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dlz agrarmagazin November 2011 dlz Leben 192 I  Lernort Bauernhof Emanzipation Frauen lassen Späne fliegen 197 Notfallordner Ordentlich vertreten 200 Landwirt des Monats Eine Schule für‘s Leben 202 Landleben aktuell 206 Auffällig geworden 210 Auslese: Lernort Bauernhof Denken Sie, Gruppen und Klassen auf dem Hof ist, wie einen Sack Flöhe hüten? Wir zeigen Ihnen, wie Annette Aller den Bauernhof als Lernort auf einem Gemischtbetrieb praktiziert, worauf sie dabei Wert legt und wie sie so eine zusätzliche Einkommensquelle sprudeln lässt. H ier und jetzt bin ich der Chef!“ Zehn 8 und zwei 34 Jahre alte Au- genpaare blicken Annette Aller erst erschrocken, dann zustimmend an. Diese kurze, klare Ansage der Bäuerin muss sein, damit der Schulbesuch auf dem Lernort Bauernhof im Westerwald gelingt. Die Augen gehören zu Schülern und Lehrpersonen der fünſten Klasse des Gymnasiums in Linz am Rhein. Der Lehrplan sieht emen über die Land- wirtschaſt vor. Eltern und Lehrer haben Pauken im Kuhstall dlz LEBEN Foto: Schlaghecken, privat

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Notfallordner Ordentlich vertreten ������������������� 200

Landwirt des Monats Eine Schule für‘s Leben ������������ 202

Landleben aktuell ������������������� 206

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Auslese:Lernort Bauernhof Denken Sie, Gruppen und Klassen auf dem Hof ist, wie einen Sack Flöhe hüten? Wir zeigen Ihnen, wie Annette Aller den Bauernhof als Lernort auf einem Gemischtbetrieb praktiziert, worauf sie dabei Wert legt und wie sie so eine zusätzliche Einkommensquelle sprudeln lässt.

Hier und jetzt bin ich der Chef!“ Zehn 8 und zwei 34 Jahre alte Au-genpaare blicken Annette Aller

erst erschrocken, dann zustimmend an. Diese kurze, klare Ansage der Bäuerin muss sein, damit der Schulbesuch auf

dem Lernort Bauernhof im Westerwald gelingt. Die Augen gehören zu Schülern und Lehrpersonen der fünften Klasse des Gymnasiums in Linz am Rhein. Der Lehrplan sieht Themen über die Land-wirtschaft vor. Eltern und Lehrer haben

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sich entschlossen, den Wandertag für einen Besuch auf dem etwa 60 km entfernten Bauernhof zu nutzen. Über die Empfehlung eines Lehrer-kollegen sind sie auf den Wiesenhof ge-kommen.

„Warum gibt es eigentlich noch Bauern?“ fragt Annette Aller nach der Begrüßung die Kinder, die in einer Reihe vor ihr im Kuhstall auf dem Futtertisch hocken. Schul-terzucken als Antwort lässt die blonde, mit-telgroße Frau nicht gelten und bohrt weiter. „Warum sind sie nicht ausgestorben, wie die

Ihre Begeisterung für Kinder, Tiere und

Landwirtschaft machen aus Annette Aller eine

Lernortbäuerin.

Ritter? Die gibt es doch auch nicht mehr.“ Langsam bricht das Eis und zaghaft heben sich die ersten Finger, um eine Antwort anzumelden.

„Viele Kinder wissen nicht, was Land-wirte tun und wozu“, fasst die ehemalige Tierarzthelferin ihre Erfahrungen zusam-men. Ein Traktor sei für sie kein Arbeitsge-rät, sondern eher einem Quad ähnlich, mit

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KuhstallDer schnelle Überblick

Wenn Sie 1�000 Euro investieren, können sie Ihren Hof fit machen für

Besuche von Kinder- und Schülergrup-pen� Besonders Kindergartenkinder und Grundschüler nehmen Informationen über Landwirtschaft mit Interesse und Begeis-terung auf� So wird ein realistisches Bild dargestellt zur Imagepflege und als zu-sätzliche Einkommensquelle�

