29

1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

  • Upload
    lamthu

  • View
    216

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 1145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 1 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 2: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten, anschließend als Literaturredakteurin bei Radio Bremen. Ihr lyrisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Für

ihren Roman »Das verborgene Wort« (2001) erhielt sie den ersten Deutschen Bücherpreis. 2009 folgte der Bestseller »Aufbruch« und

2014 »Spiel der Zeit«. »Wir werden erwartet« (2017) bildet den Abschluß ihres autobiographischen Romanzyklus. In »Unscharfe

Bilder«, 2003 erschienen, setzt sie sich mit der NS-Zeit auseinander – ein Thema, das all ihre Romane durchzieht.

»Unscharfe Bilder« in der Presse:

»Zwischen Vater und Tochter baut sich eine Spannung auf, die für beide unerträglich wird und den Leser fest in ihren Bann zieht.«

Süddeutsche Zeitung

»Ulla Hahn will nicht Betroffenheit, sondern Einsicht. Das ist eine andere, möglicherweise fruchtbarere, keineswegs aber mildere Sicht

als die der Täter-Opfer-Diskussion.« Sächsische Zeitung

»Ein engagiertes Buch, das den Leser nicht losläßt.«Focus

Außerdem von Ulla Hahn lieferbar:

Das verborgene Wort. RomanAufbruch. Roman

Spiel der Zeit. RomanWir werden erwartet. Roman

Liebesarten und andere Geschichten vom Leben. ErzählungenGesammelte Gedichte

Besuchen Sie uns auf www.penguin-verlag.de und Facebook.

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 2145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 2 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 3: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Ulla Hahn

Unscharfe BilderRoman

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 3145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 3 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 4: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, daß im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt

der Buchveröffentlichung ein gesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluß.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschloßen.

Verlagsgruppe Random House FSC® N001967

PENGUIN und das Penguin Logo sind Markenzeichenvon Penguin Books Limited und werden

hier unter Lizenz benutzt.

1. Auflage 2017Copyright © 2003 by Deutsche Verlags-Anstalt in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 MünchenUmschlag: Designbüro Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Umschlagmotiv: plainpicture/Christian KuhnDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in GermanyISBN 978-3-328-10017-1www.penguin-verlag.de

Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich.

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 4145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 4 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 5: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Für Klaus

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 5145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 5 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 6: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 6145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 6 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 7: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Ist eine unscharfe Fotografie überhaupt ein Bild einesMenschen? Ja, kann man ein unscharfes Bild immer mitVorteil durch ein scharfes ersetzen? Ist das unscharfe nichtoft gerade das, was wir brauchen?

Ludwig Wittgenstein

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 7145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 7 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 8: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 8145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 8 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 9: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

I.

Seine Möbel hatte er, soweit sie Platz fanden, mitnehmenkönnen, selbst einen großen Teil der Bibliothek, den Restwußte er bei der Tochter gut untergebracht. EhemaligeSchüler, wenn sie ihn aus Anhänglichkeit besuchten, ließ erfreigiebig aus den Regalen wählen und unterstrich danngelegentlich einen Satz, der sie ein Leben lang begleitensollte. Die breiten Borde bogen sich noch immer, und die Stützen einer Leiter hatten das rötlichbraune Parkettschon verschrammt. Oben standen die kostbaren Bände,auch in lateinischer und griechischer Sprache, alte Drucke,die Hans Musbach mit einem Vergrößerungsglas zu lesenpflegte. Seine Festung.

Er fand sich gut zurecht in dem großzügigen Haus amHafen. Seine Pension reichte für ein Appartement auf der richtigen Seite, dort, wo man die Sonne im Elbstromuntergehen sah, dort, wo der Blick auf die Wellen ging, als versichere ihr gleichmäßiger Schlag, daß alles noch lange – immer und immer – so weitergehen könne. Die wenigerBetuchten des Seniorenheims, Residenz, wie man das hiernannte, schauten auf Fischhallen und heruntergekommeneHäuser. Nie hätte er sich vor dem Umzug vorstellen kön-nen, einmal Stunden zu verträumen, einfach dazusitzen,ohne ein Buch, eine Fachzeitschrift oder den Brief einesKollegen, den es zu studieren und sorgfältig zu beantwor-ten galt.

Musbach rückte den Stuhl näher ans Fenster. Der Glanzdes gleitenden Wassers änderte sich mit dem Himmel,

9

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 9145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 9 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 10: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

eben noch wolkenverhangen, dann wieder von ein paarWindstößen leergefegt, blau. Dennoch: Regen lag in derLuft. Sturmwolken zogen von Westen auf. Dann wurde esnoch einmal hell, die Wolken zum Horizont getrieben, weitweg über die Werft am anderen Ufer. Herrenlos. Er mochtedie Schnelligkeit dieser Wandlungen am Himmel liebernoch als die Bewegungen der Schiffe. Bei Sonne Segel-boote, weiß die meisten, manche blau-weiß gestreift, einesmit rotbraunen Segeln. Piratenbraun. Motorboote, Fährenins Alte Land und nach Krautsand, Containerschiffe undTanker auf dem Weg in den Hafen, ins offene Meer, unterden Flaggen aller Herren Länder. Schwarz, Rost und Men-nigrot, von dieser rauhen, zweckmäßigen Schönheit, soanders und doch so ähnlich den alten, erhabenen Schriften.

Das Telefon läutete. Eine freundliche Stimme fragtenach den Wünschen fürs Mittagessen. Fleisch, Fisch, vege-tarisch. Sie mußte die Frage wiederholen, ehe Musbachsich für Fisch entschied. Er sah weiter aufs Wasser, denHimmel; ein strahlend weißer Passagierdampfer trieb lang-sam stromabwärts inmitten lichter Schaumkronen, winzigeMenschen an Deck winkten in Richtung der Uferhänge,zeigten sich Häuser und Türme; der Himmel darüber nunvoller unbehaglicher schwarzer Wolken.

