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SINN UND LEBEN ANNÄHERUNG AN VIKTOR E. FRANKL Michael Gutownig Angelika Trattnig (Hg.) Mohorjeva Hermagoras

10 Jahre Viktor Frankl Symposium - Mohorjeva | Založba ... ihnen gebührt mein Dank fürs Entstehenlassen. Michael Gutownig S I N N U N D L E B E N ANNÄHERUNG AN VIKTOR E. FRANKL

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Viktor Emil Frankl (26. März 1905 – 2. September 1997)

war österreichischer Neurologeund Psychiater. Er begründetemit der Logo therapie und Exis-tenzanalyse die „Dritte WienerSchule der Psychotherapie“ undist Namensgeber der Pädago-gischen Hochschule Kärnten –Viktor Frankl Hochschule.

Ein Jahrzehnt der Begegnung mitViktor E. Frankl werden in diesemBuch wiedergegeben.Anlässlich des 10. Viktor FranklSymposiums beschäftigen sichVortragende wie Gerald Hüther,Konrad Paul Liessmann, ArnoldMettnitzer u.v.a. mit dem Men-schen Viktor E. Frankl und seinenvielseitigen wissenschaftlichenTheorien.

S I N NU N D

LEBEN

10 Jahre Viktor Frankl Symposium

Ein Jahrzehnt der Begegnungund des Träumens liegt hinteruns.

Was wir von allem Anfang anzeigen wollten, ist das Unter-schiedliche, das Konträre, viel-leicht auch das Widersprüch -liche in und um den großartigenMenschen Viktor Frankl. Es waruns nicht genug, einem Weg zufolgen.

Wir suchten nach vielen Ab-zweigungen. Begegnungen wa -ren uns wichtig. Manchmalwaren wir selbst unsicher. Men-schen, jung und alt, gemeinsambeim Diskutieren, beim Zuhö-ren, beim sich gegenseitigFrankl Erklären, beim Fragen,beim Staunen.

Viele waren ein Jahrzehnt be-reit, Verantwortung zu überneh-men, sich mit Neuem zu be -fassen, scheinbar Unwichtigeszu erlauben.

All ihnen gebührt mein Dankfürs Entstehenlassen.

Michael Gutownig

SIN

N U

ND

LE

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ANNÄHERUNG ANVIKTOR E. FRANKL

Michael GutownigAngelika Trattnig (Hg.)

MohorjevaHermagoras

www.hermagoras.com

ISBN978-3-7086-0972-0

umschlag sinn und leben_druck.qxp_Layout 1 25.09.17 11:37 Seite 1

paula
Notiz
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Impressum:

dr. Michael Gutownig, Mag.a dr.in Angelika Trattnig (Hrsg.)Sinn und Lebeninstitut für SchulentwicklungPädagogische Hochschule Kärnten – Viktor Frankl Hochschule

Herausgeberteam: Mag.a Lydia burchhardt, Mag. dr. Willibald erlacher, Mag.a Margot Moric, Mag.a dr.in Sabine Strauß

umschlaggestaltung: Mag. Horst Kothgasser

Layout: Paula Supan

Lektorat: Mag.a dr.in Angelika Trattnig

Gesamtherstellung: Hermagoras Verein / Mohorjeva Klagenfurt / Celovec – Ljubljana / Laibach – Wien / dunaj 2017

© 2017 by institut für Schulentwicklung, Pädagogische Hochschule Kärnten – Viktor Frankl Hochschule

Alle Rechte vorbehalten

iSbn 978-3-7086-0972-0

Festschrift zum Zehnjahresjubiläum des Viktor Frankl Symposiums und des zehnjährigen bestehens der Pädagogischen Hochschule – Viktor Frankl Hochschule

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Michael GutownigAngelika Trattnig (Hg.)

Sinn und LebenAnnäherung an Viktor e. Frankl

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inhaltsverzeichnis

Vortrag 1: HeinRiCH AnKeRBefreit Prometheus!Grundzüge einer menschenwürdigen, lebensdienlichen und leistungs fördernden unternehmensphilosophie und -kultur in Theorie und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Vortrag 2: WeRneR beRSCHneideRSinnerfüllt leben und führenein gelingendes Leben im beruf als Folge konsequenter Sinnorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Vortrag 3: GeoRG FRAbeRGeR Auf der Suche nach der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

GeRALd HüTHeRDas Lernen ist ein Merkmal des LebendigenWenn man einem Kind jetzt die Lust am Lernen versaut, versaut man ihm auch die Lustam Leben. Florian Kamp im Gespräch mit Gerald Hüther . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Vortrag 4: WALTeR KoHLKraftquellen für Lebensgestalter/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Vortrag 5: CHRiSToPH KoLbeSinn, Hoffnung und GlückZur vitalen bedeutung der Sinnfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Vortrag 6: KonRAd PAuL LieSSMAnnSinn und Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Vortrag 7: ARnoLd MeTTniTZeRAuf der Suche nach der Seele„Spiritualität“ als zentrales element moderner Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

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Vortrag 8: AnnA MARiA PiRCHeR-FRiedRiCH und RoLF-KLAuS FRiedRiCHPersönlichkeitsstärke entwickeln, gesund erhaltend leben und leisten auf der Grundlagedes Frankl’schen Menschenbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Vortrag 9: KAMbiZ PooSTCHiDer Zukunft gewachsen – Führung muss führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

GeRHARd RAbenSTeineRPädagogik im Fokus Reformpädagogik und sinnzentrierte / existenzielle Pädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

SAbine STRAuSS, LieSeLoTTe WöLbiTSCH & MARGoT MoRiCDen Sinn des Lebens erfragenein Workshop für Schülerinnen und Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Vortrag 10: oTTo TeiSCHeLFilmtherapieein anschaulicher Weg zum Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Vortrag 11: KATHARinA TuReCeKVon leichtsinnig bis sinnvollein neurobiologischer blick auf Sinn und Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

eVA MARiA WAibeLMacht Erziehung Sinn? Welche Erziehung macht Sinn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

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Vorwort

die Pädagogische Hochschule Kärnten als Viktor Frankl Hochschule orientiert sich an einem humanisti-schen Menschen- und Weltbild, das den Menschen in seiner geistigen dimension und in seinen er-kenntnis-, entwicklungs- und Sinnbedürfnissen in den Mittelpunkt stellt. So steht es im Leitbild, dasauf der basis der Philosophie Viktor Frankls entwickelt wurde und dessen namen die Hochschule seitihrer Gründung trägt.

