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1 Bismillah ir-Rahmn ir-Rahim 17. Sheikh Muhammed Bahauddin Shah Naqshband Möge Allah seine Seele heiligen Muhammed Bahauddin Shah Naqshband ist der Imam des Naqshbandi Sufi Ordens – ein seltener Gelehrter der ilm ash-shariah, der Wissenschaft des göttlichen Gesetz, und der ilm al-haqiqat, der Wissenschaft der Wahrheit. Er wurde als als Dhul-Janahayn, „Der mit den beiden Flügeln“ bezeichnet, aufgrund seines Fassungsvermögens zweierlei Arten des Wis- sens: eines das er mit allen teilte und ein weiteres, welches er für seine Weggefährten aufbe- wahrte. Auch gilt er als der Sultan al-Arifin, „Der König der Kenner Gottes“. Shah Naqshband, ein unendlicher Ozean des Wissens. Seine Wellen waren geschmückt von den Perlen des himmlischen Wissens. Seine Spirituelle Energie stillte den Durst der Seelen. Die ganze Welt war von ihm umschlossen. Er war ein Stern gekrönt mit der Rechtleitung. Durch seinen heiligen Atem segnete er ausnahmslos jedes Geschöpf. Selbst die entfernteste Stelle des Universums schmückte er mit dem Geheimnis von „Muhammedun Rasul Allah “. Dunkelheit ward durch sein Licht zu Licht geworden. Seine außergewöhnlichen Aussagen beseitigten jeglichen Zweifel. Herzen wurden durch seine kraftvollen Wunder wieder belebt und die Seelen wurden aus dem spirituellen Reich versorgt. Als kleines Kind in der Wiege wurde er mit der Stufe des Erzfürsprechers gestillt. Er kostete den Nektar des ungesehenen Wissens aus dem Becher der Wahrheit. Wäre Muhammed nicht der Siegel der Propheten gewesen, so wäre sicherlich er ihrer letzter gewesen. Lobpreis dem Herrn, dass er die Welt mit solch einem Bekräftigter der Religion begnadigte. Herzen wurden durch ihn erleichtert, sodass sie in die Himmel der Spiritualität emporstrebten. Könige mussten vor seiner Türe warten. Seine Rechtleitung reichte von Nord nach Süd und von Ost nach West. Keinem Geschöpf entsagte er die himmlische Unterstützung – sei es auch das wildeste Biest des Dschungels gewesen. Der großartigste Erzfürsprecher, der Sultan der Heiligen, das Kollier aller spirituellen Perlen, die von der göttlichen Gegenwart auf diese Welt hinabgesandt worden waren. Durch sein Licht wurde Gutes perfekt und Schlechtes gut. Der Meister dieses Weges, der Sheikh der Goldenen Ketten, und der beste, der das Erbe der Khawajagan in sich trug. Er kam im Monat Muharrem im Jahre 717 n.H./1317 n.Chr auf die Welt, in dem Dorfe Qasr al-Arifans, nahe Bukhara. Gott begandete ihn schon in seiner Kindheit mit wun- dervollen Kräften. Sein erster Lehrer, Sayyid Muhammed Baba as-Samasi, weihte ihn in die Geheimnisse des Weges ein. Das Geheimnis des Ordens empfing er dann von seinem Sheikh, Sayyid Amir Kulal. Auch gehörte er der Uwaysi Verbindung zum Propheten an

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Bismillah ir-Rahmn ir-Rahim

17. Sheikh Muhammed Bahauddin Shah Naqshband Möge Allah seine Seele heiligen

Muhammed Bahauddin Shah Naqshband ist der Imam des Naqshbandi Sufi Ordens – ein seltener Gelehrter der ilm ash-shariah, der Wissenschaft des göttlichen Gesetz, und der ilm al-haqiqat, der Wissenschaft der Wahrheit. Er wurde als als Dhul-Janahayn, „Der mit den beiden Flügeln“ bezeichnet, aufgrund seines Fassungsvermögens zweierlei Arten des Wis-sens: eines das er mit allen teilte und ein weiteres, welches er für seine Weggefährten aufbe-wahrte. Auch gilt er als der Sultan al-Arifi n, „Der König der Kenner Gottes“.Shah Naqshband, ein unendlicher Ozean des Wissens. Seine Wellen waren geschmückt von den Perlen des himmlischen Wissens. Seine Spirituelle Energie stillte den Durst der Seelen. Die ganze Welt war von ihm umschlossen. Er war ein Stern gekrönt mit der Rechtleitung. Durch seinen heiligen Atem segnete er ausnahmslos jedes Geschöpf. Selbst die entfernteste Stelle des Universums schmückte er mit dem Geheimnis von „Muhammedun Rasul Allah “.

Dunkelheit ward durch sein Licht zu Licht geworden. Seine außergewöhnlichen Aussagen beseitigten jeglichen Zweifel. Herzen wurden durch seine kraftvollen Wunder wieder belebt und die Seelen wurden aus dem spirituellen Reich versorgt. Als kleines Kind in der Wiege wurde er mit der Stufe des Erzfürsprechers gestillt. Er kostete den Nektar des ungesehenen Wissens aus dem Becher der Wahrheit. Wäre Muhammed nicht der Siegel der Propheten gewesen, so wäre sicherlich er ihrer letzter gewesen. Lobpreis dem Herrn, dass er die Welt mit solch einem Bekräftigter der Religion begnadigte. Herzen wurden durch ihn erleichtert, sodass sie in die Himmel der Spiritualität emporstrebten.

Könige mussten vor seiner Türe warten. Seine Rechtleitung reichte von Nord nach Süd und von Ost nach West. Keinem Geschöpf entsagte er die himmlische Unterstützung – sei es auch das wildeste Biest des Dschungels gewesen. Der großartigste Erzfürsprecher, der Sultan der Heiligen, das Kollier aller spirituellen Perlen, die von der göttlichen Gegenwart auf diese Welt hinabgesandt worden waren. Durch sein Licht wurde Gutes perfekt und Schlechtes gut. Der Meister dieses Weges, der Sheikh der Goldenen Ketten, und der beste, der das Erbe der Khawajagan in sich trug.

Er kam im Monat Muharrem im Jahre 717 n.H./1317 n.Chr auf die Welt, in dem Dorfe Qasr al-Arifans, nahe Bukhara. Gott begandete ihn schon in seiner Kindheit mit wun-dervollen Kräften. Sein erster Lehrer, Sayyid Muhammed Baba as-Samasi, weihte ihn in die Geheimnisse des Weges ein. Das Geheimnis des Ordens empfi ng er dann von seinem Sheikh, Sayyid Amir Kulal. Auch gehörte er der Uwaysi Verbindung zum Propheten an

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und wurde so in der spirituellen Gegenwart Abd al-Khaliq al-Ghujdawanis großgezogen, der 200 Jahre vor ihm gelebt hatte.

Befragung durch den Propheten Moses Sheikh Sharafuddin ad-Daghistani berichtet von der hadith: „Wann immer der Name Gottes Heiliger erwähnt wird, so erreicht Seine Barmherzigkeit diese Zusammenkunft“. Die Quelle dieser Barmherzigkeit wurde GroßSheikh Sharafuddin ad-Daghestani und GroßSheikh Abd Allah al-Faiz ad-Daghestani (das 38ste und 39ste Glied der Goldenen Kette) während ihrer Abgeschiedenheit durch den Propheten beschrieben. Sheikh Sharafuddin erklärt daher: „Wenn von dem Leben der Heiligen berichtet wird, so werden die Sünden des Zuhörers so wie das Glas zerschellen“Der große Gelehrte, ibn Hajar al-Haytami, pflegte tagelang zu reisen, um den Geschich-ten der Naqshbandi Sheikhs lauschen zu dürfen. Eine dieser Geschichten handelt von Shah Naqashband.Es wird überliefert, dass Shah Naqashband, als er das Alter von sieben Jahren erreichte, in die spirituelle Gegenwart aller Propheten Gottes, einschließlich des Propheten Muhammed

, gerufen wurde. In der spirituellen Gegenwart gibt es kein Alter Es spielt keine Rolle, was zählt ist die Seele. Das ist der Grund warum ihm diese edle Versammlung schon bei so einem jungen Alter gewährt wurde. Shah Naqshband war einmalig. Keiner der Naqshbandis seiner Zeit konnte auch nur im Ge-ringsten seinem spirituellen Rang gleich kommen. So fragte ihn in jener Versammlung der Prophet Moses : „O fard al-alam! (Shah Naqshbands Titel, „Der Heilige ohne Gleichen auf der Welt“) Wann wurdest du zu einem Führer der Menschheit erkoren?“Shah Naqshband antwortete: „Ich war solch ein Meister (murshid) als die Heiligen noch in völliger Nichtexistenz waren.“ Das heißt, er war ein Führer, bevor Gott die Heiligen erschaf-fen hatte. Bei seiner Antwort bezog er sich jedoch nicht auf seine physische Erschaffung, sondern auf das Geheimnis des Propheten , das ihm zu solch einem prä-elementaren Zeit-punkt übergeben worden war. Daraufhin sagte Prophet Moses : „Erzähl weiter; wir wol-len mehr erfahren.“Aus Ehrfurcht gegenüber Abu Bakr as-Siddiq und aus Respekt vor dem Propheten, ver-blieb Shah Naqshband still und Abu Bakr antwortete für ihn: „O Moses, als er zu dir sprach, so sprach er von der Stufe, die er vom Propheten Muhammed geerbt hatte. Er antwortete dir gemäß des Geheimnisses dieser Stufe.“ Dann schaute Abu Bakr auf Shah Naqshband und gab ihm die Erlaubnis die Fragen zu erwidern.Shah Naqshband fuhr fort: „Am Tage des Versprechens als Gott fragte: „Bin ich nicht euer Herr?“ (7:172), war ich ein Auserwählter bevor überhaupt die Heiligen mit ihrem Heiligtum begnadigt wurden und der Herr gewährte mir bereits nach meinen Anhängern zu schauen und mich um sie zu kümmern, als die Heiligen noch im Nichts waren.Prophet Moses , bat ihn, weiter zu berichten.

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Shah Naqshband sagte: „Ich wurde schon vor jedem Heiligen des Naqshbandi Ordens mit meinem Heiligtum versehen, als ich in der Welt der Atome war (al-alam al-dharr, zu die-sem Zeitpunkt befanden sich die Menschen noch in der Essenz ihrer Wirklichkeiten). Gott er-schuf mich 20,000 Jahre vor allen anderen Naqshbandi Heiligen und ich befand mich in der Obhut des Propheten . Dann erst erschuf Gott die anderen Heiligen und sie erschie-nen nach 17,000 Jahren. Es herrscht ein Unterschied von 10,000 Jahren zwischen dem Er-scheinen meiner Realität und ihrer. Das ist, was ich anfangs beabsichtigte zu sagen.“All das geschah als Shah Naqshband gerade mal sieben Jahre jung war und diese Versamm-lung in der Gegenwart der Gesandten, der Gefährten und der Heiligen sollte nicht die ein-zige bleiben, die er erleben sollte.