Trotz der Jahre, die Hans Musbach hier schon so wohl-umsorgt verbracht hatte, fand er noch immer wenig Ge-fallen an diesen gemeinsamen Mahlzeiten. Es fiel ihmschwer, Gespräche zu begleiten, die oft von der Gegenwartnur mehr aufnehmen wollten, was aus ferner Vergangen-heit betrachtet wichtig zu sein schien. Wie ein langsam ver-trocknender Teich, dem der einst quellende Bach versiegtwar, erschien ihm seine Gesellschaft; durchaus noch wacheLeute, aber meist, als säßen die Augen nun im Hinterkopfund nicht mehr vorn, unter einer nachdenklichen Stirn.

10

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 10145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 10 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 11: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Fast vierzig Jahre lang waren seine Gesprächspartnerjunge Menschen gewesen, oft keine einfachen Schüler undauch nicht immer so neugierig, wie er es sich gewünschthätte. Aber jung, Gegenwartsmenschen, Zukunftsmen-schen. Zuerst hätten es seine Kinder sein können, späterseine Enkel, doch zu alt hatte er sich mit ihnen nie gefühlt,auch wenn er im stillen manche Aufmüpfigkeiten und lässi-gen Tabubrüche mißbilligt hatte. Das Leben begann ja mitjedem Schuljahr wieder von vorne, und das hatte ihn glück-lich gemacht.

Jetzt war seine Tochter festes Glied zwischen Gesternund Heute in ihren täglichen, gemeinsamen Stunden. Päd-agogin wie er. Musbach wußte nur zu gut, was er brauchteund was ihm fehlte. Es war nicht der Verlust seiner ge-wohnten Häuslichkeit, die er erst verlassen hatte, als erspürte, daß Katja zuviel Zeit und besorgtes Nachdenken fürsein tägliches Leben aufwenden mußte. Er vergaß auchnicht, daß er mit diesem Platz an der Elbe, umgeben vonliebgewonnenen Gegenständen, so etwas wie das großeLos gezogen hatte. Ihm fehlte das Gespräch mit jungenLeuten, das war nun mal die unausweichliche Folge desAlters. Er mußte noch immer lernen, damit gelassener undgeduldiger umzugehen. Was hier im Hause jung war, dasarbeitete entweder in der Bedienung, in der Küche oderim Zimmerdienst; bei der Massage oder in der ärztlichenVersorgung. Da gab es kaum Zeit, aber sicher auch wenigInteresse für Gespräche mit den Bewohnern; über Höf-lichkeiten kam man selten hinaus. Er mußte das begreifen,»abhaken«, wie es hieß. »Cool« sein. Wer es kann.

Musbach wusch sich die Hände, fuhr mit dem Kammdurchs Haar, ein spärliches Weiß, aber gut geschnitten,rückte die Fliege zurecht und nahm den Aufzug zumSpeisesaal, der zu ebener Erde hinter der Eingangshalle

11

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 11145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 11 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 12: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

lag. Selten verfehlte dieser großzügige, elegante Raumseine Wirkung auf Besucher, die glauben mochten, einLuxushotel zu betreten. Ungehindert ging der Blick durchdeckenhohe Fenster auf die Elbe, bequeme Sitzmöbelstanden um niedrige Tische, viel Grün in stilvollen Töpfen.Einer der Bewohner hatte dem Haus die Plastik gestif-tet, einen dieser meterhohen Hasen des amerikanischenKünstlers Salle, messingglänzend poliert, einen Vorderlaufangewinkelt, den anderen gereckt wie zum Gruß. Musbachfand die Plastik etwas albern, aber doch immerhin besserals manche sogenannten Arbeiten, mit Titeln wie »Eter-nity« oder »Projekt 1–4«, für sein an der Klassik geschultesAuge unverständlich, ja Hochstapelei: Des Kaisers neueKleider. Die Halle war leer. Nur Emil am Empfang winkteihm gutgelaunt: Beeilung!

Alles war schon im Speisesaal versammelt. Auch hierhatte die Heimleitung Umsicht bewiesen. Die »Herrschaf-ten«, wie das Personal die Bewohner in den Gesellschafts-räumen nannte, im Unterschied zu den Kranken- undPflegetrakten, die Herrschaften saßen in der Regel zusechst an runden Tischen und waren je nach geistigerBefindlichkeit gruppiert. Die Rüstigen durften ihren Platzan der Sonne genießen, buchstäblich, am Fenster mit Blickaufs Wasser. Geld war hier nicht mehr der Maßstab; auchdie Bewohner der teuren Elbblick-Appartements wurden,wenn sie ihre Umgebung kaum noch wahrnahmen, nachhinten, in die Nähe der Küche gesetzt. So konnte schnelljemand hinzuspringen, passierte an einem dieser soge-nannten schwachen Tische ein Malheur, etwa daß einLöffel herunterfiel – Messer und Gabel gab es hier nicht,nur Kleingeschnittenes wurde serviert – oder allzuviel vonden Mahlzeiten auf Brustlatz oder Schürze platschte. Einsvon beiden bekam an diesen Tischen jeder umgebunden, je

12

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 12145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 12 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 13: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

nach dem Stadium des Verfalls der Motorik, wie manTattrigkeit freundlich technisch umschrieb. Gefüttertschließlich wurde auf den Zimmern. Dann gab es keineHerrschaften mehr, nur noch Patienten.