Ziel jeder bildung ist es, den Menschen zu befähigen, aktiv und proaktiv am beruflichen, gesellschaftli-chen und politischen Leben teilhaben zu können. Wissens- und Kompetenzerwerb allein sind dafür je-doch nicht genug. der österreicher Frankl hat in einem Land, das seine eliten in humanistischenGymnasien ausgebildet sowie Wissenschaft und Kunst hoch geschätzt hat, extremste Ausgrenzung undVerfolgung erlebt. es braucht also mehr als Wissen und Kompetenz, um vor unmenschlichkeit, Hassund Verblendung geschützt zu sein. es braucht bildung, die auf reflektierten und positiven Werthaltungenberuht, allen voran die offenheit für Anderes und Fremdes sowie die unbedingte Achtung und denRespekt vor der Würde jedes Menschen.

Werte- und Sinnfragen bilden die Grundlage der Philosophie Frankls. im Mittelpunkt stehen die eigen-verantwortung und Autonomie des Menschen. obwohl weder Pädagoge noch Lehrer, berührt Frankldamit die Kernelemente der erziehung und das Ziel jeder bildung: die Fähigkeit, selbstbestimmt zu han-deln und Verantwortung im positiven Sinn zu übernehmen sowie eine stabile und belastbare identitätzu entwickeln, die ohne Angst und Abwehr die Anforderungen und Widersprüche einer modernen Ge-sellschaft aushält. Wir glauben, dass Viktor Frankl in diesen bereichen viel zu sagen hat und dass seinePhilosophie heute aktueller denn je ist.

der vorliegende band hat den Charakter einer Festschrift anlässlich des zehnjährigen bestehens derPädagogischen Hochschule Kärnten und gibt einblicke in die vielfältige Auseinandersetzung mit demnamensgeber unserer Hochschule.

ich bedanke mich bei allen beteiligten, die zum Gelingen des buches beigetragen haben.

Mag.a Dr.in Marlies Krainz-DürrRektorin der Pädagogischen Hochschule Kärnten – Viktor Frankl Hochschule

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Predgovor

Pedagoška visoka šola na Koroškem se kot Visoka šola Viktorja Frankla v svojih nacelih ravna po huma-nisticnem pogledu na cloveka in svet, ki v središce postavlja cloveka kot intelektualno bitje z njegovimipotrebami po spoznanju, razvoju in zaznavanju. To je vodilo omenjene Pedagoške visoke šole in je bilorazvito na podlagi filozofskih spoznanj Viktorja Frankla, cigar ime visoka šola nosi že vse od njene usta-novitve dalje.

Cilj vsakega izobraževanja je ljudi usposobiti, da bodo lahko tako aktivno kot tudi proaktivno delovali nasvojem poklicnem podrocju in se uspešno vkljucevali v družbeno in politicno življenje. Posredovanaznanja in usvojene sposobnosti pa same po sebi za tovrstno aktivno delovanje ljudi niso dovolj. AvstrijecFrankl se je v državi, kjer se je družbena elita šolala na humanisticnih gimnazijah in je bila kasneje vznanstvenih in kulturnih krogih izredno cenjena, pocutil zapostavljenega in izlocenega ter bil celo pre -ganjan. Potrebujemo torej vec kot le znanje in sposobnosti, da se bomo lahko obvarovali necloveškosti,sovraštva in zaslepljenosti. Potrebujemo takšen izobraževalni sistem, ki bo temeljil na premišljenem inpozitivnem odnosu do vrednot, predvsem pa na odprtosti do drugacnosti in do tujega ter na brezpo-gojnem spoštovanju clovekovega dostojanstva.

Vprašanja vrednot in iskanje smisla predstavljajo bistvo Franklove filozofije. V središce svojih dognanj jepostavil odgovornost in avtonomijo vsakega posameznika. ne glede na to, da Frankl ni bil ne pedagogne ucitelj, se je kljub temu dotaknil osnovnih elementov vzgoje in dolocil cilj vsakega izobraževanja: pri-dobiti sposobnost samostojnega delovanja in prevzemanja odgovornosti v pozitivnem smislu kot tudirazviti lastno identiteto, ki bo kos dolocenim obremenitvam in se ne bo ustrašila izzivov in zahtev, ki namjih nalaga sodobna družba. Prepricani smo, da bi imel Viktor Frankl na tem podrocju veliko za povedati inda je njegova filozofija v današnjem casu bolj aktualna kot kadar koli prej.

Ta publikacija je nastala kot jubilejni zbornik ob deseti obletnici obstoja Pedagoške visoke šole in nudivpogled v številne razprave z osebo, po kateri smo poimenovali našo visoko šolo.

Želela bi se zahvaliti vsem, ki ste kakor koli prispevali k nastanku tega zbornika.

mag.a dr. Marlies Krainz-Dürrrektorica Pedagoške visoke šole na Koroškem

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einleitung

Viktor e. Frankl gehört zu den Wissenschaftern, die mit ihren ideen, erkenntnissen und Haltungen aufGenerationen in aller Welt einfluss genommen haben. in der von ihm begründeten Logotherapie undexistenzanalyse stellt Frankl die geistige dimension des Menschen in den Mittelpunkt des denkensund appelliert radikal an dessen eigenverantwortung. er begreift den Menschen als proagierendesWesen, das die Welt im Rahmen seiner Möglichkeiten in Freiheit und Verantwortung gestalten kann.im Mittelpunkt seiner Philosophie stehen Wert- und Sinnfragen, die existenzielle bereiche des Mensch-seins berühren.

Seine erkenntnisse von komplexem, sozialem Miteinander sind auf nahezu alle Situationen des Lebensanwendbar. Als bildungseinrichtung fühlt sich die Pädagogische Hochschule Kärnten dem MenschenbildViktor Frankls verbunden und versucht daher, sich in Lehrveranstaltungen, Tagungen und Symposiendieser Philosophie anzunähern.

