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1. Vorlesung SS 2006 Computational Chemistry 1 Inhalt der Vorlesung „Computational Chemistry“ 1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte Energielandschaft eines Moleküls Wie kann man diese berechnen? Quantenchemie vs. Kraftfeld Konformationsraum Samplingmethoden Moleküleigenschaften 2 Assoziation, Dissoziation Intermolekulare Kräfte Nicht behandelt wird Docking: siehe Bioinformatik II bzw. Spezialvorlesungen von A. Kämper „Computer-Aided Drug Design“ und von A. Hildebrandt/D. Neumann „Docking“

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 1

Inhalt der Vorlesung „Computational Chemistry“1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte

Energielandschaft eines Moleküls

Wie kann man diese berechnen? Quantenchemie vs. Kraftfeld

Konformationsraum Samplingmethoden

Moleküleigenschaften

2 Assoziation, Dissoziation Intermolekulare Kräfte

Nicht behandelt wird Docking:

siehe Bioinformatik II bzw. Spezialvorlesungen von A. Kämper „Computer-Aided

Drug Design“ und von A. Hildebrandt/D. Neumann „Docking“

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 2

Was ist Computational Chemistry?

Computational Chemistry ist ein Arbeitsgebiet an der Schnittstelle von

theoretischer Chemie, Molecular Modelling und Bioinformatik.

Der Haupteinsatzbereich von Computational Chemistry ist, mittels numerischer

Rechnungen Antworten auf chemische Problem zu finden.

Die Geschichte von Computational Chemistry ist entweder recht lang (man kann

die Entwicklung der Quantenmechanik in den 1920er Jahren als Ursprung der

theoretischen Chemie ansehen) oder recht jung, da man erst durch die

Entwicklung moderner, leistungsstarker Computer in den 1980er Jahren genaue

Rechnungen an Molekülen mit vielen hundert Atomen durchführen kann.

Computerchemiker gehörten stets zu den Wissenschaftsgebieten mit den größten

Anforderungen an Rechenleistung.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 3

Erhebung der Computational Chemistry in den Adelsstand

Der Ritterschlag für das Gebiet der Computational Chemistry war

gewissermaßen der Nobelpreis für Chemie in 1998 an

- John Pople "for his development of

computational methods in quantum chemistry"

- Walther Kohn "for his development

of the density-functional theory"

Diese Preise wurden in der “community” mit ungeheurer Befriedigung

aufgenommen, nicht allein als Auszeichnung der beiden Forscher,

sondern als Auszeichnung des gesamten Gebiets.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 4

Welche Methoden verwendet Computational Chemistry?

- Molekül-Mechanik (empirische Kraftfelder AMBER, OPLS, CHARMM, GROMOS, ...)

- Moleküldynamik (klassische Newton-Mechanik)

- Semi-empirische Molekül-Orbital-Theorie (MNDO, AM1, PM3, OM2, MNDO/d, …)

- Dichtefunktionaltheorie (LDA, B3LYP, …)

- ab Initio Molekül-Orbital-Theorie (Hartree-Fock, Møller-Plesset, Coupled Cluster …)

zur Computational Chemistry gehören auch:

- Quantitative Structure-Activity Relationships (QSAR)

- Docking

- Graphische Darstellung von Strukturen und Eigenschaften

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 5

Wozu brauchen Bioinformatiker Computational Chemistry?

Protein-Liganden Bindung

Protein-Protein Bindung

Entwicklung von Medikamenten ?

http://www.aventis.com/

http://www.dell.com Univ. Buffalo cluster

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 6

Überblick über den Inhalt der Vorlesung

Molekül-Mechanik (V. Helms)

1 Einleitung

2 Elektrostatik, hydrophober Effekt

3 Kraftfelder

4 Statistische Mechanik

5 Sampling des Konformationsraums

6 Moleküldynamik-Simulation

….