Natürlich saß Hans Musbach an einem der besten Tische,sogar nur zu fünft, ein Privileg. Mit echten Blumen. Aufden »schwachen Tischen« blühte Plastik, übergroße Rosenoder Tulpen oder Nelken. So konnten sich die Vergeß-lichen ihre Plätze merken, wenn sie schon nicht mehrgenau wußten, was eine Zahl war.

Der Regen hatte sich verzogen, Mittagslicht fiel durchdie hohen Fenster, die Oberlichter standen offen, von drau-ßen das Kreischen der Möwen, von ferne Gehämmer, dieWerft. Man hatte bereits mit der Suppe begonnen und war in angeregter Unterhaltung; das sah Musbach schonvon weitem. Worüber man sprach? Besonders die beidenFrauen? Wahrscheinlich über den plötzlichen Tod ihrerRommépartnerin. Das Alter, man war sich einig, ist ebenso. Starb einer, wurde der unter freundlichen Nachrufenausgiebig zu Grabe getragen, in den Stimmen der leisebebende Triumph der Lebenden über die Toten, glücklich,diesmal davongekommen zu sein.

Kaum hatte Musbach Platz genommen, brach das Ge-spräch ab. Die Damen wußten, mit welchem Sarkasmus erderlei Würdigungen zum Verstummen bringen konnte.

»Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt.« Frau Mulde, ehe-mals Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin, hielt ihrenSuppenlöffel in der Schwebe und blickte Musbach an, alskönne erst ein »Eins, setzen!« des Oberstudienrats sie ausihrem Bann erlösen.

»Jaja«, pflichtete ihr der Baß des beleibten Gegenübersbei. »Wer zu spät kommt an den Tisch, findet frisch nichtmehr den Fisch. Frei nach Gorbatschow, haha.« Er heiße

13

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 13145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 13 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 14: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Dicks wie Fix, pflegte er sich vorzustellen. Ehe ihm dieHeimleitung dezente Kleidung nahegelegt hatte, war er zuden Mahlzeiten in einem grüngelb schillernden Sport-anzug erschienen. Nicht nur den Tischgenossen fiel dieseunentwegte Reimerei auf die Nerven. Dafür konnte mansicher sein, daß er, jahrzehntelang Redakteur für die letzteSeite der Wochenendbeilage der hiesigen Tageszeitung,nie zweimal denselben Witz erzählte. An Tisch »Freesie«bildete er das possenreißende Gegenstück zu Musbachsunaufdringlicher Bildung.

Dieser murmelte ein kurzes Grußwort, nahm einen Löf-fel Suppe, schob den Teller beiseite und nickte Frau Sippelgeistesabwesend zu, als bedürfe sie einer Aufmunterung.Die aber hatte sich schon abgewandt, um Frau Muldeeinen vielsagenden Blick zuzuwerfen. Der zerstreute Pro-fessor war offenbar wieder »in Gedanken«. Ungeduldigruckte Frau Sippel an ihrer Frisur, die sich wattig um denSchädel bauschte; hier und da schimmerte rosige Kopfhautdurch. Wo blieb der Hauptgang? Überbackener Blumen-kohl und gekochter Schinken, ihr Leibgericht. Frau Mulde,so hager wie die andere mollig, stichelte, für sie sei dochalles Eßbare ein Leibgericht und ziemlich alles eßbar. Inder Tat war für die Apothekerswitwe die Freude am Essendie einzige reine Freude, die ihr geblieben war, und wennjemand diese dämpfte, sei es, er wählte ein Stück, das sieim Auge hatte, oder reichte das dunkle statt des hellenBrotes, nahm sie das persönlich übel.

»Blumenkohl, das tut wohl!« Dicks häufte sich die Rös-chen auf den Teller, jede Löffelbewegung von Frau Sippelargwöhnisch verfolgt. Der Zivi hatte wieder einmal nichtzuerst den Damen serviert, und Dicks besaß nicht die Kinderstube, das zu korrigieren. Wortlos nahm Rattke demTischnachbarn die Schüssel aus der Hand und bot sie, be-

14

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 14145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 14 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 15: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

tont höflich, Frau Sippel an. Rolf Rattke, Oberinspektor a.D.am Finanzamt, in allen Lebenslagen ein Kenner der Pro-zente und Statistiken, redete nur das Nötigste, knauserigmit jeder Silbe, mißtrauisch gegenüber jedem Wort zuviel.Dicks war ihm zuwider, und Rattke versäumte keine Ge-legenheit, ihn in die Schranken zu weisen, wie er meinte.Was Dicks allerdings kaum bemerkte. Nur die gediegeneWürde der Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin hieltden Finanzbeamten an Tisch »Freesie«, und Hans Mus-bach natürlich, dem Rattke wegen dessen solider Kenntnisgeschichtlicher Zahlen und Daten gleiche Augenhöhe zu-gestand.

Der wiederum, eben ein alter Lehrer, wußte um seinenur mühsam beherrschte Schwäche, selbst noch in solcheGespräche korrigierend einzugreifen, die nur am Randeder viel aufmerksamer beachteten Speisefolge geführt wur-den; sei es, daß ihm ein Sachverhalt unrichtig oder auchnur allzu einseitig vorgebracht schien. Gerade war wiedereinmal die Politik an der Reihe – mußte man sich um dieeigene Rente wirklich keine Sorgen machen? – und natür-lich das Weltgeschehen – schon wieder ein Krieg, Gott-seidank weit weg –, das in jedem der vier Köpfe Platz,Urteil und Wegweisung fand. Musbach beteiligte sichkaum, wollte lieber wissen, was die jungen Leute in KatjasOberstufe darüber dachten, und verabschiedete sich knapp,als die letzten Löffel des Nachtischs klappernd in dieGlasteller gefallen waren.