im Jahr 2008 veranstaltete die Pädagogische Hochschule zum ersten Mal ein dreitägiges Symposiumunter dem namen Viktor Frankl mit dem Titel „Sinnkrise als Chance“. eingeladen waren expertinnen undexperten aus verschiedenen bereichen der Gesellschaft, die sich in unterschiedlichster Weise vor ihremjeweiligen Hintergrund mit den Theorien Viktor e. Frankls auseinandersetzten. Jedes Jahr entstandenwiederkehrende Annäherungen an den begründer der sog. „dritten Wiener Schule“. Ziel war es, kriti-schen denkerinnen und denkern eine bühne zu bieten, um miteinander über grundlegende philosophi-sche Fragen menschlicher existenz in dialog zu kommen. ergänzt wurde dieser diskurs durchkünstlerische Auseinandersetzung in bildern und Skulpturen. bekannte Künstlerinnen und Künstler ausdeutsch- und slowenischsprachigen Regionen Kärntens waren eingeladen, sich mit der PhilosophieFrankls gestalterisch auseinanderzusetzen. die Werke wurden im Rahmen des Symposiums präsentiertund blieben noch längere Zeit einer breiten öffentlichkeit zugänglich. biografien dieser Künstler/innenund ihre abgebildeten Werke vervollständigen den vorliegenden band „Sinn und Leben“.

das Viktor Frankl Symposium findet seither jährlich wiederkehrend mit immer größerem Zuspruch stattund strahlt weit über Kärnten hinaus aus. das ursprüngliche Konzept wurde dabei beibehalten. es wech-selten Vorträge, diskussionen und Workshops in bunter Folge einander ab. Personen aus den bereichender Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und des Sozialen waren als Referentinnen und Referenten geladenund lieferten beiträge aus ihren individuellen Perspektiven. besonders wichtig war und ist es, auchjunge Menschen mit diesem Symposium anzusprechen und Schülerinnen und Schüler in die diskussioneinzubinden. Seit 2014 können interessierte die beiträge der Symposien auch auf digital zur Verfügunggestellten Medien als Live-Mittschnitte verfolgen.

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Was dadurch entstand war begeisterung von Menschen, die unterschiedlicher wohl nicht sein konnten.Wir sammelten und vereinten, suchten nach neuen Schätzen und ließen Abzweigungen zu. es reifte.Angeregt von den vielen Mitdenkerinnen und Mitdenkern entwickelte sich kontinuierlich ein gemein-sames Ziel, eine Anthologie, gefüllt mit unterschiedlichsten beiträgen aus einem Jahrzehnt Viktor FranklSymposien.

dabei war es uns besonders wichtig, die individualität und Authentizität jeder Vortragenden und jedesVortragenden auch im gedruckten beitrag so spürbar zu machen, dass beim Lesen die dynamik desSymposiums nachempfindbar wird. dieses buch ist eine Symbiose aus Vorträgen, interviews undwissenschaftlichen Texten. oft schließt das eine das andere aus, oftmals aber wieder nicht. Manchebeiträge regen zum Widerspruch an, andere werfen Fragen auf, ohne abschließende Antworten zugeben, oder bestätigen dort, wo man es nicht vermutet hätte. die Verantwortung für die Gestaltungder Texte liegt ausschließlich bei den Autorinnen und Autoren, was in das Sichtbarmachen der diversität,der Zugänge und dessen, was die einzelnen Symposien eigentlich auslösen sollten – eine Vielfalt imdenken –, floss.

Wir hoffen, auf diese Weise ein Stück der Atmosphäre der Symposien eingefangen zu haben, die in allder buntheit und den Widersprüchen vor allem eines forderten: Sich mit den Sinnfragen des Lebenskritisch und selbstbewusst auseinanderzusetzen.

Michael GutownigAngelika Trattnigdie Herausgeber

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Abstract

Seit über 160 Jahren (miss-)versteht sich der Mainstream der heutigen Wirtschaftslehre (die Standard-Theorie der ökonomik) als naturwissenschaft; deshalb steht auch ihr Menschen bild auf der Stufe vonnaturwesen und deren eigennutzenstreben. damit verpasst sie das Menschlichste des Menschen:seine geistige dimension, den Willen zu Freiheit und Verant wortung. die Folgen für Menschen, Wirt-schaft, Gesellschaft und umwelt sind fatal. im Rück griff auf die sinnzentrierte Psychologie Viktor Franklssowie auf die neuro- und evolutionsbiologie wird ein zeitgemäßes Menschenbild entwickelt: die gei-stige dimension des Menschen ma nifestiert sich im existenziellen bedürfnis nach einsicht in den Sinnseines Tuns und nach Wertschätzung als individuum. unternehmen, die sich daran halten, sind in bezugauf ihre Leistungsfähigkeit langfristig denjenigen unternehmen überlegen, die an der eigennützigkeitfesthalten: die Zukunft gehört nicht dem Wirtschafts-darwinismus, son dern der Ko-evolution.

Einleitung

Prometheus – wörtlich: der Voraus-denker – brachte den Menschen das Feuer. es steht für die Fähig -keit, über unseren Tellerrand hinaus zu schauen, in größeren Sinnzusammenhängen zu den ken und zuhandeln, folglich unsere Freiheiten und unsere Verantwortung zu erkennen, voraus zu denken, kreativzu sein, Visionen zu entwickeln und die Wirklichkeit mitzugestalten. dafür bestraften die Götter Prome-

VortrAG 1

Befreit Prometheus!Grundzüge einer menschenwürdigen, lebensdienlichen und leistungs förderndenUnternehmensphilosophie und -kultur in Theorie und Praxis

HeinRiCH AnKeR

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theus grausam: Sie ketteten ihn an den Kaukasus, und jeden Abend verzehrt(e) ein Adler seine Leber –die mythologische erklärung des Phänomens des Müdewerdens von uns Menschen.

die traditionelle ökonomie (die sog. Standard-Theorie der ökonomik1) mit ihrem dogma der eigennut-zenmaximierung tut mit den Men schen dasselbe wie einst die Götter mit Prometheus: Sie legt sie inKetten, sie erstickt jede Kreativität, sie nimmt ihnen die Kraft der Vision und die damit verbundene be-geisterung, sie will um jeden Preis verhindern, dass sie über ihren Tellerrand hinaus schauen undeigenstän dig denken, sie nimmt ihnen ihre Freiheit und Verantwortung – denn dies könnte für dasdogma der kurzfristigen eigennutzenmaximierung höchst gefährlich werden! der Preis dafür: die Men-schen werden – im wörtlichen und im übertragenen Sinne des Wortes – müder und müder.

ein Versuch, darauf eine Antwort zu finden, ist das nachfolgend skizzierte Referenzmodell einer sinn-und leistungszentrierten unternehmenskultur. es ist verbunden mit einem empiri schen instrumentzur Analyse und diagnose bestehender unternehmenskulturen und deren Weiterentwicklung inRichtung Sinn und Leistung. Der Kern dieses Modells und des daraus abgeleiteten Analyse- undentwicklungsinstruments ist ein ethischer: Es geht um die condi tion humaine in der Unternehmenswelt.Zugleich soll aufgezeigt werden, dass unternehmen, wel che diese respektieren, in der langen Fristüberdurchschnittlich vital und ertragsstark sind – ethik und unternehmenserfolg sind nicht Widersprüche,vielmehr ist eine ethische Haltung der beste, ja der einzige Weg zu einem robusten, leistungsfähigenunternehmen.

