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1 Strafrecht BT Straftaten gegen Amts- und Berufspflichten FS 2009 Prof. Dr. H. Vest / Ass.-Prof. Dr. J. Weber Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern

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Strafrecht BT

Straftaten gegen Amts- und Berufspflichten

FS 2009

Prof. Dr. H. Vest / Ass.-Prof. Dr. J. Weber

Institut für Strafrecht und Kriminologie

Universität Bern

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Prof. Dr. H. Vest / Ass.-Prof. Dr. J. Weber Straftaten gegen die Amts- und Berufspflicht 2

Straftaten gegen Amts- und Berufspflichten (Achtzehnter Titel) – Allgemeines

> bilden das Gegenstück zu den Straftaten gegen die öffentliche Gewalt (fünfzehnter Titel)

- Straftaten gegen die öffentliche Gewalt schützen das Funktionieren des Staates gegen Angriffe bzw. Beeinträchtigungen von aussen.

- Straftaten gegen Amts- und Berufspflichten schützen das Funktionieren des Staates in einem weiten Sinn gegen Beeinträchtigungen durch Amtsträger (d.h. Vertreter des Staates) selbst.

> übergeordnetes Rechtsgut der Straftaten gegen die Amts- und Berufs-pflichten: öffentliches Interesse, dass die Staatsmacht durch Beamte, Behördenmitglieder oder weitere "staatlich konzessionierte" Personen nicht missbraucht oder beeinträchtigt wird

> generell: echte Sonderdelikte

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Straftaten gegen Amts- und Berufspflichten (Achtzehnter Titel) – Die einzelnen Tatbestände

Art. 312: Amtsmissbrauch (Verfolgung sachfremder Zwecke durch Beamte etc.)

Art. 313: Gebührenüberforderung (Verfolgung sachfremder Zwecke)

Art. 314: Ungetreue Amtsführung (Verfolgung sachfremder Zwecke)(Art. 315-316: Aufgehoben)

Art. 317 und 317bis: Urkundenfälschung im Amt [Urkundenstraftaten]Art. 318: Falsches ärztliches Zeugnis [Urkundenstraftaten](Art. 319: Entweichenlassen von Gefangenen)

Art. 320: Verletzung des Amtsgeheimnisses (Geheimnisverletzung durch Beamte etc.)

Art. 321: Verletzung des Berufsgeheimnisses (Geheimnisverletzung durch konzessionierte

Berufspersonen)(Art. 321bis: Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung)

(Art. 321ter: Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses)

(Art. 322: Verletzung der Auskunftspflicht der Medien)

(Art. 322bis: Nichtverhinderung einer strafbaren Veröffentlichung)

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Amtsmissbrauch (Art. 312) – Allgemeines

Art. 312: Amtsmissbrauch

Mitglieder einer Behörde oder Beamte (Täterkreis), die ihre Amtsgewalt miss-brauchen (Tathandlung), um sich oder einem andern einen unrechtmässigenVorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen (besonde-re Absicht), werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Rechtsgut: einwandfreies Funktionieren des Einsatzes hoheitlicher Gewalt

- zwecks Eindämmung möglicher (ungerechtfertigter) Freiheitseinschrän-kungen des Einzelnen

- zwecks Abwendung möglichen (materiellen oder immateriellen) Schadens vom Staat

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Amtsmissbrauch (Art. 312) – Obj. TB: Täterkreis

> Täterkreis: Beamte und Behördenmitglieder- echtes Sonderdelikt- Einschränkung des Täterkreises auf Beamte und Behördenmitglieder, die

hoheitliche Amtsgewalt innehaben- hoheitliche Amtsgewalt: Machtmittel, die zur Durchführung einer

hoheitlichen Handlung eingesetzt werden können; Berechtigung, Zwang auszuüben

- Beamte: Art. 110 Abs. 3- funktioneller Beamtenbegriff;

entscheidend: Erfüllung einer dem Gemeinwesen zukommenden öffentlich-rechtlichen Aufgabe

- Behördenmitglieder: Mitglied einer eigenständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft; nicht weisungsgebunden

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Amtsmissbrauch (Art. 312) – Obj. TB: Tathandlung

> Tathandlung: Missbrauch der Amtsgewalt- unrechtmässige Anwendung von Machtbefugnissen, die das Amt verleiht;

d.h. Verfügungen kraft des Amtes oder Zwangsausübung kraft des Amtes, in unzulässigen Bereichen oder in einem unzulässigen Ausmass;erfasst wird ausschliesslich hoheitliches Handeln

