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Convention des droits de ITiomme 360 16 juin 1969 Nachmittagssitzung vom 16. Juni 1969 Séance du 16 juin 1969, après-midi Vorsitz - Présidence : M. Aebischer 10114. Menschenrechtskonvention des Europarates. Bericht des Bundesrates Convention des droits de l'homme du Conseil de l'Europe. Rapport du Conseil fédéral Fortsetzung - Suite Siehe Seite 345 hiervor - Voir page 345 ci-devant Eggenberger, Berichterstatter: Es ist nicht leicht, zur verwirrenden Fülle von Argumenten und Gegenargumenten für und gegen zustimmende Kenntnisnahme zum Bericht des Bundesrates in einem kurzen Schlusswort Stellung zu nehmen. Ich möchte trotzdem vom Recht des Kommis- sionspräsidenten Gebrauch machen und ein paar Gedanken äussern. Zunächst eine Vorbemerkung zu den Aktionen der Frauenstimmrechtsverbände. Ich halte nach wie vor dafür, dass sich die Frauenorganisationen mit ihrem hartnäckigen Widerstand den «lätzen Finger verbunden» haben. Und wenn man schon mit Herrn Allgöwer von falschen Alter- nativen sprechen will, dann liegt hier eine falsche Alternative, und nicht beim Antrag des Bundesrates und der Kommis- sionsmehrheit. Ich habe mit vielen Frauen über diese Dinge gesprochen, und ich weiss, dass mit der wohl «konzertier- ten Aktion» der Frauenverbände lange nicht alle Frauen einverstanden sind, von der einfachen Hausfrau weg bis zur politisch aktiven Akademikerin. Soeben ist von einer Frau ein Telegramm eingegangen, das ich Ihnen nicht vorenthal- ten möchte. Diese Frau telegraphiert uns: «Stimmt um Gottes willen dem bundesrätlichen Bericht zu ; Menschen- recht geht vor Frauenstimmrecht.» Ich gestatte mir auch, darauf hinzuweisen, dass nach einem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» vom S.Juni dieses Jahres eine in der Politik bereits aktiv tätige Frau eine andere Stellung bezogen hat als die Organisationen der Frauen. «Dass auch weitblickende Frauen die positiven Seiten einer Unterzeichnung der Menschenrechtskonven- tion durch die Schweiz zu erkennen und über gewisse Trotzreaktionen zu stellen vermögen, geht aus der ein- drücklichen Stellungnahme der bekannten Genfer Stadt- rätin Lise Girardin hervor. Nach ihrer Ansicht wäre die Schweiz gut beraten, wenn sie die Menschenrechtskonven- tion trotz den Vorbehalten unterschreiben würde. Madame Girardin ist überzeugt, dass die politische Gleichberechti- gung der Frauen durch die Unterzeichnung beschleunigt werden könnte, da die Schweiz möglichst bald den gleichen Status wie die ändern Länder erreichen möchte. Diese Auffassung wird in vielen Kreisen geteilt. Mit einer posi- tiven Einstellung zur Unterzeichnung kann voraussichtlich die Frage des Frauen-Stimm- und -Wahlrechts weitaus schneller und schmerzloser gelöst werden als mit einem sturen Beharren auf Nichtunterzeichnung, bevor alle Fragen gelöst sind. » Dass wir diese Fragen lösen müssen, das ist auch mir klar. Nun gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu den verschiedenen Anträgen. Den Antrag Schwarzenbach muss ich zur Ablehnung empfehlen. Er passt meines Erachtens nicht recht in die heutige politische Landschaft. Ich verstehe auch nicht recht den Zusammenhang dieses Antrages mit der Motion der Kommission. Was will die Kommission ? Die Kommission beauftragt den Bundesrat, so bald wie möglich die politische Gleichberechtigung der Frauen und die Beseitigung der konfessionellen Ausnahmeartikel den Räten und dem Volke vorzuschlagen. Ich habe auch die Auffassung, dass die von Herrn Schwarzenbach aufgeworfene Frage bei der all- fälligen Ratifikation der Menschenrechtskonvention zu be- handeln wäre. Ob im Sinne von Artikel 25 eine Erklärung abzugeben ist, haben die Räte dann zu entscheiden. Ich kann auch sonst in verschiedenen Voten angemeldete Bedenken gegen die Individualbeschwerde nicht teilen. Der historische Begriff des «fremden Richters» ist, wie die Herren Masoni und Bieri klar auseinandergesetzt haben, hier völlig fehl am Platze. Wir anerkennen Richter, die uns von einer fremden Macht aufoktroyiert werden, nicht an. Ohne kollektive Garantien, ohne Einschaltung wirksamer Mittel, ohne internationalen Schutzmechanismus, der über die Einhaltung der von den Unterzeichnern eingegangenen Verpflichtungen wacht, bliebe die Konvention eine neue Deklaration, eine weitere schöne international verbrämte Phrase. Nun noch ein paar Worte zum Antrag von Herrn Dürrenmatt. Herr Dürrenmatt fordert den Rat zu einer klaren Entscheidung heraus. Damit wird gegenüber dem Antrag der Kommissionsmehrheit eine echte Alternative aufgestellt. Der Antrag bedeutet in seinen Folgerungen ein rigoroses Nein gegenüber einer zustimmenden Stellung- nahme des Rates zum Berichte des Bundesrates; er bedeutet weiter ein Nein zur Unterzeichnung und Ratifikation. Ich persönlich würde die Annahme des Antrages von Herrn Dürrenmatt tief bedauern, und ich muss die Ablehnung dieses Antrages beantragen. Es kann meines Erachtens nicht die Rede davon sein, dass der freie Entscheid über die politische Gleichberechtigung und die Ausnahmeartikel durch die Unterzeichnung der Konvention bereits vorweg- genommen worden wäre. Diese beiden Probleme stehen so oder so, mit und ohne Unterzeichnung der Konvention, auf unserer politischen Tagesordnung und müssen - ich wieder- hole es - eines Tages gelöst werden. Der Antrag von Herrn Chevallaz geht in seinen Konse- quenzen nicht so weit wie der Antrag von Herrn Dürren- matt. Immerhin soll nicht sofort unterzeichnet werden, sondern Unterzeichnung und Ratifikation sollen auf- geschoben werden. Ich muss mich jedoch fragen, was heisst das: Der Nationalrat anerkennt den Willen zum Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention als schweizerische Beteiligung an der europäischen Zusammen- arbeit? Ich muss besonders fragen: Ist das mehr als eine neue rein platonische Deklaration? Unterzeichnung und Ratifikation sollen nach Antrag von Herrn Chevallaz auf- geschoben werden. Frage: Wie lange? 10 Jahre? 20 Jahre? Bis in Bund und Kantonen die politische Gleichberechtigung der Frauen realisiert sein wird? Bis die konfessionellen Ausnahmeartikel ausgemerzt sein werden? Das kann - dieser Auffassung hat auch Herr Allgöwer in unserem Radiogespräch Ausdruck gegeben - 10 bis 20 Jahre dauern. Immerhin möchte ich sagen : Der Antrag Chevallaz ist, vom Standpunkt der Kommissionsmehrheit aus betrachtet, von zwei Übeln das kleinere. Wenn Sie dem Antrag der Mehr- heit nicht zustimmen wollten, dann akzeptieren Sie even- tuell den Antrag Chevallaz. Prinzipiell muss ich aber Ab- lehnung auch dieses Antrages beantragen. Zum Schluss noch einige allgemeine Bemerkun- gen:

10114. Menschenrechtskonvention des Europarates. Bericht ... · c'est, pour le premier, l'argument du «juge étranger» qui l'emporte. Le second exprime une méfiance fondamentale

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Page 1: 10114. Menschenrechtskonvention des Europarates. Bericht ... · c'est, pour le premier, l'argument du «juge étranger» qui l'emporte. Le second exprime une méfiance fondamentale

Convention des droits de ITiomme 360 16 juin 1969

#ST# Nachmittagssitzung vom 16. Juni 1969Séance du 16 juin 1969, après-midi

Vorsitz - Présidence : M. Aebischer

10114. Menschenrechtskonvention desEuroparates. Bericht des Bundesrates

Convention des droits de l'homme du Conseilde l'Europe. Rapport du Conseil fédéral

Fortsetzung - SuiteSiehe Seite 345 hiervor - Voir page 345 ci-devant

Eggenberger, Berichterstatter: Es ist nicht leicht, zurverwirrenden Fülle von Argumenten und Gegenargumentenfür und gegen zustimmende Kenntnisnahme zum Berichtdes Bundesrates in einem kurzen Schlusswort Stellung zunehmen. Ich möchte trotzdem vom Recht des Kommis-sionspräsidenten Gebrauch machen und ein paar Gedankenäussern.

Zunächst eine Vorbemerkung zu den Aktionen derFrauenstimmrechtsverbände. Ich halte nach wie vor dafür,dass sich die Frauenorganisationen mit ihrem hartnäckigenWiderstand den «lätzen Finger verbunden» haben. Undwenn man schon mit Herrn Allgöwer von falschen Alter-nativen sprechen will, dann liegt hier eine falsche Alternative,und nicht beim Antrag des Bundesrates und der Kommis-sionsmehrheit. Ich habe mit vielen Frauen über diese Dingegesprochen, und ich weiss, dass mit der wohl «konzertier-ten Aktion» der Frauenverbände lange nicht alle Fraueneinverstanden sind, von der einfachen Hausfrau weg bis zurpolitisch aktiven Akademikerin. Soeben ist von einer Frauein Telegramm eingegangen, das ich Ihnen nicht vorenthal-ten möchte. Diese Frau telegraphiert uns: «Stimmt umGottes willen dem bundesrätlichen Bericht zu ; Menschen-recht geht vor Frauenstimmrecht.»

Ich gestatte mir auch, darauf hinzuweisen, dass nacheinem Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» vom S.Junidieses Jahres eine in der Politik bereits aktiv tätige Fraueine andere Stellung bezogen hat als die Organisationen derFrauen. «Dass auch weitblickende Frauen die positivenSeiten einer Unterzeichnung der Menschenrechtskonven-tion durch die Schweiz zu erkennen und über gewisseTrotzreaktionen zu stellen vermögen, geht aus der ein-drücklichen Stellungnahme der bekannten Genfer Stadt-rätin Lise Girardin hervor. Nach ihrer Ansicht wäre dieSchweiz gut beraten, wenn sie die Menschenrechtskonven-tion trotz den Vorbehalten unterschreiben würde. MadameGirardin ist überzeugt, dass die politische Gleichberechti-gung der Frauen durch die Unterzeichnung beschleunigtwerden könnte, da die Schweiz möglichst bald den gleichenStatus wie die ändern Länder erreichen möchte. DieseAuffassung wird in vielen Kreisen geteilt. Mit einer posi-tiven Einstellung zur Unterzeichnung kann voraussichtlichdie Frage des Frauen-Stimm- und -Wahlrechts weitausschneller und schmerzloser gelöst werden als mit einemsturen Beharren auf Nichtunterzeichnung, bevor alleFragen gelöst sind. »

Dass wir diese Fragen lösen müssen, das ist auch mirklar.