Die Berechnungen unserer dlz-Bera-terinnen zeigen: Zwischen rund 8 und 20 Euro Stundenlohn für Ihre Hofkasse sind drin, wenn sie bestimmte Angebote bereitstellen: Stallführungen, Kartoffeln anbauen oder Sahne aus Milch herstellen� Dies sind nur drei Beispiele für Hofakti-vitäten�

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dem man aus Spaß in der Gegend herum-fährt. Um Kindern ein realistisches Bild von moderner Landwirtschaft zu bieten, ermöglicht Annette Aller Kindergärten und Schulen, einen Vormittag oder auch einen ganzen Tag lang Landwirtschafts-alltag mitzuerleben. Dazu erstellte sie ihr Konzept. Bevor die Kinder aus Linz in Richtung Stallungen laufen, gibt es Regeln. Und die schreiben nicht Annette Aller oder die Lehrer vor, sondern die Schüler selbst erarbeiten sie sich, natürlich mit ihrer Hilfestellung. „So prägt sich das ein“, betont die Bäuerin und danach ist für alle völlig logisch, dass in einem Stall voller Tiere nicht gerannt oder geschrien wird.

Die Klasse aus Linz hat das Thema Milch auf dem Stundenplan und die Bäu-erin dirigiert ihre kleinen Besucher zuerst in Richtung Melkstand. Die letzte Kuh-gruppe vom Morgenmelken wartet noch. Jetzt können die Kinder hören, wie laut die Melkmaschine arbeitet, sehen wohin die Milch fließt, und die ganz Mutigen mal eine Zitze anfassen und sogar melken. Im Kuhstall untersuchen die Kinder, was Kühe fressen, und erfahren, warum diese hier auf Wasserbetten schlafen.

Feedback als HausaufgabeAber Annette Aller veranstaltet keine Hofführung, sondern sie will vermitteln, was es heißt: Melken, Füttern und Misten. Dabei sollen die Kinder mit anpacken. Dann entwickeln sie eine Beziehung zur Beschäftigung, lautet ihre Theorie. Dazu kommt: „Wenn sie für etwas verantwort-lich sind, werden sie leiser und umgäng-licher“, unterstreicht sie ihre Erfahrungen. „Bleiben Kinder passiv, werden sie unauf-merksam und denken sich Unfug aus.“ Annette Allers Erklärungen sind möglichst

nah dran an Kindern und ihrem Leben. Der letzte Programmpunkt zum Thema Milch findet in der Hütte im Garten statt. Was wird alles aus Milch gemacht? Kakao, Sahne, Butter? Zum Beweis schütteln 20 Kinderhände so lange Sahne in kleinen Marmeladengläsern, bis jedes die selbst hergestellte Butter auf das Frühstücksbrot streichen kann.

Damit ist der Besuch auf dem Wiesen-hof noch nicht zu Ende. „Grundschul-kinder verabschiede ich mit einer Hausauf-gabe“, erklärt die 44-Jährige. „In Absprache mit den Lehrern fordere ich sie auf, mir einen Aufsatz über das, was sie erfahren haben, und wie es ihnen gefallen hat, zu schreiben, So bekomme ich ein Feedback und die Kinder lassen den Besuch hier noch einmal Revue passieren.“

Dass aus dem Gemischtbetrieb mit Milch-viehhaltung und Bullenmast am Dorfrand von Maxsain im Westerwald ein Lernbau-ernhof wurde, ist das Ergebnis der BUS-Schulung, die die Bäuerin vor vier Jahren absolvierte. Sie formulierte damals als Ziel und Vision: „Mit 50 mache ich Lernort Bauernhof in großem Stil“. Das war nicht nur so dahin geträumt, sondern sie ging davon aus, dass bis dahin die Hofnachfolge geregelt sei und sie und ihr Mann wissen, ob eines der drei Kinder (zwei Töchter, 20 und 18, und ein Sohn, 17 Jahre alt) den Hof übernehmen wolle. Dann würde sie die Melkarbeit etwas verringern und es bliebe Zeit für „Dinge, die ich machen will und kann. Dass es gerade Kinder sind, liegt daran, dass ich meine freie Zeit mit ihnen und Tieren verbringen will. Sie sind ehr-liche Partner, die mir deutlich sagen oder zeigen, ob es ihnen passt, was ich mache oder nicht.“