1. Zum Zusammenhang von Motivationstheorien und Ansätzen der Wirtschafts lehre

1.1 Die Ursprünge des Eigennutzenstrebens als Kern der heutigen Standard-Theorie derÖkonomik

Was unter Menschenwürde und der Qualität des Lebens im Allgemeinen und damit eng verbundenunter der Qualität des Arbeitslebens zu verstehen ist, hängt ab von der Frage, was die existenziellenbe dürfnisse und Motivationskräfte der Menschen sind. bis heute hält die Standard-Theorie der ökono-mik daran fest, das ultimative Motiv menschlichen Handelns sei das Streben nach dem größten per -sönlichen Glück bzw. – wenn wir von der Wirt schaftswelt sprechen – nach dem größten persönlichennutzen. die sog. „unsichtbare Hand“ sorge dafür, dass dieses automatisch zum „größten nutzen dergrößten Zahl“ führe.

Zu den wichtigsten Protagonisten dieser denkschule zählten Jeremy bentham (1748-1832) und JohnStuart Mill (1806-1873). nach Aloys Schumpeter fan den es diese „ganz selbst ver ständlich, sich als diephiloso phi schen Schutzherren der Wirt schaftswissen schaft zu be trachten und die Ver ant wortung für einbündnis zwi schen ihr und dem utilitaris mus zu über neh men. dieses bündnis wurde von vielen späterenökonomen wie Je vons und edge worth still schweigend übernommen.“2

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im Jahre 1861 umriss John Stuart Mill die utilitaristische Motivationstheorie (das utilitaristische Men-schenbild) folgendermaßen: “(...) pleasure, and free dom of pain (…) are the only things desirable asends (…).” daraus wiederum leitete er die Grundlagen einer nachfragetheorie ab: “(…) all desirablethings (…) are desirable either for the pleasure in herent in themselves, or as means to the promo tionof pleasure and the prevention of pain.”3

es ist eine ironie der Geschichte der Wirtschaftslehre, dass Mill diese Theorie in seiner Au tobiogra fie,erschienen in seinem Todesjahr 1873, selbst widerrief: “Ask yourself whether you are happy, and youcease to be so.“4 Willentlich lassen sich Gefühle des Glücks nicht herbeiführen oder herbeizwingen –wer dem Glück nachjagt, dem rennt es davon. Als oberste Zielgröße unseres denkens und Handelnsist es nicht verwendbar.

Mit seiner ursprünglichen eindimensionalen Motivationstheorie – das ultimative Streben des Menschengilt dem Glück – und der daraus abgeleiteten eindimensionalen nachfragetheorie – der Mensch begehrtnur bzw. fragt nur nach, was sein Glück mehrt – schuf John St. Mill die philosophischen und psycholo-gischen Grundlagen dafür, dass das nachfrage- und Angebotsverhalten anhand einfacher multipler li-nearer Gleichungssysteme modellierbar wurden. der Verlockung dieser eindimensionalen Motivations-und nachfragetheorie konnte sich die Standard-Theorie der ökonomik in der euphorie der technisch-naturwissenschaftlichen All-Machbarkeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht entziehen – das ökonomi-sche denken und Handeln wurde mathematisiert, quantifiziert und auf bloß zwei Größen reduziert:Menge und Preis.

John Stuart Mills mutiger Widerruf seiner eigenen Motivationstheorie im Jahre 1873 kam zu spät undverhallte ungehört: bis heute (miss-)versteht sich die Standard-Theorie der ökonomik als naturwissen-schaftliche disziplin. Zu stark war und ist ihr Glaube an die Weltbeherrschung durch Technik und dieVision der naturwissenschaftlich-rationalen ökonomisie rung allen Lebens, des individuellen wie des ge-sellschaftlichen. Aus heutiger Sicht handelt es sich dabei bloß noch um die illusion bzw. die ideologieeiner gesellschaftlichen ordnung auf der Grundlage vermeintlich naturwissenschaftlicher, vermeintlichobjektiver, vermeintlich universeller und vermeintlich nicht weiter hinterfragbarer Prinzipien bzw. Ge-setze. Man könnte auch von einer „diktatur des Positivismus“ sprechen. 5

Als (quasi-)naturwissenschaftliche disziplin vermag die Standard-Theorie der ökonomik in Verbin dungmit anderen naturwissenschaften wie der biologie, der klassischen Medizin etc. zwar zu sagen, wasder Mensch zum Leben braucht. Was jedoch das Leben an sich ist, was seine Fülle, seinen Sinn,seinen Reichtum jenseits aller Güter und dienstleistungen – seine Qualität, seine „Menschlichkeit“schlechthin – ausmacht, was das Leben wirklich lebensWeRT macht, das alles vermag die quasi-natur-wissenschaftliche ökonomik nicht zu sagen und deshalb auch nicht zu bieten – sie ist geistlos und ver-fehlt deshalb jene dimension, die den Menschen erst zum Menschen macht.6

Für diese Abstraktion vom Humanen bezahlen nicht nur wir Menschen einen hohen Preis (Stichworte:Menschenwürde und Lebensqualität), sondern auch die unternehmenswelt. dazu Henry Mintzberg:

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“Thus has the cult of rationality, as manifested in so-called professional management, served to destroythe deep-rooted effectiveness of many of our large organi zations, by squeezing out their very human-ness. in its own form of reduction to absurdity, professional management made organizations so rational,so efficient, that they ceased to function effectively.”7

Als Folge des “cult of rationality” driften die Mitarbeitenden einerseits, ihre Arbeit und das unternehmenanderseits immer weiter auseinander:

• Wo der Kult der Rationalität herrscht, können keine motivierenden Beziehungen (“Commit ment”) zwi-schen den Mitarbeitenden einerseits und ihrer Arbeit sowie ihrem unternehmen anderseits entstehen.Wohin dies führt, zeigt ein Forschungsprojekt von Gallup: “According to the 2010 Gallup engagementindex, from 70 to over 90 percent of all em ployees in the major na tional economies had only a weakor no relationship with their work and their employer.”8 Was dies für die Lebens- und Arbeitsqualität,die Leistungsbereitschaft und die Loyalität der Mitar beitenden, aber auch für die Firmen bedeutet, be-darf keiner weiteren erklärung.