- auch ein legitimer Zweck rechtfertigt keine missbräuchlichen Mittel

- u.U. auch als unechtes Unterlassungsdelikt

- Überschreitung von Amtsbefugnissen: Abgrenzung des Amtsmissbrauchs von der Amtsanmassung gemäss Art. 287

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Amtsmissbrauch (Art. 312) – Subj. TB

> Vorsatz> Vorteilsabsicht oder Nachteilsabsicht

- Vorteilsabsicht: Absicht, sich oder einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen

- Nachteilsabsicht: Absicht, einem anderen einen Nachteil zuzufügen- Vor- und Nachteile brauchen sich nicht auf Vermögensinteressen zu

beziehen

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Amtsmissbrauch (Art. 312) – Konkurrenzen

> Verhältnis zur Amtsanmassung gemäss Art. 287- liegt die Handlung innerhalb der generellen Amtsbefugnisse, ist sie aber im

konkreten Fall unverhältnismässig: Art. 312- werden die generellen Kompetenzen des Amts überschritten: Art. 287

> Verhältnis zu den durch den Amtsmissbrauch gegebenenfalls mitbetroffenen individuellen Rechtsgüter (Freiheit, körperliche Unversehrtheit, …)

- echte Konkurrenz

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Gebührenüberforderung (Art. 313) – Allgemeines, Täterkreis, Tatobjekt

Art. 313: Gebührenüberforderung

Ein Beamter, der in gewinnsüchtiger Absicht Taxen, Gebühren oder Vergütun-gen erhebt, die nicht geschuldet werden oder die gesetzlichen Ansätze über-schreiten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Spezialfall des Missbrauchs einer Amtsstellung: Missbrauch erfolgt bei Art. 313 durch die finanzielle Ausbeutung mittels Erhebung überhaupt nicht geschuldeter oder nicht in dieser Höhe geschuldeter Gebühren

> Art. 313 ist ebenfalls ein Sonderdelikt; Täterkreis jedoch eingeschränkt auf Beamte (Behördenmitglieder gehören nicht zum Täterkreis)

> Gebühren, Taxen oder Vergütungen: materielle Leistungen (Abgaben), die an den Staat entrichtet werden müssen

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Gebührenüberforderung (Art. 313) – obj. TB: Tathandlung

> Tathandlung: erheben von Gebühren etc., die nicht geschuldet sind- Täter muss durch Täuschung beim Opfer den Irrtum hervor rufen, dass die

Abgaben tatsächlich in der geltend gemachten Höhe geschuldet sind- falls der Täter zu erkennen gibt, dass er die Abgaben für sich selbst

einfordert: Korruptionsstraftat- erheben von Gebühren etc.: tatsächliches Einziehen, nicht bereits das

Verlangen von Gebühren- Art. 313 ist folglich ein Erfolgsdelikt; erst dann erfüllt, wenn der Betrag

tatsächlich entrichtet worden ist

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Gebührenüberforderung (Art. 313) – subj. TB

> Vorsatz> gewinnsüchtige Absicht: private Bereicherungsabsicht

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Gebührenüberforderung (Art. 313) – Konkurrenzen

> Verhältnis zum Betrug gemäss Art. 146- echte Konkurrenz

> Verhältnis zum Amtsmissbrauch gemäss Art. 312- echte Konkurrenz

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Ungetreue Amtsführung (Art. 314) – Allgemeines und Täterkreis

Art. 314: Ungetreue Amtsführung

Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die bei einem Rechtsgeschäft die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen, um sich oder einemandern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, werden mit Freiheits-strafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Mit der Freiheitsstrafe isteine Geldstrafe zu verbinden.