Gott schmückte Shah Naqshband mit 12,000 spezifischen Besonderheiten. So ist zum Bei-spiel eine seiner gewöhnlichen Eigenschaften, dass er seine Blick alle 24 Stunden im ganzen Universum 363 Mal auf jedes Geschöpf richten kann und all ihre Angelegenheiten wahr-nimmt. Dies ist eine Besonderheit, die noch zu den gewöhnlicheren gehört. Außerdem ist er im Stande, jeden Säugling im Leibe der Mutter zu beobachten.

Während seinem ersten Besuch bei den Propheten betete er wie folgt: „O mein Herr, ent-sage keinem der mich als seinen Führer angenommen hat und jenen, die nach mir in dieser spirituellen Kette kommen, Deine Unterstützung.“ Die Engel und die Himmel riefen aus: „Amin.“Großsheikh Daghestani erklärt, dass der Segen und der Schutz dieses Bittgebetes sich vier-mal im Jahr manifestiert und die spirituellen Anhänger Shah Naqshbands erreichen am 14en des Muharram (Shah Naqshbands Geburtstag), am ersten Tag des Ramadan, am 15en des Ramadan und in der Nacht der Macht (Laylat al-Qadr). Wer den Naqshbandi Weg an-nimmt wird von allen Seiten beschützt sein.

Als Gott die Heiligen nach 17,000 Jahren erschaffen hatte, kamen sie in die Welt der Essenz. Sie sprachen zu der Essenz von Shah Naqshband und baten ihn, um des Propheten Muham-med Willen, in den Naqshbandi Orden aufgenommen zu werden. Er nahm 7,007 unter ihnen an und jeder von ihnen sollte im Stande sein 12,000 Arten des Wissens aus jedem Buchstaben des Qurans entnehmen zu können. Dann bat er den Propheten um Erlaub-nis, sie aufnehmen zu dürfen. Der Prophet schaute auf ihn und erhöhte seine Stufe um jeden Buchstaben des Quran mal den 12,000 Arten des Wissens und den 7,007 Heiligen.

Wir sagen es gibt 70,000 Schleier der Finsternis zwischen uns und der Gegenwart des Pro-pheten. Je näher du dem Propheten kommst, desto entfernter wirst du dich von ihm, für jeden entschleierten Schleier, fühlen. Denn je mehr du dich ihm näherst, wird die Intensität deiner Liebe (ishq) die Sehnsucht nur noch verschlimmern.

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Darüber verkündete Shah Naqshband folgendes:Wenn Heilige zur Gegenwart des Propheten voranschreiten und diese Schleier zerreißen, so werden 700,000 zusätzliche Schleier erscheinen. Ich erreichte Dimensionen, wo niemand zuvor gewesen war.

Der Anfang seiner Rechtleitung und die Rechtleitung seines AnfangsShah Naqshband war gerade achtzehn als sein Vater ihn nach Samas schickte, zu Diensten des Sheikhs Muhammed Baba as-Samsi, der nach ihm gefragt hatte. Seit dem Beginn seiner Gefolgschaft mit dem Sheikh, nahm er zahllose Veränderungen in sich wahr, einschließlich des inneren Rufes nach wahrhaftiger Aufrichtigkeit und Hingabe. Von seiner Jugend berich-tet er: Ich stand früh auf, drei Stunden vor dem obligatorischen Morgengebet, machte meine Waschung und nachdem ich meine Sunnah Gebete verrichtete hatte, warf ich mich vor dem Herrn nieder, folgendes betend: „O mein Herr, gib mir die Kraft die Schwierigkeiten und den Schmerz deiner Liebe ertragen zu können.“ Dann verrichtete ich das Morgengebet mit dem Sheikh.

Eines Tages schaute er auf mich und sagte, als sei er während meiner Bittgebete bei mir ge-wesen: „O mein Sohn, ändere dein Gebet. Sage lieber: ‹O Gott, begnadige diesen schwachen Diener mit Deinem Wohlgefallen.›, Der Herr mag es nicht seine Diener in Schwierigkeiten zu sehen. Obwohl Gott in Seiner Weisheit von Mal zu Mal Seine Diener mit Schwierigkei-ten versieht, um sie zu testen, so sollte man jedoch nicht um diese Schwierigkeiten beten, denn das zeugt nicht von Respekt vor deinem Herrn.“

Als Sheikh Muhammed Baba as-Samasi von dieser Welt schied, brachte mein Großvater mich nach Bukhara, wo ich heiratete. Ich lebte in Qasr al-Arifan, was ein besonderer Segen Gottes war, denn ich lebte nahe Sayyid Amir Kulal. Ich war in seinem Dienste und er er-zählte mir das Sheikh Muhammed Baba as-Samasi zu ihm gesagt hatte: „Ich werde nicht mit dir zufrieden sein, ehe du nicht für ihn gesorgt hast.“

Eines Tages saß ich mit einem Freund in der Abgeschiedenheit, als sich der Himmel spal-tete und mich eine überwältigende Vision überkam: „Reicht es dir nicht aus, alleine in Un-sere Gegenwart zu kommen?“ Ich erschauerte am ganzen Körper und rannte aus diesem Haus. Ich erreichte einen Fluss, warf mich in ihn hinein, wusch meine Kleider und betete zwei rakats, wie ich sie zuvor noch nie verrichtet hatte. Ich fühlte mich in der göttlichen Ge-genwart. In einem Zustand der Entschleierung wurde mir alles in meinem Herzen geöffnet. Das ganze Universum verschwand und ich war mir keiner Sache mehr bewusst außer des Gebetes in Seiner Gegenwart.

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Am Anfang jener besonderen Zustände wurde ich gefragt: „Warum willst du diesen Weg beschreiten?“ „Darum, damit all das geschieht, was ich sage und was ich will.“ „Das wird nicht sein. Was Wir sagen und was Wir wollen wird sein.“ Ich erwiderte: „Das kann ich nicht tun. Mir muss gewährt werden, dass das, was ich sage, geschieht.“ Erneuert antwor-tete man: „Nein, Was wir sagen, wird geschehen.“ „Was ich sage und was ich tue muss sein.“ Als ich diese Worte von mir gab überkam mich fünfzehn Tage solch eine Einsamkeit, dass mich enormer Trübsal erdrückte. Schließlich hörte ich eine Stimme: „O Bahauddin, was immer du willst, Wir werden es dir gewähren.“ Außerordentliche Freude ergriff mich. Ich sagte: „Mir soll ein Weg geschenkt werden, sodass jeder, der ihn beschreitet, geradewegs in die göttliche Gegenwart befördert wird.“ Ich erfuhr eine überwältigende Vision: „Dein Be-lieben soll dir erfüllt sein.“

Über sein Voranschreiten auf dem WegShah Naqshband erzählt: Einmal ergriff mich die göttliche Anziehung und nahm mein Be-wusstsein hinweg – sie ließ mich einmal nach hier und einmal nach dort taumeln. Als die Dunkelheit einbrach, waren meine Füße schon blutig von Dornen geworden, die in sei-nen Füßen steckten. Diese göttliche Manifestation führte mich zum Haus meines Sheikhs, Sayyid Amir Kulal. Die Nacht war rabenschwarz, ohne auch das geringste Anzeichnen von Erhellung durch Mond oder Stern. Ein eisigkalter Wind wehte und ich hatte nichts als nur einen alten Lederumhang. Als ich an seinem Haus ankam, sah ich wie er mit seinen Freun-den da saß. Er sah mich kommen und forderte seine Schüler auf: „Schafft ihn fort; ich will ihn nicht in meinem Haus sehen.“

Sie warfen mich vor die Tür und ich fühlte wie mein Ego versuchte, mein Herz einzuneh-men und mein Vertrauen in den Sheikh zu vergiften. Jetzt gab es nur noch Gottes Fürsorge und Seine Barmherzigkeit, die es mir ermöglichen konnte diese Demütigung vor Gott und meinem Sheikh zu verkraften. Ich sagte zu meinem Ego: „Ich werde dir nicht erlauben mein Vertrauen in meinen Sheikh zu vergiften.“

Ich fühlte mich dermaßen erschöpft und niedergeschlagen, dass ich nun das Gewand der Demut an die Türe des Stolzes setzte – meinen Kopf gegen die Türschwelle legend und den Eid aussprechend, dass ich ihn erst dann wieder erheben werde, wenn er mich wieder an-genommen hat. Der Schnee begann zu fallen und die eiskalte Luft ließ meine Knochen er-schauern. Es gab nicht einmal den Wärme spendenden Mond. Ich wäre erfroren, hätte es nicht die Liebe meines Herzens für das Göttliche und für die Pforte zum Göttlichen, mei-nen Sheikh, gegeben.

Der Morgen brach an und der Sheikh kam ohne mich physisch zu sehen aus seinem Haus. Sein Fuß berührte meinen Kopf, der immer noch auf seiner Schwelle lag. Als er meinen

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Kopf gespürt hatte, zog er sofort seinen Fuß zurück und brachte mich in sein Haus. „O mein Sohn, du wurdest soeben mit dem Kleid der Glückseligkeit bekleidet. Mit solch einem Gewand, das weder meinem Meister noch mir gewährt worden war. Gott ist glücklich mit dir. Der Prophet ist glücklich mit dir. Alle Sheikhs der Goldenen Kette sind glücklich mit dir.“

Daraufhin entfernte er mit großer Fürsorge die Dornen von meinem Fuß und wusch meine Wunden. Zugleich strömte Wissen, deren gleichen ich noch nie zuvor erfahren hatte, in mein Herz. Dies eröffnete mir eine große Vision und ich wurde in das Geheimnis von „Mu-hammedun Rasul Allah“ eingeweiht. Ich sah wie ich dieses Geheimnis, welches die Wirk-lichkeit Muhammeds ist, betrat. Weiter schritt ich voran in das Geheimnis von „la ilaha ill-Allah“, welches das Geheimnis der Einzigartigkeit Gottes ist. Dies wiederum führte mich in die Geheimnisse der Namen Gottes und Seiner Attribute, die durch das Geheimnis Sei-ner Einheit ausgedrückt werden. All das kann nicht in Worte gefasst werden, sondern es be-darf der Erfahrung des Herzens.

Am Anfang meiner Wanderung auf dem Weg, zog ich von einer Vorstadt Bukharas zur an-deren. Ich besuchte in der Finsternis der Nacht Gräber, um von ihnen zu lernen, vor allem in der Winterzeit. Eines Nachts führte mich der Weg zu Sheikh Ahmed al-Kashgari und ich rezitierte die Surat al-Fatiha für ihn. Als ich dort ankam, erwarteten mich zwei Männer mit Pferden, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Sie platzierten mich auf das Pferd und banden zwei Schwerter um mich. Sie ließen das Pferd zum Grabe Sheikh Mazdakhins galoppieren.