Nun gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu denverschiedenen Anträgen.

Den Antrag Schwarzenbach muss ich zur Ablehnungempfehlen. Er passt meines Erachtens nicht recht in die

heutige politische Landschaft. Ich verstehe auch nicht rechtden Zusammenhang dieses Antrages mit der Motion derKommission. Was will die Kommission ? Die Kommissionbeauftragt den Bundesrat, so bald wie möglich die politischeGleichberechtigung der Frauen und die Beseitigung derkonfessionellen Ausnahmeartikel den Räten und dem Volkevorzuschlagen. Ich habe auch die Auffassung, dass die vonHerrn Schwarzenbach aufgeworfene Frage bei der all-fälligen Ratifikation der Menschenrechtskonvention zu be-handeln wäre. Ob im Sinne von Artikel 25 eine Erklärungabzugeben ist, haben die Räte dann zu entscheiden. Ichkann auch sonst in verschiedenen Voten angemeldeteBedenken gegen die Individualbeschwerde nicht teilen. Derhistorische Begriff des «fremden Richters» ist, wie dieHerren Masoni und Bieri klar auseinandergesetzt haben,hier völlig fehl am Platze. Wir anerkennen Richter, die unsvon einer fremden Macht aufoktroyiert werden, nicht an.Ohne kollektive Garantien, ohne Einschaltung wirksamerMittel, ohne internationalen Schutzmechanismus, der überdie Einhaltung der von den Unterzeichnern eingegangenenVerpflichtungen wacht, bliebe die Konvention eine neueDeklaration, eine weitere schöne international verbrämtePhrase.

Nun noch ein paar Worte zum Antrag von HerrnDürrenmatt. Herr Dürrenmatt fordert den Rat zu einerklaren Entscheidung heraus. Damit wird gegenüber demAntrag der Kommissionsmehrheit eine echte Alternativeaufgestellt. Der Antrag bedeutet in seinen Folgerungen einrigoroses Nein gegenüber einer zustimmenden Stellung-nahme des Rates zum Berichte des Bundesrates; er bedeutetweiter ein Nein zur Unterzeichnung und Ratifikation. Ichpersönlich würde die Annahme des Antrages von HerrnDürrenmatt tief bedauern, und ich muss die Ablehnungdieses Antrages beantragen. Es kann meines Erachtensnicht die Rede davon sein, dass der freie Entscheid über diepolitische Gleichberechtigung und die Ausnahmeartikeldurch die Unterzeichnung der Konvention bereits vorweg-genommen worden wäre. Diese beiden Probleme stehen sooder so, mit und ohne Unterzeichnung der Konvention, aufunserer politischen Tagesordnung und müssen - ich wieder-hole es - eines Tages gelöst werden.

Der Antrag von Herrn Chevallaz geht in seinen Konse-quenzen nicht so weit wie der Antrag von Herrn Dürren-matt. Immerhin soll nicht sofort unterzeichnet werden,sondern Unterzeichnung und Ratifikation sollen auf-geschoben werden. Ich muss mich jedoch fragen, washeisst das: Der Nationalrat anerkennt den Willen zumBeitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention alsschweizerische Beteiligung an der europäischen Zusammen-arbeit? Ich muss besonders fragen: Ist das mehr als eineneue rein platonische Deklaration? Unterzeichnung undRatifikation sollen nach Antrag von Herrn Chevallaz auf-geschoben werden. Frage: Wie lange? 10 Jahre? 20 Jahre?Bis in Bund und Kantonen die politische Gleichberechtigungder Frauen realisiert sein wird? Bis die konfessionellenAusnahmeartikel ausgemerzt sein werden? Das kann -dieser Auffassung hat auch Herr Allgöwer in unseremRadiogespräch Ausdruck gegeben - 10 bis 20 Jahre dauern.Immerhin möchte ich sagen : Der Antrag Chevallaz ist, vomStandpunkt der Kommissionsmehrheit aus betrachtet, vonzwei Übeln das kleinere. Wenn Sie dem Antrag der Mehr-heit nicht zustimmen wollten, dann akzeptieren Sie even-tuell den Antrag Chevallaz. Prinzipiell muss ich aber Ab-lehnung auch dieses Antrages beantragen.

Zum Schluss noch einige allgemeine Bemerkun-gen:

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16. Juni 1969 361 Menschenrechtskonvention

1. Wir sind nach langem Zögern Mitglied des Europa-rates geworden. Damit haben wir auch das Statut desEuroparates anerkannt. Die Konvention ist nach meinerAuffassung nichts anderes als die juristische Konkretisie-rung und Realisierung eines in der Präambel des von unsakzeptierten Statuts enthaltenen Zieles, nämlich der uner-schütterlichen Verbundenheit der Mitgliedstaaten mit dengeistigen und sittlichen Werten des Abendlandes, die dasgemeinsame Erbe ihrer Völker und die Grundlage derpersönlichen und politischen Freiheit sowie der Vorherr-schaft des Rechtes bilden und auf denen jede wahre Demo-kratie beruht. Ich wiederhole: Zu dieser Zielsetzung habenwir mit dem Beitritt zum Europarat Ja gesagt. Sollen wirjetzt, wo es um ihre praktische Realisierung geht, Neinsagen, weil vorläufig noch einige sicher nicht leicht zunehmende Mängel unserer Rechtsordnung die vollkommeneRealisierung des erwähnten Zieles verunmöglichen, Mängel,mit deren Ausmerzung die grosse Mehrheit dieses Ratesbestimmt einverstanden sein wird? Eine solche Haltungleuchtet mir in keiner Weise ein.

2. Einverstanden sein könnte ich mit der von HerrnDürrenmatt in seinem Votum erhobenen Forderung, dasVolk müsse in aussenpolitischen Fragen noch besser,intensiver aufgeklärt werden. Das ist vor allem eine Aufgabeder Presse, des Radios und der Télévision, aber es ist auchunsere Aufgabe als verantwortliche Volksvertreter.

3. Zahlreiche Redner, die gegen zustimmende Kenntnis-nahme gesprochen haben, zollten den in der Menschen-rechtskonvention enthaltenen Gedanken ihre volle Aner-kennung, aber diese grossartigen Ideen sollten blosse Dekla-ration bleiben. Nur keine Verpflichtung übernehmen, siepraktisch anwenden zu müssen! Meine Herren Kollegen,entschuldigen Sie, wenn ich diese Haltung nicht verstehe,sondern sie als widersprüchlich, als zwiespältig empfinde.

Über den Sonntag habe ich mir Ihre Voten noch einmalüberlegt. Trotz all ihren Einwänden bin ich nicht zu einerändern Einstellung gekommen. Der Antrag der Kommis-sionsmehrheit ist politisch und menschlich richtig. Ichempfehle seine Annahme.

M. Chevallaz, rapporteur : Le chemin de l'Europe, ornéde fleurs académiques, de déclarations d'intention, derecommandations, que nous avons suivi jusqu'ici avec uneprudente sagesse, ne nous avait pas encore placés en faced'une décision d'aussi grande portée - sur le plan juridiquedu moins - que l'adhésion à la Convention européenne desdroits de l'homme: la reconnaissance d'une juridictionsupranationale où notre pays pourrait être amené à expli-quer, à justifier, à voir légitimer ou condamner la manièredont il respecte les droits de ses ressortissants. Ni l'adhésionau Conseil de l'Europe - et à ses recommandations - ni laconstitution de l'Association européenne de libre échangen'ont délégué des compétences d'une telle importance à uneautorité supra-nationale. Et l'adhésion à la Cour inter-nationale de justice ne donne pas à cette autorité le droitd'apprécier notre droit public interne.

On peut donc bien parler, s'agissant de notre adhésion àla Convention européenne des droits de l'homme, d'une«innovation sans précédent» dans notre droit, pourreprendre le terme du professeur Aubert. Il est donc normalque notre Conseil y ait consacré une journée d'un débatfort dense et fort riche en points de vue divers quant aufond et quant aux nuances, que les discussions en commis-sion n'avaient pas fait ressortir avec la même ampleur.

Dans le même sens, il sera nécessaire d'étudier, con-formément au vœu de plusieurs orateurs, si, et sous quelle

forme, le peuple pourrait avoir le droit de se prononcer surle problème, comme il en avait eu l'occasion lors de notreadhésion à la Cour internationale de justice, en 1948.

Face aux partisans de l'adhésion avec réserves, mais«sans retard», à la Convention, dans le sens des conclu-sions du message du gouvernement, il s'est manifestéquelques oppositions fondamentales et de nombreusesobjections conditionnelles.

Les oppositions de principe à l'adhésion ont été for-mulées avec netteté par MM. Fischer et Schwarzenbach :c'est, pour le premier, l'argument du «juge étranger» quil'emporte. Le second exprime une méfiance fondamentaleà l'égard d'institutions européennes et internationales cons-truites sur un rationalisme malfaisant. Et l'on comprend quenotre pureté helvétique, vêtue de spiritualité virginale et delin blanc, ne pourrait que se détériorer au contact d'orga-nismes manifestement inspirés par Satan.

Ces points de vue - fussent-ils parmi nous très minori-taires -, il n'était pas inutile qu'ils s'expriment ici. Nedémontrent-ils pas clairement - car ils ont, dans l'opinionde multiples répondants, moins éloquents, conscients ouinconscients - cette conviction robuste du peuple élu par laProvidence pour servir de modèle aux autres, et cetteillusion bien ancrée que l'on peut être encore sage tout seuldans un monde en folie ou dans une Europe désaxée.

On pourrait souscrire aux thèses de M. Fischer, et mêmeà celles de M. Schwarzenbach, si la Providence, en mêmetemps qu'elle nous dotait des vertus majeures, nousavait fait vivre sur une île imaginaire et paradisiaque, horsde toutes contingences terrestres, nous contemplant seulsen nos propres et édifiantes vertus.

Mais hélas, nous sommes dans le monde, et noussommes surtout dans l'Europe, liés par d'étroits liens decommunication spirituels, intellectuels, politiques, maté-riels, économiques, financiers et sociaux. Nous y sommes,en Europe, et nous en sommes ; vous tenterez vainement dedresser à nos frontières des rideaux de fer, de bambou ou desapin, qui séparent, en d'autres points du globe, les pursdes moins purs. Nous sommes aß facto dans une solidaritéeuropéenne, tout en restant nous-mêmes et maîtres de nous.Nous devons en accepter les règles élémentaires: et il estdans notre propre intérêt, dans notre intérêt égoïste, que cesrègles élémentaires de sauvegarde des libertés démocra-tiques, des droits de la personne, ces règles auxquelles nonseulement nous souscrivons, mais dont, pour la plupartd'entre elles, nous avons fait la justification et la raisond'être de notre pays, que ces règles donc soient aussi, etaussi intégralement que possible, en vigueur dans les paysqui nous entourent, et qu'elles aient la caution d'unejuridiction, où d'ailleurs nous sommes, dès maintenant,présents.

