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Langenbecks Arch. Chir. 352 (KongreBbericht 1980) L.angenbecks Archiv ftir Chirurgie © by Springer-Verlag 1980 103. 40 Jahre Marknagelung nach Kiintscher W. Lentz Abteilung ffir Unfallchirurgie, St~idtische Chirurgische Klinik, An den VoBbergen 79-99, D-2900 Oldenburg Forty Years with the Kiintscher Nail Summary. Since 1940, the total number of fractures treated employing the Kfintscher nail method is estimated to be about two million. Stages of development to the present date are discussed briefly. Recently interlocking nailing for comminuted fractures has been employed more frequently. Since 1973 the Gerhard-Kiintscher Kreis has supported the development of new methods for intramedullary nailing. Key words: Intramedullary nailing - Kiintscher. Zusammenfassung. Die seit der Erstver6ffentlichung (1940) mit dem Kfintscher-Nagel behan- delten Frakturen werden auf etwa 2 Millionen gesch~itzt. Die einzelnen Etappen der Entwick- lung bis zum heutigen Stand werden noch einmal aufgezeigt. In letzter Zeit gewinnt die Verriegelungsnagelung bei Trfimmerbriichen zunehmend Bedeutung. Seit 1973 f6rdert der Gerhard-Kfintscher-Kreis neue Methoden der Knochenbruchbehandlung. Schliisselwiirter: Marknagelung - Kfintscher. Nach vorsichtiger Sch~itzung aufgrund der Produktionszahlen der Industrie sind im Laufe dieser Zeit fiber 2 Millionen Patienten mit dieser Methode behandelt worden. Die groBe Zahl sagt zugleich aus, dab dies eine erfolgreiche Methode sein muB. Als Kfintscher auf diesem KongreB vor 40 Jahren seinen Vortrag >~Die Marknagelung von Knochenbrfichen<< hielt, ging ein St6hnen des Entsetzens durch das Auditorium, und namhafte Chirurgen wie Nordmann, K6nig und Sch6ne lehnten in der Aussprache das Verfahren ab. Man war eben noch ganz in der konservativen Knochenbruchbehandlung befangen, obwohl die Schenkelhalsnagelung bereits bekannt war. Die verwendeten N~igel erschienen doch wohl allzu groB und zu gewaltt~itig! Was war nun das Neue? Es handelt sich zwar um eine operative (blutige) Methode, doch wird die Fraktur selbst nicht er6ffnet. Das Prinzip der Nagelung wurde beibehalten: W~ihrend bei der herk6mmlichen Nagelung der starre Nagel das elastische Material (Holz) auseinanderdr~ingt, fiihrt hier der im Querschnitt und in der L~ingsrichtung elastisch verformbare Nagel im starren Knochenrohr zur Verklemmung, zum Kraftschluflverbund. Hinzu kommen der axiale Druck der Muskulatur und eine evtl. Gehbelastung, die dann nach kurzer Unruhe zu einer Verklemmung der Fragmente mit innerer Verhakung der Bruchstellen fiihrt. Hier haben wir erstmals vom Markraum her eine ~stabile Osteosyntheseu, wie Kfintscher es nannte, also eine Vereinigung der Bruchstiicke mit Hilfe des Marknagels, die so fest ist, dab die verletzte Extremit~it ohne weitere Hilfsmittel sofort bewegt und sogar belastet werden kann, ohne dab die Fragmente sich erneut verschieben. Wie sich herausstellte, konnte dadurch die ~>Frakturkrankheit<~, die sich in Osteoporose, chronischer Odembildung, aseptischen Entziindungserscheinungen und Gelenksteifen ~iuBert, vermieden werden. Trotz widriger Umstande durch Krieg und Not fand die Marknagelung Widerhall bei einer beachtlichen Anzahl von Chirurgen und verbreitete sich rasch. Zum weiteren Ausbau der Methode blieb Kiintscher zun~ichst leider wenig Zeit. Er muBte als Sanit~itsoffizier an die Front, doch sein engster Mitarbeiter Maatz - selbst auch Soldat - wurde yon einsichtsvollen Vorgesetzten etwa