Ehrliche PartnerDoch manchmal überholt die Wirklichkeit Träume. Ihr Onkel, Rektor einer Schule, erfuhr durch das rheinlandpfälzische Bil-dungsministerium vom Projekt Lernort Bauernhof und informierte seine Nichte darüber und auch über die möglichen Zuschüsse vom Land. „Erst zögerte ich, weil ich mir das zu lehrerhaft vorstellte. Aber meine Befürchtungen wurden weg-gefegt, nachdem ich die Arbeitsgemein-schaft Lernort Bauernhof kennen lernte und feststellte, dass dort Berufskollegen und -kolleginnen aktiv sind.“ Nach der Bewerbung und dem Besuch verschiedener

Personen und Betrieb

Annette und Andreas Aller leben mit drei Kindern auf dem Vollerwerbsbetrieb mit Milchviehhaltung im Westerwald.

im Westerwald� Das Ehepaar hat 2 Töchter im Alter von 20 und 18 Jahren und einen Sohn, 17 Jahre alt� Annette Aller engagiert sich mit dem Lernort Bauernhof für die Imagepflege der Landwirtschaft und ist Mitglied im Verbands-gemeinderat� Betriebsgröße: 205 ha Ackerland und Grün-land; 50:50Anbau: Marktfrucht, KartoffelnTierhaltung: 260 Rinder, davon 90 Milchkü-he mit Nachzucht, durchschnittliche Leistung� 9�000 l StalldurchschnittBullenmast, Rassen: Schwarzbunt, Rotbunt, Fleckvieh und Limousineinkreuzung2 Pferde, 1 Ziege und 3 irische WolfshundeArbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar, 1 feste AK,1 Auszubildender� us

Annette Aller ist 44 Jahre alt und gelernte Tierarzthelferin� Seit 1991 bewirtschaftet

sie mit ihrem Mann Andreas den Bauernhof

Wie kommt die Milch aus dem Euter in die Packung? Bester Platz für die Antwort ist der Melkstand.

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Seminare, veranstaltet durch die Arbeits-gemeinschaft, startete Annette Aller vor drei Jahren ihren Lernbauernhof. Mitt-lerweile hat Mund–zu-Mund-Propaganda Werbeflyer an den Schulen fast überflüssig gemacht. Die Bäuerin achtet sehr darauf, dass die Schulen in der Regionalpresse über die Besuche berichten. So erfahren andere Schüler oder Eltern von der Möglichkeit und können selbst einen Besuch anregen. Acht bis zehn Klassen im Sommerhalbjahr reichen aus, weil sie wirtschaftlich nicht vom Lernort abhängig sei, so Annette Aller. Für andere, die ihr ganzes Konzept darauf ausgerichtet haben, sei das zu wenig.

Eine Kinokarte ist teurer als ein BauernhofbesuchIhr Ziel ist Öffentlichkeitsarbeit, indem sie Kindern ein realistisches Bild von Land-wirtschaft zeigt. „Das aber nicht umsonst“, betont sie. Gruppen bis zehn Kinder kosten pauschal 50 Euro für einen vierstündigen Besuch. Pro Schulklasse gibt das Land Rheinland-Pfalz 100 Euro Zuschuss. Da-mit rechnen sich Zeit und Aufwand noch, inklusive der Sahne zum Buttermachen. Wenn der Zuschuss wegfallen sollte, müsste Annette Aller die Kosten auf jedes Kind umlegen. „Dann wird es wohl Probleme geben, den Hofbesuch bei manchen Eltern durchzusetzten. Obwohl ein Kinobesuch häufig teurer ist“, bemerkt Annette Aller kopfschüttelnd.

Es sei manchmal etwas zäh, die Schu-len für Bauernhöfe zu interessieren. Den Aufwand, einen Bus zu chartern, nehmen nur engagierte Lehrer auf sich. Schulen in Wandertagsentfernung schaffen es nicht bis zum Betrieb. Ein Werbebanner an der Hofeinfahrt wirbt jetzt für das Angebot Lernbauernhof als gut erreichbares Aus-flugsziel.

Die Lehrer, die auf ihrem Hof waren, bescheinigen ihr, dass danach alle Kinder viel aufmerksamer bei landwirtschaftlichen Themen mitarbeiten. Schüler, Lehrer, Schu-le und der Hof profitieren von kurzen Be-schreibungen der Lernortbesuche in Re-gionalzeitungen und Gemeindeblättern.