Nous devons donc savoir gré au Conseil fédéral d'avoirmarqué, ces dernières années, dans les négociationséconomiques et dans les relations politiques, une convictionplus grande, un engagement plus concret et plus précis à lacollaboration européenne. Nous devons féliciter le gou-vernement, et particulièrement M. Spühler, conseillerfédéral, d'avoir marqué, dans le message que nous dis-cutons, la volonté d'adhérer à la Convention des droits del'homme, comme nous devons lui savoir gré de l'activationqu'il a apportée à notre politique européenne réalisée soussa direction.

Mais si nous rejetons, comme une néfaste illusion,l'isolationnisme helvétique des opposants de principe, ilfaut bien tenir compte des objections formulées à l'encontred'une adhésion immédiate. Sans doute, je n'ignore pas quesous ces objections, tissées en un ample réseau d'argumen-

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Convention des droits de l'homme 362 16 juin 1969

talion juridique, se dissimule parfois, en termes choisis, uneopposition de principe à la solidarité du droit. Mais lesobjections essentielles témoignent plutôt d'une volontéd'adhérer sans de trop lourdes hypothèques à la Conven-tion européenne. Elles sont donc positives.

Or, aux côtés des articles confessionnels, le problème dusuffrage féminin constitue une lourde hypothèque, dimi-nuant la valeur de notre adhésion aux yeux de nos parte-naires. On a, à propos du suffrage féminin - par unedérogation regrettable à la courtoisie et à l'objectivité dudébat - cru bon d'évoquer dans cette enceinte les pré-occupations électorales des défenseurs, à cette tribune, dela cause féminine.

Messieurs, je voudrais bien vivre le jour où il serapayant - électoralement - de défendre à cette tribune lacause du suffrage féminin. Mais aujourd'hui, le difficilecombat que l'on mène dans la plupart des cantons et lesolide carré de résistants que l'on trouve encore, à l'en-contre du suffrage féminin, dans les cantons qui le pra-tiquent, m'inciteraient à penser que l'électorialisme pour-rait bien aussi avoir quelque chance dans l'autre camp, dansles mâles accents de ce paternalisme, qui admet bien delaisser les femmes s'exprimer à la condition qu'elles nedérogent pas à la ligne qu'on leur a tracée.

Or il s'agit bien un peu de cela. On conteste la représen-tativité de l'organisation de faîte des organisations fémi-nines. On conteste le choix qu'elle a fait de s'opposer à laratification immédiate : l'intérêt de sa cause exigerait plutôtl'adhésion ; notre bonne conscience nous ferait alors rapide-ment liquider les réserves. C'est possible et c'est une thèseque j'ai défendue à l'époque devant ces organisations. Maisc'est un droit strict de celles auxquelles nous entendonsdonner demain le suffrage d'être d'un autre avis. Et nousdevons - si nous voulons être simplement logiques, consé-quents dans notre volonté démocratique - tenir d'autantplus compte de cet avis que les femmes n'ont pas le droitconstitutionnel de participer à un débat qui les concernedirectement.

Je termine en rappelant les trois propositions entre les-quelles vous avez à choisir.

La première, exprimée par la majorité de la commissionvous invite à prendre acte, en l'approuvant, du rapport duConseil fédéral, ce qui implique, selon les conclusions dumessage que la décision de signer et de ratifier la Convention(assortie de ses réserves) ne devrait pas être retardée pluslongtemps.

M. Dürrenmatt vous propose purement et simplementde «prendre connaissance» du rapport. Sous son apparentesimplicité et netteté, cette proposition dissimule mal unecertaine ambiguïté, ambiguïté qui, je m'empresse de le dire,n'est ni dans l'esprit ni dans les intentions de notre collègue,mais qui est dans les résultats. On trouvera en effet, à lavoter, d'une part ceux de nos collègues qui font une oppo-sition fondamentale à l'adhésion et, d'autre part, certainsautres, qui approuveraient la Convention à condition queles réserves en soient préalablement levées par nous. Il seradifficile de dire, après le vote, quelle fut l'opinion réelle dela majorité, ou de la minorité, qui se sera exprimée en faveurde la proposition Dürrenmatt. Eu égard à la constructioneuropéenne et à la politique du Conseil fédéral, cette situa-tion me paraît revêtir une certaine importance, voire unecertaine gravité.

La troisième proposition entend - ce que ne fait pas laproposition précédente - marquer la volonté d'adhérer à laConvention. Mais, dans l'idée de ses signataires, cetteadhésion ne saurait s'effectuer avant que ne soient levées lesprincipales réserves, ou, et je réponds ici à M. Eggenberger,

tout au moins, avant que les minorités concernées par cesréserves n'aient fait connaître leur intérêt à la signature et àla ratification. Elle ne saurait pas non plus s'enlever à unemajorité précaire du parlement : nous la dépouillerions alorsde sa valeur, comme les réserves la dépouillent d'une notablepartie de sa substance.

Bundesrat Spühler: Der Bundesrat ist nie im Zweifeldarüber gewesen, dass sein Bericht über die EuropäischeMenschenrechtskonvention in den eidgenössischen Rätennicht auf ungeteilte Zustimmung rechnen durfte. Die Aus-einandersetzung, die wir während rund 7 Stunden erlebten,kann deshalb nicht überraschen. Überraschend war hin-gegen wohl der Vorwurf, der Bundesrat sei in seiner Bericht-erstattung zu weit gegangen und habe den Nationalrat ineine «falsche Alternative» gedrängt - wie Herr NationalratAllgöwer sich ausdrückte. Davon kann keine Rede sein.Es ist selbstverständlich, dass der Bundesrat in einer sohochpolitischen Frage sich nicht einfach auf eine juristischeBerichterstattung beschränken kann und es auch nicht will.Der Bundesrat ist eine politische Behörde und kein Exper-tengremium. Es wäre wohl als sonderbar empfunden wor-den, wenn er nicht auch eine konkrete Stellungnahme imeinen oder ändern Sinne bezogen hätte; jede andere Haltungwäre ihm mit Recht zum Vorwurf gemacht worden.

Die damalige Begründung der Motion Eggenbergerdurch den Motionär und die anschliessende Diskussionhaben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dienegative Haltung gegenüber einer Unterzeichnung möchteüberprüft werden. Herr Nationalrat Bretscher hat derfrüheren ablehnenden Haltung des Bundesrates entgegen-gehalten: «Aber die Zeit steht nicht still. Die offenen Pro-bleme müssen immer wieder geprüft werden, und wir sindin unserer Delegation des Europarates einstimmig derMeinung, dass der Bundesrat die Gelegenheit der geforder-ten Berichterstattung benützen sollte, um auch die Frageeines Beitritts mit Vorbehalten von neuem zu erwägen, dasheisst sich über die Natur und Tragweite der allenfalls anzu-bringenden Vorbehalte und über das Pro und Kontra einesBeitritts mit Vorbehalten zu äussern. » Eine Mehrheit derSchweizer Delegation in Strassburg, sagte er, neige heute«dazu, die Möglichkeit und Wünschbarkeit eines Beitrittsder Schweiz zur Menschenrechtskonvention unter den ausdem geltenden Landesrecht ergebenden Vorbehalten zubejahen». Von den damaligen Rednern hat einzig HerrNationalrat Schmitt die Unterzeichnung mit Vorbehaltenabgelehnt. Auch Herr Nationalrat Reverdin hat sich damalsnicht dagegen ausgesprochen: «La ratification de la Con-vention avec des réserves serait parfaitement comprise àStrasbourg.» «La presque totalité des dispositions de laConvention des Droits de l'Homme correspond non seule-ment à notre manière de sentir, mais encore à notre pratiqueet à notre législation. Pourquoi ne pas le reconnaître enratifiant la Convention avec réserves?» Die damalige Dis-kussion hatte also bereits gezeigt, dass sich im Nationalratgegenüber früher ein Wandel der Auffassungen abzu-zeichnen begonnen hatte, wonach die beiden Dinge, näm-lich Beitritt zur Konvention einerseits und Einführung desFrauen-Stimm- und -Wahlrechtes und Aufhebung derAusnahmeartikel andererseits, als getrennt voneinander zulösende Aufgaben zu behandeln seien. Die vollberechtigteMitarbeit der Vertreter der eidgenössischen Räte in derVersammlung von Strassburg mag wesentlich zu diesemSinneswandel beigetragenhaben.

In derselben Situation wie das Parlament befindet sichauch die Regierung. Es ist deshalb völlig verfehlt, demBundesrat mit der Zitierung früherer, anderslautender

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16. Juni 1969 363 Menschenrechtskonvention

Erklärungen die eingetretene Sinneswandlung vorwerfenzu wollen. Es ist eine Selbstverständlichkeit in der Politik,dass Fakten nicht zu allen Zeiten gleich gewertet werdenund dass die Würdigung von Umständen im zeitlichen Ab-lauf eine Änderung erfährt. Wo stände ein Staatswesen,wenn dem nicht so wäre? Wir sollten uns wahrhaftigdarüber nicht lange aufhalten müssen.

Die gegenwärtige Haltung des Bundesrates zur Unter-zeichnung der Menschenrechtskonvention ist das Ergebnisder vom Nationalrat angeregten umfassenden Prüfung desganzen Fragenkomplexes. Der Bundesrat hat darin ssinenStandpunkt ausführlich begründet. Die veränderte Stel-lungnahme ist im übrigen nicht unerwartet gekommen,haben wir doch in den Richtlinien der Regierungspolitikvor einem Jahr erklärt: «Es wird deshalb nicht unerlässlichsein, eine Bereinigung aller strittigen Fragen in Bund undKantonen vor einem Beitritt zur Menschenrechtskonven-tion vorzunehmen, vielmehr könnte der Beitritt unterbestimmten Vorbehalten ins Auge gefasst werden.» Ichhabe als Sprecher des Bundesrates darauf auch in denBeratungen des Nationalrates hingewiesen, ohne aufWiderspruch zu stossen.