• Wo der Kult der Rationalität herrscht, kann kein Vertrauen entstehen – es muss kompen siert werdendurch wachsende Aufwände für Kontrollen wie Corporate Governance und Compli ance. der Preis fürdas Misstrauen ist hoch. dazu ein beispiel: Von 2006 bis 2011 stockten die Schweizer banken das ent-sprechende Personal um 50 Prozent auf, und in den nächsten Jahren werden weitere Vorschriften dieRentabilität um insgesamt fünf bis zehn Prozent reduzieren. noch dramatischer sind die Aus wirkungenfür die Schweizer Privatbanken. ihre eigenkapital-Rendite sank infolge von Compliance-Aufla gen inder Zeit von 2006 auf 2011 von 13,6 auf 3,8 Prozent.9 Auf der Grundlage der Standard-Theorie derökonomik mit ihrem dogma der eigennutzenmaxi mierung stranguliert sich die unternehmensweltim mer stärker.

• Wo der Kult der Rationalität bzw. (quasi-)naturwissenschaftliche Gesetze herrschen – „die Gesetzedes Marktes zwingen uns…“, „der Markt befiehlt…“ –, hat das individuum als Wesen mit einem freienWillen und einem existenziellen Bedürfnis nach Ein sicht in den Sinn seiner Arbeit keinen Platz mehr.Letzteres ist jedoch genau das, was die Menschen möchten: “World-wide around 50 % of all em-ployees would be willing to make concessions concerning their wages or their profes sional status, inexchange for doing more meaningful work.”10 der durst nach Sinn, letztlich nach der verant wortlichenTeilhabe an der Mitgestaltung unserer Wirklichkeit, ist unübersehbar

• Wo der Kult der Rationalität herrscht, gibt es keinen Raum für Werte jenseits der Ökono mie; es zählteinzig der kurzfristige, maximale Shareholder Value. Auch hier sagt die empirie etwas ganz anderes:“in europe, north America and Asia, 80 to 90 percent of all employees ex pressed a preference foremployers who act in ethically and socially responsible ways and who are considered to be environ-mentally friendly.11 of fensichtlich sind wir Menschen entgegen der Standard-Theorie der ökonomik

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nicht nur zweckra tionale naturwesen wie Tiere und Pflanzen, sondern Wesen mit einem Sinn für ge-sellschaftliche Werte und Verantwor tung für uns selbst und gegenüber einem größe ren Ganzen.

Mit seinem berühmt gewordenen Aufsatz von 1970 mit dem Titel “The Social Responsibility of businessis to increase its Profits” trieb Milton Friedman das dogma der eigennutzenmaximierung auf die Spitze:„(…) in a free society (…) there is one and only one social re sponsibility of business – to use its resour-ces and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of thegame, which is to say, engag es in open and free competition without deception or fraud.”12

40 Jahre später zieht der bekannte Harvard-Wirtschaftslehrer Michael Porter eine ernüch ternde bilanz:“The capitalist system is under siege. in recent years business increasingly has been viewed as a majorcause of social, environmental, and economic problems. Com panies are widely perceived to be pro-spering at the expense of the broader community (…). The legitimacy of business has fallen to levelsnot seen in recent history (…).” Porters ursachenanalyse weist direkt zurück auf Friedmans dogma: “Abig part of the problem lies with companies themselves, which remain trapped in an outdated approachto value creation. (…) They continue to view value creation narrowly, optimizing short-term fi nancial per-formance in a bubble while missing the most important customer needs and ig noring the broader influ -ences that determine their longer-term success.”13

Mit ihrer Fixierung auf die kurzfristige Shareholder Value-Maximierung bringt die Standard-Theorie derökonomik die unternehmen in Konflikt mit

• den Kund/innen (minimale Leistung für möglichst hohe Preise, fehlende Kulanz),

• den Mitarbeitenden (Lohn- und Leistungsdruck, gesundheitliche Probleme),

• den Lieferant/innen (Preisdruck bis zum Punkt, wo sie nicht mehr in die Qualität und innovationeninvestieren können),

• den Anteilseigner/innen (exorbitante Manager-boni gehen auf Kosten der dividenden),

• der Gesellschaft (externe effekte wie Arbeitslosigkeit / Arbeitsunfähigkeit, gesundheitsgefährdendeProdukte, Kosten der Klimaveränderung, soziale unrast infolge wachsender einkommens- und Ver-mögensdisparitäten etc.)14 und

• der natürlichen umwelt (negative externe effekte bei der Rohstoffgewinnung, der Produktion, derLagerung und entsorgung, übernutzung der Ressourcen).

Solche unternehmen schädigen immer stärker jene Grundlagen, von denen sie leben. Sie geraten immertiefer in einen Abwärtsstrudel. dies wiederum führt die unternehmen in einen immer noch aggressive-ren darwinistischen überlebenskampf um Marktanteile, oder sie verschwören sich mittels Kartellengegen die Kund/innen. die Wirtschaftspolitik ist infolgedessen gezwungen, das Marktgeschehen immer

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mehr zu regulieren, was für die unternehmen zusätzlichen Administrativaufwand verursacht – auch fürdiejenigen, welche korrekt handeln.

Auf einem anderen blatt steht ferner die Frage, welches Wirtschaftswachstum wir uns auf dauer leistenkönnen: Weltweit verbrauchen wir heute wesentlich mehr Ressourcen, als unser Planet in der langenFrist hergibt. Was hier passiert, ist völlig irrational – zurückzuführen auf die Standard-Theorie der öko-nomik, welche alle jene Wirtschaftsakteur/innen für irrational erklärt, die am Segen und Sinn der kurz-fristigen eigennutzenmaximierung zweifeln.

