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1 Musik-Kognition Wolfgang Bösche

1 Musik-Kognition Wolfgang Bösche. 2 Übersicht Sinusschwingungen, gespannte Drahtsaiten mit Resonanzkörper und Obertöne Abendländisches Tonsystem (diatonisch)

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Musik-Kognition

Wolfgang Bösche

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Übersicht• Sinusschwingungen, gespannte Drahtsaiten mit

Resonanzkörper und Obertöne

• Abendländisches Tonsystem (diatonisch)

• Funktionsanalyse einiger Musikstücke

• Tonhierarchie im diatonischen Kontext (Krumhansl & Shepard, 1979; Shepard 2004)

• Zusammenfassung

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Sinusschwingungen

Luftdruckschwankung bei Frequenzen von ca. 16-18.000 Hertzals Ton wahrnehmbar.

Beispiel: 400 Hz Sinus

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Natürliche SchwingungenStimmgabel (440 Hz):

Stimmgabel kaputt?

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Natürliche Schwingungen

Man spanne einen Draht auf einen Resonanzkörper (oder nehme sich eine Gitarre) und schlage die Seite an...

Akustische Gitarre (E-Saite, 82 Hz):

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Obertöne

Natürliche Schwingungen enthalten anteilig sogenannteObertöne, Teiltöne, Harmonische.Diese sind ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz.Oftmals werden sie gar nicht als eigene Töne wahrgenommen.

Beispiele (gleiche Amplituden)

400 Hz-Sinuston

400 Hz + 800 Hz

400 Hz + 800 Hz + 1200 Hz

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Obertöne

Wie viele Sinusschwingungen hören Sie?

400 Hz + 500 Hz + 600 Hz

Direkt erzeugt werden können die Obertöne z.B. bei:Gitarre (Flageolets, durch Fingerauflegen auf die Saite)Blechblasinstrumenten (Naturtöne, durch Lippendruck)

Erfahrbar auch beim Klavier unter Druck des rechten Pedals, welches die Saitendampfung aufhebt.

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Klangformung bei MusikinstrumentenMerke: Das konkrete Amplitudengemisch der Obertöne bestimmt

erheblich den „Sound“ eines Instrumentes.

Bei einem guten Instrument klingt jede Tonhöhe anders, der Resonanzkörper dämpft und verstärkt verschiedene Frequenzen anders. Das selbe Lied auf einem Grundton von 440 Hertz sollte bei einem Grundton von 430 Hertz anders klingen.(Anwendungsbeispiele: Manche Orchester weichen von der weit verbreiteten Definition eines a mit 440 Hz absichtlich nach ab; Heavy-Metal Gitaristen stimmen die E-Saite ihrer Gitarre auf Es, dies klingt „fetter“ bzw. „härter“ [siehe Hörbeispiel])

Synthetische Klangerzeuger klingen, wenn nicht hinreichend ein Resonanzkörper simuliert wird, uninteressant und tot. Alle Töne sind gleich, nichts Neues ist zu hören.

Was haben jetzt Obertöne (außer ihrer klangformenden Funktion) mit Musik zu tun?

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Diatonisches System(grob:)Man bestimmte einen Grundton, und definiere die sonstigen erlaubten Töne und Intervalle aus den Obertönen und den Obertönen der Obertöne.

z.B. Obertonreihe von „C“

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Diatonisches System

Dadurch im Frequenzverhältnis definierte Intervalle:

Oktave (1:2)Quinte (2:3)Quarte (3:4)große Terz (4:5)kleine Terz (5:6)

Erinnerung:400+500+600 Hz sind diatonisch „erlaubt“und ergeben den Dur-Dreiklang.

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Pythagoräisches Komma

Es passt alles fast perfekt zusammen:7 Oktaven aufeinander sind das Frequenzverhältnis 1^7 zu 2^7=1 zu 12812 Quinten aufeinander ergeben Frequ.-Verh. 3^12 zu 2^12=1 zu 129.75

1. LösungEs sind nur Töne und Akkorde möglich, die nicht allzu weit(Weite durch die Obertonreihe definiert) vom Grundton harmonisch entfernt sind. Nachteil: es können nicht alle Tonarten gespielt werden.

2. LösungVerteilen des Fehlers an bestimmte Stellen, die dann vermieden werden.(„Stimmung“ des Instrumentes)

Heute übliche Lösung: Wohltemperierte Stimmung, Gleichverteilung desFehlers an jede Stelle. Ein kleine Sekunde (Halbton) ist das Frequenz-Verhältnis 1 zur zwölften Wurzel aus 2 Einziges reines Intervall: Oktave.

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Reine und wohltemperierte StimmungReiner Akkord: 400 Hz + 500 Hz + 600 Hz(klingt ähnlich einem einzigen Ton)

Wohltemperierter Akkord: 400 Hz + 503.97 Hz + 599.32Hz(Schwebung hörbar)

(Bei wohltemperierter Stimmung) schließt sich der „Obertonkreis“perfekt zum Quintenzirkel (logisch wäre auch ein Quartenzirkel möglich [Spiegelung]):

12 aufeinandergesetzte Quinten ergebenwieder den Grundton. Distanz auf dem Kreis bestimmen nahe bzw. verwandte Tonarten (Kadenz C,F,G,C). Gegenüberliegende bzw. maximal entfernte Töne sind das Intervall „Tritonus“, und nach klassicher Harmonielehre zu vermeiden.

