arbeitsorganisation und der Kommunikation haben unterEinbezug der betroffenen Beschäftigen zu erfolgen.[…]

Ausstiegshilfen für Raucherlnnen

Raucherinnen und Rauchern wird Gelegenheit zur Teilnahme aneinem internen Nichtrauchertraining gegeben. Der Arbeitgeberbietet in Abstimmung mit Betriebsrat und Krankenkassen entspre-chende Hilfen zur Raucherentwöhnung an. Dieses Angebot findetwährend der Arbeitszeit statt. Die Kosten trägt, sofern nicht z.B.die Krankenkassen Kosten übernehmen, der Arbeitgeber. […]«

(Gesundheit und Soziales, 060700/18)

Wie schon bei den Gesundheitsangeboten zusammenfassend be-schrieben: Verhaltensprävention allein hat wenig Wirkung. Dasbeste Stressbewältigungstraining hilft allenfalls sehr beschränkt,wenn psychisch belastende Arbeitsbedingungen nicht entsprechendverändert werden.

2.4 Instrumente der betrieblichenGesundheitsförderung

Dieses Kapitel durchleuchtet die Vereinbarungen bezüglich der In-strumente betrieblicher Gesundheitsförderung. Sie sind wesentlicheVoraussetzung dafür, dass in der betrieblichen Realität Gesundheits-förderung auch tatsächlich praktiziert werden kann. Folgende Grup-

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 35

pen von Regelungsinhalten waren diesbezüglich in den untersuchtenVereinbarungen zu finden:y Daten für Taten – Gesundheitsbericht, Befragungen, Gespräche,

Ergebnisse der Beurteilung der Arbeitsbedingungeny Steuerung des Prozesses der betrieblichen Gesundheitsförderung –

Gremieny Detailanalysen und Vorschläge für Maßnahmen durch Arbeits-

gruppen – Gesundheitszirkel, Fokusgruppen, Gesundheitsteams

Nachfolgend werden die Instrumente der betrieblichen Gesund-heitsförderung und die diesbezüglichen Vereinbarungen der Reihenach im Einzelnen dargestellt.

2.4.1 Daten für Taten

Betrieblicher Gesundheitsbericht

Gesundheitsberichte bereiten mehr oder weniger regelmäßig betrieb-liche gesundheits- bzw. krankheitsbezogene Daten auf. FolgendeVereinbarung listet sehr umfangreich jene Informationen, die füreinen Gesundheitsbericht interessant sein können. Dabei gehendiese Angaben über die gewöhnlich von den Kassen ausgewertetenArbeitsunfähigkeitsdaten hinaus.

»Zusammenführung aller für den betrieblichen Gesundheitsberichtrelevanten Informationen:– Arbeitsunfähigkeitsanalysen der Krankenkassen– betriebliche Gesundheitsgespräche– GF/AV-Berichte und Informationen aus Mitarbeitergesprächen– Informationen aus Gesundheitszirkeln– Belegschaftsbefragungen– Gefährdungs-, Belastungsanalysen und Dokumentationen– andere arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Erhe-

bungen– regionale Daten über Krankheitsentwicklungen in der Branche

und anderen Wirtschaftsgruppen«(Unternehmensbezogene Dienstleistungen, 060700/42)

36 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

Gesundheitsberichte – meist in Zusammenarbeit mit den Kassenerstellt – sind eine gute Grundlage für die Bestimmung von Ansatz-bzw. Schwerpunkten der betrieblichen Gesundheitsförderung. ObigeVereinbarung regelt gleich anschließend noch die weiteren Verfah-rensweisen mit den Daten des Gesundheitsberichtes.

»y Erstellung, Auswertung und Interpretation des betrieblichenGesundheitsberichtes

y Ermittlung und Bewertung von Gesundheitsrisiken im Unter-nehmen

y Erstellung eines betrieblichen Programms zur betrieblichen Ge-sundheitsförderung

y Einrichtung und Beratung von Gesundheitszirkeln«(Unternehmensbezogene Dienstleistungen, 060700/42)

Diese Regelung macht deutlich, dass ein Gesundheitsbericht keinSelbstzweck ist, sondern Daten für Taten liefert – für Maßnahmenoder weitere Analysen.

Eine andere Vereinbarung betont, dass der Gesundheitsbericht imSinne einer Krankenstandsanalyse nur eine von mehreren Quellenfür Ansatzpunkte möglicher Gesundheitsförderungs-Maßnahmendarstellt. Im Unterschied zur oben genannten Vereinbarung werdenzusätzliche Datenquellen aufgezählt.

»[…] gründliche Analyse des Ausgangszustands (…).Hierzu stehen zum Beispiel folgende Instrumente zur Verfügung:y Arbeitsplatzanalysen unter Einbeziehung der Gefährdungsana-

lysen nach dem Arbeitsschutzgesetzy Gesundheitsberichte mit Arbeitsunfähigkeitsanalysen der Kran-

kenversicherungeny Befragungen der Beschäftigteny Ergebnisse von Screening-Aktionen (zum Beispiel Cholesterin-

und Blutdruckmessungen)y Unternehmensdaten über zum Beispiel krankheitsbedingte

Fehlzeiten, Fluktuation und Produktivitätsentwicklungy Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsaktioneny Daten und Berichte der Fachkräfte für Arbeitssicherheit«

(Großhandel [ohne KfZ], 060700/01)

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 37

Ein ebenfalls weitreichenderes Verständnis von Gesundheitsberichtzeigt auch die folgende Vereinbarung: Neben verschiedenen Ana-lysedaten spielen auch die durchgeführten Maßnahmen zur Gesund-heitsförderung eine Rolle.

»Gesundheitsbericht

Ein jährlich zu erstellender betrieblicher Gesundheitsbericht fasstalle im Berichtszeitraum durchgeführten Maßnahmen zur Gesund-heitsförderung zusammen und stellt darüber hinaus eine Be-standsaufnahme der Belastungs-, Gefährdungs- und Gesundheits-situation dar.

Die Koordination der Arbeiten zu diesem Bericht erfolgt durchdie Abt. (…), die auch einen Teil des Berichtes erstellt.

Themenbezogen werden jedoch auch Inputs anderer Abteilun-gen/Gremien abgefordert.«

(Großhandel [ohne KfZ], 060700/01)

MitarbeiterInnenbefragung

MitarbeiterInnen-Befragungen sind häufig in umfassendere Konzepteintegriert und haben nicht notwendigerweise einen Gesundheits-bezug. In der folgenden Vereinbarung dienen die Ergebnisse der Be-fragung der Identifizierung von Themen für die weitere Bearbeitungin Gesundheitszirkel(n).

»Vor Beginn des Gesundheitszirkels wird eine anonyme Mit-arbeiterbefragung mit einem Standardfragebogen durchgeführt.Zuständig für die Durchführung der Befragung ist die Abtei-lungsleitung.

Ausgewählte Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung werden amschwarzen Brett des Ressorts/der Abteilung aushängen.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/59)

Auch die folgende Vereinbarung sieht in der Befragung der Beleg-schaft eine Ergänzung des Gesundheitsberichtes und eine Grundlagefür die Arbeit von Gesundheitszirkeln und dem Steuerungsgre-mium.

38 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Belegschaftsbefragung

Betriebliche Belegschaftsbefragungen können den Gesundheits-bericht ergänzen und für die Arbeit der Gesundheitszirkel unddes GF/AV-Steuerkreises grundsätzlich von Nutzen sein. DieBelegschaftsbefragungen bilden eine Informationsbasis über be-stehende betriebliche Probleme. Damit sollen die in der Arbeitbegründeten Schwachstellen aufgedeckt und Verbesserungen an-geregt werden.

Planung und Umsetzung der Befragung sowie die Auswer-tung und Interpretation der Ergebnisse werden durch den GF/AV-Steuerkreis durchgeführt bzw. koordiniert. Auswertungen müs-sen anonymisiert werden, um einen Rückschluss auf einzelne Per-sonen auszuschließen. Im übrigen gelten die Bestimmungen desBundesdatenschutzgesetzes.«

(Unternehmensbezogene Dienstleistungen, 060700/42)

Psychische Belastungen – Schnittpunkt von Gefährdungs-beurteilung und betrieblicher Gesundheitsförderung

Gefährdungsbeurteilungen, die auch psychische Belastungen erfas-sen und sorgfältig – unter Einbeziehung der Beschäftigten – durch-geführt und ausgewertet werden, sind eine wichtige Datengrundlagefür Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Umge-kehrt ist auch davon auszugehen, dass sich Maßnahmen betrieb-licher Gesundheitsförderung entlastend auf die MitarbeiterInnenauswirken, was dann an den Ergebnissen der Gefährdungsbeurtei-lung ablesbar sein sollte.

Die folgende Vereinbarung bezieht sich zwar auf den Arbeits-schutz, geht aber gleich im ersten Satz darüber hinaus, indem sie alsErgebnis der umfassenden und ganzheitlichen Gefährdungsbeurtei-lung auch die Nutzung gesundheitsförderlicher Potenziale beschreibt.

»Ziele, die mit Hilfe der Arbeitsplatzanalysen erreicht werden

sollen

Das Instrument der Arbeitsplatzanalyse schafft die Vorausset-zungen, Schwachstellen der Arbeitsgestaltung zu erkennen undgesundheitsförderliche Potentiale der Arbeitstätigkeit zu nutzen.Dabei gehen die Vertragsparteien von einem ganzheitlichen Ver-

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 39

ständnis von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz aus. Be-rücksichtigt werden körperliche und psychische Belastungsfaktorensowie die Einflüsse von Qualifikation, innerbetrieblicher Kommu-nikation und Führungsverhalten auf das Wohlbefinden am Arbeits-platz. Eine besondere Aufgabe kommt in diesem Zusammenhangden Führungskräften zu. Entsprechend den im (Amt) geltendenLeitlinien zur Führung und Zusammenarbeit sind sie für die stetigeVerbesserung der Arbeitsbedingungen verantwortlich. (…)«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/37)

Die Analyse psychischer Belastungen erfolgt in der Regel im Rah-men der Gefährdungsbeurteilung insbesondere im Bereich der Bild-schirmarbeit, wie die beiden folgenden Vereinbarungen zeigen. DerBezug zur Bildschirmarbeit ist keine Überraschung, da die Bild-schirmverordnung im Unterschied zum Arbeitsschutzgesetz psy-chische Belastungen und Gefährdungen ausdrücklich benennt.

»Arbeitsplatzanalyse/Bildschirmarbeit

Die Arbeitsplatzanalyse dient der Beurteilung der Sicherheits-und Gesundheitsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der phy-sischen und psychischen Gefährdungen, sowie möglicher Kombi-nation.«

(Branche unbekannt, 060700/45)

»Arbeitsplatzanalyse, Arbeitsplatzbeschaffenheit

Die [Firma] führt unverzüglich eine Analyse der Bildschirmarbeits-plätze durch, um ausschließlich die Sicherheits- und Gesund-heitsbedingungen zu beurteilen, die dort für die beschäftigten Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorliegen, insbesondere imHinblick auf eine mögliche Gefährdung des Sehvermögens und aufkörperliche Probleme sowie psychische Belastungen. Bei wesent-licher Veränderung der Bildschirmarbeitsplätze ist eine erneuteAnalyse durchzuführen bzw. die Analyse fortzuschreiben.«

(Kreditgewerbe, 060700/23)

Es gibt aber auch Vereinbarungen, die unabhängig von der Bild-schirmarbeit auf die Untersuchung psychischer Belastungen Wertlegen.

40 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Die Organisationsanalyse hat insbesondere die folgenden Aspektepsychomentaler Belastungen und Gefährdungen zu berücksich-tigen:y Störungen und Hindernisse bei der Arbeit durch organisatori-

sche Mängel;y Überforderungen durch Häufung von Aufgaben bzw. beson-

ders schwierige pädagogische Bedingungen;y gleichmäßige Verteilung von Arbeitsaufgaben und Belastungen

zwischen vergleichbaren Beschäftigten.Die Organisationsanalysen werden durch für diese Aufgaben be-sonders qualifizierte Personen durchgeführt.«

(Branche unbekannt, 060700/53)

Auch die Untersuchung von positiven Anforderungen wird in einerVereinbarung geregelt. Das Ziel ist, darauf aufbauend eine bean-spruchungsoptimale Gestaltung festzulegen.

»In dieser BV werden Grundsätze, Verfahrensregelungen undInstrumente für die Beurteilung der Arbeitsbedingungen ein-schließlich der erforderlichen Dokumentation festgelegt. Ziel isteine ganzheitliche und systematische Betrachtung der Arbeitsum-welt unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens von Mensch,Arbeitsmittel und Arbeitsorganisation. Dies umfasst auch die Er-mittlung und Beurteilung psychischer Belastungen und Anforde-rungen. Weiteres Ziel ist eine möglichst beanspruchungsoptimaleGestaltung.«

(Branche unbekannt, 060700/55)

Auch die folgende Vereinbarung bewegt sich auf dem Gebiet derGefährdungsbeurteilung: Sie beschreibt die jährliche MitarbeiterIn-nen-Befragung (siehe oben) sowie anschließend detailliert die zuanalysierenden Bereiche und regelt getrennte Verfahren für die phy-sikalisch/technische und die psychische Gefährdungsbeurteilung.

»Anlass der Beurteilung

(…)(2) Die Beurteilung der psychischen Belastungen und Anforde-

rungen (anonymisierte Befragung) erfolgt nicht anlassbezo-gen, sondern wird einmal jährlich durchgeführt. (…)

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 41

Umfang der Beurteilung der ArbeitsbedingungenDie Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung erstreckt sich insbe-sondere aufy die Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte und des Ar-

beitsplatzes (einschließlich aller Arbeits-, Lager-, Aufenthalts-und Sanitärräume sowie der Verkehrs- und Rettungswege) undden Arbeitsplatz (z.B. Raumbedarf, Abmessungen),

y die Arbeitsmittel (z.B. Maschinen, Geräte, Anlagen, Werk-zeuge, Software) und Arbeitsstoffe,

y die Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation(z.B. Arbeitszeit, Pausen, Verantwortung, Führung, Arbeits-menge, Monotonie etc.),

y die Arbeitsumgebungsbedingungen (z.B. Klima, Beleuchtung,Lärm, Staub, Schmutz),

y die Qualifikation (Fähigkeiten und Fertigkeiten) im Hinblickauf die zu erfüllenden Arbeitsaufgaben sowie die Unterwei-sung der Arbeitnehmer im Hinblick auf mögliche Gefährdun-gen der Sicherheit und Gesundheit.

Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen

Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen wird für die physi-kalisch/technischen Gefährdungs-/Belastungsfaktoren sowie fürdie psychischen Belastungsfaktoren nach getrennten Verfahrendurchgeführt. (…)«

(Branche unbekannt, 060700/55)

Die vorliegende Auswertung hat gezeigt, dass psychische Belastun-gen in 13 von 54 untersuchten Vereinbarungen eine Rolle auch imZusammenhang mit betrieblicher Gesundheitsförderung spielt.

Macht Arbeit gesund?

Die folgende Vereinbarung behandelt so genannte Regulationshinder-nisse in der Arbeit und damit einen bestimmten arbeitspsycholo-gischen Untersuchungsansatz: Erschwerungen, Behinderungen undBlockierungen (durch Technik, Personen oder schlechte Organisa-tion). Durch die Hindernisse wird Zusatzaufwand nötig, der zu ris-kantem Handeln führen kann, weil man unter Zeitdruck geraten ist.Parallel zu Hindernissen kann auch ermittelt werden, ob gesund-

42 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

heitsförderliche Arbeitsanforderungen vorliegen, wie beispielsweiseHandlungs- und Entscheidungsspielräumen oder Kooperation mitKollegInnen (und keine Einzelarbeit).

In den folgenden drei Vereinbarungen finden wir Bezüge zu Er-mittlung der Erschwerungen, Blockierungen und Behinderung, aberauch zu den positiven Anforderungen.

»Es ist zu untersuchen, ob die Aufgabenerfüllung durch betrieb-lich festgelegte oder organisatorisch/technisch entstandene Bedin-gungen erschwert, behindert oder blockiert wird. Zu untersuchenist insbesondere, ob zusätzlicher Aufwand durch fehlende Infor-mationen entsteht und/oder wegen fehlender Informationen sogenanntes riskantes Handeln erforderlich wird. Es ist zu prüfen,ob bzw. in welchem Umfang informatorische oder motorische Er-schwerungen und Unterbrechungen des Arbeitshandelns vorlie-gen und Arbeitnehmer/innen überfordert werden.«

(Gesundheit und Soziales, 060100/15)

Eine weitere Vereinbarung nennt neben verschiedenen Belastungenund verhaltensbedingten Problemen (z.B. Alkohol- und Drogen-missbrauch) auch positive Anforderungen (z.B. Handlungsspiel-raum) als psychosoziale Faktoren.

»Probleme, die evtl. aus anderen psychosozialen Faktoren wieSozialbedingungen, Betriebsklima, Verantwortung, Handlungs-spielraum, Alkohol- oder Drogenmissbrauch erkennbar sind undAuswirkungen auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz haben,werden bei der Gefährdungsbeurteilung verbal in der Rubrik »Be-wertung« genannt. Der Disziplinarvorgesetzte muss dann geeig-nete Maßnahmen veranlassen.«

(Chemische Industrie, 060100/27)

Noch deutlicher als die gerade zitierte Vereinbarung regelt die fol-gende positive Anforderungen an Arbeitsbedingungen, die in dergesundheitswissenschaftlichen Literatur als Ressourcen oder Potenzialefür Gesundheit beschrieben sind.

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 43

»Die Arbeitsplatzanalyse berücksichtigt die individuellen Belangeder Arbeitnehmer und den Schutz ihrer Persönlichkeitssphäre.Die Bewertung soll sich im wesentlichen an folgenden Anforde-rungen orientieren, die bei der Gestaltung der Arbeitsbedingun-gen anzustreben sind.

Die Aufführung der Kriterien beinhaltet keine Festlegung aufeine bestimmte Methode der Arbeitsplatzanalyse:y Entscheidungsspielraum,y Zeitspielraum,y Strukturierbarkeit,y körperliche Aktivität,y Kontakt,y Kommunikation,y Variabilität.Die Arbeitsplatzanalyse wird von der Dienststelle durch geeigneteFachkräfte durchgeführt.«

(Kultur, Sport und Unterhaltung, 060100/37)

Arbeitspsychologische Verfahren

Folgende Vereinbarung beschreibt konkrete Verfahren, die sowohlpsychische Belastungen als auch positive Anforderungen berücksich-tigen. Hier sind Befragungen anhand anschaulich genannter Verfah-ren, weitere allfällige Erhebungen und/oder Feinanalysen – mittels sogenannter bedingungsbezogener Beobachtungsverfahren – sowie die gesamteVorgangsweise sehr umfassend geregelt. Diese Vereinbarung für dieUntersuchung psychischer Belastungen basiert auf zwei Säulen:y Eine Fragebogenerhebung, die bestimmte Verfahren (siehe

www.baua.de/praxis unter »toolbox«) wie BASA (PsychologischeBewertung von Arbeitsbedingungen – Screening für Arbeitsplatz-inhaberInnen) und SALSA (Salutogenetische Subjektive Arbeits-analyse) und eine Liste von Gesundheitsbeschwerden (»FreiburgerBeschwerdeliste«, Kurzfassung in der Version der AIDA-Studie)

y Wissenschaftlich geprüfte Beobachtungsverfahren für Feinanaly-sen, die durch teilnehmende Beobachtung an den Arbeitsplätzeneinzelne Arbeitsaufgaben und die entsprechenden psychischen Be-lastungen erheben. Für den Einsatz dieser Methoden können auchinnerbetriebliche Akteure ausgebildet werden, z.B. Sicherheitsbe-auftragte.

