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Es geht auch anders: 4. Sepp Holzers Permakultur Einen revolutionär anderen Weg geht der österreichische Agrar- Pionier Sepp Holzer, der inzwi- schen Berühmtheit weit über die Grenzen seiner Heimat hin- aus erlangt hat. Der oberste Grundsatz seiner Anbaumetho- de liegt in der Beobachtung der Natur. Holzer erforscht seit 1962, wie sich Pflanzen bzw. Pflanzen und Tiere gegenseitig helfen – und experimentiert mit sich selbst unterstützenden und erhaltenden Systemen. Sein eigener Hof, der Krameter- Hof im Lungau (Bundesland Salzburg), liegt am „Kältepol Österreichs“ auf über 1100 bis knapp 1500 Meter Meereshöhe. Hier gibt es normalerweise nur Forst- oder Almwirtschaft. Obst- bau sei nur bis etwa 1000 m Hö- he möglich. Sepp Holzer kulti- viert auf seinen 45 Hektar Berg- hangfläche im „Sibirien Öster- reichs“ rund 14.000 Obstbäume, nicht nur Äpfel, Birnen, Pflau- men, Kirschen in unzähligen Sorten, sondern auch Maroni, Aprikosen, Zitronen und Man- darinen. Auch Kiwis, Orchideen und viele andere wärmebedürf- tige Pflanzen wachsen auf dem Gelände, wie Tomaten, Kürbis- se, Zucchini, Mais usw. Das Geheimnis liegt in der bun- ten, ja bewusst vielfältigsten Kombination. Holzer schließt nicht aus, sondern integriert. Er bekämpft nicht, sondern unter- stützt. Wenn Wühlmäuse Baum- wurzeln anfressen, bekämpft er sie nicht, sondern bietet ihnen statt dessen wohlschmeckende- res Futter in Form zusätzlich an- gebauter Pflanzen. Wenn Vögel Kirschen, Himbeeren, Brombee- ren wegfressen, pflanzt er eine Eberesche, für deren Früchte die Vögel dann das Menschenfutter unberührt lassen. Seine Philoso- phie: Jeder soll seinen Teil be- kommen. Unkräuter und Schäd- linge gibt es nicht: Disteln, gifti- ge Blumen, Brennnesseln, In- sekten, Käfer, Fliegenpilze – sie alle sind Teil eines Ganzen, wo eines dem anderen hilft. Holzer züchtet Regenwürmer als beste Pfleger des Bodens, er legt Terrassen- und Hügelbeete an, schafft Bachläufe, integriert Aqua- und Fortkultur, bildet Symbiosen. So gibt es auf dem Krameterhof beispielsweise auch Schweine (eine ganz be- sondere Rasse, sog. Mangaliza- schweine), die das ganze Jahr im Freien leben und ganz ohne Mo- natsgehalt den Boden lockern. Sie brauchen keine besondere Fürsorge, keine Ställe oder indu- striellen Futtermittel. Sie leben einfach dort, finden alles, was sie zum Leben brauchen, sind ge- sund und munter. Es gibt auf dem Hof auch Steine und Felsen. Sie heizen sich wäh- rend des Tages durch das Son- nenlicht auf und dienen wärme- bedürftigen Pflanzen als Hei- zung. Abgestorbene Bäume oder Baumstümpfe werden nicht ent- fernt, denn sie sind Lebensraum für Kleinstlebewesen und lecke- re Pilze. Nichts ist auf dem Kra- meterhof überflüssig, nichts Ab- fall, nichts „schädlich“ – alles er- füllt seine Aufgabe und gehört ins große Ganze. Tausende Menschen aus aller Welt reisen jährlich auf den Kra- meterhof, um sich von den Wun- dern mit eigenen Augen zu über- zeugen. Sepp Holzer wird zu- dem aus allen Teilen der Welt ge- bucht, um unfruchtbares Land in ein Paradies zu verwandeln. Dies tat er mittlerweile im tro- ckenen Alentejo im Süden Por- tugals (im Friedensdorf Tamera), geradezu spektakulär erfolg- reich in Ecuador und Kolum- bien, auf Teneriffa, in der Steppe Kasachstans sowie in weiteren Regionen Russlands, vom Sü- den der Ukraine bis nach Sankt Petersburg, in Chile und Schott- land ebenso wie in Jordanien. Denn das ist ja gerade die Beson- derheit der Holzerschen Anbau- methode. Sie ermöglicht die 25 besser leben 07-09/2012 www.sabinehinz.de · Sabine Hinz Verlag ·Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] · Links Mitte Rechts : Permakultur im Friedensdorf „Tamera“ in Südportugal, wo Holzer eine Permakultur angelegt hat. : Auf dem Krameterhof wachsen Zitrusfrüchte und Wein geschützt von wärmenden Steinen. :Terrassen-Teich-Kultur am Krameterhof. Der österreichische Agrar-Pionier inmitten seiner Permakultur am Krameterhof Sepp Holzer

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Es geht auch anders:4. Sepp Holzers Permakultur

Einen revolutionär anderen Weggeht der österreichische Agrar-Pionier Sepp Holzer, der inzwi-schen Berühmtheit weit überdie Grenzen seiner Heimat hin-aus erlangt hat. Der obersteGrundsatz seiner Anbaumetho-de liegt in der Beobachtung derNatur. Holzer erforscht seit1962, wie sich Pflanzen bzw.Pflanzen und Tiere gegenseitighelfen – und experimentiert mitsich selbst unterstützenden underhaltenden Systemen.

Sein eigener Hof, der Krameter-Hof im Lungau (BundeslandSalzburg), liegt am „KältepolÖsterreichs“ auf über 1100 bisknapp 1500 Meter Meereshöhe.Hier gibt es normalerweise nurForst- oder Almwirtschaft. Obst-bau sei nur bis etwa 1000 m Hö-he möglich. Sepp Holzer kulti-viert auf seinen 45 Hektar Berg-hangfläche im „Sibirien Öster-reichs“ rund 14.000 Obstbäume,nicht nur Äpfel, Birnen, Pflau-men, Kirschen in unzähligenSorten, sondern auch Maroni,Aprikosen, Zitronen und Man-darinen. Auch Kiwis, Orchideenund viele andere wärmebedürf-tige Pflanzen wachsen auf demGelände, wie Tomaten, Kürbis-se, Zucchini, Mais usw.

Das Geheimnis liegt in der bun-ten, ja bewusst vielfältigstenKombination. Holzer schließtnicht aus, sondern integriert. Erbekämpft nicht, sondern unter-stützt. Wenn Wühlmäuse Baum-

wurzeln anfressen, bekämpft ersie nicht, sondern bietet ihnenstatt dessen wohlschmeckende-res Futter in Form zusätzlich an-gebauter Pflanzen. Wenn VögelKirschen, Himbeeren, Brombee-ren wegfressen, pflanzt er eineEberesche, für deren Früchte dieVögel dann das Menschenfutterunberührt lassen. Seine Philoso-phie: Jeder soll seinen Teil be-kommen. Unkräuter und Schäd-linge gibt es nicht: Disteln, gifti-ge Blumen, Brennnesseln, In-sekten, Käfer, Fliegenpilze – siealle sind Teil eines Ganzen, woeines dem anderen hilft.

Holzer züchtet Regenwürmer alsbeste Pfleger des Bodens, er legtTerrassen- und Hügelbeete an,schafft Bachläufe, integriertAqua- und Fortkultur, bildetSymbiosen. So gibt es auf demKrameterhof beispielsweiseauch Schweine (eine ganz be-sondere Rasse, sog. Mangaliza-schweine), die das ganze Jahr imFreien leben und ganz ohne Mo-natsgehalt den Boden lockern.Sie brauchen keine besondereFürsorge, keine Ställe oder indu-striellen Futtermittel. Sie lebeneinfach dort, finden alles, wassie zum Leben brauchen, sind ge-sund und munter.

Es gibt auf dem Hof auch Steineund Felsen. Sie heizen sich wäh-rend des Tages durch das Son-nenlicht auf und dienen wärme-bedürftigen Pflanzen als Hei-zung. Abgestorbene Bäume oderBaumstümpfe werden nicht ent-fernt, denn sie sind Lebensraumfür Kleinstlebewesen und lecke-

re Pilze. Nichts ist auf dem Kra-meterhof überflüssig, nichts Ab-fall, nichts „schädlich“ – alles er-füllt seine Aufgabe und gehörtins große Ganze.

