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Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz Einführung in die Medienwissenschaft Sommersemester 2008

105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

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Modul 105, Medienwissenschaft, Prof. Steinmetz, SO08, VL 1-6, Uni Leipzig

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Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz

Einführung in die

Medienwissenschaft

Sommersemester 2008

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TUTORIUMJEWEILS DIENSTAGS, 13 - 15 UHR

PLUS WEITERE TERMINE

ERSTE SITZUNG MORGEN,

15. APRIL, 13 UHR

Ort: ZMK = Zentrum für Medien undKommunikation, Emil-Fuchs-Straße 1

Räume sind ausgeschildert

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Definition Medienwissenschaft

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Medienwissenschaftuntersucht die Spezifik der Medien

Film, Hörfunk, Fernsehen

(partiell auch Presse und Buch) und der ausdiesen synthetisierten

“neuen” Medien

hinsichtlich ihrer Produktions-, Produkt- undRezeptionsästhetik,

ihrer Dramaturgien,

ihrer Darstellungsformen,

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ihrer Programme,

ihrer strukturellen undorganisatorischen Ausprägungen,

ihrer Produktions- und Wirkungsbedingungen,

ihrer historischen Genese sowie

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teilweise auch ihrer ökonomischen, technischen undrechtlichen Grundlagen undAusprägungen.

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Medienwissenschaftbedient sich sowohl

• interpretierender (hermeneutischer) als auch messender,

quantitativer wie qualitativer Methodenund ist

immer historisch-quellenkritischorientiert.

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ZeitungskundePublizistik

Journalistik

Kommunikationswissenschaft (KW)

Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (PuK)

Medienwissenschaft(en) (MW)

Kommunikations- undMedienwissenschaft (KMW)//Medien- und Kommunikationswissenschaften (MuK)

Genese der Kommunikations- undMedienwissenschaften

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Medienwissenschaft ist auf das Feld dermedialen Kultur(re)-Produktion orientiert undgrenzt sich von journalistisch-aktuellenGegenstandsbereichen ab.

Das Studium der Medienwissenschaftqualifiziert v.a. für

Berufe in der Produktion und Evaluation von sowie der Vermittlung kultureller Inhalte durch

Medien.

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Produktions- ästhetik - geschichte

* Autorenstil* Genre* Ökonomie

Produkt - ästhetik- geschichte

Rezeptions - ästhetik- geschichte

Wirkungs - ästhetik- geschichte

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Produktion

Untersuchungs- Organisationsgeschichtegegenstand Produktionsgeschichte

Buch, Autor, Stil, WerkThema, Genre, Technik,

Ökonomie

Methode/ (akt.:) Beobachtung, Quellen Befragung

(hist.:) Schriftwechsel, Produktionsakten, ZensurkartenSekundärquellen

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Produkt

Untersuchungs- Umfeld: Programm,gegenstand Werbung, technische ParameterÄsthetik: Handlung, Dramaturgie, Fabel, Plot,

Bilder, Töne, MontageMethode/ Heuristik: Alltagsrezeption ---Quellen Fragestellung --- Hypothesen

Systemat. Sehen/Hören; ProtokollFilmanalyse (empir. gestützt)

Interpretation (hermeneutisch)

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Rezeption

Untersuchungs- Rezeptionsumstände (ges.,gegenstand politisch, organisatorisch)

Werbung, Publikum, KritikWerk-/Programminhalt, -struktur

Methode/ Publikums- und NutzungsdatenQuellen Kritiken (zeitgenössisch und bis heute)

Befragung (Experten, Oral History)

Schriftwechsel (geheime od. öffentliche) wissentschaftliche oder populäre Rezeptions-Untersuchungen/-Berichte

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Wirkung

Untersuchungs- kurz-, mittel- u. gegenstand langfristige Wirkungen,

z.B. Gewalt, Ost-West, Identität

Methode/ Beobachtung,Quellen Befragung

Schriftwechsel

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• die technische und soziale Determiniertheit/Bestimmtheitder Medien,

• ihre ästhetischen Gestaltungen und Formen,

• ihre kulturgeschichtlichen Entstehungsursachen,

• die Formen ihrer individuellen wie gesellschaftlichen Nutzung und ihrer Wirkungen,

• ihre politischen, ökonomischen, rechtlichen und pädagogischen Rahmen-Aspekte sowie

• ihre Vernetzung in regionalen, nationalen und globalen Mediensystemen.

Medienwissenschaft geht es inForschung, Analyse und Lehre um:

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Kommunikationswissenschaft geht es inForschung, Analyse, Lehre um die öffentlicheKommunikation und die sie prägendenKommunikations-Prozesse

Diese beziehen sich

• auf die Struktur und Organisation von Massenmedien,

• auf die verschiedenen Typen von Kommunikatoren

(Journalistik, Public Relations, Werbung),

• auf Bedingungen der publizistischen

Aussagengestaltung,

• auf Nutzungs- und Rezeptionsmuster sowie

• auf die Wirkungen der Medien.

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Methoden der Kommunikationswissenschaft (KW)KW versteht sich heute im Kern als eine theoretisch und empirischarbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen.Ausrichtung an empirischen Methoden, die Theorienerproben, solche generieren, differenzieren und weiter entwickeln.

Methoden vor allem: unterschiedliche Spielarten der• Befragung (u.a. schriftliche und mündliche Befragung,

Telefoninterviews, Leitfadengespräche) und der• Inhaltsanalyse (systematisch-quantitative und interpretativ-

qualitative Analysen).

Aber auch andere empirische Verfahren wie das Experiment, dasFeldexperiment, die Gruppendiskussion, Laboratoriumsuntersuchungenoder technische Messungen (z.B. Einschaltquotenmessungen beimFernsehen) werden eingesetzt.

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Grundbegriffe:

Öffentlichkeit vs. PrivatheitMedien,Programm

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Medienwissenschaftliche/journalistische GrundbegriffeAufgaben der Medien: Die klassische Triade:

Information:Der Leser/Hörer/Zuschauer wird über das politische Gesche-hen in der Nahwelt (Region), auf nationaler und internationalerEbene, über Institutionen (Parlament, Regierung, Parteien, Inter-essengruppen) (tagesaktuell bis hin zu mittelfristiger Aktualität)[Tag bis Monat] unterrichtet, um sich ein Bild über Vorgänge imStaat und in der Gesellschaft machen und sich an diesen beteili-gen zu können.Information steht für die Aufgabe der elektronischenMassenmedien (in Deutschland),- Tatsachen (Fakten) zu vermitteln (Informationsfunktion), inder Gesellschaft existierende Meinungen zu artikulieren(Artikulationsfunktion) und darüber hinaus- Kritik und Kontrolle gegenüber gesellschaftlich relevantenEntscheidungen und Entscheidungsträgern auszuüben (Kritik-und Kontrollfunktion).

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Aufgaben der Medien: Die klassische Triade:Bildung:Der Leser/Hörer/Zuschauer erhält Kontextwissen, das ihnin den Stand versetzt, die durch (aktuelle) Informationengewon-nenen Kenntnisse/Meinungen und durchunterhaltende Pro-grammangebote erlangtenEindrücke/Erfahrungen einzuordnen, zu werten unddadurch mittel- länger- und langfristig[~Monat/Jahre/Generation] an der Gestaltung desöffentlichen Lebens mitzuwirken.

Unterhaltung:Der Leser/Hörer/Zuschauer erhält Programmangebote, diein Inhalt und Form zur Zerstreuung, Entspannung undRekreation beitragen.

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Die klassische Triade wird heute ergänzt durch

Beratung (Service/Lebenshilfe):Der Leser/Hörer/Zuschauer erhält Informationen,die für seine unmittelbare, tagesaktuelleLebensplanung von Bedeutung sind: Wetterhinweise,Verkehrsmeldungen, Veranstaltungshinweise,Pollenflughinweise, Schneeverhältnisse,Wasserstandsmeldungen, Ozonwerte,Katastrophenwarnungen etc.;

aber auch: Worte (der Kirchen) zum Tage,Kontaktanbahnungen (Kuppelsendungen),Wunschsenungen, Gewinnspiele etc.

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Qualitätsprogramm:basiert auf der Formel des BVerfG: Rundfunk sei Mediumund Faktor, habe die Vorgänge in der Gesellschaft „inmöglichster Breite”, „ausgewogen” und in„gleichgewichtiger Vielfalt” darzustellen;zielt auf kompetente, gleichberechtigte Teilnahme amZeitgespräch der Gesellschaft; ist gekennzeichnet durch:Vielfalt, Relevanz, Akzeptanz, Professionalität undRechtmäßigkeit (nach Schatz/Schulz 1992).

Qualitätsprogramm:ist also gekennzeichnet durch:

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Strukturelle Vielfalt des Programms: Stundenuhr, Tages-und Wochenprogramm-Struktur und:Vorkommen der ganzen Bandbreite medialerDarstellungsformen:NachrichtBerichtReportageFeatureHörspielKommentar, Besprechung/Rezension/KritikGlosseInhaltliche Vielfalt des Programms: Zahl der Themen undthematische Bandbreite: d.h. Themen/Beiträge aus denRessorts Politik, Wirtschaft, Soziales, Nachrichten, Kultur,Sport, Lokales;

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Immer noch: Qualitätsprogramm:

Informations- und Meinungsvielfalt: Programm istinsgesamt politisch und kulturell ausgewogen, d.h. allegesellschaftlich relevanten Gruppen haben eine Chance,im Programm vorzukommen;

Tiefe der journalistischen Aufarbeitung besteht aus:einfacher Mitteilung: Wer? Wann? Wo?vertiefter Mitteilung: zusätzlich: Wie?komplexer Mitteilung: zusätzlich: Warum? –Zusammenhänge und Strukturen stehen im Vordergrund.

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Aktualität ist:tagesaktuell 1 (in X Stunden, heute, am Abend)tagesaktuell 2 (gestern, am Wochenende)wochenaktuell (in dieser Woche, in diesen Tagen,gegenwärtig)latent/mittelfristig aktuell (heutzutage, in diesem Monat,heutzutage)Moderationensind vorbereitet, sind thematisch an folgende/vorhergehende Beiträge/Programmelemente gebunden,transportieren Fakten und journalistisch faßbare Stoffe (imGegensatz zur Stegreif-Plauderei);Ansprechhaltung: anbiedernd an die Zielgruppe(„zielgruppengerecht/-adäquat“)oder distanziert .

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Gesellschaftliche Kontexte:

Micro-, Meso-, Macroebene

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Micro-, Meso-, MacroebeneSoziologisches Konstrukt nach Esser (1993,

1999, 2000), stark vereinfacht:

Microebene: das Individuum in der Medien-Produktion und -Rezeption

Mesoebene: die Institution

Macroebene: das (Gesellschafts-) System

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Verbindung der EbenenFernsehrezeption in erster Linie ein singulärer und auch

individueller Rezeptionsprozess (Mikro-Ebene).

Gegenstand dieses Rezeptionsprozesses: das „Programm“,das seinerseits von einer Institution (auf der Meso-Ebene) hergestellt und verbreitet wird.

Diese Institution ist ihrerseits ein Element des jeweiligenpolitischen Systems (Makro-Ebene).

Das Programm ist aus dieser Perspektive zugleich auch einSozialisationsfaktor (Sozialisation = die Verbindungzwischen Individualebene und Gesellschaft/System).

Insofern stehen Medienrezeption und Medienproduktionauf dem Umweg über das Medien- und dasGesellschaftssystem in einem Rückkoppelungsverhältnis.

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Ebenen am Beispiel Fernsehen

Dispositionen, Grundeinstellungen (Kompetenzen, Geschlechtetc.)

Staats- und Gesellschaftssystem (Menschenbild, Normen undVorschriften etc.)

Handeln, Erleben, Entscheiden, Tun oder Lassen etc.

Akteure als Produzenten und Rezipienten

Arbeitskollektive, Redaktionen, Abteilungen, Gruppierungen vonKulturschaffenden / Zuschauergruppen und –gemeinden, Familien

Fernsehen als Institution für die materielle Produktion desProgramms und seine Verbreitung / als Institution derInformation und Unterhaltung

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Rahmenbedingungen:Informationszeitalter

Ausgangsthese

Wir befinden uns gerade in der vierten Welle derInformatisierung.

Spezifisch hierfür ist die synchrone Durchdringungdes nächsten und des weitesten Lebensraums durchMedien:

das Spannungsverhältnis von Lokalität undGlobalität.

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Es verändern sich:

die Medienökonomie, die Medienstrukturen, die kommunikativen Eigenschaften der Medien, ihre Inhalte und Formen, ihr Gebrauch.

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Kontext Gesellschaft

1. Wertewandel:Privatisierung des Öffentlichen, Ver-Öffentlichung desPrivaten; Individualisierung, Kommerzialisierung.

2. Technologischer Wandel der Produktion;der Verbreitung,der Re-Produktion.

3. Internationalisierung und Globalisierung derKommunikation einerseits,Regionalisierung, Bedürfnis nach regionaler Identitätund Orientierung in der Vielfalt andererseits.

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Strukturwandel derÖffentlichkeit:

mehr Öffentlichkeit,mehrere Öffentlichkeiten, teilweise Abschottung:kommunikative Kreisläufe, innerhalb vonExpertenkulturen,Selbst-Referentialität: Closed Shops.Ausbildung je kollektiver Muster von Sprache,Verhalten und Mode.

Öffentlichkeit: ein Paradoxon aus wachsenderSichtbarkeit/Ausgestelltheit und gleichzeitigzunehmender Isolation.

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Traditionelle Massen-Kommunikation (vgl. Kommunikationsmodelle) :

Broadcasting: One-to-many: Einweg-Kommunikation. Ein Sender an viele Zuhörer, Zuschauer, Publikum; keine oder sehr eingeschränkte Rückkoppelung möglich (Callins).Medien-Kommunikation heute: ein Nebeneinander von Einer-an-Viele-Kommunikation: One-to-many (Internet, Podcasting, Weblogs) Viele-an-Viele-Kommunikation: Many-to many

One-to-one /Point to Point – Kommunikation. Sowohl Nutzer als auch Beteiligte als auch Sender (Handy)

Konvergenz (Merging) der Kommunikationsformen, der Hard-und Software: Personalisierung/Individualisierung derKommunikation. Vom Broadcasting zum Personal Casting.

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Programm war bisher...

...eine kontinuierliche, in abgegrenzten, weitgehendwiederkehrenden Strukturen von einem Sender einemmassenhaften, dispersen Publikum synchron angebo-tene, von professionellen Kommunikato-ren(Journalisten, Künstlern) gestaltete Abfolge akustisch-visueller Informationen (Sprechsprache, Musik,athmosphäri-sche Töne/Atmos, Stand-/Bewegtbilder), die über terrestrische Sender, per Kabeloder Satellit übermittelt wird.

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Programm wird künftig auch...• ein diskontinuierliches, asynchrones Angebot

mit der Möglichkeit zur p2p- und On-demand-

Kommunikation sein;

• von professionellen und professionalisierten

Amateur-Kommunikatoren gestaltet sein;

• akustische, Text-, (Bewegt-)Bild- und Daten-

Informationen enthalten;

• auch über Telekommunikations-(ICT-), IP-

Netzwerke und das Internet zu empfangen sein.

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Künftige professionelleAnforderungs- und Macher-Profile

- neue Arbeitsteilung zwischen Redakteur/Journalist und Techniker

- mehr-mediales (durch einfache Software bedienerfreundliches) Arbeiten: Ton, Text, Bewegtbild, Daten

- dieselben Inhalte in verschiedenen Aggregatzuständen („mehr-medial“) für verschiedene Zielgruppen aufbereiten

- Software-Expertenschaft

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Genese derKommunikationsmittel

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vor Christi Geburt

ca. 20.000 Höhlenmalereien

2500 – 2000 Ägypter benutzen Papyrus

ca. 500 Ausgebautes Botennetz in Persien

ca. 425 Brieftaubennetz in Griechenland

307 Bibliothek von Alexandria

105 Technische Hochschule in Alexandria63 Kurzschrift

59 Handgeschriebenes Zeitungsblatt in Rom

CHRONIK DER INFORMATIONS- UND KOM-MUNIKATIONSTECHNIK UND -KULTUR

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

nach Christi Geburt105 Erfindung des Papiers in China

450 Blockdruck in Asien

500 Abacus-Rechenmaschine

600 Dezimalrechnung in Indien750 Blockdruck in China

750 Gedruckte Zeitung in China

751 Aus China: Einführung Papierherstellung in Arabien

765 Bilder-Buchdruck in Japan, Bibliothek St. Gallen

900 Papierherstellung in Kairo

942 Kontinuierlicher Postdienst (Arabien)

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1041 – 1049 Bewegliche Lettern (China)

1050 Glaslinsen

1147 Holzschnitt für Großbuchstaben (Kloster Engelberg)1150 Gründung der Pariser Universität als Vorläufer der

modernen Hochschulen,Papierherstellung im arabischen Spanien

1202 Einführung des arabischen Zahlensystems in Europa1270 Kombinierte Linsensysteme

1289 Blockdruck in Ravenna; Erstmaliger Gebrauch des Wortes „Communication“ in England

1387 Erstmaliger Gebrauch des Wortes „Information“ in England

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1390 Metall-Druckbuchstaben in Korea

1409 Buch mit beweglichen Lettern gedruckt (Korea)

ab 1440 Buchdruck mit beweglichen Lettern n. Gutenberg

1446 Kupfer-Tiefdruck

1453 Druck von Metallplatten

1453 - 1455 Gutenberg-Bibel

1492 Beruf des Buch-Herausgebers

ca. 1500 Kontinuierlicher Postdienst zwischen Wien u. Brüssel

1518 Brille für Kurzsichtige

1543 „Index Librorum prohibitorum“ (Verzeichnis verbotener Bücher): Papst Paul III.

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1581 – 1626 Anwendung der Dreieckspeilung (Niederlande)

1614 Entdeckung des Logarithmus (Napier)

1650 Rechenmaschine (Pascal)

1654 Wahrscheinlichkeitsgesetz (Pascal)

1666 Spiegel-Teleskop (Newton)

1671 Sprachrohr (Morland)

1714 Schreibmaschine (Henry Mill)

1719 Dreifarben-Kupfertiefdruck (Le Blond)

1727 Lichtbilder mit Silber-Nitrat (Schulze)

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1793 Flügel-Telegraph (Claude Chappe)

1796 Lithographie (Senefelder)

1814 Dampf-Druckerpresse (König)

1823 Prinzip des Motors (Faraday)

1823 – 1843 Rechenmaschine (Babbage)

1830 Ohm’sches Gesetz

1833 Magnetischer Telegraph (Gauß und Weber)

1835 Anwendung statistischer Methoden aufsoziale Phänomene

1837 Elektromagnetischer Telegraph (Morse)

1838 Daguerrotypie (Daguerre und Niepce)

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1839 Elektromagnetismus: Umwandlung mechanischer inelektrische Energie (Faraday)

1840 Photographische Papier-Positivbilder (Talbot)1843 Schreibmaschine1846 Druck mit rotierendem Zylinder (Hoe)

1853 Multiplex-Telegraphie (Gintl)

1854 Automatische Aufzeichnung telegraphischer Nachrichten (Hughes)

1856 Farb-Photographie1864 Theorie d. Lichts u. d. Elektrizität (Clerk-Maxwell)1867 Bewegliche Bilder (Ducos)1867 Kathodenstrahlröhre (Braun)1870 Theorie der elktromagnetischen Wellen (Maxwell)1876 Elektrisches Telephon (Bell)1877 Mikrophon und Phonograph (Bell)

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1880 Entdeckung der Funkwellen (Heinrich Hertz)1882 Bewegtbild-Kamera (Marley)1884 Linotype-Setzmaschine (Mergenhaler)1886 Prinzip der Fernsehbildabtastung und

–übertragung (Paul Nipkow)1886 Portable Photokamera (Eastman)

1887 Selbstwähl-Telephon1889 Hartgummi-Phonograph-Platte;

Filmkamera (Edison)1895 Öffentliche Filmvorführungen: Gebrüder

Skladanowsky (Berlin) undGebrüder Lumière (Paris)

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1900 Sprachübertragung via Funkwellen (Fassenden)

1903 Funktelephon und Tonfilm : Messter

1905 Relativitätstheorie (Einstein)

1912 Elektronische Verstärkerröhre (de Forest, Lieben)

1923 Tonflmverfahren (Seeber und de Forest)

1924 Iconoscop = elektronische Bildröhre (Zworykin)

1925 Mechanisches Fernsehen (Baird)

1928 Farbfernsehen (Baird)

1928 Kino-Farbfilm (Eastman)

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1935 Radar (von Ardenne und Watson)

1935 Fernsehstarts in Deutschland und England

1941 Computer (Zuse)

1943 Stereophonische Konzertaufnahmen (Deutschland)

1945 Idee eines Kommunikations-Satelliten (Clarke)

1946 „Eniac“-Großcomputer zur Berechnung der Atombombe

1947 Transistor (Bell-Labors)

1948 Langspielplatte (Goldmark)

1950 Kabelfernsehen, UKW

1952 Nachkriegs-Fernsehstart in Deutschland

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1955 UHF-Band für Fernsehen (MIT) undMagnetische Fernsehaufzeichnung (2 Zoll MAZ)

1956 Transatlantisches Kabel-Telephon

1956/57 Bild-Telephon (Bell-Labors)

1956/57 Zweite Computer-Generation mit

Transistortechnik

1957 Sputnik (UdSSR)

1961 Fernsehsatellit „Telstar“ (USA)1965 Dritte Computer-Generation (integrierte

Schaltkreise/ICs)

1967 Farbfernsehen1969 Mondlandung

Amateur-Video-Bandrecorder Zoll

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CHRONIK INFORMATIONS- UNDKOMMUNIKATIONSTECHNIK

1971 Microprozessor

1975 Video-Kassettenrecorder (VCR)

Lichtwellenleiter/Glasfaserkabel

ab 1976 Teletext/Bildschirmtext

1977 Interaktives Kabelfernsehen „QUBE“ in

Columbus (Ohio)

1980 Beginn Personal-Computer-Ära: 16 kB

1984 BRD: Duales Rundfunksystem

1986 PC: 256 kB

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Kommunikations- /ZeichenmodelleundMedienbegriffeundDispositiv-Begriff

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MedienbegriffeUnterschiede zwischen Alltags- und wissenschaftlichem

Medienbegriff.Alltag: „(Neues) Medium Internet“, „(Neues) Medium

Podcasting“ etc.Wissenschaft (breiter angelegt): historische, gegenwärtige und

künftige Formen der Kommunikation integriert.Sinn des wiss. Medienbegriffs:1. Beschreibung und Untersuchung der sozialen und der

technischen Organisation der Kommunikation und ihrerProzesse.