44 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

Weiterhin regelt diese Vereinbarung auch die Vorgangsweise bei derGefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen.

»Psychische Belastungen

[…]2) Zur Ermittlung der für die Beurteilung der psychischen Be-

lastungen und Anforderungen erforderlichen Daten wird eineMitarbeiterbefragung (anonymisiertes Verfahren mit Fragebo-gen gemäß Anlage 2) basierend auf den Verfahren BASA undSALSA durchgeführt. Ebenso sind die Ergebnisse der Mitarbei-terbefragung nach der GBV Mitarbeiterbefragung der […] inihrer jeweils geltenden Fassung zu berücksichtigen.

3) Neben den oben genannten Verfahren erfolgt für den Zeitraumeiner einjährigen Pilotierungsphase einmalig der Einsatz desFragebogens Freiburger Beschwerdeliste – K (AIDA). Nach Ab-schluss dieser Pilotierungsphase wird zwischen den Betriebs-parteien das vom auswertenden Institut vorgelegte Ergebnis be-wertet und die weitere Verfahrensweise festgelegt. Können sichdie Betriebsparteien nicht einigen, tritt eine Einigungsstelle zu-sammen und trifft hierüber eine Entscheidung im Rahmen desBetrVG. (Betriebsverfassungsgesetz)

[…]Die Beurteilung gliedert sich in folgende Phasen:a) Information der Beschäftigten über Inhalt und den Zweck der

Befragung.b) Sicherstellung einer möglichst hohen Beteiligung der Beschäf-

tigten durch geeignete Maßnahmenc) Datenerfassung und Auswertungd) Information des Arbeitskreises Gesundheit und des jeweiligen

Modulleiters über das Ergebnis der Befragung.e) Entscheidung über weiterführende Erhebungen und/oder Fein-

analysen an einzelnen Arbeitsplätzen bzw. von bestimmtenArbeitsaufgaben z.B. mittels geprüfter bedingungsbezogenerBeobachtungsverfahren durch den Arbeitskreis Gesundheitunter Einbeziehung des jeweiligen Modulleiters.

f) Ableiten von Lösungsvorschlägen zur Beseitigung von festge-stellten Gesundheitsrisiken durch den Arbeitskreis Gesundheitund dem jeweiligen Modulleiter. Dabei sind die individuellen

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 45

Belange der besonders schutzbedürftigen Personen (insbeson-dere Jugendliche, Schwangere, stillende Mütter, Behinderte) zubeachten.

g) Einvernehmliche Festlegung der Maßnahmen des Arbeits- undGesundheitsschutzes sowie des Zeitraumes der Umsetzungdurch den Arbeitskreis Gesundheit und den jeweiligen Modul-leiter

h) Durchführung bzw. Einleitung der festgelegten Arbeitsschutz-Maßnahmen sowie Überwachung der Maßnahmen durch denModulleiter.

i) Überprüfung der Wirksamkeit der zuvor durchgeführten Maß-nahmen durch den Modulleiter und den Arbeitskreis Gesund-heit.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/54)

Kommunikation, Fehlzeiten- und Gesundheits-Gespräche

In diesem Abschnitt werden unterschiedliche Formen von Mitarbei-terInnen-Gesprächen behandelt:y Anerkennungsgespräche mit Gesund(et)eny Willkommensgesprächey Fehlzeiten-/(Kranken-)Rückkehrgespräche

Die untersuchten Vereinbarungen erörtern Kommunikation und ge-nannte Gespräche im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderungim Wesentlichen auf folgende Weise:y Kommunikation, Führung und Arbeitszufriedenheit hängen un-

mittelbar zusammeny Anerkennungs- und Willkommensgespräche statt Fehlzeiten- und

Rückkehrgesprächey Rückkehrgespräche/Gesundheitsgespräche als Hinweissystem auf

krank machende Arbeitsbedingungen.

Manche der untersuchten Vereinbarungen machen Kommunikationnicht nur im Zusammenhang mit Anerkennungs-/Willkommens-oder Fehlzeiten-/Rückkehr-Gesprächen zum Thema, sondern setzengenerell auf verbesserte Kommunikation als Potenzial der Führungfür die Erhöhung von Arbeitszufriedenheit und Gesundheit.

46 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Kommunikation

Arbeitszufriedenheit und damit auch die Gesundheit der Mit-arbeiter sind abhängig von der Führungskultur im Unternehmen,darum ist die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mit-arbeitern zu verbessern. Sie ist darauf ausgerichtet, ein angst- undspannungsfreies sowie partnerschaftliches Klima zu schaffen.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/59)

Ein bisher seltenes Modell ist die Abkehr von Fehlzeiten- und Rück-kehrgesprächen: Folgende Vereinbarung schlägt Anerkennungsgesprä-che mit Mitarbeitern vor, die durch hohe Anwesenheit auffielen – zurAnerkennung ihrer Leistungen. Gleichzeitig werden in den Gesprä-chen Stärken und Schwächen des Unternehmens besprochen. Letzte-res kann als Früherkennung von schlechten Arbeitsbedingungen, z.B.nach Neuorganisation, genutzt werden. Konsequent werden darüberhinaus die Rückkehrgespräche durch so genannte Willkommensgesprä-che ersetzt, die nach jeder längeren Abwesenheit auch der Informationüber Veränderungen im Unternehmen dienen. Mögliche freiwilligeHinweise auf krank machende Arbeitsbedingungen in Willkom-mensgesprächen werden auch im Arbeitskreis Gesundheit behandelt.Damit wird in dieser Vereinbarung ein Gegenmodell zu den tradi-tionellen Fehlzeiten-/(Kranken)Rückkehr-Gesprächen geschaffen. Eslenkt einerseits den Blick auf die Anwesenden und damit auf dieMehrheiten und heißt andererseits alle Rückkehrenden willkommen.

»Anerkennungsgespräche

Zur Stabilisierung von positiven Leistungen und zur Früherken-nung von demotivierenden Arbeitsbedingungen und Unterneh-mensentscheidungen werden mit Beschäftigten mit einer hohenAnwesenheitsquote (weniger als … Krankentage im Jahr) regel-mäßig Anerkennungsgespräche geführt.

Willkommensgespräche

Eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Vorgesetztenund Mitarbeitern steigert die Arbeitszufriedenheit und trägt damitzur Gesundheit aller bei.

Darum führt nach jeder Fehlzeit der oder die unmittelbare Vor-gesetzte mit jeder/jedem Beschäftigten, die/der nach längerer Ab-

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 47

wesenheit an den Arbeitsplatz zurückkehrt, ein Willkommensge-spräch. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter wird in freundlicherAtmosphäre begrüßt und über betriebliche Ereignisse oder Neue-rungen während der Abwesenheit informiert.

Sollte bei Rückkehrenden, die aufgrund einer krankheits-bedingten Arbeitsunfähigkeit ausfielen, der/die Rückkehrende indem Willkommensgespräch von sich aus über krank machendeArbeitsbedingungen an ihrem/seinem Arbeitsplatz berichten, so istvon der/dem Vorgesetzten ein Vermerk über den Sachverhalt zufertigen. Die/der Beschäftigte bekommt ein Doppel des Vermer-kes ausgehändigt. Ein weiteres Exemplar ist an den ArbeitskreisGesundheit zu senden. Die/der Vorgesetzte ist verpflichtet, ange-messene Maßnahmen zur Abwendung der Ursachen für die Er-krankung zu ergreifen.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

Die Intention der Willkommensgespräche, möglicherweise krankmachende Arbeitsbedingungen aufzuspüren, ist auch Vereinbarun-gen zu solchen Rückkehrgesprächen entnehmbar, die von entspre-chend ausgebildeten Führungskräften zu führen sind. Diese Rück-kehrgespräche sollen laut folgender Vereinbarung in »erster Linie«dazu dienen, krank machende Arbeitsbedingungen zu identifizieren.

»Rückkehrgespräche dienen in erster Linie dazu, Arbeitsbedingun-gen herauszufinden, die evtl. mitverantwortlich sind für Krankheit,bzw. dazu, Überbeanspruchung beim Genesenden zu vermeiden.Die betrieblichen Vorgesetzten, die mit diesen Rückkehrgesprä-chen beauftragt werden, sind mit dem Betriebsrat namentlich fest-zulegen und durch Schulungen so zu qualifizieren, dass eine sach-gerechte vertrauensvolle Gesprächsführung gewährleistet ist.

Die Einzelheiten des Vorgehens bei Rückkehrgesprächen müs-sen zwischen dem jeweiligen Konzernunternehmen und dem zu-ständigen Betriebsrat vereinbart werden.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060700/46)

Weiter regeln Vereinbarungen zu Fehlzeiten-/Rückkehr-/Gesund-heits-Gesprächen den Kreis der TeilnehmerInnen und die Auswer-tung der Gespräche bezüglich krankheitsbedingter Kündigungen.

48 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Regelungspunkte über die Durchführung von Gesundheitsge-

sprächen

Betriebsleitung und Betriebsrat sind sich einig, dass zur Senkungder Lohnnebenkosten die Fehlzeiten der Arbeitnehmer reduziertwerden sollen. Hierzu werden Gesundheitsgespräche mit beson-ders häufig erkrankten Arbeitnehmern geführt, um Krankheits-ursachen, die der betrieblichen Sphäre zuzuordnen sind, zuerkennen und zu beseitigen. Die Durchführung der Gesundheits-gespräche richtet sich nach folgenden Vorschriften:[…]

Beteiligte am Gesundheitsgespräch

An den Gesundheitsgesprächen nehmen der Betriebsleiter undder Betriebsratsvorsitzende zusammen mit dem Betroffenen teil.

Ggf. nimmt der Betriebsarzt, der Schwerbehindertenvertreteroder die Frauenbeauftragte teil.

Unter bestimmten Voraussetzungen nehmen der jeweilige Grup-pensprecher und der unmittelbare Vorgesetzte ebenfalls teil. […]«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 60100/50)

Vereinbarungen zu MitarbeiterInnen-Gesprächen orientieren sichmeist an Fehlzeiten- und Rückkehrgesprächen. Immer wieder werdenVereinbarungen zu Rückkehr- und Fehlzeitengesprächen quasi gegenVereinbarungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung »getauscht«:Eine Vereinbarung zu Rückkehr- und Fehlzeitgesprächen wird zumAnlass genommen, eine Vereinbarung zur betrieblichen Gesundheits-förderung abzuschließen, sozusagen als »Ausgleich«. Der mögliche re-pressive Charakter von Fehlzeiten-/Rückkehr-/Gesundheitsgespräche,kann jedoch entschärft werden, wie die folgende Vereinbarung zeigt.

»Verwertungsverbot

Es ist unzulässig, die aus dem Gesundheitsgespräch gewonnenenInformationen für eine Kündigung des Beschäftigten aus gesund-heitlichen Gründen zu verwenden. Wird eine krankheitsbedingteKündigung ausgesprochen, trägt der Arbeitgeber die Beweislastdafür, dass er die Kenntnisse über die Kündigungsgründe aus eineranderen Informationsquelle als aus den Gesundheitsgesprächenerhalten hat.«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 060100/50)

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 49

Auch wenn der Versuch der Einschränkung bzw. Verhinderungrepressiver Nutzungsmöglichkeiten von Rückkehr-/Fehlzeiten-/Ge-sundheitsgesprächen durch das Unternehmen praktisch nicht immererfolgreich ist, so sollte dies gemäß der obig zitierten Vereinbarungdennoch angestrebt werden. Noch besser wäre es, auf derartigeGespräche ganz zu verzichten und mögliche Krankheitsursachenan der Wurzel zu bekämpfen – durch umfassende betrieblicheGesundheitsförderung. Insofern können neue Formen wie die Aner-kennungs- und Willkommensgespräche geeignet sein, mittels posi-tiver Beeinflussung der Anwesenden durch den Vorgesetzten dieProduktivität zu erhöhen.

2.4.2 Steuerung des Prozesses der betrieblichenGesundheitsförderung

Im Unterschied zum Arbeitsschutz und dessen gesetzlich klar be-stimmten Akteuren und Gremien – zum Arbeitsschutzausschuss(ASA) – handelt es sich in der betrieblichen Gesundheitsförderungum Gremien, die frei einzuberufen sind. Da sich die personelleZusammensetzung des ASA und eines Arbeitskreis Gesundheit (sieheunten) oft deckt, ist es – insbesondere in kleineren Unternehmen –sinnvoll, über Synergien und Zusammenlegungen nachzudenken.Nachfolgend werden die strategischen Steuerungsgremien vorge-stellt, wie sie in Vereinbarungen festgelegt sind.

Arbeitskreis Gesundheit (AKG) und Koordinations-Team

Es finden sich in den untersuchten Vereinbarungen unterschiedlicheFormen und – selbst bei vergleichbaren Aufgaben – auch unter-schiedliche Benennungen von Steuerungsgremien der betrieblichenGesundheitsförderung:y Arbeitskreis Gesundheit (AKG), in der Tradition der Benennung

dieser Gremien durch den Bundesverband der Betriebskranken-kassen (BKK) seit Anfang der 90er Jahre

y Koordinationskreis Gesundheity Steuergremium zur Gesundheitsförderungy Arbeitsgruppe Gesundheitsförderungy Steuerkreis Gesundheit

50 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

y Erweiterung der Aufgaben des Arbeitschutzausschusses (ASA)zum AKG

y Koordinationskreis Gesundheit als Koordination mehrer Arbeits-kreise Gesundheit

Bei allen aufgelisteten Gremien handelt es sich um ständige Einrich-tungen, die vor allem Entscheidungs-, Steuerungs- und Koordinie-rungsaufgaben haben. Sie setzen Schwerpunkte, schaffen Grundlagen,bewerten z.B. Gesundheitszirkel-Ergebnisse, werten Gesundheitsbe-richte aus, initiieren entsprechende Gesundheitsförderungs-Maß-nahmen und kontrollieren deren Umsetzung.

»Die Arbeitsgruppe Gesundheitsförderung hat folgende Aufgaben:y Planung, Lenkung und Steuerung des Gesamtprozesses,y Erarbeitung eines dienststellenbezogenen Gesundheitsberichts,y Festlegung von Schwerpunkten und Prioritäten sowie Ent-

wicklung geeigneter gesundheitsfördernder und gesundheits-belastungs-/beschwerdenminimierender Maßnahmen,

y Einrichtung von Gesundheitszirkeln bzw. Entscheidung überMitarbeiterinnen- und Mitarbeiteranträge zur Einrichtung vonGesundheitszirkeln,

y Förderung der Kommunikation über Gesundheit durch dienst-stellenbezogene Öffentlichkeitsarbeit,

y Controlling der Maßnahmen und Ergebnisse.«(Öffentliche Verwaltung, 060700/58)

Wie bereits aus obiger Vereinbarung hervorgeht, ist der ArbeitskreisGesundheit ein Steuerungsgremium. Folgende Vereinbarung sieht dieSchwerpunkte seiner Tätigkeit in der Unterstützung und Koordinie-rung der Arbeit der Gesundheitszirkel (siehe 2.4.3).

»Arbeitskreis Gesundheit

Der Arbeitskreis Gesundheit dient als Entscheidungs- und Steuer-gremium der Arbeit in den Gesundheitszirkeln. Neben der Fest-legung der organisatorischen Rahmenbedingungen wählt derArbeitskreis zunächst auf der Basis des Gesundheitsberichts diezu untersuchenden Betriebsbereiche aus. Hierzu gehört auch dieAuswahl der einzubeziehenden Arbeitsplätze. Während der Zir-kelarbeit entscheidet der Arbeitskreis über die Umsetzung und

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 51

Realisierung der in den Zirkeln erarbeiteten Verbesserungsvor-schläge zur gesundheitsgerechteren Arbeitsplatzgestaltung.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060700/14)

Neben der inhaltlichen Orientierung und den Aufgaben regelt diefolgende Vereinbarung auch die Zusammensetzung dieser genann-ten Gremien.

»Steuerungsgremium zur Gesundheitsförderung

Das zentrale Gremium ist mit der Planung, Finanzierung, Steue-rung, Kontrolle und Bewertung aller Gesundheitsförderungsmaß-nahmen beauftragt. Es trifft sich quartalsweise und setzt sich zu-sammen aus Vertretern der:y Unternehmensleitungy Betriebsrätey Schwerbehindertenvertretungy Berufsgenossenschafteny Krankenkasseny Arbeitssicherheity Arbeitsmediziny KonzernpersonaIleitungy Gesundheitsförderung«

(Großhandel [ohne KfZ], 060700/01)

In der folgenden Vereinbarung werden die gesetzlichen Aufgabendes Arbeitsschutzausschusses (ASA) um die betriebliche Gesund-heitsförderung erweitert. Das kann zusätzlichen Aufwand und Sit-zungen ersparen, weil sich – wie beschrieben – die Zusammenset-zungen von betrieblichen Gesundheitsförderungsgremien und ASAstark überschneiden respektive sogar völlig decken.

»Das Aufgabenspektrum der Arbeitsschutzausschüsse wird umdie Thematik der Gesundheitsförderung aus ganzheitlicher Sichterweitert.

Dazu kann der jeweils zuständige Arbeitsschutzausschuss aufAntrag eines seiner Mitglieder einen Facharbeitskreis Gesund-heitsförderung bilden, dessen Aufgaben und Zusammensetzun-gen durch Betriebsvereinbarungen vor Ort geregelt werden.«

(Fahrzeughersteller Kraftwagen, 060700/56)

52 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Bereichsübergreifende Organisationsformen und Maßnahmen(2) Zu den Aufgaben des Arbeitsschutzausschusses (…) gehören

auch die Entwicklung von Maßnahmen und Konzepten der be-trieblichen Gesundheitsförderung bei den Ämtern und Eigen-betrieben der Stadt.«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/50)

In größeren Unternehmen müssen auch die oben beschriebenenSteuerungsgremien nochmals koordiniert werden. In der folgendenVereinbarung ist der Koordinationskreis Gesundheit dem AKG/denAKGs übergeordnet. Seine Zusammensetzung und Aufgaben sindgenau geregelt.

»In der (…) ist ein Koordinationskreis Gesundheit einzurichten,der sich folgendermaßen zusammensetzt:y der/die LeiterIn Abteilung …y zwei Vertretern des Betriebsratsy Beschäftigte/r gem. § 3 Abs. 4 der BV

Aufgaben des Koordinationskreises Gesundheity die Vor- und Nachbereitung der Sitzungeny Umsetzung der Beschlüsse und Empfehlungen des Arbeitskrei-

ses Gesundheity Einhaltung der Prozessschrittey Überwachung von Termineny Kommunikation zwischen dem Arbeitskreis Gesundheit und

der Belegschafty Information der Beschäftigteny Unterstützung der Leiter von Projekten und Teilprojekteny Aufstellung eines Kostenplans für den AK-G«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

Der Betriebsrat ist in die Gremien eingebunden, wie die folgendeVereinbarung zeigt.

»Beteiligung des Betriebsratesy Der Betriebsrat entsendet Vertreter in den Arbeitskreis Ge-

sundheit und die Gesundheitszirkel. Er erhält regelmäßig Infor-mationen über die Gesundheitssituation im Betrieb.