Tausende Menschen aus allerWelt reisen jährlich auf den Kra-meterhof, um sich von den Wun-dern mit eigenen Augen zu über-zeugen. Sepp Holzer wird zu-dem aus allen Teilen der Welt ge-bucht, um unfruchtbares Landin ein Paradies zu verwandeln.Dies tat er mittlerweile im tro-ckenen Alentejo im Süden Por-tugals (im Friedensdorf Tamera),geradezu spektakulär erfolg-reich in Ecuador und Kolum-bien, auf Teneriffa, in der SteppeKasachstans sowie in weiterenRegionen Russlands, vom Sü-den der Ukraine bis nach SanktPetersburg, in Chile und Schott-land ebenso wie in Jordanien.Denn das ist ja gerade die Beson-derheit der Holzerschen Anbau-methode. Sie ermöglicht die

25 besser leben 07-09/2012 www.sabinehinz.de· Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] ·

Links MitteRechts

: Permakultur im Friedensdorf „Tamera“ in Südportugal, wo Holzer eine Permakultur angelegt hat. : Auf dem Krameterhofwachsen Zitrusfrüchte und Wein geschützt von wärmenden Steinen. : Terrassen-Teich-Kultur am Krameterhof.

Der österreichische Agrar-Pionierinmitten seiner

Permakultur am KrameterhofSepp Holzer

landwirtschaftliche Nutzung inExtremzonen (von alpinen Re-gionen, bis hin zu Trockengebie-ten und Kältesteppen), wie auchdie Rekultivierung durch Inten-sivlandwirtschaft geschädigterFlächen. Sie ist wirksame Kata-strophenvorbeugung gegenHochwasser, Erosion undSturmschäden, schafft ganzheit-liche Naturerlebnislandschaf-ten, ja schließt sogar die Nut-zung alternativer Energiesyste-me mit ein. Besonderes Augen-merk wird dabei auf den Wasser-haushalt der Landschaft gelegt.

Der Begriff der Permakultur wur-de dabei nicht von Sepp Holzererdacht, sondern geht auf denAustralier Dr. Bill Mollison zu-rück, der Mitte der 1970er JahreIdeen zum Aufbau landwirt-schaftlicher Systeme entwickel-te, mit denen die Nahrungsver-sorgung langfristig besser ge-

währleistet werden soll als mitden industriell-konventionellenAnbaumethoden. Für seinenDenkansatz prägte er den BegriffPermakultur. Derselbe ist eineVerknüpfung der Wörter

– zu deutsch:„dauerhafte Landwirtschaft“.

Sepp Holzer entwickelte seinKonzept ohne Vorkenntnis deraustralischen Ideen, wobei seineAnbaumethode der Mollisonsnahe kam. Der Begriff „Holzer-sche Permakultur“ wurde erstspäter von anderen geprägt.

Permakultureller Anbau erfor-dert, die Natur, ihre Kreisläufeund Zusammenhänge zu beob-achten, zu verstehen, zu unter-stützen. Sobald der Landwirtdies einmal erfasst hat, wird erselbst kreativ und intuitiv dasRichtige tun und kann dann An-bauflächen kultivieren, die fastkeinen Aufwand und Personal-einsatz erfordern. Denn derLandwirt schafft hier sich selbstregulierende Kreisläufe und Sys-teme, lässt alles kunterbuntwachsen und gedeihen.

Selbst Verkauf und Ernte lassensich permakulturell organisie-ren: So kann der Landwirt vonZeit zu Zeit Besucher über denHof führen, die mitnehmen, wassie tragen können – am Ausgangwird gewogen und abgerechnet.

Aber auch ohne permakulturelleGesamtzusammenhänge verin-nerlicht zu haben, lassen sichdie Grundprinzipien der Perma-kultur in Obst-, Forst-, Wasser-und Landwirtschaft sowie imGartenanbau erfolgreich umset-zen, wie z.B. Hügelbeete, Terras-

perma-

nent agriculture

senbeete, die Holzerschen Infor-mationen zur Pilzzucht, zur Bo-denbearbeitung usw. Aus der Be-schäftigung mit der Permakultur– Sepp Holzer hat mittlerweilefünf Bücher geschrieben und ei-ne DVD produziert – kann somitjeder Landwirt Nutzen und Ge-winn ziehen, egal, wie viel Pro-zent der permakulturellen Ge-samtidee er letztlich umsetzt.

Auch die Permakultur ist längst„erwachsen“ geworden, keineAußenseitermethode mehr, son-dern weltweit anerkannt, solideerprobt und funktionsfähig. Siewird von Privatpersonen in ih-ren Hausgärten angewendet, in„Permakultur-Gewächshäusern“und Schrebergärten, bis hin zualternativ denkenden landwirt-schaftlichen Betrieben undLandwirtschaften in Extremzo-nen. Die Zeiten, in denen per-makulturell Anbauende alsQuerdenker verunglimpft wur-den, gehören längst der Vergan-genheit an. Permakultur ist pra-xisbewährt, lebenrettend undweltweit bekannt für ihre her-vorragenden Ergebnisse.

26besser leben 07-09/2012 www.sabinehinz.de· Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] ·

Depeschen, Bücher, Internet-Links und Tipps zum Thema:

Depesche: Kostenlose Leseprobe „Flaschenpost“ auf www.sabinehinz.deBücher: Mittlerweile gibt es fünf Bücher von Sepp Holzer selbst, siehe:

www.krameterhof.at -> Rubrik „Publikationen“Dokumentationen: www.krameterhof.at -> Rubrik „Videos“Veranstaltungen: www.krameterhof.at -> Rubrik „Veranstaltungen“

Webseite allg.: www.krameterhof.atBlog:

http://waldgarten.wordpress.com

http://permagarten.wordpress.com

Als Grundlage eines Hügelbeets dienenHecken- und Baumschnitt, Laub undKomposterde. Durch die Hügelform wirddie Anbaufläche vergrößert (oder über-haupt erst geschaffen) – die Verrottungder organischen Substanzen erzeugt fürPflanzen vorteilhafte Wärme. Alles wei-tere dazu erfährt man im Blog von Depe-schenbezieherin Hannelore Zech:http://permagarten.wordpress.com/Die Veranstaltungen zum Thema hier:http://waldgarten.wordpress.com/

Mittlerweile ist der „Agrar-Rebell“ Hol-zer ein international gefragter Expertegeworden und hilft von Russland überSchottland, Spanien und Portugal bishin nach Südamerika bei der Renatu-rierung von Landschaften und beimAufbau alternativer Möglichkeiten derSelbstversorgung im städtischenRaum. Im Zentrum von Sepp Holzersneuestem Buch stehen die Anlage vonTeichen und Seen und das naturgemä-ße Wasser-Management als Grundla-gen jeder Renaturierung von Land-schaften. Waldaufbau, Mischkulturund Regenerierung des Bodenlebenssind weitere zentrale Themen in Hol-zers Strategie für die Welternährung.Seine Botschaft: Selbstversorgung ist– mit den richtigen Methoden – überallauf der Erde möglich.

Es geht auch anders:5. Terra Preta

Die vielleicht revolutionärsteEntdeckung von allen wurdeerst kürzlich wieder „ausgegra-ben“. Die Rede ist von der ewigfruchtbaren Humus-Erde derAmazonas-Indios in Brasilien,„Terra Preta“ genannt, portugie-sisch (Landessprache in Brasi-lien) für „schwarze Erde“.

Archäologen entdeckten Endedes 20. Jahrhunderts im brasilia-nischen Amazonas-Dschungelzahlreiche, auf eine Hochkulturhindeutende Tonscherben, diein ganz besonders nährstoffrei-chen Schwarzerde-Böden einge-schlossen waren – Böden, wiesie im Amazonasgebiet na-türlich vorkommen und die Wis-senschaft vor ein Rätsel stellten:Weshalb tritt ausgerechnet inden gelben, unfruchtbaren Ver-witterungsböden des Amazonasfruchtbarste Schwarzerde auf,die sich dazu noch bis heute alsfruchtbarer Boden erhalten hat?