Wir kamen an und betraten das Grabmal und die Moschee des Sheikhs. Ich setze mich ’gen die qiblah, meditierend, mein Herz mit dem Herzen meines Sheikhs verbindend. Wäh-rend dieser Meditation offenbarte sich mir eine Vision und ich sah wie die Wand, die zur qiblah hin gerichtet war, zerbröckelte. Ein großer Thron erschien. Ein riesiger Mann, den keine Worte beschreiben können, saß auf diesem Thron. Ich fühlte, dass er mir vertraut war. Wohin ich auch mein Antlitz im Universum wendete, so sah ich diesen Mann. Um ihn waren viele versammelt, darunter auch meine Sheikhs, Sheikh Muhammed Baba as-Samasi und Sayyid Amir Kulal. Ich verspürte Ehrfurcht als auch Zuneigung. Ich fürchtete seine er-habene Gegenwart und bewunderte seine Schönheit. „Wer ist diese Persönlichkeit?“

Ich hörte eine Stimme antworten: „Diese Persönlichkeit ist derjenige, der dich auf deinem spirituellen Weg großgezogen hat, und er ist zugleich dein Sheikh. Er schaute nach deiner Seele, als du noch ein Atom in der Göttlichen Gegenwart warst. Du wurdest unter seiner Obhut trainiert. Er ist Sheikh Abd al-Khaliq al-Ghujdawani, und die Versammlung, die du um ihn herum siehst, sind seine Kalifen, die sein großes Erbe der Goldenen Kette weiter tragen.“

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Daraufhin zeigte der Sheikh, der mir geantwortet hatte: „Das ist Sheikh Ahmad. Das ist Kabir al-awliya. Hier ist Arif Riwakri. Dort ist Sheikh Ali Ramitani. Und dein Sheikh, Mu-hammed Baba as-Samasi, der, dir seinen Umhang gegeben hatte. Kannst du dich erinnern?“ Ich sagte Ja. „Den Umhang, den er dir vor langem gegeben hatte, ist immer noch in deinem Haus und aufgrund seines Segens hat Gott dich vor viel Leid des Lebens bewahrt.“ Eine an-derer Sheikh sagte: „Der Sheikh, der auf dem Thron sitzt, wird dich etwas lehren, das du bei der Reise auf diesem Weg gebrauchen wirst.“ Ich fragte, ob ich nicht mit ihm Hände schüt-teln könnte. Sie erlaubten es mir und ich nahm seine Hand. Dann berichtete er mir von der Reise, seinem Anfang, der Mitte und dem Ende. „Du musst den Docht an dich anpassen, so dass das Licht des Ungesehenen sich in dir stärkt, damit seine Geheimnisse wahrgenom-men werden können. Du musst Standhaftigkeit erbringen und an dem Göttlichen Gesetz in allen Zuständen festhalten. Du musst „das Gute gebieten und das Schlechte verbieten“ (3:110, 114) und dich an der höchsten Moral des göttlichen Gesetzes festklammern.“

Er fuhr fort: „Du musst Faulheit scheuen, die da gewesene Formen verwerfen und die Tradi-tion des Propheten zu deiner qiblah machen. Erforsche sein Leben und das Leben seiner Gefährten. Ermuntere Menschen den Qur›an zu befolgen und ihn sowohl am Tage als auch in der Nacht zu rezitieren, und alle vorgeschriebenen Gebete mit all den freiwilligen Zusät-zen einzuhalten. Vernachlässige nicht das Geringste, von dem was uns durch den Propheten

an guten Werken gezeigt wurde.“

Sobald Abd al-Khaliq zu Ende gesprochen hatte, erklärte mir einer seiner Kalifen: „Damit du dieser Vision sicher sein kannst, wird er dir ein Zeichen senden. Gehe morgen Maw-lana Shamsuddin al-Ambikuti besuchen, der zwischen zwei Leuten ein Urteil fällen wird. Sag ihm, dass derjenige namens „at-Turki“ Recht hat und „as-Saqqa“ lügt. Verkünde ihm, dass er zwar „as-Saqqa“ begünstigt, jedoch sich darin irrt. Er solle sich besinnen und für „at-Turqi“ plädieren. Sollte as-Saqqa das, was du sagst, leugnen und der Richter immer noch as-Saqqa begünstigen, so berichte ihnen, dass du zwei Beweise hast. Zunächst wirst du as-Saqqa sagen, er sei durstig, welches er sofort verstehen wird. Dann wirst du preisgeben, er habe mit einer Frau geschlafen, welche schwanger wurde und deren Kind, er dann im Wein-stock begraben hat.“ Auf deinem Weg zum Gericht, nimm drei Rosinen mit und besuche deinen Sheikh, Sayyid Amir Kulal. Du wirst bei einem Sheikh vorbeikommen, der dir Brot geben wird. Nimm das Brot ohne irgendetwas zu sagen. Gehe weiter bis du auf eine Kara-wane triffst. Nähere dich einem Reiter. Belehre ihn, denn er wird Reue zeigen und einer dei-ner Anhänger werden. Trage deinen Turban und bringe den Umhang Azizans zu Sayyid Amir Kulal.“

Danach rüttelten sie mich und die Vision endete. Ich kam wieder zu mir. Am nächsten Tag ging ich zu meinem Haus und fragte meine Familie nach dem Umhang. Sie brachten ihn

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mir und sagten: „Er wartete hier schon eine lange Zeit.“ Als ich den Umhang sah, war ich sehr ergriffen und mein Herz fing an zu weinen. Ich nahm den Umhang und ging zu der Moschee von Mawlana Shamsuddin, im Dorf Ambikata, eine Vorort Bukharas. Ich verrich-tete das Morgengebet mit ihm und berichtete ihm dann von dem Zeichen, welches ihn er-staunte. As-Saqqa war anwesend und leugnete, dass at-Turki Recht habe. Daraufhin erzählte ich von den Beweisen. Er bestätigte das erste, aber verneinte das zweite. Ich bat nun die An-wesenden in der Moschee zu den Weinstöcken in der Nähe zu gehen. Dort fanden sie das begrabene Kind. Unter Tränen entschuldigte sich Saqqa für das, was er angerichtet hatte, aber es war zu spät. Mawlana Shamsuddin und die anderen in der Moschee waren verblüfft und in großer Verwunderung.

Ich bereitete mich vor am nächsten Tag in die Stadt Naskh zu wandern, auch legte ich die drei Rosinen zurecht. Mawlana Shamsuddin versuchte mich da zu behalten: „Ich sehe deine Sehnsucht für uns und dein Verlangen nach dem Göttlichen. Deine Heilung ist in unseren Händen.“ Ich antwortete ihm: „O mein Sheikh, ich bin der Sohn eines anderen. Stillteste du mich auch von den höchsten Stufen, so kann ich nicht annehmen, ich gehöre jenem, dem ich mein Leben gab und von dem ich eingeweiht wurde.“ Er erwiderte nichts und erlaubte mir weiter zu gehen.

Ich schritt weiter voran, wie es mir gesagt worden war, bis ich den Sheikh mit dem Brot traf. Ich sagte kein Wort zu ihm und nahm das Brot von ihm. Schließlich traf ich auf die Kara-wane. Sie fragten mich, woher ich komme. Ambikata, sagte ich. Sie wollten wissen, wann ich denn aufgebrochen war. Ich antwortete, im Morgengrauen. Sie waren verwundert: „Das Dorf ist Meilen entfernt, dein Weg hätte viel länger dauern müssen. Wir verließen dieses Dorf letzte Nacht und du erst im Morgengrauen... und doch hast du uns eingeholt.“ Ich wandte mich zu einem Reiter. Er hatte Angst und fragte: „Wer bist du?“ Ich erklärte ihm, ich sei jener, dem er seine Beichte ablegen wird.“ Mir vollkommenen Respekt erweisend, stieg er von seinem Pferd, und warf all den Wein, den er mit sich trug, weg. Er begleitete mich zu meinem Sheikh, Sayyid Amir Kulal. Angekommen, überreichte ich ihm den Um-hang.

Für einen Moment sagte er nichts: „Das ist der Umhangs Azizans. Letzte Nacht wurde ich informiert, dass du ihn bringen wirst und mir wurde aufgetragen ihn in zehn verschiedenen Schutzschichten aufzubewahren.“ Danach bat er mich in sein Zimmer. Mich lehrend, prägte er das stille dhikr in mein Herz. Er befahl mir dieses dhikr Tag und Nacht einzuhalten. So wie mir Sheikh Abd al-Khaliq den schwierigen Weg auftrug, so hielt ich jene höchste Form des dhikrs ein. Zusätzlich begleitete ich Gelehrte, um mir die Wissenschaft des göttlichen Gesetzes und der prophetischen Überlieferung anzueignen und um vom Charakter des Pro-pheten und seiner Gefährten zu lernen. Ich erfüllte meine Aufgaben aus jener Vision,

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welches zu einem Wandel in meinem Leben beitrug. All das, was mir Sheikh Abd al-Khaliq al-Ghujdawani riet, trug nun all seine Früchte. Sein Geist begleitete mich zu jeder Zeit und lehrte mich.

Über das stille und laute dhikrIn dem Buch al-Bahjat as-saniyya wird erklärt, dass von der Zeit Mahmud al-Faghnawis bis zur Zeit Sayyid Amir Kulals das laute dhikr bei Zusammenkünften und das stille dhikr, wenn man für sich war, praktiziert wurde. Als jedoch Shah Bahauddin Naqshband sein Ge-heimnis empfing, so hielt er nur an dem stillen dhikr fest. Selbst in den Zusammenkünften Sayyid Amir Kulals, wo jeder laut das dhikr rezitierte, zog er sich in sein Zimmer zurück und machte das stille dhikr. Das störte die anderen Schüler. Während sein Sheikh das laute dhikr praktizierte, rezitierte er das stille. Obwohl er doch für sein ganzes Leben im Dienste des Sheikhs stand.Eines Tages, als Shah Bahauddin und die Schüler Sayyid Amir Kulals bei ihrer Errichtung einer neuen Moschee eine Pause machten, warnte Sayyid Amir Kulal seine Schüler: „Wer fal-sche Gedanken über mein Sohn Bahauddin hegt, irrt sich. Gott begnadigte ihn mit einem Geheimnis, das zuvor niemandem gewährt worden war. Selbst ich konnte sein Geheimnis nicht begreifen.“ Dem Shah Bahauddin verkündete er: „O mein Sohn, ich habe den Wil-len und Ratschlag Sheikh Muhammed Baba sa-Samasis erfüllt, als er mir aufgetragen hatte, dich großzuziehen, bis du mich übertriffst. Das habe ich vollendet und du hast die Kapa-zität noch weitere Horizonte zu erschließen. Also, mein lieber Sohn, gebe ich dir vollkom-mene Erlaubnis, dorthin zu gehen wohin es dir beliebt und dir Wissen anzueignen von wem auch immer du es zu finden vermagst.