12 Intermolekulare Bindungen,

Berechnung von Bindungsenergien

13 Proteinfaltungssimulationen +

Zusammenfassung

Quantenchemie (M. Hutter)

7 Molekülorbital Theorie

8 Semi-empirische Molekül Orbital

Theorie

9 Solvatationsmodelle

10 Chemische Reaktionen

11 Berechnung von

Moleküleigenschaften

….

Klausur 24. Juli 2006 10-12

Uhr

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 7

Schein

Es wird jede Woche in der Vorlesung 1 Übungsblatt ausgegeben, also insgesamt

etwa 10 – 12 Übungsblätter.

Jeder aktive Teilnehmer der Vorlesung muss ein eigenes Lösungsblatt abgeben.

An der Abschlussklausur kann teilnehmen, wer 50% der Punkte in den

Übungsblättern erreicht hat.

Einen Übungsschein über die erfolgreiche Teilnahme an der Vorlesung (6 LP)

gibt es bei erfolgreicher Teilnahme an der Abschlussklausur und/oder der

Nachklausur.

Die Note des Übungsscheins entspricht der besseren Note aus beiden Klausuren.

Sprechstunde: nach Vereinbarung

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 8

Übungsgruppen - Termin

Es wird 2 Übungsgruppen geben

- Michael Hutter

- Nadine Schneider

wann haben Sie Zeit?

Gruppe 1: Dienstag 11-13 Uhr

Gruppe 2: Dienstag 16 – 18 Uhr

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 9

Literatur - QuantenchemieKopien der Vorlesung kommen auf unsere Webseite

http://gepard.bioinformatik.uni-saarland.de

Introduction to Computational Chemistry

Frank Jensen, Wiley, €54 - 62

(2 Exemplare in Info-Bibliothek)

Essentials of Computational Chemistry

Christopher J. Cramer, Wiley, €129-154

“Klassiker” für Quantenchemie:

Quantum Chemistry

Ira Levine, Prentice Hall, €77

Modern Quantum Chemistry

A. Szabo & N. Ostlund, Dover, €15

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 10

Literatur – Molekülmechanik/Simulationen

Molecular Modeling and Simulation

Tamar Schlick, Springer, € 64 – 72

(2 Exemplare in Info-Bibliothek)

Molecular Modelling. Principles and Applications

2nd ed 2001, Andrew R. Leach,

Prentice Hall, €71 – 75

Computer Simulation of Liquids

M.P. Allen & D.J Tildesley, Oxford Science, €50 – 53

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 11

Aus VL „physikalische Chemie“ wird als bekannt vorausgesetzt:

o Thermodynamische Zustandsfunktionen (3.1)

o Erster Hauptsatz der Thermodynamik (2/3)

o Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik (6)

o innere Energie U, Entropie S, Enthalpie H,

freie Energie F, freie Enthalpie G

o Grundlagen der Quantentheorie (13/14)

o Schrödinger-Gleichung

o Aufbau der Atome (15)

o Aufbau der Moleküle – Arten von Bindungen (kovalent, ionisch, H-Bindung) (16)

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 12

Energiebegriff

System: derjenige Teil der Welt, dem unser spezielles Interesse gilt.

Außerhalb des Systems befindet sich die Umgebung.

Offene Systeme erlauben den Austausch von Materie bzw. Wärme mit ihrer

Umgebung.

Abgeschlossene Systeme haben mit der Umgebung weder mechanischen bzw.

thermischen Kontakt.

Energie: Fähigkeit, Arbeit zu leisten.

Wenn wir an einem ansonsten isolierten System Arbeit leisten, nimmt seine

Fähigkeit, selbst Arbeit zu leisten, zu, d.h. seine Energie nimmt zu.

Wenn das System Arbeit leistet, so nimmt seine Energie ab.

Welche Energieformen kennen Sie?

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 13

Der Erste Hauptsatz

„Dem System ist egal, in welcher Form Energie übertragen wird.“

Es funktioniert ähnlich wie eine Bank.

Erster Hauptsatz: verändert sich ein System von einem Zustand in einen anderen

auf einem beliebigen adiabatischen Weg, so ist die geleistete Arbeit immer die

gleiche, unabhängig von der angewandten Methode.