In der Folge erforschen Boden-kundler seit den 1990er Jahrendie Zusammensetzung dieserTerra Preta und das Geheimnisihrer Entstehung. Ein Team derUniversität Bayreuth konnteschließlich beweisen, dass dieTerra Preta von Menschenhandgeschaffen worden war. Dochwie? Die Amazonas-Indios ga-ben organische Abfälle (Grün-schnitt, Essensreste, Knochen,Fäkalien usw.) in ein Tongefäßund fermentierten sie zusam-men mit – und das ist nun dasgroße Geheimnis – !Mit diesem Superdünger rei-cherten sie die ansonsten un-fruchtbare Regenwalderde an.

Der Gag: Die Holzkohle mit ih-ren feinen Poren bietet ein gutesZuhause für Mikroorganismenverschiedenster Art, sie könnendort besser und länger überle-ben. Die Kombination also aus 1.Dung, 2. pflanzlichen Abfällen,

nicht

Holzkohle

Pilze erforschten. Terra Pretakann heute wieder ganz exakt sohergestellt werden wie seiner-zeit im Amazonas und ist nunseit etwa 2006 frei auf demMarkt verfügbar. Die Markenna-men lauten beispielsweise Pala-terra (fertige Terra Preta) oderTriaterra (Starterset zur Selbst-herstellung von Terra Preta).

Seither experimentieren Wis-senschaftler mit Terra Preta undentdecken ganz Erstaunliches:Terra Preta regeneriert sich nichtnur selbst, sie speichert auchWasser und Nährstoffe, wie bis-her keine andere Erde. Mit ihrwerden viele Pflanzen dreimalso groß, der Gesamtertrag bis zuviermal so hoch. Auf Versuchs-feldern wächst „Rote Bete sogroß wie ein Handball; Zucchi-ni, deren Scheiben so groß wieKuchenteller sind und Lauch, sodick wie ein Staubsaugerrohr.“Mit diesen Worten (und Bildern)beginnt eine 7-minütige, sehr se-henswerte SWR-Doku.

Die Doku spricht konkret davon,dass Terra Preta den Ackerbau

revolutio-nieren könne und zitiert For-scher, die bestätigen, dass TerraPreta

Explizit werden dabei

auf der ganzen Welt

sämtliche Bodenfruchtbar-

keitsprobleme der Welt lösen

könnte.

3. Mikroben (hier können EMzum Einsatz kommen) und 4.Holzkohle sorgt für eine Humus-Erde, die sich selbst regeneriertund – wie im Amazonas gesche-hen – über Jahrtausende hinwegfruchtbar bleibt. Was man erstheute weiß: Im Amazonasgebietlebte vor Jahrhunderten undJahrtausenden eine Indianerkul-tur, die Dutzende MillionenMenschen umfasste – trotz ei-gentlich unfruchtbarer Böden –ausschließlich dank Terra Preta.

Die fruchtbare Ackerkrume be-trug im Amazonasgebiet über ei-nen Meter Tiefe, teils mehrereMeter, an vereinzelten Stellen so-gar bis zu 20 Meter (Hügel) – undsie regenerierte sich selbst. Egal,was auch immer man anbaute,wie sehr man den Boden nutzte,seine Fruchtbarkeit blieb erhal-ten. Der Boden musste nie mehrzusätzlich nachgedüngt werden– sein Humusgehalt betrug dau-erhaft 10 bis 20 Prozent.

Zum Vergleich: Etwa die Hälftealler Ackerböden in Europaweist einen Humusgehalt vonunter einem Prozent bis maxi-mal zwei Prozent auf, 40 Prozentder europäischen Böden zeigeneinen mittleren Humusgehaltvon 2 - 6 Prozent. Nur 15 Prozentder Flächen besitzen einen Hu-musgehalt von über 6 Prozent(www.bodenwelten.de). 10 bis20 Prozent werden hierzulandeso gut wie nirgends erreicht. DieRegenerationsfähigkeit der TerraPreta im Amazonas ging sogar so-weit, dass die Wissenschaftlerden Boden dezimeterweise ab-tragen konnten und nach ein,zwei Jahren war die Humus-schicht wieder genau so dickwie ursprünglich.

Nun ist das Geheimnis dieser sa-genhaft fruchtbaren Humus-Erde wieder entdeckt, maßgeb-lich von Wissenschaftlern ausRheinland-Pfalz, welche die ge-naue Zusammensetzung der Bo-denorganismen, Bakterien und

27 besser leben 07-09/2012 www.sabinehinz.de· Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] ·

Depesche 08/2010 „Terra Preta – das Ge-heimnis ewig fruchtbarer Humus-Erde“:Wodurch entsteht unendliche Boden-fruchtbarkeit? Terra Preta selbst gemacht!

Versuche hervorgehoben, die er-gaben, dass Terra Preta sogar voll-kommen zerstörte Böden undSandböden, wie etwa in Wüs-ten, in fruchtbares Ackerland(zurück) verwandeln konnten.

Das bringt uns zu weiteren Al-ternativen: So haben wir in Depe-sche 23/2011 (Bild) das Wüsten-begrünungsprojekt von Dipl.-Ing. Madjid Abdellaziz (Wil-helm-Reich-Gesellschaft in Ber-lin) vorgestellt. Der gebürtige Al-gerier lässt es in der algerischenWüste seit mehreren Jahren mitHilfe der Technologien von Wil-helm Reich und Viktor Schau-berger regnen. Algerien meldetseither die höchsten Nieder-schlagsmengen seit Jahrzehn-ten. Im Winter 2011/2012 hat esdort sogar geschneit (zum erstenMal seit 27 Jahren).

Doch Niederschlag ist keines-wegs alles, wenn es darum geht,die Wüste zu begrünen. Würdeeinfach nur Wasser vom Himmelfallen, käme es zwar kurzfristigzu Seenbildung (Überschwem-mung), danach aber würde dasWasser „unverrichteter Dinge“im Boden versickern (ver-schwinden), da keine lockere Er-de, keine Bodenorganismen undkeine Pflanzen vorhanden sind,deren Wurzelwerk das Wasserspeichern könnte.

Daher verwendet Madjid Abdel-laziz mehrere Methoden, um dieSpeicherfähigkeit des Bodens zuerhöhen, wie etwa die bereits er-wähnten HOMA-Techniken, Ef-fektive Mikroorganismen, TerraPreta sowie auch permakulturel-

Es geht auch anders:6. Weitere Alternativen

le Prinzipien. Zudem benutztder erfolgreiche Wüstenbegrü-ner das zurWasserbelebung und experi-mentiert mit fürbesseres Pflanzenwachstum.

Das Unternehmen bie-tet – nach homöopathischemPrinzip – informierte Produkteim landwirtschaftlichen Bereichan, wie etwa zur Erhöhung derWasserqualität, zur Verminde-rung der Bodenerosion, zur Ver-besserung der Kompostierung,des Pflanzenwachstums und derWurzelbildung. Näheres auf derWebseite (siehe Kasten).

Hierbei handelt es sich um eineEntwicklung des AmerikanersDan Carlson, der in jahrzehnte-langer Forschung entdeckte, wel-che Klangfrequenzen Pflanzendazu anregen, mehr Nährstoffeaufzunehmen. Carlsen erreichtdamit heute eine phantastischanmutende Steigerung in Quan-tität und Qualität. Sojabohnen,die es statt 30 Schoten auf 300pro Pflanze bringen, 800 Toma-ten an einer Staude, dreifacheErnte in der Hälfte der Zeit, 60statt 10 Blüten an einem Rosen-busch, doppelte Höhe von Bäu-men in Baumschulen, Samen,die in der Hälfte der Zeit keimen.Aber dies ist nur die eine Seite:Was nutzen größere „Münder“,wenn nichts Nahrhaftes angebo-ten wird. So entwickelte Carlsonparallel dazu ein effektivesNährstoffkonzentrat, das denPflanzen einmal pro Woche früh-morgens, wenn der Tau noch aufden Blättern liegt, mit musikali-scher Begleitung auf die Blättergesprüht wird.

Penergetic-System

Sonic-Bloom

Penergetic

Penergetic

Sonic BloomGrander

Demeter

Belebtes bzw. informiertes Was-ser wie z.B. durch die

(und andere)kommen in der Landwirtschaftzunehmend zum Einsatz. Der be-kannte österreichische „Wasser-beleber“ zählt auf seiner Websei-te für sein Verfahren u.a. folgen-de Zielsetzungen in der Land-wirtschaft auf: gesündere Tiere,eine bessere Nährstoffverfügbar-keit für die Pflanzen, besseresWachstum, weniger Geruchs-entwicklung der Gülle.