2. Einordnung, Analyse, Kritik einzelner Medien(angebote)in den Gesamtkontext der medialen Organisation derGesellschaft.

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Frühe Medienbegriffe/-theorien• Einzel-Medientheorien :Fotografie: Walter Benjamin (1931)Film: Rudolf Arnheim („Film als Kunst“, 1930), Béla Balàsz (ab 1924), Walter

Benjamin („Kunstwerk...“, 1936), Siegfried Kracauer („Von Caligari zuHitler“, 1947; „Errettung der äußeren Wirklichkeit“, 1960)

Radio: Bertolt Brecht: „Der Rundfunk als Kommunikationsapparat“, 1932Fernsehen: Günther Anders („Die Welt als Phantom und Matrize“, 1956)Comic: Umberto Eco („Apokalyptiker und Integrierte“, 1964)• Theorien der Massenkommunikation: Kritische Theorie der Frankfurter Schule (Adorno, Horkheimer: „Dialektik

der Aufklärung“, 1946; plus weitere): „Kulturindustrie“Essayistische, kritische Medientheorie (Hans Magnus Enzensberger):

„Bewußtseins-Industrie“, 1972Marshall MacLuhan : „Understanding Media - the Extension of Man“, 1964:„The medium is the Message“, „heiße/kalte“ Medien, „Das globale Dorf“Neil Postman : „Das Verschwinden der Kindheit“, 1983; „Wir amüsieren

uns zu Tode“, 1985

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SpätereMedienbegriffe/Medientheorie

Blick auf Datenströme, Informationsverarbeitung, Speicherung, Bewußtsein (80er Jahre):

Friedrich Kittler: Aufschreibesysteme (1985); Grammophon, Film,Typewriter (1986)

Paul Virilio: Krieg und Kino (1989)Vilém Flusser: Phänomenologie der Medien, 1991

Virtualisierung der Gesellschaft, „Ende der Schriftkultur“(Norbert Bolz, 1993), Digitalisierung, „Cyberspace“, „Hyper-Textualität

Niklas Luhmann: Realität der Massenmedien, 1996

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Niklas Luhmanns Begriff von MassenmedienMassenmedien umfassen „Alle Einrichtungen der Gesellschaft (...), diesich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel derVervielfältigung bedienen.“• dreistellige Unterscheidung von (personaler/interpersonaler)

Kommunikation allgemein: Information (Sachverhalt),Mitteilung (Absicht),Verstehen (Annahme/Ablehnung der Kommunikation)

• MM (Medienkommunikation) als soziales System wie andere soz. Systeme (Wirtschaft, Wissenschaft, Religion); Abgrenzung vonanderen Systemen durch Autopoesis (=Selbstkonstitution desSystems) und spezifische, binäre Codes (Information vs. Nicht-Information) :

• jeweils in Form von Nachrichten/Berichten, Unterhaltung, Werbung

• MM wichtigste Quelle der gesellsch. Selbst- und Fremderfahrung• Co-Evolution von Medien und Gesellschaft ( Medienkultur)

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Emergenzwörtl.: Aufkommen, Entstehen

Hintergrund:

a) Massenmedien als (aktiv) handelnder und selbstorganisierterTeilbereich der Gesellschaft,

b) Co-Evolution von Medien und Gesellschaft.

Emergenz heißt:

Die Entstehung gesellschaftlicher und - in Wechselwirkung -massenmedialer Strukturen, z.B.

• Emergenz von unterhaltender Kommunikation,

• Emergenz (ver-)öffentlich(t)er Meinung,

• Emergenz von p2p-Kommunikation und deren Rückwirkung auf die(klassischen) Massenmedien

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Triadisches Zeichenmodell Charles William Morris(1939)

Sender, Empfänger, Situation

Zeichen

Gegenstände andere Zeichen

PragmatischeDimension

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MEDIUMZeichen/Symbole

A B

Bedeutungsvorrat A

Verständigung

Bedeutungsvorrat B

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Feldschema der Massenkommunikation

nach Gerhard Maletzke

Spontane Antworten des Rezipienten

Bild vom Kommunikator beimRezipienten

Selbstbild

AlsPersön-lichkeit

Als Gliedd. Pub-likums

InsonstigensozialenBezie-

hungen

Selbstbild

K

K=Kommunikator A=Aussage M=Medium R=Rezipient

A M R

Zwang derÖffentlichkeit

In sonst.soz.

Bezie-hungen

In derInstitu-

tion

Im Team

AlsPrsön-lichkeit

Bild vom Rezip. beim Kommunikator

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Erfahrungskegelnach

Edgar Dale*

*Nach Edgar Dale: Audiovisual Methods in Teaching.Hinsdale/Ill. 1969, S. 107.

Sym-bolische

Erfahrung

IkonischeErfahrung

DirekteErfahrungDirekte, zielgerichtete Erfahrung

Erf. durch Modelle, Nachbildungen

Dramatisierte, gespielte Erfahrung

Vorführungen

Exkursionen

Ausstellungen

Bildungsfernsehen

Filme

RadioDias, Radio

Vis. Symbole

Ver-bale

Symbole

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Das Dispositiv...... ist eine Struktur der Anordnung des (technischen)

Mediums sowie des Medien-Nutzers in Raum und Zeit

(strukturelle Anordnung), die die Wahrnehmungs-Struktur beeinflusst.

Von lat.: disponere = anordnen;

apparatus = Apparat, Gerät

Die Apparatus-Theorie weist dem Gerät eine durch

Habitualisierung (Gewöhnung) erworbeneeigenständige Rolle bei der

Beeinflussung der medialen Wahrnehmung zu.

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Dispositiv- bzw. Apparatus-Theorie,auf das Fernsehen angewendet

„Das Dispositiv Fernsehen ist ... nicht als eine statischunveränderbare Anordnung zu begreifen sondern als einedynamische, die sich wandelnden gesellschaftlichenInteressenkonstellationen und Machtinteressen anpasstund auch als eine gesellschaftlich wirksame Konstruktiondiese Konstellationen wiederum mit beeinflusst undverändert.“ Knut Hickethier 1993, S. 173.

Beispiele: Apparatus-Aspekt: Fernsehen zu Hause » Fernsehen aufdem PDA, dem Handy, dem Laptop und die damit verbundenenProgramm-Angebots- und Nutzungsformen.

Gesellschaftliches Dispositiv: Öffentlich-rechtliches, StaatlichesFernsehen » Duales System, Pay TV, TV On Demand, DVB (-T)etc. Fernsehen in den 50er Jahren vs. FS heute; FS in der BRD vs. FSin der DDR etc.

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Veränderungen des DispositivsFernsehen durch digitales FernsehenDiese Anordnung (zeitlich, räumlich, Struktur desKommunikationsangebots) ändert sich, z.B. durchdigitales Fernsehen:

• „Distribut“ besteht aus dem bisherigen „Programm” und

den neuen Telekommunikations-, Multimediainhalten,

Spielen, rundfunkähnlichen und neuen Diensten (Corsa 2003)• „Programm“ » „Speicher”, „Container” (Hickethier, Paech)

» Vollpr., Spartenpr., Channel, PPV, PPC, VoD

• „Rezipient” » „Nutzer”, „Beteiligter”

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Stars, Prominenz,Personalisierung:

gegenwärtigeKulturphänomene

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Stars, Prominenz,Personalisierung

Star: ein Kommunikator wird zum Idol

Starkult: Schauspieler (Musiker etc.) werden von einer großen Anzahl anFans total und unkritisch als Vor- und Leitbild übernommen; hinzukommen intensive Gefühlsbindungen und Identifikation (Maletzke1978: 120).

Entstehung im Studiosystem der USA ab etwa 1910. Hintergrund:langfristige Bindung an die Studios, Festlegung auf ein erfolgreichesRollen-Cliché und Entwicklung des Close Ups.

Erste Stars: Florence Lawrence, das „Biograph Girl“, vom Schwaben Carl

Laemmle 1910 zum Star gemacht; weitere: Mary Pickford („LittleMary“) und Theda Bara, der erste „Vamp“.

Wirkung: Identifikation, Imitation

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StarsEinst: archaische Mensch-Medien, Helden, charismatische Führer

mit außer-alltäglicher Erscheinung und außer-allt. Fähigkeiten.Rolle der Erzählung und des Hörensagens bei der Verbreitung undSteigerung ihres Ruhms.

Massenhafte Mediatisierung durch das Aufkommen derFotografie und des massenhaften Zeitungsdrucks, von Plakatenund Bild-Postkarten ab Mitte des 19. Jh.

Film (zunächst stumm, dann ab ca. 1927 mit Ton) steigerte dieEntstehung von Stars.

Cross-mediale und schließlich cross-soziale Verknüpfungen zurSteigerung und gesellschaftlichen Verbreitung des Startums.

Neue Unübersichtlichkeit der Gesellschaft(en) fordern neueLeitbilder (leiten das Wünschen bzw. was gewünscht werdensoll). Identifikation.

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StarsPersonalisierte Außergewöhnlichkeit haben Halbgötter,

HeldInnen und Stars gemeinsam (Ludes).

Ermöglichen Integration und bieten Projektionsflächen fürIdentifikation, wobei soziale Ungleichheiten und Konflikteüberspielt werden. Zugrunde liegt auch in der modernenGesellschaft noch das Vertrauen in Personen/ Persönlichkeiten,die „aus der Unerträglichkeit des Alltags himmelwärts führensollen“ (Ludes: 184).

Bieten moderne Leitbilder (nicht: Vorbilder), ergänzt um un-persönliche Leitbilder (Marken, Kultgeräte wie iPod etc.).

Doppelfunktion der Medien: vermitteln Nähe zu Stars, tragen aberzugleich zu einer Star-Inflation bei, was zugleich rückbezogen zueiner Schein-Öffentlichkeit und zu einem scheinbaren Startumführt.

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Prominenz„Prominere“ (lat.): hervorragen, herausragen

Herausragen auf verschiedensten Feldern.

Prominenz ist eine (medial produzierte) Zuschreibung:Medienprominenz.

Vorbild ist nicht notwendig eine Variable der Prominenz.

Elite Prominenz; Experte rominente/r

„Der Prominente bekommt keine Aufmerksamkeit, weil er eineLeistung erbringt, sondern seine Leistung besteht darin,Aufmerksamkeit zu bündeln“ (Niehaus 2004: 571).

Fernsehen v.a. erzeugt Prominenz (Inszenierung, Häufung durchWiederkommen ins FS, ins öffentliche Leben, ins öffentlicheBewußtsein).

Prominenz ist relativ zu (medialen) Grundgesamtheiten(„Lokalprominenz“) und sozialen Gruppen.

Prominenz durch Interviews, durch Ausscheidung etc.

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TUTORIUMJEWEILS DIENSTAGS, 13 - 15 UHR

PLUS WEITERE TERMINE

ERSTE SITZUNG MORGEN,

15. APRIL, 13 UHR

Ort: ZMK = Zentrum für Medien undKommunikation, Emil-Fuchs-Straße 1

Räume sind ausgeschildert

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Film-/FernsehästhetikDramaturgie

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14.04. Grundlagen und Einzelfragen der Medienwissenschaft. Definition und Gegenstandsbereiche Medienwissenschaft, Methoden, Untersuchungskategorien, Grund-

egriffe: Aufgaben der Medien, Qualitäts-Hörfunk-/Fernsehprogramm, Vielfalt, Aktualität, Format. Rahmenbedingungen/Kontexte: Informationszeitalter, Kontext Gesellschaft (Wertewandel, Technologi-cher Wandel, Internationalisierung/Globalisierung, Strukturwandel der Öffentlichkeit), Strukturwandel er Massen-/Individual-Kommunikation. 1. Peter M. Spangenberg: Medienerfahrungen – Medien-egriffe – Medienwirklichkeiten. In : Gebhard Rusch (Hrsg.): Einführung in die Medien-wissenschaft.

Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2002, S. 84-101. 2. Stars, Prominenz und Personalisierung als Medien-Kultur-Phänomene. Peter Ludes: Einführung in die Medienwissenschaft, Kap. 8: Medienper-onalisierung: Stars. Berlin: Erich Schmidt 1998, S. 173-188. und: Michael Niehaus: Was ist Prominenz m Fernsehen? In: Medien & Kommunikations-wissenschaft, 2004/4 (52.Jg.), S. 569-582.

21.04. Die „alten neuen Medien“/Film I: Filmgattung/Filmgenre, Filmgeschichte Was ist der Unterschied zwischen einer Filmgattung und einem Filmgenre? Welche Genres ibt es? Soziale Funktionen von Genres. Beispiele für Genre-Kennzeichen. David Bord-

well/Kristin Thompson Film Art. An Introduction, Kap. Film Genres. New York u.a.: Mc-Graw-Hill 001, pp. 93-109. Nils Borstnar, Nils/Eckhard Pabst/James Wulff. Einführung in die Film- und Fern-ehwissenschaft. Kap. 2.4 und 2.5. Konstanz: UVK 2002, S. 48-62. . Mediengeschichte des Frühen Films. Uli Jung/Martin Loiperdinger (Hrsg.): Geschichte des okumentarischen Films in Deutschland. Bd.1: Kaiserreich 1895-1918, Stuttgart: Reclam 2005; darin: ung/Loiperdinger: Besonderheiten der Mediengeschichte des frühen Films/Überlieferung nicht-ktionaler Filme aus der Frühzeit (17-25); Loiperdinger: ‚Lebende Photographien in natürlicher Größe nd Bewegung’ etc.: S. 44 - 60.

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Gattungen und Genresdes Films und des

Fernsehens

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Filmische GattungenFiktion: Spielfilm (Fernsehfilm, Fernsehspiel, TV-

Spielfilm, TV Serie)

Experimentalfilm

Animationsfilm

Dokumentarfilm (Dokumentation, Reportage,

Feature, Essayfilm)

Werbefilm, Werbespot

Industriefilm, PR-Film

Unterrichtsfilm, Lehrfilm

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Filmische Genres• Genre-Einteilung wiss. nicht immer trennscharf, ändert sich im Laufe der

Zeit, wird durch neue (Misch-)Genres ergänzt. Erst eine Gruppe von ähnl.

Filmen konstituiert ein Genre.

• Definitionen/Abgrenzungen eines Genres beziehen sich auf

unterschiedliche Ebenen: Narration/Handlung, den Grund-Plot, Art der

Präsentation, Art der Emotionalisierung des Zuschauers,

räumliche/zeitliche Situierung, thematische, bildliche Motive, visuell-

ästhetischer Stil.

• Sinn: Kategorisierung für Produzenten, Regie, Schauspieler, Kritiker, aber

vor allem für die Zuschauer.

• Ungeschriebener Kontrakt zwischen Autor und Zuschauer.

• Genre-Regeln (-Konventionen) Wieder-Erkennbarkeit, Vertrautheit

innerhalb der Vielfalt (Menge) der Filme; Steuerung und Befriedigung von

Erwartungen

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Genre-Regeln,Genre-Konventionen

Genres sind Konstruktionen zur Einordnung und Beschreibung

eines Films. Ihre Bildung unterliegt ästhetischen,

ökonomischen und psychologischen Interessen und ist

teilweise kulturgebunden.

Man „mag“ oder „haßt“ ein Genre, weil man dessen Regeln

mag oder nicht mag.

Man muß diese Regeln/Konventionen aber aufgrund der

persönlichen Film-Erfahrung kennen.

Verstehen auf der Basis der Genre-Konventionen

Erwartungen werden geweckt, erfüllt oder nicht

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Beispiele für Genre-Regeln/-Konventionen

Musikfilm: Akteure tanzen und singen (unvermittelt)

Western: Im Westen der USA in der zweiten Hälfte des

19. Jh. angesiedelt, Grenze zwischen Rechts- und

rechtsfreiem Raum, Rache-Plot, Show Down, Gut-

Böse; Siedler, Cowboys, Indianer

Krimi(nalfilm)/Detektivfilm: Investigation/ Untersuchung,

Investigator/Ermittler vs. Verdächtiger/Täter

Gangsterfilm: Aufstieg und Fall von Gangstern, Kampf

gegen die Polizei

Heimatfilm: Drama in „heiler“ Natur vs. technisierte

Großstädte, Gut- vs. Böse, Tradition vs. Moderne;

Happy End

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Beispiele für Genre-Regeln/-Konventionen

Screwball Comedy (Screwball=Spinner; auch: spezieller Wurf

beim Baseball, bei dem der Ball durch den Spin in die

unmöglichsten Richtungen fliegt). Regisseure der 30er Jahre:

Billy Wilder, Howard Hawks, Charles Bracket.

Dialog-lastig; alles ist Gegensatz: Aufeinanderprallen von

steifem, konventionellem (höherem) sozialem Milieu und

Freiheitssuche, Ausbrechen daraus

Hong Kong Kampf-Film: Loyalität und Unterordnung gegenüber

einem Meister; Zweikampf

Horrorfilm: Einbruch einer unfassbaren Bedrohung in die

Normalität des Alltags von Individuum und Institutionen;

Infragestellen des Alltags, der Ordnungsmacht der

Institutionen; Defizite der Gesellschaft werden aufgezeigt

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Genres der GattungDokumentarfilm

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1. Filmdokument• Besonders im Zusammenhang mit historischen Ereignissen bzw.

Ereignissen mit historischer Dimension und von naturwissen-

schaftlichen und wissenschafts-kinematographischen

Aufzeichnungen wird der Begriff des Dokuments verwendet.

Beispiele: Röntgenaufnahmen einer Katze (20er Jahre) (in der

Encyclopedia Cinematographica des IWF), Cantis Film über Krebs;

der Kaiser weiht das Völkerschlachtdenkmal ein, der Berliner

Alexanderplatz um 1896, Lenin spricht etc.

• Diese Dokumente können bewußt zum Zweck des Dokumentierens

eines einmaligen Ereignisses/Vorgangs geschaffen worden sein,

oder sie können ohne diese Intention – z.B. als Live-Übertragung im

Fernsehen – aufgrund der Einmaligkeit, Unwiederholbarkeit und der

(historischen) Bedeutung, die das übertragene Ereignis/ der festge-

haltene Vorgang /die Person im Laufe der Zeit erhielt, zu Dokumen-

ten geworden sein; z.B.: erste Mondlandung, Brandt und Stoph in

Erfurt, der Fall der Mauer

• Filmische Dokumente haben meist die Qualität einer historischen

Quelle, besonders dann, wenn sie als “wissenschaftliche Filme”

historisch-kritisch mit Begleitmaterialien ediert sind, die eine Art

Anmerkungsapparat darstellen.

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Dokumentarische Genres2. Dokumentation, dokumentarische KompilationEine Dokumentation hält den Ablauf von Ereignissen – meist - in

chronologischer Abfolge fest, enthält sich der Wertung und

wird meist im (Programm-) Kontext einer didaktischen

(Schulunterricht: Unterrichtsfilm) und/oder diskursiven

Aufarbeitung (z.B. als Zuspiel zu einer Diskussionsrunde im

Fernsehen) eingesetzt, in der dann erst die (Be-) Wertung des

dokumentierten Themas stattfindet.

Elemente der Dokumentation sind filmische und andere visuelle/

akustische Dokumente, als Graphiken aufbereitete Fakten und

Daten, Erinnerungen von Zeitzeugen, Aussagen/Statements

von Zeitgenossen. Der Begriff der dokumentarischen Kompi-

lation stellt gegenüber der Dokumentation besonders das

Kompilieren (Zusammentragen) der unterschiedlichen, hetero-

genen Dokumente heraus, meint aber dasselbe. Dokumenta-

tion und dokumentarische Kompilation verwenden in der Praxis

nicht nur filmische Dokumente im oben definierten Sinn, son-

dern oft auch Teile anderer Dokumentationen und dokumentari-

scher Kompilationen. So zeugen Dokumentationen sich

teilweise gegenseitig fort – ein filmischer Dialog quer durch

Zeit, Raum und Ideologie.

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Dokumentarische Genres3. Feature

Das Fernsehfeature verwendet alle dokumentierenden und

journalistischen Grundformen, um einen Sachverhalt

umfassend und mediengerecht darzustellen: Interview,

Statement, szenische Darstellung, Film-/Fernsehdokumente

aus dem Archiv, Fotos, Grafiken. Es ist damit unter den

dokumentarischen Formen am breitesten angelegt,

polymorph. Eher als die visuellen Elemente ist der

allwissende, berichtende, erklärende OFF-Kommentar

typisch für das Feature. Hinsichtlich des Zusammenhangs

von Besonderem (Individuellem) und Allgemeinem

(Gesellschaftlichem) ist das Feature deduktiv angelegt:

Individuen, Einzelheiten tragen als Belege zur Schilderung

eines allgemeinen Zusammenhangs bei. Es findet ein

“ständige[r] Wechsel zwischen Anschauung und

Abstraktion, zwischen Schilderung und Schlussfolgerung”

statt.

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Dokumentarische Genres4. Die Reportage ist ein Augenzeugen-, Erlebnis- und/oder

Erfahrungebericht. Sie ist induktiv angelegt: Von der

Darstellung des Einzelnen wird – im Film ”selbst” oder erst in

der zweiten Produktion durch den Zuschauer – auf den

allgemeinen Zusammenhang geschlossen; Individuen,

Einzelnes werden in der Reportage oberflächlicher, aktuell-

journalistisch kennengelernt oder auch tiefergehend, bis hin

zur emotionalen Identifikation bzw. Ablehnung. Der

Reporter/Autor gibt sich direkt (performativ) oder indirekt als

wertende Erzählinstanz zu erkennen.