Wie immer, wenn es irgend ging, legte er sich nach demEssen schlafen. Katja würde heute früher kommen. Ganzin seinem Tagesrhythmus war er um halb drei wieder beiseiner Lektüre, versenkte sich in die neue Sulla-Biogra-phie, die ihm seine Buchhandlung geschickt hatte. Und ver-gaß die Zeit.

15

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 15145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 15 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 16: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Erst als der kleine elfenbeinerne Tod an seiner silbernenRenaissance-Uhr den letzten Schlag mit der Sense getanhatte, griff Musbach zum Hörer. Vier Uhr. Wo blieb dieTochter? Nein, keine Konferenz. Sie sei heute sogar schonetwas eher gegangen, habe wohl Wichtiges zu besorgen. Erbedankte sich, legte auf.

Endlich. Auf dem Korridor kamen Schritte näher, energi-sche Schritte. Ihre Schritte. Vor der Tür machten sie halt,schienen sich zu entfernen, kamen zurück. Ein kurzesKlopfen.

»Katja, du bist spät.« Musbachs Stimme hatte die dunk-len, tiefen Töne nicht verloren und konnte noch immerklingen wie eine Liebkosung.

Die Tochter, hochgewachsen und schlank, ganz der Vater,den das Alter und die vielen Stunden über den Büchernkaum gebeugt hatten, umarmte ihn flüchtig und machteein paar Handgriffe, wie sie es gerne tat, wenn sie in diesekleine Wohnung kam; ordnende Handgriffe, so, als gelängees ihr auch hier noch, den Vater in ihre respektvolle Obhutzu nehmen. Dann rückte sie ihren gewohnten Stuhl heranund wiederholte, wie er sich fühle, so nebenher, wie zuvor.

»Gut, wie’s eben so ist, wenn die Zeit abläuft.« Musbachsaß in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch wie immer.

Katja schaute auf ihre Hände, ringlos, die Nägel kurzge-schnitten, an schlanken Fingern, die zupacken konnten. Siemußte nicht warten, bis sich jemand erbarmte, ihr einRegal aufzustellen, den Computer anzuschließen, dasFahrrad zu reparieren. Die praktischen Seiten des Alltagszu meistern, hatte sie das Leben als »Einpersonenhaushalt«gelehrt. Auch Katja liebte ihre Bücher und zog sich mit-unter eines über den Kopf wie andere die Bettdecke. Dochsie tauchte aus diesen »Exzessen«, wie sie es für sich nann-te, jedesmal gestärkt wieder auf. Nicht nur das Lesen hatte

16

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 16145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 16 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 17: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

ihr der Vater beigebracht: Nichts Böses könne uns gesche-hen, solange wir das Gute in den Büchern fest halten. Bü-cher: die besten und verläßlichsten Freunde. Dieser Kin-derglaube, verwurzelt in Fabeln und Lebensberichten deralten Lateiner, war mit ihrem Erwachsenwerden nicht brü-chig, eher zu einer Glaubensgewißheit geworden. Bücherals Talismane.

Katja bückte sich zur Aktentasche, ließ die Schlösser auf-schnappen, ihre Augen machten einen Bogen um denMann, der da vor ihr saß, die dunkle Fliege exakt gebundenwie all die Tage und Jahre zuvor.

Von ferne tutete ein Schiff. »Der Lotse«, sagte der Vaterabwesend, gedankenverloren. »Das ist der Lotse. Er gehtvon Bord.«

Noch immer ließ die Tochter ihre Augen wandern, alsmüsse sie jeden einzelnen Gegenstand festhalten, so wie erjetzt war. Als könne ein jeder ihr ein Geheimnis offen-baren, ein Rätsel lösen. All die vertrauten, so fraglos gelieb-ten Gegenstände, fraglos wie ihre Liebe zum Vater selbst.

So sah die Tochter um den Vater herum, eine langeWeile, wie beiden schien, ehe sie sich ein weiteres Malnach der Tasche bückte und sich aufrichtend ein Buch aufden Schreibtisch legte, dem Vater vor die Augen.

Musbach griff nach der Brille neben der Kapitänstassemit dem Sprung, blickte auf das Buch und schob es bei-seite. Zog die Schreibtischschublade auf und kramte wort-los von weit hinten Tabakbeutel und Pfeife hervor. DieÄrzte hatten ihm vom Rauchen abgeraten, und seine Toch-ter achtete streng darauf, daß er das Verbot einhielt. Dies-mal sagte sie kein Wort, als er die Pfeife umständlich stopf-te und ein Streichholz nach dem anderen anriß.

Zerstreut folgte sie den Bewegungen seiner Hände, aufdem Ringfinger der Linken ein antiker Stein von blutroter

17

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 17145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 17 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 18: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Farbe, der, wenn das Streichholz aufflammte, grünlich phos-phoreszierte. Als Kind hatte sie sich an diesem wunder-lichen Funkeln gar nicht satt sehen können. Nun wandtesie den Blick ab.

»›Verbrechen im Osten‹. Auch eine Neuigkeit!« Verärgertlehnte Musbach sich in seinen Sessel zurück, warf einenzweiten Blick auf das Buch und zuckte die Achseln. »Wirwissen doch wirklich, was war. Jahrzehntelang, ja sicher,jahrzehntelang hab ich das mit meinen Schülern diskutiert.Ein halbes Jahrhundert. Was soll ich damit? Hier in meinerRuhe?«

»Ruhe für wen?« gab die Tochter zurück und zog denKatalog wieder zu sich heran. Ihre grauen Augen vereng-ten sich in einer eigentümlichen Spannung, als wolle sieeinen Kampf mit ihm aufnehmen.