Den auf den Begründer der An-throposophie Rudolf Steiner zu-rückgehenden biodynamischenDemeter-Anbau ließen wir bis-her unerwähnt. Nicht etwa, weilan seinen Ergebnissen etwas aus-zusetzen wäre, sondern weil ersich bereits auf breiter Ebenedurchsetzen konnte. Man erhältDemeter-Produkte heute auf je-dem Wochenmarkt, in jedem Bio-laden und Reformhaus. Hieranerkennen wir einmal mehr, dassindustrielle Methoden, Spritz-gifte, Kunstdünger, Gentechniketc. keinesfalls der Weisheit letz-ten Schluss bzw. nicht unbe-dingt den allein selig machen-den Weg zum Erfolg darstellen.Doch Demeter kann noch mehr:

Grander-

Wasserbelebung

28besser leben 07-09/2012 www.sabinehinz.de· Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · [email protected] ·

Depeschen, Bücher, Internet-Links und Tipps zu Terra Preta:

Terra Preta: http://www.palaterra.eu (Einkaufsmöglichkeit für Terra Preta)

www.triaterra.de (Alles zum Selbermachen)

Depesche: 08/2010: „Terra Preta – das Geheimnis ewig fruchtbarer Erde“

Forum: http://www.terra-preta-forum.de/

Dokumentationen: SWR: googeln nach „swr im grünen terra preta“

Auf YouTube: „ARTE Terra Preta Gold des Amazonas“ (43 Minuten)

Depesche 23/2011: „Wüste ade!“Integrale Umweltheilung und Wüsten-begrünung. Wie Dipl.-Ing. Madjid Ab-dellaziz aus einem einst toten StückWüste einen Garten Eden erschafft.

SEKEM

Der bio-dynamische Anbaunach den Prinzipien Rudolf Stei-ners wird auch dazu benutzt,Wüstenflächen urbar zu ma-chen. Das beeindruckendste Bei-spiel in dieser Hinsicht ist dieweltbekannte SEKEM-Initiative.1977 in Ägypten durch IbrahimAbouleish gegründet, hat diesel-be seither hektarweise ägypti-sche Wüste in fruchtbaresAckerland verwandelt, auf demLebensmittel und Baumwollebiodynamisch angebaut wer-den. Seither hat sich eine Firmanach der anderen zur Initiativegesellt: Unternehmen für Natur-medizin, Tees, Biotextilien u.v.a.

Der bio-dynamische Anbau inder Wüste ist so erfolgreich, dassdie ägyptische Regierung im gan-zen Land auf Spritzgifte imBaumwollanbau (zuvor 35.000 tjährlich) verzichtet. Bis heute ha-ben sich 850 Partnerfarmen derÄgyptischen Bio-DynamischenVereinigung EBDA (EgyptianBio-Dynamic Association) ange-schlossen und praktizieren inÄgypten nach Steiners Prinzi-pien. Weitere Informationen un-ter den Links (Kasten).

Es gibt einen 45-minütigen Doku-mentarfilm von Bertram Ver-haag: „Aus der Kraft der Sonne –Ibrahim Abouleish, der Visio-när“ und ein Buch „DIE SEKEM-VISION“ von Ibrahim Abouleishselbst (ISBN: 3-932386-77-9).

Weitere

Ein spannendes Versuchsfeld istdie Beeinflussung von Saatgutin einem elektrostatischen Feld,einem Hochspannungsfeld bzw.durch geringe Dosen Gamma-strahlung. Diesbezügliche For-schungen wurden bisher unterVerschluss gehalten. Dennochdarf als erwiesen gelten, dassleichte radioaktive Strahlungdie Linie der genetischen Ent-wicklung an einen früherenPunkt zurückwirft. Ähnlichesvollzieht sich offenbar in star-ken elektrostatischen Feldern.

Bestätigt wurden diese For-schungen 1987 durch denSchweizer Ciba-Konzern, der soUr-Farne, Ur-Weizen, Ur-Mais, jasogar Formen von Ur-Forellen„gezüchtet“ hat. Der Ur-Weizenwar gesünder, stärker, wohl-schmeckender, nährstoff- und er-tragreicher als sein Nachkom-me, dasselbe galt für die Urforel-len, die viel größer, gesünderund widerstandsfähiger waren.

Ich erwähne diese Entdeckung,weil hier ein Weg bestehen könn-te, um die überzüchteten, dege-nerierten Sorten und Arten heu-tiger Tage in einen ursprüngli-cheren Zustand zurückzufüh-ren. Wenngleich man derlei Ma-nipulation natürlich mit gesun-der Skepsis begegnen muss, sobirgt der Gedanke an sich docheine gewisse Hoffnung, spezielldann, wenn solche Forschungen

in industrie- und regierungsun-abhängigem Rahmen fortgeführtwürden. Mehr im Kasten unten.

Unabhängig davon existierenDutzende, Hunderte, wennnicht gar Tausende alternativeProjekte, Initiativen, Methoden,Techniken, Tricks, Ideen, teilsauch unerprobter oder fragli-cher Natur wie etwa das Erd-Magneto-Verfahren (Mehrertragim elektromagnetischen Feld),physikalische Verfahren, ausge-klügelte Nährlösungen, energe-tisierte Pflanzenjauchen, basi-sche Urgesteinsmehle usw.

Es gibt ganze Verlage, die ihrBuchsortiment rund um Tippsund Tricks zum biologischenLandbau oder Eigenanbau aus-richten wie z.B. den OLV (Orga-nischer Landbau Verlag KurtLau, Herausgeber der Zeitschrift„Natürlich Gärtnern“). Es gehtda um ökologischen Landbau,Humus, giftfreien Gemüsean-bau, Bodenpflege, um Mischkul-turpraxis, um das Mulchen, umNaturbauten (einfache Häuser,Brücken, Naturzäune, Terrassenu.a.), Selbstversorgung, EM, Per-makultur, Obstbau, aber auchums Wohnen, Kochen sowie umein gutes Dutzend spannenderThemen mehr. Natürlich gibt esnoch viele weitere Verlage, dielohnenswerte Literatur in die-sem Bereich anbieten. Einfachmal googeln...

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Depeschen, Bücher, Internet-Links und Tipps zum Thema

Wüstenbegrünung: www.desert-greening.comDepesche 23/2011

Penergetic: www.penergetic.comSonic Bloom: www.real-sonic-bloom.com · www.originalsonicbloom.comGrander-Wasser: www.grander.com ·

SEKEM:

www.grander-technologie.comDemeter: www.demeter.de

www.sekemshop.de · sekem-freunde.de, sekem-reisen.deDokumentation: www.denkmal-film.com/abstracts/Sekem.htmlBuch: „Die Sekem-Vision” von Ibrahim AbouleishUrzeit-Code: www.desert-greening.com/umweltheilung/ciba-geigyDepesche: 08+09/2008 (zum Urzeit-Code)Buch: Luc Bürgin: „Der Urzeit-Code –

die ökologische Alternative für umstrittene Gen-Technologie“Erd-Magneto-Verfahren: Das originale Buch zu den Forschungen aus den

1940er Jahren existiert komplett als PDF zum Herunterladen:http://www.thai-vita.de/downloads/Der%20Orga-Urkult.pdf

OLV-Verlag: http://www.olv-verlag.de

Es gibt nicht nur alternati-ve Anbauarten oder An-bauhilfen, sondern auch

neue Konzepte für die Zusam-menarbeit zwischen Anbauen-den (Erzeugern) und Konsumie-renden (Verbrauchern). Bisherkennen wir vorwiegend (A) denklassischen Bauernhof in Fami-lienbesitz mit gemischter Pro-duktion, das landwirtschaftli-che Idyll, das mehr und mehrverschwindet bzw. (B) das mo-derne industrielle Konzept.

Beim klassischen Bauernhof ge-langen die Erzeugnisse entwe-der über den Groß- und Einzel-handel zum Verbraucher, überden Wochenmarkt/Bauernmarktoder über einen „Hofladen“ – dasist ein an den Hof angeschlosse-ner Laden, wo die Endkunden di-rekt einkaufen. Für den Erzeugerbedeutet dies eine höhere Ge-winnspanne, für den Konsu-menten maximale Frische undhöhere Gewissheit bzw. Pro-duktsicherheit (er kann sehen,wo und wie produziert wird).