Käufer von morgen

Zwei Schülergruppen der Friedrich-Aere-boe-Schule im hessischen Griesheim,

einer zweijährigen Fachschule für Wirtschaft der Fachrichtung Agrarwirtschaft, haben ihre Projektarbeiten dem Bauernhof als Klassen-zimmer gewidmet� Warum, wollten wir wissen, und welche Erfahrungen die Schüler mit den Kindern machten�

Projekt: Abenteuer Bauernhof – spielerisch erkunden und erforschenDie Projektgruppe mit Sabine Borst, Sebas-tian Diehl, Katrin Ferl, Daniel Gaubatz und Sebastian Schaus haben ähnliche Vorstel-lungen davon, wie sie Kindern die moderne Landwirtschaft näherbringen könnten� Deshalb

widmeten sie ihre Projektarbeit dem Lernbau-ernhof� „Unser Ziel ist es, Kindern zu zeigen, woher die Frühstücksmilch und das Getreide für Brot und Brötchen kommen – eben nicht von der lila Kuh und aus dem Tetrapack�“ Vom Ergebnis war die Gruppe begeistert� Schnell und spielerisch lernten die Kinder das Verhalten und den Umgang mit Kühen und Jungrindern sowie den Anbau von Getreide zur Erzeugung von Lebensmitteln kennen�

Projekt: Wie kommt die Milch in die Tüte?Ganz dem Thema Milch widmete die Projekt-gruppe Björn Diefenbach, Benedict Fertig, Thorsten Gath, Björn Hofer und Dennis Wuni-ke ihre Arbeit zum Thema Lernort Bauernhof� Grundschülern sollte vermittelt werden, woher die Milch eigentlich kommt und welche Arbeit in der Milcherzeugung steckt� „Kinder sind die Käufer von morgen und sie sollen früh genug sachliche Informationen erhalten“, lautet das wichtigste Ziel� „Deshalb haben wir im Rahmen unseres Projekts Informationen rund um die Milcherzeugung kindgerecht aufbereitet und am Projekttag mit den Kindern gemeinsam erarbeitet�“ Dass sie alle gerne mit Kindern arbeiten, sei ein weiterer Grund für die The-menwahl ihrer Projektarbeit, die ihnen sehr viel Spaß gemacht habe� us

Der Lernort Bauernhof geht zur Schule und wird Thema von Projektarbeiten.

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Dadurch, hofft Annette Aller, wächst das Bewusstsein für Landwirtschaft in den Schulen und die praxisnahe Umsetzung erscheint in den Lehrplänen. Dann kann sie Schulklassen aller Schultypen in der großzügigen Hütte im Garten begrüßen. Hier lässt sich auch ein Schulabschluss oder ein Sommerfest feiern. „Wir haben diese abschließbare Hütte mit Toilette und Küche gebaut, weil ich nicht wollte, dass 10 von 20 Kindern nach dem Stallbesuch durch unser Haus laufen und unsere private Toi-lette benutzen“. Auf diese Einrichtungen, Aufenthaltsräume und sanitäre Anlagen möchte Annette Aller nicht verzichten.

Versicherungen und steuerlichen Re-gelungen müssen schon beim Planen und Entwickeln angepasst werden. Beratung ist sinnvoll. „Auf dem Wiesenhof ist der Lern-ort kein eigener Betriebszweig, sondern läuft mit in den Gesamtbetrieb. Wir haben die Betriebshaftpflichtversicherungen an-gepasst und natürlich die Berufsgenossen-schaft informiert.“ Dazu rät die Bäuerin vorher mit den Augen eines Fremden und mit denen eines Kinds über den Betrieb zu gehen und dabei besonders auf Abdeckun-gen von Güllekanälen, auf herumstehende Leitern und Gabeln zu achten. Jedem sollte klar sein, dass man keinen Bauernhof hun-

dertprozentig kindersicher machen kann, betont sie. Um locker mit den Kindern umgehen zu können, braucht es auch eine gewisse Risikobereitschaft. Sonst blockiere man sich nur selbst und das übertrage sich auf die Gruppe. Gewisse Risiken, die der Betriebsalltag mit sich bringt, kön-nen von vorneherein minimiert werden.