Über die Nachfolgenden SheikhsEinmal begleitete ich Mawlana Arif ad-Din Karrani sieben Jahre lang. Dann viele weitere Jahre Mawlana Kuthum Sheikh. Eines Nachts schlief ich in der Gegenwart meines Sheikhs und ich sah Sheikh al-Hakim Attar, der ein berühmter Sheikh der Türken war, zu einem Derwisch namens Khalil Ghirani sprechen. Als ich erwachte, erinnerte ich mich immer noch an das Bild des Derwisches. Ich hatte eine fromme Großmutter, der ich von diesem Traum berichtete. Sie erklärte mir: „O mein Sohn, du wirst auch vielen türkischen Sheikhs folgen.“ Also suchte ich in all meinen Reisen nach türkischen Sheikhs und vergaß dabei nie-mals das Bild jenes einen Derwisches.

Dann eines Tages im meinem eigenen Land, Bukhara, sah ich einen Derwisch, der derje-nige aus meinem Traum sein musste. Ich fragte ihn nach seinem Namen und er antwortete mir: „Ich bin Khalil Ghirani.“ Leider musste ich ihn schon wieder verlassen, was ich sehr bedauerte. Zur Zeit des Abend Gebetes jedoch, klopfte es an meiner Tür.

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„Derwisch Khalil Ghirani erwartet dich.“ Ich war überrascht. Wie konnte diese Person mich gefunden haben. Sofort nahm ich ein Geschenk und machte mich zu ihm auf den Weg.

Als ich seine Gegenwart betrat, berichtete ich ihm von dem Traum. „Du brauchst mir nicht von dem Traum zu erzählen, ich kenne ihn bereits.“ Diese Antwort vergrößerte meine Zu-neigung zu ihm noch mehr. In seiner Gefolgschaft eröffnete sich meinem Herzen weite-res Wissen des Verborgenen. Immer schaute er nach mir, lobte mich und hob mich empor. Die Leute Transoxianas wählten ihn zu ihrem König. Ich folgte ihm weiter, auch während der Zeit seines Sultanats, und meine Herzensliebe für ihn wuchs mehr und mehr und mein Herz erfuhr immer höheres Wissen. Er lehrte mich, wie man dem Sheikh dienen sollte. Sechs Jahre blieb ich bei ihm. In seiner Gegenwart und in meinen Abgeschiedenheiten stellte ich die spirituelle Verbindung über ihn her.

Am Anfang meiner großen Reise traf ich einen Gottesliebenden: „Es scheint als wärst du von uns.“ Ich erwiderte: „Hoffentlich bist du einer von uns.“ Einmal fragte er mich, wie ich mich behandle. Ich antwortete: „Wenn ich etwas finde, so danke ich Gott und wenn nicht, so bin ich geduldig.“ Er lächelte und erwiderte: „Das ist einfach. Dein Weg sollte sein, dein Ego zu belasten und es zu testen. Ist ihm das Essen schon eine Woche lang untersagt wor-den, so musst du im Stande sein, es im Zaum halten zu können, ohne dass du ihm dabei die Gelegenheit gibst herumzumotzen.“ Ich war sehr zufrieden mit seiner Antwort und bat ihn um seine Unterstützung.

Er trug mir auf, den Bedürftigen zu helfen, den Schwachen zu dienen und jene zu ermun-tern, deren Herzen gebrochen wurde. Dabei sollte ich niemals die Demut und die Tole-ranz vergessen. Ich hielt seine Befehle ein und verbrachte viele Tage meines Lebens auf diese Weise. Dann sollte ich mich auch um die Tiere kümmern, ihre Krankheiten heilen, ihre Wunden säubern und ihnen bei der Findung ihrer Nahrung behilflich sein. Schließlich hatte ich soviel Respekt vor den Tieren, dass wann immer mir eines entgegenlief, ich die Straßenseite wechselte, um ihm Platz zu machen.

Vor allem sorgte ich voll Wahrhaftigkeit und Demut für die Hunde (sie stehen für den Cha-rakter der Aufrichtigkeit und Treue) und bat sie um Hilfe, da mir vorausgesagt wurde: „Auf-grund deines Dienstes für einen von ihnen, wirst du große Glückseligkeit erlangen.“ Ich ver-suchte diesen Befehl zu erfüllen, um jenes Glück zu finden. So geschah es, dass mich einmal eine unglaubliche Glückseligkeit umfasste. Vor Freude flossen meine Tränen und ein Hund setzte sich auf sein Hinterteil, seine Pfoten zum Himmel erhebend. Aus ihm jammerte eine sehr trübselige Stimme und so erhob auch ich meine Hände zum Bittgebet, „Amin, Amin“ sagend, bis er wieder beruhigt war. Was mir dann entschleiert wurde, war ein Zustand, in dem ich verspürte wie ich ein Teil eines jeden menschlichen Wesens und jedes Geschöpfes war.

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Nach dem Tragen des UmhangesEines Tages war ich in meinem Garten in Qasr al-Arifan, den Umhang Azizans tragend, und um mich herum waren meine Schüler. Plötzlich ergriffen mich die himmlische Anzie-hung und der Segen, welche mich mit Seinen Attributen bekleideten. Von ganzem Körper erschauerte ich und war nicht mehr im Stande zu stehen. Ich blickte zur qiblah und hatte eine großartige Vision. Vollständig aufgelöst sah ich keine Existenz mehr außer die mei-nes Herrn. Reflektiert von dem Spiegel „Muhammed Rasul Allah“, trat ich dann aus Seiner göttlichen Gegenwart als eine Erscheinung eines Sternes in dem endlosen Ozean des Lichtes hervor. Mein äußerliches Leben fand sein Ende und ich konnte nichts mehr wahrnehmen außer „la ilaha ill-Allah, Muhammedun Rasul Allah.“

Dies führte mich zur der Essenz des Namen „Allah“, welche mich daraufhin zu dem ab-soluten Verborgenen geleitete, was die Essenz des Namen „Huwa“ (Er) ist. Als ich in die-sen Ozean eintauchte, hörte mein Herz in einem Zustand des Todes auf zu schlagen. Meine Seele verließ meinen Körper und alle um mich herum dachten, ich sei gestorben. Dann nach sechs Stunden, wurde mir befohlen in meinen Körper zurückzukehren. Ich beobach-tete meine Seele, wie sie langsam in meinen Körper einzog und die Vision endete.

Deine Existenz zu verneinen und das Ego zu missachten und zu vernachlässigen ist die Grundlage dieses Ordens. In diesem Zustand, nahm ich jede Art der Existenz an, was mich zu einem Teil der ganzen Schöpfung machte und in mir die Gewissheit sicherte, dass jeder besser ist als ich. Ich sah wie alles für etwas gut ist, nur ich nicht. Eines Tages hörte Ich eine göttliche Stimme verkünden: „Bitte uns um alles, was dir gerade beliebt.“

So fragte ich voll Demut: „O Gott, schenke mir einen Tropfen aus Deinem Ozean der Barmherzigkeit und des Segens.“ Man erwiderte: „Du bittest uns bei unserer allumfassen-den Großzügigkeit nur um einen Tropfen?“ Das war ein Schlag ins Gesicht, der noch nach vielen Tagen erkennbar war. Das nächste Mal sollte ich um den Ozean der Barmherzigkeit und der Kraft ihn zu ertragen bitten. Eine gigantische Vision zeigte sich mir: „Dieser Ozean der Barmherzigkeit ist für dich. Verteile ihn unter Meinen Dienern.“

Ich empfing Geheimnisse von allen Kanälen, insbesondere von Uways al-Qarani , der mich darin unterstütze vom Weltlichen abzulassen und mich ausschließlich der Spirituali-tät zu widmen. Dieses gelang mir, durch das Einhalten des Göttlichen Gesetzes und der Be-fehle des Propheten , so dass ich schließlich Wissen des Verborgenen und Geheimnisse der Einheit, von denen niemand zuvor wagte zu sprechen, verbreiten konnte.

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Die Wunder seiner Aussprüche und die Unterschiede zwischen den ImamenIn einer Versammlung großer Gelehrten in Bagdad wurde Shah Naqshband über die Unter-schiede bezüglich der Aussprüche der vier Kalifen des Heiligen Propheten befragt. Er er-klärte:

Einmal sagte as-Siddiq : „Ich sah nichts vor dem nicht Gott war.“ Umar al-Faruq : „Ich habe nichts vernommen hinter dem nicht Gott war.“ Uthman : „Ich habe nichts gesehen, worin nicht Gott war.“ Die Unterschiede dieser Aussprüche liegen in den unterschiedlichen Umständen, in denen sie gesagt worden sind, und nicht in den Unterschieden des Glaubens oder des Verständnisses.

Das Beschreiten des WegesWas ist die Bedeutung der Überlieferung des Propheten „Ein Teil des Glaubens ist, Schädli-ches von deinem Weg zu entfernen?“ Das „Schädliche“ beschreibt das Ego welches auf dem „Weg“ zu Gott beseitigt werden muss. Bayazid al-Bistami sagte diesbezüglich: „Verlasse dein Ego und komm zu Uns.“

Shah Naqshband wurde einmal gefragt, was es denn heiße, auf dem Weg zu reisen? „Die Einzelheiten des spirituellen Wissens“, antwortete er. Und hinsichtlich was das spirituelle Wissen umfasse, erklärte er:

Derjenige, der weiß und das annimmt, was er weiß, der wird von der Stufe der Beweise zur Stufe der Vision emporgehoben ... Wer wünscht den Weg Gottes zu beschreiten, hat sich entschlossen den Weg des Leids zu begehen. Der Prophet überlieferte diesbezüglich: „Wer mich liebt, den werde ich belasten.“ Es kam jemand zum Propheten . „O Prophet Ich liebe dich.“ Und der Prophet erwi-derte: „Dann bereite dich darauf vor, arm zu werden.“ Zu einer anderen Person sagte er: „Dann mach dich gefasst auf großes Leid.“

Es wird von seinem Nachfolger, Alauddin al-Attar, berichtet, dass wann immer Shah Naqsh-band neue Kleider bekam, er sie jemand anderem gab, bis er sie getragen hatte und danach erst trug er selbst diese Kleider.

Er rezitierte einen Vers: Jeder verlangt nach dem Guten Doch hat noch keiner es gefunden Ohne zu lieben Den Einen, der es hat erschaffen

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Er erklärte ihn wie folgt: Jeder der Gefallen an Sich hat, muss sein Sich abweisen. Wer etwas anderes als Sich will, der will in Wirklichkeit nur Sich.