Da in modernen agrarindustriel-len Betrieben kaum mehr ge-mischte Landwirtschaft, son-dern vorrangig Spezialisierungstattfindet (z.B. auf Milch- oderEierproduktion, auf Hähnchen-mast, Futtermittel- oder Getrei-deproduktion etc.), sind diesel-ben mehrheitlich an die Indu-strie angeschlossen, d.h. ihre Er-zeugnisse gelangen nur noch in

(A) Klassischer Bauernhof

(B) Industriebetrieb

Ausnahmefällen direkt an denVerbraucher (z.B. als Puten-schnitzel auf dem Wochen-marktstand). Viel eher liefert derHähnchenmastbetrieb gerade-wegs an „Wüstenhof“ oder derGetreidebetrieb an die Groß-mühle, die ihrerseits an die Groß-bäckerei liefert etc.

Wohin dieses Konzept uns führt,wenn wir es weiterhin exzessiv,rücksichtslos und rein profit-orientiert betreiben – zur Aus-rottung der Menschheit – wurdebeschrieben. Will die Mensch-heit also überleben, muss sie zu-sätzliche Wege entdecken.

Natürlich wird das vorherr-schende agrarindustrielle Kon-zept nie gänzlich verschwinden,wie es für gewisse Produktions-schienen seinen Zweck erfüllt.Es muss nur seinen richtigenPlatz finden als Puzzleteil untervielen. Denn so lautet die heuti-ge Devise: Die Landwirtschaftder Zukunft braucht Vielfalt. EinBestandteil dieser Vielfalt wirdder monokulturelle, industrielleAnbau bleiben, nur eben in deut-lich geringerem Ausmaß. DasProblem mit der industriellenLandwirtschaft ist ja nur, dasssie zu dominant, einnehmendund beherrschend geworden ist,so dass viele Landwirte heutzu-tage schlicht keinen anderenAusweg sehen, als dem Ruf derIndustrie zu folgen (Domino-Effekt). Überlebensfähigkeitscheint da irrigerweise nur nochgewährleistet zu sein, wennman immer größere Flächen mitHigh-Tech-Mitteln bearbeitet.

Neues zu wagen, erfordert hin-gegen Mut, selbst dann, wenn esnach bestem Ermessen und ge-sundem Menschenverstand au-genscheinlich besser, vernünfti-ger und lohnenswerter wäre. EinLeben als Pionier ist verzwickt.Alleine dazustehen ist hart. Eige-ne Entscheidungen zu treffen,fällt schwer. Wege zu beschrei-ten, die noch kein anderer ging,bedeutet Risiko. Auf alternativeAnbaumethoden umzusteigen –und sei es „nur“ echtes Bio oderDemeter – erfordert immensesUmdenken, ein Umstieg auf HO-MA oder Permakultur erst recht.

Jeder Landwirt, der einen alter-nativen Weg erfolgreich be-schreitet, ist ein Stück bessereWelt! Jeder, der es wagt, verdientunseren Respekt – und unsereUnterstützung! Welche Wegenun gibt es also noch, um Land-wirte bzw. landwirtschaftlicheProdukte und Konsumenten zu-sammenzubringen?

Immer mehr Städter zieht es –nicht zuletzt dank drohenderWeltuntergangsszenarien – „zu-rück zur Natur“. Andere wieder-um sind mit den herkömmli-chen Anbaumethoden nicht zu-frieden. Sie würden gerne selbstanbauen, können es aber nicht.Denn (a) haben Sie keinen eige-nen Garten, (b) auch keine an-derweitig passende Fläche (c) zuwenig Fachwissen und Erfah-rung und (d) auch nicht die Zeit,um sich um den Eigenanbau zukümmern. Sie können es sichz.B. während einer Hitzewelleim Sommer nicht leisten, täglichvor der Arbeit in den Schreber-garten zu fahren – oder die Kir-schen zu ernten, bevor die Vögelsie klauen, die Erdbeeren, bevordie Schnecken kommen usw.

Einige Landwirte mit stadtna-hen Flächen haben festgestellt,dass sie mehr verdienen, wenn

C. Der Landwirt als Lehrer undDienstleister für Städter

30

Ein neues Miteinander!

Zwei klassische Vertriebskonzepte, die seit Jahrhunderten funktionierten. Es sindgute Konzepte, die auch in der Zukunft beibehalten, ja gestärkt werden sollten. Hierwird noch direkter Kontakt zwischen Erzeuger und Verbraucher gepflegt.

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D. Die Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft

Diesem Grundkonzept folgenauch die „Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften“, auf neu-deutsch „Food-Coops“ genannt(was dasselbe bedeutet), nurdass die Zusammenarbeit zwi-schen Landwirt und Verbrau-cher hier anders organisiertwird. Der Zweck ist hier nicht,dass die Städter selbst anbauenoder mehr aufs Land kommen,sondern dass der Landwirt ge-zielt für die Verbraucher nach de-ren Vorgaben produziert.

Durch die Food-Coops wird derBeruf des Landwirts quasi neudefiniert. Er erzeugt nicht mehr,wovon er denkt, dass er es ver-kaufen könne, sondern nur nochdas, was er quasi vorab schonverkauft hat. Bei einer Food-Coop besteht nämlich ein direk-tes Geschäftsverhältnis zwi-schen dem Landwirt undKonsumenten. D.h. die Konsu-menten beauftragen den Erzeu-ger – ohne Zwischenhändler.

In der Praxis sieht das so aus,dass sich z.B. 20, 50 oder 100 Fa-milien zusammenschließen (Or-ganisationsform frei wählbar,sinnvoll kann ein Verein sein) –wie z.B. alle Familien in einerStraße – und diese beauftragenden Landwirt. Der Nachteil ist,dass die Familien im Voraus wis-sen müssen, was sie das Jahrüber brauchen, also abschätzenmüssen, wie viele Kilo Karotten,Kartoffeln, Rettiche, Zwiebelnbenötigt werden.

Die großen Vorteile für die Ver-braucher sind dabei: Sie könnengenau bestimmen, angebautwird, wo angebaut wird, was an-gebaut wird, womit angebautwird, was verwendet wird, wel-che Anbaumethode zum Einsatzkommt. Sie können individuel-le, d.h. auch „esoterische“ Wün-sche äußern wie etwa HOMA-Anbau, Terra Preta usw.

seinen

wie

Unterweisung zur Verfügungsteht, für Bewässerung sorgt,beim Anlegen von Hügelbeetenhilft, Tipps zum Anbau gibt, undder – gegen Sonderhonorar – alsErntehelfer einspringt, z.B. beider Erdbeerernte usw. Der Mitar-beiter ist vor Ort und kümmertsich um die Leute und ihre Par-zellen. Im Winter hilft er beimHeranziehen von Setzlingen,hält Seminare und Schulungen.

Darüber hinaus könnten Son-derkonditionen vereinbart wer-den, wenn ein Städter z.B. Hüh-ner oder Karnickel auf seinemGelände halten oder einen Karp-fenteich anlegen will.

Vergleich: Wenn ein Landwirtauf einem Hektar durch z.B.Rapsanbau 1.800 Euro er-zielt, gilt dies als Spitzenwert!Der pro Hektar reichtvon Minusbeträgen aufwärts biszu ca. 1000 Euro. Wenn unserLandwirt nun vergleichsweisevon den vorgenannten 10.000Euro pro Hektar seine Eigen-pacht abzieht, das Gehalt desMitarbeiters, Versicherungen,Saatgut, Wasser, Strom, Kostenfür Werbung (Bekanntmachungdes Projekts), Internetseite undsonstige Aufwendungen, dannsollte er minimal 2.000,- Eurovor Steuer pro Hektar erzielen,was in der Landwirtschaft alssensationeller Gewinn gilt – und

haben riesige Vorteile:

Der Landwirt, weil er mehr ver-dient und (hoffentlich) nochmehr Spaß an seiner Arbeit hat,der Städter, weil er viel dazu-lernt, öfter an die frische Luftkommt und selbst angebaute, ge-sunde Lebensmittel erhält (wo-bei er ja seine Aufwendungenbeim Einkauf wieder einspart),die Natur, weil sie gepflegt undgeschützt wird, die Vögel undKleinlebewesen, weil ihnen na-türliche Kleinbiotope geschenktwerden usw. Ein klassischesWin-Win-Konzept also (ein Kon-zept, bei dem alle gewinnen).