1.2 Das Ringen um eine zeitgemäße und menschengerechte Motivationstheorie

John Stuart Mill widerrief seine Motivationstheorie nicht nur, sondern er stieß auch das Tor zu einemanderen Weg auf: “Ask yourself whether you are happy, and you cease to be so.” und weiter: “The onlychance is to treat, not happiness, but some end exter nal to it, as the purpose of life.”15

diesen Faden von John Stuart Mill nahm die sinnzentrierte Psychologie später wieder auf und ent -wickelte ihn weiter zu einer, wie wir noch sehen werden, aktuellen und durch ver schiedene Wissen-schaftsdisziplinen abgestützten Motivationstheorie. Viktor Frankl – er gilt nach Freud und Adler als derdritte und Modernste des großen dreigestirns der Wiener Psychiatrieschule – schrieb 1985: “ (…) hap -piness (…) cannot be pursued; it must ensue, and it only does so as the unintended side-effect of one’spersonal dedication to a cause greater than oneself or as the by-product of one’s surrender to a personother than oneself. Happi ness must happen (…): you have to let it happen by not caring about it.”16

die erfahrung des Glücklich-Seins und ein sinnvolles und erfülltes Leben werden nach Viktor Frankl dannmöglich, wenn der Mensch sich nicht eigennützig auf sein eigenes Glück fokus siert, sondern über sichhinaus schaut, indem er einer Sache dient, die größer ist als er selbst, oder indem er sich anderen Men -schen als individuen zuwendet. Sich für eine Sache einsetzen, welche größer ist als wir selbst, heißt, dieinteressen von Gruppen von Menschen wahrzunehmen oder sich von einem gesellschaftlichen idealleiten zu lassen. ein bei spiel sind Ärzt/innen, die nicht nur ihres Honorars wegen arbeiten, sondern sichim dienst der Lebenserhaltung und Lebens qualität der Menschen sehen. das universum der ideale, dieunserem Leben Sinn verleihen und uns orientierung geben, ist unerschöpflich: Freiheit, (Selbst-)Verant-wortung, erhaltung des Lebens, Würde der Krea tur, demokratie, freie Meinungsbildung, Gleichheit vordem Gesetz, Gerechtig keit, bildung, Humanität, nächstenliebe, Gesundheit, Sicherheit, ökologie, Mobilität,Kommunikation etc. Viele von ihnen verkörpern gesellschaftliche Werte von einer langen Gültigkeit undWirk sam keit. die zweite wichtige Quelle des Sinns und des Glücks ist die Zuwendung, die wir anderenMenschen als individuen zuteilwerden lassen und die uns durch andere Menschen zuteilwird.

die Zuwendung zu Menschengruppen oder idealen verhilft uns aufgrund unserer empathiefähigkeit zurerfahrung, gut für etwas zu sein. Viktor Frankl spricht dabei von einem „Wozu zu leben“. ebenfalls auf-grund unserer empathiefähigkeit verschafft uns die Zuwendung zu konkreten individuen die erfahrung,

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gut für jemanden zu sein. Gemäß Viktor Frankl geht es dabei um ein „Für wen zu leben“. beides wie-derum ist für uns eine fundamentale Quelle unseres Selbst-Werts und unserer identität. beides mündetin die erfahrung und die Gewissheit: „es ist gut, dass es mich gibt, ich habe einen Platz in dieser Welt;mein Leben ist lebensWeRT!“

die erfahrung von Sinn in unserem Handeln und die erfahrung, als individuum wertge schätzt zu werden,sind für uns Menschen nach Viktor Frankl existenzielle Be dürfnis se – sie sind von grundlegender be-deutung für unser Menschsein, für unsere Menschenwürde und unse re Lebensqualität. Sie sind unserLe benselixier, und entsprechend stark sind die Kräfte, die wir für unsere Aufgaben mo bilisieren können,wenn sie aus unserer Sicht mit der erfahrung von Sinn und Wertschät zung als individuum verbundensind.

ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie erwachen eines Morgens, und plötzlich schießt ihnender Gedanke durch den Kopf: „ich sehe keinen Sinn mehr in dem, was ich tue, und es wartet auch garniemand auf mich!“ Vielleicht spüren Sie körperlich, wie ihre Kraft ab fließt. bleiben Sie nicht zu langean diesen Gedanken hängen, sondern spüren Sie, wie es sich stattdessen anfühlt, wenn Sie zur Arbeitfahren und sich sagen können: „da ist je mand, der wartet auf mich; meine dienste sind gefragt und ichwerde dafür auch als Mensch geschätzt!“ oder stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn Sie auf der Heim-fahrt von der Arbeit sagen können: „Toll, heute konnte ich wieder jemandem weiterhelfen! Meine Arbeithat sich gelohnt.“

Wir sind damit weit entfernt von der Standard-Theorie der ökonomik mit ihrem lähmenden dogma dereigennutzenmaximierung. Wenn wir eine zeitgemäße Motivationstheorie in eine einfache Formel gießenwollten, könnte sie so lau ten: Wer Leistung fordert, muss den Menschen die erfahrung von Sinn undWert schätzung bieten.

Sinn und Selbst-Wert sind bedürfnisse der individuen. im Gegensatz zum Wettlauf um das eigenegrößte Glück bzw. um den eigenen maximalen nutzen werfen uns diese bedürf nisse jedoch nicht aufuns selbst zurück. Sie trennen uns nicht von den anderen Menschen, sondern wir können sie nur in derbeziehung zu anderen Menschen erfüllen – sie verbinden uns! Aus der Sicht der Wirtschaftslehre heißtdies: Aufgrund des hier skizzierten Menschenbildes ist es im Gegensatz zur Standard-Theorie der öko-nomik nicht notwendig, eine wundersame „unsichtbare Hand“ zu postulieren, welche das individuelleeigennutzenstreben „irgendwie“ in das „größte Glück der größten Zahl“ transformiert (was sie im kon-kreten Wirtschaftsle ben auch gar nicht tut und nie getan hat).

Sinn und menschliche Anerkennung bzw. der damit verbundene Selbst-Wert sind nicht be dürfnisseunter anderen, sie beziehen sich auf das Menschsein an sich: Sie sind, wie er wähnt, existenziell. des-wegen sind fehlende Sinn-erfahrungen und fehlende Wertschätzung als Mensch durch nichts kompen-sierbar, zumal nicht durch materielle „Anreize“.

Mit Michael Tomasello17 könnten wir zusammenfassend festhalten: Wir Menschen sind auf grund desmenschlichen empathievermögens (es ist von anderer Qualität als das animali sche) nach nicht primär

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eigennützige, sondern primär und a priori auf Verständigung (Aus tausch und nachvollzug von Sinnge-halten) und Kooperation ausgerichtete Wesen. Für die Führung, für die Philosophie und Kultur, für diewirtschaftliche und gesellschaftliche Funktion, für die Strategie, für die Prozesse und die organisationvon unternehmen hat dies weitreichende Konsequen zen, bis hin zu einer wirksamen betrieblichenGesundheitspflege.

1.2.1 Zur menschlichen Wertschätzung

Wann fühlen wir uns ernst genommen und als Mensch anerkannt? Joa chim bauer formuliert die fol-genden bedingungen für gelingende menschliche beziehun gen.

