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veritas iustitia libertas FU-Nachrichten Zeitung der Freien Universität Berlin Ausgabe 11-12/2002 http://www.fu-berlin.de/fun/ Die Freie Universität wurde am 4. De- zember 1948 mit einem Festakt im Ste- glitzer Titania-Palast gegründet. Ganz wesentlich war das dem Engagement des damaligen Regierenden Bürger- meisters Berlins, Ernst Reuter, zu ver- danken. Deshalb wird der Geburtstag der FU in jedem Jahr mit einer öffent- lichen Festveranstaltung, dem Ernst- Reuter-Tag, gefeiert. Seit 1985 verleiht die Freie Universität an diesem Festtag den von der Ernst- Reuter-Gesellschaft der Freunde, För- derer und Ehemaligen gestifteten und mit 5000 Euro dotierten Ernst-Reuter- Preis für die vier besten Dissertationen des Vorjahres. Eingereicht wurden der Kommission in diesem Jahr 23 Doktorar- beiten – von rund 750, die jährlich an der FU entstehen. Doch nur die Besten der Besten werden mit dem Ernst-Reuter- Preis ausgezeichnet. In diesem Jahr sind das Dawid Danilo Bartelt für seine Dissertation „Sertão, Republik und Nation. Canudos als sozial- historisches und diskursives Ereignis der Geschichte Brasiliens 1874-1902“ (Fach- bereich Geschichts- und Kulturwissen- schaften), Dr. Susanne Hähnchen, „Zur causa condictionis. Ein Beitrag zum klas- sischen römischen Kondiktionsrecht“ (Fachbereich Rechtswissenschaft), Dr. Thomas Hofmann für seine Doktorar- beit „Molekulare Klonierung und funktionelle Charakterisierung des humanen rezeptor-aktivierten Katio- nenkanals TRPC6“ (Fachbereich Humanmedizin) und Dr. Kathrin Schmidt, „Struktur-Wirkungsstudien an strukturell neuartigen Estrogenen sowie an antitumor-aktiven Kobaltver- bindungen“ (Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie). Bettina Soltau Vier Ernst-Reuter-Preise für die besten Dissertationen an der FU Erstmals feiert die Freie Universität das Goldene Promotionsjubiläum Der besondere Geist einer besonderen Universität Vor fünfzig Jahren promovierten die Studen- tinnen und Studenten der ersten Stunde an der 1948 gegründeten Freien Universität. Heute kehren einige von ihnen an ihre alte Alma Mater zurück, um ihr Goldenes Promotions- jubiläum zu feiern. „Natürlich habe ich zu einigen meiner Mit- promovenden noch Kontakt“, erzählt der in München emeritierte Sozialhistoriker Gerhard A. Ritter, der 1952 an der Freien Universität promovierte. Damals „bestand die FU ja eigentlich nur aus ein paar Häu- sern, und da stand Freie Universität dran“, ergänzt Ritters Mitstudentin Helga Gre- bing in dem Buch „Versäumte Fragen“. Sie verteidigte Anfang der fünfziger Jahre an der Freien Universität ihre Dissertation und wurde 1972 als eine der ersten Profes- sorinnen auf den Lehrstuhl für Sozialge- schichte nach Göttingen berufen. Grebing hatte 1949 an die neu gegründete FU gewechselt, um ohne politische Indoktri- nation studieren zu können. Gerhard A. Ritter kam nach vier Semestern Studium in Tübingen nach dem Ende der Blockade nach Berlin zurück. Es war der besondere Geist der Anfangsjahre, der Studierende aus Ost und West veranlasste, sich an dieser Universität zu immatrikulie- ren: So sprach es für die moralische Inte- grität der von Studenten mit gegründeten Universität, dass sich unter den Professo- ren auch Exilanten befanden. Der Mein- ecke-Schüler Hans Rosenberg, der 1933 in die Vereinigten Staaten emigrierte und als Gastprofessor an die FU kam, hat den Kreis um Ritter, Grebing, den späteren Tübinger Zeithistoriker Gerhard Schulz, und den Afrikaforscher Franz Ansprenger maßgeblich geprägt. Familiäre Atmosphäre Auch der Zeithistoriker Hans Herzfeld, der 1938 seine Stelle an der Hallensischen Universität verlor, wurde für Ritters Inter- esse an Politik und Zeitgeschichte mitbe- stimmend. „Im Friedrich-Meinecke-Insti- tut herrschte damals eine fast familiäre Atmosphäre“, erzählt Gisela Ritter, die ihren Mann beim Geschichtsstudium kennen lernte. Und da Ritter nur zwei Häuser neben dem greisen Gründungs- rektor Friedrich Meinecke wohnte, war es selbstverständlich, dem fast erblindeten Meinecke aus historischen Werken vorzu- lesen. „Er ließ keinen Fehler beim Vorle- sen durchgehen, etwa wenn ich ‚dread- nought‘ [schweres Schlachtschiff ] falsch aussprach“, so Ritter. 1952 reichte der 23-Jährige eine Disserta- tion über die deutsche Arbeiterbewegung im Jahrzehnt nach Bismarcks Sturz ein und stellte damit wichtige Weichen für die deutsche Geschichtswissenschaft. „Nach den Prüfungen haben wir tüchtig auf die Pauke gehauen“, erinnert sich der gebür- tige Berliner, der kurz darauf das Credo seines Mentors Herzfeld beherzigt und für einen Forschungsaufenthalt an das St. Antony‘s College ins englische Oxford wechselte. Seitdem unterhält Ritter inten- sive akademische Beziehungen zur angel- sächsischen Welt, deren wissenschaftli- che Themen und Fragen sein über fünzig- bändiges Werk durchziehen und für seine Gastprofessuren in St. Louis, in Oxford, Berkeley und Tel Aviv wichtig waren. 