Erlös

Gewinn

alle

sie den herkömmlichen Anbauunterlassen und dafür Parzellenan Städter vermieten, denen siezudem unter die Arme greifen.

Dabei ist es wichtig, klare Ab-sprachen zu treffen, denn theo-retisch ist bei einem solchenKonzept alles denkbar – von derreinen Überlassung einer Parzel-le ohne weitere Beratung oderHilfe, bis hin zum Full-Service-Paket mit „Lehrauftrag“ undRundumservice beim Säen,Pflanzen, Setzen, Pflegen,Gießen, Schneiden, Ernten usw.

Sagen wir, ein Bauer verwendetnur einen einzigen Hektar seinerFläche für ein derartiges Projekt,verbessert dort den Boden mitTerra Preta, HOMA und EM, un-terteilt diesen Hektar in 100 ein-zelne Flächen zu je 1 Ar (10 x 10Meter, siehe Schaubild zu Flä-chenmaßen am Anfang des Arti-kels). Wenn er von jedem Städ-ter, je nach geleistetem Service,im Schnitt 100 Euro monatlichePacht verlangt, ergibt dies be-reits einen Erlös von 10.000 Eu-ro im Monat – pro Hektar! Fürdieses Geld kann er tatsächlicheinen qualifizierten Mitarbeitereinstellen, der sich mit Perma-kultur etc. gut auskennt, denStädtern am Wochenende für

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13/2011: Die Idee der Erzeuger-Konsumenten-Gemeinschaft: Wenn derBauernhof direkt für Ihre Familie sowie fürFreunde und Bekannte produziert – frisch,bio, unabhängig, nach Ihren Wünschen.

Der Landwirt ist hier Dienstleis-ter und liefert, was seitens seinerAuftraggeber gewünscht wird.Preis frei verhandelbar. SeineVorteile: Er verdient mehr alsmit Raps, Weizen o.Ä, hat einegewisse Einkommenssicherheit,(wahrscheinlich) mehr Freudean der Tätigkeit, leistet mehr Hil-fe, hat direkteren Kontakt zu sei-nen Abnehmern, gewinnt neueErfahrungen, lernt neue Leutekennen, und er hat erstmals seitvielen Jahren wieder ein Ge-schäft mit einer realen Chanceauf Expansion! Food Coops sinddaher im Kommen.

Es gibt Konzepte, die also ganzanders funktionieren. Manch-mal muss man nur ein wenig um-denken, um in seinem Beruf beigleichem Arbeitsaufwand einMehrfaches zu verdienen. DerSchlüssel dazu ist, herauszufin-den, was der Verbraucher wirk-lich braucht bzw. wünscht.

Ein Hauptgrund, warum Land-wirte sich nicht auf solche neu-en Konzepte stürzen, ist der,dass sie ein extrovertiertes Natu-rell erfordern und man mit Leu-ten reden muss. Nicht gemein-hin klassischen Stärken ei-nes Landwirts! Dies daher als

die

Anregung für jene, die eben ge-nau das können: andere für neueKonzepte zu begeistern! Hierliegt Potential für eine neue Ge-schäftsidee: Man gewinne Land-wirte und Konsumenten für dieKonzepte C und D. Die Verbrau-cher sind meist total begeistert –und die Landwirte machen ohnezu zögern mit, sich einer-seits genügend Interessenten be-teiligen und gleichzeitig jemandda ist, der mit den Städternspricht und die ganze Angele-genheit koordiniert und leitet.

Wenn jemand ein Stück Land, ei-nen Garten, eine Terrasse, einenBalkon oder einen Schrebergar-ten besitzt, sich ein wenig aus-kennt und Spaß an der Sachehat, braucht er keinen externenDienstleister. Doch Selbstanbauist heutzutage unpopulär! Wieviele Familien haben in der Vor-stadt heute noch ein Gemüse-gärtchen? Das ist dieser Tagenicht mehr „in“! Heute hat maneinen englischen Rasen, sorg-sam gepflegte Blumenbeete, per-fekt geschnittene Hecken, ja

wenn

Neue Ideen und Konzeptebraucht das Land!

Eigenanbau

schon eine Kinderschaukel giltoft als „Verbrechen“. Wer da Ra-dieschen anpflanzt oder zur Be-grenzung seines Grundstücksgar eine stachelig-unordentlicheBrombeerhecke wählt, mutiertschnell zur „Unperson der Nach-barschaft“. Doch es ist kein Zei-chen von Gesundheit an eine zu-tiefst kranke Gesellschaft gut an-gepasst zu sein, sagte der indi-sche Philosoph Krishnamurti.

Das eindeutig Beste, was Sie inSachen Ernährung, Gesundheitund sogar Umweltschutz tunkönnen, ist es nun einmal, Ei-genanbau zu betreiben. LegenSie eine kleine Wildnis um IhrHaus herum an. Lassen Sie esblühen und gedeihen. Experi-mentieren Sie mit Terra Preta,Permakultur und/oder einem Per-makulturgewächshaus, mitHOMA-Techniken und Effekti-ven Mikroorganismen (EM).

Vielleicht werden Ihre Nach-barn anfangs über Sie lachenoder gar hinter Ihrem Rückentratschen. Doch spätestensdann, wenn es einmal zu Eng-pässen in der Nahrungsmittel-versorgung kommt, werden sieaufhören zu lachen. Es heißt,dass man auf gerade einmal 25

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Manchmal braucht es gar nicht viel Platz, sondern nur ein wenig Phantasie, um Eigenanbau zu betreiben. Wer würde nicht ger-ne am lauschigen Plätzlichen links zu Abend speisen – drei Quadratmeter der Terrasse reichen aus. Auch alte Töpfe, Krüge,Kannen, Flaschen können alsAnbaufläche dienen, und ein trostloser Innenhof kann so zur lebendigen Oase werden.

bis 100 Quadratmetern ausrei-chend Lebensmittel für einenMenschen produzieren könne.Die sollten sich finden lassen!

Falls Sie eigentlich wollen, aberüber keine geeignete Anbauflä-che verfügen, fragen Sie docheinfach mal Ihre Nachbarn. Vie-le, vor allem ältere Leute, gebenauch gerne einen Teil ihres Gar-tens ab, weil es ihnen zu viel Ar-beit geworden ist.

Wenn Sie zur Miete wohnen,könnten Sie den Eigentümer(und Ihre Nachbarn) fragen, ober/sie etwas dagegen hätte/n,wenn Sie ein wenig auf dem ge-meinsamen Hausgrundstückgärtnern. Vielleicht finden Sieso Mitmacher oder sogar neueFreunde? Schließen Sie sich alsMieter eines Mehrfamilienhau-ses zusammen und fragen Sieden Eigentümer. Sie könnten er-staunt sein, wie oft dieser Ge-danke (a) begrüßt wird, und (b),was Sie aus wenigen Quadrat-metern in einem Jahr alles ern-ten können. Vor allem dann,wenn Sie die vorigen Kapitelüber Permakultur, HOMA undTerra Preta sowie das nachfol-gende Kapitel über sog. „Stufen-gärten“ berücksichtigen.

So mancher Tüftler hat ein aus-geklügeltes System auf seinemBalkon installiert: Aus der Re-genrinne läuft Regenwasserüber eine Schiene in den erstenBlumenkasten, weiter in den

zweiten – so angeordnet, dassdas Wasser alle Kästen durch-fließt und aus dem letzten ab-fließen kann. Es gibt tatsächlich„das-halbe-Jahr-über-beinahe-Selbstversorger“ aus Balkonien,was Tomaten, Paprika, Kresse,Rucola, Basilikum, Minze,Schnittlauch, Petersilie usw. be-trifft. Ein schönes Hobby. Auchwird man erstaunt sein, wasman aus einem einzigen Balkonalles herausholen kann.

Wenn sich in Ihrer Nähe Obst-wiesen finden lassen, fragen Sieden Inhaber, ob Sie ein Eckchenabhaben dürfen. Manchmal gibtes da ungenutzte Winkel, Bah-nen, Rand- und Zwischenflä-chen, Teilstücke, die ungenutztePufferfläche darstellen etc.Selbst, wenn es eine Schienevon 20 x 1 Meter ist, käme Ihnendas doch grade recht. Eine sol-che Fläche können Sie supervon allen Seiten bearbeiten. Dasmüsste nach deutschem Rechtsogar erlaubt sein, so lange esnicht die ganze Obstwiese, son-dern nur ein kleines Teilstück da-von ist (man kann gegenüber ei-ner spitzfindigen Behörde argu-mentieren, dass Obstbäume bes-ser gedeihen, wenn zwischen-durch Bodenauflockerer ge-pflanzt werden etc., siehe nächs-tes Kapitel über Stufengärten).