Der Wert von wad ist für alle Wege gleich und hängt nur vom Anfangs- und

Endzustand ab.

wad = UE – UA

U ist die innere Energie des Systems. U ist eine Zustandsfunktion.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 14

Newton‘sche Gesetze

2. Gesetz Die Beschleunigung ist dem Verhältnis von Kraft und Masse

proportional.

3. Gesetz: Actio = Reactio

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 15

Sei U die potentielle Energie.

Meist hängt U nur von den Positionen ab, also U(x,y,z).

Die Newtonschen Bewegungsgleichungen lauten damit

Lagrange-Ansatz

222

2,, zyx

mzyxT

zyxxi

i ix

Uxm ,,

zyxUzyxTzyxzyxL ,,,,,,,,,

Es sei T die kinetische Energie eines Teilchens.

In kartesischen Koordinaten:

Wir führen nun eine neue Funktion ein:

L wird die Lagrange-Funktion (Lagrangian) des Systems genannt.

x

U

x

L

xmx

T

x

L

zyxx

iiix

L

x

L

dt

d,,

Damit lauten die Newtonschen Bew‘gleichungen:

Dies sind die Lagrange‘schen Bew‘gleichungen

in kartesischen Koordinaten.

(1-17)

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 16

Lagrange-Ansatz

Die bemerkenswerte Eigenschaft der Lagrange-Gleichungen ist, dass sie in jedem

Koordinatensystem die gleiche Form haben.

Wenn x,y,z nach q1, q2, q3 transformiert werden, lauten die Gleichungen

3,2,1

jjj q

L

q

L

dt

d

Die Lagrange-Gleichungen sind in vielen Fällen viel nützlicher als die

Newtonschen Gleichungen, da es oft viel leichter ist, einen Ausdruck für die

potentielle Energie in einem geeigneten Koordinatensystem anzugeben als all die

verschiedenen Kräfte zu berechnen.

Der Lagrange-Formalismus basiert auf der potentiellen Energie des Systems,

wogegen der Newton-Ansatz auf den Kräften beruht, die auf das System wirken.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 17

Wir betrachten die 2-dimensionale Bewegung eines Teilchens in einem Colomb-

Kraftfeld.

Die potentielle Energie ist K: Kraftkonstante

r: Abstand

Die kinetische Energie ist

Damit ist der Lagrangian

Die beiden Lagrange‘schen oder

Bewegungsgleichungen lauten:

Lagrange-Formalismus: Beispiel

r

KU

22222

22 rr

myx

mT

r

Krr

mrrL 222

2,,,

LL

dt

d

r

L

r

L

dt

d

02

22

mrdt

dr

Kmrrm

dt

d

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 18

Dies ist in kartesischen Koordinaten:

Wir definieren nun die Hamilton-Funktion (Hamiltonian) für ein System mit einem

Teilchen: (1-20)

Hierbei werden die qj durch die pj ersetzt.

Damit ist H = T + U

Ein wichtiger Unterschied ist, dass der Lagrangian von den generalisierten

Geschwindigkeiten qj und den verallgemeinerten Koordinaten qj abhängt, wogegen

der Hamiltonian von den verallgemeinerten Impulsen pj und qj abhängt.

Wir definieren zunächst einen verallgemeinerten Impuls:

Hamilton-Verfahren

Njq

Lp

jj 3,...,2,1

xmpx

321321

3

1321321 ,,,,,,,,,, qqqqqqLqpqqqpppH

jjj

.

(1-19)

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 19

Aus (1-20) folgt

Mit (1-17) und (1-19) folgt

Die totale Ableitung von H ist (ohne explizite Zeitabhängigkeit):

Aus dem Vergleich von (1-23) und (1-24) folgen die Hamilton‘schen

Bewegungsgleichungen:

Hamilton-Verfahren

j j

jj

jj

jjjj dqq

Lqd

q

LqdpdpqdH

jjjj dqpdpqdH

jj

jj

dqq

Hdp

p

HdH

Njpq

Hq

p

Hj

jj

j

3,...,2,1

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 20

Das mikrokanonische Ensemble

potentielle Energie:

gegeben Gesamtenergie E0 kinetische Energie = Gesamtenergie – pot. Energie

U(r)

rr0

2

02

1rrDU

Gegeben ein System mit Teilchenzahl N und Volumen V.