1. Sehen und gesehen werden: Menschen wollen als Personen wahrgenommen und ange sprochenwerden.

2. Gemeinsame Aufmerksamkeit: Menschen haben ein bedürfnis, dass interaktionspart ner/innen sichfür ihre Anliegen, für das, was ihnen wichtig ist, interessieren.

3. Emotionale Resonanz: die bereitschaft, die Stimmungen der interaktionspartner/innen aufzuneh men,sich in ihre Situation zu versetzen und adäquat zu handeln, bringt sie einan der einen weiteren Schrittnäher: Gegenseitiges involvement schafft Gemeinsam keit.

4. Gemeinsames Handeln: Konkret etwas mit anderen unternehmen, selbst anpacken und nicht bloßdelegieren, ist nach bauer ein weiterer, meist völlig unterschätzter, jedoch in hohem Maße beziehungstiftender Aspekt.

5. Verstehen von Motiven und Absichten der interaktionspartner/innen: Verständigung ist das wichtigstebeziehungselement überhaupt – hier kommt das menschliche empathie vermögen in seiner emotio-nalen, aber auch in seiner kognitiven dimensionen voll zur Geltung. Gelingende Führungs- und Kun-denbeziehungen sind ohne diese nicht mög lich.18

1.3 Zum Beitrag der Neurobiologie und Evolutionsbiologie zu einer modernen Motivations-theorie in der Ökonomik

Sinn und Wertschätzung sind die beiden Grundbausteine einer sinn- und leistungszentrier ten unterneh-menskultur – gewissermaßen ihre Kristallisationskerne: Sie wirken nicht nur im innern eines unterneh-mens, sondern auch gegen außen, im umgang mit den Kund/innen, den Lieferant/innen, denexponent/innen der Gesellschaft u.v.a., mit sog. Stakeholdern. Auch für sie ist die erfahrung von Sinnund Wertschätzung in der interaktion mit dem unternehmen bedeutsam, und zugleich sind sie wie-derum eine Quelle der Motivation für die Mitarbeitenden dank der erfahrung, „für jemanden oder etwasgut zu sein“.

Mit seiner Motivationstheorie ist Viktor Frankl als Vertreter der sinnzentrierten Psychologie (sie zählt zuden Humanistischen Psychologien) nicht (mehr) alleine.

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• Zum Thema Sinn und Anerkennung aus neurobiologischer Sicht schreibt Joachim bauer: „Wenn Aner-kennung, Zu gewandtheit und Vertrauen der neurobiologische Treib stoff der Motivationssysteme sind:Woher kommt dieser Treibstoff? (...) er stammt aus nur einer Quelle: der zwischen mensch lichen be-ziehung.“ bauer weiter: „Motivation als Grund haltung wird nicht in geringem Maße auch dadurchbeein flusst, ob Menschen das Gefühl haben, dass ihre Arbeit bzw. das, wofür sie arbeiten, grund -sätzlich sinnvoll ist. ‚Sinnvoll’ ist ein wirtschaftliches unterneh men dann, wenn es letzten endes derGe sell schaft nützenden, d. h., kooperativen Zielen dient.“19

• Welche entwicklungs- und Leistungspotenziale sich mit menschlicher Anerkennung und Kooperationverbinden, beschreibt auch Gerald Hüther, wie Joachim bauer neurobiologe: „beginnt man erst einmaldarüber nachzudenken, welche Grundhaltungen man sich wohl zu eigen machen müsste, um sein Ge-hirn fortan umfassender, komplexer und vernetzter zu benutzen als bisher, so kommen einem [nebenAchtsamkeit und behut samkeit] noch eine ganze Reihe von begriffen in den Sinn (…): Sinnhaftigkeit,Aufrichtig keit, bescheidenheit, umsicht, Wahrhaftigkeit, Verlässlichkeit, Ver bindlichkeit (...). das einzige,was er braucht, sind andere Menschen, mit denen er seine Wahrnehmungen, seine empfindungen,seine erfahrungen und sein Wissen teilen kann.“20 Koopera tion macht nach Hüther intelligent. dasdogma des eigennutzenstrebens trennt die Menschen und lässt sie verkümmern.

• nicht minder aufregend ist, was die evolutionstheorie aufgrund der jüngsten Forschung zutage geför-dert hat. Gerhard neuweiler: „die evolution ist eine großartige und hin reißende Geschichte über dieemanzipation des Lebens aus den engen Fesseln der natur in mehr und mehr selbstbestimmte Frei-heit, und der Höhepunkt dieser emanzipa tionsgeschichte ist der Mensch.“21 – eine zeitgemäße Ant-wort auf die Standard-Theorie der ökonomik, welche von uns Menschen immer noch verlangt, wieTiere und Pflanzen, d. h., wie reine naturwesen bloß unseren eigenen nutzen zu verfolgen.

Wenn hier unter bezugnahme auf naturwissenschaften wie die neuro- und evolutionsbiolo gie dasSelbstverständnis der Standard-Theorie der ökonomik als Quasi-naturwissenschaft kritisiert wird, istdies kein Widerspruch: es wird deutlich, dass die Standard-Theorie der ökonomik in bezug auf ihre ausder Zeit vor der entdeckung der Glühbirne stammende Moti vationstheorie selbst im Vergleich zu „ech-ten“ naturwissenschaften weit zurückgeblieben ist.

dies ist weit mehr als bloß eine „akademische“ Frage, denn die Konsequenzen des dogmas der eigen-nützigkeit sind für Menschen, unternehmen, Wirtschaft, Gesellschaft und umwelt sehr konkret, wiemit bezugnahme auf Michael Porter gezeigt wurde.