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 53

y Bei Beschwerden von Beschäftigten ist der Betriebsrat unver-züglich zu beteiligen.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

2.4.3 Detailanalysen und Vorschläge für Maßnahmen –Arbeitsgruppen im Betrieb

Im Unterschied zu den vorher genannten Gremien mit planenderund koordinierender Funktion, stehen nachfolgend Arbeitsgruppenim Vordergrund, die eher projektbezogen oder in kleineren Organi-sationseinheiten, z.B. in Abteilungen aktiv sind. Solche operativenArbeitsgruppen können entweder ständig oder zeitlich befristet ein-gerichtet sein.

Ständige Arbeitsgruppen

Gesundheitsteams

Das folgende Gremium Gesundheitsteam ist eine Konkretisierung derAufgaben von Sicherheitsbeauftragten, die üblicherweise eine Aus-bildung durch die jeweiligen Unfallkassen bekommen. Die folgendeVereinbarung geht aber deutlich über diese Ausbildung der Kas-sen hinaus. Gleichzeitig bekommen die Sicherheitsbeauftragten einekontinuierliche Aufgabe und eine weitergehende zusätzliche Ausbil-dung.

»Gesundheitsteams

Mitglieder der Gesundheitsteams sind die benannten Sicherheits-beauftragten gem. §22 des SGB VII. Es werden in der (Firma) zweiGesundheitsteams (für die Standorte (…) sowie (…)) gebildet.

Aufgaben der Gesundheitsteams:Die Gesundheitsteams sind eine Kommunikationsbrücke zwi-schen dem Arbeitskreis Gesundheit, den Führungskräften undden Beschäftigten. Dadurch werden auf Dauer stabile Kommuni-kationsnetze und Handlungszusammenhänge zur Förderung derGesundheit der Beschäftigten im Betrieb geschaffen. Sie habeninsbesondere folgende Aufgaben:

54 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

y Gespräche über gesundheitliche Belastungen durch die Ar-beitsorganisation, die Arbeitsgestaltung und die Arbeitsplatz-gestaltung führen

y Anregungen und Vorschläge der Beschäftigten zur Verbesse-rung der Arbeitsbedingungen aufgreifen und selbstständig er-arbeiten

y Anregungen und Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit inder Niederlassung in den AK-G einbringen

y Unterweisung der Beschäftigten in Themen des Arbeits- undGesundheitsschutzes

y Angebote zur Gesundheitsförderung erarbeiten (z.B. Work-shops, Gesundheitstage), dem AK-G vorschlagen und durch-führen

y Beteiligung bei der Erhebung von Daten zur Beurteilung derArbeitsbedingungen gem. ArbSchG (z.B. Begehungen, Fein-analysen)

y die Arbeitsplatzgestaltung im jeweiligen Arbeitsbereich durch-führen

y Beschäftigte zu Fragen der Gesundheitsförderung und desArbeits- und Gesundheitsschutzes beraten.

[…]Die Gesundheitsteams treten monatlich zusammen. Die Arbeitim Team ist Arbeitszeit. Die Gesundheitsteams organisieren sichselber. Dazu werden ihnen zur Unterstützung entsprechende Trai-ner gestellt. Über die Person des Trainers ist mit dem BetriebsratEinvernehmen zu erzielen. Für ihre Treffen und zur Erledigungder anfallenden Büroarbeiten werden den Teams entsprechendeRäumlichkeiten und Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Um die Aufgaben wahrnehmen zu können, werden die Sicher-heitsbeauftragten ausreichend geschult. Über den Umfang unddie Inhalte der Schulung wird mit dem Betriebsrat Einvernehmenhergestellt.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

In den Gesundheitsteams bekommen die Sicherheitsbeauftragtenwährend der Arbeitszeit eine klar definierte Aufgabe. Somit hat dieBelegschaftsvertretung eine systematische Informationsquelle undgleichzeitig eine Unterstützungsgruppe für die Umsetzung von ge-planten gesundheitsförderlichen Maßnahmen.

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 55

Zeitlich befristete Arbeitsgruppen

Wenn man Erfahrungswissen nutzen will, muss man Gelegenheitenschaffen, um dieses Wissen zu gebrauchen, auszutauschen, Problemezu untersuchen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Dazu findenwir nun Vereinbarungen bzw. Regelungen zu Zweck, Aufgabe, Zu-sammensetzung, Arbeitsweise, Umgang mit den Arbeitsergebnissenund schließlich zur Freistellung für die Mitarbeit in nicht ständigenArbeitsgruppen. Diese zeitlich befristeten Arbeitsgruppen sindy Gesundheitszirkel (Hierarchie übergreifend) undy Fokusgruppen (nicht Hierarchie übergreifend).

Gesundheitszirkel

Die Gesundheitszirkel entsprechen meist jenem Modell, das derBundesverband der Betriebskrankenkasse seit Anfang der 90er Jahreseinen Mitgliedsunternehmen empfiehlt.

Im Folgenden werden die Vereinbarungen in einer Reihenfolgezusammengestellt, die einen Gesamteindruck des Gesundheitszir-kels vermittelt:

Zweck des Gesundheitszirkels

»(…)Zweck eines Gesundheitszirkels ist es, die für die psychische undkörperliche Gesundheit der Beschäftigten bedeutsamen Arbeits-belastungen zu ermitteln und soweit möglich zu verringern. (…)«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/59)

Zusammensetzung der Mitglieder des Gesundheitszirkels

»Auf Veranlassung des örtlichen Arbeitskreises Gesundheit kannin einzelnen Ressorts bzw. vergleichbaren Einheiten ein Gesund-heitszirkel eingerichtet werden. Teilnehmer sind drei bis vier vonihren Kolleginnen und Kollegen gewählte Beschäftigte des jewei-ligen Ressorts, der Ressortleiter und der zuständige Fachabtei-lungsleiter bzw. die vergleichbaren Funktionsträger, ein Vertreterdes Betriebsrats und die Betriebsärztin. Fakultativ können z.B. dieFachkraft für Arbeitssicherheit, die Sozialbetreuung sowie die Ver-trauensleute der Schwerbehinderten je nach thematischem Zu-sammenhang dem Gesundheitszirkel angehören.(…)«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/59)

56 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Der Gesundheitszirkel– bindet die Beschäftigten in den Prozess der betrieblichen Ge-

sundheitsförderung ein und stärkt deren Eigenverantwortlichkeit;– setzt sich aus in der Regel bis zu 5 Beschäftigten, dem Vorge-

setzten, einem Vertreter des Betriebsrates und dem Moderatorzusammen; je nach Themenschwerpunkt können weitere Per-sonen z.B. die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Betriebs-arzt, die Schwerbehindertenvertretung, die Gleichstellungsbe-auftragte hinzugezogen werden;

– ist ein auf eine befristete Zeit angelegtes Gremium, das sich beiBedarf trifft; die Beschäftigten werden aus dem Kreis ihrer Kol-legen bestimmt.

Die Arbeit im Gesundheitszirkel ist Arbeitszeit. (…)«(Telekommunikationsdienstleister, 060700/57)

Im Folgenden finden sich Beispiele für die Einbindung der Gesund-heitszirkel in ein umfassendes Vorgehen. Darunter ein Unternehmenmit einer Betriebskrankenkasse (BKK).

»(…)Die Mitarbeiter eines Arbeitsbereichs wählen selbst die Kollegin-nen/Kollegen ihres Vertrauens für den Gesundheitszirkel aus.(…)Der Gesundheitszirkel bespricht alle Arbeitsaspekte, die von denBeschäftigten als belastend, unbefriedigend, problematisch emp-funden werden. Er beschränkt sich nicht auf körperliche Belastun-gen. (…)«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/59)

Die Teilnahme am Gesundheitszirkel ist wie folgt geregelt.

»Die Teilnahme am Gesundheitszirkel erfolgt freiwillig. Für dieTeilnahme während der Arbeitszeit wird der regelmäßige Arbeits-verdienst weitergezahlt. Die Teilnahme außerhalb der normalenArbeitszeit wird wie Mehrarbeit bezahlt.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060700/14)

Die Umsetzung der Maßnahmen, die im Gesundheitszirkel erarbei-tet werden.

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung 57

»Die zwischen den Mitgliedern des Gesundheitszirkels und derBetriebsleitung vereinbarten Maßnahmen werden umgehend um-gesetzt. Ablehnungen müssen begründet werden.«

(Unternehmensbezogene Dienstleistungen, 060700/42)

In einer Vereinbarung werden auch die Möglichkeiten festgelegt,dass Ergebnisse des Gesundheitszirkels in das betriebliche Vor-schlagswesen übernommen werden können.

»Verbesserungsvorschläge aus dem Gesundheitszirkel können alsGruppenvorschlag (nur gewerbliche Mitarbeiter) dem Betrieb-lichen Vorschlagswesen eingereicht werden. Themen des Gesund-heitszirkels sind für das Vorschlagswesen während der Zirkelarbeitfür Mitarbeiter außerhalb des Zirkels gesperrt.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060700/14)

Fokusgruppen

Ein Instrument, das zuerst in der Sozialforschung entwickelt undeingesetzt wurde, hat mittlerweile auch Eingang in die betrieblichePraxis gefunden. Im Unterschied zum Hierarchie übergreifenden Ge-sundheitszirkel nach dem BKK-Modell, der meist mehrere selbst-gewählte Themen bearbeitet, ist der Fokusgruppe »ein komplexeresThema« vorgegeben und sie ist nur aus Beschäftigten der gleichenHierarchiestufe zusammengesetzt.

»Fokusgruppen werden bei Bedarf vom Arbeitskreis Gesundheitinstalliert und setzen sich aus ca. 10 Beschäftigten aus der glei-chen Hierarchiestufe innerhalb einer Arbeitseinheit zusammen, indenen ein komplexeres Thema bearbeitet werden soll. Fokusgrup-pen werden von einer Person mit einer Moderatorenausbildungmoderiert. Sie kommen ca. für 4–5 Stunden oder auch tageweisezusammen. Sie tagen im Normalfall nicht mehr als fünf Mal. Indiesem Zeitraum sollte das gestellte Thema (zu lösende Problem)abgearbeitet sein. Die Arbeitsschritte, die Lösungsansätze- undVorschläge werden schriftlich festgehalten. Die Ergebnisse derFokusgruppe(n) werden im Arbeitskreis Gesundheit durch denModerator vorgestellt.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

58 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

2.4.4 Zusammenfassende Übersicht über dieInstrumente und Akteure der betrieblichenGesundheitsförderung

Die folgende Übersicht zeigt die Instrumente der betrieblichen Ge-sundheitsförderung und die jeweiligen Akteure.

Akteure, die in den Vereinbarungen genannt werden, sind mitHäkchen ohne Klammer markiert; weitere mögliche Akteure, dienicht in den Betriebsvereinbarungen benannt werden, sind mit Häk-chen in Klammern (®) gekennzeichnet.

Tabelle 1: Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung

und die Akteure in Planung und Umsetzung

Führung Interne/externeExpertInnen

ExterneExpertInnen

MA

BR

/PR

Ope

rativ

Man

age-

men

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Sic

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BG

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Ber

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-In

nen

Betrieblicher Gesundheitsbericht ® ® ® ® ® (®) (®)

MitarbeiterInnenbefragung ® ® (®) ® ® ® (®) (®)

Gefährdungsbeurteilungpsychischer Belastungen ® ® (®) ® (®) ® ® (®)

Gespräche (Planung)a) Anerkennungsgespräche mit

Gesund(et)enb) Willkommensgesprächec) Fehlzeiten-/Rückkehrgespräche

® ® (®)

® ® (®)

® ®

® ® ® ®

Gremien (Planung)y AKGy Koordinations-Team

(für AKG/AKGs)

® ® (®) (®)

® ® ® ® ® (®) (®)

® ®

Ständige Arbeitsgruppen (Planung)y Gesundheitsteams

(= Sicherheitsbeauftragte)Nicht ständige (Planung)y Gesundheitszirkely Fokusgruppen

® ® (®)

®

® ® (®) (®)

® (®) ® (®) (®) (®) (®)

® (®) (®)

Schulung/Qualifizierung ® ® ® (®) (®) ® ®

Verhaltenspräventive Maßnahmen(Planung)a) Maßnahmen für Zielgruppenb) Maßnahmen zu speziellen

Problemfeldern(Rauchen, Sucht, Ernährung,Stressbewältigung, Sport …)

(®) ® ® (®) (®) (®) (®)

® ® ® (®) (®) (®) (®) (®)

® ® ® (®) (®) (®) (®) (®)

Betriebliche Organisation 59

Diese Übersicht zeigt, dass die betriebliche Interessenvertretung inallen Bereichen bei Planung und Umsetzung mitbestimmend einge-bunden ist.

2.5 Betriebliche Organisation

In vier Vereinbarungen wird die betriebliche Gesundheitsförderungin ein umfassendes Gesundheitsmanagement – eine Zusammenfüh-rung des gesetzlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und derbetrieblichen Gesundheitsförderung – eingebunden. EntsprechendeAussagen finden sich bereits zu Beginn folgender Vereinbarung imRahmen der Zieldefinition. Im Anschluss daran finden sich – an-knüpfend an den Arbeitsschutz und weiterreichend – inhaltliche Zieleund bestimmte Zielgruppen der betrieblichen Gesundheitsförderung.

»3 Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung

(…)– Schaffung von geeigneten, zentralen und dezentralen Organi-

sationsstrukturen für ein leistungsfähiges Gesundheitsmanage-ment,

– die konsequente Umsetzung des Gesetzes zur Umsetzung derEG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeits-schutzrichtlinien vom 07. August 1996,

– die Verbesserung der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung,– die Verbesserung gesundheitsförderlicher bzw. gesundheits-

erhaltender Bedingungen im Arbeitsumfeld, inkl. der Anpas-sung der Arbeitsorganisation an die Bedürfnisse der Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter,

– die Verbesserung der Fortbildung, um die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter besser in die Lage zu versetzen den wachsen-den Anforderungen an ihre Arbeit zu begegnen,

– die Förderung des Betriebsklimas und der Arbeitszufrieden-heit,

– die aktive Beteiligung der Beschäftigten an Angelegenheiten,die die Gesundheit am Arbeitsplatz betreffen,

– die Berücksichtigung der jeweils besonderen Situation vonFrauen und Schwangeren, von behinderten, leistungsveränder-

60 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

ten und älteren Beschäftigten sowie von ausländischen Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern,

– die Verbesserung der individuellen Gesundheitskompetenzender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

– das verstärkte Engagement der Führungskräfte und direktenVorgesetzten für die Gesundheitsförderung der Beschäftigten,

– Reduzierung der Fehlzeiten. (…)«(Öffentliche Verwaltung, 060700/50)

Die folgende Vereinbarung definiert »erfolgreiche Gesundheitsförde-rung« als Integration des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Ge-sundheitsförderung zu einer ganzheitlichen Aufgabe.

»Um den Ansprüchen einer erfolgreichen betrieblichen Gesund-heitsförderung in (der Firma) (…) gerecht zu werden, werden zurFörderung der Gesundheit der Beschäftigten der (Firma) die Auf-gaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der Gesund-heitsförderung zu einer ganzheitlichen Aufgabe zusammengefasstund in die Organisation der Niederlassung integriert.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

Neben dem Wunsch der Einbindung der betrieblichen Gesundheits-förderung in ein Gesundheitsmanagement wird als Voraussetzungihrer Wirksamkeit und Nachhaltigkeit in den Vereinbarungen einkomplexes Konzept festgeschrieben.

»Dazu bedarf es eines umfassenden Konzeptes für die Gesund-heitsförderung. Die isolierte Einführung einzelner Maßnahmenwirkt – wenn überhaupt – nur kurzzeitig und ist längerfristig alskontraproduktiv anzusehen.

Von entscheidender Bedeutung für ein erfolgreiches Gesund-heitsmanagement ist die Akzeptanzbildung auf allen Hierarchie-ebenen. Dienststellenleitungen, Führungskräfte und Mitarbeitersowie deren Beschäftigtenvertretungen müssen kooperativ undgleichberechtigt am Prozess beteiligt werden. (…)«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/54)

Betriebliche Organisation 61

Bisweilen machen die Zielbestimmungen der Vereinbarungen aberauch den Eindruck einer bunten Mischung von Verhaltens- und Ver-hältnisprävention, von Einzelmaßnahmen des Arbeitsschutzes (hier:RaucherInnen-Regelung) und der betrieblichen Gesundheitsförde-rung. Eine Struktur ist nicht erkennbar, wie die beiden folgendenVereinbarungen belegen.

»Ziele dieser Betriebsvereinbarung sind:– Verbesserung der Arbeitssicherheit und des Gesundheits-

schutzes;– Schutz und Erhaltung der Gesundheit der Nichtraucherlnnen

durch Abwehr von tabakbedingten Gesundheitsgefahren;– Verbesserung des Arbeitsklimas und der Arbeitszufriedenheit

durch eine handhabbare Regelung von Konflikten;– Hilfsangebote zur Raucherentwöhnung, zur Krankheitsverhü-

tung und zur Gesundheitsförderung.«(Gesundheit und Soziales, 060700/18)

»Hauptziel ist, die Gesundheit der Mitarbeiter/innen zu erhaltenbzw. den Erhalt der Gesundheit zu fördern, und zwar durch– gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen– Beratung und Information zum Thema Gesundheit– Förderung der Kommunikation und Kooperation unter den

Mitarbeiter/innen– Erhöhung der Arbeitszufriedenheit– verantwortungsvolles Führungsverhalten.«

(Landverkehr, 060700/34)

Betriebliche Bedingungen berücksichtigend kann es Sinn machen,neben einer umfassenden Zielbeschreibung gleich einleitend kon-krete Ziele zu formulieren. So kann der langfristige Prozess der be-trieblichen Gesundheitsförderung rasch und unwillkürlich gestartetwerden. Um zielgenau formulieren zu können, führen manche Un-ternehmen zunächst Pilotprojekte durch, wie im folgenden Beispiel.

»Untersuchung der unterschiedlichen betrieblichen Belastungs-profile im Rahmen jeweils eines Pilotprojekts im Bereich einestechnischen Amtes mit hoher körperlicher Belastung und Außen-

62 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

arbeiten, im Bereich der Krankenhäuser und Altenpflegeheimemit vorwiegender Belastung des Muskel- und Skelettsystems so-wie psychosozialen Stressfaktoren sowie im Bereich der Büro-und Verwaltungstätigkeit mit Bildschirmarbeit und Publikumsver-kehr.«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/50)

Neben dem Betrieb kennt die WHO auch andere Bereiche, sogenannte Settings, die Ziele von Maßnahmen der Gesundheitsförde-rung sein sollen: Die Schule, das Krankenhaus und mittlerweile auchdie Hochschule. Im Bereich der Hochschule sind nicht nur die an-gestellten wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Mitarbei-terInnen, sondern auch die StudentInnen Zielgruppen des WHO-Projektes Gesundheitsfördernde Hochschule. Die folgende Vereinbarungbezieht darauf.

»(…) das Projekt »Gesundheitsfördernde Hochschule« initiiert.Grundlegende Ziele des Projektes sind:y die Steigerung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz,y die Verbesserung der innerbetrieblichen Kooperation,y die Verbesserung der Arbeitsbedingungen,y mehr Transparenz bei innerbetrieblichen Veränderungen,y die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereit-

schaft undy die Verbesserung des Arbeitsklimas.«

(Bildungseinrichtung, 060700/52)

2.6 Qualifizierung für Gesundheitsförderung

Auf die zusätzliche Ausbildung der Sicherheitsbeauftragten wurdeschon im Rahmen der ständigen Einrichtung von Gesundheitsteams(siehe Kapitel 2.4.3) näher eingegangen. Darüber hinaus regeln ein-zelne Vereinbarungen auch die Ausbildung von ModeratorInnen fürGesundheitszirkel, um die externe Moderation zu ersetzen.