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Dokumentarische Genres5. Essayfilm/FilmessayDies ist die poetische Form, von einer Person, einem

Sachverhalt, einer Landschaft zu erzählen. Auch hier ist eine

große Bandbreite medialer Darstellungsformen möglich (On-

/Off-Kommentar, persönlicher Auftritt des Autors, Interview,

Gespräch, Lesung aus Texten, teilnehmende Beobachtung,

Musik). Dabei sind jedoch starke (gestaltete) visuelle und

akustische Komponenten typisch für den Essayfilm. Die alles

bestimmende zentrale Figur des Autors als Erzähler ist

deutlich und wird durch performative Mittel deutlich gemacht.

Sie geht souverän subjektiv mit Menschen und Themen um,

sie bewegt sich frei in Zeit und Raum. Chris Marker, Michael

Mrakitsch, Christian Rischert, Hartmut Bitomsky und der späte

Joris Ivens haben den filmischen Essay durch ihre poetische

Persönlichkeit geprägt. Der Essay ist bereits eine filmische

Mischform und steht zwischen dokumentarischen und

fiktionalen Formen.

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Das Ende des Genrefilms ?Die Moderne hat das Genre im Film hervorgebracht,

und die Postmoderne spielt(e) mit ihm.

Seit den 70er Jahren wurden Genre-Konventionen

aufgebrochen, thematisiert, selbst zum Gegenstand

des Films gemacht, persifliert, erweitert; es wurde mit

den Genre-Konventionen gespielt, die Genres

wurden ironisch kommentiert.

Ein Ende des Genrefilms wird es nicht geben, weil

sich die Genres weiterentwickeln, weil es eine lange

Genre-Erfahrung gibt und weil es ein Bedürfnis zur

Einordnung gibt: bei Produzenten und Rezipienten.

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Mediengeschichte desFrühen Films

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Entwicklung derPhotographie

als Vorläufer des Films1838 Daguerrotypie (Daguerre und Niepce)

1840 Photographische Papier-Positivbilder (Talbot)

1856 Farb-Photographie

1882 Reihen-/Chrono-Photographie (Marey, Muybridge)

1886 Prinzip der Fernsehbildabtastung und

–übertragung (Paul Nipkow)

1886 Portable Photokamera (Eastman)

1887 Ottomar Anschütz (Schnellseher): Aufnahme und

Wiedergabe von Phasenbildern in schneller Folge

1889 Filmkamera: Kinetoscope (Edison)

1895 Öff. Filmvorführungen: Gebrüder Skladanowsky

(Nov. Berlin) und Gebrüder Lumière (28.12. Paris)

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Cinématographe Lumière28.12. 1895 Paris, Grand Café (Gebrüder Lumière)

Szenen aus dem (privaten und geschäftlichen) Alltag als

Beispiele für die Nutzung als Heimkino gedacht, also

nicht nur zur Dokumentation.

20.4. 1896 in Köln: Erste kommerzielle Vorführung in

Deutschland durch Fa. Stollwerck

Der Cinématographe bringt gegenüber dem Schnellseher

(Anschütz) und dem Cinetoscope (Edison) den

Durchbruch für die Bewegtbild-Darstellung, gemessen

an den Zuschauerzahlen und Einnahmen.

Gebrüder Skladanowsky: zwar die Ersten, aber für die

Geschichte des Films unerheblich; Oskar Messter:

wichtiger Protagonist als Produzent, Verleiher, Aufführer

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Früher Film - Frühes Kino1895 - 1906/07: Kino der Attraktionen:

exhibitionistischer Film: Schauwert durch Neuigkeit,

Exotik, Gag, besonderes Ereignis.

Fiktion: Theatralische Guckkasten-Ästhetik.

Keine Zeichnung von Charakteren, nur äußerlich;

Klischees.

Auf schnelle, äußere Wirkung auf den Zuschauer

bedacht (Jahrmarkt, Variété).

Dok: Ästhetik der Ansicht (Vue, View).

Subgenres: a) Städte, ländl. Gegenden, Reisen durch

fremde Länder, b) Darstellung eines Prozesses

Beschreibung statt Narration.

Seit ca. 1907: Erzählkino

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Entwicklung derKinematographie

These : 1895 bis ca. 1910 technologischer Umbruch, aber

noch kein neues Medium Film: bewegte Bilder, Kino der

Attraktionen, Jahrmarkt, Nummern-Programme („Bilder“):

Diapositive, fiktionale und nicht-fiktionale Kurzfilme als

One Reeler. Teleologischer Ansatz: falsch.

Entwicklung der Montage: zunächst „Bilder“ nicht montiert,

dann mechanischer Zusammenschnitt einzelner „Bilder“,

schließlich (ab ca. 1903) peu à peu narrative Montage.

Frühes Kino: Zweidimensionales Variété, Spätform der

Projektionskunst mit der Laterna Magica. Adaption

bisheriger „alter“ Medien.

Erst ab der Entstehung ortsfester Filmtheater (ab 1910) und

der Entstehung von langen, narrativen Spielfilmen (1911 -

1916) kann man vom neuen Medium Film sprechen.

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Erscheinungsformen desneuen Mediums Film

• „Bilder“: jede Woche neu, 20-30 Min.

• Phantastische Bilder

• Alltags-Idyllen

• Reisen in ferne Länder

• Tiere

• Tonbilder mit „Stars“ aus Oper und Operette

• Aktualitäten, später: Wochenschauen: Krönung von

Zar Nikolaus II, Queen Victorias Thronjubiläum

• Prinzip: Abwechslung „nah“ und „fern“, „groß“ und

„klein“

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Überlieferung

Im Kaiserreich aufgeführt: ca. 57.000 Filmtitel

Davon ca. 9800 nicht-fiktionale Filme, davon ca.

10 - 15 Prozent erhalten.

Tatsächlich aber mehr Filme produziert und

aufgeführt.

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Filmzensur

seit der Einführung ortsfester Filmtheater

(Berlin: 5. Mai 1906): Preußen 16.12. 1910,

Herzogtum Braunschweig: 5.12. 1911,

Leipzig: 1915 (Vorläufer des heutigen

„Passage“-Kinos)

Zensurkarten wichtig für den Nachweis der

Existenz der Filme und für die

Rekonstruktion ihres Uraufführungs-Inhalts.

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Die Moderne und der FilmDie technisch-mechanisch produzierten und re-

produzierten „Para-Künste“ einer neu entstehenden

Medien-Kultur suchten dem Verlangen der (neuen)

Nutzer nach einer Gegenwelt zum Werktag/Alltag

gerecht zu werden.

Gemeinsam mit Wissenschaft und Technik eröffne-

ten die Künste Politik-ferne Räume, in denen Ver-

änderung, Neues, Modernität möglich wurden.

Wurzeln des Kinos waren sozial-, technik- und

geistesgeschichtlicher Art.

Voraussetzungen: Mechanisierung, Automatisierung.

Kino verlängerte das 19. Jh. in des 20. hinein (gilt

auch für Telefon, Flugzeug, Fernsehen, Auto).

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Die Moderne und der FilmFilm/Kino ist bedingt durch und begleitet grundlegende soziale

Veränderungen: Fragmentierung der Gesellschaft, Verlust v.

Ganzheitlichkeit, Arbeitsteilung, Taylorisierung,

Schichtarbeit, Trennung Arbeit/Freizeit, räumliche Trennung

von Arbeitsplatz und Wohnung.

Ambivalent: Kinematographie bietet ein Arsenal an

ästhetischen Gegenwirklichkeiten (inhaltlich-thematisch,

zugleich formal). Zugleich exponiert das neue Medium seine

technische Herkunft und Einbettung selbstbewusst.

Filme nach dem 1. Wk: Schnittstelle zwischen modernem

Erkenntnisdrank und moderner Massenkultur.

Bedeutung des Films für die Wissenschaft.

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Die Moderne und der FilmFilm etabliert sich als Wirtschaftsgut - und als

neue Spielart von Kunst.

Entstehen von Kulturfilm als Genre: „das Lasso,

das die geistige Oberschicht nach der Masse

des amüsiert sein wollenden Publikums

auswirft“ (Coböken 1924).

„Was lebensweltlich zerfällt, das wird

publizistisch kompensiert“ (Bollenbeck 1999).

Kultur, Unterrichts- und Wissenschaftsfilm

zielen auf eine Wiederherstellung

„harmonischer Kultur“.

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Die Moderne und der FilmUSA: grenzenlose privatkapitalistische

Freiheiten. Film als Ware

UdSSR (später auch „Drittes Reich“): strikte

staatliche Kontrolle. Film als

(Erziehungs-)Mittel, um notwenige, staatlich

(von der jew. Partei) verordnete

Modernisierungs- und Erkenntnisprozesse

voranzutreiben.

Modernisierung „neutral“ ? (Kreimeier)

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Die Moderne und der FilmGründung Ufa (Universum Film AG) 1917:

Sprung in die Moderne.

Staat: Förderung des Filmschaffens als genuine

Aufgabe; unternimmt Anstrengungen, das

neue Medium in den gesellschaftlichen

Prozess zu integrieren: „apparativ-moderne,

durchaus demokratisch inspirierte Ratio“

(Kreimeier).

Offenheit für Filme aus anderen Ländern:

„geistige Verständigung der großen

Kulturnationen“: Idee, die dem Völkerbund

zugrunde liegt. Aber auch: Propaganda durch

Film und Zensur.

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Die Moderne und der Film1920: Reichs-Lichtspielgesetz : Zensur, die obrigkeits-staatlich

ausgerichtet ist.

Abgründe technokratischen Denkens, gut ausgebildete,

formalistisch agierende, staatfromme Spezialisten werden

zu den „heimlichen Helden“ der zweiten

Modernisierungsphase (Kreimeier).

Von Caligari zu Hitler?

„Vom Wissenschaftsverständnis der Weimarer Moderne führt

kein zwangsläufiger, irreversibler Weg in die ns

Gaskammern (...) Übergänge zw. der zweiten Weimarer

Modernisierungsphase und dem destruktiven Modernismus

des Nationalsozialismus sind fließend“ (Kreimeier).

Zeitlich parallel: Die Entfaltung der Moderne und ihre Krise.

Weim. Rep.: Krisenzustand in Permanenz

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Zur Erinnerung : Stichworte zur Entwicklung des Films

Kino der Attraktionen: Varieté, Jahrmarkt One-Reeler Erzählkino Expeditionsfilm/ Reisefilm Reportagephotographie Wochenschau Kolonialfilm/ ethnologischer Film Kulturfilm Wissenschaftlicher Film Dokumentarfilm/Documentary/Documentaire Industrieller Dokumentarfilm

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Wichtige Regisseure und Produzenten

der ersten drei FilmjahrzehnteLouis Lumière (1864 - 1948)Auguste Lumière (1862 - 1954)Georges Méliès (1861 - 1938)Max Skladanowski (1863 - 1939)Emil SkladanowskiOskar Messter (auch: Meßter; 1866-1943)Max LinderLouis FeuilladeDavid Wark GriffithCharles ChaplinEdwin S. PorterBen TurpinBuster KeatonAugust BlomUrban GadCarl Mayer

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Robert Wiene

Karl Freund

Friedrich Wilhelm Murnau

Dsiga Wertow

Sergej Eisenstein

Lew Kuleschow

Robert Flaherty

Alberto Cavalcanti

Walter Ruttmann

Erich Pommer

John Grierson

Arnold Fanck

Joris Ivens

Arnim Basse

Paul Rotha

WichtigeRegisseure undProduzentender ersten dreiFilmjahrzehnte

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Film und ästhetische Form

Vorlesung Steinmetz

Teil 3

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05.05. Die „alten neuen Medien”/ Film III: Filmästhetik: DieBedeutung der Filmform

1. Nach welchen Prinzipien ist ein Film zusammenge-setzt? Wiewirken die Teile eines Films zusammen, um ein Ganzes zukreieren? Bordwell/Thompson: Film Art, Chapter 2: TheSignificance of Film Form, pp. 39-58. Ergänzend: EntsprechendeModule auf der DVD Filme sehen lernen (Filmästhetik)

2. 2. Filmmontage/Filmschnitt. Bordwell/Thompson: Film Art,Chapter 8: The Relation of Shot to Shot, p. 249-290. Ergänzend:DVD Filmästhetik: Kap. 2.1.: Eyeline Match, Schuß-/ Gegenschuß,Ellipse. Kap. 2.2.: Übergänge: Harter/Weicher Schnitt/Schnitt in derBewegung, Blenden. Kap. 2.3.: Zwischenschnitt, Match Cut. Kap. 2.4.:Jump Cut. Kap. 2.7.: Plansequenz, Mise en Scène. Kap. 2.8.:Achsensprung, 180-Grad-Regel.

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Film und ästhetische Form

Inhalt ist nichts ohne Form -

Form ist nichts ohne Inhalt

Ästhetische Form (und Struktur) geben dem Inhalt eine

Fassung, machen ihn erst kommunizierbar,

verständlich.

Wahrnehmung, Aufmerksamkeit werden durch

ästhetische Form angeregt, gesteuert, gelenkt,

aufrechterhalten.

Ästhetische Form ist eine Art Vermittlungsinstanz, ein

zweites „Medium“, die jeweils dem (technischen)

Medium adäquat sein muß.

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Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oderÜber die Grenzen der Malerei und Poesie, 1766

“Wenn es wahr ist, daß die Malerei zu ihren

Nach-ahmungen ganz andere Mittel oder

Zeichen gebrauchet als die Poesie;

jene nämlich Figuren und Farben in dem Raume,

diese aber artikulierte Töne in der Zeit;

wenn unstreitig die Zeichen ein bequemes

Verhältnis zu dem Bezeichneten haben müssen,

so können nebeneinander geordnete Zeichen

auch nur Gegenstände, die nebeneinander oder

deren Teile nebeneinander existieren,

aufeinander folgende Zeichen aber auch nur

Gegenstände ausdrücken, die aufeinander oder

deren Teile aufeinander folgen.”

Page 114: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

„Gegenstände, die nebeneinander oder deren

Teile nebeneinander existieren, heißen

Körper.

Folglich sind Körper mit ihren sichtbaren

Eigenschaften die eigentlichen

Gegenstände der Malerei.

Gegenstände, die aufeinander oder deren

Teile aufeinander folgen, heißen überhaupt

Handlungen.

Folglich sind Handlungen der eigentliche Gegenstand der Poesie.“

Lessing: „Laokoon“, Fortsetzung

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„Doch alle Körper existieren nicht allein in dem Raume,

sondern auch in der Zeit.

Sie dauern fort und können in jedem Augenblicke ihrer

Dauer anders erscheinen und in andrer Verbindung

stehen.

Jede dieser augenblicklichen Erscheinungen und

Verbindungen ist die Wirkung einer

vorhergehenden und kann die Ursache einer folgenden

und sonach gleichsam das Zentrum einer Handlung

sein.

Folglich kann die Malerei auch Handlungen

nachahmen, aber nur andeutungsweise durch Körper.“

Lessing: „Laokoon“, Fortsetzung

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Lessing: „Laokoon“Fortsetzung

„Auf der andren Seite können Handlungen

nicht für sich selbst bestehen, sondern

müssen gewissen Wesen anhängen.

Insofern nun diese Wesen Körper sind oder

als Körper betrachtet werden,

schildert die Poesie auch Körper, aber nur

andeutungsweise

durch Handlungen.“

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Ästhetische Form und Film

Also hat jede Kunst ihre eigenen, spezifischen

Ausdrucksformen, die nur bedingt mit Formen anderer Künste

austauschbar sind, nur bedingt von diesen adaptiert oder

imitiert werden können.

Z.B.: Das Porträt in der Malerei, in der Bildhauerei, in der Epik

(Roman), im Film.

Zur Etablierung des Films als Kunst gehört die Entwicklung

eigener, spezifischer Ausdrucksformen.

Von der Theatralik der Guckkastenbühne zur

Filmmontage, zum Umgang mit Zeit und Raum

Page 118: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film und ästhetische Form

Die filmische Form bildet ein System (eine „filmische Sprache“),

das sich innerhalb von 110 Jahren herausgebildet hat. Ein

System mit Konstanzen und Variablen, die sich

weiterentwickeln.

Z.B.: Linearität des Films bedingt (anders als Theater):

Zeitgleiches kann nur nacheinander dargestellt werden

(Cross Cutting, Parallelmontage).

Entwicklung der Film-/Kopiertechnik (Mitte 30er Jahre):

Schiebeblenden, Bild-Teilung/Split Screen f. parall. Handlgg.

Heute (Software-Montage): Mehrfach-Split-Screen, um

zeitgleiche Handlungen abzubilden.

Auch ein Beispiel für die Veränderung der Wahrnehmung und

des Kontrakts zwischen Autor und Publikum.

Page 119: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film und ästhetische Form

Filmische Form wird (meist) nicht zufällig gefunden sondern ist

sehr genau geplant, antizipiert Wirkungen :

Wirkungsästhetik.Ästhetische Form beinhaltet narrative (dramaturgische: Aufbau)

und stilistische Elemente (z.B. Kamerabewegungen,

Montage, Ton, Musik etc.).

Narratives und stilistisches System der ästhetischen Film-Form

ergänzen einander (meist), um den Inhalt zu vermitteln.

Ästhetische Form erweckt (und befriedigt oder frustriert)

Erwartungen des Zuschauers. Z.B.: Genre-Erwartungen;

Ablauf der Narration (ABC oder ABAC oder anders);

Suspense, Rettung in letzter Sekunde; Happy/Unhappy End.

Spiel mit Erwartungen und Neugier der Zuschauer, mit

filmischen Konventionen: Psychologie, Emotion; Regisseur,

Autor: „directing the audience“, „Mechaniker der Seele“.

Page 120: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film und ästhetische Form

Bedeutung: permanente Versuche des Zuschauers,

Bedeutung zu finden und zu interpretieren.

Verschiedene Ebenen der Abstraktion (nach

Bordwell/Thompson):

• Referentielle Bedeutung: konkreter Bezug zu

nachvollziehbaren, verstehbaren Dingen und

Handlungen/Elementen des Films.

• Explizite Bedeutung: Erkennbare Bedeutung des Films

als Ganzem (1. Ebene der Interpretation)

• Implizite Bedeutung: Interpretation des Sinns (2. Ebene

der Interpretation).

• Symptomatische Bedeutung: Sinn, über den konkreten

Film hinaus (3. Ebene der Interpretation)

Page 121: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film und ästhetische Form

Bedeutung, Interpretation und Sinn eines Films

sind nie konstant, wie bei jedem anderen

Kunstwerk.

Trotz der wichtigen (zentralen) Bedeutung des

Autors /Regisseurs (etc.) für die „Bedeutungs-

Produktion“ hat jedes Kunstwerk etwas

Überschießendes, Unkalkulierbares, das je

nach Zeitkontext der Rezeption variiert.

Page 122: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film und ästhetische Form

Evaluation/Analyse des Films:

Kriterien: Realismus, Moral, Ethik, Originalität, Kohärenz,

Komplexität.

Viele Elemente des formalen Systems lassen sich

objektivieren, erfassen, protokollieren.

Teilweise lassen sich die Funktionen der allgemeineren

Kriterien und der spezielleren ästhetischen

Gestaltungselemente erkennen, festlegen, teilweise aber

auch nicht.

Gestaltungsprinzipien: Motiv = jedes signifikante, wiederholte

Element im Film.

Motivation der Handelnden.

Weitere Prinzipien der Film-Form: Ähnlichkeit (Parellelismus)

und Wiederholung.

Page 123: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film und ästhetische Form

Weitere ästhetische Gestaltungsprinzipien:

Differenz

Variation

Entwicklung

Einheit von Film-Form und -Inhalt

(Stimmigkeit).

Mit Hilfe der Filmanalyse kann man diesen

Gestaltungsprinzipien auf die Spur kommen.

Wichtige Mittel dabei: das Filmprotokoll, die

Segmentierung.

Page 124: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

• 19.05.: Die „alten neuen Medien“/Film IV:Film- und Montagetheorie

• 1. In welchem Verhältnis steht das „neue Medium“Film im Verhältnis zu den klassischen Künsten? WalterBenjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischenReproduzierbarkeit. Frankfurt/M.: edition suhrkamp1974ff. (auch in Gesamm. Schriften Bd.I, 2, Suhrkamp).

• 2. Welche Theorien entwickelten Eisenstein und Bazinzur „kinematographischen Sprache“? Sergej M.Eisenstein: Montage der Attraktionen. In: Albersmeier(Hrsg.): Texte zur Theorie des Films, Ditzingen: Reclam1998, S. 58-69. 3. André Bazin: Die Entwicklung derkinematographischen Sprache. In: Albersmeier (Hrsg.):Texte zur Theorie des Films, Ditzingen: Reclam 1998, S.256-274.

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Erkenntnistheorie und Film

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Höhlengleichnis nach Plato

Platos Höhle Abb.: Random House Enzyklopädie

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Höhlengleichnis nachPlato: Aus: Politeia (Das

Staatswesen)

- Grobe Übersetzung -

Stelle dir Menschen vor, die in einer unterirdischen Höhleleben, die über ihre ganze Breite einen Weg hinauf zumLicht hat, aber es ist ein langer Weg. Die Menschen sinddort seit ihrer Geburt. Sie sind so gefesselt, daß sie immeram selben Platz bleiben und daß sie nur nach vorne sehenkönnen. Hinter und oberhalb von ihnen brennt ein Licht,und zwischen dem Licht und ihnen ist ein Weg durch dieHöhle, auf einer Mauer. Vor ihnen ist eine Art Bühne wiebeim Puppentheater.

Sokrates

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- Ich sehe es.Dann stelle dir auch andere Menschen vor, die auf derMauer alle möglichen Gegenstände vorbeitragen:Menschenstatuen, steinerne und hölzerne Reproduktionenvon Tieren. Und – wie es nun mal so ist – sprechen einigeTräger während ihrer Verrichtung, während andereschweigen.

- Ein merkwürdiges Bild und merkwürdige Gefangene.

Sie sind wie wir. Glaubst du, zuallererst, daß dieseMenschen etwas anderes von sich und den anderen sehenkönnen als Schatten, die das Feuer auf die Wand vor ihnenwirft?

Glaukon

Page 129: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

- Wie könnten sie, wenn sie ihre Köpfe dasganze Leben lang stillhalten müssen?

Und trifft nicht dasselbe auf die Gegenstände zu,die auf der Mauer entlang getragen werden?

- Dasselbe.Wenn sie miteinander sprechen, würdest du

denken, daß sie diese Schatten für die realenDingen halten?