1.4 Annäherung an den Sinn-Begriff und sein Bezug zu gesellschaftlichen Werten

im Sinne der Vorbereitung eines weiteren Argumentationsschritts (siehe Kap. 2) wollen wir uns nochvertiefter mit dem Phänomen „Sinn“ beschäftigen. es besitzt drei dimensionen:

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eine erste Sinn-Dimension bilden Ideale. dabei handelt es sich um auf einer Skala von „unwichtig“ bis„wichtig“ hoch eingestufte gesellschaftliche Werte mit einer überzeitlichen und überräumlichen Gültig-keit. Sie vermitteln uns in allen Le benslagen orientierung und Sinn: ideale wie Gesundheit, Sicherheit,Leben, Mobilität, Ge rechtigkeit, umweltschutz, Liberté, Fraternité, Égalité etc. verweisen auf Möglich-keiten, wie wir gut für jemanden oder etwas sein können, wo wir mit unserem Tun und Handeln etwasin einem positiven Sinne bewegen, wie wir das Leben von Menschen oder Menschengruppen oderunserer Gesellschaft bereichern und so einen Platz in ihr finden können. ideale sind wie Fixsterne: Siegeben uns Halt und orientierung auch in den Stürmen des Lebens.

die zweite Sinn-Dimension ist die soziale (zwischenmenschliche): Sie verbindet sich mit dem As pektder Wertschät zung: Gegenseitige Wertschätzung erfordert die gemeinsame orientie rung an den Prinzi-pien der Reziprozität und empathie sowie an Werten wie der unveräußer lichen Menschenwürde, derToleranz und der Verständigung bzw. des gegenseitigen Ver ständnisses:22 es geht um die Grundeinsicht,dass andere Menschen uns und unser Leben gerade durch ihr Anders-Sein bereichern – auch wenn esnicht immer einfach ist, dies so zu sehen! ein solches auf gesellschaftlichen Werten basieren des Grund-verständnis ist nicht zuletzt für unternehmen, für ihre integration im inneren und ihre Anpassungsfähig -keit und innovationskraft in bezug auf die Außenwelt von großer bedeutung.

die dritte Sinn-Dimension menschlichen Handelns ergibt sich aus der Zeitachse: Wenn wir uns hoheZiele setzen, „macht“ jeder einzelne Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel „Sinn“. diese Schritte sindumso motivierender, je „werthaltiger“ das Ziel ist, je mehr es sich mit ei nem ideal (Sinndimension 1)verbindet und das Leben anderer Menschen oder Menschen gruppen bereichert (Sinndimension 2).

indem individuen sich an gesellschaftlichen Werten orientieren, stellen sie sich in den dienst eines grö-ßeren gesellschaftlichen Ganzen. dennoch: die individuen sind alles andere als bloß Funktionen oder„Abziehbilder“ ihrer Gesellschaft:

• Als geistbegabte Wesen mit einem freien Willen sind individuen dem Gesellschaftli chen nicht „wehr-los“ unterworfen. Sinnhaftes Handeln setzt zwar einerseits das Gesellschaftliche (Werte) voraus, aberdas Gesellschaftliche legitimiert sich in einer freiheitli chen ord nung seinerseits wiederum nur durchseinen dienst an den individuen dieser Gesellschaft. „Sinn“ ergibt sich so gesehen aus der interde-pendenten beziehung zwi schen individuen und Gesellschaft bzw. aus entsprechenden Handlungen.

• in offenen Gesellschaften gibt es gleichzeitig eine Vielzahl von Werten, die sich zum Teil sogar wider-sprechen. es obliegt dem ethischen Gewissen jeder einzelnen / jedes einzelnen, von welchen Wertener oder sie sich letztlich leiten lässt und welchen Sinn im Handeln er oder sie realisieren will.

• Werte erfahren wir nur dann als sinnstiftend und motivierend, wenn wir sie frei wählen können; auf-oktroyierte Werte sind Zwänge und als solche keine echten – aus freiem Willen und eigener Verant-wortung gewählte – Werte und folglich auch keine Quelle von Sinn, Wertschätzung und Motivation.

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• Für die unternehmenswelt hat dies u. a. die folgenden Konsequenzen:

– es obliegt der Freiheit und Verantwortung jeder einzelnen / jedes einzelnen, von welchem Sinn-An gebot welches unternehmens er oder sie als Mitarbeitende/r Gebrauch macht.

– Für unternehmen (und andere leistungsorientierte institutionen) heißt dies ander seits, dass sie sichklar zu Fragen von Sinn und Werten bekennen und diese glaub haft leben müssen.

2. Das Unternehmen als Quelle des Sinns und der Wertschätzung der Mitarbeiten den

2.1 Zwei grundsätzlich verschiedene Unternehmensphilosophien

Wenn es stimmt, dass der, der Leistung fordert, den Menschen Sinn und Wertschätzung bieten muss,dann lohnt es sich für unternehmen zu fragen, wie sie ihren Mitarbeitenden welche Sinnangebote ma-chen und sie Wertschätzung erfahren lassen können. Am effektivsten tun sie dies, indem sie selbst gutfür jemanden oder etwas sind, d. h., indem sie sich in den dienst von Kun d/innen und Gesell schaft stel -len. Auf diese Weise erwerben sie ihrerseits einen da seins-Sinn (raison d’être) und einen guten Ruf(Wertschätzung) in der Gesellschaft. das heißt nicht, dass das Gewinnmotiv außer Acht zu lassen wäre,es geht jedoch darum, dass sich unternehmen vom Gedanken lösen, dass sie gemäß Milton Friedmanprimär die Auf gabe haben, ihren kurzfristigen Shareholder Value zu maximieren, d. h., einen Selbst -zweck zu ver folgen, sondern sich stattdessen von der einsicht leiten lassen, dass der erfolg das Re -sultat der Leistun gen des unternehmens zuhanden von Kun d/innen und Gesellschaft ist.

dies ist gelebte Realität (wie es sie gemäß der Standard-Theorie der ökonomik eigentlich gar nichtgeben dürfte). dazu ein paar illustrierende Facetten:

• david Packard, Mitgründer von Hewlett-Packard: “i want to discuss why (…) a com pany exists in thefirst place. in other words, why are we here? i think many people as sume, wrongly, that a companyexists simply to make money. While this is an important result of a company’s existence, we have togo deeper and find the real reasons for our being. As we investigate this, we inevitably come to theconclusion that a group of peo ple get to gether and exist as an institution that we call a company sothey are able to accomplish something collectively that they could not accom plish sep arately – theymake a contribution to society, a phrase which sounds trite but is funda mental… You can look around(…) and still see people who are interested in money and nothing else, but the un derlying drives comelargely from a desire to do something else – to make a product – to give a service – generally to dosomething which is of value.”23

• Fredmund Malik, Gründer des Management-Zentrums St. Gallen (MZSG): „Man kann natürlich nie-mandem verwehren, ein unternehmen aus der Sicht des Gewinnes zu füh ren und es als Mittel derGewinnmaximierung einzuset zen. die diesbezüglichen Theo rien erscheinen so plausibel, dass siekaum hinterfragt werden (...). immer wieder wurde gezeigt und schlüssig bewiesen, dass sowohl dasGewinnmotiv selbst als auch die ökonomie der Gewinnmaximierung inhaltsleer sind. Was aber viel

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