Qualifizierung für Gesundheitsförderung 63

»Für die an verantwortlicher Stelle des Betriebes tätigen Beschäf-tigten – Führungskräfte, Schwerbehindertenvertretung, Sicher-heitsbeauftragte, die/der vom Arbeitgeber benannte Beauftragteund Mitglieder der Gesundheitszirkel – unter Einbeziehung vor-handener Schulungsmaßnahmen – wird ein Schulungskonzeptzum Arbeits- und Gesundheitsschutz entwickelt.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

In derselben Vereinbarung wird, wie in anderen Vereinbarungenauch, der Schulungsbedarf für Führungskräfte insbesondere bezüg-lich der Personalgespräche angesprochen.

»Der Schulung von Führungskräften, die Personalgespräche zuführen haben, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

Führungskräfte

Bereits an mehreren Stellen wurde offenbar, dass in den untersuch-ten Vereinbarungen immer wieder ein Zusammenhang zwischenGesundheit, Arbeitszufriedenheit und Führungsqualität hergestelltwird. Nicht immer wird eindeutig formuliert, ob die gewünschtenAktivitäten stärker in Richtung Verhältnis- oder Verhaltenspräven-tion gehen.

»Die Führungskräfte sind aufgefordert, ihren Mitarbeitern dieBedeutung gesundheitsfördernder Maßnahmen nahe zu bringen.Sie sind verpflichtet, die arbeitsorganisatorischen Voraussetzun-gen für die Teilnahme an den Schulungen zu schaffen. Die (Firma)erfüllt ihre Pflicht im Rahmen des Gesundheitskonzeptes, ihreFührungskräfte zu schulen.«

(Verlags- und Druckgewerbe, 050100/134)

Die einzelnen Vereinbarungen beschreiben die Inhalte der Quali-fizierungsmaßnahmen für Führungskräfte mehr oder weniger um-fangreich, mit einer starken Fokussierung strategischer Fragen be-züglich Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement. Dazudie folgenden drei Beispiele.

64 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

»Qualifizierung der Vorgesetzten

Vorgesetzte sind durch geeignete Fort- und Weiterbildungsmaß-nahmen – auch vorbereitend für ihre Personalführungsaufgaben –insbesondere auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung zu quali-fizieren. Dies bezieht sich auf die erforderlichen kommunikativen,methodischen und strategischen Kompetenzen bei der Führungeinzelner Beschäftigter und im Umgang mit Gruppen sowie fach-übergreifende Führungsmethoden und -techniken. Vorgesetztesind darüber hinaus zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmenzur Vorbereitung auf die Rückkehrgespräche verpflichtet.«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/58)

»Geeignete Themenfelder zur Wahrnehmung der sozialen Füh-rungskompetenz sind primär:y Arbeits-/Gesundheitsschutz,y Kommunikationsverhalten (z.B. Führen von Konflikt-/Sach-/

Beurteilungsgesprächen, Grundlagen betrieblicher Informationund Kommunikation usw.) und Psychologie (Mitarbeiter-/Mit-arbeiterinnenmotivation, Führungsstile etc.)«

(Öffentliche Verwaltung, 060100/28)

Diese Ausbildung der Führungskräfte kann sich z.T. auch auf inner-betriebliche Akteure stützen, wie die folgende Vereinbarung zeigt.

»Die Sozialberatung unterstützt die (…) Personalentwicklung beiMaßnahmen, die u.a. der Teamentwicklung und Stärkung der so-zialen Kompetenz von Führungskräften dienen.«

(Energiedienstleister, 060700/15)

Manche Vereinbarungen sehen den Qualifizierungsbedarf hinsicht-lich Gesundheitsförderung auch über die Führungskräfte hinausge-hend, wie die abschließenden Beispiele zeigen.

»Für die an verantwortlicher Stelle des Betriebes tätigen Beschäf-tigten – Führungskräfte, Schwerbehindertenvertretung, Sicher-heitsbeauftragte, die/der vom Arbeitgeber benannte Beauftragteund Mitglieder der Gesundheitszirkel – unter Einbeziehung vor-handener Schulungsmaßnahmen – wird ein Schulungskonzept

Erfolgsbewertung der betrieblichen Gesundheitsförderung 65

zum Arbeits- und Gesundheitsschutz entwickelt. Der Schulungvon Führungskräften, die Personalgespräche zu führen haben,kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

»Als flankierende Maßnahmen sind vorgesehen:– Führungskräfteschulungen zur Teambildung, Gesprächsfüh-

rung, Konfliktmanagement, Gesundheitsmanagement– Moderatorennachschulungen speziell zur Begleitung von Ge-

sundheitszirkeln– Qualifizierung zu Zielsetzung und Grundlagen eines Gesund-

heitsmanagements für Beschäftigtenvertretungen, Ergonomie-beauftragte, Personalentwickler

– Mitarbeiterschulungen zu Veränderungsnotwendigkeiten, diesich aus Maßnahmen des Gesundheitsmanagements ergeben.«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/54)

Die zitierten Vereinbarungen zeigen, dass es sinnvoll ist, auf unter-schiedlichen Ebenen – von Sicherheitsbeauftragten bis zu Führungs-kräften – Qualifikationsmaßnahmen konkret zu regeln, um Grund-lagen für die Umsetzung von betrieblicher Gesundheitsförderung zuschaffen oder um Verhaltensänderungen der MitarbeiterInnen zuunterstützen.

2.7 Erfolgsbewertung der betrieblichenGesundheitsförderung

Unternehmen und Verwaltungen stellen unter dem Konkurrenz-und Kostendruck immer seltener Geld- und Personalkapazität fürAufgaben zur Verfügung, die nicht unmittelbar wertschöpfend undertragsorientiert sind. Nicht zuletzt auch deshalb erscheint es sinn-voll, sich der Wirkungen und des Erfolgs der Maßnahmen der be-trieblichen Gesundheitsförderung zu versichern. Es ist allerdings garnicht so leicht, ein derart komplexes Geschehen mit vielfältigen Wir-kungsbeziehungen und auch schwer beeinflussbaren gesellschaft-lichen Faktoren – z.B. neue Rentenregelungen – zu bewerten. Den-noch stellen sich viele Vereinbarungen dieser schwierigen Aufgabe.

66 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

In Kapitel 2.4.1 wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch dieErgebnisse insbesondere der Gefährdungsbeurteilung psychischerBelastungen ein möglicher Maßstab für Wirkungen von betrieb-licher Gesundheitsförderung sind. Dem zuträglich ist die Dokumen-tation der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung und der Maßnah-menumsetzung.

»Dokumentation

Die Ergebnisse der Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung, diefestgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes, das Ergebnis derUmsetzung und der Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnah-men werden für jedes Modul dokumentiert.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/54)

Nach dem Arbeitsschutz sei im Folgenden auf die Dokumentationder Gefährdungsbeurteilung im Rahmen betrieblicher Gesundheits-förderung hingewiesen. Natürlich eignen sich Instrumente der Da-ten-Gewinnung auch zur Erfolgsbewertung: An Gesundheitsberich-ten z.B. sollten sich auch Belastungsabbau, gute Ergonomie, Abbauvon Zeitdruck oder die Entwicklung von Ressourcen wie Hand-lungsspielraum und Beteiligung der Beschäftigten ablesen lassen.In 8 von 54 untersuchten Vereinbarungen sind auch konkrete Rege-lungen zur Erfolgskontrolle der Ergebnisse zur betrieblichen Ge-sundheitsförderung zu finden.

Die folgende Vereinbarung enthält Erfolgsbewertungen bezüglicheines einzelnen Instruments: der Gesundheitszirkel.

»Zur Erfolgskontrolle der Arbeit der Gesundheitszirkel finden6 Monate nach Abschluss der letzten Zirkelsitzung eine Auswer-tungssitzung mit den Zirkelteilnehmerinnen und -teilnehmernund eine Folgebefragung im Arbeitsbereich statt.«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/58)

Eine andere Vereinbarung wiederum nennt in einer pauschalen For-mulierung die regelmäßige Erfolgskontrolle und das für die Erfolgs-kontrolle verantwortliche Gremium, ohne sich auf einzelne Instru-mente festzulegen.

Erfolgsbewertung der betrieblichen Gesundheitsförderung 67

»Die Überprüfung aller vereinbarten Maßnahmen und Verfahrenfindet mindestens einmal jährlich durch den Steuerkreis statt.Meinungsverschiedenheiten, die sich bei der Anwendung dieserBetriebsvereinbarung ergeben, werden im GF/AV-Steuerkreis ge-löst.«

(Unternehmensbezogene Dienstleistungen, 060700/42)

Wie die folgende Vereinbarung zeigt, kann Erfolgskontrolle auch einElement der Aufgaben der für die betriebliche Gesundheitsförde-rung Verantwortlichen sein.

»Die Arbeitsgruppe Gesundheitsförderung hat folgende Aufga-ben wahrzunehmen:y (…)y Controlling der Maßnahmen und Ergebnisse,«

(Öffentliche Verwaltung, 060100/28)

Die oben zitierten Vereinbarungen legen fest, dass es eine Erfolgs-kontrolle geben muss. Die folgende Vereinbarung beschreibt darü-ber hinaus auch inhaltliche Kriterien für die Messung, nämlich dassdie Ermittlung positiver Auswirkungen von Gesundheitsförderungs-Maßnahmen nicht nur über materielle Kriterien erfolgen kann. Inder Vereinbarung wird deshalb die gemeinsame Erarbeitung von be-sonderen Kriterien für die Erfolgsbewertung festgelegt.

»Um eine möglichst große Effizienz zu erreichen, sollten dieGesundheitsförderungsmaßnahmen kontinuierlich geprüft, abge-schätzt und neu definiert werden. Hierdurch lassen sie sich immerwieder neu den aktuellen betrieblichen Gegebenheiten und Be-dürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anpassen.

Dabei ist zu bedenken, dass die Auswirkungen von Gesund-heitsförderungsmaßnahmen größtenteils nicht geldlich messbarsind.

Da Gesundheit selbst ein qualitativer Faktor ist, handelt es sichauch bei ihren Auswirkungen vornehmlich um qualitative Phäno-mene, die sich überwiegend indirekt, z.B. durch die Verbesserungvon Flexibilität, Qualität und Produktivität bemerkbar machen.[…]

68 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

Der Auftraggeber, die Arbeitsgruppe oder der ASA legen imLaufe des Prozesses Kriterien fest, anhand derer die durchzu-führenden Maßnahmen auf ihren Nutzen hin bewertet werdenkönnen.«

(Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge, 060000/08)

Eine Betriebsvereinbarung macht die Gesundheitsentwicklung derBeschäftigten zum Bestandteil der Zielvereinbarungen mit den Füh-rungskräften. Und damit zu einem Bestandteil auch des Entgeltesder Führungskräfte, d.h. eine Verschlechterung der Gesundheits-entwicklung der Beschäftigten bedeutet auch Gehaltsverluste für dieFührung.

»Die betriebliche Gesundheitsforderung ist eine Management-und Führungsaufgabe[…]3) Die Gesundheitsentwicklung der Beschäftigten wird als wichti-

ges Ziel in die Zielvereinbarungen der Führungskräfte aufge-nommen.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

Die gleiche Vereinbarung beschreibt auch die Prozessabläufe in Rich-tung Wirksamkeitskontrolle genauer.

»Die Prozessabläufe

Für den Erfolg der Gesundheitsförderung ist die Einhaltung nach-folgender Prozessschritte von großer Wichtigkeit:y Datenerhebungy Entwickeln von Maßnahmen zur Gesundheitsförderungy Durchführung der Maßnahmen zur Gesundheitsförderungy Wirksamkeitskontrolle und Bewertung der durchgeführten

Maßnahmen zur Gesundheitsförderung […]

Der Betriebsrat entsendet Vertreter in den Arbeitskreis Gesund-heit und die Gesundheitszirkel. Er erhält regelmäßig Informatio-nen über die Gesundheitssituation im Betrieb.«

(Telekommunikationsdienstleister, 060100/53)

Erfolgsbewertung der betrieblichen Gesundheitsförderung 69

Der Betriebsrat hat also in dieser Vereinbarung auch Kontrollmög-lichkeiten verankert.

Zusammenfassende Bemerkung zu den Regelungsinhalten:

Die Regelungsinhalte der untersuchten Vereinbarungen umfassenalle Aspekte der betrieblichen Gesundheitsförderung:y Verhältnisprävention als eine Verbesserung der Arbeitsbedingun-

gen im umfassenden Sinn, wie beispielsweise die Arbeitsorganisa-tion, Arbeitsinhalte, Arbeitsmittel etc.

y Verhaltensprävention, also Angebote für gesundheitsförderlichesVerhalten, wie beispielsweise Rückenschulen, gesunde Kantinen-Ernährung, Kurse für Stressbewältigung, Suchtprävention.

y Gesundheitsförderliche Führung, wie beispielsweise die Gesamt-verantwortung für die Gesundheit der MitarbeiterInnen oder dasFühren von Anerkennungsgesprächen. Da jede betriebliche Ent-scheidung etwas mit der Gesundheit der MitarbeiterInnen zu tunhat, haben wir uns entschlossen die »gesundheitsförderliche Füh-rung« als dritte Kategorie der betrieblichen Gesundheitsförderungmit auf zu nehmen.

In der nachfolgenden Tabelle ist abzulesen, wie sich die Regelungs-inhalte auf die Bereiche Verhältnisprävention, Verhaltenspräventionund gesundheitsförderliche Führung verteilen:

Tabelle 2: Häufigkeit der Regelung von Instrumenten der betrieblichen

Gesundheitsförderung und die Zielrichtung.

Verhältnis-Prävention(Arbeits-

bedingungen)

Verhaltens-prävention

Gesundheits-förderlicheFührung

Betrieblicher

Gesundheitsbericht 6 Siehe Verhältnis-Prävention, weil auchVerhalten und Führung bei Analyse undMaßnahmen eine Rolle spielen können.

MitarbeiterInnenbefragung 6

Gefährdungsbeurteilung

psychischer Belastungen 13

Gespräche

a) Anerkennungsgesprächemit Gesund(et)en

b)Willkommensgesprächec) Fehlzeiten-/

Rückkehrgespräche

1 1

1 1

2 6 2

70 Regelungsinhalte der Vereinbarungen

Eine Abgrenzung der drei Bereiche Verhältnisprävention, Verhaltensprä-vention und gesundheitsförderliche Führung ist für Analyse und Umset-zung nicht immer klar zu treffen, für den jeweiligen Regelungsinhaltjedoch schon. Insgesamt verteilen sich die Regelungsinhalte der un-tersuchten Vereinbarungen bezüglich der Instrumente der betrieb-lichen Gesundheitsförderung wie folgt:y knapp zwei Drittel auf Verhältnispräventiony ein Viertel auf Verhaltenspräventiony gut zehn Prozent auf gesundheitsförderliche Führung.

Gremien

y AKG bzw. zum AKGerweiterter ASA 12

Siehe Verhältnis-Prävention, wie oben

y Koordinations-Team(für AKG/AKGs) 1

Ständige Arbeitsgruppen:

y Gesundheitsteams(=Sicherheitsbeauftragte) 1

Siehe Verhältnis-Prävention, wie oben

Zeitlich befristete

Arbeitsgruppen:

y Gesundheitszirkel 11Siehe Verhältnis-Prävention, wie oben

y Fokusgruppen 1

Schulung/Qualifizierung

1 (Zirkel)

Siehe nächste ZeileVerhaltenspräventiveMaßnahmen. 7

Verhaltenspräventive

Maßnahmen

a) Maßnahmen fürZielgruppen 3 7

b) Maßnahmen zu speziel-len Feldern (Rauchen,Sucht, Stressbewältigung,Ernährung, Sport …) 5 12

Nennungen in denVereinbarungen 64 25 11

Gesamtzahl ausgewerteterVereinbarungen: 54

Verhältnis-Prävention(Arbeits-

bedingungen)

Verhaltens-prävention

Gesundheits-förderlicheFührung

Erfolgsbewertung der betrieblichen Gesundheitsförderung 71

Die in den Vereinbarungen genannten Instrumente der Verhältnis-prävention sind vor allem die von den Kassen propagierten, wieGesundheitsbericht, Befragungen, Arbeitskreis Gesundheit und Ge-sundheitszirkel. Darüber hinaus gibt es Versuche, neue Wege zubeschreiten: Fokusgruppen (siehe 2.4.3) für die Bearbeitung einer be-sonderen Fragestellung nur unter KollegInnen einer Hierarchiestufeund ständige Gesundheits-Teams, die sich aus dafür qualifiziertenSicherheitsbeauftragten zusammensetzen (siehe 2.4.3)

Die Maßnahmen zur Verhaltensprävention beschäftigen sich bei-spielsweise mit Ernährung, Stressbewältigung, Sport oder Nicht-Raucher-Training. Diese Maßnahmen haben, wie die Tabelle obenzeigt, auch Auswirkungen auf die Bedingungen etwa im Bereich derKantinenverpflegung, des Nichtverkaufs von Tabakwaren oder fürZielgruppen, wie z.B. Regelungen zur Verpflegung bei Nachtarbeit.

Die Regelungen für Führungskräfte betreffen Qualifizierungsmaß-nahmen für gesundheitsförderliches Führungsverhalten, für Ge-sundheits-Management und Trainings für die Gespräche mit Mitar-beiterInnen. Neben den bekannten Fehlzeiten-/Rückkehrgesprächensind hier auch in einer Vereinbarung neue Formen der Anerken-nungs- und Willkommens-Gespräche (siehe 2.4.1) vereinbart.

Acht Vereinbarungen beschäftigen sich unter den Stichworten»Controlling«, »Wirksamkeitsüberprüfung« oder »Kontrolle der Maß-nahmen« mit der Erfolgskontrolle von Maßnahmen der betrieblichenGesundheitsförderung.

72 Mitbestimmungsrechte, Vorgehensweisen und Instrumente

3. Mitbestimmungsrechte,Vorgehensweisenund Instrumente

3.1 Mitbestimmungsrechte der betrieblichenInteressenvertretung

Die betriebliche Interessenvertretung nimmt nach dem Betriebsver-fassungsgesetz (BetrVG) und dem Bundespersonalvertretungsgesetz(BPersVG) eine Schlüsselrolle im betrieblichen Arbeitsschutz, alsGrundlage für die betriebliche Gesundheitsförderung, ein.

Die zentrale Vorschrift für die Mitbestimmung des Betriebsratsist § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, wobei es um die Verhütung von Arbeits-unfällen und Berufskrankheiten sowie um den Gesundheitsschutzgeht; integriert sind das psychische Wohlbefinden der Arbeitnehme-rInnen sowie auch die Maßnahmen zur menschengerechten Arbeits-gestaltung (§ 2 Abs. 1 ArbSchG und geltende Rechtsprechung, z.B.BVerwG 31. 1. 1997, NZA 1997, 482, 483). Der Betriebsrat hat in Be-zug auf sein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG einInitiativrecht.

Auch die Personalvertretung hat ein (uneingeschränktes) Mit-bestimmungsrecht, das bei Maßnahmen zur Verhütung von Dienst-und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen (§ 75Abs. 3 Nr. 11 BetrVG) sowie bei der Gestaltung der Arbeitsplätze(§ 75 Abs. 3 Nr. 16 BPersVG) usw. zum Tragen kommt.

Diese Mitbestimmungsrechte sind uneingeschränkt, da in den Fäl-len des § 75 BetrVG die Einigungsstelle gem. §§ 69 Abs. 4 i.V. mit71 BetrVG zur abschließenden Entscheidung, die beide Seiten bin-det, befugt ist.