Ich beschreibe solche Ideen hiervor allem deshalb, damit Sie se-hen, dass schlicht Erfindungs-reichtum gefragt ist. denn

Deutschland ist in dieser Hin-sicht viel zu aufgeräumt! Esbraucht ein paar lebendige Geis-ter, die Initiative einbringen,neue Konzepte, Anstöße vermit-teln – andere Länder sind dateils viel fortschrittlicher als wir.

Wenn Sie in einer ländlichen Re-gion leben, können Sie Landwir-te fragen, ob Sie Ihnen ein paarQuadratmeter vermieten. Egal,wie wenig der Bauer dafür vonIhnen verlangt, er wird dann ausdiesen Quadratmetern mehr Pro-fit herausholen, als wenn er dasLand selbst bewirtschaftete.Dies gilt vor allem dann, wennes sich z.B. um spitz zulaufendeSeitenstücke handeln sollte, dienicht mit Landmaschinen zu be-arbeiten sind. Nutzen Sie spe-ziell solche Flächen.

Wenn ein Landwirt aus einemHektar üblicherweise etwa 500Euro Gewinn herausholt und erIhnen nur den zehnten Teil de-selben (= 1000 Quadratmeter)für 100 Euro im Monat vermie-tet, dann bringt ihm das propor-tional doppelt so viel ein – undzwar ganz ohne dass er dafür et-was arbeiten muss. Doch Sie kön-nen mit dem hier geschildertenWissen über alternative Anbau-methoden auf 1000 Quadratme-ter Fläche locker vollkommenautark werden! Für den Bauernbedeutet es also einen Zugewinnauf einem ansonsten ungenutz-ten Stück Land, für Sie bedeutetes Autarkie!

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LinksMitte

: Es ist erstaunlich, was man aus einem normalen Balkon anAnbaufläche herausholen kann. Wie das im Foto unten mit Blu-men praktiziert wird, lässt es sich mit essbaren Kräutern, Salat, Tomaten etc. praktizieren. : Um das ganze Fenster optimalauszunutzen, hat Depeschenbezieherin Hannelore Zech ein Fensterregal gebastelt (http://waldgarten.wordpress.com).Rechts:Anstatt einer Pergola lässt sich auch ein Tomaten- pflanzen :-)Baum

Im KOPP-Verlag ist ein wunder-schön aufgemachtes Buch er-schienen (A4 und durchgehendin Farbe) des amerikanischen Au-tors Brett L. Markham, das ebendiesen Titel trägt: „Mini-Farming– autark auf 1000 Quadratme-tern“. Inhaltlich ist mir das Buchvon der Denkweise zu amerika-nisch und zu orthodox (zu tradi-tionell im Denken). Dennoch istes ein Buch eines Praktikers, daseben genau dies aufzeigt (wes-halb ich es hier auch anführe):wie der Autor sich und seine Fa-milie im Nebenberuf auf 1000Quadratmetern versorgthat und teils sogar noch Über-schüsse verkaufen konnte.

Falls Ihnen das alles zu viel Pla-ckerei ist, fragen Sie doch Kin-der, Rentner, Arbeitslose aus derNachbarschaft, ob sie nicht mit-machen und dafür ein paar kos-tenlose Lebensmittel bester Qua-lität erhalten möchten. Sie brau-chen nicht alles selbst zu tun.Menschen, die sich ein Zubrotverdienen oder helfen möchten,gibt es Allenthalben. Also mana-gen Sie einfach: Ihre eigene Le-bensmittelversorgung in Besser-als-Bio-Qualität nach Ihren eige-nen Anbauvorstellungen (z.B.HOMA etc.) und tun damit eingutes Werk – wiederum eineWin-Win-Lösung für alle.

Etwa 30 Prozent der Gesamtflä-che unseres Heimatlandes sind,man glaubt es kaum, tatsächlich„Wald“, zumindest das, was heut-zutage so genannt wird. Ein pas-

autark

Wälder nutzen

senderer Ausdruck dafür wäre:„Wild- und Holzzuchtfläche”. Da-mit ist Deutschland das wald-reichste europäische Land. In-nerhalb Deutschlands wieder-um ist Bayern nach Baden-Württemberg am waldreichsten.

Diese riesigen Waldflächen wer-den deutschlandweit, und dassogar per Gesetz, einerseits zurErzeugung von Holz genutzt, an-dererseits als Jagdrevier, wobeidie Gesetzeslage hier bizarr bisgrotesk anmutet. ;-) So könnenSie sich durchaus ein StückWald kaufen – für den Quadrat-meter zahlt man in Deutschlandje nach Holzbestand und Lagezwischen 30 Cent und 1,50 Euro– doch dieser Wald gehört Ihnendann gar nicht wirklich. Denn ei-nerseits dürfen da Spaziergän-ger durchlatschen, andererseitsist Ihr legal erworbener Grundtrotzdem noch ein Jagdrevier!

Wenn Sie mindestens 75 Hektarzusammenhängenden Wald er-werben, dürfen Sie eine eigeneJagd gründen und dann „selbstbestimmen“. Das bedeutet abernicht, dass Sie bestimmen dürf-ten, dass Jagd stattfindet!Als ein Waldeigentümer vor eini-gen Jahren versucht hat, Jagd-freiheit in seinem Wald juris-tisch durchzusetzen, hat er da-bei nicht nur vor der höchstendeutschen Instanz, sondern vordem Europagericht verloren. DieJagd ist ja so „arterhaltend undumweltschützend“ – und dasAllgemeinwohl steht über indi-viduellen Wünschen. So wurdedas begründet.

keine

Wenn höchste juristische Kreiseglauben, dass die Natur den Men-schen brauche, um Wildtiere ab-zuschießen, zeigt uns dies, wieweit sich der Mensch vom Wis-sen entfernt hat, dass die Naturaus sich selbst regulierendenKreisläufen besteht. Keiner derRichter, der diese Entscheidunggetroffen hat, würde noch leben,wenn irgendeine äußere Kraftderart in sein körperinneres Mi-lieu eingegriffen hätte, wie derMensch meint, „regulierend“ indie Natur eingreifen zu müssen.

Die gegebene Gesetzeslage ver-hindert, dass ein Drittel der ge-samtdeutschen Fläche als etwasgenutzt werden kann, wofür derWald traditionell schon seit Jahr-millionen genutzt wurde: Alsreich gedecktes– als grundlegender Ernährerdes Menschen. Eine Auflistungvon Pflanzen aus dem Deutsch-land des 17. Jahrhunderts führtauf, dass die Menschen damals73 verschiedene – ich wiederho-le: dreiundsiebzig – roh essbareGemüse- und Wildpflanzen ausdem Wald gewonnen haben,sprich Wildgemüse und Salate!

Ich möchte daher eine dahin ge-hende Reform anregen, dassWald künftig von den Menschender Region genutzt werden darf.Jäger, Holzbauern und Bürger-vereine sollten sich koordinie-ren, um den Wald auch als na-türliches Biotop für Tausende Ar-ten sowie als wertvollen Lebens-spender für den Menschen nutz-bar zu machen. Ich finde: Holz-wirtschaft darf anderweitige Nut-

Schlaraffenland

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Links: Das ist WALD. Mitte: Das ist WALD. Rechts: Das ist KEIN Wald, sondern nur eine Holzzucht mit Jagd.

zung nicht verhindern! Dasselbegilt für die Jagd. Wir solltennicht ausgrenzen, sondern ler-nen, zu integrieren. So solltenzwischen all den „Nutzhölzern“auch wilde Apfel- und Walnuss-bäume (u.a.) zugelassen sein,wie auch verrottende Baum-stämme nicht entfernt werdensollen (obwohl es die Waldwirt-schaft erschwert), da sie Lebens-grundlage für Insekten, Kleinst-lebewesen, Pilze und andere Ar-ten sind und lebenswichtige Ver-stecke, Lebensräume und Brut-städten für einzelne Arten.