»Kein Kaffee heute?« Der Vater legte die Pfeife beiseite und stand auf. Die

Espressomaschine, ein gepflegtes Museumsstück aus derVorkriegszeit, füllte die Kochnische fast vollständig aus. AlsKind hatte Katja dieses Ungetüm geliebt und gefürchtetwie ein Fabelwesen. Es sei von Hugo, hatte der Vater ein-mal erklärt, seinem besten Freund, und eine Zeitlangwaren ihr die Maschine und Hugo durcheinandergeraten,hatte sie das duftende, fauchende Gerät einfach Hugogenannt. Er sei mit Hugo im Krieg gewesen, hatte derVater später erzählt, davor hätten sie zusammen Abiturgemacht und studiert. Hugos Mutter Italienerin. Daher dieMaschine. Mehr war aus dem Vater nie herauszubringen.Gefallen, hatte er nur ungewöhnlich barsch auf die Frageerwidert, was aus Hugo geworden sei. Und die Mutterlegte warnend den Finger auf die Lippen.

Die Maschine brodelte, zischte, der Vater drückte denHebel, Katja zog die eine Tasse weg, schob die andere

18

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 18145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 18 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 19: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

unter den Hahn. Kein Tropfen ging verloren. Jedesmal hat-ten Vater und Tochter ihre Freude an dem kleinen Spiel.

»Bitter.« Katja schüttelte sich. »Hast du die Kaffeesortegewechselt?«

»Er wird manchmal so, wenn die Dose zu lange offen-stand«, sagte der Vater entschuldigend. »Morgen kommtNachschub. Und in der Schule? Erzähl!«

»Nichts Besonderes«, erwiderte Katja.»Nichts Besonderes?« Musbach war enttäuscht. Gerade

heute? Die Berichte seiner Tochter über die Schulwelt dadraußen erwartete er fast mit der Spannung eines Voyeurs,dem das Leben anderer eigenes ersetzen soll. Es war dannbeinah wie in alten Tagen, wenn er Gerda, seine Frau, anseinem Schulleben hatte teilnehmen lassen. Nun war erder Zuhörer. Er, der bei Generationen von Schülern alsRedner für seine mitreißende Kraft berühmt gewesen war,hörte nun gierig zu und redete am liebsten nur noch nachinnen, mit seinen Antiken, wie er sie nannte, lateinischenund griechischen Dichtern, Philosophen und Geschichts-schreibern.

»Wirklich nichts Besonderes?« wiederholte er. Katja ließ sich nicht drängen. »Heute nicht«, erwiderte

sie kurz angebunden. Das Gespräch blieb stockend, dergewohnte Fluß von Neugier und Fürsorge wollte sich nichteinstellen. Schließlich schob sie ihm auffordernd das Buchwieder zu, wie eine längst fällige Rechnung. »Ich bin schonspät. Schau dir das Buch bitte an. Dein Bild wirst du da janicht drin finden.«

Anders, entfernter als sonst, küßte sie ihn auf die Wange.

Es war noch warm, und Katja beschloß, ein Stück weit zuFuß zu gehen. Sie war in Hamburg aufgewachsen, naheder Universität, wo auch ihre Wohnung lag. Eine der weni-

19

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 19145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 19 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 20: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

gen, die noch nicht in Eigentum umgewandelt wordenwaren. In diesen Straßen war sie zu Hause, und verließ sieihr Quartier, fühlte sie sich oft wie in einer fremden Stadt.Was sie genoß. Im Schanzenviertel fand sie ihren türki-schen Bazar, am Falkenstein Beverly Hills, Italien beimsommerlichen Großneumarkt. Heute wählte sie ein elegan-tes Viertel an der Alster. In den Kastanien ein leichterWind, hohe, weiße Häuser, offenstehende Fenster. Seitwenigen Tagen verblaßte der Sommer allmählich zumHerbst, Frühherbst mit seinem sanft verschleierten, bit-tenden Licht. Auf den Balkonen saßen sie beim Wein oderlasen Zeitung, leises Gelächter, ein Saxophon. Eine Frau,aufs Geländer gestützt, rauchte und ließ den Blick übersWasser, die Wiesen, die Pappeln schweifen, und Katja folg-te ihren Augen in den Himmel, der sich in Abendtönenaufzulösen begann. Aber durch das sommersatte Grünstreckten andere Bäume ihre kahlen Äste, daran die un-scharfen Umrisse lebloser Körper. Und in die Wolken stie-gen Gesichter, Gesichter aus ferner Vergangenheit, durchdie Bilder der Ausstellung wieder so nah, Gesichter, dieKatja nie gesehen hatte, Gesichter von Fotos, Gesichter,aschefarben wie in Träumen, aus denen aufzuwachen manglücklich ist.

Es dämmerte schon, als sie die Treppen zu ihrer Woh-nung hinaufstieg, vier Stockwerke unterm Dach, nur dergestirnte Himmel über uns, hatte Albert beim Einzuggeschwärmt. Und an Sommerabenden konnten sie zu-sehen, wie die Sonne im Spiegel flammender Kupfer-dächer unterging. Er liebte die Stille wie sie. Zweimalwaren sie umgezogen, immer höher, bis sie niemand mehrstören konnte mit Gepolter von oben. Es war ein ruhigesHaus. Daran hielt sich auch die Klavierlehrerin aus demersten Stock; ihre Schüler übten mit Dämpfer, und sie

20

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 20145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 20 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 21: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

selbst spielte wundervoll. Zwischen sechs und neun. Sowar’s vereinbart. Gerade Chopin.

Vergeblich wählte Katja die Nummer vom Pizzadienst.Der Kühlschrank wieder leer. Seit sie allein lebte, war dasnormal. Und gut für die Figur.