1954 als Assistent an die FU zurückge- kehrt, habilitierte Ritter 1961 bei Herz- feld; ein Jahr später, mit knapp 33 Jahren, war er ordentlicher Professor für Politi- sche Wissenschaften an der FU. Nach Jahren in Münster übernahm er 1974 den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte in München. Während all der Forschungs- und Lehrjahre engagierte sich Ritter in Wissenschaftsorganisatio- nen und historischen Verbänden, wie von 1976 bis 1980 als Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands. „Ehrungen allerdings ist Ritter ge- wohnt“, schreibt Wolfgang Hardtwig anlässlich Ritters Ehrenpromotion. Goldene Promovenden Erstmals wird an der Freien Universität das Goldene Promotionsjubiläum am Ernst-Reuter-Tag, dem 4. Dezember, gefeiert. „Hierfür haben wir rund 70 Pro- movenden des Jahrganges 1952 ausfindig gemacht, zwölf sind nach unseren Recherchen gestorben“, erzählt Irma Indorf vom Protokoll der Abteilung Außenangelegenheiten. Vierzig goldene Promovenden werden am 4. Dezember in einem feierlichen Festakt von FU-Präsi- dent Prof. Dr. Peter Gaehtgens die golde- ne Promotionsurkunde erhalten. Dazu reisen die goldenen Promovenden, oft begleitet von ihren Familien, aus ganz Deutschland an, um sich nach Jahren wiederzusehen. „Unter den Promoven- den sind viele Mediziner“, erzählt Irma Indorf, darunter der langjährige FU-Pro- fessor Dr. Karl-Otto Habermehl, der nach dem Krieg das Fach Virologie in Deutsch- land gründete und maßgeblich die Virus- diagnostik, insbesondere bei HIV- Erkrankungen, beeinflusste. Oder der zweite immatrikulierte Student an der FU, Helmut Coper, der am Institut für Pharmakologie bei Prof. Dr. Hans Her- ken promovierte und bis zu seiner Emeri- tierung als Professor für Neuropharma- kologie an der Freien Universität lehrte und forschte. Ein weiterer „zweiter“, nämlich der zwei- te Doktorand der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Jürgen W. Werhahn, wird am 4. Dezember erzählen, „wie es damals war“. Der Stuttgarter Anwalt baute als Student die Juristische Fakultät mit auf. Den Festvortrag hält Gerhard A. Ritter über „Die Sozialunion mit der DDR – Optionen und Alternativen des Eini- gungsprozesses in der Sozialpolitik“. Seit Jahren setzt sich Ritter mit der Inte- grationskraft verschiedener Regie- rungssysteme auseinander, besonders mit dem deutsch-deutschen Transfor- mationsprozess. Schon aus diesem Grunde scheint der persönliche Umzug von Berg am Starnberger See zum Sophie-Charlotte-Platz in das pulsieren- de Berlin höchst folgerichtig. Felicitas von Aretin Foto: FU-Archiv Gründungsfeier der Freien Universität Berlin mit dem damaligen Berliner Bürgermeister Ernst Reuter im Titania-Palast am 4. Dezember 1948 Ehrendoktorwürde für Professor Dr. Klaus Töpfer Kämpfer für die Umwelt Er gilt als ein tatkräftiger, effektiver Kämpfer für die Umwelt und als Ideengeber einer globalen Umweltpo- litik: der ehemalige Bundesumweltmi- nister Professor Dr. Klaus Töpfer, für den der weltweite Umweltschutz und die Bekämpfung der Armut untrenn- bar zusammengehören. Für seine Verdienste verleiht der Fachbereich Geowissenschaften der Freien Univer- sität Berlin dem 64-Jährigen am Ernst-Reuter-Tag, dem 4. Dezember 2002, die Ehrendoktorwürde. Geboren 1938 in Waldenburg/Sach- sen, studierte Töpfer zwischen 1960 und 1964 Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Mainz, Frank- furt/M. und Münster. 1968 folgte sei- ne Promotion. Neben seiner Tätigkeit als Lehrbeauf- tragter an diver- sen Hochschu- len war Töpfer ab 1971 politisch engagiert. So trat er 1972 der CDU bei, war von 1987 bis 1994 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit und von 1994 bis 1998 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie Um- zugsbeauftragter der Bundesregie- rung. Im Februar 1998 wurde Klaus Töpfer von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der im vergangenen Jahr mit der Ehrendoktorwürde der Freien Universität ausgezeichnet wurde, zum Direktor des UNO-Umweltpro- gramms UNEP (United Nations Envi- ronment Programme) ernannt. Er ist damit der ranghöchste Deutsche bei den Vereinten Nationen. Im Oktober wurde der Vater dreier Kinder mit dem deutschen Umweltpreis 2002 ausgezeichnet. Bettina Soltau/Ilka Seer Der Ernst-Reuter-Tag 2002 Verleihung der Ehrendoktorwürde an Professor Dr. Klaus Töpfer und Verleihung der Ernst-Reuter-Preise am Mittwoch, dem 4. Dezember 2002, um 18 Uhr im Henry-Ford-Bau, Garystraße 35, 14195 Berlin-Dahlem Foto: Deutsche Bundesstiftung Umwelt Letzte Meldung Die Deutsche Forschungsgemein- schaft hat der Freien Universität am 27. November einen neuen Sonderfor- schungsbereich bewilligt: Sfb 1957: Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste, Sprecher: Prof. Dr. Werner Busch, FB Ge- schichts- und Kulturwissenschaften. Damit hat die Freie Universität den zweiten geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereich. Der neue Sonderforschungsbereich wird in der nächsten Ausgabe der FU-Nachrich- ten ausführlich vorgestellt.