Über spirituelles Training, Stufen und ArmutEs gibt drei Wege, auf denen die Wissenden ihr Wissen erlangen: Das Nachsinnen, die Vi-sion und die Abrechnung seiner Selbst. In dem Zustand des Nachsinnens vergisst der Su-chende die Schöpfung und konzentriert sich allein auf den Schöpfer. In dem Zustand der Vision erreichen das Herz des Suchenden Inspirationen aus dem Verborgenen und es kommt zu dessen Zusammenziehung und Weitung. Bei der Zusammenziehung handelt es sich um die Schau seiner Majestät und bei der Weitung um die Vision seiner Schönheit. In dem Zu-stand der Abrechnung, führt sich der Suche jede Stunde vor die Augen, wie er gehandelt hat: War er sich der Gegenwart Gottes bewusst oder hat er sein Herz dem Weltlichen gewidmet?

Der Suchende auf diesem Weg muss allzeit damit beschäftigt sein, schlechte Einflüsterun-gen und Wünsche des Egos zurückzuweisen. Entweder verwirft er sie bevor sie ihn über-haupt erreichen oder dann wenn sie ihn erreichen, sie ihn aber noch nicht kontrollieren kön-nen. Denn versucht er sie erst dann loszuwerden, wenn sie ihn schon vollständig überkom-men haben, so wird es ihm unmöglich sein, sie wieder rauszubekommen.

Shah Naqshband wurde gefragt: „Wie können die Freunde Gottes schaffen, auf die verbor-genen Taten und Einflüsterungen anderer zu schauen?“ Er sagte: Durch das ihnen von Gott gewährte Licht, von dem der Prophet schon gesprochen hat: „Nehmt euch vor der Sicht des Gläubigen in Acht, denn er schaut mit dem Lichte Gottes.“Als man Shah Naqshband darum bat, wunderliche Kräfte zu zeigen, so schmunzelte er:Was wollt ihr denn noch Wunder sehen?! Was kann wunderlicher sein als, dass wir trotz un-serer vielen Sünden immer noch auf der Erde herumlaufen können.

Über Junayds Aussage, wir mögen uns doch von den Lesern von Büchern abwenden und uns den Sufis zuwenden, erklärte er, man solle die Lesenden von Worten und Namen verlas-sen und endlich diejenigen aufsuchen, die sich mit der Essenz der Namen beschäftigen.Shah Naqshband warnte: „Berichtet ein Schüler, ein Sheikh oder jemand anderes von einer Stufe, die er noch nicht erreicht hat, dann wird ihm entsagt, jemals diese Stufe zu errei-chen.“ Auch sagte er: „Der Spiegel jedes Sheikhs hat zwei Richtungen. Unser Spiegel jedoch hat sechs Richtungen.“Die Bedeutung der Heiligen Überlieferung „Ich bin mit jenem, der Meiner gedenkt“, liefert uns einen klaren Nachweis und Beweis, der jene bestätigt, die sich immer in ihren Herzen Seiner gedenken. Und der andere Ausspruch des Propheten , den Gott ihn hat sagen las-sen, „Das Fasten ist für mich“ ist eine Bestätigung, dass wahres Fasten die Enthaltsamkeit

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von allem bedeutet, was nicht Gott ist.Über den Grund warum man denn die Suchenden die Armen nennt, sagte er:Weil sie arm sind, aber nicht betteln müssen. Wie der Prophet Abraham als er in das Feuer katapultiert wurde und Gabriel ihn fragte: „Brauchst du Hilfe?“ Er antwortete le-diglich: „Ich brauche nicht darum zu bitten. Er kennt meinen Zustand.“

Armut ist ein Anzeichen, dass man sich von der Abhängigkeit von den Gesetzen und Bedin-gung der Existenz frei gemacht hat.

Einmal fragte er: „Wer sind die Armen?“ Keiner antwortete ihm. „Die Armen sind diejeni-gen, deren Inneres im ständigen Kampf ist, aber ihr Äußeres immer in seligem Frieden.“

Über die guten Manieren bei seinem SheikhFür einen Schüler ist wichtig, dass wenn er etwas von seinem Sheikh gesehen oder gehört hat, das er nicht verstehen kann, ruhig ist und es erträgt und ihm nicht misstraut. Ist er noch ein Anfänger, so mag er fragen „warum?“, ist er jedoch ein Schüler so gibt es für ihn keinen Grund nachzufragen, sondern er sollte ruhig und geduldig sein mit dem, was er noch nicht begreifen kann.Es ist unmöglich die Liebe der Freunde Gottes zu erlangen, bis du nicht aus dir selbst hin-austrittst.

Shah Naqshband sagte: Auf unserem Weg gibt es drei Kategorien des guten Verhaltens: Gutes Verhalten vor Gott dem Allmächtigen, vor dem Propheten Muhammed und vor dem Sheikh

Gutes Verhalten vor Gott bedarf der äußeren und inneren Vollkommenheit beim Gottes-dienst, das Meiden von allem Verbotenem, das Einhaltens dessen, was offenbart wurde und das Zurücklassen von allem, was nicht Gott ist.

Gutes Verhalten vor dem Propheten bedeutet sich den Zustand anzueignen, welcher wie folgt im Quran beschrieben wird: „Willst du Gott lieben, so folge mir.“ (3:31) Dem Prophe-ten in all seinen Lebenssituationen folgend, muss er wissen, dass der Prophet die Brücke zwischen Gott und Seiner Schöpfung ist und dass alles in dem Universum seinem erhabe-nen Befehl unterliegt.

Gutes Verhalten vor dem Sheikh ist eine Pflicht für jeden Suchenden. Die Sheikhs sind die Gründe und Mittel den Fußspuren des Propheten zu folgen. Der Suchende muss in ihrer Gegenwart und ihrer Abwesenheit die Befehle des Sheikhs einhalten.Einmal grüßte mich mein Schüler, aber ich erwiderte seinen Gruß nicht, obwohl es gemäß

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der Sunnah eine Pflicht ist einen Gruß zu erwidern. Das empörte ihn. Nach einigen Tagen sandte ich jemanden zu ihm, um mich bei ihm zu entschuldigen: „Zu jener Zeit war meine Seele vollkommen in der göttlichen Gegenwart eingetaucht, Gottes Worten lauschend. Das zog mich vollständig in den Bann, so dass ich niemanden hätte antworten können.

Über die AbsichtDie Absicht gerade zu biegen ist sehr wichtig, weil die Absichten aus der ungesehenen Welt entstammen, nicht der materiellen Welt. Aus diesem Grund nahm Ibn Sirin (Author des Bu-ches über die Interpretation der Träume) nicht am Totengebet Hasan al-Basris teil. „Wie kann ich beten, wenn meine Absicht mich noch nicht mit dem Ungesehen verbunden hat?“ Die Absicht (niyyah) ist entscheidend, sie besteht aus drei Buchstaben:Nun, was Nur Allah repräsentiert, das Licht Gottes; Ya, was für Yad Allah steht, die Hand Gottes; und Ha, was Hidayat Allah beschreibt, die Rechtleitung Gottes. Die Absicht ist der Lebenshauch der Seele.

Über die Pflichten der HeiligenIn der Gegenwart Azizans gibt es zwei Arten des dhikrs: das stille und das hörbare. Ich be-vorzugte das stille, denn es ist kraftvoller und vorzuziehender.

Der Vollkommene muss die Erlaubnis zum dhikr geben, damit es demjenigen helfen kann, der es rezitiert, so wie der Pfeil eines Bogenschützen besser fliegt als, der einer gewöhnlichen Person.

Shah Naqshband fügte drei Säulen zu den acht des Sheikh Abd al-Khaliqs zu: Bewusstwer-den der Zeit, der Nummern und des Herzens.

Bewusstwerden der ZeitDas Bewusstsein der Zeit bedeutet, sich seiner Selbstbeherrschung klar zu werden und die Neigung zu Achtlosem zu überprüfen. Der Suchende muss wahrnehmen, wie viel Zeit er verbracht hat, zur spirituellen Reife voranzuschreiten, und muss erkennen wohin er auf sei-ner Reise in die göttliche Gegenwart gelangt ist. Er sollte Fortschritte in all seinen Bemü-hungen machen.Die Zeit sollte er verbringen, sein alleiniges Ziel zu der Ankunft an der göttlichen Liebe und göttlichen Gegenwart zu machen. Denn all seine Bemühungen und Taten, bis ins kleinste Detail werden von seinem Herrn aufgenommen. Dem Suchenden bedarf es einem Abrech-nungsbuch seiner Taten und Absichten zu jeder Zeit und einer Analyse seiner Taten jeder Stunde, jeder Sekunde, jedes Moments. Sind sie gut, so dankt er Gott dafür. Waren sie schlecht, so betet er um Gottes Verzeihung.

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Yaqub al-Charkhi sagte, dass sein Sheikh, Alauddin al-Attar, eklärt hatte:In dem Zustand Niedergeschlagenheit musst du übermäßig um Vergebung bitten und im Zustand der Freude, Gott überreichlich preisen.Die Bewusstwerdung der Zeit bedeutet sich dem Augenblick zwischen der Zusammendrü-ckung und Weitung des Herzens bewusst zu werden. Shah Naqshband erklärte:Du musst deiner Selbst bewusst werden. Folgst du dem göttlichen Gesetz, so danke Gott dafür. Hast du gesündigt, so bete um Vergebung.Was entscheidend für den Suchenden ist, auch den kürzesten Moment bewusst zu verbrin-gen. Er muss ein Wächter seiner Selbst werden und in jedem Augenblick urteilen ob er in der Gegenwart Gottes oder seines Egos war.Du musst abschätzen, wie du dein Leben in jedem Moment verbracht hast: mit Bewusstsein oder Fahrlässigkeit.

Bewusstsein der ZahlenBewusstsein der Zahlen bedeutet, dass der Suchende die exakte Anzahl seiner Wiederholun-gen bei seinem stillen dhikr des Herzens zählt. Es geht nicht darum, dass man nachgezählt hat, sondern darum das Herz vor schlechten Gedanken zu bewahren und ihm zu helfen sich mehr auf die Rezitation zu konzentrieren um die vom Sheikh geforderte Anzahl an Rezitati-onen so schnell wie möglich zu erreichen. Das Nachzählen soll verhelfen, in die Gegenwart des Gepriesenen einzutreten und sich beim einzelnen Abzählen dessen bewusst zu werden, dass alles des Einen bedürft, dessen Zeichen überall in der Schöpfung zu finden sind.Shah Naqshband sagte, dass das Nachzählen des dhikrs der erste Schritt zum himmlischen Wissen ist. Das Zählen führt dich zu der Erkenntnis, dass alles nur dem Einen bedarf. Alle mathematischen Gleichungen brauchen die Eins. So hängt auch jedes Geschöpf von dem Einen ab.