In einem idealisierten, von der Außenwelt abgeschlossenen, System ist die

Gesamtenergie E konstant = mikrokanonisches Ensemble

Bsp. harmonischer Oszillator, Schwingungsbewegung in einem harmonischen

Potential

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 21

Die Annahme eines isolierten Systems ist oft unrealistisch.

Meist ist statt der Energie E die Temperatur T konstant.

Bilde ein (kanonisches) Ensemble solcher System auf folgende Weise:

Jedes System wird in einen Container des Volumens V eingeschlossen, dessen

Wände wärmeleitend sind, aber keine Moleküle durchlassen.

Das gesamte Ensemble von Systemen wird in Kontakt mit einem großen

Wärmebad der Temperatur T gebracht. Gleichgewicht stellt sich ein – das

Ensemble hat eine Temperatur T angenommen und somit auch jedes Teilsystem.

Nun wird der thermische Kontakt des Ensembles mit dem Wärmebad

unterbrochen. Das Ensemble ist nun ein isoliertes System mit Volumen AV, Anzahl

an Molekülen AN und einer Gesamtenergie E.

Die einzelnen Systeme des Ensembles stehen in thermischem Kontakt. Damit ist

die Energie Ei der einzelnen Systeme nicht konstant und wir müssen die Verteilung

aller A Zustände über die j verschiedenen Energieniveaus des Systems E1 ,E2, ...

betrachten. aj seien die Besetzungszahlen der einzelnen Zustände.

Das kanonische Ensemble

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 22

Es muss gelten:

Das kanonische Ensemble

jjj

jj

EEa

Aa

Benutze das Prinzip der a priori Wahrscheinlichkeiten:

jeder mögliche Zustand des kanonischen Ensembles, d.h. jede Verteilung der aj,

die die Gleichungen (1) und (2) erfüllt, soll die gleiche Wahrscheinlichkeit erhalten.

Betrachte die Anzahl W(a) = W(a1,a2,a3, ...), auf wie viele verschiedene Weisen

man A unterscheidbare Objekte so anordnen kann, dass a1 Objekte in der ersten

Gruppe sind, a2 in der zweiten Gruppe etc.

kka

A

aaa

AW

!

!

!...!!

!

321

a

(1)

(2)

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 23

Das kanonische Ensemble

Im Allgemeinen gibt es sehr viele Verteilungen, die Gleichungen (1) und (2) zu

erfüllen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein System sich im Zustand j befindet,

erhält man durch Mittelung von aj /A über alle erlaubten Verteilungen:

a

a

a

aa

W

aW

AA

aP

jj

j

1

Wenn man die Anzahl an Systemen A gegen Unendlich gehen läßt, spielt nur noch

der Wert von a* eine Rolle, für den W(a) maximal wird. Alle anderen Verteilungen

spielen eine beliebig geringe Rolle.

Wir müssen also den Satz an a*j bestimmen, für die W(a) maximal wird und die die

Gleichungen (1) und (2) erfüllen.

Dazu verwenden wir die Methode der Lagrange‘schen Multiplikatoren.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 24

Das kanonische Ensemble

Summiere nun beide Seiten über j und verwende Gleichung (1)

,...2,1,0ln

jEaaWa k k

kkk

j

a

wobei und die unbekannten Multiplikatoren sind.

Mit Stirlings Näherung erhält man

,...2,1,

,...2,1,01ln'*

*

jeea

jEajE

j

jj

j

VNE

VNE

j

j

j

E

j

j

j

e

e

A

aP

eA

e

,

,*

' 1

Dies ist die bekannte Boltzmann-Verteilung für die

Verteilung der A Systeme über die j verschiedenen

Energielevels des Systems.