Auch die Nummer Renis war besetzt. Vielleicht, fuhr esKatja durch den Kopf, wäre diese Nummer auch damalsbesser besetzt gewesen, damals vor zwei Jahren, als sie aufder Suche nach einer Zange im doppelten Boden desWerkzeugkastens die Briefe gefunden hatte: »Albert,Liebster, ich kann es kaum erwarten.« Briefe einer »Luft-fee«, oder hatte da »Lustfee« gestanden? Egal, die Briefewaren eindeutig. Das Parfüm ranzig.

Sie hatte die Briefe an sich genommen, nur die Um-schläge sorgfältig wieder an ihren Platz gelegt. Sorgfältigernoch die Küche geschrubbt, dann das Bad und noch immernicht gewußt, wie weiter. Die ersten Herbststürme hatteneingesetzt; sie brachte die Sommersachen in den Keller,die Winterkleider hinauf in die Schränke, versteckte dieBriefe hinterm Strandzeug und hatte noch immer nichtheulen können. Als sie Stunden später Reni anrief, hattesie das hinter sich; aber was sie tun sollte, wußte sie trotz-dem nicht.

»Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten«, riet die Freun-din. »Gehen oder bleiben. Bleiben mit Verzeihen. OderBleiben mit Schweigen. Will sagen: Entweder du stellst ihnzur Rede. Oder du sagst nichts und machst weiter.«

Katja hatte weitergemacht und sich »Zeit heilt Wunden«eingeredet. Doch was wuchs, war eine Narbe aus Miß-trauen. Alles, was Albert sagte und tat, schien ihr doppel-bödig wie sein Werkzeugkasten, und das, was er nicht tatund sagte, auch.

So war sie immer mürrischer, abweisender, kälter gewor-

21

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 21145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 21 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 22: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

den, und als er wenige Wochen später einen Ruf nachMünchen bekam, bemühte sie sich nicht um eine Ver-setzung. Was sie ihm verschwieg. Er räumte seinenSchreibtisch und seine Seite im Kleiderschrank, und sieheuchelte Bedauern. Sein Bettgestell stand schon zweiWochen später auf dem Speicher. Kam er, schlief er auf derCouch. Er hatte nichts dagegen, schien zufrieden.

Und Katja schloß sich wieder enger dem Vater an. Wäredie Mutter noch am Leben, hätte das wenig geändert. DerVater war schon immer ihr Held und nun ihre zuverlässigeStütze. Ihm mußte sie nichts erklären. Sie hatte Albertschuldig gesprochen; es war erwiesen. Die Briefe Fakten.

Nachdenklich wog sie die Figuren in der Hand, Stückevon Ausgrabungen, ersteigert in der Türkei, wo sie Albertin den Sommerferien oft besucht hatte. Auch die Elternwaren einmal mitgefahren an die Dardanellen, zu denSpuren des alten Troja. Wenn der Altphilologe und derArchäologe miteinander gestritten hatten, ob es diesesTroja nun gegeben habe oder nicht, ob sich Homer allesnur ausgedacht habe, wie groß das Körnchen Wahrheit sei,hatten Mutter und Tochter dabeigesessen wie Zuschauerim Gerichtssaal. War der von Schliemann ausgegrabeneOrt wirklich das alte Troja?

Glückliche Tage. Als man sich die Köpfe heiß redete überlängst versunkene Welten, wenn es darum ging, ob Hissar-lik einmal Troja /Ilios hieß; wie dieses Hissarlik zur Bronze-zeit genannt wurde; ob die Mykener Griechen waren; einKrieg um Troja Geschichte oder eine Geschichte war. AlteRätsel, die keinem mehr Kummer bereiteten. Pures Ver-gnügen. Aber auch der Versuch einer Antwort auf Fragennach dem eigenen Ursprung.

Katja stellte den kleinen Bronzekrieger wieder an seinenPlatz.

22

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 22145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 22 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 23: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Das Telefon klingelte. Sie nahm zu spät ab. Der Anruferhatte aufgelegt.

»Gibt es Neues vom Fräulein Tochter?« wandte sich FrauSippel aufmunternd an Musbach, der sein Gemüse aufdem Teller hin- und herschob. Inge Sippel wußte, daß dieTochter verheiratet war, ließ sich aber das »Fräulein« nichtnehmen, wohl weil sie Katja nur allein sah. AlleinstehendeFrauen waren für sie Fräulein, »Ordnung muß sein.« »Rankund schlank wie eh und je«, plapperte sie weiter. »Wohlverliebt in ihre Figur. Na, ich hab ihr gesagt, sie soll auf-passen. Sie kommt bald in das Alter. Ich hab’s aufgege-ben, damals als mein Mann starb. Schluß mit den Diäten.Schrecklich!« Nickte und bugsierte eine Backpflaume aufdie Gabel, umsichtig, fast zärtlich.

»Ach was!« Wenn die Rede aufs Essen kam, fühlte FrauMulde sich angesprochen. »Gesund muß Essen sein. Maß-halten. Vernünftig essen. Das ist Pflicht!«

»Alles in Ordnung mit dem Fräulein Tochter?« wieder-holte Frau Sippel ihre Frage. »Sie schien mir so in Gedan-ken, ganz der Vater.« Katja hatte, anders als sonst, die Frauheute kaum gegrüßt, und diese konnte ihren Verdruß hin-ter einem süß-besorgten Tonfall nur schlecht verbergen.

»Ja, natürlich«, erwiderte Musbach, und Frau Muldesprang ihm bei: »Sicher eine Klassenarbeit. Das sind Kor-rekturen bis spät in die Nacht. Ich weiß das noch von mei-nem Sohn, als der …«

Keiner hörte mehr zu. Nicht einmal Rattke, der nacheinem verstohlenen Blick auf die Uhr Hans Musbach frag-te, ob er sich heute abend den zweiten Teil der Stalingrad-Dokumentation ansehe. Eine rhetorische Frage, mit derenHilfe er Musbach in eine Diskussion über Art und Umfangdes Zahlenmaterials der Sendung zu verwickeln hoffte.