Bewusstsein des HerzensDie Achtsamkeit des Herzens beschreibt die Hinwendung des Suchenden zur göttlichen Ge-genwart, wo er nichts mehr außer seinem Geliebten sehen wird.Es bedeutet Seine Manifestationen in allen Zuständen zu erfahren. Ubayd Allah al-Ahrar sagte: „Das Bewusstsein des Herzens ist, dem Zustand in der göttlichen Gegenwart auf solch eine Weise bewusst zu sein, dass wohin man auch sein Antlitz wenden möge, man nur Ihn sieht.“Man konzentriert dann das dhikr in das Herz, denn es ist das Zentrum der Kraft. All Ge-danken und Inspirationen, gut oder schlecht, werden im Herzen verspürt und ziehen eines nach dem anderen, im ständigen Wechsel zwischen Licht und Finsternis, hindurch.Dhikr ist da, um die Turbulenzen des Herzens zu kontrollieren und zu verringern.

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Die Bedeutung der Gemeinschaft Muhammeds

Shah Naqshband sagte:Der Prophet verkündete: „Der Anteil aus meiner Gemeinschaft, denen das Höllen-feuer vorherbestimmt ist, gleicht einem Abraham , der in das Feuer Nimrods katapultiert wurde.“ Somit teilte er uns die frohe Botschaft der Errettung seiner Gemeinschaft mit, so wie Gott Abraham vor dem Feuer bewahrt hatte: „O Feuer, sei kühl und sicher für Abra-ham.“(21:69) Denn auch sagte der Prophet : „Meine Gemeinschaft wird niemals Schlech-tes befürworten.“ Er bestätigte damit, dass seine Gemeinschaft niemals Schlechtes akzeptie-ren wird und daher Gott die Gemeinschaft Muhammeds verschonen wird.

Sheikh Ahmed al-Faruqi berichtet von Shah Naqshband:Zur Gemeinschaft Muhammeds zählen auch diejenigen, die nach ihm gekommen sind. Sie besteht aus drei Teilen: ummat ad-dawah, ummat al-ijaba und ummat al-mutabaa.

Ummat ad-dawah: In diese Gruppe gehört absolut jeder, der nach ihm auf diese Welt ge-kommen ist, und einfach von seiner Botschaft gehört hat. Dass der Prophet zu allen Menschen gesandt ward, kommt in vielen Versen des Qurans zum Ausdruck (Meine Barm-herzigkeit umfasst alle Dinge 7:156, Gott bezeichnete den Propheten als eine Barmherzigkeit für die Welten 21:107; Sprich: Ich ward zu euch allen gesandt 7:158); des weiteren ist seine Ge-meinschaft Zeuge über all den anderen und der Prophet ist Zeuge über jeden, einschließ-lich der anderen Gemeinschaften wie auch über deren Zeugen. (Und so machten Wir euch zu einem Volk der Mitte, auf dass ihr Zeugen für die Menschen seid. Und der Gesandte wird für euch Zeuge sein. 2:143 Und wie (wird es mit den Ungläubigen stehen), wenn Wir von jedem Volk einen Zeugen bringen, und wenn Wir dich wider sie als Zeugen bringen?!(4:41)

Ummat al-ijaba: Jene, die die Botschaft angenommen haben.

Ummat al-mutabaa: Jene, die die Botschaft angenommen haben und den Fußspuren des Propheten gefolgt sind.

All diese Gruppen aus der Gemeinschaft des Propheten werden gerettet werden. Und wenn sie nicht aufgrund ihrer Taten bewahrt werden, dann aufgrund der Fürsprache des Propheten : „Meine Fürsprache ist für die Sündigen meiner Gemeinschaft.“

Über das Erreichen der göttlichen GegenwartShah Naqshband sagte: Die Überlieferung des Propheten :„Das Gebet ist die Himmels-fahrt des Gläubigen“ ist ein deutliches Anzeichen für die verschiedenen Stufen eines wahren

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Gebets, in dem der Betende in die göttliche Gegenwart emporsteigt, wo sich in ihm Ehr-furcht, Ehrerbietung, Gehorsam und Demut manifestiert, sodass sein Herz einen Zustand des Nachsinnes durch das Gebet einnimmt, welches ihn zur Schau der göttlichen Geheim-nisse führt. So war das Gebet des Propheten . Wenn er betete, so konnte man noch au-ßerhalb der Stadt Geräusche aus seiner Brust hervorkommen hören, die dem Brummen der Bienen im Bienenstock glich.

Einer der Gelehrten Bukharas fragte Shah Naqshband: „Wie kann man in seinem Gebet die göttliche Gegenwart erreichen?“ Er antwortete: „Durch Essen, das du dir mit Müh und Fleiß verdient hast und durch die Erinnerung Gottes des Allmächtigen in jedem Zustand deines Lebens.

Über den verborgenen PolytheismusSheikh Salah, sein Diener, berichtet: inmal sagte Shah Naqshband zu seinen Schülern: „Jeg-liche Verbindung eures Herzens mit jemand anderem außer Gott, ist der größte Schleier für euch.“ Und rezitierte folgende Verse:

Die Verbundenheit nicht mit Gott Ist des Suchenden größter Schleier Wem gelingt sie zu zerreißen Dem ist offen der Weg des Erfolges

Gleich nachdem er diese Verse rezitiert hatte, kam in mein Herz, dass er von der Verbin-dung zwischen Glaube und der Hingabe Gottes sprach. Er schaute zu mir und lachte: „Hast du nicht gehört was Hallaj hat gesagt? ‚Ich verwerfe die Religion Gottes, denn das ist mir Pflicht, auch wenn es den Muslimen nicht gefällt.’ O Sheikh Salah, was in dein Herz kam ist nicht der springende Punkt. Was entscheidend ist, ist der wahre Glaube und wahrer Glaube bedeutet für die Wahrhaftigen, sich allem zu entsagen, was nicht Gott ist. Das ist was Hallaj dazu verleitete so etwas zu sagen. Sein Herz wollte nichts außer Gott.“

Er fuhr fort: „Hallaj bestritt natürlich nicht seinen Glauben im Islam, sondern betonte seine Hingabe Gottes. Wie kann man von jemandem behaupten, der nichts außer nach Gott fragt, dass er nicht der Religion Gottes angehört. Die Wahrheit seines Glaubensbekenntnis stellte die übliche Glaubensbekenntnisse in den Schatten.

Sheikh Salah sagte weiter: Ich hörte von Shah Naqshband: „Die Leute Gottes bewundern nicht ihre Taten; all ihre Taten entspringen ihrer Liebe zu Gott.

Rabia al-Adawiyya sagte: „O Gott, Ich bete nicht deines Paradieses wegen oder aus Furcht

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vor dem Höllenfeuer, sondern ganz und allein deiner Liebe wegen.“ Betest du um dich zu retten oder aufgrund der Belohnung, so ist das verborgener Polytheismus, denn du sprichst Gott Teilhaber zu, nämlich die Belohnung oder die Bestrafung. Das ist, was Hallaj hat ver-sucht auszudrücken.“

Von Sheikh Arslan ad-Dimashqi wissen wir über Shah Naqshband: O Gott, Deine Reli-gion ist nichts anderes als verborgener Polytheismus und nicht zu glauben ist eine Pflicht für jeden wahren Gläubigen. Die Leute der Religion beten nicht dich an, sondern das Paradies, welches ihnen ein Schutz vor dem Höllenfeuer sein soll. Das sind ihre Götzen und das ist die schlimmste aller Arten des Götzendienstes. Du Hast gesagt: „Wer die Götzen verwirft und an den Gott glaubt, der hat den festesten Halt erfasst.“ (2:256) Diese Götzen zu ver-werfen und an Dich zu glauben ist ein Muss für die Wahrhaftigen.

Sheikh Abul Hasan ash-Shadhili, einer der größten Sufi Sheikhs, wurde von seinem Sheikh gefragt: „Womit willst du deinen Herrn treffen?“ Er antwortete: „Ich komme zu ihm mit meiner Armut.“ Sein Sheikh erwiderte:

O mein Sohn, wiederhole dies niemals mehr. Das ist der größte Götze, denn noch immer willst du zu ihm mit etwas kommen. Befreie dich von allem und gehe erst dann zu ihm. Die Gelehrten des Gesetzes und der äußeren Form halten fest an ihren Taten und auf dieser Basis erstellen sie das Konzept der Strafe und Belohnung. Sind sie gut, so werden sie Gutes vorfinden, wenn nicht, dann Schlechtes; was dem Diener gut tut, sind seine Taten, was ihm schadet sind ebenfalls seine Taten. Für die Suchenden auf diesem Weg ist dies verborgener Polytheismus, denn man schreibt Gott Teilhaber zu. Die guten Taten sind zwar eine Pflicht, aber das Herz sollte sich nicht darauf verlassen. Sie sollten nur Seinetwegen und Seiner Liebe wegen verrichtet werden, ohne irgendetwas im Gegenzug zu erwarten.

Über den Naqshbandi WegShah Naqshband sagte: Unser Weg ist rar und sehr edel. Er ist die „feste Umklammerung“, das stetige Befolgen der Fußspuren des Propheten und seiner Gefährten. Man eröffnete mir diesen Weg an der Türe der Gunst, denn weder an seinem Anfang oder an seinem Ende, sah ich nichts, was nicht die Gunst Gottes war. Auf diesem Weg werden große Pfor-ten des himmlischen Wissens demjenigen geöffnet werden, der den Fußspuren des Prophe-ten folgt.Die Sunnah des Propheten zu befolgen ist das wichtigste Mittel um diese Pforten zu öff-nen.Wer nicht unseren Weg beschreitet, dessen Religion ist in Gefahr.Als man ihn fragte, wie man denn zu eurem Weg kommt, so antwortete Shah Naqshband, durch das Festklammern an der Sunnah

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Wir bewahrten auf diesem Weg die Demut und Gott segnete uns mit Ehre.

Manche bezeichneten ihn manchmal als arrogant. Er jedoch erwiderte: „Wir sind Seinetwe-gen stolz, er gibt uns Seine Unterstützung!“

Er sagte: Die Geheimnisse der Einheit zu erlangen ist manchmal möglich. Aber die des spi-rituellen Wissens ist äußerst schwer.

Spirituelles Wissen ist wie Wasser, es übernimmt die Farbe und Form des Gefäßes. Got-tes Wissen ist so gigantisch, dass wir soviel nehmen könnten wie wir wollen, aber es doch in Wirklichkeit nur einem Tropfen eines endlosen Ozeans gleicht. Wie ein großer Garten, schneide soviel du willst, am Ende ist es doch nur eine Blume.