Sahne im Glas schütteln – fertig ist die Butter für das Pausenbrot. Lernen durch Tun macht auch noch Spaß.

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Zahlen und Daten Betrieb Aller

Gruppen bis zu zehn Kinder, vier Stunden pauschal

50 Euro

Zuschuss vom Land Rhein-land-Pfalz pro Schulklasse

100 Euro

2011

Besonderheit: Hütte mit Küche und sanitären Anlagen steht auch für Klassen- und Schulfeste etc� zur Verfügung

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„Bauernhof eine Schatzkiste für Geschäftsideen“

Umsetzung geht� Die Teilnehmer müssen auch eigene erlebnispädagogische Übungen planen und durchführen� Bei der Zertifikatsverleihung stellt jeder sein Hofkonzept vor� Mittlerweile haben wir sechs Lehrgänge mit über 100 Ab-solventen durchgeführt�

Das Qualifizierungsangebot ist sehr um-fangreich. Was kostet das?

Schiller: Der Lehrgang umfasst zehn Tage plus Zertifikatsübergabe� Für Teilnehmer aus Schleswig-Holstein gilt, dass die Lehrgänge vom Land und aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER) finanziell unterstützt werden� Für Teilnehmer von land-wirtschaftlichen Betrieben kostet der Kurs 750 Euro, für nicht landwirtschaftliche Teilnehmer 1�150 Euro� Der bundesweite Kompaktkurs kostet pro Person 595 Euro für fünf Tage inklusive Materialien und Verpflegung�

Was ist nach dem Qualifizierungsangebot? Was bieten Sie den Absolventen der Lehr-gänge an, um sich auch fortzubilden?

Hamester-Koch: Ich coache jeden Teilnehmer auf dem eigenen Betrieb� Wir professionalisieren das Konzept vor Ort, decken Schwachstellen auf und korrigieren die tägliche Arbeit� Schiller: Die Absolventen des Lehrgangs können auch untereinander Erfahrungen austauschen und sich kontinuierlich fortbilden, um die eigene Arbeit zu überprüfen und zu verbessern� Dazu zählen Seminare zu Fachthemen, Exkursionen und interne Expertenforen im Internet, um sich mit Kollegen auszutauschen� kh

Geht es bei der Bauernhofpädagogik um die Perfektionierung eines Hobbys oder um eine Einkommensalternative, mit der Geld verdient werden kann?

Hamester-Koch: Es geht darum, Einkommen zu erwirtschaften� Der entscheidende Faktor ist ein einzigartiges Konzept, um ein lukratives Stand-bein für den eigenen Betrieb zu entwickeln� Die persönlichen erlebnispädagogischen Angebote machen den Erfolg letztendlich aus� Klasse statt Masse ist hier gefragt� Schiller: Der Hauptkostenfaktor sind die Perso-nalkosten� Um wirtschaftlich arbeiten zu können, muss eine Veranstaltungsstunde 40 bis 50 Euro bringen� Akquise und Vor- und Nacharbeit ge-hören dazu� Pro Kind und Stunde müssen 3 bis 5 Euro eingenommen werden� Unsere Erfah-rungen sind, dass dies auf dem Markt durchaus zu realisieren ist�

Sie haben einige Wirtschaftlichkeitsbe-rechnungen durchgeführt. Wie sehen konkrete Zahlen aus?

Schiller: Freie Zeit ist für die Kalkulation ent-scheidend� Der Kapitalbedarf kann am Anfang sehr gering gehalten werden� Es genügt ein überdachter Platz, beispielsweise auf der Diele oder eine Ecke im Kuhstall� Lohnend sind Inves-titionen in Schubkarren und Handwerkszeug für die Gruppen� Die Ausrüstung sollte altersgerecht sein. Wird das Essen mitgebracht, müssen keine baulichen Maßnahmen berücksichtigt werden� Möchte man dagegen für organisierte Kinderfeste mit Beköstigung einen Aufenthaltsraum einrich-ten, so muss man für eine einfache Küche und sanitäre Anlagen je nach den baulichen Voraus-

Sie gelten bundesweit als Pioniere in Sachen Bauernhofpädagogik: Christine Hamester-Koch ist Pädagogin, Bäuerin und Projektleiterin von „Kochs Bauernhof“ in Wangelau,