Wenn wir schon von Wandlungen sprechen, denen wiralle unterworfen sind, dann muss in diesem Zusammenhangdarauf hingewiesen werden, dass gerade auch die Haltungdes Bundesrates und des Parlamentes zum Europarat selbersich im Laufe der Zeit sehr verändert hat. Es brauchte einigeÜberwindung, bis der Bundesrat sich damit abfand, dassschweizerische Parlamentarier dem Europarat als Beob-achter und schliesslich als Vollmitglieder angehörten. DerBundesrat steht heute nicht an, die Aktivität der schweize-rischen Delegation in der Strassburger Versammlung zubegrüssen und sie als einen wertvollen Beitrag zur Geltungunseres Landes und zur Förderung seines Ansehens dank-bar zu würdigen. Diese Aktivität verpflichtet, wie die Mit-gliedschaft der Schweiz im Europarat allein schon verpflich-tet. Mit dem Beitritt zum Europarat hat die Schweiz sichauch zu seinen Satzungen und den sich daraus ergebendenAufgaben bekannt. Artikel 3 der Satzung des Europaratesverpflichtet jeden Mitgliedstaat auf die Anerkennung «desGrundsatzes der Vorherrschaft des Rechts und des Grund-satzes, dass jeder, der seiner Hoheitsgewalt unterliegt, derMenschenrechte und Grundfreiheiten teilhaftig werdensoll ». Und jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich gemäss denSatzungen zur «aufrichtigen und tatkräftigen» Mitarbeitan der Verwirklichung dieser Aufgaben. Nur ein Staat, der«für fähig und gewillt befunden wird», diese Verpflichtungzu erfüllen, kann Mitglied des Europarates werden.

Auf dieser geistigen und konstitutionellen Grundlagedes Zusammenschlusses der demokratischen StaatenEuropas ist die Menschenrechtskonvention entstanden. Sieist nicht Bestandteil der Satzung des Europarates, und eineRechtspflicht der Mitgliedstaaten zum Beitritt zur Men-schenrechtskonvention besteht deshalb nicht. Aber in ihrhaben die europäischen demokratischen Rechtsstaaten diegemeinsame Grundkonzeption gefunden und im gemein-samen Bekenntnis zu den Menschenrechten das gemein-same geistig-sittliche Fundament für die Einheit Europaserkannt. Weil dem so ist, ergibt sich zwangsläufig die mora-lische Pflicht der Mitgliedstaaten, der Konvention beizu-treten. Die Menschenrechtskonvention sucht eine gemein-schaftliche Mindestordnung der freien Demokratien einzu-richten, um deren gemeinsames Erbe in politischen Tradi-tionen, Idealen, Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit zusichern. Die Konvention beschränkt sich deshalb auf dieGewährleistung jener Menschenrechte, die heute alsGrundlage jeder demokratischen Gesellschaft betrachtet

werden müssen. Dazu zählen das Recht auf freie Meinungs-äusserung, auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit, dasRecht auf Gedanken- und Gewissens- und Religionsfreiheit,das Recht auf ein gerechtes Gerichtsverfahren, das Verbotder unmenschlichen oder unterdrückenden Behandlungoder Bestrafung.

Im Lichte unserer Rechtsauffassungen und unseresBekenntnisses zur Rechtsstaatlichkeit kann kein Zweifeldarüber bestehen, dass unsere schweizerische Rechts-ordnung auf demselben Grundsatze der persönlichen undpolitischen Freiheit und der Herrschaft des Rechtes beruht,von denen die Präambel der Satzung des Europaratesfeierlich spricht. Die Idee der Menschenrechte ist in unse-rem Lande als grundlegende Rechtsnorm klar anerkannt.Unsere Bundesverfassung garantiert die meisten der in derMenschenrechtskonvention aufgezählten Rechte und Frei-heiten ausdrücklich oder stillschweigend. Das Erstmaligeund Grossartige ist es, dass man mit der Menschenrechts-konvention über das bloss Verbale, die blosse Deklamationhinausgeht und mit ihr ein internationales Übereinkommengeschaffen hat, das den Vertragsstaaten in nicht bloss un-verbindlicher Form die Achtung und den Schutz der grund-legenden Menschenrechte vorschreibt, sondern eine wirk-same Kollektivgarantie der Menschenrechte und Grund-freiheiten eingeführt hat.

Das grundlegend Neue ist, dass diese Menschenrechtenicht nur von Völkerrechts wegen zugesichert sind, sonderndass sie auch völkerrechtlich in besonderer Weise geschütztsind und dass zu diesem Zwecke ein ganzer Mechanismuszur internationalen Garantie der Menschenrechte insLeben gerufen worden ist. Einerseits müssen sich die Ver-tragsstaaten dazu verpflichten, dass jeder in seinen RechtenVerletzte eine wirksame Beschwerde bei einer nationalenInstanz einreichen kann; anderseits sind besondere zwi-schenstaatliche Rechtsschutzorgane eingesetzt worden,nämlich die Europäische Menschenrechtskommission, derEuropäische Gerichtshof und das Ministerkomitee desEuroparates. In dieser internationalen Klagbarkeit derVerletzung von Menschenrechten ist der grosse völker-rechtliche und rechtsstaatliche Fortschritt zu erblicken. DieMenschenrechte sind hinfort nicht mehr eine ausschliesslichinterne Angelegenheit der Vertragsstaaten; damit ist auchein entscheidender Schritt zu einer echten europäischenRechtsgemeinschaft getan worden.

Gerade daran ist von einzelnen Rednern Anstoss ge-nommen, und es ist in diesem Zusammenhang mit demBegriff der «fremden Richter» eine unterschwellige Reak-tion hervorzurufen versucht worden. Unsere Vorfahren im13. und 14. Jahrhundert wehrten sich dagegen, dass fremde,habsburgische Richter in ihre Täler zogen und gegen denWillen der Eidgenossen dort Gericht hielten. Durch dieMenschenrechtskonvention wird dem Schweizer Bürgerbloss ein nach seinem freien Willen verfügbares zusätzlichesRechtsmittel vor internationalen Instanzen gewährt. Einesolche Rechtsentwicklung steht in völliger Übereinstim-mung mit der seit vielen Jahren von uns verfolgten Forde-rung einer internationalen Gerichtsordnung. Die Schweizhat von Anfang an die obligatorische Gerichtsbarkeit desInternationalen Gerichtshofes, an dessen Statut sie mass-geblich gearbeitet hat, anerkannt. Sie hat mit einer grossenZahl von Staaten zahlreiche Schiedsverträge (mit obligato-rischer Schiedsklausel) abgeschlossen. Unser Land unter-stellt sich dadurch internationalen Entscheiden, ohne jedeEinschränkung auch für sogenannte politische lebens-wichtige Interessen. Konflikte mit ändern Staaten inter-nationalen Gerichten zu unterstellen ist doch sicher viel

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weittragender als Konflikte zwischen einem Staat undseinen eigenen Bürgern über die Einhaltung von Menschen-rechten.

Unrichtig ist es, wenn von einer Supranationalität ge-sprochen wird. Die Organe der Menschenrechtskonventionsind nicht supranational, weil sie- anders als die Organe derEWG - im Gebiet der Mitgliedstaaten keine für Einzel-personen direkt verbindliche Entscheide erlassen können.Die Kommission übt eine untersuchende, streitschlichtendeFunktion aus, und die Verbindlichkeit der Entscheide desGerichtshofes entspricht den Grundsätzen des allgemeinenVölkerrechtes und geht nicht über die Verbindlichkeit dervielen Schiedsverträge hinaus, von denen ich soeben ge-sprochen habe. Aus Artikel 50 der Konvention geht klarhervor, dass die Art und Weise des Vollzugs von Entschei-dungen des Gerichtshofes den einzelnen Staaten überlassenist. Die Urteile des Gerichtshofes haben keine kassato-rische Wirkung, das heisst, sie vermögen die staatlichenGerichtsurteile, Rechtssätze oder Verwaltungsakte nichtdirekt aufzuheben.

Ein Beitritt der Schweiz zur Menschenrechtskonventionwürde die Revision mehrerer Bundesgesetze bedingen. Essind Revisionen, die seit Jahren von der schweizerischenRechtslehre und Rechtspraxis verlangt werden. Man istsich allgemein darüber einig, dass alle Änderungen jeden-falls einen besseren Schutz der Einzelnen gegenüber Gerich-ten und Verwaltung bringen würden. Die Revisionen vonBundes- und kantonalen Gesetzen erscheinen daher alsdurchaus wünschenswert. Man darf zudem von der Kon-vention einen positiven Einfluss auf den Ausbau des Rechts-schutzes vor allem in Verwaltungssachen erwarten. Die An-nahme gemeinsamer europäischer Rechtsgrundsätze imBereiche der Menschenrechte wird übrigens wohl auch dieAuslegung unserer innerschweizerischen Gesetzgebung be-einflussen, ohne dass deswegen unsere Freiheit in der Rechts-gestaltung und -anwendung tangiert würde.

Der Beitritt der Schweiz zur Menschenrechtskonventionist also nicht eine deklamatorische Geste, nicht bloss einAkt der europäischen Solidarität gegenüber den ändernMitgliedstaaten, ein Schritt zur europäischen Rechtsge-meinschaft oder gar nur eine völkerrechtliche Schönheits-operation, sondern stellt auch vom Standpunkt der inner-staatlichen schweizerischen Gesetzgebung und Rechtspre-chung aus eine sehr nützliche und wünschenswerte Fort-entwicklung dar. Wir sind der Überzeugung, dass der Bei-tritt gerade auch von diesem Gesichtspunkt aus zu begrüs-sen ist.

Der Bericht ist ein Dokument, in dem die Darlegung desjuristischen Sachverhaltes ausführlich und aufs gewissen-hafteste erfolgt, wodurch die politischen und allgemeinenÜberlegungen an Umfang etwas zurücktreten. Man magdas vielleicht bedauern. Aber jedenfalls kann nicht derVorwurf erhoben werden, es sei nicht die Übereinstimmungunseres Rechtes mit den Grundsätzen der Konvention aufsgenaueste geprüft oder gar der Versuch einer Bagatelli-sierung der Differenzen unternommen worden. Gerade weilder Bundesrat es nicht tut, glaubt er fünf Vorbehalte undeine auslegende Erklärung bei der Unterzeichnung vor-bringen zu müssen. Es ist durchaus möglich, dass wenigerVorbehalte hätten angebracht werden müssen, wenn unserLand an der Ausarbeitung des Textes der Konvention undihrer Protokolle beteiligt gewesen wäre und seinen Stand-punkt hätte vortragen können, als der Wortlaut der daringarantierten Rechte endgültig festgelegt wurde. «Lesabsents ont toujours tort. » Die Möglichkeit des Anbringensvon Vorbehalten kann ein Ausweg sein, wenn ein Landzögert, einem Vertrag beizutreten, dessen Wortlaut ohne

seine Teilnahme und ohne Berücksichtigung seiner Wün-sche festgelegt worden ist. Es braucht uns daher nicht zuüberraschen, wenn die Schweiz eine grössere Anzahl vonVorbehalten anbringen muss als andere Staaten.