In den Vereinbarungen finden sich auch Bestimmungen zur Ein-bindung der Interessenvertretung für deren unterstützende und mo-tivierende Rolle in der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Interessenvertretung 73

»Der Betriebsrat wird über die gesetzlichen Bestimmungen hinausin die Gesundheitsförderung, den Arbeitsschutz, die Arbeits-sicherheit und die Arbeitsmedizin aktiv eingebunden, und er un-terstützt die gemeinsame Zielsetzung auch dadurch, dass er aufdie Beschäftigten im Sinne eines gesundheitsgerechten Verhaltenseinwirkt und sie zur Teilnahme an den Maßnahmen, Förderungs-programmen und Angeboten motiviert.«

(Energiedienstleister, 060700/15)

»Der Betriebsrat wird über die gesetzlichen Bestimmungen hinausin die Gesundheitsförderungsmaßnahmen von Anfang an aktiveingebunden, gestaltet diese mit und unterstützt das Programmdadurch, dass er die Belegschaft zu gesundheitsgerechtem Verhal-ten und zur aktiven Teilnahme an Gesundheitsförderungspro-grammen animiert.«

(Fahrzeughersteller Kraftwagen, 060700/56)

Eine zwar kurze, aber wichtige Festlegung kann die Folgende sein,weil auch über die Geschäftsordnung unter Mitbestimmung der In-teressenvertretung Abläufe, Inhalte und Vorgehensweisen festgelegtwerden können – ein Hilfsmittel, um betriebliche Regelungen nach-vollziehbar, transparent und kontrollierbar zu machen: Wer führtwann die Gefährdungsbeurteilung, wer die Wirksamkeitskontrolledurch?

»Der Arbeitskreis Gesundheit gibt sich eine Geschäftsordnung.(…)«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/57)

Weitere Beteiligungsrechte der betrieblichen Interessenvertretungsind in 6.2 und 6.3 aufgeführt.

74 Mitbestimmungsrechte, Vorgehensweisen und Instrumente

3.2 Beteiligung der Beschäftigten

Zielgruppe der betrieblichen Gesundheitsförderung sind die Be-schäftigten, die eine aktive Rolle erhalten und im gesamten Prozesseingebunden werden müssen.

Eine Vereinbarung bringt die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeitder Beteiligung der Beschäftigten auf den kurzen und klaren Nenner»Anteil nimmt, wer Anteil hat« gebracht.

»Die Identifikation mit dem Unternehmen ist eine Folge der Gestal-tungsmöglichkeiten des einzelnen: ›Anteil nimmt, wer Anteil hat.‹«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060100/17)

So und in anderen Formulierungen wird immer wieder die Beteili-gung der Beschäftigten befürwortet. Die folgenden Beispiele zeigen,dass es zwischen einer reinen Beteiligungsorientierung und einer Be-teiligungs- und anschließenden Anwendungspflicht – Stichwort »Be-teiligung und Selbstverantwortung« der Beschäftigten – verschie-dene Abstufungen gibt. Diese Bandbreite wird mit den folgendenZitaten belegt. Es hängt hier besonders von den innerbetrieblichenBedingungen ab, ob man stärker auf einen reinen Beteiligungsansatzoder auf die Beteiligung und Selbstverantwortung einlenkt.

»Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Einbeziehung der Be-schäftigten als Experten ihrer Arbeitsbedingungen. Die Beteili-gung unserer Beschäftigten an der betrieblichen Gesundheitsför-derung ist ausdrücklich erwünscht.«

(Energiedienstleister, 060700/15)

»Die Beschäftigten sind berechtigt und verpflichtet, sich aktiv anden gesundheitsfördernden Maßnahmen zu beteiligen. Sie brin-gen ihrerseits auch Vorschläge ein.

Die Beschäftigten sind für den Erhalt ihrer Gesundheit und da-mit Arbeitsfähigkeit auch selbstverantwortlich.«

(Gesundheit und Soziales, 060700/33)

»Die (Firma) ist daran interessiert, die Vorgesetzten und Beschäf-tigten für die Arbeitssicherheit und Ergonomie durch Weiterbil-dung und Information zu sensibilisieren und motivieren.

Beteiligung der Beschäftigten 75

Als die für Arbeitsschutz Verantwortlichen erwarten wir vonIhnen, dass Sie den Weiterbildungs- und Informationsbedarf IhrerMitarbeiter im Arbeitsschutz feststellen und die erforderlichenSchritte einleiten. Falls Ihre Beschäftigten gefährliche Arbeitenverrichten, nutzen Sie unser spezielles Sicherheitstraining!«

(Telekommunikationsdienstleister, 060700/59)

In dem aufgeführten Zusammenhang der Betriebsvereinbarungenist die Unterweisung (§ 12 ArbSchG) ein geeignetes Verfahren, umBeschäftigte dahingehend zu qualifizieren, Gefährdungen und Ge-fahren rechtzeitig zu erkennen; Arbeitsschutzmaßnahmen nach-zuvollziehen und an ihrer Durchführung aktiv mitzuarbeiten; sichsicherheits- und gesundheitsgerecht zu verhalten.

»Hierbei gehört es zu den Aufgaben von Führungskräften, Verant-wortung für die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterzu übernehmen. Vorgesetzte müssen Methoden und Instrumenteentwickeln und beherrschen, um krankmachende Faktoren undVerhaltensweisen zu vermeiden. Eines der wichtigsten Ziele istes dabei, ein offensives Instrument zur Förderung der Gesundheitunter unmittelbarer Beteiligung der Beschäftigten zu schaffen. Be-triebliche Gesundheitsförderung zielt dabei auch auf eine Senkungvermeidbarer Fehlzeiten. Hierzu ist die Beteiligung der betroffenenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Führungskräfte, der Interessen-vertretungen, der Fachdienste für Arbeitsschutz und anderer Fach-leute notwendig. (…)«

(Öffentliche Verwaltung, 060700/58)

Gute Mitwirkungsmöglichkeiten bieten die Rechte und Pflichten derBeschäftigten nach dem Arbeitsschutzgesetz.

Mitwirkungsrechte der Beschäftigten nach dem Arbeitsschutzgesetz

(§§ 9, 11, 12 und 17 ArbSchG)y Informationen über Belastungen und Gefährdungen sowie geeig-

nete Anweisungeny Vorschläge für Sicherheit und Gesundheit zu macheny bei mittelbarer und erheblicher Gefahr Maßnahmen der Gefahren-

abwehr zu ergreifeny sich auf eigenen Wunsch arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen

76 Mitbestimmungsrechte, Vorgehensweisen und Instrumente

y regelmäßige ausreichende angemessene Unterweisungen im Dia-log mit den Führungskräften während der Arbeitszeit

y Beschwerden an Arbeitsschutzbehörden, wenn der ArbeitgeberGefährdungen nicht abhilft

Weitere Rechte der Beschäftigten sind nach dem Betriebsverfassungs-gesetz geregelt: Beschwerderecht nach § 84 BetrVG und Behandlungvon Beschwerden durch den Betriebsrat nach § 85 BetrVG.

Mitwirkungspflichten der Beschäftigten nach dem Arbeitsschutz-

gesetz (§ 15 ArbSchG)y gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für die

eigene Sicherheit und Gesundheit zu sorgeny auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen,

die von den Handlungen und Unterlassungen bei der Arbeit be-troffen sind

y Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Arbeitsstoffe, Transportmittelund sonstige Arbeitsmittel sowie Schutzvorrichtungen und die ih-nen zur Verfügung gestellte Schutzausrüstungen bestimmungsge-mäß zu verwenden

Unterstützungspflicht der Beschäftigten nach § 16 Arbeitsschutz-

gesetzy Jede festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für Sicherheit und

Gesundheit sowie jeden Defekt an den Schutzsystemen zu melden.y Unterstützung des Arbeitgebers gemeinsam mit dem Betriebsarzt

und der Fachkraft für Arbeitssicherheit Sicherheit und Gesundheitbei der Arbeit zu gewährleisten.(vgl. IGM 2003, 46 ff.)

»Beteiligung der Beschäftigten

6.1 Vorschläge der Beschäftigten zu allen Fragen der Sicherheitund des Gesundheitsschutzes sind im Sinne von ResponsibleCare ausdrücklich erwünscht und werden durch die Vorge-setzten gefördert.

6.2 Halten Beschäftigte getroffene Maßnahmen für nicht ausrei-chend, um die Sicherheit und/oder den Gesundheitsschutzbei der Arbeit zu gewährleisten, sollten sie den Sachverhaltzunächst mit ihrem Vorgesetzten erörtern, ohne dass ihnen

Beteiligung der Beschäftigten 77

dadurch Nachteile entstehen. Kommt es zu keiner Verständi-gung, können sie die Angelegenheit unter Angabe konkreterAnhaltspunkte bei den Fachabteilungen für Arbeitssicherheit,den Werksärztlichen Diensten oder dem Betriebsrat vorbrin-gen. […] Sind Beschäftigte aufgrund konkreter Anhaltspunkteder Auffassung, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maß-nahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um dieSicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zugewährleisten, und hilft der Arbeitgeber darauf gerichtetenBeschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diesean die zuständige Behörde wenden: Hierdurch dürfen Be-schäftigten keine Nachteile entstehen (§ 17 Abs. 2 ArbSchG).

Alle Beschäftigten sind gehalten, sich aktiv am Arbeitsschutz zubeteiligen, um Gefahren von sich und anderen fernzuhalten.«

(Chemische Industrie, 060100/52)

Die Rechte und Pflichten der Beschäftigten nach dem Arbeits-schutzgesetz werden in den Betriebsvereinbarungen immer wiederkonkret aufgeführt. Besonders wird dabei das Beschwerderecht ge-genüber dem Arbeitgeber und den zuständigen Behörden hervor-gehoben.

»Dem Mitarbeiter steht das Recht zu, in allen betrieblichen An-gelegenheiten gehört zu werden. Er kann Vorschläge für dieGestaltung des Arbeitsplatzes und für den betrieblichen Ablaufmachen.«

(Chemische Industrie, 060000/05)

Das Zitat aus der vorangegangenen Betriebsvereinbarung beziehtsich auf § 82 Abs. 1 BetrVG – Anhörungs- und Erörterungsrechtder Arbeitnehmer über die Gestaltung des Arbeitsplatzes und desArbeitsablaufs.

Dem Erfahrungswissen als Grundlage für die aktive Einbeziehungder MitarbeiterInnen wird in den folgenden Betriebsvereinbarungenein besonderer Stellenwert beigemessen.

78 Mitbestimmungsrechte, Vorgehensweisen und Instrumente

»Erfahrungswissen:

Der Erfolg präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes setztInformation, Unterweisung und Weisung durch den Arbeitgeberund die aktive Teilnahme der Beschäftigten voraus. BesondereBedeutung kommt deren Erfahrungen und Kenntnissen um diebetrieblichen Zusammenhänge zu.

Arbeits- und Gesundheitsschutz beinhaltet auch, dass dieBeschäftigten in ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet eigenverantwort-lich im Rahmen ihrer Möglichkeiten Sorge für Sicherheit und Ge-sundheit bei der Arbeit tragen und das Unternehmen gemeinsammit dem Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit aktivauf diesem Gebiet unterstützen.«

(Chemische Industrie, 060100/52)

»Die Einbeziehung aller Mitarbeiter ist Voraussetzung für den

Erfolg

Anteil nimmt, wer Anteil hat. Eine Voraussetzung für erfolgreicheSicherheitsarbeit ist die konsequente Einbeziehung der Mitarbeiter.Wer an der Erarbeitung von Maßnahmen und Regeln mitgewirkthat, setzt sich auch für deren Umsetzung bzw. Einhaltung ein. DieMitarbeiter bringen ihre Erfahrungen ein und wirken mit bei dery Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsabläufen und Arbeits-

mittely Ableitung sicherheitlicher Regelungen und der Lösung sicher-

heitlicher Problemey Untersuchung von Unfällen und Beinaheunfällen sowie der

Ursachen arbeitsbedingter Erkrankungen[…]Ergänzend kann fallweise durch Fragebogenaktionen die Mei-nung der gesamten Belegschaft abgefragt und eingebracht wer-den. Fragebogenaktionen werden grundsätzlich vorab im Arbeits-schutzausschuss abgestimmt.«

(Metallerzeugung und -bearbeitung, 060100/17)

In dieser Vereinbarung werden Fragebogen-Erhebungen als Beteili-gungsformen erwähnt. Auch weitere Vereinbarungen regeln indirektoder direkt Formen der Beteiligung. Dies können laut der erstenVereinbarung Befragungen sein oder, laut der zweiten, Gesundheits-

Beteiligung der Beschäftigten 79

zirkel. Während die erste Vereinbarung die Beteiligung indirektregelt, wird in der zweiten nochmals ausdrücklich auf die »bestmög-liche« Beteiligung hingewiesen.

»Beteiligung und Selbstverantwortung aller Mitarbeiter

Der Erfolg aller gesundheitsfördernder Maßnahmen hängt unmit-telbar von dem Engagement und der Akzeptanz der Mitarbeiterder (Firma) ab. Daher ist die Beteiligung der Mitarbeiter an allenMaßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung ausdrücklicherwünscht. Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderungwerden grundsätzlich unter bestmöglicher Einbeziehung aller Be-teiligten – z.B. in Gesundheitszirkeln – geplant und durchgeführt.

Für die Mitarbeiter ergibt sich die Pflicht, die durch Aufklärungund Schulungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse selbstver-antwortlich in die Praxis zu übertragen.

Jeder Mitarbeiter hat das Recht und die Pflicht, eigeninitiativVorschläge zur Verbesserung der Faktoren, die die Gesundheitbeeinflussen, zu machen. Die Vorschläge sind dem Gesundheits-beauftragten einzureichen. Der Gesundheitsbeauftragte doku-mentiert die Vorschläge, wertet sie aus und entwickelt konkreteMaßnahmen/Konzepte.«

(Verlags- und Druckgewerbe, 050100/134)

Wie die letzte hier aufgeführte Betriebsvereinbarung zeigt, gehörenAufklärung und Schulungsmaßnahmen für die Beschäftigten mitdazu, um eigeninitiativ Vorschläge zur Verbesserung machen zukönnen, die die Gesundheit beeinflussen.

Deutlich wird in den ausgewerteten Betriebsvereinbarungen, dassdas »ExpertInnenwissen der Beschäftigten in eigener Sache« gefragtist. Grundlage bietet dafür insbesondere die rechtliche Verankerungsystematischer betrieblicher Gefährdungsbeurteilungen – Risiken er-kennen, Risiken beurteilen, Risiken minimieren, Schutzmaßnahmeneinsetzen und kontrollieren, Schutzmaßnahmen evaluieren und ggf.verbessern.

Dabei kann es jedoch nicht einfach nur um die Abschöpfung vonBeschäftigtenwissen gehen, sondern es muss in diesem Zusammen-hang deutlich werden, dass potenziell pathogene Strukturen (z.B.schlechte Arbeitsorganisation) und Belastungen auch tatsächlich ver-ändert werden.

80 Mitbestimmungsrechte, Vorgehensweisen und Instrumente

3.3 Verbindungen zur Tarifpolitik

Arbeitsschutz und Gesundheitsfragen gehören seit langer Zeit zurqualitativen Tarifpolitik im Sinne einer gestaltenden Einflussnahmeauf Arbeitsbedingungen, die damit eine gute Grundlage für Be-triebsvereinbarungen in den einzelnen Branchen und Bereichen dar-stellt.

Hier sei auf einige Beispiele tariflicher Regelungen der Gesund-heitsförderung verwiesen.

Tarifvertrag Nr. 53 vom 14. 12. 1998, § 7»Die Deutsche Post führt Maßnahmen zur Förderung des Gesund-heitsstandes durch. Das Nähere wird unter Beachtung der Grund-sätze einer Gesamtbetriebsvereinbarung in den Betrieben ge-regelt.«

Sozialtarifvertrag der Deutschen Telekom AG vom 1. 1. 1999, § 9»(1) Die Deutsche Telekom AG führt Maßnahmen zur Gesund-heitsförderung ihrer Arbeitnehmer durch.«

Diese beiden Tarifverträge legen fest, dass Maßnahmen zur Förde-rung des Gesundheitsstandes bzw. Maßnahmen zur Gesundheits-förderung durchgeführt werden sollen. Ziele, konkrete Vorgehens-oder Verfahrensweisen sowie Beteiligungen wurden in diesen Ver-trägen nicht verankert.

Tarifvertrag des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebee.V. vom 13. September 2001, § 13

In diesem umfassenden Paragraphen des Tarifvertrages wird der Ge-sundheitsschutz als Unternehmensziel definiert, seine Verbesserungist »ständige Aufgabe der Parteien«. Weiterhin müssen die betrieb-lichen Arbeits- und Gesundheitsschutzaktivitäten zu einem umfas-senden Konzept gebündelt werden, dessen Wirksamkeit von Arbeit-geber und Betriebsrat geprüft werden soll.

Informations- und Beschwerderechte für die Beschäftigten sind imRahmen der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes gere-gelt.

Verbindungen zur Tarifpolitik 81

Manteltarifvertrag für die Druckindustrie erstmals von 1989, jetztgültig ab 1. 1. 1997, § 2a Gesundheitsschutz

Dieser Paragraph enthält neben anderen Bestimmungen z.B. aus-drücklich das Unternehmensziel des Gesundheitsschutzes (Ziffer 1)und ein tariflich verbrieftes, individuelles oder kollektives Beschwer-derecht für Beschäftigte.

»4. Die Arbeitnehmer können einzeln oder gemeinsam im Rah-men des Betriebsverfassungsgesetzes Beschwerde (1) einlegen,wenn die Arbeit nach ihrer Auffassung– nicht menschengerecht gestaltet ist– die freie Entfaltung der Persönlichkeit behindert (§ 75 Abs. 2

BetrVG in Verbindung mit § 84 BetrVG) oder– wenn arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren bestehen (2).

Die Beschwerde richtet sich an den Arbeitgeber und den Betriebs-rat. Der Betriebsrat wirkt beim Arbeitgeber auf Abhilfe hin, wenner die Beschwerde für berechtigt erachtet.

Die Arbeitnehmer haben das Recht, sich in Fragen der Unfall-und Gesundheitsgefährdung an ihnen geeignet erscheinendeFachleute und Institutionen zu wenden, nachdem sie sich erfolglosan den Arbeitgeber gewandt haben.Durchführungsbestimmungen zu § 2 a(1) Zur Wahrnehmung des Beschwerderechts müssen in der Nähe

jedes Arbeitsplatzes, mindestens jedoch in jeder Abteilung,vorgedruckte Beschwerdescheine ausliegen.

(2) Dies gilt insbesondere, wenn dem Gesundheitsschutz die-nende Bestimmungen in Gesetzen, Tarifverträgen, Betriebsver-einbarungen sowie in sonstigen Schutzregelungen nicht beach-tet werden.«

Besonders sei hier auf das Recht der Arbeitnehmer hingewiesen,sich an geeignete Fachleute und Institutionen zu wenden, nachdemsie sich vorher erfolglos an den Arbeitgeber gewandt haben. DieseRegelung ist eine Erweiterung der sonstigen Rechte nach demBetrVG und dem ArbSchG.

Des Weiteren ist die Beurteilung von Gesundheitsrisiken und-gefahren hier dementsprechend nicht nur vom Urteil der für den

82 Mitbestimmungsrechte, Vorgehensweisen und Instrumente

Arbeitsschutz Zuständigen abhängig, sondern das Wissen, die Er-fahrungen und die Einschätzungen der Beschäftigten sollen über dasBeschwerderecht mit einfließen.