Seine Einstellung hinsichtlich des EssensShah Naqshband, möge Gott seine Seele heiligen, erreichte die höchsten Stufen der Entsa-gung der Wünsche dieser Welt. Er beschritt den Weg der Frömmigkeit, besonders wenn er aß und traf alle Vorkehrungen, wenn es ums Essen ging. Er aß nur die Gerste, die er selbst in seinem Garten anwachsen ließ. Er erntete sie, zermalmte sie, machte den Teig, knete ihn und backte Brot. Alle Gelehrten und Suchenden machten sich auf den Weg zu seinem Haus um einmal von seiner Tafel und dessen Segen kosten zu können.Im Winter legte er lediglich alte verfranzte Teppiche auf seinen Fußboden aus, die keinen Schutz vor der bitteren Kälte boten. Im Sommer benutzte er dünne Matten. Er liebte die Armen und Bedürftigen und drängte seine Schüler Geld durch redliche Arbeit zu gewinnen, um es den Armen zu spenden. Auch kochte er für die Armen und lud sie zu seiner Tafel ein. Ihnen mit seinen eigenen Heiligen Händen dienend, riet er ihnen immer der Gegenwart Gottes bewusst zu sein. Würden sie ein Stück achtlos zu sich nehmen, so würde er sie spiri-tuell darauf hinweisen, die Gotteserinnerung beim Essen nicht zu vergessen.So lehrte er, dass das bewusste Essen zur Gegenwart Gottes führt. Das Essen erfrischt den Körper mit neuer Stärke und Essen mit aufmerksamen Geist liefert dem Körper Reinheit. Einmal lud man ihn in die Stadt Ghaziuts ein und sein Schüler hatte für ihn ein Mahl vor-bereitet. Als sie sich zum Essen setzten, aß er nicht. Der Gastgeber war verwundert. Der Sheikh erklärte „O mein Sohn, ich wundere mich, wie du dieses Essen zubereitet hast. Vom kneten bis es gebacken war, warst du in einem Zustand des Zorns. Das Essen ist voll mit diesem Zorn. Sollten wir es essen, so wird Satan einen Weg in uns finden und schlechtes in unserem Körper verbreiten.“Ein anderes Mal hatte ihn König Husayn nach Herat eingeladen. Der König freute sich über seinen ehrenwerten Gast und ließ ein Festessen zubereiten. Auch sollten all seine Mi-nister, die Sheikhs seines Königreiches und der ganze Adel kommen. „Esst davon. Es ist rein. Es ist von den rechtmäßigen Erträgen, die ich von meinem Vater erbte.“ Jeder aß bis

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auf Shah Naqshband, so dass der Sheikh al-Islam, Qutb ad-Din, fragen musste: „O unser Sheikh warum isst du denn nicht?“ Shah Naqshband erwiderte: „Ich habe einen Richter, den ich von Mal zu Mal um Rat aufsuche und er teilte mir mit: ‚O mein Sohn, es gibt zwei Möglichkeiten für dieses Essen. Ist es nicht rechtmäßig und du isst es nicht, dann kannst du sagen, wenn du darüber befragt wirst, ich habe es nicht gegessen. Aber was wenn du es isst. Dann garantiere ich für nichts.“Qutb ad-Din überwältigten diese Worte dermaßen, dass er erschauerte. Er bat den König um Erlaubnis mit dem Essen aufhören zu dürfen. Der König war verwundert: „Was sol-len wir mit all diesen Speisen machen?“ Shah Naqshband schlug vor: „Gibt es Zweifel über dieses Essen, so sollte es den Armen gegeben werden. Ihre Not wird es ihn erlauben. Ist es rechtmäßig, wie Sie behaupten, so wird sogar noch mehr Segen darin sein es den Armen zu spenden, als damit jene vollzustopfen, die dessen gar nicht bedürfen.“Die meiste Zeit fastete er. Bekam er Besuch und hatte er etwas anzubieten, so setzte er sich mit ihm hin und brach sein Fasten. Er erklärte seinen Schülern, dass die Gefährten des Pro-pheten auf dieselbe Weise gelebt hatten. Sheikh Abul Hasan al-Kharqani sagte in seinem Buch, „Die Säulen des Weges und die Bedingungen die Wirklichkeit zu erreichen“:

Bewahrt die Harmonie unter euch und euren Freunden, aber nicht beim Sündigen. Das be-deutet, dass wenn du fastest und ein Freund kommt dich besuchen, so musst du dich mit ihm hinsetzen und essen um angemessenes Verhalten zu pflegen. Ein wichtiger Punkt des Gottesdienstes ist, dass man versucht ihn zu verbergen. Denn enthüllt man ihn, so könnte man leicht von Stolz besessen werden, was z.B. den Wert des Fastens vernichtete. Das ist die Absicht dahinter.

Man schenkte ihm einmal gebackenen Fisch. Um ihn herum waren sehr fromme Arme, darunter auch ein Junge, der fastete. Shah Naqshband gab den Armen den Fisch und lud sie zum Essen ein. Der Junge weigerte sich jedoch. „Was wäre jedoch, wenn ich dir einen mei-ner Tage des Ramadans gäbe? Wirst du dann essen?“ Wieder wollte er nicht. „Auch Baya-zid al-Bistami wurde einmal mit so einem wie dich geplagt“, sagte er. Danach sah man den Jungen nach den weltlichen Lüsten hinterher rennen, das Fasten und den Gottesdienst auf-gebend.Das Ereignis zu dem sich Shah Naqshband bezog, ereignete sich eines Tages als Sheikh Abu Turab an-Naqshabi Bayazid al-Bistami besuchte. Sein Diener bot ihm zu essen an. Abu Turab bat den Diener darum, doch mit ihm zu essen. Er erwiderte: „Nein. Ich faste.“ „Komm und iss und Gott wird dir die Belohnung des Fastens eines Jahres geben.“ Er ver-weigerte. „Komm ich werde beten, dass Gott dir die Belohnung für zwei Jahre gibt.“ Dar-aufhin sagte Sheikh Bayazid: „Lass ihn. Gottes Fürsorge hat ihn soeben verlassen.“ Dann veränderte sich sein Leben und er wurde ein Dieb.

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Seine Wunder und GroßzügigkeitShah Naqshbands Zustand und sein Wissen überschreiten jeglichen Horizont. Sein Dasein allein war schon sein größtes Wunder. Oft verbarg er seine Taten, um seine wundervollen Kräfte nicht zur Schau zu stellen. Trotzdem gelang es, viele seiner Wunder aufzunehmen.

Shah Naqshband, möge Gott seine Seele segnen, sagte: Eines Tages ging ich mit Muham-med Zahid raus in die Wüste. Er war ein vertrauensvoller Schüler und wir hatten Hacken mitgenommen, mit denen wir graben wollten. Je tiefer wir gruben, desto tieferes Wissen er-schloss sich uns, so dass wir die Hacken hinweg warfen und in das spirituelle Wissen ein-tauchten. Immer weiter und weiter bis wir zur Natur des Gebetes kamen: „O mein Sheikh, zu welchen Stufen hebt uns das Gebet empor?“ Ich antwortete: „Man erlangt solch Voll-kommenheit, dass der Betende zu jemandem ‚stirb’ sagen könnte und er fiele auf der Stelle tot um.“ Als ich dies sagte, zeigte ich unbewusst auf Muhammed Zahid und er fiel urplötz-lich um. Er verharrte in einem Zustand des Todes vom Sonnenaufgang bis zum Mittag. Es war sehr heiß. Ich befürchtete, sein Körper verschlimmerte sich aufgrund der erstickenden Hitze. Folglich zog ich ihn unter einen Baum und dachte darüber nach, was gerade gesche-hen war. In Mein Herz kam eine Inspiration aus der göttlichen Gegenwart, die mich auffor-derte zu sagen: „O Muhammed, lebe!“ Drei Mal rief ich dies zu ihm. Und seine Seele fand langsam wieder Einkehr in seinen Körper und er bewegte sich wieder. Ich fragte meinen Sheikh darüber, was vorgefallen war: „O mein Sohn, Gott begnadigte dich mit einem Ge-heimnis, das zuvor noch niemandem zuteil gewesen war.“

Sheikh Alauddin al-Attar sagte: Einmal kam der König Transoxianas, Sultan Abd Allah Kazgan, nach Bukhara. Er beschloss mit einigem Gefolge in der Umgebung zu jagen. Shah Naqshband befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem Dorf in der Nähe. Als man die Jagd begann, bestieg Shah Naqshband die Spitze eines Hügels und setzte sich dorthin. Es er-reichte sein Herz eine Eingebung, dass der Herr seine Heilige so ehrte, dass sich vor ihnen alle Könige verbeugen sollten. Dieser Gedanke war noch nicht aus seinem Herzen, als ein Reiter sich seiner Gegenwart näherte. Voll Demut grüßte er Shah Naqshband und verbeugte sich vor ihm. Shah Naqshband gewährte ihm jedoch keinen Blick und der Sultan sollte so voller Unterwürfigkeit eine Stunde lang stehen, bis Shah Naqshband zu ihm sprach: „Was machst du hier?“ Er antwortete: „Ich bin der König Kazgans. Ich war auf der Jagd und ich vernahm solch liebliche Düfte, dass ich ihnen folgen musste. Sie geleiteten mich in deine Gegenwart, wo ich dich von kraftvollem Licht umhüllt erblickte. Sein alleiniger Gedanke „Alle Könige sollten sich vor den Heiligen verbeugen“ wurde umgehend Realität. So ehrt Gott die Gedanken der Heiligen.

Ein Schüler, der ihm in der Stadt Mervs diente, berichtet: Eines Tages wünschte ich meine Familie in Bukhara zu besuchen, als ich von dem Tod meines Bruders gehört hatte. Ich

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wusste, dass ich meinen Sheikh vorher um Erlaubnis fragen musste. Also sprach ich mit Amir Husayn, dem Prinzen von Herat, auf das er für mich bei Shah Naqshband um Er-laubnis fragte. Auf dem Rückweg vom Freitagsgebet informierte Amir Husayn ihn über den Tod meines Bruders und teilte mit, dass ich gehen wolle. „Nein, unmöglich. Wie kannst du sagen, er sei verstorben, wenn ich ihn doch noch sehen kann? Mehr als nur das, ich kann sogar seinen Geruch vernehmen. Ich werde ihn jetzt hierher holen.“ Kaum beendete er seine Worte und mein Bruder erschien vor mir. Er näherte sich dem Sheikh, küsste seine Hand und grüßte Amir Husayn. Ich umarmte meinen Bruder und große Freude war unter uns.