Im Vordergrund der Diskussion stehen die zwei Vor-behalte, die sich auf das Fehlen des Frauen-Stimm- und-Wahlrechtes und auf die konfessionellen Ausnanmearti-kel der Bundesverfassung beziehen. Beide Vorbehalte sindso gewichtig, dass sie eine besondere Prüfung benötigen.Man mag bedauern, dass durch die Aktion der Frauen-organisationen die Proportionen zwischen dem anzubrin-genden Vorbehalt und der Bedeutung der Menschenrechts-konvention als ganzem so stark verzerrt worden sind.Um so sorgfältiger haben wir alle Aspekte des Problems zuwürdigen.

In erster Linie ist zu betonen, dass die Menschenrechts-konvention das unumschränkte aktive und passive Frauen-Stimm- und -Wahlrecht, wie es in unserem Lande ange-strebt wird, nicht garantiert. Durch Artikel 3 des Zusatz-protokolles verpflichten sich die Vertragsstaaten lediglich,in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlenunter Bedingungen abzuhalten, die die freie Meinungs-äusserung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebendenOrgane gewährleisten. Während in unserer Demokratie dasaktive und passive Wahlrecht und das Stimmrecht dieGrundlage aller politischen Rechte des Volkes sind, garan-tiert das Zusatzprotokoll nur einen kleinen Teil dieserRechte. Und nur auf diesen Teil der den Frauen vorent-haltenen Rechte bezieht sich der anzubringende Vorbehalt.Die Frauenstimmrechtsforderung in der Schweiz geht weitüber das durch die Menschenrechtskonvention garantierteRecht hinaus. Die Gegnerschaft der Frauenorganisationengegen diesen Vorbehalt ist deshalb völlig disproportioniert.Im übrigen könnte auf einen Vorbehalt verzichtet werden,wenn man von einer Unterzeichnung des Zusatzprotokolles,in welchem die Verpflichtung zu freien Wahlen enthaltenist, absehen würde. Der Bundesrat ist auf diese Möglichkeitnicht eingetreten, auch wenn sie durchaus erwägenswertwäre.

Gerade weil ich einer jener bin, der zeit seines Lebens un-zählige Male öffentlich für die politische Gleichberechtigungder Frauen eingetreten bin, habe ich Mühe, die negative Hal-tung der Frauenorganisationen zu verstehen. Ich hätteselbst für eine sture Gegnerschaft Verständnis, wenn aufder Seite der Behörden keine oder nur eine ungenügendeBereitschaft vorhanden wäre, den Frauen zu ihrem Men-schenrecht zu verhelfen. Der Bundesrat hat vor einem Jahrin den Richtlinien zur Regierungspolitik und er hat nun inseinem Bericht zur Menschenrechtskonvention mit allerDeutlichkeit die Erklärung abgeben, dass er die Einführungdes Frauen-Stimm- und -Wahlrechtes unentwegt anstrebe,und er hat dieser Erklärung im Nationalrat in der letztenSession das Versprechen folgen lassen, noch in diesem Jahreine neue Vorlage zur Herstellung der politischen Rechteder Schweizer Frauen einzubringen. Was will man eigent-lich vom Bundesrat noch mehr? Können weitere Beweisedes ernsten Willens noch vorgebracht werden? Niemandwird das behaupten können. Es ist bedauerlich, dass dieFrauenorganisationen, die noch vor kurzem zufrieden ge-wesen wären, wenn ihnen so kurzfristig ein neuer Anlaufauf eidgenössischem Boden zugesichert worden wäre, nundas Opfer einer jahrelangen, aufgestauten Enttäuschunggeworden sind, und dies ausgerechnet in dem Moment, wosie ja ihre Kräfte darauf konzentrieren sollten, den Kampfum ihre politischen Rechte mit einer maximalen Anstren-gung zu führen und nicht völlig unmotiviert viel Goodwillauf der ändern Seite aufs Spiel zu setzen.

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16. Juni 1969 365 Menschenrechtskonvention

Die Diskussion vom letzten Donnerstag hat offenkun-dig gemacht, dass die Haltung der Frauenorganisationendie Opposition gegen die Unterzeichnung der Menschen-rechtskonvention gestärkt hat. Die Frauenorganisationenkönnen in diesem Falle sagen, dass ihnen wenigstens dasStimrnrecht auf Negation und der Kontestation eingeräumtworden sei.

Entscheidend für die Haltung beider Kommissions-minderheiten ist der Umfang und das Gewicht der Vorbe-halte, mit denen der Beitritt zur Konvention begleitetwürde. Es will mir scheinen, dass das Instrument der Vor-behalte in völkerrechtlichen Verträgen nicht genügend ge-würdigt wird. Jeder Staat kann nach Artikel 64 der Men-schenrechtskonvention bezüglich bestimmter Vorschriftender Konvention einen Vorbehalt anbringen, soweit ein inseinem Gebiet geltendes Gesetz mit der betreffenden Vor-schrift nicht übereinstimmt. Herr Nationalrat Sauser hatin diesem Zusammenhang die Frage gestellt, ob wir durchArtikel 64 rechtlich gezwungen sind, diese Vorbehalte imLaufe der Zeit zum Verschwinden zu bringen. Es kannkeinen Zweifel darüber geben, dass - völkerrechtlich ge-sprochen - keine Verpflichtung besteht und damit keinVersprechen abgegeben wird, die Rechtsbestimmungen,die zum Vorbehalt zwingen, zu ändern. Wir sind nach aus-sen frei. Anders verhält es sich mit der innenpolitischenBedeutung dieser Vorbehalte. Diese ist nicht rechtlicher,sondern politischer Natur. Es hängt von uns ab, welcheBedeutung wir innenpolitisch den einzelnen Vorbehaltengeben wollen. Vorbehalte können den Charakter einerAblehnung bestimmter Rechtsgrundsätze haben; sie kön-nen aber auch bloss den einer augenblicklichen Unverein-barkeit haben. Die Haltung des Bundesrates und Ihrer ge-samten Kommission lässt keinen Zweifel darüber, dassmit den Vorbehalten kein grundsätzlicher, bleibender Ein-wand vorgebracht, sondern ein lediglich zeitlich gemeinterEinwand gemacht wird. Der durch das Fehlen des Frauen-Stirnm- und -Wahlrechtes nötige Vorbehalt ist mit der Ab-sichtserklärung verknüpft, so rasch, als es auf Grund unse-rer politischen Verhältnisse möglich ist, die Übereinstim-mung mit der Konvention in diesem Bezug herzustellen unddamit den Vorbehalt hinfällig zu machen. Vorbehalte sol-cher Natur haben nichts Ehrenrühriges an sich. UnsereUnterschrift unter der Menschenrechtskonvention wirddadurch nicht entwertet. Wir sagen in aller Offenheit undKlarheit, wozu wir uns mit unserer Unterschrift verpflichtenund wozu nicht. Wir geben keine leeren Versprechungenab, zu denen wir nicht befugt sind. Die Strassburger Ver-sammlung ist sich völlig klar über die Bedeutung unsererVorbehalte. Denn die rechtlichen und politischen Umstände,die uns zu Vorbehalten veranlassen, kommen nicht erstdurch die Unterzeichnung an das europäische Tageslicht.Sie sind bekannt, und wir haben zu ihnen zu stehen.

Im übrigen ist es nicht das erstemal und wird nicht dasletztemal sein, dass die Schweiz bei internationalen Ver-trägen Vorbehalte anbringen muss. Im Zusammenhang mitdem Beitritt zu internationalen Organisationen hat dieSchweiz bedeutende Vorbehalte im Hinblick auf ihre stän-dige Neutralität angebracht, und zwar beim Beitritt zurInternationalen Atomenergie-Agentur und zur Intergouver-nementalen beratenden Seeschiffahrtsorganisation. Auch zuändern Konventionen des Europarates hat die Schweiz Vor-behalte angebracht, so beim Europäischen Kulturabkom-men und beim Europäischen Auslieferungsabkommen.Weitere Beispiele finden wir in einer ganzen Liste von Ab-kommen; ich will sie nicht zitieren.

Die Problematik eines Vorbehaltes läuft damit letztenEndes auf die innenpolitische Ermessensfrage hinaus, ob

Nationalrat - Conseil national 1969

die Unterzeichnung der Konvention mit einem solchenVorbehalt die Einführung der politischen Gleichberechti-gung der Frauen in der Schweiz zu verzögern droht. Es isteine grosse Täuschung, annehmen zu wollen, ein Gegnerdes Frauenstimmrechtes werde der Menschenrechtskon-vention zuliebe zum Befürworter der Gleichberechtigung.Das weitere Fernbleiben der Schweiz von der Konventionwird dem Frauenstimmrecht so wenig Auftrieb geben, sowenig die Unterzeichnung mit Vorbehalt eine Verzögerungbringen wird. Im Gegenteil hat dieser Wunsch nach Unter-zeichnung auch mit Vorbehalt die Diskussion zugunsten derpolitischen Gleichberechtigung gefordert und'zur Ankün-digung eines baldigen Antrages auf Einführung des Frauen-stimmrechtes im Bunde geführt. Damit ist bereits der Be-weis erbracht, dass der Beitritt zur Menschenrechtskonven-tion keine Schwächung, sondern vielmehr eine Stärkung derStellung der Frauenstimmrechtsanhänger bedeutet.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Frage vonHerrn Nationalrat Arnold zu sprechen kommen, der dar-auf verwies, dass schon seit geraumer Zeit Bestrebungen imGange seien, das Frauenstimmrecht auf dem Wege einerNeuinterpretation von Artikel 74 der Bundesverfassungeinzuführen. Der Bundesrat hat nach einlässlicher Prüfungin seiner Antwort auf das Postulat von Roten im Jahre 1951sich gegen ein solches Vorgehen gewandt. Dadurch, dassdie eidgenössischen Räte beschlossen, dem Volk eine Ände-rung von Artikel 74 der Bundesverfassung zu unterbreiten,die bekanntlich in der Volksabstimmung vom 1. Februar1959 verworfen wurde, haben sie sich der Auffassung desBundesrates angeschlossen. Bei der neuen Vorlage über dasFrauenstimmrecht werden die Überlegungen von HerrnNationalrat Arnold jedoch einer erneuten Prüfung unter-zogen werden können.

Ähnliche Überlegungen wie zum Vorbehalt betreffenddas Frauenstimmrecht sind anzubringen zum zweiten wich-tigen Vorbehalt, demjenigen wegen der bestehenden kon-fessionellen Ausnahmeartikel. Auch dieser Vorbehalt istprovisorischer Natur. Der Bundesrat betrachtet dessenDahinfallen durch Beseitigung der Ausnahmeartikel nichtweniger dringlich als beim Frauen-Stimm- und -Wahlrecht.Auch in diesem wie im ändern Falle wird jeder es mit sei-nem eigenen Gewissen ausmachen müssen, ob er in denbeiden Vorbehalten gewissermassen eine Selbstanklage er-blickt, der man sich so rasch als möglich entziehen möchte.