103. 40 Jahre Marknagelung nach Küntscher

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Langenbecks Arch. Chir. 352 (KongreBbericht 1980) L.angenbecks Archiv ftir Chirurgie © by Springer-Verlag 1980

103. 40 Jahre Marknagelung nach Kiintscher

W. Lentz

Abteilung ffir Unfallchirurgie, St~idtische Chirurgische Klinik, An den VoBbergen 79-99, D-2900 Oldenburg

Forty Years with the Kiintscher Nail

Summary. Since 1940, the total number of fractures treated employing the Kfintscher nail method is estimated to be about two million. Stages of development to the present date are discussed briefly. Recently interlocking nailing for comminuted fractures has been employed more frequently. Since 1973 the Gerhard-Kiintscher Kreis has supported the development of new methods for intramedullary nailing.

Key words: Intramedullary nailing - Kiintscher.

Zusammenfassung. Die seit der Erstver6ffentlichung (1940) mit dem Kfintscher-Nagel behan- delten Frakturen werden auf etwa 2 Millionen gesch~itzt. Die einzelnen Etappen der Entwick- lung bis zum heutigen Stand werden noch einmal aufgezeigt. In letzter Zeit gewinnt die Verriegelungsnagelung bei Trfimmerbriichen zunehmend Bedeutung. Seit 1973 f6rdert der Gerhard-Kfintscher-Kreis neue Methoden der Knochenbruchbehandlung.

Schliisselwiirter: Marknagelung - Kfintscher.

Nach vorsichtiger Sch~itzung aufgrund der Produktionszahlen der Industrie sind im Laufe dieser Zeit fiber 2 Millionen Patienten mit dieser Methode behandelt worden. Die groBe Zahl sagt zugleich aus, dab dies eine erfolgreiche Methode sein muB.

Als Kfintscher auf diesem KongreB vor 40 Jahren seinen Vortrag >~Die Marknagelung von Knochenbrfichen<< hielt, ging ein St6hnen des Entsetzens durch das Auditorium, und namhafte Chirurgen wie Nordmann, K6nig und Sch6ne lehnten in der Aussprache das Verfahren ab. Man war eben noch ganz in der konservativen Knochenbruchbehandlung befangen, obwohl die Schenkelhalsnagelung bereits bekannt war. Die verwendeten N~igel erschienen doch wohl allzu groB und zu gewaltt~itig!

Was war nun das Neue? Es handelt sich zwar um eine operative (blutige) Methode, doch wird die Fraktur selbst nicht er6ffnet. Das Prinzip der Nagelung wurde beibehalten: W~ihrend bei der herk6mmlichen Nagelung der starre Nagel das elastische Material (Holz) auseinanderdr~ingt, fiihrt hier der im Querschnitt und in der L~ingsrichtung elastisch verformbare Nagel im starren Knochenrohr zur Verklemmung, zum Kraftschluflverbund. Hinzu kommen der axiale Druck der Muskulatur und eine evtl. Gehbelastung, die dann nach kurzer Unruhe zu einer Verklemmung der Fragmente mit innerer Verhakung der Bruchstellen fiihrt. Hier haben wir erstmals vom Markraum her eine ~stabile Osteosyntheseu, wie Kfintscher es nannte, also eine Vereinigung der Bruchstiicke mit Hilfe des Marknagels, die so fest ist, dab die verletzte Extremit~it ohne weitere Hilfsmittel sofort bewegt und sogar belastet werden kann, ohne dab die Fragmente sich erneut verschieben.

Wie sich herausstellte, konnte dadurch die ~>Frakturkrankheit<~, die sich in Osteoporose, chronischer Odembildung, aseptischen Entziindungserscheinungen und Gelenksteifen ~iuBert, vermieden werden.