Schleswig-Holstein� Heiderose Schiller ist Beraterin der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein�

setzungen mindestens 10�000 Euro veranschlagen� Für Material wird in der Regel wenig ausgegeben, da vorhandene Naturmaterialien verwendet werden� In unseren Berechnungen haben wir Betriebe, die im Jahr 270 Stunden in den Bereich Bauernhof-pädagogik stecken, aber auch Betriebe, die bis zu 2�000 Stunden Zeit investieren� Der Stundenlohn je nach Kapitalbedarf, Stundenumfang für Vor- und Nachbereitung und Kursgebühr schwankt von 8 bis 20 Euro� Der erzielte Stundenlohn mit Schulklassen fällt geringer aus als ein Angebot mit Kindergruppen, Kinderfesten und Jahreskursen�

Bauernhofpädagogik wurde in Schleswig-Holstein entwickelt. Sie bieten bundesweit Lehrgänge an. Was vermitteln Sie?

Hamester-Koch: Ich möchte die Menschen wach-rütteln� In Bauern und Bäuerinnen steckt ein großes Potenzial und der Bauernhof ist eine reine Schatzkis-te� Wir geben ihnen in dem Lehrgang das Know-how, zu erkennen, was in ihnen steckt und wie sie etwas daraus machen können�Schiller: In der Regel umfasst ein Kurs 15 bis 20 Teilnehmer: Die zehn Lehrgangstage sind auf vier Blöcke im Jahr verteilt� Der bundesweite Kom-paktkurs findet wochenweise statt� Es geht um persönliche und betriebliche Ressourcenanalyse sowie die Möglichkeiten, Wertschöpfung für sich und den Betrieb zu entdecken� Die Teilnehmer ent-wickeln kreative Wege, um Angebote zu gestalten� Es geht auch um Marketing, das Finden der geeig-neten Zielgruppe und um betriebliche und recht-liche Grundlagen� Ganz wichtig sind die individuelle Konzeptentwicklung und die Wirtschaftlichkeitsbe-rechnung� Der besondere Teil ist die pädagogische Grundlagenqualifzierung, wo es um die praktische

Interview

Mehr Informationen zum Thema Lernbauernhof sowie das vollständige Interview

mit Christine Hamester-Koch und Heiderose Schiller finden Sie bei uns im Netz unter:

www.dlz-agrarmagazin.de/lernbauernhof

„Wenn hier Gülle gefahren wird, wird die besondere Situation mit eingebunden.“ Auch bei der Verköstigung hat Annette Aller sich abgesichert. Die Kinder bringen ihr Frühstücks- und Pausenbrot selbst mit. „Wenn wir hier Butter machen, benutze ich gekaufte Sahne und Weißbrot, damit ich lebensmittelrechtlich auf der sicheren Seite bin.“ Hauptsache die Kinder erleben die Entwicklung von Milch über Sahne zu Butter.

Grundvoraussetzungen für den Anbieter oder die Anbieterin sind, vom Leben und Arbeiten als Landwirt überzeugt zu sein sowie, der Wille, mit Kindern zu arbeiten und ihnen mit Spaß etwas zu zeigen und zu

erklären. „Kinder sind die Verbraucher und Wähler von morgen und gerade in diesem Alter wirkt die Prägung anders als bei Er-wachsenen.“ Die eigene Familie muss mit diesem Engagement einverstanden sein. Auch wenn Annette Aller ihr Konzept so erstellt hat, dass sie für den Lernbauernhof keine Hilfe braucht, fehlt ihr diese Zeit im Tagesablauf. „Da müssen die Meinen schon mitmachen.“

Die meisten ihrer jungen Besucher sieht sie nur an diesem Ausflugstag. Das würde die engagierte Bäuerin gern ändern. Dazu entwickelte sie das Kartoffelprojekt. Drei-mal im Jahr könnte sie eine Schulklasse auf dem Wiesenhof begrüßen und mit

ihr den Produktionsablauf der Kartoffel studieren. Ihr Konzept steht und wurde verschiedenen Schulen der Umgebung vor-gestellt. Mal sehen, vielleicht tut sich was und Annette Aller kann auch am Beispiel Kartoffeln zeigen, warum die Bauern nicht ausgestorben sind.� us