Der Bundesrat hat schon in seinem Bericht über dieRichtlinien über die Regierungspolitik erklärt, dass dieFrage der konventionellen Ausnahmeartikel in unserer Zeitimmer imperativer nach einer Lösung ruft. Der Gutachterdes Bundesrates, Herr Professor Werner Kaegi, ist schonbei früherer Gelegenheit auf Grund einer eingehendenPrüfung eines grossen Materials zum eindeutigen Schlussgekommen, dass die Ausnahmeartikel rechtsstaatlich un-haltbar seien und dass erst mit ihrer Beseitigung eines dergrundlegendsten aller Menschenrechte, die Glaubens- undGewissensfreiheit, auf schweizerischem Boden rechtlichvoll gewährleistet sei. Die Notwendigkeit, hinsichtlich derAusnahmeartikel einen Vorbehalt bei der Unterzeichnungder Konvention anbringen zu müssen, schmälert die unbe-dingte Bereitschaft des Bundesrates zur Beseitigung dieserArtikel in keiner Weise. Auch in diesem Falle wird der Bei-tritt zur Konvention kein Ruhekissen für den Bundesratbedeuten und keinen massgeblichen Einfluss auf die Volks-abstimmung ausüben. In diesem Zusammenhang möchteich dankbar anerkennen, dass unsere katholischen Mit-bürger in ihrem Verlangen nach Beseitigung der Ausnahme-artikel im allgemeinen viel Verständnis für die Schwierig-

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Convention des droits de l'homme 366 16 juin 1969

Reiten, die unsere direkte und bundesstaatliche Demokratiebereitet, an den Tag legen und weit entfernt davon sind, dieUnterzeichnung der Menschenrechtskonvention nur aus-schliesslich unter dem Gesichtspunkt des ihnen besondersam Herzen liegenden Anliegens zu betrachten.

Der Bundesrat ist deshalb bereit, die Motion Ihrer Kom-mission, durch welche er beauftragt wird, Vorlagen zurEinführung des Frauenstimmrechts und zur Ausmerzungder konfessionellen Ausnahmeartikel zu unterbreiten, an-zunehmen.

Auch in bezug auf die drei ändern Vorbehalte, die poli-tisch von weit geringerem Gewicht sind und deren Notwen-digkeit im einen oder ändern Fall auch schon als diskutabelbezeichnet worden ist, haben wir den Willen, dahin zu wir-ken, sie im Verlaufe der Zeit hinfällig werden zu lassen. Eskann deshalb generell gesagt werden, und dies scheint mirfür unsere Unterschrift nicht unwichtig zu sein, dass aufden Rechtsgebieten, denen gegenüber Vorbehalte angemel-det werden, bereits eine tendenzielle Anpassung des schwei-zerischen Rechts an die Rechtssätze der Menschenrechts-konvention besteht. Wir haben die Überzeugung, dass dieUnterzeichnung mit Vorbehalten ein grösserer Stimulusist, diesen Prozess der Bereinigung und Übereinstimmung zubeschleunigen, als wenn wir der Konvention weiterhin fern-bleiben.

Aus all den von mir entwickelten Überlegungen ist derBundesrat zum Schluss gekommen, es liege kein genügen-der Grund vor, den Zeitpunkt der Unterzeichnung derMenschenrechtskonvention weiterhin lange hinauszuschie-ben. Anderer Auffassung sind die beiden Minderheits-anträge. Der Antrag des Herrn Dürrenmatt läuft durch dieBegründung, mit der er durch den Antragsteller und andereVotanten begleitet worden ist, auf ein eindeutiges und zeit-lich nicht klar befristetes Nein gegenüber der Unterzeich-nung der Konvention hinaus. Eine Nuance freundlicher,aber im Effekt des Augenblicks gleich negativ, ist der Min-derheitsantrag Chevallaz. Er scheint nicht gegen jeden Vor-behalt zu sein, wägt aber die Summe aller Vorbehalte alszu gewichtig, um unter diesen Umständen unterzeichnen zusollen. Unter welchen Voraussetzungen das grüne Lichtzum Beitritt aufleuchten werde, lässt er völlig offen. Esdürfte Herrn Chevallaz schwierig fallen, die Priorität demFrauenstimmrecht oder den Ausnahmeartikeln zuzubilli-gen. Wer solche Alternativen stellt, bewegt sich auf unsiche-rem Boden. Er kann der Qual der Wahl nicht entrinnen,wenn er die Lösung dieser Probleme der Unterzeichnungder Konvention überordnet.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass alle im Vorder-grund stehenden Fragen, nämlich die Ausnahmeartikel,das Frauen-Stimm- und -Wahlrecht und die Menschen-rechtskonvention, von derartiger Bedeutung sind, dass sienicht miteinander verkoppelt werden sollten. Sie sind poli-tisch und menschlich zu wichtig, als dass ihnen noch un-nötige, zum Teil rein taktisch gemeinte Schwierigkeiten ge-macht werden dürfen. Lösen wir jedes Problem für sich undhängen wir nicht die Bleigewichte der ändern daran.

Die Unterzeichnung eines internationalen Abkommensist verfassungsmässig Sache des Bundesrates. Die nach-herige Ratifikation kann nicht ohne Zustimmung der eid-genössischen Räte erfolgen. Der Bundesrat wird, nachdemer vorgängig einen Bericht über die Menschenrechtskon-vention vorgelegt hat, selbstverständlich sich durch dieMeinungsäusserung der Bundesversammlung gebundenfühlen. Werden Sie gemäss Antrag des Bundesrates und derKommissionsmehrheit vom Bericht zustimmend Kennt-nis nehmen, so wird der Bundesrat den Zeitpunkt der Unter-zeichnung im Lichte der im Parlament gewalteten Diskus-

sion wählen. Es will mir scheinen, dass die Unterzeichnungnicht erfolgen sollte, bevor die in Aussicht gestellte Frauen-stimmrechtsvorlage von den Räten in Diskussion gezogenwird. Wir möchten die Unterzeichnung aber nicht vomSchicksal dieser Vorlage in der Volksabstimmung abhängigmachen. Das Frauenstimmrecht ist nur eines der 20 Rechteund Grundfreiheiten, welche durch die Konvention ver-kündet werden.

Was nun den Zeitpunkt der Ratifikation anbetrifft, sowird dieser von den eidgenössischen Räten selber auf Grundeiner Botschaft und eines Antrages des Bundesrates be-stimmt. Der Bundesrat ist nur antragstellende Behörde; erwird aber zeitlichen Rücksichten und Überlegungen poli-tischer Natur nicht unzugänglich sein.

In der Beratung ist mehrmals die Unterstellung derMenschenrechtskonvention unter das Referendum gefor-dert worden. Die heutige Rechtslage ist durchaus klar.Artikel 89 der Bundesverfassung sieht nur ein fakultativesReferendum für Verträge, die auf mindestens 15 Jahre ver-einbart sind, vor. Einzig die Dauer eines Vertrages undnicht seine politische oder rechtliche Tragweite entscheidet,ob ein Vertrag dem Referendum untersteht. Das ist zugege-benermassen unbefriedigend. Wenn der Beitritt der Schweizzum Völkerbund als einziger Fall der Volksabstimmungunterbreitet wurde, so geschah dies aus politischen Gründen,wobei der Beitritt als Ergänzung der Bundesverfassung be-trachtet wurde; der Bundesbeschluss über den Beitritt zumVölkerbund stellte deshalb einen Verfassungszusatz dar.Ob der allfällige Beitritt zur Konvention dem Referendumzu unterstellen wäre, ist eine Frage, zu der nicht heute Stel-lung zu nehmen ist, auch wenn ich anerkenne, dass siedurchaus bedeutungsvoll ist und mit Recht aufgegriffenwird. Diese Frage erhebt sich erst im eigentlichen Ratifi-kationsverfahren. Der Bundesrat wird sich in jenem Zeit-punkt in seiner Botschaft an die Bundesversammlung aus-führlich dazu äussern. Der Entscheid über die Unterzeich-nung kann deshalb losgelöst von der Stellungnahme zumReferendum getroffen werden.

Lassen Sie mich zum Abschluss meiner Ausführungennoch auf die aussenpolitische, übernationale Seite des Ent-scheides, den Sie zu treffen haben, mit besonderem Nach-druck hinweisen; denn innenpolitisch sind die Weichen imGrunde gestellt, soweit überhaupt noch Lücken in unsererGesetzgebung bestehen. Der Beitritt zur Menschenrechts-konvention ist - ich habe es bereits gesagt - auch ein Schrittzur Europäischen Rechtsgemeinschaft. Er ist auch ein Be-kenntnis zu Europa; er ist ein Bekenntnis zu einem gemein-samen europäischen Erbe und zu einer gemeinsamen euro-päischen Haltung in jenen Grundfragen des Rechtes, aufdenen auch unsere Kultur und unsere Existenz beruhen.Wir sind völlig frei, diesen förmlichen Schritt zu tun. Esbesteht kein Druck von irgendeiner Seite ausserhalb derGrenzen unseres Landes. Was wir im Ausland vermerken,ist nur das Erstaunen, dass die Schweiz den Beitritt nochnicht vollzogen hat; nicht ein Erstaunen aus Unkenntnis,sondern gerade deswegen, weil das Verständnis für unserebesondere Situation, wie sie sich aus der direkten Demo-kratie ergibt, durchaus vorhanden ist. Aber man wartetdarauf, dass die älteste Demokratie der Welt mit ihrerUnterschrift sich auch europäisch zu jenen Menschen-rechten bekennt, die sie auf Grund ihrer alten demokrati-schen Tradition national schon längst als ihr selbstverständ-liches Patrimonium betrachtet. Man täusche sich nicht:Es ist dem übrigen demokratischen Europa nicht gleich-gültig, ob unser Staatswesen sich beiseite stellt. Es empfin-det vielleicht mehr, als wir glauben, dass dieses demokra-tische Europa ohne die Schweiz unvollständig ist. Wir sind

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16. Juni 1969 367 Menschenrechtskonvention

es dem übrigen Europa, das durch viele Irrtümer und vielLeid den schwierigen Weg zu seiner Behauptung in Freiheitund Friede sucht, schuldig, es auf diesem Wege zu beglei-ten. Wir haben nach langem Zögern den Weg nach Strass-burg gefunden, weil wir glauben, wir könnten dort an demneuen «Unternehmen Europa» mitarbeiten, ohne an dieGrundfrage unserer Selbständigkeit und nationalen Eigen-art rühren zu müssen. Wir sollten auf diesem Wege weiter-schreiten.