= 1/kT ist der Kehrwert des Produkts aus der

Boltzmann-Konstante und der Temperatur.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 25

Was kann man mit Computational Chemistry berechnen? exakte Berechnung von Energien für verschiedene Molekülkonformationen Konformationssampling des Moleküls

angeregte Zustände

Einfluß des Lösungsmittels

Was muß man dazu wissen:

- Was ist die energetisch beste Konformation des Moleküls?

- Was sind bei Raumtemperatur erreichbare andere Konformationen (Boltzmann)?

- Dynamik von Konformationsübergängen?

- Bewertung der Energie von Konformationen: in welchen Orbitalen des Moleküls

sind seine Elektronen verteilt (Molekülorbitaltheorie).

Für ein einzelnes Molekül bis 10 Atome im Vakuum sind obige Rechnungen mit

hoher Genauigkeit durchführbar, für große Moleküle (Proteine) jedoch sehr

problematisch. Man braucht vereinfachte Verfahren.

Page 26: 1. Vorlesung SS 2006 Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry 1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte Energielandschaft

1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 26

Was muß ich für solche Rechnungen wissen?

In welchen Molekülorbitalen sitzen die Elektronen?

Elektronenstrukturrechnungen

Bestimme Wellenfunktion der gesamten Elektronenverteilung.

Stelle Wellenfunktion als Linearkombination von Molekülorbitalen bzw.

Von Atomorbitalen dar.

Bestimme durch Optimierungsverfahren die Koeffizienten der Atomorbitale so,

daß die Gesamtenergie minimal wird.

Einzig benötigt: Kräfte zwischen Elektronen und zwischen Elektronen und

Atomkernen.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 27

Genauigkeit von quantenchemischen Rechnungen

Durch Verwendung hochexakter Theorien wie die coupled-cluster-Methode können

für kleine Moleküle Eigenschaften genauer als im Experiment berechnet werden!

Bei Unstimmigkeiten müssen mittlerweile oft die experimentellen Daten korrigiert

werden!

Anwendung z.B.: Berechnung von Reaktivitäten und Lösungseigenschaften von

Aktiniden mittels relativistischer Quantenchemie am Pacific Northwest National

Laboratory.

„There are 177 underground waste storage tanks at Hanford. The tanks contain

wastes collected over almost 50 years of plutonium production. The wastes include

radioactive isotopes, toxic chemicals, corrosive liquids, organic solvents, and other

dangerous and hazardous substances.“ http://www.pnl.gov/tws/

Problem hier: es fehlen experimentelle Daten,

beispielsweise für die Löslichkeiten von

Uran-Verbindungen wie UF6 Comp Chemistry!

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 28

Molekül-Mechanik ...• Basiert auf einfachen, empirisch abgeleiteten Beziehungen zwischen der

Energie und Bindungswinkeln, Diederwinkeln und Abständen.

• Ignoriert die Elektronen und den Effekt von -Systemem!

• Sehr einfach, Resultate sind jedoch okay im Rahmen der berechnenbaren

Grössen.

)(0)(6

)(

12

)(

)(

2)(0

)()(

)(

2)(0

)(

)(

2)(0

)(

4

1

cos(12

22

ijpairs ij

ji

ijpairs ij

ij

ij

ij

ijkltorsions

ijklijklijkl

ijkangles

ijkij

ijk

ijbonds

ijij

ij

ESvdWtorsbendstretch

r

qq

r

B

r

A

nk

krr

k

EEEEEE

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 29

Konformationsanalysemit Molekülmechanik:

Konformationsänderung von H4MPT beiBindung an HMD-Enzym

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 30

H4MPT – Verwandter von Folsäure

Bartoschek, Buurman, Thauer, Geierstanger, Weyrauch, Griesinger, Nilges, Hutter, Helms, ChemBioChem (2001)

H4MPT reagiert in Lösung an der

Hpro-S-Bindung, im Enzym HMD wird

aber das Hpro-R-Wasserstoffatom

abstrahiert.