Durch diese Absicherung im Tarifvertrag konnten die Beschäftig-ten motiviert werden, sich in den betrieblichen Prozess einzubrin-gen. Insgesamt wurde das Thema Gesundheit in der Druckindustriedadurch befördert (Priester 1998, 305).

Weitere tarifpolitische Regelungen auf dem Gebiet der Gesund-heitsförderung sind wünschenswert, da sie die Handlungsmöglich-keiten der betrieblichen Akteure, in Bezug auf Vorstellungen, Forde-rungen, Motivation, Projekten und Maßnahmen erleichtern. Wichtigist dabei, dass nicht nur die betriebliche Interessensvertretung durchVorschlags-, Beschwerde-, Beteiligungs-, Mitwirkungs- und Mitbe-stimmungsrechte abgesichert wird, sondern auch die einzelnen Ar-beitnehmerInnen: Denn ohne die aktive und dauerhafte Einbezie-hung der Beschäftigten kann betriebliche Gesundheitsförderungnicht erfolgreich sein.

Auch sozialpolitische Erfahrungen in der Vergangenheit und inder aktuellen Diskussionen zeigen, dass weitere tarifpolitische Rege-lungen sinnvoll und wünschenswert sind, da die Gesetzgebungallein nicht als Garant einmal ereichter Schutzstandards und Regel-niveaus angesehen werden kann (z.B. Neuregelung der Lohnfort-zahlung im Krankheitsfall).

Insofern bleiben bestandssichernde und über die geltenden Rechts-normen hinausgehende tarifliche Vereinbarungen auf dem Gebietder Arbeitsbedingungen und der betrieblichen Gesundheitsförde-rung sinnvolle und notwendige Bestandteile der Tarifpolitik.

Offene Probleme 83

4. Offene Probleme

Betriebliche Gesundheitsförderung konzentriert sich auf Erhaltungbzw. Entwicklung von gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungenund Kompetenzen und damit auf die Wahrnehmung von Chancen.Arbeits- und Gesundheitsschutz hat eine Schutzperspektive undorientiert sich stärker am Beseitigen oder Vermeiden gesundheits-gefährdender Arbeitsbedingungen und Belastungen.

Aber es ist ein Unterschied, ob ich Gesundheit erhalte oder Ge-sundheit fördere. (Wie) macht Arbeit gesund? Diese Frage will diebetriebliche Gesundheitsförderung beantworten. Viele Betriebsver-einbarungen berücksichtigen dahingehend neben dem klassischenArbeits- und Gesundheitsschutz – Unfälle, Berufskrankheiten undarbeitsbedingte Erkrankungen – auch die ganzheitliche Verbesse-rung des Gesundheitszustandes durch Zufriedenheit, Motivationund Wohlbefinden bei der Arbeit:

Betriebliche Gesundheitsförderung erschöpft sich manchmal ineinzelnen Maßnahmen von Verhaltensmodifikation (z.B. Stress-bewältigung, Ernährung, Bewegung usw., Kapitel 2.3) oder in zeitlichbefristeten Interventionen im Betrieb (z.B. zeitlich begrenzte Durch-führung von Gesundheitszirkeln).

In einigen Bereichen wirkt die betriebliche Gesundheitsförderungkonzeptionslos, da sich einige Betriebsvereinbarungen in Maßnah-men zur Verhaltensmodifikation erschöpfen. Zielformulierung istnicht einfach, da betriebliche Gesundheitsförderung nicht konkretaus einem Gesetz abzuleiten ist, sondern sich aus den Grundpflich-ten des Arbeitgebers aus § 3 des Arbeitsschutzgesetzes ergibt.

Hier ist besonders die Kreativität und Umsetzungskraft der be-trieblichen Interessenvertretung gefordert. Gute Beispiele aus derPraxis sind dazu in Kapitel 2 zu finden.

Auch gestaltet sich die Zusammenarbeit der unterschiedlichenAkteure, wie Krankenkassen, Träger der Gesetzlichen Unfallversi-

84 Offene Probleme

cherung und Betriebe mit innerbetrieblichen Beauftragten für Sicher-heit und Gesundheit, oftmals als schwierig – da immer noch neu,wenig geübt, unvertraut. Deshalb ist es hilfreich, die Aufgaben derKooperationspartner in einer Betriebsvereinbarung festzulegen unddarüber hinaus durch eine Geschäftsordnung inhaltliche und orga-nisatorische Regelungen zu treffen.

In den untersuchten Betriebs- und Dienstvereinbarungen sinddrei Zielgruppen zumindest nicht ausdrücklich angesprochen wor-den: die Lehrlinge, die Frauen und die ausländischen Arbeitneh-merInnen.

Darüber hinaus spielt »gesundheitsförderliche Führung« keineRolle, obwohl Führungskräfte immer wieder in ihrer Verantwortungim Sinne des Arbeitsschutzgesetzes angesprochen werden. Gesund-heitsförderliche Führung umfasst aber auchy eine wertschätzende, unterstützende Beziehungsarbeit mit ihren

MitarbeiterInnen undy unternehmerische Entscheidungen auf einer umfassenden Planungs-

grundlage, die den Ausbau arbeitsbezogener Gesundheitspoten-ziale und die vorausschauende Vermeidung gesundheitlicher Be-einträchtigung im Blick hat.

Die Regelungen des Datenschutzes bei Befragungen müssen inden Betrieben genau geregelt sein, da sich dadurch unterschiedlicheProblematiken ergeben können.

Beispielsweise kann die Auswertung einer Befragung bei einerGruppe von 100 oder auch 50 Beschäftigten nicht unbedingt befrie-digend sein, da konkrete Probleme durch eine hohe Beschäftigten-zahl nicht unbedingt konkret nachvollziehbar und damit Entlastun-gen bzw. Veränderungen kaum einführbar sind.

Auf der anderen Seite kann die Anonymität der Beschäftigten beieiner großen Gruppe besser gewahrt werden, dafür gibt es wenigergreifbare Ergebnisse und damit auch weniger Veränderungsmöglich-keiten. Ein ausgehandelter Kompromiss zwischen den Parteien,orientiert an der aktuellen betrieblichen Situation, ist hier wohl derbeste Weg.

Es erscheint sinnvoll, wenn die Daten der Gefährdungsbeurteilungmit anderen betrieblichen Daten verknüpft werden. Zu hinterfragenist, wenn die Gefährdungsbeurteilung allein in eine Abteilung desBetriebes, z.B. in die Abteilung Arbeitssicherheit delegiert wird. Ge-

Offene Probleme 85

fährdungsbeurteilung sollte gemeinsam von Fachkräften für Arbeits-sicherheit und Arbeitsmedizinern unter Beteiligung der Beschäftig-ten durchgeführt werden, wobei für die Beurteilung psychischerBelastungen die Einbeziehung von ArbeitspsychologInnen hilfreichsein kann.

Insgesamt ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Gesund-heitsförderung im Betrieb anzustreben. Einerseits sollte der gesetz-liche Arbeitsschutz miteinbezogen werden, wie auch die kontinuier-liche Entwicklung integrierter betrieblicher Strukturen und Prozesse,die die gesundheitsförderliche Arbeit, Organisation und Verhaltenam Arbeitsplatz zum Ziel haben.

86 Zusammenfassende Bewertung

5. ZusammenfassendeBewertung

Von den insgesamt 54 Betriebsvereinbarungen sind 11 dem BereichArbeitsschutz (Sicherheit und Gesundheit) nach dem Arbeitsschutz-gesetz 1996 zuzurechnen; der betrieblichen Gesundheitsförderung31 Betriebsvereinbarungen; dem Gesundheitsmanagement, dasden Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung umfasst,12 Betriebsvereinbarungen.

Die Betriebs- und Personalräte hatten in den vor 1996 abge-schlossenen Betriebsvereinbarungen Maßnahmen der betrieblichenGesundheitsförderung geregelt, die durch die Arbeitsschutzgesetz-gebung 1996 zum gesetzlichen Arbeitschutz zählen. Durch dieseNeuregelung haben sich die Anforderungen im Arbeitsschutz undin der betrieblichen Gesundheitsförderung verändert. Der neuereArbeitsschutz mit dem erweiterten Gesundheitsbegriff und seinemverpflichtenden Charakter ist eine gute Basis für die betriebliche Ge-sundheitsförderung.

Der »alte« Arbeitsschutz hat in Deutschland eine lange Tradition,der »neuere« Arbeitsschutz und die betriebliche Gesundheitsförde-rung brauchen sicherlich noch einige Zeit um sich umfassend in denBetrieben zu etablieren.

Der Unterschied zwischen alten und neueren Betriebsvereinbarun-gen besteht vor allem darin, dass die älteren (vor 1996) Betriebs- undDienstvereinbarungen vor allem den technischen Arbeitsschutz ge-regelt haben, die neueren hingegen stärker die betriebliche Gesund-heitsförderung. Letztere stellen damit den Menschen mehr in denMittelpunkt, im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanage-ments.

12 Betriebsvereinbarungen befassen sich mit umfassendem Ge-sundheitsmanagement. Einige betriebliche Vereinbarungen zielenoffenbar hauptsächlich auf die Kostensenkung durch Reduzierungvon Fehlzeiten ab. Ob mit einem solchen eingeschränkten Ansatz

Zusammenfassende Bewertung 87

tatsächlich Gesundheit gefördert oder auch nur das begrenzte Zielder Senkung der Fehlzeiten erreicht werden kann, mag bezweifeltwerden. Denn ohne die Ursachen für Fehlzeiten aufzudecken, wirdman nachhaltig keine Senkung der Fehlzeiten erreichen können.

Wichtig erscheinen den Betriebsräten in den Betriebsvereinbarun-gen immer wieder das Leitbild des Betriebes und die Integration vonSicherheit und Gesundheit, die Entwicklung von Plänen und Stra-tegien zur Gesundheitsförderung sowie die Festlegung von Zielen,Instrumenten, Ergebnissen und der Bewertung von Ergebnissen.

Einige Betriebsvereinbarungen erschöpfen sich in einzelnen Maß-nahmen zur Verhaltensmodifikation (z.B. Ernährung, Bewegung).Sind solche Betriebsvereinbarungen wirklich ausreichend für die Be-triebe? – Wissenschaftliche Untersuchungen der Rückenschmerzen(vgl. Lenhardt) haben gezeigt, dass reine Verhaltensprävention keinenachhaltige Wirkung hat, wenn sie nicht in umfassende Konzepteder Verhältnisprävention eingebunden ist.

Führungskräfte haben im Rahmen betrieblicher Gesundheitsför-derung eine hohe Verantwortung und vielfältige wichtige Aufgaben.Um diese wahrnehmen zu können, müssen die Führungskräfte indie Strukturen betrieblicher Gesunheitsförderung integriert und fürihre Aufgaben qualifiziert werden. Längst nicht in allen ausgewer-teten betrieblichen Vereinbarungen finden wir Regelungen zu diesenAspekten. Es gibt aber auch andere Beispiele.

Eine Betriebsvereinbarung geht sogar so weit, den Gesundheits-zustand der Beschäftigten in die Zielvereinbarung für Führungs-kräfte aufzunehmen und damit auch zu einem Bewertungskriteriumder Zielerfüllung der Führungsaufgabe zu machen.

Immer wieder werden in Betriebsvereinbarungen die Fehlzeiten inZusammenhang mit Gesundheitsförderung angeführt. Es erscheintwichtig hier zu unterscheiden, ob die Senkung der Fehlzeiten alsein mögliches Ergebnis von Verbesserungen am Arbeitsplatz, in derArbeitsorganisation etc., also von gesundheitsförderlichen Arbeits-bedingungen beschrieben wird oder als Ziel der Betriebsvereinba-rung. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass es auch Orien-tierungen gibt, die Fehlzeiten- und (Kranken-)Rückkehrgesprächedurch systematische Anerkennungsgespräche (vor allem) mit Ge-sundeten und Gesunden und Willkommensgespräche zu ersetzen.

Betriebliche Gesundheitsförderung braucht eine Wissensbasis.Welche Daten werden gebraucht? Welche können oder sollten zu-

88 Zusammenfassende Bewertung

sammengeführt werden? Wer sammelt die Daten? – Hierzu findenwir viele Hinweise in den untersuchten Betriebsvereinbarungen:

Die Zusammenführung von Daten besteht vor allem ausy MitarbeiterInnen-Befragungen,y Berichten von Kranken- und Unfallkassen,y Begehungsprotokollen, Berichten von ArbeitsmedizinerInnen, Ge-

fährdungsbeurteilungen (inklusive psychischer Belastungen),y Ergebnissen von Gesundheitszirkeln und Fokusgruppeny arbeitspsychologischen Feinanalysen und Untersuchungen – nach

entsprechender Einschulung – durch Sicherheitsbeauftragte

In diesem Sinne kommt es auch zu einer Vernetzung interner undexterner AkteurInnen für Sicherheit und Gesundheit.

Welche Strukturen und Rahmenbedingungen zur Umsetzung derbetrieblichen Gesundheitsförderung, welche Ressourcen werden ein-gesetzt und gepflegt? Hier finden sich vielfältige Möglichkeiten zuden Prozessen des Gesundheitsmanagements und zu den Struktu-ren, wie z.B. Arbeitskreis Gesundheit (AKG) bzw. Übertragung derAufgaben der betrieblichen Gesundheitsförderung auch an Arbeits-schutzausschuss (ASA), Gesundheitszirkel und Fokusgruppen zurUnterstützung der Tätigkeit des AKG/ASA.

Die AkteurInnen für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb undder Gesundheitsförderung sind kontinuierlich in einem Lernprozessintegriert, einerseits als ExpertInnen in eigener Sache, aber auchdurch konkrete Schulungen (z.B. bezüglich arbeitspsychologischerBeobachtungsverfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischerBelastungen oder auch für Rückenschulen).

Motivation und Befähigung der Beschäftigten, sich aktiv im Pro-zess der betrieblichen Gesundheitsförderung zu beteiligen, bedürfenebenfalls systematischer Weiterbildung und (nicht zuletzt) Unterwei-sungen in Sachen Gesundheit und Sicherheit.

Nur einige wenige Vereinbarungen widmen sich den besonderenBelastungen und gesundheitlichen Gefährdungen von bestimmtenBeschäftigungsgruppen z.B. Ausländern mit besonderem Augen-merk.

Zu fragen ist, ob es nicht auch notwendig ist, die besonderen Be-lastungen von Frauen ausdrücklich zu Thema und Ziel von Maßnah-men zu machen. Zweifel scheinen angebracht, ob die Subsumierungvon Älteren und Leistungsgewandelten in eine Gruppe den beson-

Zusammenfassende Bewertung 89

deren Problemen und Erfordernissen beider Teilgruppen gerechtwerden kann.

Alter und Leistungswandel haben nicht notwendigerweise etwasmiteinander zu tun. Der demografische Wandel, die zunehmendeAlterung der Belegschaften wird von den betrieblichen Parteien bisheute offenbar noch nicht als Gestaltungsbedarf betrieblicher Ge-sundheitsförderung wahrgenommen. Nur in einer Betriebsvereinba-rung wurden alter(n)sgerechte und gesundheitsförderliche Berufs-verläufe und -karrieren thematisiert.

Insgesamt zeigen die Betriebsvereinbarungen: BetriebsrätInnenund PersonalrätInnen sind kreativ und durchsetzungsfähig. Die ak-tuelle Gesetzeslage bietet eine gute Grundlage für betriebliche Ge-sundheitsförderung, aufbauend auf und ergänzend zum gesetzlichenArbeitsschutz. Und es gibt eine Reihe von guten Beispielen für um-fassende Regelungen von betrieblicher Gesundheitsförderung imRahmen eines Gesundheitsmanagements. Die Fragen von Sicherheitund Gesundheit sollten jedoch nicht nur Aufgabe einzelnen Be-triebsratsmitglieder sein, sondern jede/r Einzelne/r aus der betrieb-lichen Interessenvertretung sollte sich dieses Themas annehmen.Aufbauend auf dem betrieblichen Arbeitsschutz gilt es, bei aktiverBeteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen betrieblicheGesundheitsförderung kontinuierlich weiter zu entwickeln – vonder Ermittlung der Gefahren und Gefährdungen und ihrer Bekämp-fung und Reduzierung, bis hin zur Suche nach gesundheitsförder-lichen Potenzialen der Arbeit, ihrem Ausbau und ihrer Nutzung. Ak-tiver Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung bietenumfassende und vielfältige Möglichkeiten einer menschengerechtenGestaltung der Arbeitswelt.

90 Gestaltungs- und Beratungshinweise

6. Gestaltungs- undBeratungshinweise

Die Auswertung der Vereinbarungen zur betrieblichen Gesundheits-förderung ergibt zahlreiche Hinweise für die betriebliche Gestaltung,welche in folgendem Gestaltungsraster zusammengefasst sind. Die-ses bietet eine Übersicht über die unterschiedlichen Gesichtspunktebei der Planung, Organisation, Umsetzung und Ergebnis-Bewertungder betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. einzelner gesundheits-förderlicher Maßnahmen. Dieses Gestaltungsraster ist als Anregungfür eigene Überlegungen angelegt und nicht als ein geschlossenerGestaltungsvorschlag zu verstehen.

6.1 Gestaltungsraster

Präambel – gemeinsames Grundverständnis der betrieblichenGesundheitsförderung

In der Präambel wird ein gemeinsames Grundverständnis von Ge-sundheitsförderung beschrieben, das in den allgemeinen Zielen kon-kretisiert werden kann:

Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung

y Gesundheitsförderung wird als Prozess und Gesundheit als Wohl-befinden verstanden

y Beteiligung und Befähigung der MitarbeiterInneny Aussagen zu Produktivität und Nachhaltigkeit betrieblicher Ge-

sundheitsförderungy Mögliche Festlegung besonderer Zielgruppen der betrieblichen

Gesundheitsförderung

Gestaltungsraster 91

Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Verhältnis-prävention

Regelungen über Veränderungen der Arbeitsbedingungen (Verhält-nisprävention) und Beeinflussung des Verhaltens (von Stresspräven-tion bis Rückenschulen)

Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung

Daten für Taten

Betrieblicher Gesundheitsberichty Gesundheitsbericht der Krankenkassen, Verknüpfung mit anderen

Daten: MitarbeiterInnen-Befragungen, Begehungsprotokolle, Datender Arbeitsmedizi-nerInnen, Daten aus der Gefährdungsbeurteilung

y Jährlich einmal zu erstellen. Fasst alle im Berichtszeitraum durch-geführten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zusammen.