23

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 23145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 23 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 24: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

»Stalingrad«, kam Dicks dem Angesprochenen zuvor, diebeiden A verächtlich in die Länge ziehend. »Wer interes-siert sich denn heute noch für Stalingrad? Es gibt doch fri-sche Kriege genug!« Hatte er leise gekichert?

»Nein, schau ich mir nicht an«, erwiderte Musbach kurz.Doch Rattke, entgegen seiner sonstigen Wortkargheit,

ließ nicht locker. »Nicht? Warum nicht? Ist doch eine her-vorragende Dokumentation. Alles akkurat belegt.«

»Nicht?« widerholte auch Frau Sippel verblüfft und er-gänzte, noch verärgert über Katja: »Wo Sie doch sonst stän-dig betonen, daß nichts vergessen werden darf aus dieserZeit. Mein Sohn schwärmt noch heute von Ihrem Ge-schichtsunterricht. Egal, ob Kaiser Nero, Caesar oder Cali-gulla, irgendwie, erzählte mein Christoph bei jeder Fami-lienfeier, kriegt der Musbach den Bogen zu Hitler und insDritte Reich. Wortwörtlich konnte der Junge wiederholen,was Sie den Kindern damals beigebracht haben. Daß alleDeutschen heute Verantwortung tragen und so. Und dasvor der ganzen Verwandtschaft!«

»Calígula«, erwiderte Musbach trocken. »Nicht Caligúlla.Ja, so war’s.«

»Fakten bleiben doch immer interessant«, meinte Rattke,der sich gemaßregelt fühlte.

»Jawohl«, pflichtete ihm die kleine Dame bei, die sichvon einem der Nebentische genähert hatte. »P, E, nichts,nichts, N, nichts, dann wieder nichts und noch mal nichts«,sagte sie statt einer Begrüßung. »Chinesischer Schoßhundmit acht Buchstaben.« Kaum ein Tag verging, an dem sienicht an Tisch »Freesie« Beistand für ihre Kreuzworträtselsuchte, vornehmlich von Musbach. Sie bewunderte seinhervorragendes Gedächtnis. »Registrierkassengedächtnis«,hatten die Kollegen gespöttelt; in der »Residenz« wurde ernur noch beneidet.

24

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 24145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 24 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 25: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

»Könnten wir nichts vergessen, würden wir uns auchnichts Neues merken können«, tröstete er gern, wenn Mit-bewohner beunruhigt über Vergeßlichkeit klagten. Vor län-gerer Zeit hatte er hier einen Vortrag über die »Ge-dächtniskunst« gehalten und einige antike Techniken desAuswendiglernens vorgestellt. Nicht ohne zu betonen, daßBüchern über das Behaltenlernen auch jeweils ein Kapitelzur Kunst des Vergessens angefügt war. »Das allgemeineVergessen«, hatte er geschlossen, »gehört zur menschlichenNatur.« Und: »Sein Unglück vergessen können ist dieHälfte des Glücks«, hatte er einen seiner antiken Weg-weiser zitiert.

Das Publikum war beeindruckt. Tage-, ja wochenlanghatte man sich mit Musbachs Anekdoten und Beispielenauseinandergesetzt. Für manche war dieser Abend gerade-zu eine Erlösung gewesen. Vergessen kann befreien – Erin-nerung quälen. Darin war man sich einig. Frau Sippel hattegeträllert: »Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zuändern ist«, und eine andere fiel ein: »Mach’ es wie dieSonnenuhr, zähl’ die goldenen Stunden nur.« Nur dieAnfänge lohnten das Erinnern, hatte eine dritte gemeint,Anfänge wie Seifenblasen, ohne Vergangenheit, ohne Zu-kunft, schillernde Kugeln, atemleicht durch einen Draht-ring in die Luft geblasen, alsbald zerplatzt.

Aber auch die Ernsthafteren waren der Ansicht, daß esmitunter gut sein könne zu vergessen, den Haß, Schmer-zen, das Leid. Wenige protestierten. Vergessen, meintensie, das ist leicht gesagt. Dann kommt der Schrecken in denTräumen wieder.

»Lethe trinken«, hatte Musbach damals geraten. Lethe,der Fluß der Unterwelt, der den Seelen der VerstorbenenVergessen spendet. Wer daraus trinke, könne seine frühereExistenz vergessen und werde wiedergeboren. »Wohl zu-

25

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 25145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 25 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 26: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

viel Lethe getrunken« wurde zum geflügelten Wort für alle,die abends nicht mehr wußten, wohin sie morgens ihrePantoffeln gestellt hatten.

Musbach war müder als sonst vom Abendessen zurückge-kommen. Er hatte das kurze Gespräch mit Katja vergessenwollen, doch da lag es wieder, das Buch, der Katalog, diesesSignal einer Zeit, die er einst so mühsam verlassen hatte.

Wieder spürte er den Ärger, der ihn erfaßt hatte, als Katjaihm den Fotoband so herrisch über den Schreibtisch ge-schoben hatte. Was sollte die herablassende Bemerkung:»Schau dir das Buch bitte an. Dein Bild wirst du da ja nichtdrin finden.« Dieser Satz, ihre Stimme, unsicher und her-ausfordernd zugleich, ließen ihn nicht los.

Musbach versuchte, in den Fluß seiner Tage zurückzufin-den. Er schlug das Buch wieder auf, das er bei KatjasAnkunft zur Seite gelegt hatte. Aber Sulla konnte ihn nichtzurückgewinnen.