- Notwendigerweise.Was wäre, wenn ihre Höhle ein Echo hätte, das

sie von vorne erreichte? Jedesmal, wenn einTräger hinter ihnen spräche, würden sie nichtdenken, daß der Schatten spräche, der vorihnen auf der Wand vorbeigeht?

Findest du nicht auch?

Page 130: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

- Bei Zeus, das meine ich.

Zusammengefaßt also: Diese Menschenwürden denken, die Wahrheit wäre nichts alsdie Schatten der Gegenstände?

- Das müßten sie glauben.

Sokrates

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Geschichte des

Filmtheorie

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Gliederung der Filmtheorie-Geschichte nach Peter Wuss*

I. Frühgeschichte des filmtheoretischen Denkens (1895-1920)Ricciotto Canudo : Ästhetik der siebenten Kunst (1911)

Kurt Pinthus: Das Kinobuch (1914)

Georg Lukács: Gedanken zu einer Ästhetik des Kino (1913ff.)

Emilie Altenloh: Zur Soziologie des Kino (1914)

Vachel Lindsay: Die Kunst des bewegten Bildes (1915/1922)

Hugo Münsterberg: Der Film - eine psychologische Studie (1916)

Louis Delluc

Lew Kuleschow

II. Die Kunsttheorie des Stummfilms (1921 - 1930)Jean Epstein, Léon Moussinac, Germaine Dulac

Béla Balász: Der Film. Wesen und Werden einer neuen Kunst.

Der sichtbare Mensch

Rudolf Kurtz: Expressionismus und Film (1926)

Sergej Eisenstein: Montage der Attraktionen - Intellektueller Film

Wsewolod Pudowkin: Materialistisch-dialektische Schaffensästhetik

Boris Eichenbaum: Filmsyntax, Filmstilistik

Juri N. Tynjanow

[* nach: Peter Wuss: Kunstwert des Films und Massencharakter des

Mediums. Berlin 1990.]

Page 133: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

III. Beginn der Tonfilmära (1931-1945): Systematische

Darstellung des Films als Kunst und seine Einbeziehung in

umfassendere gesellschaftliche Zusammenhänge

Pudowkin/Eisenstein/Alexandrow: Manifest zum Tonfilm (1928)

Rudolf Arnheim: Film als Kunst (1932)

Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter... (1936)

Raymond Spottiswoode: Eine Grammatik des Films (1935)

Ernst Iros: Wesen und Dramaturgie des Films (1938)

IV. Differenzierung und Abschluß der klassischenFilmästhetik vor dem Hintergrund einer aufkommenden

Massenkommunikationsforschung (1946-1965)Eisenstein: Das dynamische Quadrat

Gilbert Cohen-Séat: Prinzipien einer Philosophie des Kinos

(1946)

Siegfried Kracauer: Die Errettung der äußeren Wirklichkeit

André Bazin: Was ist Kino? (1958ff.)

Jean Mitry: Ästhetik und Psychologie des Films (1963)

V. Die Filmtheorie der Gegenwart:Über Methodenpluralismus zur Systemforschung (1966-1988)Filmsemiotik: Gianfranco Bettetini, Peter Wollen, Christian Metz

Zeichentheorie, ikonische Codes: Umberto Eco, Juri Lotman

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Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalterseiner technischen Reproduzierbarkeit (1936)

W.B.: * 1892 in Berlin, + 1940 Selbsttötung an der franz-span.

Grenze (Port Bou) auf der Flucht vor den Nazis.

Beschreibt das Ende der alten auratischen Kunst und den Film

als Alternative zwischen Ästhetisierung von Politik (NS) und

Fundierung der Kunst auf Politik (Kommunismus).

Kunstwerke waren immer reproduzierbar: konnten

nachgemacht werden: Guß, Prägung, Druck, Litho, Photogr.

Aber die technische Reproduzierbarkeit ist etwas völlig Neues.

Das Kunstwerk wird aus seinem „Hier und Jetzt“ befreit.

H.u.J.: einmaliges Dasein an einem einziger Ort. Echtheit:

Altes ist nicht reproduzierbar (Dresd. Frauenkirche, Lpz.

Pauliner Kirche) Aura: Einzigartigkeit des Kunstwerks.

Page 135: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalterseiner technischen Reproduzierbarkeit (1936)

Gegenüber der manuellen Reproduktion erweist das Echte seine

volle Autorität, nicht aber gegenüber der technischen Repro-

duktion. „Die Umstände, in die das Produkt der techn. Reprod.

Gebracht werden kann, mögen im übrigen den Bestand des

Kunstwerks unangetastet lassen - sie entwerten auf alle Fälle

sein Hier und Jetzt.“

Kunstwerke sind fundiert im Kult und im Ritual, eingebettet in

Traditionen. Die Rezeption des KW geschieht in zweierlei

Weise: 1. als Kultwert: Es ist wichtiger, daß das KW

vorhanden ist als daß es gesehen wird;

2. als Ausstellungswert: erwächst aus dem Ritual-Zusammen-

hang.

Durch die techn. Reproduzierbarkeit erlischt die Autonomie der

Kunst/des Kunstwerks für immer. Film-Kunst erschafft einen

neuen Kult: Schauspieler verliert die Aura; wird durch Star-Kult

ersetzt.

Page 136: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalterseiner technischen Reproduzierbarkeit (1936)

Demokratisierung durch Reproduzierbarkeit u.a.: Jeder kann

Filmschauspieler werden, jeder kann das film. Kunstwerk

überall wahrnehmen. Reprod. Verändert das Verhältnis der

Masse zur Kunst. Künstler. u. wiss. Verwertung des Films.

Die Quantität der Verbreitung schlägt in eine (neue) Qualität um.

Im Film: Wirklichkeit zweiten Grades: „Der apparatfreie Aspekt

der Realität ist hier zu ihrem Künstlichsten geworden...“

Page 137: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Absoluter Film,Filmische Avantgarde,Film im „Dritten Reich“

Vorlesung

Steinmetz

Teil 4

Page 138: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

26.05. Die „alten neuen Medien”/ Film V: Film imÜbergang: Von der Weimarer Republik zumNationalsozialismus

Zwischen Avantgarde und Propaganda: prägendeRegisseure, u.a.: Walter Ruttmann, Arnold Fanck,Leni Riefenstahl. 1. Karsten Witte: Film imNationalsozialismus. In: Jacobsen/Kaes/Prinzler:Geschichte des deutschen Films, Stuttgart; Weimar:Metzler 1993, S. 119-170. 2. Peter Zimmermann/KayHoffmann: Kultur und Wochenschau im Kino. In: dies.(Hrsg.): Geschichte des dokumentarischen Films inDeutschland, B.d 3: ‚Drittes Reich’ 1933-45. Stuttgart:Reclam 2005, S. 103 – 132.

Page 139: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film-Avantgarde

Page 140: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Absoluter Film, 20-50er Jahre• Ideal-/Extremfall des syn-ästhetischen Zusammen-

spiels von Bild und Musik. Die „Absolutheit“ lag in

der völligen Konzentration auf den Film als einer

eigenständigen Kunst, ohne jegliche Beziehung auf

die Realität.

• Die syn-ästhetische Wirkung, das frei von gesproche-

ner Sprache weltweite universelle Verständnis, sollte

sich als „Wechselwirkung kosmischer und spiritueller

Art“ beim Sehen einstellen.

• Wiederholung, Repetition: wichtige Rolle für die sug-

gestive Wirkung auf den Zuschauer.

• In Frankreich: „Cinéma Pur“.

Page 141: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Absoluter Film

• Zunächst Walter Ruttmann (ab 1922), dann Oskar

Fischinger, Viking Eggeling und ab etwa 1934 die US-

Amerikanerin Mary Ellen Bute schufen abstrakte Filme.

• Homogene Mischung aus Malerei, Musik und Film:

kein Bezug auf irgendeinen Referenten in der Realität

außerhalb des Films.

• Die Film-Avantgardisten verwendeten schon Farbe. In

Farbe kehrte Fischinger 1947 nach etlichen Werbefil-

men zum absoluten Film zurück.

• „Gefühle durchs Auge und durchs Ohr“ wollte Mary

Ellen Bute mit dem synästhetischen Einsatz von

bewegten Bildern und Musik beim Zuschauer

hervorrufen.

Page 142: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film im „Dritten Reich“

Page 143: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Wie sah das Filmprogramm

aus?

Etwa seit Mitte 20er Jahre:

• Werbung (Filme, Dias)

• Kulturfilm (10- 20 Min.)

• Wochenschau

• Spielfilm (selten: abendfüllender

Dokumentarfilm)

Anknüpfung: Rudimente der Nummern-Revuen

aus der Frühzeit des Films.

Länge: 2 bis 2 1/2 Stunden

Page 144: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Kino-/Filmstatistik „Drittes Reich“

83341942

54111938

300 Mio2 Mio50711933

BesucherPlätzeKinos

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Filmstatistik „Drittes Reich“

• Uraufführung von 1353 deutschen Spielfilmen (nicht: 1094)

• davon 15 % Propagandafilme (direkte Propaganda)

• davon ca. 50 % heitere Unterhaltungsfilme: Komödien, Musik-,

Genrefilme, 25% Melodramen, 11% Actionfilme

• Aufführung von ca. 600 ausländischen Spielfilmen

• 1933 - 38: 40-50% ausländische Spielfilme, davon knapp die

Hälfte aus USA

• 1939 - 45: 80% deutsche Spielfilme, ab ca. 1941 Einfuhrverbot

von US- und UK-Spielfilmen

• Ca. 2000 - 3000 Kulturfilme

• Ca. 4000 Wochenschauen

• Ca. 1900 ausländische Dok- u. (Kurz-)Spielfilme

Page 146: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Filmstatistik „Drittes Reich“

1939: nur noch 39% Komödien

1942: 35 % Komödien, 25% Propagandafilme

1943 nach der Kriegswende in Stalingrad:

wieder 55% Komödien, Propaganda: nur

noch 8%

Vor der Niederlage verkehrt sich das

Verhältnis von Komödien und Melodramen:

25 : 58 %

Bis zu 27.000 Kinos in Europa spielten diese

Produktionen

Page 147: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Einzelne Genres

Mehr als 700 Komödien, davon 210 Musik-

Komödien

Zirkusfilme

Künstlerfilme

Literaturverfilmungen

Historische Kostümfilme

Heimatfilme (ca. 100)

Kriminalfilme (ca. 125)

(nach Courtade/Cadars 1975)

Page 148: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Kulturfilme• Verleih: Prinzip des Blind- und Blockbuchens

• Kulturfilm: Trennung von Kulturfilmen

a) als Vorfilmen und

b) als Lehr- und Unterrichtsfilmen

• 1941: mehr als 100 kleinere Kultur- und Werbefilm-

Hersteller

• Grenzen zwischen Kultur- und Werbefilmen verwischt:

„Werbekulturfilme“ (mehr als 50% Fremdfinanzierung):

touristische Imagefilme (Städte- und Landschaftsbilder),

Reichsbahn- und Industriefilme, Institutionen, staatl.

Stellen

• „Befreiung“ des Kulturfilms von wirtsch. Auftraggebern

Staat und verstaatlichte Filmkonzerne: „Wirklichkeit des

nationalsozialistischen Reiches“

Page 149: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Dokumentar-/Kulturfilm-

Regisseure „Drittes Reich“

• weitgehende Kontinuität von der

Weimarer Republik ins „Dritte Reich“

• nur drei Regisseure in die Emigration:

• Hans Richter (Film-Avantgardist

• Slatan Dudow (Kommunist: Kuhle Wampe

oder: Wem gehört die Welt?, D 1932)

• Rudolf Bamberger (Jude)

• die meisten „arrangierten sich“

• experimentelle, avantgardistische Formen

teilweise in Film des „Dr.R.“ übertragen

Page 150: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Dokumentar-/Kulturfilm-

Regisseure „Drittes Reich“

„Zur NS-Propaganda war niemand gezwungen, wenn man

nicht gerade für die NSDAP oder eine ihrer Organisationen

arbeiten wollte.“ (Zimmermann/Hoffmann 2005, 111)

Nischen, Spezialisierung, sonst aber kaum

Arbeitsmöglichkeiten

Zugeständnisse an offizielle Filmpolitik, Übernahme von

NS-Phrasen

Avantgarde setzte Arbeit fort, von Propagandamini-

sterium und Filmkritik weitgehend gefördert

Page 151: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Dokumentar-/Kulturfilm-

Regisseure „Drittes Reich“

Generation Filmemacher aus der Weimarer Republik:

Walter Ruttmann, Arnold Fanck, Hans Cürlis, Wilfried Basse,

Svend Noldan, Ulrich K.T. Schulz, Martin Rikli, Wilhelm

Prager, Hans Schomburgk, Colin Ross, Friedrich Dalsheim,

Curt Oertel, Rudolf Bamberger, Gertrud David, Hans

Richter, Phil Jutzi, Slatan Dudow, Carl Junghans

Tradition des Kulturfilms der 20er Jahre reichte bis in die 50er

und 60er Jahre hinein

Page 152: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Dokumentar-/Kulturfilm-

Regisseure „Drittes Reich“

Neue Generation Filmemacher „Drittes Reich“,

die sich hemmungsloser als andere als

Propagandisten anboten:

Leni Riefenstahl, Sepp Allgeier, Willy Zielke,

Walter Frentz, Hans Ertl, Leo de Laforgue,

Walter Hege, Paul Lieberenz, Hans

Steinhoff, Karl Ritter, Hans Bertram, Fritz

Hippler

Nach 1945: entweder geächtet oder (schwere)

Rückkehr ins Geschäft

Page 153: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Spielfilm-Regisseure

„Drittes Reich“

Emigration in zwei Wellen: 1933 und 1938/39

Exodus: Insgesamt 2000 Filmkünstler flohen,

davon mehr als 500 nach Hollywood.

Ca. 220 Exilfilme entstanden in Österreich (vor

dem „Anschluß“, Ungarn, Frankreich,

England, Holland, Italien, Schweiz, USA.

Exilfilm: Film, der von einem nach 1933

emigrierten Produzenten, Regisseur oder

Drehbuchautor gestaltet wurde.

Page 154: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Spielfilm-Regisseure

„Drittes Reich“

Die produktivsten:

Artur Maria Rabenalt (13 Filme von 1940 bis

45)

Geza von Bolvary (12 Filme)

Hubert Marischka (10 Filme)

Carl Boese (9)

Georg Jacoby: musikalisches

Lustspiel/Revuefilm: macht Marika Rökk zum

Star mit „Heißes Blut“ (1936)

Page 155: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

NS-Film: Ideologie und Ökonomie

Ziele: Indoktrination und Rekreation, „Kunst“. „Das Leben

umformen, überhöhen, kondensieren, verdichten“.

„Tendenz“ und „Herzen ergreifen“(Propagandaminister

Goebbels 1937).

Ökonomie:

1933 Filmkreditbank (Beginn staatlicher Filmförderung)

Verstaatlichung der gesamten Filmindustrie erst 1942

abgeschlossen, keine private Filmproduktion mehr.

Ab 1936 keine echten Filmkritiken mehr sondern

„Filmbetrachtungen“

Page 156: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

NS-Film: Ideologie

und Unterhaltung

These: Jeder Unterhaltungsfilm im „Dritten

Reich“ vertrat immer auf irgendeine Weise

die Nazi-Ideologie (Wollenberger,

Courtade/Cadars 1975).

Antithese: Nicht jeder im NS gedrehte Film ist

automatisch ein Nazifilm (Witte 1993,

Leiser): „Es gab faschistische Filme, und es

gab Filme im Faschismus“.

Page 157: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

02.06. Die „alten neuen Medien”/ Film VI:Film im Übergang: Vom Nationalsozialismus in die

NachkriegszeitKontinuitäten und Neuanfänge. 1. Peter Zimmermann:

Kontinuitäten und Wandlungen im Zeichen von‚Entnazifizierung’ und ‚Reeducation’/’Säuberung’ undFortsetzung der Kulturfilmproduktion/Vom Kulturfilmzum Fernseh-Dokumentarismus. In:Zimmermann/Hoffmann (Hrsg.): Geschichte desdokumentarischen Films in Deutschland, B.d 3: ‚DrittesReich’ 1933-45. Stuttgart: Reclam 2005, S. 691 – 703. 2.Wolfgang Gersch: Film in der DDR – Die verloreneAlternative. In: Jacobsen/Kaes/Prinzler: Geschichte desdeutschen Films, Stuttgart; Weimar: Metzler 1993, S. 323-338.

Page 158: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Spielfilm-Regisseure

„Drittes Reich“

Emigration in zwei Wellen: 1933 und 1938/39

Exodus: Insgesamt 2000 Filmkünstler flohen,

davon mehr als 500 nach Hollywood.

Ca. 220 Exilfilme entstanden in Österreich (vor

dem „Anschluß“, Ungarn, Frankreich,

England, Holland, Italien, Schweiz, USA.

Exilfilm: Film, der von einem nach 1933

emigrierten Produzenten, Regisseur oder

Drehbuchautor gestaltet wurde.

Page 159: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Spielfilm-Regisseure

„Drittes Reich“

Die produktivsten:

Artur Maria Rabenalt (13 Filme von 1940 bis

45)

Geza von Bolvary (12 Filme)

Hubert Marischka (10 Filme)

Carl Boese (9)

Georg Jacoby: musikalisches

Lustspiel/Revuefilm: macht Marika Rökk zum

Star mit „Heißes Blut“ (1936)

Page 160: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

NS-Film: Ideologie und Ökonomie

Ziele: Indoktrination und Rekreation, „Kunst“. „Das

Leben umformen, überhöhen, kondensieren,

verdichten“. „Tendenz“ und „Herzen

ergreifen“(Propagandaminister Goebbels 1937).

Ökonomie:

1933 Filmkreditbank (Beginn staatlicher

Filmförderung)

Verstaatlichung der gesamten Filmindustrie erst 1942

abgeschlossen, keine private Filmproduktion mehr.

Ab 1936 keine echten Filmkritiken mehr sondern

„Filmbetrachtungen“

Page 161: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

NS-Film: Ideologie

und Unterhaltung

These: Jeder Unterhaltungsfilm im „Dritten

Reich“ vertrat immer auf irgendeine Weise

die Nazi-Ideologie (Wollenberger,

Courtade/Cadars 1975).

Antithese: Nicht jeder im NS gedrehte Film ist

automatisch ein Nazifilm (Witte 1993,

Leiser): „Es gab faschistische Filme, und es

gab Filme im Faschismus“.

Page 162: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Das „Dritte Reich“ und der Zweite

Weltkrieg im Film des Auslands

Charles Chaplin: The Great Dictator (USA

1940)

Ernst Lubitsch: To be or not to be (USA 1942)

Michael Curtiz: Casablanca (USA 1942/43) mit

Humphrey Bogarde

Carol Reed: Der Dritte Mann (USA 1949) mit

Orson Welles und Joseph Cotton

Page 163: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Stil-, Genre-EntwicklungenFilm Noir (Black Series): Genre des Gangsterfilms, Rolle

der Frau wurden fragwürdig, Femme fatale

John Huston: The Maltese Falcon (USA 1941)

Robert Siodmak: Phantom Lady (USA 1944) (Zeuge

gesucht)

Howard Hawks: The Big Sleep (Tote schlafen fest) (USA

1946)

Italienischer Neo-Realismus: Grundlegender

Erneuerungsanspruch, Humanismus

Luchino Visconti: Ossessione (I 1943)

Roberto Rosselini: Roma, Cità aperta (I 1947)

Roberto Rosselini: Germania Anno Zero (I 1945)

Luchino Visconti: La Terra trema (I 1948), Paisà (I 1948)

Page 164: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film in der frühenNachkriegszeit

Page 165: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

„Stunde Null“ und Kontinuität

Es gibt keine „Stunde Null“, in der nach einem

existenziellen Einschnitt alles neu beginnen würde.

In technischen, aber auch in künstlerischen Bereichen wird

es immer Kontinuität geben. Die ärgsten Protagonisten

des alten Systems werden gehen müssen - und

entweder gar nicht oder nach einer gewissen Zeit

wiederkommen.

Mit dem Gros der Macher aus dem alten System wird auch

der Neubeginn eines anderen Systems gestaltet (werden

müssen).

Das Publikum ändert sich auch nicht von einer Minute zur

anderen - es muß ins neue System mitgenommen

werden.

Page 166: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

„Stunde Null“ und Kontinuität

Daraus speist sich Kontinuität.

Kontinuität auch nach dem Ende des „Dritten Reichs“:

• Überläuferfilme: Filme, die noch innerhalb des alten

Systems entstanden, aber erst im neuen System

(oder in einer Übergangsphase) uraufgeführt werden.

• Weiterarbeit von Künstlern, Technikern,

Verantwortlichen des Films im „Dritten Reich“.

Unterschiedlich intensiv in den Westzonen (BRD) und

der Ostzone (DDR): Fritz Hippler, Curt Oertel, Hans

Cürlis, Andrew Thorndike, Ulrich K.T. Schulz

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Neubeginn und Kontinuität

• Kulturfilmer: Hubert Schonger, Svend Noldan, Edgar

Beyfuß, Wolf Hart, Walter Hege, Rudolf Werner Kipp,

Willy Prager, Walter Frentz...

• Andere Film-Bereiche und Technik: Werner Pleister,

Emil Dovifat, Gerhard Eckert, Martin S. Svoboda, Peter

von Zahn, Werner Nestel, Sepp Allgeier, Kurt Hinzmann.

• Spielfilm: Wolfgang Liebeneiner, Helmut Käutner,

Wolfgang Staudte, fast alle Schauspiel-Stars

• Firmen: Arnold&Richter (ARRI)

• Ausnahmen: Leni Riefenstahl, Arnold Fanck; UfA

• Flüchtlinge nach Südamerika, z.B. Hans Ertl, Karl Ritter.

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Übergänge ökonomisch

Zerstörung der großen Studios unter dem Dach der Ufi-Holding

Demontage der „Traumfabrik“: Zerschlagung des Ufi-Konzerns:Lex Ufi (US- und UK-Zone), Privatisierung, Neuaufbau z.B.