1943 FUN 11 02 - ZEDAT - Hochschulrechenzentrumuserpage.fu-berlin.de/~fupresse/FUN/2002/11-12-2002/download/fun_11-12... · Schmidt, „Struktur-Wirkungsstudien an strukturell neuartigen

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veritasiustitialibertas FU-Nachrichten

Z e i t u n g d e r F r e i e n U n i v e r s i t ä t B e r l i n A u s g a b e 1 1 - 1 2 / 2 0 0 2http://www.fu-berlin.de/fun/

Die Freie Universität wurde am 4. De-zember 1948 mit einem Festakt im Ste-glitzer Titania-Palast gegründet. Ganzwesentlich war das dem Engagementdes damaligen Regierenden Bürger-meisters Berlins, Ernst Reuter, zu ver-danken. Deshalb wird der Geburtstagder FU in jedem Jahr mit einer öffent-lichen Festveranstaltung, dem Ernst-Reuter-Tag, gefeiert.Seit 1985 verleiht die Freie Universitätan diesem Festtag den von der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, För-derer und Ehemaligen gestifteten und

mit 5000 Euro dotierten Ernst-Reuter-Preis für die vier besten Dissertationendes Vorjahres. Eingereicht wurden derKommission in diesem Jahr 23 Doktorar-beiten – von rund 750, die jährlich an derFU entstehen. Doch nur die Besten derBesten werden mit dem Ernst-Reuter-Preis ausgezeichnet.

In diesem Jahr sind das Dawid DaniloBartelt für seine Dissertation „Sertão,Republik und Nation. Canudos als sozial-historisches und diskursives Ereignis derGeschichte Brasiliens 1874-1902“ (Fach-bereich Geschichts- und Kulturwissen-schaften), Dr. Susanne Hähnchen, „Zurcausa condictionis. Ein Beitrag zum klas-

sischen römischen Kondiktionsrecht“(Fachbereich Rechtswissenschaft), Dr.Thomas Hofmann für seine Doktorar-beit „Molekulare Klonierung undfunktionelle Charakterisierung deshumanen rezeptor-aktivierten Katio-nenkanals TRPC6“ (FachbereichHumanmedizin) und Dr. KathrinSchmidt, „Struktur-Wirkungsstudienan strukturell neuartigen Estrogenensowie an antitumor-aktiven Kobaltver-bindungen“ (Fachbereich Biologie,Chemie, Pharmazie).