Vor allem aber sollte der so wich-tige Waldrand für die Menschender Region (z.B. im Rahmen vonhierfür gegründeten Bürgerver-einen) zur Verfügung stehen, umetwa Wildgemüse, Kräuter, Bee-ren, Pilze und Nüsse zu ernten.Ich möchte daher die politische

Anregung aufbringen, eine drit-te Waldnutzung zuzulassen: dieNutzung des Waldes durch orts-ansässige Bürgervereine im Rah-men von Waldgärten.

Diese Bürgervereine dürfen fürden Eigenanbau käuflich erwor-bene oder von der Gemeinde ge-pachtete Waldteile sowie denWaldrand für Vereinsmitgliederzugänglich machen. Den Ver-einsmitgliedern soll es gestattetsein, die Früchte ihrer Arbeit vorfremdem Zugriff zu schützen.Dies mit dem Zweck, dass dortökologisch und biologisch wert-volle Waldrandgartenbiotopeentstehen können (siehe auchentsprechendes Kapitel), welchedie Menschen der Region mitWildgemüsen, Nüssen, Wild-beeren, mit ursprünglichen Obst-sorten, wertvollen Wildkräuternund Pilzen versorgen.

Guerilla-Gardening,Urban Guardening

An immer mehr Orten setzt sichdas sog. „Guerilla-Gardening“durch: Die Bürger pflanzen an öf-fentlichen Flächen selbständigan, z.B. in städtischen Blumen-beeten, die nicht mehr betreutwerden, an der Bushaltestelleoder an der nicht gepflastertenFläche um Stadtbäume herum.Am Rande eines Bürgersteigs,von Wegen, Spielplätzen. In un-zugänglichen Teilen von Parks,ja sogar auf den Mittelflächenvon mehrspurigen Straßen.

„Guerillas“ sind eigentlich Pri-vatpersonen, die sich – außer-halb der militärischen Kontrolle– an einem Krieg beteiligen. AlsGuerillakrieg bezeichnet man ei-nen Krieg von Volkstruppen ge-gen eine Besatzungsmacht. In so-fern ist die Wortwahl zwardurch Kampf, vor allem gegen ei-ne als feindlich erachtete Obrig-keit geprägt, im Grunde wirdaber deutlich, was damit ge-meint ist. Die Bürger sagen: Öf-fentliche Fläche ist Flä-che! Und diese Flächen nutzenwir nun auf sinnvolle Weise.Und tatsächlich – obwohl dieWortwahl kriegerisch getroffenwurde – lassen die meisten Ge-meindeverwaltungen ihre Bür-

unsere

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Gefallene, verrottende Baumstämme sind ein idealer Nährboden für Pilze; sie bie-ten Verstecke, Behausungen und Brutstädten für viele Kleintiere des Waldes.

Von links oben nach rechts unten: 1) Guerilla-Gardening in Hamburg. 2) In Holland, wo sogar am Gartenzaun frech dieWebadresse der Guerillas angebracht wurde. 3) In der berühmten englischen Kleinstadt Todmorden, die sich anschickt, zurersten Selbstversorgerstadt Englands zu werden. 4) In Berlin. 5) In Japan. 6) In London bei einer Nacht und Nebel-Aktion.

ger bisher gewähren, was mirauch richtig und sinnvoll er-scheint. Denn die Bürger enga-gieren sich, tragen bei, verschö-nern in den meisten Fällen dasStadtbild, tun Sinnvolles undsparen mancherorts ihrer Ge-meinde sogar reichlich Geld.

Massenmedial bekannt wurdein diesem Zusammenhang dieenglische Kleinstadt Todmor-den, zwischen Yorkshire undLancashire. In Eigeninitiative ha-ben die Bürger dort jeden FleckErde mit Sträuchern, Hecken,Bäumen und Gemüse bepflanzt,auch öffentliche Grasflächenund triste Ecken. Ihr Programmnennt sich „Incredible Edible”(„unglaublich essbar“). Wäh-rend der warmen Jahreszeitsieht man überall Gärten mitKräutern, Früchten und fri-schem Gemüse, die in der Nähevon öffentlichen Gebäuden,Schulen, Supermärkten, Park-plätzen wachsen und gedeihen.

Gegründet haben das Programmeine Großmutter und eine ehe-malige Restaurantbesitzerin. Diebeiden Frauen haben das Ziel,Todmorden als erste Stadt in Eng-land zur völligen Selbstversor-gung zu führen. Das Programmbesteht aus 70 Anpflanzungen,die in der Stadt verteilt sind.Dort findet man Äpfel, Kirschen,Aprikosen, Erdbeeren, Himbee-ren, Bohnen, Karotten, Kartof-feln, Zwiebeln, Salate und vieleKräuter. Das Erstaunliche: DieBevölkerung respektiert das Sys-tem des „Selbsterntens“ undnimmt nur so viel, wie benötigt

wird. Das kostenlose Angebotführt zu Missbrauch! DasGegenteil passiert: Das „Incredi-ble Edible“-Programm hat die Be-ziehung in der Gemeinschaft

und die Kriminalität. Seit Programmbeginn

berichtet die Polizei laufend sin-kende Kriminalitäts-Statistiken.Die Bewohner zeigen mehr Ver-antwortung und kümmern sichum ihre Stadt.

Derart urbanes Landwirtschaf-ten gibt es nicht nur in Großbri-tannien, auch in Berlin Kreuz-berg ist ein viel versprechendesProjekt entstanden. Robert Shawund Marco Clausen haben dorteine brachliegende Fläche von6000 Quadratmetern in eine blü-hende Oase verwandelt. Sie zie-hen Gemüse in Reissäcken,Bäckereikisten und Milchtütenund bringen Menschen ver-schiedenster Milieus zusam-men. Ihr sog. „Prinzessinnengar-ten“ ist eine Plattform für Leute,die etwas tun wollen. Hier istPlatz für den naturnah wirt-schaftenden Imker, den Künst-ler, der mit Kindern aus demKiez kocht, die osteuropäischeNachbarin, die ihre Bio-Chilisaus der Heimat anbaut.

Das weltweit größte Projekt urba-ner Landwirtschaft wird aus De-troit vermeldet. Schon vor der ak-tuellen US-Wirtschaftskrise wardie einstige Autostadt Amerikas(„Motor City“, Sitz von Ford, Ge-neral Motors und Chrysler) kei-ne reiche Stadt mehr. Seit aberdie Autobauer Bankrott gingen,die Zulieferer ihre Fabriken

nicht

verbessert

reduziert

schlossen und die Immobilien-krise die Menschen massenhaftaus ihren Häusern warf, hat sichdie Lage dramatisch verschärft.Die Schlangen vor den Suppen-küchen wurden immer länger.Zehntausende hatten keinen Jobmehr. Inoffizielle Schätzungenspachen von Arbeitslosenzah-len über 70 Prozent! In manchenStadtteilen sah es aus wie inNew Orleans nach dem SturmKatrina – nur ohne Sturm: Ver-fallene Häuser, leere Schulen,verlassene Parks.

Die von außen zu erbringendenHilfsleistungen stiegen ins Uner-messliche, bis die ersten sog.„Urban Farmers“ auf den Plantraten, die aus zerfallenen Fab-rikhallen Gewächshäuser mach-ten und auf ungenutzten Park-plätzen, alten Industriezonenund verwaisten Vorgärten Obst,Salat und Gemüse anbauten.

Anstatt die Hand aufzuhalten,pflanzen sie Gurken und Toma-ten an. Aktuell schafft das Pro-jekt bereits neue Jobs und gibtden Menschen Hoffnung. Bis zu15 Prozent des Obst- und Gemü-sebedarfs der Stadt kommenschon von den neuen Feldernder Stadt-Bauern – und fast 1000Kleinfarmen sind so in Detroitauf den Trümmern der Indu-striegesellschaft entstanden.

Stellen Sie sich nur einmal vor,was geschähe, würden solcheProjekte auch noch mit den indieser Depesche beschriebenenAnbaumethoden und Anbauhil-fen kombiniert werden.

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Hinter dem einstigen Wahrzeichen Detroits, dem markanten Bahnhofsgebäude wächst heute Mais, auf ehemaligen Grünflächenwird Salat angebaut und in den Hinterhöfen finden Schulungen für die Bürger statt, die zu neuen “Urban Farmers” werden.