Bavaria-Filmkunst AG

Alliierte regelten durch Gesetze, Verordnungen und Vorschriften

das gesamte Filmwesen neu, jeweils in ihren

Besatzungszonen

Ostzone/SBZ: DEFA-Lizenzierung (16.5. 1946) und -Gründung

(17. Mai 1946)

Westzonen: Lizenzpflicht bis 1949, Gründung ca. 40 neuer,

kleiner Studios, z.B. in Göttingen („Göttinger Filmaufbau“

Hans Abich, Rolf Thiele), CCC Film Berlin (Artur Brauner),

v.a. aber München, Hamburg

Filme aus Hollywood, SU, UK, F (90% der Nachkriegsfilme)

dienten der

a) Reeducation/Umerziehung

b) Erschließen neuer Absatzmärkte

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Übergänge

V.a. ab Ende der Lizenzpflicht im Westen starke Zunahme

der Produktionen (1946-48: 28 Filme; 1949: 62, 1950: 82

Filme) Produktionsboom bis Ende 50er Jahre; 1956:

Spitze des Kinobooms: 817 Mio. Zuschauer (dann: Kino-/

Film-Krise)

Neuaufbau der zerstörten Kinos: Kinoboom bis Mitte 50er

Jahre

Zeit der „Trümmerfilme“ : Die Mörder sind unter uns(Staudte), Liebe 47 (Liebeneiner n. W. Borchert), Beginn

der „Vergangenheitsbewältigung“

Wiederkehr der meisten NS-Filmstars und des größten Teils

der Filmschaffenden (v.a. Westzonen)

Direkte Reeducation durch Dokfilme: Todesmühlen (Hanus

Burger, USA 1945), Nürnberg und seine Lehre (Stuart

Schulberg, USA 1948); in Wochenschauen (z.B. WiF)

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Übergänge: Filmproduktion

In Berlin und in der SBZ: die meisten der im Ufi-

Konzern zusammengefaßten ehemals

selbständigen Filmproduktionsgesellschaften:

UFA, Terra, Tobis (alle in Johannistal), Kodak-

Kopierwerke und Althoff-Ateliers in

Babelsberg-Nowawes. Brandenburg: sechs

große Tobis-Ateliers; Agfa Film in Wolfen,

Carl Zeiss in Jena, Zeiss-Ikon in Dresden.

In der SBZ: 70% des gesamten Kapitals der NS-

Holding Ufi, 75% der Atelierkapazität.

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Übergänge: Kinosituation SBZ

Ursprünglich 1420 Kinos (ggü. ca. 4000 in den

Westzonen)

1945 davon ca. 300 noch funktionstüchtig (illegale

Transporte von Filmgeräten in die Westzonen)

Groß-Berlin 1945: 79 Kinos mit 30.927 Sitzplätzen;

1949: 100 Kinos

Brandenburg: Sept. 1945: 57 Kinos; Juli 1947 : 202

Mecklenburg-Vorpommern: Kriegsende: 129 Kinos

Sachsen: von 420 nur 50 zerstört

Sachsen-Anhalt im Sommer 1946: 358 Kinos

Thüringen: 240 Kinos

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Übergänge inhaltlich/stilistisch

Weitgehende Fortsetzung des UFA-Filmstils (bis Ende

50er) und des Kulturfilm-Stils (bis Mitte 50er)

Andererseits Erschließen von Themen und Literatur, die

im „Dr.R.“ verboten bzw. nicht zugänglich waren, z.B.

Literaturverfilmungen (Thomas Mann: Buddenbrooks)

Politischer Kontext: Reeducation (bis 1949), Aufar-

beitung der Vergangenheit wird überlagert/abgelöst

vom neuen Ost-West-Gegensatz (Kalter Krieg): neue

Gegner und Feindbilder, neue Verbündete und

Vorbilder. Anti-Bolschewismus, Anti-Kapitalismus

Orientierung: USA, UdSSR. Gleitender Übergang

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Übergänge

Verbot von Filmen in der brit. Besatzungszone :

• Spielfilme und Dok. Langfilme: 141 von 700

• Kurzfilme: 254 von 2500

• Lehr- und Unterrichtsfilme: 13 % wegen NS

Tendenz verboten, weitere 20 % überarbeitet

• Alle anderen Filme: erlaubt mit

Schnittauflagen (NS Symbole, direkter Bezug

auf NS-Partei- und Staatshierarchie) oder

ohne Veränderungen

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Überläuferfilme

Ende des „Dr. R.“ gekennzeichnet durch

Durchhaltefilme (Kolberg, 1945, m. H. George) und

Ablenkungsfilme (Die Frau meiner Träume, 1944, mit

M. Rökk)

Überläuferfilme: Produziert in der Endzeit des Krieges

und des ns Systems, uraufgeführt nach Kriegsende,

am Beginn neuer Systeme. Transportieren den Geist

des alten Systems ins neue. Werden evtl. obsolet, sie

verlieren ihr Publikum. Sind später wichtig und

interessant wegen der Endzeit-Stimmung, die sie

konservieren. Grenzgänger zwischen den Zeiten.

Ende 1944/Anfang 1945 wurden noch ca. 50

Filmprojekte begonnen; die wenigsten wurden zu

Überläuferfilmen.

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Überläuferfilme: Beispiele

Helmut Käutner: Große Freiheit Nr. 7 (mit Hans Albers, Ilse

Werner, Hans Söhnker, Gustav Knuth)

• gedreht 1944 in den Barandov-Studios im besetzten

Prag;

• als erster Überläuferfilm uraufgeführt am 20.10.1945.

• von Goebbels 12.12.44 verboten wegen „Beleidigung der

deutschen Frau“ und „Schädiigung des Ansehehens der

deutschen Kriegsmarine, „Herabsetzung der Matrosen“.

• 1946 Vorwürfe der Kirche wegen „Unmoral“.

• Männerfilm: Draufgänger, unerfüllte, unausgesprochene

Liebe, Männerfeundschaft, nicht weinen wegen eines

Weibes, Wasser als Symbol: auf und davon, Freiheit.

Auch wenn alles in Scherben fällt: Männerfreundschaft

hält.

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Überläuferfilme: Beispiele

Helmut Käutner: Unter den Brücken (mit Hannelore Schroth,

Carl Raddatz, Gustav Knuth). Produktion 1944, Zensur

März 1945. Premiere in Schweden. Dt. Premiere: 1950.

Erwin Leiser: Beispiel für die Möglichkeit einer „inneren

Emigration des deutschen Films“.

Behauptung privater Autonomie gegen Führeranspruch und

Selbstverleugnung. Wasser = Freiheit. Liebe als zeitlose,

systemüberschreitende Kraft. Dreiecksgeschichte.

Realistisch (authentische Orte: Havel, Glienicker Brücke,

Pfannkuchen-bar, Reichsmarkschein) und poetisch

zugleich: poetischer Realismus; einfache, geniale Dialoge

Gilt als Käutners bester Film.

Käutner: Vaterfigur des westdeutschen Films nach dem

Krieg.

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DEFA = Deutsche Film AG

Gründung 17. Mai 1946, Vorbereitungen seit Sept. 1944

Oktober 1945: Filmaktiv, bestehend aus Kommunisten, die

aus dem Widerstand kamen, unter falschem Namen in D

gearbeitet hatten bzw. Remigranten aus der SU:

Kurt Maetzig, Willi Schiller, Adolf Fischer, Alfred Lindemann,

Karl Hans Bergmann, Hans Klering, Friedrich Wolf.

22.1.1946: Konstituierungskonferenz im Hotel Adlon: KPD,

SMAD, Kommunisten und bürgerl. Filmkünstler: Werner

Hochbaum, Gerhard Lamprecht, Hans Deppe, Peter

Pewas, Wolfgang Staudte, Paul Wegener, Hans Fallada,

Günther Weisenborn, Boleslaw Barlog, Georg C. Klaren.

Organisationsform: dt.-russische Film-Aktengesellschaft.

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Gründung DEFAFestlegung einer antifaschistischen Linie. Radikaler Bruch

mit der Vergangenheit. Polit. und moral. Reflexion der ns

Verbrechen.

18. Februar 1946: Erste Ausgabe des Augenzeugen(Wochen-schau): Sie sehen selbst, Sie hören selbst -

urteilen Sie selbst“ (Kurt Maetzig). Brit. Welt im Film (WiF)

seit 18.5.1945.

März 1946: Beginn der Synchronisation von sowj. Filmen.

16. März 1946 : Produktionsbeginn des ersten Nachkriegs-

Spielfilms: Wolfgang Staudte: Die Mörder sind unter uns.

16. Mai 1946: Produktionslizenz, 17. Mai Gründung Althoff-

Studios Babelsberg.

Überläuferfilme stellen eine Konkurrenz zu den neuen

Produktionen dar.

Anknüpfung an proletarische Filmtradition der Weim. Rep.

(Müntzenberg-Konzern) kaum möglich: erste Nachkriegs-

generation kam entweder aus dem Exil oder hatt schon im

„Dr. R.“ Filme gemacht (die meisten).

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Wolfgang Staudte:

Die Mörder sind unter uns, D 1946

Einer der wichtigsten Trümmerfilme: individuell-

moralische Argumentation, nicht politisch.

Produktionsbeginn: März 1946

Uraufführung : 15. Oktober 1946, am Tag vor der

Vollstreckung der Nürnberger Urteile gegen die ns

Kriegsverbrecher, in der Berliner Staatsoper. Moskau,

Paris, London, New York: Zeichen geistiger

Wandlung d. Deutschen

Stoffentwicklung von Staudte schon während des

Krieges: „Der Mann, den ich töten werde“. Zuerst dem

US-Kulturoffizier (P.v.Eyck) angeboten.

Erster Zensurfall nach dem Krieg: Selbstjustiz wird im

Film nicht dargestellt. Erste Rolle Hildegard Knef.

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DEFA: Phasen 1946 - 1961• 1946 - 49: kreative Arbeit auf breiter soz.-bürgerlicher

Plattform; parteipol. Neutralität; fast grenzenloses

Ausprobieren.

• Progressiv-humanistische Stoffe

• Ab 1949: unmittelbare Gegenwart, Förderung des

sozialistischen Wandlungsprozesses, Frieden, nationale

Einheit Deutschlands, Störfaktoren aus Westdeutschland,

Kapitalismus als Feind. Formalismus-Debatte 1948.

• Ab 1952: Formalismus-Vorwurf; Arbeiterbewegung im Vor-

dergrund, sozialistischer Realismus: Übertypisierung,

Schwarz-Weiß-Malerei, pos./neg. Helden, keine

Differenzie-rung u. Individualisierung, West-Klischees.

Parteilichkeit.• Erster sozialistischer Nachkriegs-Spielfilm: Slatan Dudow:

Unser täglich Brot (1949).

• Bis 1949: Mehrzahl der DEFA-Spielfilme auch in den

Westzonen aufgeführt.

• Bis Mauerbau 1961 künstlerischer Austausch mit und

Bereicherung durch Filmschaffende aus Westdeutschland.

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Parteilichkeit statt

Differenzierung

Gegen „Formalismus“ und Differenzierung - für Parteilichkeit

und sozialistischen Realismus.

Filmverbot-Exempel: Falk Harnack: Das Beil von Wandsbek(DDR 1951) mit Erwin Geschonnek; Roman: Arnold Zweig,

Sz.: W. Staudte, W. Lüddeke.

Erst 1962 wieder in der DDR gezeigt, um 20 Min. gekürzt.

Ungekürzt und wieder hergestellt: 1981 im DDR-Fernsehen.

BvW war eine Art Überläuferfilm aus einer (film-) kunstpoliti-

schen Phase (bis 1949) in eine andere: Regisseure durften

nicht mehr naturalistisch, bürgerlich-realistisch

widerspiegeln, sondern mußten „Parteilichkeit in der

Spielfilmregie“ (Maetzig) üben. Parteinahme für das

„Richtige und Wahre“. Wirklichkeit objektiv erkennbar, daher

nur eine von mehreren Meinungen richtig. Vom krit. Soz.

zum Sozialist. Realismus.

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Kleinbürgerliche Zensur

im Osten und im Westen

Zensur-Exempel: Wolfgang Staudte: Der Untertan(DDR 1951) mit Werner Peters, Renate Fischer. K:

Robert Baberske. Roman. Heinrich Mann.

Politischer Kontext: Wiederbewaffnung

Optischer Formalismus (extreme Kameraperspektiven

Baberske); Arbeiterklasse nicht kämpferisch genug;

„völlige Perspektivlosigkeit“ (Anton Ackermann).

Der „interministerielle Ausschuß“, eine Zensurbehörde

ohne rechtliche Grundlagen, verhinderte die

Aufführung in der BRD für sechs Jahre. Erfolg bei

internationalen Filmfestspielen erzwang Aufführung.

Film paßte weder in der DDR noch in der BRD in den

politisch-ideologischen Kontext.

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Trümmerfilme

U.a.: Die Mörder sind unter uns (Wolfgang Staudte

1946), Liebe 47 (Wolfgang Liebeneiner 1947), Injenen Tagen (Helmut Käutner 1947), Berliner Ballade(R.A. Stemmle, 1948).

Nicht nur äußere sondern auch innere Trümmer, d.h.

Drehort: Trümmerstädte; Handeln in psychischer

Traumatisierung.

Insofern sind auch die Überläuferfilme bereits

Trümmerfilme: Individuen mit inneren

Scherbenhaufen, die sich von jeglicher Ideologie

abwenden, sich nie mehr ideologisch vereinnahmen

lassen wollen. Haupt-Handlungsebene: Innerlichkeit.

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Trümmerfilme

Aus der Beschreibung der inneren Trümmer und

ihrer Bewältigung/dem Neuaufbau entsteht induktiv

das Neue.

Eher unkreative Phase; Ausdruck eines geistigen

Vakuums; Rückwärtsgewandheit, gewisse

Weinerlichkeit.

Trümmer als Kulissen, die aber nicht produktiv für

Neues und Experimente gemacht werden.

Reproduktion von UFA-Ästhetik und

Expressionismus.

Page 185: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Fazit früher Nachkriegsfilm

Bis 1949 eine filmkünstlerische Einheit Deutschlands.

Westdeutschland: Filme setzen

a) individuelles Versagen/Engagement, „Verführung“

b)

Verdrängung, Vergessen durch unpolitische und

Heimatfilme gegen die Zeit des „Dr.R.“.

Ostdeutschland: Klare Trennungslinie zur Zeit vor

1945; neues, positives gegen das komplett negative

System vorher. Aufbau einer neuen, besseren

Gesellschaft. Film als Transmissionsmittel auf dem

Weg dahin. Didaktische Mittel (soz. Realismus) und

Schematismus.

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Die „alten neuen Medien”/ Radio:

Die ersten 20 Jahre und :

Künstlerische radiophone Formen

Vorlesung

Steinmetz

Teil 6

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09.06. Die „alten neuen Medien”/ Radio: Die ersten 20Jahre und : künstlerische radiophone Formen

1. Anfänge des Hörfunks: Rüdiger Steinmetz: Hörfunk:

Stimme zur Welt und: Hörfunk – ein Medium als Spiegel seiner

Zeit. In: Rüdiger Steinmetz/Adalbert Plica/Gabriele Buchner/

Mechthild Klotz/Friedemann Leipold: Kommunikation. Die

Entwicklung der menschlichen Kommunikation von der

Sprache bis zum Computer (Texte zur Filmserie). München:

TR Verlagsunion 1987, S. 89 – 103.

2. Hörspiel und Feature nach 1945: Was unterscheidetHörspiel und Feature? Welche ästhetischen undthematischen Entwicklungen gab es? Hans-Jürgen Krug:

Kleine Geschichte des Hörspiels. Konstanz: UVK 2003, S. 25-

46. Udo Zindel/Wolfgang Rein (Hrsg.): Das Radio-Feature.

Ein Werkstattbuch. Konstanz: UVK 1997, S. 25-61.

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Kindheitsmuster des Radios

Medien-Dispositiv Anfang 20er Jahre:

• Fotographie

• Telephon

• Massenpresse (Rotationsdruck):

Tageszeitungen, Zeitschriften

• (Stumm-)Film

• Schallplatte/Grammophon

• Radio als erstes elektronisches Medium:

Erweiterung des mediatisierten, öffentlichen

Raums, zugleich der politischen Kontrolle (Staat)

Page 189: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Kindheitsmuster des Radios

Kontext: Entmaterialisierte Überwindung von

Zeit und Raum als Traum der Renaissance

Post (-kutschen): Zunächst materielle

Überwindung des Raums

Geschichte der Übertragungsmedien:

(Morse-) Telegraf, Telefon, Funk, Rund-

Funk

Bedenken gegen die zunehmende

Beschleunigung und Transzendenz

Page 190: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Kindheitsmuster des Radios

Technische Voraussetzungen: Hertz, Marconi,

Lieben

Entstehung im Zusammenhang mit dem Ersten

Weltkrieg: technische Entwicklung von Sende-

und Empfangsanlagen durch die Industrie

100.000 Militärfunker

1917: Ausstrahlung von Schallplattenmusik für die

deutschen Soldaten vor Reims

Nach dem Krieg zwei Hauptmotive:

1. Absatzchancen für die Industrie

2. Ablenkung/Unterhaltung in schwerer Zeit:

„Unterhaltungsrundfunk“

Page 191: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Kindheitsmuster des Radios

1917/18: Revolutionäre nutzen das

entstehende neue Medium

Obrigkeitsstaatliche Organisation und

Gängelung in allen Planungen seit 1922

zunächst „Saalfunk“ angedacht (bessere

Kontrolle)

aber USA und UK entwickeln Radio für

alle, also auch so in D, aber mit

Schwerpunkt Unterhaltung (Ablenkung) und

„Volkserziehung“

Page 192: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Kindheitsmuster des Radios

Zwei gegenläufige Tendenzen/Absichten

staatlicher Institutionen: Reichs-

Postministerium und Reichs-Innenministerium

Hans Bredow: „Vater des Rundfunks“. Von der

Industrie (Telefunken: Siemens&AEG) ins

Postministerium. Trug 1919 dem

Hauptausschuss der die neue Weimarer

Verfassung vorbereitenden Weimarer

Nationalversammlung die Idee eines

„Rund-Funks“ vor.

Danach Bredow ins Postministerium: Aufbau des

Rundfunks

Page 193: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Kindheitsmuster des Radios

1922 : Ankündigung des RPM, Lizenzen zu

vergeben. (RPM = Reichs-Postministerium)

Wichtig: Rolle des Staates, techn. und

programmlicher Einfluss/Kontrolle

Aufbau regionaler Gesellschaften: Berlin,

Breslau, Königsberg, Leipzig, Hamburg,

Frankfurt/M., Münster (später Köln), Stuttgart,

München, meist als Aktiengesellschaften.

Früher Rundfunk: privatwirtschaftliche Fassade,

bei weitgehender staatlicher Kontrolle und

staatl. Einfluss.

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Kindheitsmuster des Radios

Staat heißt: Zentralstaat plus Länder.

Kontrolle durch Kulturbeiräte und

Überwachungsausschüsse.

Start am 29. Oktober 1923, noch ohne

gesetzliche Grundlage (erst 1926), aus dem

Vox-Haus, Berlin.

(Vox: Schallplattenfirma)

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Frühes Radio-Programm

Zunächst kein ganztägiges Programm.

Anknüpfung am Theater, Konzert, (Vor-)Lesung: Durch

Radio wird dem Konsumenten die Anwesenheit am

Ort des Geschehens erspart.

Mittags-, Nachmittags- und Abendkonzerte sowie

Matineen.

Haupt-Hörzeit (heute: „Primetime“): Abendstunden (bis

in die 60er Jahre hinein).

Spezifische Angebote für Hausfrauen und Kinder.

Entwicklungsphase (radiophoner Formen) 1923 - 1930.

Zunächst mehrstündige Schauspiel-Übertragungen:

epische und dramatische Weltliteratur und

zunehmend Original-Sende- und Hörspiele.

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Frühes Radio-Programm

Entwicklung spezifischer Formen: Hörspiel, Hörbild

(collagenartig), (Stegreif-)Reportage,

Bildungsprogramme (Deutsche Welle GmbH)

1925: 25 % Vorträge, 1932: 14 %

60%: Kultur/Bildung, 30% Unterhaltung, nur 10 %

Information (Nachrichten)

Zunahme unterhaltender Angebote

19 - 20 Uhr: Vorträge (reines Wortprogramm)

20 - 22 Uhr: Konzerte, Kammermusik, Oper,

gehobene U-Musik (Operette, Salonorchester),

Jazz weniger.

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Kindheitsmuster des Radios

Rundfunkordnung wird 1926 etabliert, aber

1932 schon wieder außer Kraft:

Reichskanzler Franz von Papen:

Selbstdarstellung, staatliche

Rundfunkkomissare.

Vorbereitung der Machtübernahme durch die

Nationalsozialisten.

Page 198: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

16.06. Medialer Neubeginn in Deutschland nach1945: Fernsehen und Hörfunk –

Kontinuitäten und Neuanfänge1. Peter Hoff: Tages Arbeit – Abends Gäste, Kap.3:

„Schöpfungsgeschichte“ und „Gründerlegenden“.

Leipzig: Universitätsverlag 2005, S. 15 – 35.

2. Rüdiger Steinmetz: Dauerhafte Lernprozesse: Die

Bundesregierung und der NWDR. In: Peter von

Rüden/Hans-Ulrich Wagner (Hrsg.): Die Geschichte des

Nordwestdeutschen Rundfunks. Hamburg:

Hoffmann&Campe 2005, S. 322-336. 3. Konrad Dussel:

Deutsche Rundfunkgeschichte. Konstanz: UVK 2004, S.

127-145 und 181-189.

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Radio-Feature

Mit Hilfe der akustischen Montage fügt das Featurejournalistische Elemente (Interview, Statement,Reportage, atmosphärische Töne) und anderefunkische Ausdrucksmittel (Dialog, inn. Monolog,Zitat, Mitschnitt, Kommentar-/Erzählertext, Musik) zueinem künstlerischen Ganzen zusammen.

Feature - Hörspiel ähnlichSpielfilm - Dokumentarfilm

Beim Feature überwiegt derdokumentarische Charakter, beimHörspiel der fiktionale, künstlerische Charakter.

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Verhältnis Hörspiel - Feature

Feature und Hörspiel liefen ab 1947 nebeneinander her,

ergänzten und überschnitten sich. Wurden zu den

Programmhöhepunkten der späten 40er und 50er

Jahre: die spezifischen Radioformen.