Man spricht bei uns viel von Solidarität, wenn man dieAussenpolitik meint. Solidarität bekundet sich aber nichtnur in der Spendefreudigkeit bei humanitären Werken;ganz abgesehen davon, dass andernorts diese Solidaritätkeineswegs geringer ist. Solidarität erstreckt sich auch aufdie Bereitschaft zu sonstiger Gemeinsamkeit im politi-schen Werk, soweit unsere wesentlichen politischen Grund-sätze und Strukturen dadurch nicht in Frage gestellt werden.Wenn wir schon wissen, wie schwer es uns aus sehr gewich-tigen Gründen fällt, an bestimmten Formen der Europäi-schen Integration uns zu beteiligen, dann sollten wir dort,wo es uns möglich ist, nicht willentlich Aussenseiter sein.

Ich bitte Sie, daran zu denken, dass der Beitritt zurMenschenrechtskonvention in ihren Schwierigkeiten einekleine, bescheidene Operation darstellt im Vergleich zu denganz anderen Schwierigkeiten, vor die wir gestellt sein wer-den, wenn das Problem der wirtschaftlichen Integration inirgendeinem institutionellen Bezug mit der EWG gelöstwerden sollte. Es macht mir Sorgen, zu sehen, mit welchemKleinmut teilweise an die Menschenrechtskonvention her-angetreten wird, wenn ich an die schweren Aufgaben denke,mit denen uns die europäischen Integrationsbestrebungenin vielleicht naher Zukunft konfrontieren werden. Es giltdie Proportion zu wahren und im Beitritt zur Menschen-rechtskonvention einen kleinen Schritt der Mitwirkung inder Schaffung der europäischen Gemeinschaft zu sehen,einen Schritt, den wir in der vollen Überzeugung tun kön-nen, dass unsere schweizerischen Institutionen den Ver-gleich mit den ändern Ländern durchaus aushallen, wennes um die Respektierung der grundlegenden Menschen-rechte geht, und zwar trotz den Mängeln, die unsere Ver-fassung oder unsere Gesetzgebung noch aufweisen mögen,Lücken, die aus historischem Erbgut einer alten Demo-kratie herrühren.

Ich bitte Sie, in diesem Sinne vom Bericht zustimmendKenntnis nehmen zu wollen.

Le président: L'entrée en matière n'est pas combattue;elle est votée.

Nous avons à choisir entre trois propositions. Lamajorité de la commission propose de prendre acte durapport et d'en approuver les conclusions. Une premièreminorité, conduite par M. Chevallaz, propose de prendreacte du rapport mais de différer la signature et la ratificationde la Convention. La deuxième minorité, conduite parM. Dürrenmatt, propose de prendre acte du rapport. Cesdiverses propositions ont été motivées.

Je vous propose l'ordre de votation suivant : Dans unevotation éventuelle, nous opposerons la proposition de lapremière minorité à celle de la seconde, à savoir la propo-sition Chevallaz à la proposition Dürrenmatt, puis nousopposerons le résultat de cette votation éventuelle à laproposition de la majorité de la commission.

Abstimmung - VoteEventuell - Eventuellement:

Für den Antrag der l. Minderheit 67 StimmenFür den Antrag der 2. Minderheit 95 Stimmen

Definitiv - Définitivement :Für den Antrag der Mehrheit 88 StimmenFür den Antrag der 2. Minderheit 80 Stimmen

Le président: La motion de la commission a été motivée.Les rapporteurs désirent-ils s'exprimer au sujet de cettemotion? Tel n'est pas le cas.

Le Conseil fédéral accepte la motion de la commission.Cette motion n'étant pas combattue, elle est acceptée.

Il reste à traiter la proposition Schwarzenbach.

Schwarzenbach: Sie haben der Motion der Kommissionzugestimmt und damit dem Bundesrat grünes Licht für denBeitritt der Schweiz zur Menschenrechtskonvention desEuroparates mit den bekannten Vorbehalten gegeben. Ichhabe für diesen Fall den Antrag der Nichtanerkennung derZuständigkeit des europäischen Gerichtshofes für Menschen-rechte in schweizerischen Belangen gestellt. Ich wurde zudiesem Antrag veranlasst, weil der Bundesrat seinerseits aufSeite 80 seines Berichtes an die Bundesversammlung dieAnerkennung des Gerichtshofes mit folgenden Empfeh-lungen förmlich empfiehlt. Er schreibt: «Der Gerichtshofist ein Faktor der Stabilität und Rechtssicherheit. SeineRechtsprechung stellt eine beachtliche Garantie für dieVertragsparteien dar. Die Schweiz hat immer die Idee derinternationalen Gerichtsbarkeit unterstützt, sie kann sichhier jetzt nicht entziehen. Wir denken deshalb, dass wir unsder obligatorischen Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes voll-umfänglich und auf unbestimmte Zeit unterstellen sollten,ohne Bedingung der Gegenseitigkeit seitens mehrerer oderbestimmter anderer Vertragsparteien.»

Dass uns aber die von mir geforderte Aberkennung derZuständigkeit bei einem Beitritt rechtlich zusteht, entnehmeich dem Kommentar einer Schrift, welche die Informations-abteilung des Europarates 1968 herausgegeben hat. Sie be-fasst sich mit der europäischen Menschenrechtskonvention.Ich lese in Kapitel 2, «Der europäische Gerichtshof fürMenschenrechte»: «Die Zuständigkeit des Gerichtshofesist nicht in allen Fällen gegeben. Seine Gerichtsbarkeitmuss nämlich zuvor von den jeweiligen Vertragsstaatengenerell in Form von besonderen Erklärungen anerkanntwerden. Bisher haben 11 der 16 Vertragsstaaten eine solcheErklärung abgegeben. Nicht anerkannt wird die Zuständig-keit des Gerichtshofes von Zypern, Italien, Frankreich,Griechenland, Malta und der Türkei. Diese nicht unter-zeichneten Vertragsstaaten können sich ihrerseits der Zu-ständigkeit des Gerichtshofes für einen besondern Fallunterwerfen. »

Es wird notwendig sein, dass ich Ihnen doch darlege,welches die Kompetenzen der Menschenrechtskommissionund welches diejenige des Gerichtshofes sind. Sowohl dieEuropäische Menschenrechtskommission wie der Gerichts-hof sind verpflichtet, darüber zu wachen, dass die von denvertragschliessenden Staaten eingegangenen Verpflich-tungen eingehalten werden. Die Kommission kann sich mitallen Fällen befassen, die sich nach dem Inkrafttreten derKonvention für die betroffenen Vertragsstaaten ereignethaben. Bei Staatsbeschwerden ist besonders bemerkenswert,dass eine Regierung auf diesem Wege auch Konventions-verletzungen geltend machen kann, die Personen betreffen,welche nicht die Nationalität des beschwerdeführendenStaates besitzen. Neben den Staatsbeschwerden gibt es aberauch Individualbeschwerden, die freilich nur gegen Staateneingebracht werden können, die diese Beschwerdemöglich-keit ausdrücklich anerkannt haben. Von den 16 Staaten,

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Convention des droits de l'homme 368 16 juin 1969

die die Konvention bisher ratifizierten, haben 11 dasIndividualbeschwerderecht anerkannt. Dazu schreibt einKommentator des Europarates: «Dieses Recht derIndividualbeschwerde ist im allgemeinen Völkerrechtgeradezu als revolutionär anzusehen. In der Geschichte derMenschenrechte wurde damit zum erstenmal das Rechtvon Einzelpersonen anerkannt, sich mit Klagen direkt aneine internationale Behörde mit teilweise gerichtsähnlichemCharakter (gemeint ist die Menschenrechtskommission) zuwenden. »

Anders verhält sich der Sachverhalt, wenn die Klagedem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte über-wiesen wird. Er funktioniert als eigentliches richterlichesGremium, in dem so viele Richter Einsitz haben alsMitgliedstaaten sind. Eine Anerkennung des Gerichtshofeswürde für die Schweiz also bedeuten, dass sie im Rahmender Menschenrechtskonvention ebenfalls internationalerichterliche Funktionen auszuüben hätte. Das Urteil desGerichtshofes ist für die am Verfahren beteiligten Staatenverbindlich und verpflichtet diese, alle notwendigenSchritte zur Vollstreckung des Urteils zu unternehmen. DasMinisterfcomitee des Europarates hat die Vollstreckung derUrteile des Gerichtshofes zu überwachen.

Darf ich Sie in diesem Zusammenhang auf eine Aussagehinweisen, die in einer Studie «Der Mensch und seineGrundrechte» in den Mitteilungsheften des Europarateserschienen ist. Da heisst es: «Wir stehen hier vor einer dertiefsten Umwälzungen, welche die Menschheit im Rechts-leben erfahren hat. Gibt es etwa eine Frage, wo die Staateneifersüchtiger auf ihre Selbständigkeit pochen, als die derBehandlung ihrer eigenen Staatsangehörigen ? Und geradehier ist der Einbruch erfolgt. Mit der Ratifizierang dereuropäischen Menschenrechtskonvention übernimmt einLand die Verpflichtung, einen wesentlichen Teil seinesinternen Rechtssystems der Überwachung durch die be-freundeten Regierungen zu unterwerfen. » Das schreibt derBerichterstatter des Europarates. Welche grundlegende Be-deutung dem Gerichtshof zufällt, kommentiert eineDissertation, wo es heisst: «In der Tat ist die Konventionnur so viel wert, wie die Auslegung dieser Bestimmungdurch den Europäischen Gerichtshof tür Menschenrechtezulässt. In Art und Anlass der Anwendung dieser Bestim-mung liegt die Bewährungsprobe der Konvention. »

Welche Fälle sind bis jetzt dem Europäischen Gerichts-hof vorgelegt worden? Das wird uns interessieren, wennwir beitreten und uns seinem Richterspruch unterziehenwollen. Es sind bis jetzt als Gravierendstes sechs sogenanntebelgische Sprachenfälle. Diese Fälle werfen das Problemder Vereinbarung bestimmter Vorschriften der belgischenGesetzgebung über die Verwendung der Landessprachenim Erziehungswesen mit den Artikeln 8 und 14 der Men-schenrechtskonvention auf: Diskriminierung, Privat- undFamilienlebenprobleme, immer im Zusammenhang mit denSprachenproblemen. «In diesen Fällen» - so heisst es imBericht - «wurde erstmals im November 1966 vor demEuropäischen Gerichtshof für Menschenrechte in öffent-lichen Sitzungen verhandelt.» Die Einwendungen derbelgischen Regierung auf Nichtzuständigkeit - eine Regie-rung, die unterzeichnet hat, sah sich genötigt, auf Nicht-zuständigkeit zu klagen - wurden abgelehnt, einstimmigzurückgewiesen, worauf der Gerichtshof in die Prüfung derHauptfrage eintrat und heute noch das Verfahren an-hängig ist.