Trotz widriger Umstande durch Krieg und Not fand die Marknagelung Widerhall bei einer beachtlichen Anzahl von Chirurgen und verbreitete sich rasch. Zum weiteren Ausbau der Methode blieb Kiintscher zun~ichst leider wenig Zeit. Er muBte als Sanit~itsoffizier an die Front, doch sein engster Mitarbeiter Maatz - selbst auch Soldat - wurde yon einsichtsvollen Vorgesetzten etwa

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3 Jahre lang freigestellt und konnte so Schulungen fiber die Marknagelung in Lazaretten und Krankenhfiusern durchffihren und dabei auch selbst grol3e praktische Erfahrungen sammeln.

1942 erschien als erste Operationslehre fiber die Marknagelung ein kleines Buch yon Hfibler. Im gleichen Jahr war auch die Operationslehre von Ktintscher und Maatz >>Technik der Marknage- lung~ fertiggestellt, jedoch verz6gerte sich die Freigabe zum Druck durch kriegsbedingte Verordnungen. 1943 verbrannte das gesamte Bildmaterial bei einem Bombenangriffauf Leipzig, so dab die neu zusammengestellte Erstauflage erst im Jahre 1945 erscheinen konnte.

Wie erw~ihnt, konnte Maatz in der Zwischenzeit aufgrund seiner technischen und pathologisch- anatomischen Vorbildung Kfintschers geniale Gedanken ausbauen und auf solide wissenschaftliche Ffil3e stellen. Neue Nagelformen (konische Nfigel, Keilnfigel, Spreizn~gel - s/imtlich nach Maatz) erffillten Spezialaufgaben bei dem sich erweiternden Markraum besser als der einfache Nagel.

1943 berichtete Heim als Erster fiber die Marknagelung von Oberschenkelschuflbrfichen. 1944 hatte die Marknagelung eine solche Verbreitung und Wertsch/itzung gefunden, dab selbst Lorenz Bdhler einen ganzen 3. Band fiber die Marknagelung nach Kfintscher seiner weltbekannten Monographie fiber die Technik der Knochenbruchbehandlung hinzuffigte.

Im letzten Kriegsjahr und im gleichen Mage in den ersten Nachkriegsjahren versiegten die wissenschaftlichen Mitteilungen fast ganz. 1947 hatte die Kieler Klinik die bisher gewonnenen Ergebnisse der Marknagelung zusammengestellt. Fast alle Assistenten batten sich beteiligt. Maatz war Herausgeber. Dieses wichtige Werk sollte im Thieme-Verlag erscheinen. Wie trostlos die damalige Lage war, schildert folgender Brief yon Herrn Dr. h. c. Hauff: . . . >>An sich wfirde es mir durchaus reizvoll erscheinen, Ihren Vorschlag zu realisieren; leider fehlen daffir im Augenblick die technischen Voraussetzungen. Fiir das 4. Vierteljahr 1947 wird den Verlegern fiberhaupt kein Papier zugebilligt, und ich glaube nicht an eine Besserung dieser Situation in den n/ichsten Wintermonaten. Das ffir den Abdruck dieser subtilen Bilder unbedingt erforderliche Kunstdruck- papier darf aber vorerst fiberhaupt noch nicht angefertigt werden, und die aus dem Krieg herfibergeretteten Reste sind allm/ihlich aufgebraucht. Zu den geschilderten Sorgen kommt in diesem Jahre die vorzeitig aufgetretene Stromsperre infolge Wassermangels. Leider mfissen Sie mit Ihrem Buche trfibe Erfahrungen nach dieser Richtung machen . . .< Erst 1951 konnte die Zusammenstellung in der Buchreihe >>Hefte zur Unfallheilkunde<~ erscheinen.