MitarbeiterInnenbefragungy Information der MitarbeiterInnen über die Ziele und Ergebnisse

der Befragung sowie über die entwickelten Maßnahmeny Schriftliche, anonyme Befragungen, Berücksichtigung des Daten-

schutzes durch Untergrenzen für die Auswertung (zu hohe Gren-zen verwässern das Ergebnis), Verwendung von geprüften Frage-bögen auch zum überbetrieblichen Vergleich

Psychische Belastungen – Schnittpunkt von Gefährdungsbeurteilungund betrieblicher Gesundheitsförderungy Insbesondere die Daten der Gefährdungsbeurteilung der psy-

chischen Belastungen sind eine wichtige Basis für gesundheitsför-derliche Maßnahmen

y Sinnvoll ist der Einsatz psychologischer Arbeitsanalyseverfah-ren: Fragebögen und Beobachtungsverfahren durch interne (z.B.entsprechend geschulte Sicherheitsbeauftragte) oder externe Ex-pertInnen

Kommunikation, Fehlzeiten- und Gesundheits-Gesprächey Anerkennungsgespräche mit Gesund(et)en: Statt Fehlzeiten- und

(Kranken-)Rückkehrgesprächen wird systematisch mit Gesun-d(et)en gesprochen

92 Gestaltungs- und Beratungshinweise

y Willkommensgespräche: Nach jeder Abwesenheit – Urlaub, Wei-terbildung, Krankheit, Karenz etc.

y Fehlzeiten-/Rückkehrgespräche: Verhinderung des Missbrauchsder Daten

Steuerung des Prozesses der betrieblichen Gesundheits-förderung

Arbeitskreis Gesundheit (AKG) und Koordinations-Teamy Arbeitskreis Gesundheit (AKG): Als freiwilliges Gremium der be-

trieblichen Gesundheitsförderung ähnlich zusammengesetzt wie derArbeitsschutz-Ausschuss (ASA). AKG und ASA können im Rah-men eines Gesundheits-Managements zusammengelegt werden.

y Das Gremium vereinbart eine Geschäftsordnung zur Regelung derinhaltlichen und organisatorischen Arbeit.

Detailanalysen und Vorschläge für Maßnahmen – Arbeits-gruppen im Betrieb

Ständige Arbeitsgruppen (Gesundheitsteams)

Zeitlich befristete Arbeitsgruppen (Gesundheitszirkel oder Fokus-gruppen)

Betriebliche Organisation

y Einbindung der betrieblichen Gesundheitsförderung zusammenmit dem Arbeitsschutz in ein Gesundheitsmanagement mit ent-sprechenden Gremien (Zusammenlegung von ASA und AKG)

y Akzeptanzbildung auf allen Hierarchieebeneny Einbeziehung aller Führungskräfte, MitarbeiterInnen und deren

Vertretungy Einbeziehung aller internen Gesundheits- und Sicherheits-ExpertIn-

neny Einbeziehung externer ExpertInnen und Institutionen (Unfall- und

Krankenkassen etc.)

Gestaltungsraster 93

Qualifizierung für Gesundheitsförderung

Innerbetriebliche Akteurey Sicherheitsbeauftragte, z.B. Ausbildungen für Feinanalysen (arbeits-

psychologische Beobachtungsverfahren) im Rahmen der Gefähr-dungsbeurteilung psychischer Belastungen)

Beschäftigtey Befähigung zu gesundem Verhalteny Zum Erkennen gesundheitsgefährdender

Führungskräftey Befähigung zu gesundheitsförderlicher Führung (soziale Kompe-

tenz, Personalführung)y Gesundheits- und Krankheitsfaktoren der Arbeit

Erfolgsbewertung der betrieblichen Gesundheitsförderung

Die Instrumente dery Datengewinnung, wie z.B. MitarbeiterInnenbefragungen, Gesund-

heitsberichte oder Instrumentey der Entwicklung von Maßnahmen, wie z.B. Gesundheitszirkel und

ständige Arbeitsgruppen eigenen sich nebeny betrieblichen Kennziffern, wie z.B. Qualitätsnormen, Fluktuation,

odery den Ergebnissen von MitarbeiterInnengesprächen zur Erfolgsbe-

wertung.

Beteiligungsrechte der betrieblichen Interessenvertretung

Informations- und Beratungsrechte gegenüber den innerbetrieb-lichen AkteurInnen für Sicherheit und Gesundheity Rechtzeitige Information über die Durchführung von Mitarbei-

terInnengesprächeny Regelmäßige Information über die Gesundheitssituation im Betrieb

Beteiligungsrechtey Beteiligung an Instrumenten der betrieblichen Gesundheitsförde-

rung z.B. an Gesundheitszirkeln und Gesundheitsförderungsmaß-nahmen

94 Gestaltungs- und Beratungshinweise

Mitbestimmungsrechtey Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiteny Sicherheit und Gesundheit

Überwachungsrechtey Einhaltung der Arbeitsschutzgesetzgebung und der entsprechen-

den Verordnungen

MitwirkungIn Koordinations- und Arbeitskreisen,y im Einvernehmen mit dem Betriebsrat wird über Umfang und In-

halte der Schulung für Sicherheitsbeauftragte im Gesundheitsteamentschieden – über die Person des Trainers eines Gesundheits-teams

y Abstimmung über die Ausstattung eines Gesundheits-Centersy Mitarbeit im Gesundheitszirkely Mitarbeit bei der Entwicklung betriebsbezogener Gesundheitsför-

derungsprogrammey Aktiv eingebunden in die Gesundheitsförderungsmaßnahmeny Animiert die Belegschaft zu gesundheitsgerechtem Verhalten und

zur aktiven Teilnahme am Gesundheitsförderungsprogrammy Wirkt auf das gesundheitsgerechte Verhalten ein und motiviert zur

Teilnahme am Förderungsprogramm

Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung

Abschließende Regelungen

Kündigungsmöglichkeiten und -fristen; Festlegung von Erprobungs-phasen mit abschließender Bewertung; Verpflichtung zum Abschlussweiterer Betriebsvereinbarungen; Beschränkung der Nachwirkungauf die Fälle der gesetzlich erzwingbaren Mitbestimmung; Salvatori-sche Klauseln.

Ausgangspunkte für die gestaltende Einflussnahme 95

6.2 Ausgangspunkte für die gestaltendeEinflussnahme durch die betrieblicheInteressenvertretung

Die Aufgaben und der gesetzliche Auftrag der betrieblichen Inte-ressenvertretung sind hauptsächlich im Betriebsverfassungsgesetzgeregelt. Neben der Kontrolle hat der Betriebsrat in den BereichenSicherheit und Gesundheit auch eine wichtige Gestaltungsfunktion.

Die betriebliche Interessenvertretung hat durch unterschiedlichgestaltete Beteiligungsrechte im Betriebsverfassungsgesetz vieleAnsatzpunkte und Handlungsmöglichkeiten, die sie für Ziele der be-trieblichen Gesundheitsförderung nutzen kann.

Beteiligungsrechte der betrieblichen Interessensvertretung

Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen

Nach §28a Nr.1 BetrVG kann der Betriebsrat mit mehr als 100 Arbeit-nehmern im Betrieb bestimmte Aufgaben auf Arbeitsgruppen (z.B.Arbeitsgruppe Betriebliche Gesundheitsförderung) übertragen. Grund-lage dafür ist eine entsprechende Rahmenvereinbarung die der Be-triebsrat mit dem Arbeitgeber abschließen muss.

Überwachungsrecht

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat über geltende Ge-setze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge undBetriebsvereinbarungen zu wachen: Wurde eine umfassende Ge-fährdungsbeurteilung physischer und psychischer Belastungen undGefährdungen durchgeführt? Wurde eine qualifizierte betriebsärzt-liche und sicherheitstechnische Betreuung nach dem Arbeitssicher-heitsgesetz vorgenommen worden?

Insgesamt haben der Betriebs- und Personalrat die Einhaltung desArbeitsschutzgesetzes zu überwachen (nach §80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG;§68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) und sich in Kooperation mit den inner-betrieblichen und außerbetrieblichen AkteurInnenen und ExpertIn-nen für Sicherheit und Gesundheit (s. Abb. 2) für seine Durchfüh-rung einzusetzen (vgl. § 89 BetrVG, §81 BPersVG, §§9, 10, 11 ASiG)

Ein besonderer Punkt bei dem Überwachungsrecht der betrieb-lichen Interessenvertretung ist die Mitwirkungspflicht (§§ 15 und 16ArbSchG) und das Mitwirkungsrecht (§ 17 ArbSchG) der Beschäf-

96 Gestaltungs- und Beratungshinweise

tigten im Betrieb. Der Betriebs- bzw. Personalrat muss überprüfen,ob die betrieblichen Voraussetzungen dafür vorhanden sind.

Zu den Mitwirkungspflichten der Beschäftigten gehört u.a., dassGefahren für Sicherheit und Gesundheit sowie Mängel im Betriebmitzuteilen sind, zur Unterstützung des Arbeitgebers und des Be-triebsarztes, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, besonders bei derErfüllung ihrer Aufgaben im Betrieb.

Die Mitwirkungsrechte der Beschäftigten beinhalten u.a. ein allge-meines Vorschlagsrecht zu allen Fragen der Sicherheit und des Ge-sundheitsschutzes.

Ausgehend vom Grundsatz der Verantwortung des Arbeitgebersfür den betrieblichen Arbeitsschutz stärken diese Regelungen dieEigenverantwortung und die rechtliche Handlungskompetenz derBeschäftigten.

Die Beteiligung und Aktivierung der Beschäftigten ist ein wich-tiges Element in der betrieblichen Gesundheitsförderung. Daher ha-ben die Rechte und Pflichten der Beschäftigten in der betrieblichenPraxis und auch für die betriebliche Interessensvertretung eine be-sondere Bedeutung.

Antragsrecht

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat die Aufgabe, Maß-nahmen (z.B. zur betrieblichen Gesundheitsförderung, Personalent-wicklungskonzepte, altersgerechte Programme der Aus- und Weiter-bildung usw.) beim Arbeitgeber zu beantragen.

Förderungsrecht

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 4, 5, 6, 7 und 9 BetrVG hat der Betriebsrat dieMöglichkeit unterschiedliche Zielgruppen zu fördern (z.B. Eingliede-rung schwerbehinderter Menschen, Belange jugendliche Arbeitneh-mer, Beschäftigung älterer und Integration ausländischer Arbeitneh-mer). Der Betriebsrat hat hier die Möglichkeit, auch unterschiedlicheZielgruppen durch verschiedene Maßnahmen der betrieblichen Ge-sundheitsförderung (z.B. Gesundheitszirkel) einzubinden.

Unterrichtungsrecht

Im Rahmen dieses Unterrichtungsrechts gem. § 80 Abs. 2 BetrVGbzw. § 68 Abs. 2 BPersVG sind die Unterlagen im Betrieb dem Be-triebs- bzw. Personalrat zur Durchführung der Gefährdungsbeurtei-

Ausgangspunkte für die gestaltende Einflussnahme 97

lung, der Dokumentation, von Maßnahmen usw. zur Verfügung zustellen. Dort, wo Regelungen dem Arbeitgeber Entscheidungsspiel-räume geben (z.B. § 5 ArbSchG), greift wieder die Mitbestimmungdes Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bzw. des Personalra-tes nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG.

Heranziehung von Sachverständigen

Nach §80 Abs. 3 BetrVG können Sachverständige hinzugezogen wer-den, die dem Betriebsrat die fehlenden fachlichen und rechtlichenKenntnisse vermitteln können. Die Modalitäten über die Tätigkeit desSachverständigen müssen mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.

Initiativrechte

Eine wichtige Einflussnahme hat die betriebliche Interessenvertre-tung bei den Regelungen in den Bereichen Sicherheit und Gesundheit,wo der Arbeitgeber bei der Ausfüllung der Vorschriften einen Ent-scheidungsspielraum hat. Diese Regelungen unterliegen der Mitbe-stimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und beziehen ein Initiativ-recht des Betriebsrates mit ein. Bei Nichteinigung kann durchSpruch einer Einigungsstelle nach § 76 BetrVG entschieden werden.

Der Betriebsrat hat durch das Mitbestimmungsrecht nach § 87BetrVG die Möglichkeit, umfassende Verbesserungen in den Berei-chen Sicherheit und Gesundheit durchzuführen (z.B. Unterweisungder Arbeitnehmer gemäß § 12 ArbSchG – Nutzung als Beteiligungs-instrument, Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG etc.)

Freiwillige Betriebsvereinbarungen

Nach § 88 Nr. 1 BetrVG können über die geltenden Arbeitsschutz-vorschriften hinausgehende Regelungen der betrieblichen Gesund-heitsförderung mit dem Arbeitgeber vereinbart werden.

Unterrichtungs- und Beratungsrecht

Nach § 90 Abs. 2 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, vorgese-hene Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmerrechtzeitig mit dem Betriebsrat zu beraten und ernsthaft eine fürbeide angemessene Lösung herbeizuführen.

98 Gestaltungs- und Beratungshinweise

Korrigierendes Mitbestimmungsrecht

Nach § 91 BetrVG kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmenzur Abwendung und Entlastung von Belastungen und Gefährdun-gen, die durch Veränderungen von Arbeitsplätzen, Arbeitsablaufoder Arbeitsumgebung entstanden sind, verlangen.

Wenn eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nichtzustande kommt, entscheidet die Einigungsstelle.

Betriebliche Gesundheitsförderung ist nicht konkret aus einemGesetz abzuleiten, sondern ergibt sich aus den Grundpflichten desArbeitgebers (§ 3 ArbSchG). Grundlage sind die Regelungen desArbSchG in §§ 1 und 3, die den Arbeitgeber verpflichten, konti-nuierlich Sicherheit und Gesundheitsschutz für die Beschäftigten imBetrieb zu verbessern und dies auch zu dokumentieren (§§ 5 und6 ArbSchG). Bei der Durchführung von Maßnahmen sind insbeson-dere Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowiegesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.Kenntnisse und Informationen über den neuesten Stand hat derArbeitgeber an den Betriebsrat bzw. Personalrat weiterzugeben, umeine bessere Sicherheit und einen besseren Gesundheitsschutz derBeschäftigten zu gewährleisten.

6.3 Wesentliche rechtliche Grundlagen

Die wesentlichste Grundlage ist die Verpflichtung des Arbeitgebers,erforderliche Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit im Betriebdurchzuführen und kontinuierlich zu verbessern. Er muss für einegeeignete Organisation sorgen und die erforderlichen Mittel bereitstellen (§ 3 ArbSchG).

Dafür ist es sinnvoll, auf bestehende Arbeitsschutzbestimmungenzurückzugreifen und die Organisation der betrieblichen Gesund-heitsförderung darauf aufzubauen.

In Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten hat der Arbeitgebernach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) einen Arbeitschutzaus-schuss zu bilden.

Wesentliche rechtliche Grundlagen 99

Abb. 2: Zusammensetzung des Arbeitsschutzausschusses nach § 11 ASiG

Betriebsräte, Schwerbehindertenvertrauensleute (§95 SGB IX), Sicher-heitsbeauftragte (§22 SGB VII) haben eine aktive Rolle im Arbeits-und Gesundheitsschutz. Sie sind daher zu beteiligeny bei Ermittlung und Beurteilung von Gefahren und Gefährdungeny der Festlegung von Maßnahmeny der Auswahl persönlicher Schutzausrüstung usw.

Der Aufgabenkatalog der Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeits-sicherheit hat sich durch die neue Arbeitsschutzgesetzgebung erwei-tert. Beide Experten haben eine beratende Funktion.

Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, bei Anliegen zu Un-fallverhütung sowie zu Sicherheit und Gesundheit zu beraten. Die-ser Ausschuss tritt mindestens viermal jährlich zusammen.

Insgesamt bietet der Arbeitsschutzausschuss mit den innerbetrieb-lichen Akteuren eine gute Grundlage, um Maßnahmen der betrieb-

100 Gestaltungs- und Beratungshinweise

Abb. 3: Sicherheit und Gesundheit als ständiger Prozess (IG Metall 2003, 32)

lichen Gesundheitsförderung als kontinuierlichen Prozess zu beglei-ten, mit dem Ziel, Gesundheit und Sicherheit im Rahmen der Arbeitzu verbessern.

Das Arbeitsschutzgesetz und die entsprechenden Verordnungen wiez.B. die Bildschirmarbeitsverordnung haben die rechtlichen Mög-lichkeiten der betrieblichen Interessenvertretung erheblich gestärkt.Gesetzlicher Auftrag der Arbeitgeber ist nicht mehr »Mängelbeseiti-gung« sondern Prävention aller arbeitsbedingten Gesundheitsrisikenund die Herstellung von menschengerechten Arbeitsbedingungen.

Die betriebliche Interessenvertretung braucht als Handlungs-grundlage eine Handlungsverpflichtung (wie z.B. bei der Gefähr-dungsbeurteilung) auf einer betrieblichen Ebene, die einen Rege-

Wesentliche rechtliche Grundlagen 101

lungsspielraum ermöglicht (z.B.: Nach welcher Methode wird dieGefährdungsbeurteilung durchgeführt? Wer führt sie durch?).

Durch die neuste Rechtsprechung (BAG Beschluss vom 15.1. 2002 –1 ABR 1301, s. Arbeitsrecht im Betrieb 2/2003, S. 110 ff.) können Maß-nahmen nicht durch bloßen Hinweis auf die Gesetze erzwungen wer-den, sondern es bedarf der konkreten Nennung einer gewünschtenbetrieblichen Ausgestaltung. Um diese sachgerechten Regelungsvor-schläge ausfüllen zu können, wird sich entsprechend der Schulungs-anspruch der Betriebsräte nach §37 Abs. 6 BetrVG erweitern.

Zu den innerbetrieblichen Akteuren können außerdem vier außer-betriebliche Instanzen zur Unterstützung in den Prozess der betrieb-lichen Gesundheitsförderung miteinbezogen werden, a) die Kranken-kasse, b) die Berufsgenossenschaften, c) das Amt für Arbeitsschutz,d) die Gewerkschaften.

Abb. 4: Außerbetriebliche Instanzen

Die Krankenkassen konnten schon auf der Grundlage von §20 SGBV 1988 bei der Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahrenmitwirken und mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherungzusammenarbeiten. Durch das Beitragsentlastungsgesetz (1996)wurden diese Möglichkeiten eingeschränkt. Jedoch durch die Ver-änderung des Sozialgesetzbuches V (SGB V) im Zusammenhang mitder Gesundheitsreform 2000 wurde der Handlungsrahmen für dieKrankenkassen wieder erweitert und ihnen die Möglichkeit einge-räumt, »den Arbeitsschutz ergänzende Maßnahmen der betrieblichen Gesund-heitsförderung« durchzuführen (Kothe 2001, 58).

Damit haben sich wieder Möglichkeiten für Maßnahmen zur ver-haltensbezogenen Prävention eröffnet, wie z.B. Rückenschule, aberauch Gesundheitszirkel, die sich mit den Verhältnissen des Betrie-bes, z.B. mit Lärm, beschäftigen (Kothe 2001, 58).

StaatlicheArbeitsschutz-

ämter/Gewerbe-aufsicht

Unfallversiche-rungsträger –

Berufsgenossen-schaften, Unfall-versicherungendes öffentlichen

Dienstes

Krankenkassen Gewerkschaften

Außerbetriebliche Instanzen

102 Gestaltungs- und Beratungshinweise

Die betriebliche Gesundheitsförderung beinhaltet verhaltens- alsauch verhältnisorientierte Maßnahmen. Die Risikoreduktion wirdmit dem Ausbau von Schutzfaktoren und Gesundheitspotenzialenverbunden.

Auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherungen kooperie-ren im Sinne ihres erweiterten Präventionsauftrags zur Verhütungarbeitsbedingter Gesundheitsgefahren aufgrund des § 14 SGB VIIauf dem Gebiet der betrieblichen Gesundheitsförderung mit denKrankenkassen und den für den Arbeitsschutz zuständigen Landes-behörden zusammen.

Die staatlichen Arbeitsschutzbehörden haben die Aufgabe, dieDurchführung der Arbeitsschutzbestimmungen in den Betrieben zukontrollieren und den Arbeitgeber bei der Umsetzung von Maßnah-men für Sicherheit und Gesundheit zu beraten.

Die Einzelgewerkschaften und der DGB begleiten Betriebe beiProjekten zur betrieblichen Gesundheitsförderung und stehen Ar-beitnehmerInnen und betrieblichen Interessenvertretungen mit In-formationen (Info-Material) und Beratungen zur Verfügung.