Feature: deduktiv: zu einem allg. Thema werden

Personen in ihren Funktionen gesucht, die typisch,

symptomatisch für das allg.gültige Thema sind.

Hörspiel: induktiv: einzelne Personen, die wir

intensiver kennenlernen, handeln (verbal) und tragen

in dramaturgischer Verdichtung zu einem allg. Thema

bei.

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Hörspiel nach 1945

Entwicklung zur eigenen Kunstform des Radios:

• Aneignung der (bisher verbotenen) Weltliteratur

• Eigenproduktionen

• Nahe Vergangenheit

• Gegenwart: Zeitstücke

• Experiment

• Hörspielpreis der Kriegsblinden.

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Hörspiel

Helmut Käutner, Max

Frisch, Friedrich

Dürrenmatt, Wolf-

gang Hildesheimer,

Walter Jens, Ilse

Aichinger, Heinrich

Böll, Marie Louise

Kaschnitz, Siegfried

Lenz, Ingeborg Bach-

mann, Martin Walser

Feature

Autoren (u.a.) in Westdeutschland

Max H. Rehbein, Erich Kuby

(z.B. Nur noch rauchende

Trümmer... NWDR 1954),

Peter Coulmas, Henri

Regnier, Hans Werner

Richter, Heinrich Böll,

Joachim Kaiser, Siegfried

Lenz, Axel Eggebrecht,

Wolfgang Hildesheimer,

Siegfried Lenz, Peter von

Zahn

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Radio-Übergänge 1945

1. Mai: Rede Großadmiral Dönitz

4. Mai, 19 Uhr: Hallo, hallo, here is Radio Hamburg, a stationof the Military Government (Brit. All.)

8./9. Mai: Kapitulation

bis 9. Mai: Nebensender Flensburg strahlt weiter ns

Programm (Reg. Dönitz) aus

12. Mai: Radio München (US All.)

13. Mai: Sowj. All. Radio (Bln./Masurenallee/S. Tegel)

3. Juni: Radio Stuttgart (US All.)

4. Juni: Radio Frankfurt (US All.)

1. Sept.: Sowj. All. Radio über Sender Leipzig

20. Nov.: Mitteldt. Rundfunk AG (7.12. üb. Send. Dresden)

23. Dezember: Radio Bremen (US All.)

31. März 1946 SWF Baden-Baden (Frz. All.)

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Polit. - Rundfunk-Systeme

Die entstehenden Rundfunksysteme in

Ost und West hatten völlig

unterschiedliche, gegensätzliche

Aufgaben,

Entsprechend den entstehenden

politischen und ideologischen

Systemen.

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Rundfunk (HF und FS) im Osten

Zentrale Struktur, staatlich verfaßt. Finanzierung:

Staatshaushalt, Rundfunkgebühr

Aufgaben:

• kollektiver Propagandist (Verbreitung der soz.

Lehren), kollektiver Agitator (der Massen),

kollektiver Organisator (der Politik von Partei

und Staat).

• Dies wurde öffentlich propagiert, zugleich

stand die Öffentlichkeit unter einer

umfassenden Kontrolle.

• Medien waren also Instrumente von Partei und

Staat; das war jedem bekannt und bewußt.

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Rundfunk im Osten

Instrumentalisierung des Rundfunks äußert

sich in...

1. Steuerung der Medien durch Machtinter-

essen der Partei- und Staatsführung,

2. Primat der polit. Funktionen der Medien u.d.

polit. Programmatik ggü. and. Funktionen,

3. Aushöhlung der Legitimation der soz. Ges.

Ordnung durch die Offenheit der Instrumen-

talisierung und die damit provozierte

Umgehung durch Rückzug ins Private und

Entstehung alternativer Öffentlichkeiten.

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Rundfunk (HF und FS) im Westen

Dezentral, föderal organisiert: Rundfunk ist

Ländersache (Landes-Rundfunkgesetze;

Staatsverträge, d.h. Verträge. zw. Ländern).

Öffentlich-rechtlich verfaßt, also nicht in der Hand

des Staates, einer Partei oder Interessengruppe:

staatsfern.

Kontrolle durch (gewählte) Rundfunkräte;

ständisches vs. parlamentarisches Modell.

Grundlage GG, Art 5: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift undBild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichenQuellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit derBerichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensurfindet nicht statt.

Ziel: freie und öffentliche Meinungsbildung

Finanzierung über Rundfunkgebühr und Werbung.

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Rundfunk (HF) im Osten

Organisation: Berliner Rundfunk,Mitteldeutscher

Rundfunk bzw. ab 1955 Radio DDR statt MDR,Deutschlandsender ( Westen; ab 1974:

Stimme der DDR)

Staatl. Rundfunk-Komitee (1952)

Umstritten im Kalten Krieg: Funkhaus

Masurenalle („Haus des Rundfunks: Poelzig-

Bau, 1931)

1952 Funkhaus Nalepastraße

1952 Fernsehen Adlershof

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Rundfunk (=Hörf. u. FS)

nach 1945Radio/Hörfunk hatte zentrale Funktionen:

• Kommunikation (Fehlen anderer Medien)

• Einbindung der Menschen in die jeweils neuen politischen

Systeme (Reeducation, Umerziehung)

• Kulturell Versäumtes nachholen

Beteiligung von unbelasteten Deutschen, aber auch von Belasteten am jew.

Wiederaufbau des Rundfunks:

U.a.: Peter von Zahn, Werner Höfer, Werner Pleister

(West)

Ernst Augustin, Walter Bruch (Ost)

Page 210: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Rundfunk (= Hörf. u. FS)

nach 1945Lernprozesse:

West: Rundfunk als demokratisches Medium:

Föderalismus, Toleranz, Abschied von

autokratischen Strukturen, Einfluß der Parteien

auf das Programm

Ost: Rundfunk hat agitatorische und politische

Aufgaben zu erfüllen; „Transmissionsriemen“

zwischen (Partei-)Politik und Bürgern. HF u. FS

haben auf die gesellschaftliche, kulturelle und

künstlerische Entwicklung aktiv einzuwirken und

sie widerzuspiegeln. Ziel: Menschen u.

Gesellschaft in ihrer revolutionären Entwicklung

darzustellen.

Page 211: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Rundfunk (=Hörf. u. FS)

nach 1945Einschnitt: 8. Mai 1945

Neuaufbau des Rundfunks nach unterschiedlichen Prioritäten

in den Besatzungszonen:

US: föderal und demokratisch, UK: zentral (BBC-Modell) und

demokratisch: gesellschaftlich relevante Gruppen

kontrollieren: Staatsferne

Westl. Zonen: Noch vor Gründung der Bundesrepublik

Gründung von Zonensendern:

Briten: NWDR Hamburg und Köln

Amerikaner: Radio Frankfurt/Hess. Rundfunk, Radio

Stuttgart/Südd. Rundfunk, Radio München/Bayerischer

Rundfunk, Radio Bremen

Franzosen: Südwestfunk Baden-Baden

Page 212: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Rundfunk (= Hörf. u. FS)

nach 1945

Sowjets: Einfluß der SMAD; „Gruppe Ulbricht“, u.a. Hans

Mahle (Entwicklung des Berliner Rundfunks): sucht

Widerstandskämpfer, „unbelastete Spezialisten“, aber auch

Spezialisten aus dem Kriegs- und Vorkriegsrundfunk

Kontinuität war nicht erwünscht, aber auch nicht völlig zu

vermeiden

Keine vergleichbare Kontinuität wie im Westen, aber NS-Know

How über Ernst Augustin, Ilse Obrig und Walter Bruch in

den Neuaufbau eingeflossen

Page 213: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Rundfunk (=Hörf. u. FS)

nach 1945Seit 1947: Wettlauf der unterschiedlichen Systeme im Kalten

Krieg

Westen: Kapitalismus, liberale Demokratie, Sozialstaat auf

zivilgesellschaftlicher Basis

Osten: Stalinistische Einparteien-Herrschaft, zentral verwaltete

Versorgungswirtschaft

In beiden Blöcken: Aktive Medienpolitik der Siegermächte,

dann auch der deutschen Institutionen

Hintergrund: unterschiedliche mediale Fortgeschrittenheit der

Mächte

Page 214: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Rundfunk (= Hörf. u. FS)

nach 1945

Programm:

Weitgehend Kontinuität im Musikprogramm

Große Differenzen im Wortprogramm

1948: Länder-Sender funktionieren

Im Osten und Westen: erste Säuberungen

1952: Im Osten: Umbau des Rundfunks

Page 215: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Rundfunk (=Hörf. u. FS)

nach 1945

Fernsehen:

Ab 1947 Vorarbeiten, dann 1952

Versuchssendungen (West und Ost: 4.6.1952)

21.12. 1952: Beginn offizielles Versuchsprogramm

DDR

2.1. 1956: Beginn DDR-Fernsehprogramm

25.12. 1952: Beginn Programm NWDR

Gründung ARD

Entwicklung „Tagesschau“ bzw. „Aktuelle Kamera“:

Standdias mit gelesenen Off-Texten

Page 216: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Fernsehstart Ost:

DFF 21.12.1952

Page 217: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Fernsehstart Ost:

DFF 21.12.1952

Page 218: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Fernsehstart West:

NWDR 25.12.1952

20 Uhr,

118 Min.

Page 219: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Struktur Fernsehzentrum Berlin, 1953

Page 220: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Einflüsse auf das DDR-FS-

Programm in den 80er Jahren

Page 221: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Verbreitung des Fernsehens BRD/ DDR

Page 222: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Film in/seit den 60er Jahren

Vorlesung

Steinmetz

Teil 7

Page 223: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

23.6. Film in/seit den 60er Jahren in BRD und DDR (VII).

1. Anton Kaes: Der Neue Deutsche Film. In: Nowell-Smith: Geschichtedes Internationalen Films. Stuttgart; Weimar: Metzler, 1998, S. 566-581.

2. Kultureller Kahlschlag in der DDR: 11. Plenum, „Kaninchenfilme”

(DEFA). Gersch in: Jacobsen/Kaes/Prinzler, S. 339-364.

7.7. Die Digitalisierung von Film und Kino. 1. WelcheVeränderungen der Ästhetik bringt die Digitalisierung des Filmsmit sich? Almuth Hoberg: Film und Computer: Wie digitale Bilder den

Spielfilm verändern. Frankfurt: Campus 1999, Kap. 3.2, S. 53-74. Lev

Manovich: The Language of New Media, Kap. 6: What is Cinema?Cambridge/ London: MIT 2001, pp. 287 – 292, 300 – 308, 322 – 333. 2.Ästhetische Konsequenzen und Folgen für Vertrieb und Abspieldurch die Digitalisierung des Kinos. Hundsdörfer, Beate/Inga von

Staden (2004): Die digitale Zukunft der Kinobranche. In: Peter C.

Slansky (Hrsg.): Digitaler Film - digitales Kino. Konstanz: UVK (= kav,Bd. 33), S. 225-250 und aktuelle www-Seiten.

Page 224: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Die 1960er Jahre:Nouvelle Vague

(Frankreich, GB, Polen, CSSR)

Junger Deutscher Film=Neuer (west-) Deutscher Film

Kahlschlag des Aufbruchsim Film der DDR

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Die 60er Jahre: Jahrzehnt desAufbruchs und des Generationswechsels

• politische Konflikte verschärfen sich (Bau

der Mauer, 13. August 1961)

• Generationswechsel von der Kriegs- zur

Nachkriegs-Generation

• politischer Aufbruch der Studenten-

Generation international

• Fernsehen als Neues Medium wird zum

Massenmedium und zur Konkurrenz des

Films

Page 226: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Gemeinsame Rahmenbedingungen der

Nouvelle Vague in Europa und USA

• Dominanz des Hollywoodfilms, neu sich etablierende

nationale Filmindustrien (dabei aber unterschiedliche

Bewertung des Hollywoodfilms)

• Nach dem 2. WK (teilweise außer D): Die alte Generation

der Produzenten, Regisseure, Kameramänner,

Schauspieler, Ausstatter macht weiter. Frankreich z.B.:

René Clair, Julien Duvivier, Jean Renoir, Marcel Carné,

Max Ophuls (Vorkrieg), Jacques Becker, Autant-Lara,

Christian-Jacques, Clouzot und René Clément

(Kriegsreg.); Kamera: Henri Alekan, Armand Thirard,

Christian Matras.

Page 227: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

GemeinsameRahmenbedingungen

• Dominant zunächst: Kostümfilme, Komödien, Policiers

(F), Heimatfilme (BRD); Antifaschismus; Wiederaufbau

und Heldentum; Neorealismus; Psychologischer

Realismus.

• Generationenablösung: zentrale Rolle der Filmkritik, v.a.

in F: Cahiers du Cinéma (seit 1951), aber auch West-D:

Filmkritik (Enno Patalas, seit 1956): „Papas Kino ist tot”

(1962)

• Nach 2. WK zunächst Aufblühen der Filmindustrien und

der Abspielstätten, unterschiedlich intensiv und

unterschiedlich lange in einzelnen Ländern

• Entstehen und schnelle Verbreitung des Fernsehens

(staatlich, öffentlich-rechtlich, privat-kommerziell), auch

unterschiedlich je nach Land.

Page 228: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

GemeinsameRahmenbedingungen

• Neue Filmtechnologien: leichtere Kameras (16

mm), empfindlichere Filmmaterialien und

Objektive, Direktton, leichte Tonausrüstungen:

Drehs an Originalschauplätzen, weniger Studio

und Dekor.

• Jugend = Unperfektion, Engagement, Ablehnung

von Klischees und leeren Formeln, Hüllen,

falschen Leidenschaften

• Blick über den Tellerrand = Internationalisierung

• Generation der zwischen 1930 und 1945

Geborenen, prägende Kindheitserfahrungen kurz

vor und im 2. WK

Page 229: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

GemeinsameRahmenbedingungen

• Meister-Schüler-Verhältnis (Orientierung), z.B. von F.

Truffaut an Jean Renoir, A. Kluge an Fritz Lang und

A. Tarkowski an S. Dovshenko und Michail Romm.

• Aufnahme des und Auseinandersetzung mit dem

Neorealistischen Film der 40er und frühen 50er.

• Ökonomische, aber v.a. künstlerische Stagnation der

nationalen (Kriegs- und Nachkriegs-)Filmindustrien

und Kritik eben daran.

• Absolventen von Filmhochschulen, zunächst aus

Osteuropa (Polen: Lodz ab 1956) (inkl. DDR, HFF ab

1953) und Frankreich (IDHEC, ab 1943), ab Ende der

60er auch aus Westdeutschland: HFF München, dffb.

Page 230: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

GemeinsameRahmenbedingungen

• Revival des Dokumentarfilms durch neue

Techniken: Tendenz zum Dokumentarischen und

damit zur außer- und vor-filmischen Wirklichkeit

auch in Spielfilmen.

• Breitenwirkung, d.h. große Zuschauerzahlen, nur

in Frankreich und Italien, sonst eher spezielles

Publikum in besonderen Abspielstätten, teilweise

nur mit staatlicher oder sonstiger Filmförderung

(Co-Prod. mit Fernsehen) ermöglicht und erhalten.

• Beginn in einzelnen Ländern unterschiedlich und

unterschiedliche Vorläufer.

Page 231: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Nouvelle Vague, Direct

Cinema, Cinéma Vérité

• Ab ca. 1958/59:

• Nouvelle Vague in F

• New Cinema in GB

• Direct Cinema (D.A. Pennebaker, R.

Leacock, Gebr. Maysles) in USA

• Cinéma Vérité (Jean Rouch/Edgar Morin:

Chronique d'un Été), ab 1960 in F

• Junger dt. Film (JdF/NdF) ab 1961 in BRD

Page 232: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

AUTORENFILM/NOUVELLE VAGUE

»Ich stelle mir den Film von morgen

noch persönlicher vor: als einen indi-

vidualistischen und autobiographi-

schen Roman, wie ein Bekenntnis oder

Tagebuch. Die Jungen Filmemacher

werden sich in der ersten Person aus-

drücken und schildern, was ihnen wi-

derfahren ist, das könnte die Ge-

schichte ihrer ersten oder neuesten

Liebe sein, ihr politisches Erwachen,

Page 233: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

ein Reisebericht, eine

Krankheit, ihr Militärdienst,

ihre Hochzeit, ihre letzten

Ferien, und es müßte fast

notgedrungen ankommen,

weil es wahr und neu wäre

... Der Film von morgen wird

ein Akt der Liebe sein.«

Francois Truffaut, 1957

Page 234: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Jean-Luc Godard, 1967 :

»Ich schreibe meine Drehbücher nicht,

ich improvisiere bei den Dreharbeiten.

Diese Improvisation kann aber nur die

Frucht einer vorausgegangenen inne-

ren Arbeit sein, und sie setzt Konzent-

ration voraus. In der Tat mache ich

nicht nur Filme, wenn ich drehe, ich

mache meine Filme, wenn ich träume,

wenn ich esse, wenn ich lese, wenn

ich mit Ihnen spreche.«

Page 235: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

»Fünfzig Jahre nach der

Oktoberrevolution herrscht

das amerikanische Kino über

das Kino der Welt. Diesem

Sachverhalt ist nichts mehr

hinzuzufügen.«

Jean-Luc Godard, 1967

Page 236: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

AUTORENFILM/

NOUVELLE VAGUE

»Eines Tages kam Jacques Rivette die

phantastische Idee, die ArtistesAssociées zu gründen. Ein durchschnitt-

licher französischer Film kostete 100

Millionen (alte Francs); wir fühlten uns

in der Lage, Filme für ein Fünftel dieses

Betrages zu drehen und wollten zu

Produzenten gehen und ihnen vorschla-

gen, die fünf Filme zu finanzieren.

Page 237: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

AUTORENFILM/ NOUVELLE VAGUE

Alain Résnais, der von der Idee sehr

eingenommen war, sollte den ersten

drehen, Jacques Rivette sollte sein

Assistent sein. Alexandre Astruc sollte

den zweiten drehen, mit mir als

Assistenten, Rivette den Dritten, ich

den vierten usw. ...“

Page 238: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

„Unser Irrtum war, daß wir

glaubten, die Produzenten

hätten irgend ein Interesse

daran, billige Filme zu

drehen, während sie doch

in Wirklichkeit meist nur

Mittelsmänner zwischen

den Banken und den

Verleihern sind,

Page 239: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

und ihre Gewinnspanne

proportional zu den Kosten

des Films wächst. Also

wurden wir auch hier

freundlich und belustigt

empfangen, aber das ist

noch nicht das letzte Wort,

sie hören noch von uns.«

Francois Truffaut, 1961

Page 240: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Jean-Luc Godard:

»Die Autorentheorie? Das war eine große

Dummheit, die wir da gemacht haben ...

Dabei hatte ich geglaubt, daß wir davon

profitieren würden. Wir von den Cahiersnämlich, Truffaut, Rivette, Godard, Chab-

rol, die drei oder vier, die das damals

waren, wir haben gesagt: Nicht auf den

Produzenten kommt es an, sondern auf

den Autor. Wir haben versucht, ihm

wieder, wie soll ich sagen, den Adelsbrief

zurückzugeben... Gut, uns ging es

darum, uns

Page 241: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

einen Platz zu erobern, das System,

so wie es war, anzugreifen, das

Recht zu bekommen, mit anderen

Tischmanieren am Tisch Platz zu

nehmen. Und zu sagen: Auf den

Autor kommt es an ... Heute heißt

es: ‚Hitchcock presents‘. Das war

nicht immer so. Früher stand da:

‚Warner Brothers oder Soundso

presents‘ ... Wir haben den Namen

des Autors unten weggenommen

und nach oben gerückt. Wir haben

gesagt:

Page 242: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Er ist es, der den Film gemacht

hat. Das sollte auch heißen: So

muß man Filme machen, und

wenn man Filme so machen

muß, und wir sagen, daß es so

sein muß, dann müssen wir sie

auch machen.«

Jean-Luc Godard, 1980

Page 243: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Jean-Luc Godard: À Bout deSouffle [Außer Atem] (F 1960):

Aufbau• Film spielt an vier Tagen in chronologischer Abfolge

• ohne Rückblenden vom Mittag des ersten Tages bis zum Morgen des

vierten Tages.

• Trotz der experimentellen Form der Montage hat der Film einen

klassischen dramaturgischen Aufbau

• Erzählte Zeit: 1. Tag: Sequenz l und II: 5'14, 2. Tag: Sequenz III bis V:

21 '59,

3. Tag: Sequenz VI bis XI: 52'54, 4. Tag: Sequenz XII: 9'06".

I. Exposition (Sequenz l - II): Der Gauner Michel Poiccard alias Laszlo

Kovacs stiehlt ein amerikanisches Auto in Marseille und fährt nach

Paris, wo er die amerikanische Journalistikstudentin Patricia

wiedersehen möchte. Als er wegen Geschwindigkeitsübertretung von

der Polizei verfolgt wird, erschießt er einen Polizisten.

Page 244: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

À Bout de Souffle : AufbauII. Entwicklung des Konflikts (Seq. III - V): Nächster Morgen:

Michel kommt in Paris an und versucht vergeblich, Geld

aufzutreiben. Er findet Patricia auf den Champs-Elysées, wo

sie die New York Herald Tribune verkauft. Michel gesteht ihr

seine Liebe und möchte mit ihr nach Rom fahren. Michel

erfährt, daß er bereits gesucht wird.

III.Zuspitzung des Konflikts (Seq. VI - IX): Nach einem

Rendezvous mit dem Journalisten Van Doude wird Patricia am

nächsten Morgen in ihrem Hotelzimmer von Michel erwartet. In

einem langen Gespräch versuchen sie, ihre Beziehung zu

klären. Nach einem weiteren Autodiebstahl wird er von einem

Passanten identifiziert. Während Patricia eine Pressekonferenz

besucht, verschlechtern sich Michels Chancen auf eine

gelingende Flucht, denn die Polizei ist ihm immer näher auf

den Fersen, und seine Komplizen lassen ihn im Stich.

Page 245: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

À Bout de Souffle: AufbauIV. Steigerung der Spannung/ Retardierendes

Moment (Seq. X - XI): Das Paar flüchtet

gemeinsam vor der Polizei in ein Kino und

kommt schließlich für die Nacht in der

Wohnung einer Bekannten unter, nachdem er

seinen Freund Berruti endlich gefunden hat.