Nach der W/ihrungsreform im Jahre 1948 besserten sich die Verhfiltnisse auch ffir die Marknagelung in jeder Weise. Das vorher nicht zu beschaffende Material wurde wieder geliefert, und der weitere Ausbau der Methode ging rasch voran. Maatz entwickelte die Federosteosynthese und damit erstmalig eine vom Markraum ausgehende interfragmengire Kompressionsosteosynthe- se. Die erste abschliegende Ver6ffentlichung erfolgte in der Monographie >>Federosteosynthese~ 1951.

1950 beschrieb Herzog die Oberarmnagelung mit einem geraden, starren Nagel mit Kleeblatt- profil, 1 Jahr sp/iter die Nagelung der Tibia mit dem gleichen Nagel. Hierbei sei besonders hervorgehoben, dab er die sogenannte Herzog-Krfimmung angab, die verhinderte, dab der seitlich in den Knochen eingeffihrte Nagel in der Markh6hle verschwand. 1953 ver6ffentlichte er die Marknagelung mit dem Rohrschlitznagel in mehreren Modifikationen.

Das Problem der Aufbohrung der Markh6hle ist ein ganz besonders wichtiges Kapitel. Von Anfang an mul3ten die Pseudarthrosen aufgebohrt werden. Sehr viel sp~ter wurde dies auch auf die frischen Frakturen ausgedehnt. Bei der AO war die Aufbohrung der Markh6hle yon Anfang an integrierender Bestandteil der Marknagelung. Es sei vorweggenommen, dab in neuerer Zeit der Wert des kathegorischen Aufbohrens wieder in Zweifel gezogen wird. Es entsteht zwar eine lange Strecke der Formschlfissigkeit zwischen Nagel und Knochen, es entsteht aber auch ein groger intramedull~irer Sequester. So ist nach 40 Jahren auch bei scheinbar gel6sten Problemen wieder einmal etwas in Flug geraten.

Kfintscher schreibt 1959, dab >>seit einer Reihe von Jahren~ die Markh6hle in 2 0 - 30 ~o auch bei frischen Frakturen aufgebohrt wfirde. An anderer Stelle wird mitgeteilt, dab es im Jahre 1957 Ernst Pohl nun endlich gelungen sei, gefiihrte flexible Bohrer herzustellen.

Hier ist Gelegenheit, Ernst Pohl's zu gedenken, dem wegen seiner Verdienste um die Schaffung medizinischer Ger~ite der Dr. med. h. c. vonder Kieler Universitfit verliehen wurde. Er war u. a. der geistige Vater der Drehanode in der R6ntgenr6hre und der allseits bekannten, nichtsperrenden Pohl'schen Schraube ffir die Frakturbehandlung am Oberschenkel. Als gelernter Mechaniker hat er

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mit einem ungew6hnlichen Verstfindnis die KiJntscher-N~igel und das Instrumentarium geschaffen und auch spgter mit ausgebaut. Seine Ansicht hatte stets besonderes Gewicht. Passende Nggel muBten namentlich in der ersten Zeit am Tage vor der Operation nach R6ntgenbild und Zeichnung hergestellt werden. Wenn das hergestellte Modell yon Pohl mitunter eigenwillig ge~indert worden war, entlockte es in manchen F~illen dem Operateur den Ausruf: ~>Das ist ja noch besser!~<

Das Jahr 1955 brachte fiir die Marknagelung eine weitere groBe Bereicherung: Den Bildverst~irker. Er war zunachst nut mit einer Betrachtungsoptik ausgestattet, hatte aber bereits ab 1959/60 eine Fernsehkette. W/ihrend friiher der Operateur und besonders der arme Assistent direkt im R6ntgenlicht stand und das Kryptoskop halten mugte, war der Strahlenkegel jetzt sachgemfig eingeblendet und Patient sowie Operationsmannschaft erhielten infolge der elektronischen Verst/ir- kung nur noch eine geringe Strahlenmenge.