Insgesamt bieten die rechtlichen Grundlagen der innerbetrieb-lichen Akteure und der außerbetrieblichen Instanzen gute Möglich-keiten, mit allen Beteiligten im Betrieb und außerhalb des BetriebesMaßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu entwickelnund durchzuführen.

Bestand der Betriebsvereinbarungen 103

7. Bestand derBetriebsvereinbarungen

Der vorliegenden Auswertung lagen insgesamt 54 betriebliche Rege-lungen zu Grunde, die von den Betriebsparteien unterschrieben unddamit rechtskräftig wurden. Tabelle 3 gibt einen Überblick über dieArt der Vereinbarungen.

Tab. 3: Art der Vereinbarung

Tabelle 4 gibt die Branchenstruktur wieder, aus denen die Vereinba-rungen stammen. An erster Stelle stehen Betriebe aus der Brancheder Privatwirtschaftlichen Dienstleistungen. Die Telekommunikationund die Öffentliche Verwaltung weisen hier den höchsten Anteil anVereinbarungen auf. An zweiter Stelle sind Betriebe aus der Indus-trie und dem verarbeitenden Gewerbe zu finden. Die Chemische In-dustrie sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung führen hier dieListe an.

Vereinbarungsart Anzahl absolut

Betriebsvereinbarung 25

Gesamtbetriebsvereinbarung 4

Regelungsabrede 4

Rahmengesamtbetriebsvereinbarung 4

Dienstvereinbarung 7

Konzernbetriebsvereinbarungen 3

Rahmenbetriebsvereinbarungen 2

Richtlinien 3

Gesamtdienstvereinbarung 2

Gesamt 54

104 Bestand der Betriebsvereinbarungen

Tab. 4: Branchenherkunft der Vereinbarungen

Branche Anzahl

Industrie und verarbeitendes Gewerbe:

Chemische Industrie 5

Metallerzeugung und -bearbeitung 5

Fahrzeughersteller sonstiger Fahrzeuge 3

Landverkehr 3

Fahrzeughersteller Kraftwagen 1

Verlags- und Druckgewerbe 1

Informationstechnikhersteller 1

Möbel-, Schmuck-, Instrumenten-, Sport- u.Spielwarenhersteller

1

Gesamt 20

Privatwirtschaftliche Dienstleistungen:

Telekommunikationsdienstleister 8

Großhandel (ohne Kfz) 2

Energiedienstleister 1

Kreditgewerbe 1

Datenverarbeitung u. Softwareentwicklung 1

Unternehmensbezogene Dienstleistungen 1

Gesamt 14

Öffentlicher Bereich und Verbände:

Öffentliche Verwaltung 8

Kultur, Sport und Unterhaltung 1

Gesundheit und Soziales 5

Bildungseinrichtung 2

Gesamt 16

Unbekannt:

Branche unbekannt 4

Gesamt 4

Gesamt 54

Bestand der Betriebsvereinbarungen 105

Tabelle 5 zeigt, dass 32 Vereinbarungen nach 1996 abgeschlossenwurden. Dies ist besonders interessant, da die Arbeitsschutzgesetz-gebung in Deutschland in diesem Jahr geändert wurde und damitanscheinend eine gute Grundlage für die betriebliche Gesundheits-förderung bildet.

Tab 5: Zeitpunkt des Abschlusses:

In Tabelle 6 wird aufgezeigt, wie sich die Bereiche Arbeitsschutz (A),betriebliche Gesundheitsförderung (B) und betriebliches Gesund-heitsmanagement (G) auf die einzelnen Jahre aufteilen. Berücksich-tigt wurde hierbei der Abschlusszeitraum (vor bzw. ab 1996) der Be-triebsvereinbarungen.

Abschlussjahr Anzahl

2003 1

2002 2

2001 4

2000 3

1999 8

1998 7

1997 7

1996 6

1995 2

1994 4

1983 3

unbekannt 7

Gesamt: 54

106 Bestand der Betriebsvereinbarungen

Tab. 6: Abschlussjahr und Bereich der Vereinbarungen

Die folgenden Grafiken verdeutlichen die Verteilung der Vereinba-rungen auf die einzelnen Bereiche.

Abb. 5: Betriebsvereinbarungen in den Bereichen vor 1996.

Arbeitsschutz (A)betriebliche Gesundheitsförderung (B)betriebliches Gesundheitsmanagement (G)

Anzahl

vor 1996

A 2B 5G 2Gesamt: 9

ab 1996

A 4B 26G 8Gesamt: 38

Unbekannt:

A 2B 3G 2Gesamt: 7

Gesamt: 54

Bestand der Betriebsvereinbarungen 107

Abb. 6: Betriebsvereinbarungen in den Bereichen ab 1996.

108 Glossar

Glossar

AIDA-Studie Die deutsche AIDA-Studie hat im Längsschnitterhoben, dass durch die Erhöhung von psy-chischen Anforderungen Gesundheit gefördertund durch die gleichzeitige Verminderung psy-chischer Belastungen Krankheitsbeschwerdenverringert werden können.

Arbeitsfähigkeit Die psychische und körperliche Fähigkeit, Ar-beitsaufgaben ohne gesundheitliche Schädigun-gen bewältigen zu können. Die Arbeitsfähigkeitkann mit dem Arbeitsbewältigungs-Index ge-messen werden

Arbeits- Krankheitsbedingte Abwesenheit von der Arbeitunfähigkeit (AU) BefähigungEmpowerment Empowerement bezeichnet alle Prozesse die

Menschen zum Erkennen gesundheitlicher Ge-fährdungen, gesundheitlicher Ressourcen undzur Durchsetzung ihrer Gesundheitsinteressenbefähigen.

Europäisches Seit 1996 existiert das Europäische NetzwerkNetzwerk für für betriebliche Gesundheitsförderung. An dieserbetriebliche Initiative beteiligen sich Institutionen aus allenGesundheits- Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaftförderung und die drei Länder des Europäischen Wirt-

schaftsraumes – Norwegen, Liechtenstein undIsland.Grundlage der Arbeit dieses Netzwerkes istdas Gemeinschaftsprogramm der EuropäischenUnion zur Gesundheitsförderung, -aufklärungund -erziehung. Seine Aktivitäten werden vonder Europäischen Kommission (DG V) geför-

Glossar 109

dert. Die Mitglieder sind größtenteils staatlicheInstitutionen des Arbeitsschutzes und des Öf-fentlichen Gesundheitsdienstes.

FBL-K Freiburger BeschwerdelisteIn der Kurzfassung, wie sie in der AIDA-Studieeingesetzt wurde, dient sie der Erfassung vongesundheitlichen Beschwerden

Fehlzeiten hier: krankheitsbedingte Abwesenheit, nicht Ur-laub, Feiertage, Weiterbildung o.Ä.

Fehlzeiten- Gespräche von Führungskräften unterschiedlichergespräch Hierarchie, meist in vier Stufen, die bis zur Kün-

digung führen könnenFokusgruppen Gruppe von Beschäftigten einer Hierarchiestufe –

sonst wie GesundheitszirkelGefährdungs- Gesetzlich vorgeschriebene Beurteilung der Ar-beurteilung beitsbedingungen (Arbeitschutzgesetz) hinsicht-

lich der körperlichen und psychischen Gesund-heitsrisiken und der Unfallrisiken

Gesundheits- Berichte der Kassen, in denen das Krankheitsge-bericht schehen nach Abteilungen und/oder Tätigkeiten

ausgewertet wird, also eher ein KrankheitsberichtGesundheits- In unserem Verständnis die Integration des ge-management setzlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes und

der betrieblichen Gesundheitsförderung sowie dieVerankerung im Management auf allen Ebenen

Gesundheitsteams Gremium von Sicherheitsbeauftragten zur Kon-kretisierung von Aufgaben

Gesundheitszirkel Gruppe von Beschäftigten, Hierarchie übergrei-fend. Ermitteln die Arbeitsbelastungen, schlagenMöglichkeiten der Entlastung und Verringerungvor.

Koordinations- Koordination mehrerer Arbeitskreise Gesund-kreis Gesundheit heitKrankheitsbe- im Gegensatz zu: durch Urlaub bedingte Fehl-dingte Fehlzeiten zeitenLohnfortzahlung Lohnersatzleistung des Arbeitgebers gemäß Ent-

geltfortzahlungsgesetzMotivation Beweggrund, AntriebPartizipation Beteiligung

110 Glossar

Pathogenese Entstehung von KrankheitResponsible Care Bei Responsible Care handelt es sich um eine

weltweite, freiwillige Initiative der chemischenIndustrie, die sich zum Zweck einer Verbesse-rung der Gesundheits-, Sicherheits- und Um-weltsituation strenge Selbstkontrollen auferlegthat. Chemische Betriebe, die diese Auflagen er-füllen, werden mit dem auf drei Jahre limitiertenZertifikat »Responsible Care« ausgezeichnet.

Salutogenese Entstehung von GesundheitSalvatorische Die Salvatorische Klausel ist ein der Rechts-Klausel geschichte entlehnter Begriff; er besagt, dass ge-

wisse Rechtssätze eines Gesetzeswerks nur gel-ten, sofern nicht andere Normen bestehen, dievor ihnen den Vorrang haben.

Shareholder-value Wertvorstellung der Aktienbesitzer: Ziel wirt-schaftlichen Handelns ist (nur) die Erhöhung desWertes der Aktien

Toolbox (engl.) WerkzeugkastenVerhältnis- Vorbeugende Maßnahmen im Bereich Sicher-prävention heit und Gesundheit setzen bei der Gestaltung

der Arbeitsbedingungen an (z.B. Veränderungder Arbeitsorganisation)

Verhaltens- Vorbeugende Maßnahmen im Bereich Sicher-prävention heit und Gesundheit setzten beim Einzelnen an

(z.B. Rückenschule)

Literatur 111

Literatur

Badura, Bernhard/Ritter, Wolfgang/Scherf, Michael: BetrieblichesGesundheitsmanagement – ein Leitfaden für die Praxis, EditionSigma, Berlin 1999.

Bamberg, E./Ducki, A./Metz, A.-M.: Handbuch betrieblicher Ge-sundheitsförderung. Arbeits- und organisationspsychologischeMethoden und Konzepte, Verlag für angewandte Psychologie,Göttingen 1998

Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin: Volkswirtschaft-liche Kosten durch Arbeitsunfähigkeit 2001, www.baua.de/info/statistik/stat_2001/kosten2001.pdf

IG Metall: Gesünder @rbeiten, Arbeitshilfe 14, Frankfurt 2003.Kohte, Wolfhard: Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförde-

rung. Effektive betriebliche Gesundheitsförderung. Konzepteund methodische Ansätze zur Evaluation und Qualitätssiche-rung, Juventa Verlag, Weinheim/München 2001.

Kuhn, Joseph: Unerledigte Aufgaben in der betrieblichen Gesund-heitsförderung. Arbeit & Ökologie, Briefe, Februar 2002, S. 21–27.

Kittner, Michael/Pieper, Ralf: Arbeitsschutzrecht, Bund Verlag,Frankfurt am Main 2002.

Kuhn, Karl/Beermann, Beate/Henke, Natalie: Gesunde Mitarbei-terInnen in gesunden Unternehmen. Das Europäische Netzwerkbetrieblicher Gesundheitsförderung, Bundesanstalt für Arbeits-schutz und Arbeitsmedizin, Dortmund 2001.

Nitsche, Detlev: Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmendes gesetzlichen Arbeitsschutzes – Zulässigkeit von Feststel-lungsanträgen, Arbeitsrecht im Betrieb 3/2003, S. 110–114.

Priester, Klaus: Betriebliche Gesundheitsförderung. Voraussetzun-gen – Konzepte – Erfahrungen, Mabuse Verlag Wissenschaft,Frankfurt am Main 1998

112 Literatur

Ergänzende Literatur

Giesert, Marianne/Tempel, Jürgen: Gesunde Unternehmen – ar-beitsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Hans BöcklerStiftung, Düsseldorf 2001.

Kuhn, Joseph: Die betriebliche Gesundheitsförderung am Scheide-weg: zur Dialektik einer Erfolgsgeschichte, Prävention, 2000,S. 95–96.

Lenhardt, Uwe/Elkeles, Rosenbrock/Thomas, Rolf: BetriebsproblemRückenschmerz. Eine gesundheitswissenschaftliche Bestands-aufnahme zu Verursachung, Verbreitung und Verhütung, Ju-venta Verlag, Weinheim/München 1997.

113

Das Archiv BetrieblicheVereinbarungen derHans-Böckler-Stiftung

Die Hans-Böckler-Stiftung verfügt über das einzige bedeutsameArchiv in Deutschland mit betrieblichen Vereinbarungen, die zwi-schen Unternehmensleitungen und Belegschaftsvertretungen ab-geschlossen wurden. Derzeit (Mai 2003) enthält das Archiv etwa6500 Vereinbarungen aus ausgewählten betrieblichen Gestaltungs-feldern. Diese breite Materialgrundlage ermöglicht Aussagen zuTrends betrieblicher Gestaltungspolitik und zu industriellen Bezie-hungen in deutschen Betrieben.

Regelmäßig wertet der Arbeitsbereich betriebliche Vereinbarun-gen in einzelnen Gebieten aus. Dies geschieht anhand folgenderLeitfragen: Wie sind die wichtigsten Punkte in einem Gestaltungs-feld geregelt? Wie ändern sich Prozeduren und Instrumente der Mit-bestimmung? Welche Anregungen geben die Vereinbarungen fürdie Praxis? Existieren ungelöste Probleme? Originalzitate vermittelneinen anschaulichen Eindruck zu den Regelungen und geben Hin-weise für eigene Vorgehensweisen oder Formulierungen. Die Aus-wertungen werden in Form von Bänden wie dem vorliegenden undin Kurzform über das Internet der Hans-Böckler-Stiftung veröffent-licht.

Neben den Auswertungsbänden werden vielfältige Auszüge ausden Vereinbarungen zusammengestellt und auf CD-ROM und imInternet-Angebot der Hans-Böckler-Stiftung angeboten. Damit er-halten Praktiker Vorschläge zu konkreten Gestaltungsalternativen.

Bei Auswertungen und Zitaten aus Vereinbarungen wird aufstrenge Anonymität geachtet. Die Code-Nummer am Ende einesZitats bezeichnet den Standort der Vereinbarung in unserem Archivund stellt so eine interne authentische Quellenangabe dar, ohne denNamen oder Einzelheiten des Betriebs preiszugeben. Zum Text derVereinbarungen haben nur die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen desProjektes Zugang.

114 Das Archiv Betriebliche Vereinbarungen der Hans-Böckler-Stiftung

Das Internet-Angebot des Archivs betrieblicher Vereinbarungenist unmittelbar zu erreichen unter: www.betriebsvereinbarung.de

Informationsanfragen und Rückmeldungen können per Emailadressiert werden an [email protected]. Tele-fonisch ist die Projektmitarbeiterin Henriette Pohler unter folgenderNummer erreichbar: 0211-7778-167.

Stichwortverzeichnis 115

AAkteure 58, 83Alterung der Belegschaften 89Altes Arbeitsschutzrecht 13Anerkennungsgespräche 45, 46,

91Arbeitsbedingte Erkrankungen

13Arbeitschutzausschuss 98Arbeitsgruppe Gesundheits-

förderung 49, 50Arbeitskreis Gesundheit 49, 50,

92Arbeitspsychologische

Verfahren 43– Beobachtungsverfahren 43– Fragebogenerhebung 43Arbeitsschutz 13, 86Arbeitsschutzausschuss 49, 51Außerbetriebliche Instanzen 101– DGB 102– Einzelgewerkschaften 102– Krankenkassen 101– staatliche Arbeitsschutz-

behörden 102– Träger der gesetzlichen

Unfallversicherungen 102BBefähigung 19Belegschaftsbefragung 38Beratungsrecht 93, 97

Beschwerderecht 77, 80Beteiligung 19, 52, 74– der Beschäftigten 74, 76– des Betriebsrates 52– Selbstverantwortung 79Beteiligungsrecht 93Betriebliche Gesundheits-

förderung 14Betriebsvereinbarungen 97Beurteilung 40Bewegungskurzpausen 31DDatenschutz 84Dokumentation 66EErfahrungswissen 78Erfolgsbewertung 65, 93Europäisches Netzwerk für

betriebliche Gesundheits-förderung 14

FFührungskräfte 63, 87GGefährdungsbeurteilung 39, 84– psychischer Belastungen 44,

66, 91Geschäftsordnung 73, 92Gestaltungsraster 90Gesundes Arbeitsverhalten 31Gesundheit 11, 13

Stichwortverzeichnis

116 Stichwortverzeichnis

Gesundheitsangebote 29– betriebliches Gesundheits-

center 30Gesundheitsentwicklung 68Gesundheitsförderliche Arbeits-

anforderungen 41, 42Gesundheitsförderliche Führung

69, 84Gesundheitsgespräche 45Gesundheitsmanagement 60, 92Grundpflichten des Arbeit-

gebers 98IInstrumente 34, 58, 91– betrieblicher Gesundheits-

bericht 35, 91– MitarbeiterInnenbefragung 37,

91KKooperationspartner 84Koordinationskreis Gesundheit

49, 52Koordinations-Team 49, 92MMitbestimmungsrechte 72, 94,

97, 98Mitwirkung 94Mitwirkungspflichten der

Beschäftigten 76Mitwirkungsrechte der

Beschäftigten 75NNachhaltigkeit 20Neues Arbeitsschutzrecht 13Ottawa-Charta der Welt-

gesundheits-Organisation 11PPotenziale 42Präambel 16, 90

Produktivität 20Prozessabläufe 68– Datenerhebung 68– Durchführung 68– Entwickeln von Maßnahmen

68– Wirksamkeitskontrolle und

Bewertung 68Psychische Belastungen 38, 91Psychosoziale Faktoren 42QQualifizierung 62, 93– Beschäftigte 93– Führungskräfte 93– innerbetriebliche Akteure 93RRegulationshindernisse 41Ressourcen 42Rückkehrgespräche 45, 47, 92SSenkung der Fehlzeiten 22Settings 62Sicherheitsbeauftragte 43, 53, 54,

62, 93Ständige Arbeitsgruppen 53, 70,

92– Gesundheitsteams 53Steuerungsgremium zur

Gesundheitsförderung 49, 51Suchtprävention 32– Alkohol- und Medikamenten-

sucht 32– Rauchen/Nikotinmissbrauch

32Tarifpolitik 80– Manteltarifvertrag für die

Druckindustrie 81– Sozialtarifvertrag der

Deutschen Telekom AG 80

Stichwortverzeichnis 117

– Tarifvertrag Deutsche Post 80– Tarifvertrag Seehafenbetriebe

80UÜberprüfung der Wirksamkeit 66Überwachungsrechte 94, 95Unterstützungspflicht 76Unterweisung 75VVerantwortung 84, 87Verhaltensmodifikation 83Verhaltensprävention 27, 29, 69,

87, 91Verhältnisprävention 27, 69, 87, 91Verwertungsverbot 48Vorgesetzte 64W

Willkommensgespräche 45, 46,92

Wirksamkeitskontrolle 68ZZeitlich befristete Arbeits-

gruppen 55, 70, 92– Fokusgruppen 57– Gesundheitszirkel 55Ziele 18, 59, 90– Prozess 18Zielgruppen 24– ältere Menschen 24– behinderte Menschen 24– neue MitarbeiterInnen 26– SchichtarbeiterInnen 26Zielvereinbarung 87