Es ist durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, unddarum mein Antrag, dass sich Analogien zu Belgien fürinnerschweizerische Differenzen in einigen Landesgegenden

bei uns aufdrängen. Anerkennen wir die Zuständigkeit desStrassburger Gerichtshofes, und wir werden es erleben,sehr bald, dass uns Lösungen in Form eines Urteils vonaussen diktiert werden, die wir mit einigem gutem Willenschon längst zur Zufriedenheit aller Beteiligten aus eigenerInitiative hätten finden können. Ich brauche ja diesesProblem, das jetzt brennt, nicht mit Namen zu nennen.Wollen wir diese Lösungen Strassburg übertragen? SindSie bereit, die Wege zu bereiten, dass wir uns in Zukunftdem Urteilsspruch eines fremden Gerichtes beugen? Dasist die Frage, die sich an Sie stellt. Am Begriff der Neutrali-tät lässt sich interpretieren, am Begriff der Souveräni-tät lässt sich nicht rütteln, mit dem Begriff der Unab-hängigkeit sind keine Manipulationen möglich. Entwedersind wir in der politischen Ordnung unabhängig, oder wirverzichten als Staat - ähnlich wie es die Kantone in unseremBundesstaat getan haben - auf wesentliche Prärogativen derSouveränität.

Ich frage aber: Wer gibt Ihnen heute die Erlaubnis zuetwas Ähnlichem ? Unsere jetzige Bundesverfassung enthältkeine Klausel, die diesen Verzicht auf Unabhängigkeit inirgendeiner Form rechtfertigen könnte. Der Bundesrat undwir alle hier im Saal haben hier unsern Amtseid auf dieWahrung der vollen Unabhängigkeit der Schweiz abgelegt,und durch diesen Eid sind Sie alle gebunden. Ändern Siezuerst die Verfassung, und dann können Sie auf Sou-veränitätsrechte verzichten! Die Anerkennung der Zu-ständigkeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-rechte, wie übrigens auch der Beitritt zur Menschenrechts-konvention, sofern sie für unser Land gesetzgeberischeKraft erlangt, wäre ein eindeutiger Verzicht auf unsere treugewahrten Souveränitätsrechte. Ich habe hier im Saalebereits vor einem Jahr in meiner Stellungnahme zumBericht des Bundesrates über die Regierungspolitik aufdiese Problematik hingewiesen.

Ich schliesse, damit Sie entscheiden können. Wir fühlenuns in der heutigen Stunde an eine kluge Mahnung unsererVorfahren erinnert, die im Jahre 1315 den geschworenenewigen Bund der drei Waldstätte nochmals erneuerthaben. Da lesen wir in der Präambel folgenden träfen Satz,den Sie sich auch einprägen mögen: «In Gottes Namen.Amen. Da menschlicher Sinn blöde und vergänglich ist,dass man die Sachen und Dinge, die lang währen und stetsbleiben sollen, so leicht und so bald vergisst; deshalb ist esso nützlich und notwendig, die Sachen schriftlich aufzu-setzen. »

Wir haben eine Verfassung, in der sind diese Sachenschriftlich aufgesetzt. Die Frage ist : Wollen wir durch denBeitritt zur Menschenrechtskonvention, das heisst durchdie Anerkennung der übernationalen Hoheit des Euro-päischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die währendvier Jahrhunderten teuer erkämpfte Exemption vomReichsgericht, die auch eine Verpflichtung für unsereGeneration bedeutet, ungeschehen machen und statt demReichsgerichtshof in Regensburg neuerdings den Reichs-gerichtshof in Strassburg anerkennen?

Ich ersuche Sie, im Geiste unserer Verfassung und ver-pflichtet durch Ihren Eid, zur Wahrung unserer vollenUnabhängigkeit das vermessene Ansinnen, uns eineminternationalen Gerichtshof zu unterwerfen, abzuweisen.

Eggenberger, Berichterstatter: Angesichts der fort-laufenden Aufmerksamkeit des Rates beschränke ich michauf wenige Sätze.

Die Kommission hat zum Antrag Schwarzenbach nichtStellung nehmen können, weil er erst in diesen Tagen ein-

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17. Juni 1969 369 Landesversorgung mit Zucker

gereicht worden ist. Die Kommission - das haben mir auchVertreter der Minderheit erklärt - lehnt den AntragSchwarzenbach jedoch ab. Ich habe dazu bereits in meinemSchlusswort Stellung genommen. Ich kann meine Auf-fassung trotz der staatsrechtlichen Belehrung des HerrnSchwarzenbach nicht ändern; ich halte dafür, dass eineAuseinandersetzung über dieses Problem nicht hieher ge-hört, sondern dann am rechten Ort angebracht wird, wennwir zur Ratifikation Stellung nehmen müssen.

Im übrigen glaube ich, haben wir die masslos über-triebenen staatsrechtlichen Bedenken des Herrn Schwarzen-bach nicht zu akzeptieren. Ich beantrage Ihnen Ablehnungdes Antrages Schwarzenbach.

M. Chevallaz, rapporteur : La proposition de M. Schwar-zenbach consiste à ne pas reconnaître la compétence de laCour européenne, organisme prévu par la Convention pouravoir à connaître de l'application de cette même Conven-tion. Cette proposition n'a pas été examinée en commission,mais je crois, comme M. Eggenberger, que nous pouvonsdire, dans l'esprit des délibérations de la commission et àla suite de vos décisions de tout à l'heure, que cette pro-position enlèverait à notre adhésion une partie essentiellede sa valeur. Or, comme nous avons regretté tout à l'heureet que nous regrettons encore maintenant que l'adhésionde la Suisse à la Convention doive être assortie d'impor-tantes réserves, ainsi pensons-nous qu'il est parfaitementillogique d'ôter à la Convention un de ses instrumentsfondamentaux. Nous vous invitons donc à rejeter cetteproposition.

Dans le temps où nous vivons, M. Schwarzenbach, quin'est pas celui dont vous rêvez, mais qui est un tempsd'interdépendance, nous estimons que c'est dans la soli-darité que se défend le mieux l'indépendance du pays.

Bundesrat SpUhler: Ich habe in meinem Votum vorhineindringlich und ziemlich ausführlich auf den internatio-nalen Gerichtshof sowie die internationalen Schieds-abkommen hingewiesen, die wir mit einer grossen Zahl vonStaaten abgeschlossen haben. Ich habe auch betont, welcheAufgaben der Europäische Gerichtshof in Strassburg hat,und glaube deshalb, dass ich mich nun auf einige wenigeHinweise beschränken kann, vor allem den, dass zur Zeitelf Vertragsstaaten die ausdrückliche Erklärung abgegebenhaben, dass sie sich der obligatorischen Gerichtsbarkeitunterstellen. Das sind: Belgien, Dänemark, Bundes-republik Deutschland, Island, Irland, Luxemburg, Nieder-lande, Norwegen, Österreich, Schweden und das Ver-einigte Königreich. Fünf Staaten anerkennen die obli-gatorische Gerichtsbarkeit nicht: Griechenland, Italien,Malta, Türkei und Zypern.

Zum Gerichtshof selber möchte ich nur noch - um nichtdie vorher angestellten juristischen Überlegungen sowiejene der Herren Referenten zu wiederholen - sagen, dassder Gerichtshof für Menschenrechte dank der Qualität undUnabhängigkeit seiner Richter eine hohe Gewähr bietet füreine bedeutsame Rechtsprechung. Seine staatsmännischeZurückhaltung stellt eine Garantie für die Vertrags-parteien dar. Der Gerichtshof hat bisher noch keine zehnUrteile gefällt. Auch daraus ersieht man, wie vorsichtig erin der Zulassung von Klagen ist. Er kann nämlich nicht vonEinzelpersonen, sondern nur von der Kommission odervon den Vertragsstaaten angerufen werden. Auch hierinliegt eine weitere Gewähr für die Vertragsparteien, dass dieIdee der internationalen Gerichtsbarkeit nicht übermässigstrapaziert wird.

Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn Schwarzenbachabzulehnen. Im übrigen würde sich bei einer anfälligenRatifikationsdiskussion wiederum Gelegenheit bieten, dazuStellung zu nehmen.

Abstimmung - VoteFür den Antrag Schwarzenbach 7 StimmenDagegen Grosse Mehrheit

An den Ständerat - Au Conseil des Etats

#ST# Vormittagssitzung vom 17. Juni 1969Séance du 17 juin 1969, matin

Vorsitz - Présidence: M. Aebischer

10091. Landesversorgung mit Zucker.Bundesbeschluss

Approvisionnement du pays en sucre.Arrêté fédéral

Botschaft und Beschlussentwurf vom 25. November 1968(BEI II, 805)

Message et projet d'arrêté du 25 novembre 1968 (FF II, 833)

Beschluss des Ständerates vom 5. März 1969Décision du Conseil des Etats du 5 mars 1969

Antrag der KommissionEintreten.

Antrag Gehrig

Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, dieheutige Ordnung zu verlängern.

Proposition de la commission

Passer à la discussion des articles.

Proposition Gehrig

Renvoi au Conseil fédéral avec mandat de proroger laréglementation actuelle.

Berichterstattung - Rapports généraux

Akeret, Berichterstatter: Der Bundesbeschluss über dieFörderung des Anbaues von Zuckerrüben und die ver-mehrte Sicherung der Landesversorgung mit Zucker, denich vor Ihnen zu vertreten habe, blickt, wie Sie wissen, aufeine leidvolle Geschichte zurück. Nicht nur der Käse unddie Milch, auch der Zucker bildet in unserer Agrarpolitikein heisses Eisen, ein umstrittenes Politikum. Es ist für denAussenstehenden schwer verständlich, weshalb der Kampfum die Zuckerordnung, um einige Zuckerrappen, in derÖffentlichkeit mit solcher Heftigkeit geführt wird. Offen-bar ist aber der Zucker nicht nur in der Politik, sondernauch im Handel ein Kampfartikel, der in den geschäftlichenDispositionen des Grosshandels und der Grossverteiler-

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften

Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées

Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Menschenrechtskonvention des Europarates. Bericht des Bundesrates

Convention des droits de l'homme du Conseil de l'Europe. Rapport du Conseil fédéral

In Amtliches Bulletin der BundesversammlungDans Bulletin officiel de l'Assemblée fédéraleIn Bollettino ufficiale dell'Assemblea federale

Jahr 1969Année

Anno

Band IIVolume

Volume

Session SommersessionSession Session d'étéSessione Sessione estiva

Rat NationalratConseil Conseil nationalConsiglio Consiglio nazionale

Sitzung 09Séance

Seduta

Geschäftsnummer 10114Numéro d'objet

Numero dell'oggetto

Datum 16.06.1969Date

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Seite 360-369Page

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Ref. No 20 039 079

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