Sheikh Alauddin sagte: Sheikh Shah Naqshband saß einmal in einer großen Zusammen-kunft in Bukhara, in der er über die Entschleierung der Vision sprach. „Mein bester Freund, Mawla Arif, der in Khwarazm lebt, (400 Meilen von Bukhara) hat Khawarazm verlassen, um zum Regierungsgebäude zu gehen. Soeben hat er eine Haltestelle für Pferdekutschen er-reicht und wartete dort für einen Moment und jetzt kehrt er wieder zurück zu seinem Haus in Khwarazm. Er hat beschlossen nicht zum Serail weiterzugehen. Das ist wie ein Heiliger in seinem Zustand, der eine Gotteserkenntnis hat.“ Jeder war darüber erstaunt. Obwohl wir wussten, dass er ein großer Heiliger war, schrieben wir uns die Zeit und den Tag auf, um vielleicht später einmal Mawla Arif darüber zu befragen. Eines Tages kam Mawla Arif nach Khawarazm und wir berichteten ihn von diesem Vorfall. Er war verwundert: „Das ist wahr, genau das war vorgefallen.“

Einige Gelehrte aus Bukhara reisten in den Irak zusammen mit Schülern Shah Naqshbands und sie erreichten die Stadt Simnans. Sie hörten, es gebe einen gesegneten Mann namens Sayyid Mahmud, der ein Schüler des Sheikhs war. Also beschlossen sie ihn zu besuchen: „Wie hast du den Sheikh kennen gelernt?“Er erklärte: Eines Nachts sah ich den Propheten in einem Traum. Er saß an einem schö-nen Platz und neben ihm war ein Mann von majestätischer Erscheinung. Ich sagte zum Pro-pheten voll Respekt und Demut: „O Gesandter Gottes, ich wurde nicht damit geehrt eine Gefährte zu deiner Zeit zu sein. Was kann ich tun, um zumindest eine ähnliche Eh-rung zu erhalten?“ Er riet mir: „O mein Sohn, willst du damit geehrt werden, unser Freund zu werden und mit uns zusammen zu sein, so folge meinem Sohn, Shah Bahauddin Naqsh-band.“ Als ich fragte wer denn Shah Bahauddin Naqshband sei, wies er mich auf jene Person neben ihm und riet mir ihm zu folgen. Ich hatte ihn zuvor noch nie gesehen, also schrieb ich mir seinen Namen und eine Beschreibung seiner Erscheinung in ein Buch, welches in meiner Bücherei war.

Viele Tage verstrichen, bis ich eines Tages in einem Geschäft stand, in das eine Person er-habener Erscheinung eintrat und sich auf einen Stuhl setzte. Als ich ihn sah, erinnerte ich mich an meinen Traum. Sofort bat ich ihn darum, ob er mir nicht die Ehre erwiese, ihn

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in mein Haus einladen zu dürfen. Er nahm an und wir gingen los. Ich lief ihm nach, denn ich wagte nicht, vor ihm herzulaufen und ihm den Weg zu zeigen. Er blickte nicht einmal zu mir und schlug geradewegs den Weg zu meinem Haus ein. Ich wollte gerade sagen, das ist mein Haus, als er anhielt: „Das ist dein Haus.“ Das Haus betretend, ging er jetzt direkt in mein Zimmer. Das ist dein Zimmer, sagte er und ging zu meinem Bücherschrank und nahm ein Buch von Hunderten heraus. Er überreichte es mir und fragte: „Was hast du hin-ein geschrieben?“

Mein Traum hatte sich erfüllt. Ich verlor mein Bewusstsein und wich dem Licht, das in mein Herz strömte. Als ich wieder zu mir kam, fragte ich, ob er mich annähme. Es war Shah Bahauddin Naqshband.

Sheikh Muhammed Zahid sagte: Als ich anfing diesen Weg zu beschreiten, saß ich eines Tages im Frühling neben ihm. Mein Herz sehnte sich auf einmal nach einer Wassermelone. Er schaute mich an und sagte: „Muhammed Zahid, gehe zum Fluss in unserer Nähe, und bringe uns was du siehst, damit wir es essen können.“ Sofort machte ich mich auf den Weg. Das Wasser war sehr kalt. Ich griff in das Wasser hinein und fand eine Wassermelone, die so frisch war, als sei sie ebengerade aufgeschnitten worden. Ich war sehr glücklich und bat den Sheikh: „O mein Sheikh, bitte nehme mich auf.“

Einer seiner Schüler berichtet das folgende über seinen Besuch bei ihm: Vor dem großen Besuch fragte ich Sheikh Sadi, einer der älteren Schüler, um Rat. Er erklärte mir: „O mein Bruder, wenn du den Sheikh besuchen gehst oder in seiner Gegenwart sitzen wirst, dann achte darauf dich nicht so hinzusetzen, dass deine Füße zu ihm hinzeigen.“ Als ich Ghaziut auf meinem Weg zu Qasr al-Arifan verließ, kam ich an einem Baum vorbei, unter dessen Schatten ich mich hinlegte und ausstreckte. Es kam ein Tierchen und biss mich an meinem Bein. Diesmal mit Schmerzen schlief ich wieder ein. Während ich schlief kam von neuem ein Tierchen und biss mein Bein. Schließlich begriff ich meinen großen Fehler. Ich hatte meinen Fuß in Richtung des Sheikhs ausgestreckt. Folglich bereute ich und die Tiere hörten schließlich auf mich zu beißen.

Einmal wurde Shah Naqshband gezwungen wunderliche Kräfte zu zeigen um einen seiner Nachfolger in Bukhara, Sheikh Muhammed Parsa, zu schützen. Dies geschah als Sheikh Muhammed Shamsuddin al-Jazairi nach Samarkand gekommen war, zu Zeiten Königs Mirza Aleg Beg, um die Richtigkeit der Überlieferungsketten der Überlieferungen des Pro-pheten zu überprüfen. Einige neidige und korrupte Gelehrte behaupteten, Sheikh Mu-hammed Parsa spräche von Überlieferungen, deren Überlieferungsketten nicht bekannt wären. Sie versprachen Shamsuddin Gottes große Belohnung, könnte er das Problem behe-ben. Sheikh Shamsuddin bat den Sultan, Sheikh Muhammed Parsa möge vor ihm erschei-

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nen. Der Sheikh al.-Islam Bukharas, Husamuddin an-Nahawi, war ebenfalls mit vielen an-deren Gelehrten und Imamen der Umgebung anwesend.Shah Naqshband kam mit Muhammed Parsa zu diesem Treffen. Sheikh Husamuddin be-fragte Muhammed Parsa über eine Überlieferung. Muhammed Parsa erzählte die Überlie-ferung mit dessen Kette. Sheikh al-Jazairi sagte: „Im Inhalt gibt es keinen Fehler, jedoch in der Überlieferungskette“ Als die neidigen Gelehrten das hörten, freuten sie sich. Muham-med Parsa wurde nun darum gebeten eine andere Kette anzugeben und wieder hieß es, sie sei fehlerhaft. Und das gleiche war auch beim dritten Versuch der Fall. Shah Naqshband kam dazwischen, denn er hatte gemerkt, sie an allem etwas auszusetzen hatten. Er inspirierte Muhammed Parsa eine Gegenfrage zu Sheikh Husammuddin zu stel-len: „Sie sind Sheikh-ul-Islam und der mufti. Gemäß dem was Sie über das Wissen der äu-ßeren Form gelernt haben, über das göttliche Gesetz und das Wissen über die Überliefe-rungen, was sagen Sie über den-und-den Erzähler?“ Er sagte: „Wir akzeptieren diesen und bauen einen großen Teil unseres Wissen der Überlieferungen auf ihm auf. Auch nehmen wir seine Bücher an. Weiter ist seine Überlieferungskette von allen Gelehrten anerkannt. Es gibt keine Uneinigkeit über ihn.“ Muhammed Parsa sagte: „Das Buch jener Person, welchen ihr anerkennt, ist in Eurem Haus in Eurer Bibliothek, zwischen dem-und-dem Buch. Es um-fasst 500 Seiten, seine Farbe ist die-und-die, der Einband der-und-der und die Überlieferun-gen die Ihr soeben zurückgewiesen habt, befindet sich auf der-und-der Seite.“Sheikh Husamuddin war verwirrt. Zweifel zog in sein Herz, denn er konnte sich nicht erin-nern solch ein Buch gesehen zu haben. Jeder war überrascht, dass jemand von einem Buch Bescheid wusste, von dem noch nicht einmal der Besitzer etwas ahnte. Es gab nun keine an-dere Möglichkeit, als jemanden zu senden um nachzuschauen. Die Überlieferung wurde ge-funden, wie Muhammed Parsa es vorhergesagt hatte. Als der König davon hörte demütigte er jene Gelehrte und erwies Shah Naqshband und Muhammed Parsa vollkommene Ehre.

Sein Scheiden von dieser WeltSheikh Ali Damman, ein Diener des Sheikhs, sagte: „Der Sheikh bat mich, sein Grab auszu-graben. Als ich fertig damit war, fragte ich mich, wer denn wohl sein Nachfolger sein wird. Er hob sein Haupt von seinem Kissen: ‚O mein Sohn, vergiss nicht was ich dir auf unserem Weg zum Hejaz sagte, wer unseren Weg begehen will, der soll Sheikh Muhammed Parsa und Sheikh Alauddin Attar folgen.’“Seine letzten Tage verbrachte er in seinem Zimmer. Von weither strömten Menschen zu ihm um ihn nach einem letzten Rat zu fragen. Schließlich bat er einen, die Sure Yasin (Kapi-tel 36, gilt als das Herz des Qurans) zu rezitieren. Als die Rezitation beendet wurde, erhob er seine Hände zu Gott. Dann seinen Finger um das Glaubensbekenntnis der Einheit Got-tes und des Prophetentum des Muhammed ein letztes Mal aufzusagen und seine Seele kehrte zurück zu ihrem Herrn.Er verließ diese Welt in der Nacht eines Montages am 3en des Monats Rabi al-Awwal im

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Jahre 791 n.H./1388 n.Chr. Auf seinen Wunsch hin, wurde er in seinem Garten begraben. Die nachfolgenden Könige Bukharas pflegten seine edle Schule und Moschee, in dem sie sie ausbauten und die religiöse Ausstattung vergrößerten. Nach dem Fall des Kommunismus in Zentralasien wurde sein Zentrum des Wissens zu neuem Glanz restauriert.Abd al-Wahhab ash-Sharani, der spirituelle Pol seiner Zeit sagte: „Während der Sheikh in sein Garten begraben wurde, eröffnete sich ihm ein Fenster des Paradieses, welches sein Grab zu einem Hain des Himmels verwandelte. Zwei wunderschöne spirituelle Wesen be-traten seine Gegenwart und grüßten ihn: „Seit dem Tage, an dem Gott uns hat erschaffen, haben wir auf diesen Moment gewartet, endlich dir dienen zu dürfen.“ Er erwiderte: ‚Ich schaue auf nichts anderes außer Ihm. Ich brauche euch nicht. Ich will einzig und allein mei-nen Herrn.’“ Shah Naqshband hinterließ viele Nachfolger, darunter sind die ehrenwertesten: Sheikh Mu-hammed ibn Muhammed Alauddin al-Khwarazmi al-Bukhari al-Attar und Sheikh Mu-hammed ibn Muhammed ibn Mahmud al-Hafizi, auch bekannt als Muhammed Parsa, der Autor der Risala Qudsiyya. Es war der erstere, dem Shah Naqshband das Geheimnis der Goldenen Kette anvertraute.