Unentschlossen musterte er seine sauber geordnetenBuchreihen nach einer Lektüre, die ihn Katalog und Ge-plapper des Speisesaals vergessen lassen würde. Er konntesich nicht entscheiden. Was er kannte, müßte ihn heuteenttäuschen und die neue, geradezu obszöne Catull-Über-setzung schien ihm allzu gewagt und verletzte seinen Sinnfür die Strenge der lateinischen Form. Er machte denFernseher an: Krimis. Wohin man zappte, die bekanntenGesichter. Schon auf den ersten Blick wußte man, wer andiesem Abend der Schuft sein werde. Oder, Überraschung:das seit Jahren gewohnte Gesicht des sympathischenKommissars als Fratze eines Verbrechers. Verwirrung derKlischees. Aber andauernd dieselben Schauspieler, festge-schriebene Typen mit austauschbaren Texten. Und danndiese Ratespiele. Ein blondes Dekolleté versprach den

26

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 26145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 26 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 27: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Zuschauern zweihundert Euro, wenn sie anriefen undkundtaten, woraus man Tomatensuppe mache oder wie dasTier heiße, das man reiten könne, schwarz ein Rappe, weißein Schimmel. Dazu Abbildungen der gefragten Gegen-stände auf dem Bildschirm.

Die Unruhe wollte nicht vergehen. Warum hatte Rattkenicht verstehen wollen, daß Günter Grass mit seinem»Krebsgang« nicht die Nazimorde gegen deutsches Un-glück aufrechnen wollte? War es denn niemals möglich,auch das ganze Bild zu sehen? Das Unheil des ErstenWeltkriegs, das Terrorregime der Nazis zunächst gegen diedeutschen Demokraten, gegen die Juden und schließlichgegen ein Europa, das sich nach Frieden sehnte? Unddann auch noch das, was er am eigenen Körper erfahrenhatte, ohne jemals selbst etwas entscheiden zu können; er,ein Teil der deutschen Kriegsmaschine und ihr Opferzugleich. Mußte man aus dem Mosaik immer nur dieSteine einer Farbe auswählen? Gab nicht erst das ganzeBild einen Sinn?

Es dauerte eine Weile, bis Musbach bemerkte, daß seinBlick vom Bild auf dem Einband des Katalogs nicht los-kam. Er kannte solche Fotos. Frau Sippel hatte ja recht:Wann immer er in den Unterrichtsstunden der Oberstufeauf die grausamen Kriege des Altertums zu sprechen ge-kommen war, nie hatte er versäumt, die Schüler über dasVerständnis der Geschichte hinaus auch auf die Kriegeihrer eigenen Zeit, des zwanzigsten Jahrhunderts, hinzu-weisen; auf die immer größeren Räume, auf die unverän-derte Brutalität. Auf die Bestie Mensch. Er wollte War-nung sein mit der Erfahrung seiner Generation und seinemWissen und so die Verantwortung der Generationen stär-ken. Jetzt war er alt und hier. Er hatte doch nichts ver-säumt! Warum sträubte sich alles in ihm, den Katalog in die

27

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 27145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 27 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 28: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

Hand zu nehmen, wenn Katja ihn doch bat? Woher dieserWiderwille? Dieses Zögern? Warum sollte er heraus ausdiesem inneren Frieden mit seiner Zeit, den er sich in vie-len Jahren erarbeitet und verdient zu haben meinte?Altersfrieden.

Doch seit die Tochter ihm den Katalog so nachdrücklichzugeschoben hatte, fühlte er ein Kramen in den Fächernseines Gedächtnisses, eine Verstörung, wie er sie seit Jah-ren nicht mehr kannte, nicht seit Hugos dreißigstemTodestag, als er den kleinen Gedenkstein auf dem Ohls-dorfer Friedhof aufstellen ließ. Ohne Verwandte oderFreunde des Freundes, der da draußen in Rußland so ein-sam lag, wie Musbach hier einsam ihrer Freundschaftgedachte. Vierzig Jahre hatte er dieses Gefühl einer unvoll-endeten Geschichte nicht mehr so gespürt wie an diesemAbend heute. Gut, daß Katja ihm in dieser Stimmung nichtgegenübersaß. Ihr wäre kaum entgangen, daß der langeSatz seines Lebens noch nicht zu Ende gesprochen war.

145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 28145_10017_Hahn_Unscharfe_Bilder.indd 28 12.06.17 11:5812.06.17 11:58

Page 29: 1145 10017 Hahn Unscharfe Bilder.indd 145 10017 Hahn … · Ulla Hahn, aufgewachsen im Rheinland, arbeitete nach ihrer Germanistik-Promotion als Lehrbeauftragte an verschiedenen

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Ulla Hahn

Unscharfe BilderRoman

Taschenbuch, Broschur, 288 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-328-10017-1

Penguin

Erscheinungstermin: Oktober 2017

Vergessen kann man nur, was man zuvor erinnert hat. Katja Wild, Hamburger Studienrätin, glaubt auf einem Foto der Wehrmachtsausstellung ihrenVater erkannt zu haben. Sie weiß, dass ihr Vater Soldat in Russland war. Inzwischen ist er82 Jahre alt und verbringt seinen Lebensabend in einer Senioren-Residenz mit Elbblick. DerOberstudienrat mit den Fächern Alte Geschichte, Griechisch und Latein galt seiner Familie,den Kollegen und Schülern als ein Humanist alten Schlages und Spezialist der Erinnerung. EinLehrer ohne Fehl und Tadel, ein vorbildlicher Vater. Nun, fast 60 Jahre nach Kriegsende, siehtKatja dieses Foto. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um ihn nach seinen Erlebnissen im ZweitenWeltkrieg zu befragen ... Eine schmerzliche Reise in die Vergangenheit beginnt.