> Täter: Beamte oder Behördenmitglieder- echtes Sonderdelikt- müssen die Befugnis haben, für das Gemeinwesen Rechtsgeschäfte abzu-

schliessen, oder in dieser Hinsicht mindestens faktische Entscheidungs-kompetenz besitzend.h. Art. 314 ist nur anwendbar, wenn das Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts handelt und der Täter als Vertreter des Gemeinwesens nicht-hoheitlich auftritt; d.h. kein Handeln mittels Verfügung, sondern Abschluss eines Vertrages zwischen zwei gleichberechtigten Vertragsparteien

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Ungetreue Amtsführung (Art. 314) – Tathandlung und Taterfolg

> Tathandlung: durch ein pflichtwidriges Tun oder Unterlassen bei einem Rechtsgeschäft die zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigen

- Tathandlung liegt nicht in der Schädigung als solcher; die Schädigung ist vielmehr der Taterfolg

- kann in jeder Phase der Entstehung oder des Abschlusses eines Rechts-geschäfts erfolgen

- bei Ermessen des Täters: Ermessensspielraum muss offensichtlich über-schritten sein

> Taterfolg: Schädigung öffentlicher Interessen- muss durch Rechtsgeschäft selber und dessen Wirkungen eintreten- Schaden kann sowohl materieller als auch ideeller Natur sein

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Ungetreue Amtsführung (Art. 314) – Subj. TB

> Vorsatz

> Vorteilsabsicht- Absicht, sich oder einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu

verschaffen- Vorteil kann materiellen oder ideellen Charakter haben

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Ungetreue Amtsführung (Art. 314) – Konkurrenzen

> Verhältnis zur Veruntreuung gemäss Art. 138

- echte KonkurrenzBGer-Urteil 6S.262/2003 vom 14.10.2003

> Verhältnis zur ungetreuen Geschäftsbesorgung gemäss Art. 158

- unechte Konkurrenz; Art. 314 geht vor (Subsidiarität von Art. 158)BGE 118 IV 246

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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320) – Allgemeines und Täterkreis

Art. 320: Verletzung des Amtsgeheimnisses

1. Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer

Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichenoder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zudrei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Rechtsgut:- primär: Interesse des Staates an einer diskreten und geordneten

Durchführung seiner Aufgaben- sekundär: Privatsphäre des Bürgers

> Täterkreis: Beamte und Behördenmitglieder; echtes Sonderdelikt

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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320) – Tatobjekt

> Tatobjekt: Geheimnis- = relativ unbekannte Tatsache, welche der Geheimnisherr geheim halten

will (ausdrückliche oder konkludente Bekundung des Geheimhaltungs-willens) und an deren Geheimhaltung er ein rechtlich geschätztes Interesse hat

- Tatsachen: Zustände oder Geschehnisse in der Vergangeheit oder der Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind

- entscheidend: materieller Geheimnisbegriff

- Kausalität zwischen Kenntnis des Geheimnisses und Ausübung der amtlichen Funktion

- anvertraut: vom Geheimnisherrn oder einer Drittperson mitgeteilt

- wahrgenommen: Informationen entstammen bspw. aus Akten

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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320) – Tathandlung

> Tathandlung: Offenbaren- = sämtliche Ausdrucksformen, durch welche geheimhaltungspflichtige

Tatsachen einem Unberechtigten zur Kenntnis gebracht werden

- schriftliche oder mündliche Mitteilung; Zugänglichmachen

- Amtsgeheimnis ist auch gegenüber anderen Amtsstellen zu wahren

- die Bekanntgabe von an sich geheimhaltungspflichtigen Informationen ist zulässig, wenn sie für die Erfüllung der amtlichen Aufgaben notwendig ist

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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320) – Schriftliche Genehmigung (Ziff. 2)

2. Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis mit schriftlicher Einwilli-gung seiner vorgesetzten Behörde geoffenbart hat.

> schriftliche Genehmigung der vorgesetzten Behörde

- besonderer Rechtfertigungsgrund (auf der Ebene der Rechtswidrigkeit zu prüfen)

- kann auch erst nach Bekanntgabe des Geheimnisses erfolgen (nachträgliche Genehmigung)

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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320) – Fortdauer des Geheimnisses (Ziff. 1 Abs. 2)Die Verletzung des Amtsgeheimnisses ist auch nach Beendigung des amtlichenoder dienstlichen Verhältnisses strafbar.

> Schweigepflicht dauert über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus; "Fortdauer der Sonderpflicht"

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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320) – Subj. Tatbestand

> Vorsatz- bei bloss fahrlässigem Offenbaren kommen u.U. disziplinarische

(personalrechtliche) Massnahmen in Betracht

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Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320) – Konkurrenzen

> Verhältnis zur Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäss Art. 321- bei Verletzung des Berufsgeheimnisses durch eine Amtsperson (z.B.