V. Konfliktlösung/ Katastrophe (Seq. XII):

Am nächsten Morgen wird Michel nach einem

Hinweis Patricias von der Polizei auf der

Straße gestellt und erschossen.

Page 246: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Junger/Neuer dt. Film (BRD)

Alexander Kluge, Edgar Reitz, Volker

Schlöndorff, Ulrich und Peter

Schamoni, Vlado Kristl, Herbert

Vesely...

Page 247: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Was der Junge/Neue Deutsche Film wollte

Die Oberhausener Gruppe hatte ein dreifaches

Programm. Es gab zunächst das

Oberhausener Manifest vom 28. Februar

1962, das ja nur eine allgemeine Erklärung

enthält. Es entstand aus einer Stimmung

heraus, am Vorabend.

Anschließend setzte man sich zusammen und

fragte:

Page 248: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

„Was ist denn nun unser Programm?“ Es wurden drei

Kernpunkte entwickelt.

• „Der erste Punkt hieß Nachwuchsbildung,

die Einrichtung von Bildungsstätten, von

Filmakademien oder Instituten. Das war

mit dem Gedanken verbunden, daß man ein

theoretisches Zentrum für den Film

braucht.

• Der zweite Punkt betraf die Förderung von

Erstlingsfilmen. Daraus ist das “Kuratorium

Junger Deutscher Film” entstanden.

Page 249: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

• Und der dritte Punkt, das war

eine klare und dauerhafte

Förderung des Kurzfilms als dem

ständigen Experimentierfeld des

Films überhaupt.“

Alexander Kluge

Page 250: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Charakteristika Junger (Neuer) deutscher Film

• Bruch mit Hollywood-Erzählkonventionen: Montage,

Mischung Spielfilm/Dokumentarfilm, Kamera,

außerfilmische Wirklichkeit, Offene Formen,

Laiendarsteller

• Authentizität statt Illusionskino

• Autorenkino/künstler. Hand, Ablehnung Produzenten:

Anti-industriell, “anti-kapitalistisch”, Zuschauerzahlen

“unwichtig”

• Junge Themen, junge Hauptfiguren; unterschlagene

Themen

• Eigentätigkeit des Zuschauers: idealistisches Bild

eines aufgeklärten Zuschauers liegt zugrunde

• Vertrauen auf “Staatsknete”: Filmförderung (FS)

• (Nur) zeitweise: Gemeinsamkeit

Page 251: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

11. Plenum des ZK der SEDDezember 1965: Kultureller Kahlschlag

Entscheidung zwischen Fortschritt und

Dogmatismus:

„Formalismus“, „Skeptizismus“, „verzerrtes Bild

es Sozialismus“

Kurt Maetzig: Das Kaninchen bin ich

Günter Stahnke: Der Frühling braucht Zeit

Frank Vogel: Denk bloß nicht, ich heule

Egon Günther: Wenn du groß bist, lieber Adam

Frank Beyer: Die Spur der Steine

Jürgen Böttcher: Jahrgang 45

Page 252: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung der Filmproduktion

Produktion: Elektronik statt Mechanik,

Videoband, DVD bzw. Festplatte statt

35 mm-Film

Post-Produktion: Schnitt/Montage, Visual

Effects (VfX)

Beschleunigung der Produktion

Virtualisierung der Produktionsprozesse

Rückkehr zur Non-Linearität

Page 253: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Schnitt/Montage

Schneller Zugriff auf das Material

Änderungen beliebig: Auswahl und (Re-) Kombination

non-linear

Gr. Kinofilme: Schnitt des 35mm-Materials nahc der

elektronischen Schnitt-Fassung

Nicht das Resultat gespeichert, sondern die Liste der

Schnitt-Entscheidungen (Batch List)

Chance: kongeniale Repräsentation v. Träumen,

Denken

Probleme: Mangelnde gedankl. Durchdringung

Hoher Materialverbrauch: Unübersichtlichkeit

Hohe Schnittfrequenz, Spielen mit Effekten

Page 254: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

„Neue Medien“:DigitalisierungInteraktivität

VirtualitätPartizipation

Vorlesung

Steinmetz

Teil 8

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2. Ästhetische Konsequenzen und Folgen für Vertrieb und Abspiel durch dieDigitalisierung des Kinos. Hundsdörfer, Beate/Inga von Staden (2004): Die

digitale Zukunft der Kinobranche. In: Peter C. Slansky (Hrsg.): Digitaler Film -

digitales Kino. Konstanz: UVK (= kav, Bd. 33), S. 225-250 und aktuelle www-Seiten.

14.07. Medien-Modernisierung I: Neue Medien/Multimedia/Online. Was istneu an den „neuen Medien“? Vernetzung, Öffentlichkeit und Privatheit,Trend zur Privatisierung, Globaler Wettbewerb. 1. Lev Manovich: The Language

of New Media, Kap. 1: What Is New Media? Cambridge/London: MIT 2001, pp.18-

61. 2. Politische Beteiligung. Sara Bentivegna: Politics and New Media. In:

Lievrouw/Lingstone (Eds.): The Handbook of New Media, London etc.: Sage, 2002,

pp.54 – 56. 3. Neue Gemeinschaften. Laura Stein&New Global Media and

Community Policy: the Role of the State in the Twenty-First Century, pp. 410-431.

In: Lievrouw/Lingstone (Eds.): The Handbook of New Media, London etc.: Sage,

2002, pp. 54 – 56.

21.07. Medien-Modernisierung II: Neueste Entwicklungen: Weblogs,VideoBlogs, Podcasting, Vodcasting, Web 2.0 : Rüdiger Steinmetz: Vom Lesen

übers Broadcasten zum Podcasten und mobilen Fernsehen. In: Thomas Keiderling

(Hrsg.): Buch – Markt –Theorie. Kommunikations- und medienwissenschaftliche

Perspektiven. Erlangen: Filos.

Page 256: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Flash Animation Digitales Kino

/WS 06_07/Medienwiss. Vorlesung/Flash

Anima DigiKino

Page 257: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung des Kinos :

Übergangszeit/Veränderungen

• Übergang vom photochemisch-mechanischen Zeitalter

zum voll-digitalen Zeitalter in allen Teilen der filmischen

Produktions-, Distributions- und Verwertungskette

• Europäisches Pilotprojekt „European DocuZone “: In D

nahmen 35 Kinos daran teil.

• Veränderungen der Programmierungs- und

Distributionsabläufe

• Veränderung der Werbetrailer-Pakete

• Veränderung von Berufs-Profilen

• Veränderung der Rolle des Kinos (auch Live-Events)

Page 258: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung des Kinos :Auflösung

• Digitaler Kino-Beamer: 4k 4096x2160

Pixel = 8,8 Megapixel in der Fotografie, die

24 mal/ sec. projiziert werden

• 2k wg. Kosten alternativ: 2048x1080 = 2,2 MP

• 5k: CineVision 2006 mit fünf Projektoren

• 8k in d. Entwicklung beim Fraunhofer Institut

5000x1480 Pixel = 7,4 MPixel

Page 259: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung:Kino Auflösung

• HDTV: 1920x1080 Pixel = 2 Mpixel

• Normaler Beamer: 1024x768 Pixel = 0,8

MPixel

• PAL-FS: 720x576 Pixel = 0,4 MPixel

• Spielfilm/90 min.: 200 GB (alt. Angabe: 45

GB)

Page 260: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

AuflösungVergleich

8mm-Film ~320 Linien entsprechen NTSC

Super 8-Film ~420 Linien entsprechen S-VHS

16mm-Film ~1200 Linien entsprechen HDTV

35mm-Film ~2400 Linien

Page 261: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung des Kinos :Systeme/Standards

• Digital Cinemas Initiative (DCI) legt Juli 2005

• technische Standards fest, aber auch

• Sicherheitsstandards: Kryptographie, Zertifizierung,

Schlüsselmanagement, Wasserzeichen, digitale Rechte

• Dechiffrierung in einer von DCI zertifizierten

geschlossenen Dechiffrierbox, die nur mit zertifizierten

Projektoren kommuniziert

• Mitglieder DCI: Disney, Fox, MGM, Paramount, Sony

Pictures, Universal, Warner Bros.

• Derzeit ca. 5000 Leinwände weltweit digitalisiert; in D

ca. 200

Page 262: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung des Kinos :in D beteiligte Firmen/Institutionen

• Fraunhofer-Institut (MP3-Erfinder)

• ARRI

• Kinoton (Filmprojektor-Hersteller)

• Telekom/T-Systems

• SES Astra

• FFA

Das heißt: Forschung, Systementwicklung, Filmförderung, IT-Branche, (klassische) Kino-Ausstatter, Film-Produzenten, Kinobetreiber, Kinoketten sind beteiligt.

Page 263: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitales Kino in DeutschlandStand 2005 Quelle: FFA Nov. 2006

• 107 digitale Leinwände = 3% aller 3419 LW

• davon 62% mit der günstigeren DLP-Technik

• davon 38% mit der helleren LCD-Projektionstechnik

• 11 % der Kinos wollen in naher Zukunft umrüsten

• 14 % machen Umrüstung von verschiedenen Kriterien

abhängig

• D.h.: nicht mal ein Drittel hat schon umgerüstet oder

erwägt bisher die Umrüstung. Den meisten

Kinobetreibern ist die Umrüstung zu teuer.

Page 264: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

(Quelle: FFA Nov. 2006)

Page 265: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitales Kino : Beteiligungen/

Internationale Aspekte

CNE (CinemaNet Europe, EDZ/European DocuZone): Initiative

verschiedener europäischer Länder.

Ziel: auch in kleineren Kinos Dokumentar- und Arthouse-Filme

digital zu zeigen.

Modell: Auf 2K-Projektoren wöchentlich zeitgleiche pan-

europäische Übermittlung eines Films.

Devise: „Delikatessen statt Fastfood“.

D: „Delicatessen“, F: „Novociné", P: „7th Kult“ SP: „Parallel 40".

Page 266: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitales Kino : Beteiligungen/

Internationale Aspekte

Indien: „Bollywood“

Basis: circa 1.000 Filme pro Jahr.

Digitaler Standard weit entfernt von den

DCI-Spezifikationen.

Deutlich niedrigere Qualität, aber:

Kino auf dem Lande umrüsten.

Page 267: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Internationale Aspekte

Österreich: Start mit „Harry Potter und

der Feuerkelch“.

Nach der Umrüstung verschiedener

Cineplexx-Kinos auf 2K-Norm.

Technischer „Rollout“ steht kurz bevor.

Page 268: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Internationale Aspekte

China: Investitionen seit 2002.

Über 200 digitale Kinos unter

chinesischen Standards.

Bis 2007 sollen es bereits mehr als 500

sein.

Seit Juni 2006 erster digitaler Server auf

DCI- Standard.

Weltmarkt soll für China geöffnet

werden.

Page 269: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Internationale AspekteIrland: Ziel, als erstes Land in Europa alle

Kinos digitalisiert zu haben.

"Digital Cinema Limited" (DCL),

Tochtergesellschaft der US-amerikanischen

"Avica Europe", hat sich für Irland

entschieden, weil das Land nur eine

mittelgroße Anzahl an Kinos besitzt und die

Iren sehr häufig ins Kino gehen.

Ca. 500 Leinwände mit einem Kostenaufwand

von rund 40 Mio. Euro mit digitaler Technik

ausgestattet.

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Digitalisierung des Kinos :

Verteilnetz(e)

• T-Systems über ASTRA: Übertragen,

Speichern, Verwalten der Filme

• Verteilplattform: SES ASTRA

• Synchrone Übertragung

• Server: „Vorführer“ stellt Werbung, Trailer

und Film am Rechner zusammen

• Kabelnetze

• Transport von Festplatten

Page 271: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung des Kinos :

DCDM

• DCDM = Digital Cinema Distribution

Master

• ein Codestream nach dem JPEG-2000-

Standard

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Page 274: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung des Kinos :

Vorteile• Kein Verschleiß der Kopien, konstante

Vorführ-Qualität

• Störungsfreiheit (?)

• Zeitgleicher Einsatz neuer Filme, auch im

kleinsten Kino und im entlegensten Winkel

• Realtime-Kino

• Billigerer Vertrieb: spart Transportwege (Zeit)

und -kosten

• Weniger Roh-Auflösung, aber potentiell

bessere Bilder

Page 275: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Vorteile

• Neue Arbeitsplätze: Soft-/Hardware-

Entwickler und -Hersteller,

Systemintegratoren (Zusammenführen bisher

getrennter Dienstleistungszweige),

Systemadministratoren in den Kinos und bei

den Produzenten/Verleihern

• Mitarbeit in zwischengeschalteten Betrieben

der digitalen „Wertschöpfungskette“

Page 276: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitalisierung des Kinos :

Probleme• Piraterie: Diebstahl des Films, der Filmrechte, der

Aufführungsrechte

• Verlust des 35mm-Film-“Looks“

• Hohe Anlaufkosten für (kleine) Kinobetreiber

• Wegfall ganzer Zweige: Verleih/Vertrieb: Neu-

Positionierung nötig

• Schwenks/Zooms bringen bei 24 Bildern/ sec.

Shutter-Effekte

• Zunächst Einführung der 2k-Generation

• 4 k etc. (5-10 Jahre) erfordert wieder neue

Investitionen

Page 277: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Probleme• Digitale Kameras heute noch nicht besser

(Auflösung) als 35mm-Kameras

• Wettlauf mit Heimkino: immer höhere Auflö-

sung und besserer Ton: HD DVD und Blue Ray

DVD

• Arbeitsplätze bedroht von: Mitarbeitern bei

Filmherstellern, in Filmlaboren, Kopierwerken,

Filmlagern, bei Filmkurieren; im Management

bei Verleihern, im Kino bei den Vorführern, bei

den klassischen Kino-Ausrüstern

• Aus-/Weiterbildung für neue Arbeitsplatz-

Profile nötig

Page 278: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Probleme

• Standard für Kompression und Verteilung trotz DCI

international noch nicht völlig klar

• Hohe Einführungskosten :

• 50 - 100.000 Eur. pro Projektor

• Internationaler Einführungs-Druck durch Hollywood

Majors

Page 279: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitales Kino:

neue Berufs-Profile erfordern

• ... Fähigkeiten im Umgang mit rechnergesteuerter

Hardware (Kameras, Projektoren, Server)

• ... Software-Kenntnisse

• ... Umgang mit Datenbank-gestützten

Management-Systemen

• ... Arbeiten in Netzwerken

• .... Digital Rights Management

• .... Cross-mediales Marketing

• .... Event-Marketing bei Kinos: Zielgruppenanalyse

• .... Programmeinkauf, -zusammenstellung

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Rückblick aus dem Jahr2015: Prognose Internet

/SS 07/HD

Digital/epic2015_de.swf

Page 281: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Was ist neu an den „Neuen Medien“ ?

• Alle existierenden Medien werden in numerische

Daten transferiert (übersetzt) und dadurch erst

zugänglich für den/mit dem Computer.

• Graphische Darstellungen, statische und bewegte

Bilder, Töne, Formen, Räume, Texte werden in mit

dem Computer berechenbare Datensätze überführt.

• Verknüpfung von digitalen (0, 1), immer schneller

werdenden Rechenoperationen, immer weiter

wachsenden Speichern und drahtloser

Datenübermittlung.

Page 282: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Was ist neu an den „Neuen Medien“ ?

• Zentral (statt dezentral, medienspezifisch;

z.B. „Farben in dem Raume“, „Töne in der

Zeit“/Gotthold Ephraim Lessing):

• Computer a) als Produktionsmaschine und

b) als Bediengerät

• Veränderung der Daten führt zur

Manipulation der analogen

Repräsentationen

Page 283: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Einordnung des Computersin den Kontext

traditioneller MedienInterfaces - Schnittstellen - Dispositive

(nach Lev Manovich) :

1. Die gedruckte Welt

2. Film/Kino

3. HCI = Human-Computer Interface = Mensch-

Computer-Schnittstelle

Page 284: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

HCI =

Human-Computer Interface

HCI ist die Art und Weise, in der der Nutzer mit dem Computer

interagiert.

HCI umfaßt außerdem Ein- und Ausgabegeräte sowie

grundlegende Metaphern, nach denen Daten auf dem

Computer konzeptionalisiert und organisiert werden (Dateien,

Ordner).

HCI ist ein allgemeines Zweck-Instrument, das benutzt werden

kann, um jede Art von Daten zu bearbeiten/zu manipulieren.

HCI ist ein System aus Bedienungselementen, mit Hilfe derer

eine Maschine (Computer) bedient werden kann.

HCI wendet Sprachen an, die hierarchisch organisierte Objekte,

Datenbanken und Hypermedien verstehen und miteinander

verbinden.

Page 285: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

HCI =

Human - Computer Interface

• HCI verbindet die Seins-, die Erkenntnis- und die

Handlungsebene (= Ontologie, Epistemologie und

Pragmatik) von Computer und Mensch

miteinander.

• Am HCI finden die Vermittlung, der Übergang statt

zwischen (Medien-) Kultur und Computer

(-Medien). Beide beeinflussen einander.

• Computing ist mehr als ein Handwerkszeug, ein

Instrument; es ist ein vorherrschendes Prinzip des

Alltagshandelns: Computer-Kultur, in der

menschliche und Computer-Belange aufeinander

einwirken.

Page 286: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Prinzipien der„Neuen Medien“

1. Numerische Repräsentation

2. Modularität

3. Automation

4. Variabilität

5. Transcodierung

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Prinzipien der „Neuen Medien“:1. Numerische Repräsentation

• Analoge (kontinuierliche) Daten (z.B. zeitl.

Abfolgen, Hell-Dunkel-Abstufungen, Lautstärke-

Änderungen) werden in diskrete Daten überführt

(„Sampling“).

• Zwei Folgerungen aus dem digitalen Code:

– Ein Neue-Medien-Objekt kann mathematisch formal

beschrieben und bestimmt werden.

– Es ist algorhythmischer Manipulation unterworfen

(„programmierbar“).

• Die diskreten mathematischen, digitalen Daten

machen die Neuen Medien personalisierbar - bei

gleichzeitiger massenhafter Standardisierung (z.B.

Betriebs-Software, Hardware).

Page 288: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Prinzipien der „Neuen Medien“:2. Modularität

• Fraktale Struktur der Neuen Medien heißt: Ein Teil

hat die gleiche Struktur wie das Ganze.

• Teile (Module) können verändert werden und passen

dennoch immer ins Ganze.

• Die Teile (Module) sind unabhängig von einander:

von der Macro-Ebene der digitalen Repräsentatio-

nen (ein digitaler Film, ein Internet-Portal etc. bis

herunter auf die Micro-Ebene der digitalen „Atome“.

• Das WWW ist ebenso modular.

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Prinzipien der „Neuen Medien“:3. Automatisierung

• Die menschliche Intentionalität als generierender Faktor

in und aufrecht erhaltender Faktor von Abläufen kann in

kommunikativen, kreativen Prozessen zumindest

teilweise automatisiert, also durch Software-gesteuerte

Prozesse ersetzt werden. Z.B. in Computerspielen.

• Low-level (Serienbriefe mit Word versenden) und High-

level der Automatisierung, z.B. autom. Abspeicherung

kompletter Tages-Radioprogramme, Überführung von

Sendungen/ Teilen in Streams, Downloads und

Podcasts incl. Tagging; Finden von Daten in der

riesigen Daten-Welt (Suchmaschinen, EPG).

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Prinzipien : 4. Variabilität• Ein Neue-Medien-Objekt ist nicht ein für allemal fixiert, sondern es

kann in unendlich vielen Versionen existieren (z.B. als ppt-, als Word-

Dokument unterschiedlichen Umfangs und unterschiedlicher

Generationen.)

• Synonyme: variabel, austauschbar, flüssig.

• Variabilität führt zur Optimierung von Produktionsprozessen (z.B.

„Just in time-Produktion“).

• Variabilität kann zum Diebstahl geistigen Eigentums führen

(Hausarbeiten.de; wikipedia.de).

• Ein Neue-Medien-Objekt kann von einem Augenblick auf den

anderen nicht mehr existieren: z.B. Webseite, Bekenner-Brief, ein

eigenes Programm, eine Datei; eine Hausarbeit, eine Magisterarbeit

„verflüssigt“ sich.

Page 291: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

4. Variabilität:einige Prinzipien

1. Medien-Elemente werden in Datenbanken gespei-

chert und für Endbenutzer in verschiedenster

Form aufbereitet/zugänglich gemacht. Dies ist als

solches (im Ggs. zu Manovichs Annahme, S. 37)

nicht neu, denn Archive/Bibliotheken als große

Wissens-, Daten- und Kommunikationsspeicher

existieren schon seit fast 4000 Jahren. Aber: Die

Variabilität des Zugangs ist tatsächlich neu.

2. Inhalte (Daten) und Schnittstellen (Interfaces) zu

anderen Datenspeichern und zu Nutzern sind

getrennt; für dieselben Inhalten können

verschiedene Schnittstellen generiert werden.

Page 292: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

4. Variabilität:einige Prinzipien

3. Informationen über einen Nutzer können von einem

Programm benutzt werden, um dessen spezielles

Medien-Menü zusammenzustellen und ihm aufgrund

seines Kommunikationsverhaltens spezielle Angebote

zu machen. Z. B. Amazon.de: „Kunden, die (wie Sie)

Produkt A und bestellt haben, haben auch Produkt B

und C bestellt.“ Oder: Hardware-, Browser-

Konfiguration und Modem-Bandbreite werden als

Informationen verwendet, um Kunden-spezifische

Inhalte zu generieren.

Page 293: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

4. Variabilität:einige Prinzipien

4. Baumstruktur-Interaktivität

5. Hypermedialität: Mediale Elemente (z.B. Texte,

Bilder, Filme, Podcasts...) und Struktur sind

unabhängig von einander und nicht hart und

unauflöslich miteinander verknüpft wie in

traditionellen Medien (z.B. Abbildungen in einem

Koch- oder Filmstar-Buch). Hypertext ist ein

Spezialfall von Hypermedien: nur Text.

6. Periodische Aktualisierungen („Updates“), z.B. von

Betriebssystemen wie Windows und Tiger (OsX),

Virenscannern, anderer Software.