Die nunmehr exakte R6ntgenuntersuchung lieB jetzt auch Standardlagerungen zu. Vorher waren die Lagerungen sehr individuell und manchmal auch recht unzweckm/iBig. Die ersten zweckmfiBigen Tische wurden konstruiert.

Zur Beseitigung der oft schwer behebbaren Verktirzung hat K/intscher 1958 den Distraktor angegeben. Auger bei Frakturen eignet er sich auch bei bindegewebig verheilten Pseudarthrosen. Mit ihm konnte man ohne Gefahr und ohne Schwierigkeiten jede Verkiirzung in wenigen Tagen beseitigen. Sobald die Verk~irzung beseitigt war, lieg sich die seitliche Dislokation stets leicht beheben.

1950 hatte Kiintscher bereits ein Buch mit dem Titel ))Marknagelung<< ver6ffentlicht. Im Jahre 1962 erschien endlich seine lang erwartete Monographie ~)Praxis der Marknagelung~<. Sie wurde sp~iter ins Englische, Spanische und Japanische tibertragen. In einfachen von ihm selbst hergestellten Strichzeichnungen brachte er das Wesentliche. Dies hat allerdings den Unerfahrenen immer wieder verleitet, den auch heute noch nicht leichten Eingriff der Marknagelung zu einfach zu sehen.

Ktintscher war in allen seinen wissenschaftlichen Abhandlungen ein plausibler Zeichner. DaB er dafiir eine besondere Begabung besaB, zeigen seine vielen Karikaturen, die er im vertrauten, aber auch im gr6Beren Kreise immer wieder gem zeigte.

Das pers6nliche Verhgltnis Kfintschers zu seinen Mitarbeitern und Schtilern war gut und humorvoll, manchmal auf seine besondere Art sogar herzlich. Eigenartigerweise lieB er seine Mitarbeiter aber kaum an seinen Forschungen und wissenschaftlichen Arbeiten teilnehmen. Auger Maatz hat er hie einen Mitautor gehabt.

In wissenschaftlichen Diskussionen vertrat Ktintscher hart seinen Standpunkt und seine Prinzipien. Wir kennen die lebhaften Streitgesprfiche noch gut, als Anfang der 60er Jahre das Pendel wieder zur Seite der konservativen Behandlung ausschlug. In der Pause konnte man dann oft die friedliche und freundschaftliche Fortsetzung des Gespr~ichs erleben.

Als das erstrebenswerte Ziel betrachtete es Kiintscher, die gesamte Knochenchirurgie vom Markraum her durchzuftihren. So ftihrte er 1964 die Innens/ige ein, mit der er vom weit aufgebohrten Markraum Verk/irzungen und Osteotomien durchffihrte. Beide Verfahren haben nur eine begrenzte Verbreitung gefunden.

Von sehr viel gr6gerer praktischer Bedeutung waren seine Gedanken und Bemiihungen, Triimmerbriiche mit der Marknagelung zu behandeln. Etwa von 1964 an hat er verschiedene Verfahren ver6ffentlicht. Es kommt dabei ja im wesentlichen darauf an, die Endfragmente mit dem Nagel zu erfassen und sie in der richtigen Distanz zu halten. Originaldiapositve von Ktintscher zeigen verschiedene M6glichkeiten. In einem Fall kommt das Modell der heutigen Verriegelungsna- gelung schon sehr nahe.

Auch nach dem Ausscheiden aus seiner tfiglichen chirurgischen T/itigkeit im Hafenkrankenhaus in Hamburg hat Ktintscher welter am Ausbau seiner Methode gearbeitet. Es sei hier noch der Trochanternagel erwfihnt.