Bettina Soltau

Vier Ernst-Reuter-Preise für diebesten Dissertationen an der FU

Erstmals feiert die Freie Universität das Goldene Promotionsjubiläum

Der besondere Geist einer besonderen Universität

Vor fünfzig Jahren promovierten die Studen-

tinnen und Studenten der ersten Stunde an der

1948 gegründeten Freien Universität. Heute

kehren einige von ihnen an ihre alte Alma

Mater zurück, um ihr Goldenes Promotions-

jubiläum zu feiern.

„Natürlich habe ich zu einigen meiner Mit-promovenden noch Kontakt“, erzählt derin München emeritierte SozialhistorikerGerhard A. Ritter, der 1952 an der FreienUniversität promovierte. Damals „bestanddie FU ja eigentlich nur aus ein paar Häu-sern, und da stand Freie Universität dran“,ergänzt Ritters Mitstudentin Helga Gre-bing in dem Buch „Versäumte Fragen“. Sieverteidigte Anfang der fünfziger Jahre ander Freien Universität ihre Dissertationund wurde 1972 als eine der ersten Profes-sorinnen auf den Lehrstuhl für Sozialge-schichte nach Göttingen berufen. Grebinghatte 1949 an die neu gegründete FUgewechselt, um ohne politische Indoktri-nation studieren zu können.Gerhard A. Ritter kam nach vier SemesternStudium in Tübingen nach dem Ende derBlockade nach Berlin zurück. Es war derbesondere Geist der Anfangsjahre, derStudierende aus Ost und West veranlasste,sich an dieser Universität zu immatrikulie-ren: So sprach es für die moralische Inte-grität der von Studenten mit gegründetenUniversität, dass sich unter den Professo-ren auch Exilanten befanden. Der Mein-ecke-Schüler Hans Rosenberg, der 1933 indie Vereinigten Staaten emigrierte und alsGastprofessor an die FU kam, hat denKreis um Ritter, Grebing, den späterenTübinger Zeithistoriker Gerhard Schulz,und den Afrikaforscher Franz Ansprengermaßgeblich geprägt.

Familiäre Atmosphäre

Auch der Zeithistoriker Hans Herzfeld,der 1938 seine Stelle an der HallensischenUniversität verlor, wurde für Ritters Inter-esse an Politik und Zeitgeschichte mitbe-stimmend. „Im Friedrich-Meinecke-Insti-tut herrschte damals eine fast familiäreAtmosphäre“, erzählt Gisela Ritter, dieihren Mann beim Geschichtsstudiumkennen lernte. Und da Ritter nur zwei

Häuser neben dem greisen Gründungs-rektor Friedrich Meinecke wohnte, war esselbstverständlich, dem fast erblindetenMeinecke aus historischen Werken vorzu-lesen. „Er ließ keinen Fehler beim Vorle-sen durchgehen, etwa wenn ich ‚dread-nought‘ [schweres Schlachtschiff ] falschaussprach“, so Ritter.1952 reichte der 23-Jährige eine Disserta-tion über die deutsche Arbeiterbewegungim Jahrzehnt nach Bismarcks Sturz einund stellte damit wichtige Weichen für diedeutsche Geschichtswissenschaft. „Nachden Prüfungen haben wir tüchtig auf diePauke gehauen“, erinnert sich der gebür-tige Berliner, der kurz darauf das Credoseines Mentors Herzfeld beherzigt undfür einen Forschungsaufenthalt an das St.Antony‘s College ins englische Oxfordwechselte. Seitdem unterhält Ritter inten-sive akademische Beziehungen zur angel-

sächsischen Welt, deren wissenschaftli-che Themen und Fragen sein über fünzig-bändiges Werk durchziehen und für seineGastprofessuren in St. Louis, in Oxford,Berkeley und Tel Aviv wichtig waren.1954 als Assistent an die FU zurückge-kehrt, habilitierte Ritter 1961 bei Herz-feld; ein Jahr später, mit knapp 33 Jahren,war er ordentlicher Professor für Politi-sche Wissenschaften an der FU. NachJahren in Münster übernahm er 1974 denLehrstuhl für Neuere und NeuesteGeschichte in München. Während all derForschungs- und Lehrjahre engagiertesich Ritter in Wissenschaftsorganisatio-nen und historischen Verbänden, wievon 1976 bis 1980 als Vorsitzender desVerbandes der Historiker Deutschlands.„Ehrungen allerdings ist Ritter ge-wohnt“, schreibt Wolfgang Hardtwiganlässlich Ritters Ehrenpromotion.