Page 294: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

4. Variabilität:einige Prinzipien

7. Skalierbarkeit: dasselbe Objekt in

verschiedenen Größen; derselbe

QuickTime-Film in verschiedenen

Auflösungen für verschiedene Modems;

GPS-Routing-Software für Fußgänger,

Radfahrer und Autofahrer.

Page 295: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

4. Variabilität undGesellschaft

• Medien und sozialer Wandel: „Wenn die Logik der

alten Medien mit der Logik der industriellen

Massengesellschaft korreliert, so paßt die Logik

der Neuen Medien zur Logik der postindustriellen

Gesellschaft, die Individualität höher wertet als

Konformität.“ (Manovich, S. 41)

• „In einer postindustriellen Gesellschaft kann jeder

Bürger seinen persönlichen Lebensstil

konstruieren und seine Ideologie aus einer großen,

aber nicht unendlichen Zahl an Möglichkeiten

‚auswählen‘.“ (Manovich, S. 42)

Page 296: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

4. Variabilität:einige Prinzipien

• „Jeder Computer (...) ersetzt jede Konstante

durch eine Variable.“ (Marcos Novak 1999,

zit. n. Manovich, S. 43)

• Brauchen bzw. wollen wir diese Freiheit, die

durch die digitale Variabilität in den Alltag

Eingang gefunden hat?

• Diese Freiheit eröffnet eine Welt voller

persönlich gestaltbarer Möglichkeiten, aber

sie macht auch Angst.

• Diese Freiheit erfordert bei ihrer Nutzung

moralische Verantwortung.

Page 297: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Prinzipien der „NeuenMedien“: 5. Transcodieren

Am HCI, an der Mensch-Computer-Schnittstelle,

werden traditionelle (kulturelle, mediale) Logiken in

eine Computer-Logik transcodiert.

Und umgekehrt werden Computer-Logiken in

traditionelle (kulturelle und mediale) Logiken

transcodiert.

Computer-Logiken dringen in alle Bereiche der

(Medien-)Kultur ein.

Transcodieren heißt: von einem Code in einen anderen, von einem Format in ein

anderes zu übersetzen.

Page 298: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Prinzipien der „NeuenMedien“: 5. Transcodieren

• Auf „Computing“ basierende Neue Medien sehen aus

wie Medien, aber in ihrer Tiefenstruktur sind sie nichts

anderes als Rechenmaschinen mit geringeren oder

größeren Rechenpotentialen.

• Dies ergibt sich aus der Fähigkeit, Daten aus einer in

eine andere Sprache zu transcodieren.

• Beispiel: Sample-Datenbank mit jedem Ton eines jeden

Instruments der Wiener Symphoniker, mit der ein

Orchester simuliert werden kann.

Page 299: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Interaktion ist der Austausch von

Kommunikationsakten zwischen zwei oder

mehr Kommunikationspartnern:

kommunikatives Handeln. Folglich: Interaktivität...

• ... ist der Vorgang und die Art und Weise der Aneignung

eines Inhalts durch einen Nutzer.

• ... kann verschiedene Aktivitätsgrade einnehmen: von passiv

bis aktiv.

• ... bestimmt den Inhalt, den ein Nutzer letztlich wahrnimmt:

Konstruktion des Inhalts durch Interaktivität.

• ... ist in Bezug auf den Computer letztlich eine redundante

Eigenschafts-Zuschreibung: Interaktivität ist das Grundprinzip

des „Computing“.

Page 300: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Interaktivität• In einem weiteren Sinne sind interaktive Computer-

Medien Teile des generellen kulturellen Prozesses mit

Trends hin zum

– Ver-Öffentlichen des Privaten,

– Teilen des Einzigartigen, Einzelnen, Persönlichen mit

anderen Menschen,

– Externalisieren und (damit) Objektivieren von

individuellen Bewußtseins-Operationen.

Interaktivität als grundlegendes Prinzip des

„Computing“ kann verstanden werden als Übertragung

des individuellen, internen mentalen Prozesses

assoziativen Denkens auf eine Menge an Computer-

Nutzern, die mehr oder minder gleichzeitig assoziativ

„denken“.

– Dabei ist man gezwungen, sich in die individuelle

Struktur eines anderen Computer-Nutzers

hineinzudenken.

Page 301: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Eigenschaften des Internet

• 1. Virtuality - Virtualität

• 2. Spatiality - Räumlichkeit

• 3. Disembedding - Entwurzelung

• 4. Disembodiment - Körperlosigkeit

NACH: Slater, Don: „Social Relationships and Identity Online and Offline“. In:

Lievrouw,L./Livingstone,S.: The Handbook of New Media. London etc. 2002.

Page 302: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Die strikte Unterscheidung„Online“ - „Offline“ ...

... ist nach Don Slater veraltet, denn...

• das Internet ist keine blosse Simulation, sondern

ein gleichwertiger sozialer Raum;

• die „unerschöpfliche“ Reichweite des Internet wird

aufgeweicht durch Begriffe wie „Raum“ und „Site“;

• soziale Distanz wird verringert durch gemeinsame

Sprache, Ziele und Regeln;

• neue Medien werden immer mehr zum

selbstverständlichen Bestandteil des „echten“

Alltags (z.B. E-commerce).

Slater, Don: „Social Relationships and Identity Online and Offline“. In: Lievrouw,L./Livingstone,S.:

The Handbook of New Media. London/Thousand Oaks/New Delhi 2002, S. 533 ff.

Page 303: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Politische Partizipationvia Internet?

• Demokratische Potenziale des Internet und

deren Grenzen

• Politik(er) im Netz – Elektronische

Demokratie?

• Politische Partizipation und elektronischer,

ziviler Ungehorsam

Page 304: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Was ist politische Partizipation?

• Partizipation = Beteiligung i.S. von Teilnahme,

Teilhabe am politischen Entscheidungsprozeß

(Demokratie, Grundgesetz)

(1) instrumentelles Verständnis von Partizipation:

– Formen der polit. Beteiligung, die Bürger

unternehmen, um polit. Entscheidungen direkt oder

indirekt zu ihren Gunsten zu beeinflussen

(konfliktorientiert; Interessendurchsetzung)

(2) normatives Verständnis von Partizipation:

– P. ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Wert

und Ziel an sich (konsensorientiert; breite polit.-

soziale Teilhabe)

Page 305: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

• Formen klassischer politischer Partizipation:

– Wahl, Parteiaktivität, Referendum, Streik,

Bürgerinitiative, Bürgerbeirat

• Aber: Ergebnisse der Partizipationsforschung zeigen:

– polit. P. wird meist auf die staatsbürgerliche Pflicht zu

wählen reduziert;

– Beteiligung vorwiegend reaktiv und defensiv (lediglich

instrumenteller Akt);

– P. ist abhängig vom jeweiligen sozial-ökonomischen

Status, d.h. ungleiche Partizipations-Chancen;

– Rückgang konventioneller P.; Verstärkung

unkonventioneller, direkt-demokratischer Formen.

Was ist politische Partizipation?

Page 306: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Demokratische Potenziale desInternet und deren Grenzen

Page 307: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Demokratische Potenziale

• Prophezeiungen besagen:

– Per se demokratischer Charakter des

Internet: automatisch finden eine

Transformation alter Beziehungen und das

Aufbrechen verkrusteter Machtstrukturen

statt.

– Partizipatorische Demokratie (athen. Ideal)

– Revitalisierung der Politik

– „Kontrollrevolution“

Page 308: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

(1) Elektronische Demokratie –

Netzöffentlichkeit und bürgernahe Politik

• verstärkte Teilnahme der Öffentlichkeit am

demokratischen Prozess – „Net Empowerment“

• direkte Kommunikation zwischen Bürger und

Regierung

• plebiszitäre Demokratie

(2) Virtuelles Regieren –

Cyberspace als demokratischer Marktplatz

• Kommunikation zwischen Bürgern

• Entstehung engagierter Bürgergemeinschaften

• Problemlösung v.a. auf lokaler Ebene

• direkte Demokratie/ Basisdemokratie

Page 309: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Demokratische Potenziale• Interaktivität:

– Bürger = Sender und Empfänger (= Beteiligter)

– Kontrolle und Druck : aktivere Position für Bürger

– direkter Kontakt zu Regierung möglich : mehr Bürgernähe

– Abbau der Politikverdrossenheit

• Vertikale und horizontale Kommunikation

• „Disintermediation“

– „Erzähler“, Multiplikator, Übersetzer (Journalist) wird

weniger wichtig

– neues Material online verfügbar - direkte Information

• geringe Kosten für Internetpräsenz: Sichtbarkeit des

Einzelnen

• Geschwindigkeit der Kommunikation

• geographische Unabhängigkeit, Globalität

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Die Grenzen des Internet

Neue Medien im Kontext der Gesellschaft:

• Digital Divide: stark ungleiche Zugangschancen

• Paradox: positive Potenziale können ins Negative

umschlagen :

Informations-Überfluss,

Qualität und Validität der Informationen,

Informationsgewinnung teuer und aufwändig,

„Stimmengewirr“

• Legitimität des Regierungsprozesses abgeschwächt;

mögliche Erosion traditioneller demokratischer

Institutionen

Page 311: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

• Reinforcement- These: „Wer schon politisch motiviert ist,

schöpft auch die neuen Möglichkeiten des Internet aus; wer

es aber nicht ist, wird es auch durch das Internet nicht.“

• D.h. Reproduktion der organisatorischen Strukturen der

Offline-Welt;

Netz dient v.a. schon bestehenden Gruppen/ Institutionen.

• Internet als virtueller Raum = problematisch:

– unsichere Normengrundlage

– Unverbindlichkeit der Kommunikation

– sich hinter Online-Identitäten verstecken

Die Grenzen des Internet

Page 312: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Politik(er) im Netz –Elektronische Demokratie?

Page 313: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Das Internet im politischenWillensbildungsprozess

1. Agenda-Setting : Themen werden auf die

Tagesordnung gesetzt

• theoretisch: freie Artikulation von

Meinungen im Netz;

• Gegenöffentlichkeit für bisher

unterrepräsentierte Interessen;

• Aber: one-to-many Angebote dominieren;

öffentliche Nichtbeachtung vieler Seiten;

Homepages von Politikern meist nur

„Ausstellungsfläche“ – keine Interaktion.

Page 314: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

2. Information und Deliberation (=Aushandeln)

• Bürgernetzwerke auf lokaler Ebene:

partizipatorisches Potenzial je nach

Bürgerfreundlichkeit („digitale Städte“,

„virtuelle Rathäuser“);

• unabhängige Informationsdienste/

Politikplattformen: „Vote Smart“, „Politik

Digital“;

• Glaubwürdigkeit: Wer wählt die

Informationen aus?

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3. Abstimmung und Wahl

• Hoffnung: Wählermobilisierung und höhere

Wahlbeteiligung.

• Aber: (Nicht-)Teilnahme an Wahlen ist abhängig

von individueller Ressourcenausstattung;

Online-Wahlen noch problematisch (Sicherheit,

Wahlgeheimnis, rechtliche Fragen).

• 1. Online-Wahl: Präsidentschaftsvorwahl der

Demokraten in Arizona/ 2000.

• Wahlsystem „i-vote“ Uni Osnabrück: Übertragung

des Wahlprozesses aus Offline- in Online-Welt

(2002 T-Systems: Wahl des Betriebsrates online).

Page 316: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

E- Government

• Topos: „Optimierung von Verwaltungsprozessen durch

den Einsatz moderner Informations- und

Kommunikationstechnologien“ (IuK).

• Ziel: moderne, kunden- und service-orientierte

Verwaltung (Information, Kommunikation,

Dienstleistungen, Beteiligungsmöglichkeiten).

• Förderprogramme: „BundOnline 2005“; auf Länderebene

nur vereinzelt Förderprogramme; Kommunen fast

vollständig im Netz vertreten (unterschiedliche Grade der

Interaktivität).

Page 317: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

(Sub-) Politische Partizipation undelektronischer ziviler Ungehorsam

Page 318: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Soziale Bewegungen im Netz

• Der Einfluss von ICT ist in sub-politischer Sphäre deutlicher als

in der Politik.

• Paradox: Krise der formalen, repräsentativen Demokratie,

• aber: keine Abnahme der bürgerlichen Partizipation auf Ebene

der Zivilgesellschaft und der sozialen Bewegungen.

• Umformung der politischen Partizipation in sub-politische

Partizipation.

• Entstehung neuer Kollektive (Netropolis) auch innerhalb

existierender Rechtssprechung.

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• Internet = attraktiv für soziale Bewegungen, weil :

kostengünstiges und effektives Instrument zur internen und

externen Kommunikation und zur Mobilisierung von

Mitgliedern; Netz als offene Plattform für Initiativen jenseits

staatlicher Kontrolle; Koordination zwischen sozialen

Bewegungen.

• Beispiel: www.attac.org (Plattform)

– Anti-Globalisierungsbewegung

– Mobilisierung von lokalen und internationalen Protesten,

Diffusion (= Verteilung) von Informationen, Networking

mit anderen Organisationen, Diskussionsforen,

Mailinglisten.

Soziale Bewegungen im Netz

Page 320: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Elektronischer ziviler Ungehorsam

• „Computerized Activism“

• „Grassroots Info war“

• Virtuelle „Sit-Ins“ und Online-Demonstrationen

– Widerstand auf der Ebene der Infrastruktur des

Internet

– 1998 FloodNet Software: elektronische Verlängerung

des Chiapas-Aufstandes in Mexiko

– 20.06.2001 gegen Abschiebepraxis der Lufthansa

– Online-Demonstration.org

Page 321: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

• Politisches Hacking („Hacktivism“)

– Inhalt einer Website durch einen anderen

ersetzen; Webserver durch massierten Aufruf von

Websites lahmlegen,

– E-Mail Bomben, Computer-Viren,

– anonyme und wenige Akteure.

– 1998: portugiesische Hacker modifizierten Seiten

von 40 indonesischen Servern; „Free East Timor“

und Links zu Menschenrechtsseiten.

– Cyberwar zwischen chinesischen und

taiwanesischen Hackern.

Elektronischer ziviler Ungehorsam

Page 322: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Fazit• Internet ist kein völlig neues Medium, kein

losgelöster Raum, bleibt eingebettet in die jeweiligen

Gesellschaften, deren Traditionen und Kulturen.

• Anknüpfen und Weiterentwickeln (lange) etablierter

Formen politischer Partizipation.

• Trend zur Normalisierung / Integration in das tägliche

Leben.

• Politik wird im Netz nicht neu erfunden, aber

zunehmend im/über das Internet gemacht.

• Internet = mehr als ein zusätzlicher

Kommunikationskanal (demokratische Potenziale).

• Potenziale bisher nicht genutzt – mittel- und

langfristige Auswirkungen von CMC auf politische

Partizipation noch nicht abschätzbar.

Page 323: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitaler HörfunkDigiitales Fernsehen

Handy TVDigitaler FilmDigitales Kino

Page 324: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

MacLuhan: Hybridisierung

„The hybrid or the meeting of two

media is a moment of truth and

revelation from which new form is

born.“

Marshall MacLuhan: Understanding Media. London 1964.

Page 325: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Radiogeschichte: Veränderungen in

Programm, Übertragungsqualität,

Nutzung durch ...

• die Schellack-Schallplatte (elektr.), Mitte 20er

• die magnet. Aufzeichnungstechnik (nach ‚45)

• UKW ab ca. 1950

• das Kofferradio ab Mitte 50er

• Stereophonie & Kassettenrecorder (Anf. 60er)

• Servicewellen seit Anfang der 70er Jahre

• die CD seit Anfang der 80er

• die EBU-Entscheidung 1996 für DAB als europäischem

Digitalradio-Standard

Page 326: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Veränderungen in Programm,

Übertragungsqualität,

Nutzung durch ...

• das Duale Rundfunksystem seit 1984 (BRD) bzw.

1990 (D)

• die EBU-Entscheidung 1996 für DAB als

europäischem Digitalradio-Standard

• Live-Streaming und Download von Programmen

seit Ende der 90er Jahre

• das Podcasting seit 2004

• das „Handy-TV“ (mit Radioprogrammen) seit 31.

Mai 2006.

Page 327: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Digitale Innovationen

beziehen sich auf :die Produktion: Ablösung analoger Studio-, Reporter-

und Archivtechnik durch digitale

das Software-Produkt: Erweiterung des „Programms“

um Stand-/Bewegtbild, Text

das Hardware-Produkt: die Hybridisierung solcher

Geräte, die bisher jeweils einem Medium zugeordnet

waren

die Übertragung: digital sowohl über terrestrische

Sender als auch über Satelliten, durchs Kabel, durch

ICT- Netze; synchrone und/oder asynchrone

Übertragung/Abruf; p2p

die Rezeption: Individualität der Nutzungs-

formen und –zeiten; Interaktivität

Page 328: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

(Radio-) Innovationen:

Paradoxa / Hybride

1. Innovationen sind um so tief greifender

und – im ersten Moment –

fortschrittlicher, je später sie erfolgen.

2. benötigen Innovationen

Versuchskaninchen („Early Adopters“,

„junge Wilde“, „Experimentelle“), und

sie brauchen einen längeren zeitlichen

Vorlauf.

Page 329: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

(Radio-) Innovationen:

Paradoxa / Hybride3. Der trad. Live-Thrill wird ersetzt durch

den Offline-, den Asynchron- und den

Individual-„Thrill“.

4. Inhalts- und Programm-Kreation durch

die vielen Kommunikationsteilnehmer.

5. Medienökonomisches Paradox:

individualisierte Kommunikation erreicht

Werbe-Zielgruppen besser; aber

Zielgruppen können Werbung umgehen.

Page 330: 105 - Medienwissenschaft - VL 1-6 - Steinmetz

Das Radio-Programm bisher ist

eine kontinuierliche, in abgegrenzten, weitgehend

wiederkehrenden Strukturen von einem Sender

einem massenhaften, dispersen Publikum

synchron angebotene, von professionellen

Kommunikatoren (Journalisten, Künstlern)

gestaltete Abfolge akustischer Informationen

(Sprechsprache, Musik, athmosphärische Töne/

Atmos), die über terrestrische Sender, per Kabel

oder Satellit übermittelt wird.

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Das Radioprogramm wird

künftig auch ...• ein diskontinuierliches, asynchrones

Angebot mit der Möglichkeit zur p2p-

und On-demand-Kommunikation sein;

• von professionellen und

professionalisierten Amateur-

Kommunikatoren gestaltet sein;

• akustische sowie Text- und

(Bewegt-)Bild-Informationen enthalten;

• auch über Telekommunikations-(ICT-),

IP-Netzwerke und das Internet zu

empfangen sein.

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Künftige Anforderungs-

und Macher-Profile

- neue Arbeitsteilung zwischen

Redakteur/Journalist und Techniker

mehr-mediales (durch einfache Software

bedienerfreundliches) Arbeiten: Ton,

Text, Bewegtbild

- dieselben Inhalte für verschiedene

Zielgruppen aufbereiten

Software-Expertenschaft

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Pod-/Vodcasting:persönlich wie die Zahnbürste

• Pod-/Vodcasting ist das Zeichen einer

neuen Zeit der Kommunikation.

• P. als hybrides Kommunikations-Prinzip

reiht sich ein in die Geschichte portabler

Geräte, die in der Jugendkultur begannen

(Walkman) und dann in den allgemeinen

Medienalltag diffundierten.

höheres Aktivitätsniveau bei der

Gestaltung des persönlichen

Medienprogramms

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Pod-/Vodcasting alsZeichen der Zeit

• aktiv gestalteter Konsum

• „Zeitgespräch der Gesellschaft“ (Emil

Dovifat) wird zum Dialog der

vernetzten Einzelnen.

• Erscheinungsfrequenz und Serialität:

machen den Unterschied zu Download

und Streaming

• Podcasting ist ein Hybrid zwischen

Radio und Internet

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Definition Pod-/Vodcasting

Pod-/Vodcasting ist das Erstellen und – per

individuellem, automatisiertem Abonnement

– Verteilen von Audio- und Videodateien, die

von Amateuren oder Profis gestaltete Radio-

bzw. Videobeiträge enthalten und von den

Nutzern zu persönlich gestalteten

Programmen aggregiert und zu beliebiger

Zeit, also nicht zeitgleich mit der

„Ausstrahlung“ (dem Hochladen), auf einem

persönlichen Rechner oder persönlichen,

portablen Endgerät (z.B. iPod) rezipiert

werden .

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Typologie der Pod-/Vodcaster

1. Explorer (EX): Will es mal ausprobieren und sehen, was

dahintersteckt; will v.a. verstehen, wie Podcasten funktioniert;

Inhalte, Formen sind sekundär.

2. Persönlichkeits-Prototyper (PP): Will sich selbst entdecken

und in verschiedenen Rollen und Situationen kennenlernen.

3. Themen-Caster (TC): Will Wissen, Informationen an seine

Hörer/Zuschauer übermitteln; Podcasten als Service für die

Nutzer, als soziale gute Tat.

4. Rebell (RE): Will endlich einen Kanal haben, um seine Meinung

zu verbreiten und sich politisch und sozial zu engagieren.

5. Sozialer Kapitalist (SC): Will sein soziales Netzwerk

vergrößern, will andere interessante Leute kennenlernen, die

wertvoll und hilfreich für ihn sein können.

(nach Dennis Mocigemba, 2007)

Ergänzen um:

a) Freier oder angestellter Journalist

b) PR-Onliner

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Pod-/Vodcasting• kreiert (international) quasi

naturwüchsig neue Zielgruppen

• neue Teilnehmer-Segmente werden

aktiv erschlossen.

• Podcasting ist gegenwärtig ein

Kommunikations-Bereich von großer

sozialer Relevanz.

• Gleichzeitigkeit verschiedener

Implementierungsstadien

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Poddige

Geschäfts-Modelle

• Aus- und Weiterbildung

• Betriebsinterne Schulung

• Sprachkurse

• Vorlesungsreihen

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Radio wird sich selbstneu erfinden

• Journalistisch, künstlerisch-

radiophon geprägte Programme

werden zu Leuchttürmen in der Masse

• Platz schaffen für aktive Formen der

zwei- und mehrseitigen

Kommunikation, die aus den alten

Paradigmen erwachsen.