Sein Werk wurde nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern in der ganzen Welt anerkannt, under hat zahlreiche Ehrungen erfahren. Er wurde auch Ehrenmitglied unserer Gesellschaft. Wie hoch sein Werk dabei eingesch/itzt wurde, sagt der fast schon klassiche Satz des damaligen Pr~sidenten Lindenschmidt aus: ~>Kommende Generationen wiirden es niemals verstehen, wenn wir Sie nicht zu unserem Ehrenmitglied ernannt h~itten !<< Mit der Antwort Kfintschers mag sich mancher hier im Saal auch jetzt noch angesprochen •hlen. Er sagte: ~Diese Ernennung bedeutet

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die Anerkennung meines Lebenswerks. An diesem Werk sind Sie alle beteiligt, besonders der Chirurg des kleinen und mittleren Krankenhauses, der st/indig in Beriihrung mit dem Unfall ist. Es ist sein Verdienst, dab die Marknagelung eine rasche und weite Verbreitung gefunden hat.~

Mitten in der Arbeit an der 2. Auflage seines Buches ))Praxis der Marknagelung~ hat ibm plStzlich der Tod im wahrsten Sinne des Wortes den Bleistift aus der Hand genommen. Er hatte noch das Manuskript vor sich, auf dem der letzte Satz mit ))das gebrochene Bein~ endet.

Inzwischen wurde die Verriegelungsnagelung von Klemm und Schellmann in eine gut praktikable Methode verwandelt und fand rasch Verbreitung. Sie wurde welter durch Grosse und Kempff ausgebaut. Wie leistungsf~,i.hig diese Methode ist, mag ein eigener Fall zeigen: Offene Trilmmerfraktur des Oberschenkels mit tiefen stark verschmutzten Hautabschilrfungen am ganzen Bein, die mehrere Wochen zur Ausheilung ben6tigten. Lediglich die Einschlagstelle des Nagels und die Einfilhrungsstellen der Verriegelungsschrauben waren noch frei. Zun~ichst Extension. Nach einigen Tagen wurde die Marknagelung gewagt, dabei liel3 sich eine Beseitigung der schweren Dislokation einiger Fragmente nicht erreichen. Schon rasch bildete sich Callus. Nach Abheilung der Wunden erfolgte etwa 3 Monate spfiter Spongiosa-Transplantation, die dann eine gute Ausheilung des Knochens in normaler Lfinge unter langsamer Resorption der stark dislozierten Bruchstilcke brachte.

Auch der Spreiznagel von Maatz hat jetzt in einer neuen Form mit verstellbarer schiefer Ebene aus Kunststoff in mehreren Kliniken schon die ersten guten Ergebnisse erzielt.

Nach Kilntschers Tod fanden sich seine Schiller und viele Interessenten zum Gerhard- Kilntscher-Kreis zusammen.

So soll an dem groBartigen Werk Kilntschers weitergearbeitet werden. An 11 Kliniken wird bereits eine Dokumentation durchgefilhrt. Es werden Tagungen veranstaltet, die letzte war 1978 in Ludwigshafen, die nachste ist im September dieses Jahres in Kiel.

Aber nicht nur die Humanmedizin hat yon Kfintschers Idee profitiert, auch in der Veterindrmedi- zin hat seine Methode weite Verbreitung gefunden. So sieht man hier eine Habilitationsschrift fiber die Kilntscher-Nagelung bei Hund und Katze. Unserem folgenden Redner, Herrn Willenegger, verdanke ich in freundschaftlicher Verbundenheit folgende Dia-Serie, mit der ich meinen Vortrag schlieBen mSchte.

Die Marknagelung bei einem wertvollen Tier. Das Team war vielleicht das erste, das einen Hund nicht aus experimentellem, sondern aus therapeutischem Grund genagelt hat.

Literatur beim Verfasser

Prdsident: Ich danke Ihnen, Herr Lentz, ffir diese interessante und so persSnliche Rilckschau auf die Entwicklung und derzeitige Bedeutung der Marknagelung, aber auch filr ihre Hinweise auf die Zukunft der Methode. Ein groBer chirurgischer Pionier, dessen klinische Forschung sich durch Originalitfit und Phantasie auszeichnete, wurde mit Ihrem Referat geehrt. Vielen Dank!