Spitalarzt): unechte Konkurrenz; der im konkreten Sachverhalt überwiegende Aspekt (Amtseigenschaft oder Berufseigenschaft) entscheidet über die Anwendbarkeit von Art. 320 oder Art. 321

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Allgemeines

Art. 321: Verletzung des Berufsgeheimnisses

1.Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, nach Obligationenrecht zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Hebammen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist, oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. (…)

> Rechtsgut- öffentliches Interesse an der fachgerechten Ausübung der betreffenden

Berufe- Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung

> Antragsdelikt- antragsberechtigt ist nur der Geheimnisherr; d.h. diejenige Person, die das

Geheimnis betrifft

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Obj. TB: Täterkreis

> abschliessend aufgezählter Personenkreis von Berufsgeheinmisträ-gern: Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, nach OR zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Hebammen

- echtes Sonderdelikt- angehörige anderer Berufe (z.B. Psychotherapeuten, Tierärztinnen,

Physiotherapeuten, Sozialarbeiter) werden von Art. 321 nicht erfasst- Gemeinsamkeit: öffentlich-rechtliche Konzessionierung; daher erhöhtes

Vertrauen in diese Berufsgruppen

> Hilfspersonen: Personen, die bei der Berufstätigkeit des Berufsgeheim-nisträgers mitwirken

- z.B. Assistenten, Sekretäre, Kanzleipersonal, Telefonisten, medizinische Mitarbeiterinnen

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Obj. TB: Täterkreis (Fortsetzung)

Ziff. 1 Abs. 2: Ebenso werden Studierende bestraft, die ein Geheimnis offenba-ren, das sie bei ihrem Studium wahrnehmen.

> Studierende aus Fächern, welche auf eine Berufstätigkeit gemäss Abs. 1 vorbereiten: Theologie, Recht, Wirtschaft, Humanmedizin, Pharmazie, Geburtshilfe

- Informationen, die den Studierenden im Rahmen des praktischen bzw. klinischen Unterrichts zugehen

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Obj. TB: Tatobjekt

> Tatobjekt: Berufsgeheimnis- Geheimnisbegriff stimmt mit jenem von Art. 320 überein- nicht nur Tatsachen, die der Schweigepflichtige für die Ausübung seiner

Tätigkeit braucht (notwendige Informationen), sondern jede sensible Information

- Kausalzusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Kenntniserlangung- anvertraut oder wahrgenommen

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Obj. TB: Tathandlung

> Tathandlung: offenbaren- jedes Zugänglichmachen einer geheimhaltungspflichtigen Information

gegenüber einer unberechtigten Person

- u.U. bereits die unzureichende Aufbewahrung von Akten

- "unberechtigt" ist jeder Aussenstehender, auch wenn dieser seinerseits einer Schweigepflicht unterliegt

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Obj. TB: Fortdauer

Ziff. 1 Abs. 3: Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendi-gung der Berufsausübung oder der Studien strafbar.

> Verpflichtung, das Berufsgeheimnis oder "Studiengeheimnis" lebenslang zu wahren

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Obj. TB: subj. TB

> Vorsatz, wobei Eventualvorsatz ausreicht

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – besondere Rechtfertigungsgründe (Ziff. 2)

> 1. Variante: Einwilligung des Berechtigten (Geheimnisherrn)- ausdrücklich oder stillschweigend- wenn Geheimhaltungswille generell aufgegeben wird, liegt kein Geheimnis

mehr vor

> 2. Variante: Bewilligung durch die vorgesetzte Behörde oder Aufsichts-instanz

- auf Gesuch des Geheimnisträgers- schriftlich- vorgängig - Rechtsgüterabwägung nach pflichtgemässem Ermessen: öffentliche oder

private Interessen an Bekanntgabe versus Geheimhaltungsinteresse des Geheimnisherrn

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – gesetzliche Zeugnis- und Auskunftspflicht (Ziff. 3)> Zeugnis- und Auskunftspflicht in eidgenössischen oder kantonalen

Vorschriften- Zeugnis- und Auskunftspflicht geht der Gemeinhaltungspflicht gemäss

Art. 321 vor- prozessuales Zeugnisverweigerungsrecht für Berufsgeheimnisträger hebt

hingegen Gemeinhaltungspflicht gemäss Art. 321 nicht auf

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Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 321) – Konkurrenzen

> Verhältnis zur Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis-ses gemäss Art. 162

- unechte Konkurrenz; Art. 321 geht als Spezialbestimmung vor