NMR-Experimenten von Griesinger et al.

zeigten, dass H4MPT bei Bindung an das

Protein HMD eine

Konformationsänderung durchführt.

Welche?

Hat dies mechanistische Vorteile?

Untersuchung mit semiempirischer

AM1 Methode.

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1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 31

Alter Mechanismus

Vorschlag: Inversion der beiden

zwei Stickstoffatome N5 und N10.

Folge: die besetzten

Elektronenorbitale klappen um.

Bei senkrechter Stellung der

freien Elektronenpaare zu der

Hpro-R-Bindung konjugieren sie

mit dessen antibindender

*-Bindung. Dadurch wird diese

maximal geschwächt und

H-Abstraktion ermöglicht.

AM1-Rechnungen ergaben aber, dass

dieser Mechanismus eine Barriere von

über 200 kJ mol-1 besitzt. Das heisst, diese

Konformationsänderung ist praktisch

unmöglich.

Page 32: 1. Vorlesung SS 2006 Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry 1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte Energielandschaft

1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 32

NMR-Signale geben Information über Konformation

NOE-Signale geben Hinweise

auf Nachbarschaft zweier

Atomkerne mit Nettospin.

Doch anfängliche NMR-Daten

reichten nicht aus um die

Konformation zu bestimmen.

Bartoschek et al. ChemBioChem 2, 530 (2001)

Page 33: 1. Vorlesung SS 2006 Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry 1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte Energielandschaft

1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 33

Stereoselektive Dehydrogenierung von H4MPT

Oben: Konformation von H4MPT in Lösung.

Unten: Konformation von H4MPT an Protein

gebunden.

Unterschied: Inversion des Stickstoffatoms

Beide Konformationen wurden zunächst als

Energieminima in AM1-Rechnungen gefunden

und dann mit NMR bestätigt.

Bartoschek et al. ChemBioChem 2, 530 (2001)

Page 34: 1. Vorlesung SS 2006 Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry 1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte Energielandschaft

1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 34

Spezifische Aktivierung der Hpro-R- und Hpro-S-Bindungen

IIb und Ib sind wieder die beiden Minima.

Durch Verdrehung eines Torsionswinkel

nach III bzw.IV stellt sich jeweils das freie

Elektronenpaar senkrecht zu den beiden

C-H-Bindungen.

Diese Aktivierung in die hypothetischen

Übergangszustände ist im Experiment

nicht beobachtbar, sondern kann nur

berechnet werden.

Page 35: 1. Vorlesung SS 2006 Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry 1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte Energielandschaft

1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 35

Energieprofile für Aktivierung

Links: die Aktivierung des

gelösten H4MPT von Ib

nach IV erfordert 53 kJ mol-1.

Rechts: die Aktivierung der

enzymgebundenen Form

IIb nach III erfordert nur

29 kJ mol-1.

Beobachtung: alle bisher

bekannten Enzyme katalysieren

die Aktivierung des proR-H.

Dies ist vermutlich evolutionär

optimiert.

Bartoschek et al. ChemBioChem 2, 530 (2001)

Page 36: 1. Vorlesung SS 2006 Computational Chemistry1 Inhalt der Vorlesung Computational Chemistry 1 Molekulare Geometrie Intra-molekulare Kräfte Energielandschaft

1. Vorlesung SS 2006

Computational Chemistry 36

Zusammenfassung Computerchemie besitzt eine lange Geschichte.

Bedeutung der Computerchemie wuchs stets parallel zur Entwicklung der

Rechner.

Zwei wesentliche “Welten”: Quantenchemie Molekülmechanik

Quantenchemie für sehr kleine Moleküle ist heutzutage hoch exakt,

oft genauer als das Experiment

bei großen Systemen (z.B. Proteinen) müssen jedoch große Näherungen

gemacht werden

Das wesentliche Lernziel dieser Vorlesung ist zu verstehen, was die verschiedenen

Methode leisten können und wo die Probleme liegen.