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Funktionsanalyseeiniger (hoffentlich bekannter)

Musikausschnitte aus Rockmusik-Stücken

(ohne Gewähr!)

Welche Distanzen im Quintenzirkel werden verwendet?

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KraftwerkDas Modell

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Uriah HeepLady in Black

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Jimi HendrixWild Thing

(Gitarre einen Halbton tiefer gestimmt??)

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Beasty BoysNo Sleep Till Brooklyn

(Gitarre einen Halbton tiefer gestimmt)

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SteppenwolfBorn to be Wild

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Diana RossUpside Down

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Rage against the machineKilling in the Name

(Refrain)

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Status QuoPictures of Matchstick Man

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Jimi Hendrix Hey Joe

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Tonhierarchie im diatonischen Dur-Kontext(Krumhansl & Shepard, 1979)

Fragestellung: Welcher Ton bzw. welche Frequenz wird als guteKomplettierung einer Dur-Tonreihe angesehen? (Musikalischer Kontext!)

Methode: Passungsurteil (1-7) in auf- und absteigendem Dur-Kontext

Absteigender Kontext

Aufsteigender Kontext

Bereich möglicher Prüftöne, die beurteilt werden sollen(in Exp. 1 mit Halbtonschritten, in Exp. 2 mit Vierteltonschritten)

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Alle möglichen Tonfolgen in zufälliger Reihenfolge dargeboten.

0.75 Sekunden pro Ton Darbietungszeit.

„Farfisa“-Synthesizer [wohltemperierte Stimmung] in der Einstellung „flute stop“als beste verfügbare Approximation an einen reinen Sinuston (Zur Vermeidung direkter Passungshinweise aufgrund möglicher Oberwellen)

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Hörbeispiele mit Halbtönen

Absteigender Kontext

Aufsteigender Kontext

Halbtondistanz zu„Schlüsselloch-C“ 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

ABSTEi00.MID Abstei01.mid Abstei03.mid

Aufste03.mid Aufste04.midAufste04.mid

Aufste06.mid Aufste07.mid Aufste08.mid Aufste09.midAufste10.mid

Aufste11.midAufste12.mid

Abstei03.mid Abstei04.midAbstei05.mid Abstei06.mid

Abstei07.mid Abstei08.mid Abstei09.midAbstei10.mid

Abstei11.midAbstei12.mid

Aufste00.mid Aufste01.mid Aufste02.mid

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Absteigender Kontext

Aufsteigender Kontext

Halbtondistanz zu„Schlüsselloch-C“ 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

ABSTEi00.MID Abstei01.mid Abstei03.mid

Aufste03.mid Aufste04.midAufste04.mid

Aufste06.mid Aufste07.mid Aufste08.mid Aufste09.midAufste10.mid

Aufste11.midAufste12.mid

Abstei03.mid Abstei04.midAbstei05.mid Abstei06.mid

Abstei07.mid Abstei08.mid Abstei09.midAbstei10.mid

Abstei11.midAbstei12.mid

Aufste00.mid Aufste01.mid Aufste02.mid

Passungshypothese 1: Frequenzdistanz zum nächsten C

Vorhergesagte Passung

Vorhergesagte Passung

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Absteigender Kontext

Aufsteigender Kontext

Halbtondistanz zu„Schlüsselloch-C“ 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

ABSTEi00.MID Abstei01.mid Abstei03.mid

Aufste03.mid Aufste04.midAufste04.mid

Aufste06.mid Aufste07.mid Aufste08.mid Aufste09.midAufste10.mid

Aufste11.midAufste12.mid

Abstei03.mid Abstei04.midAbstei05.mid Abstei06.mid

Abstei07.mid Abstei08.mid Abstei09.midAbstei10.mid

Abstei11.midAbstei12.mid

Aufste00.mid Aufste01.mid Aufste02.mid

Passungshypothese 2: Diatonische Distanz zumGrundton C

Diatonische Dur-Passung

Abhängig von musikalischer Vorherfahrung und Bildung?

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Ergebnisse (Exp. 2), hierarchische Clusterung(Absolutes Gehör, hochtrainiert)Präferenz von Tonika, großer Terzund Quinte. Tonleiternoten über Nicht-Tonleiternoten. Vierteltöne sind Mittelwert der benachbarten Halbtöne.

(4.5 Jahre Instrumenterfahrung)Präferenz Tonika, Terz und Quinte. Teilweise Frequenzdistanz-Effekte.

(3 Jahre Instrumenterfahrung)Hauptsächlich Distanz-Effekte. Kein Unterschied zwischen diatonischen und nicht-diatonischen Tönen, aber Hinweise auf Oktav-Äquivalenz.

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Zusammenfassung

Die Urteile zur Komplettierung orientieren sich an-Frequenz-Oktav-Äquivalenz-Diatonische Funktion

Mit zunehmender musikalischer Übung gewinnt die diatonische Funktionzunehmend gegenüber der Frequenz an Bedeutung.

In Musikstücken ist Dauer und Häufigkeit der gewählten Töne zur Fort-setzung mit der diatonischen Güte (im Sinne einer Oberwellen-Distanz)korreliert. Oberwellenverwandte Töne werden häufiger und länger alsFortsetzung gewählt (siehe Hörbeispiele sowie Shepard, 2004)