Goldene Promovenden

Erstmals wird an der Freien Universitätdas Goldene Promotionsjubiläum amErnst-Reuter-Tag, dem 4. Dezember,gefeiert. „Hierfür haben wir rund 70 Pro-movenden des Jahrganges 1952 ausfindiggemacht, zwölf sind nach unserenRecherchen gestorben“, erzählt IrmaIndorf vom Protokoll der AbteilungAußenangelegenheiten. Vierzig goldenePromovenden werden am 4. Dezember ineinem feierlichen Festakt von FU-Präsi-dent Prof. Dr. Peter Gaehtgens die golde-ne Promotionsurkunde erhalten. Dazureisen die goldenen Promovenden, oftbegleitet von ihren Familien, aus ganzDeutschland an, um sich nach Jahrenwiederzusehen. „Unter den Promoven-den sind viele Mediziner“, erzählt IrmaIndorf, darunter der langjährige FU-Pro-fessor Dr. Karl-Otto Habermehl, der nachdem Krieg das Fach Virologie in Deutsch-land gründete und maßgeblich die Virus-diagnostik, insbesondere bei HIV-Erkrankungen, beeinflusste. Oder derzweite immatrikulierte Student an derFU, Helmut Coper, der am Institut fürPharmakologie bei Prof. Dr. Hans Her-ken promovierte und bis zu seiner Emeri-tierung als Professor für Neuropharma-kologie an der Freien Universität lehrteund forschte.Ein weiterer „zweiter“, nämlich der zwei-te Doktorand der Juristischen Fakultät,Prof. Dr. Jürgen W. Werhahn, wird am 4.Dezember erzählen, „wie es damalswar“. Der Stuttgarter Anwalt baute alsStudent die Juristische Fakultät mit auf.Den Festvortrag hält Gerhard A. Ritterüber „Die Sozialunion mit der DDR –Optionen und Alternativen des Eini-gungsprozesses in der Sozialpolitik“.Seit Jahren setzt sich Ritter mit der Inte-grationskraft verschiedener Regie-rungssysteme auseinander, besondersmit dem deutsch-deutschen Transfor-mationsprozess. Schon aus diesemGrunde scheint der persönliche Umzugvon Berg am Starnberger See zumSophie-Charlotte-Platz in das pulsieren-de Berlin höchst folgerichtig.

Felicitas von Aretin

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Gründungsfeier der Freien Universität Berlin mit dem damaligen

Berliner Bürgermeister Ernst Reuter im Titania-Palast am 4. Dezember 1948

Ehrendoktorwürde für Professor Dr. Klaus Töpfer

Kämpfer für die Umwelt

Er gilt als ein tatkräftiger, effektiverKämpfer für die Umwelt und alsIdeengeber einer globalen Umweltpo-litik: der ehemalige Bundesumweltmi-nister Professor Dr. Klaus Töpfer, fürden der weltweite Umweltschutz unddie Bekämpfung der Armut untrenn-bar zusammengehören. Für seineVerdienste verleiht der FachbereichGeowissenschaften der Freien Univer-sität Berlin dem 64-Jährigen amErnst-Reuter-Tag, dem 4. Dezember2002, die Ehrendoktorwürde.Geboren 1938 in Waldenburg/Sach-sen, studierte Töpfer zwischen 1960und 1964 Volkswirtschaftslehre anden Universitäten Mainz, Frank-furt/M. und Münster. 1968 folgte sei-ne Promotion. Neben seiner Tätigkeit

als Lehrbeauf-tragter an diver-sen Hochschu-len war Töpferab 1971 politischengagiert. Sotrat er 1972 derCDU bei, war

von 1987 bis 1994 Bundesminister fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsi-cherheit und von 1994 bis 1998Bundesminister für Raumordnung,Bauwesen und Städtebau sowie Um-zugsbeauftragter der Bundesregie-rung. Im Februar 1998 wurde KlausTöpfer von UNO-Generalsekretär KofiAnnan, der im vergangenen Jahr mitder Ehrendoktorwürde der FreienUniversität ausgezeichnet wurde,zum Direktor des UNO-Umweltpro-gramms UNEP (United Nations Envi-ronment Programme) ernannt. Er istdamit der ranghöchste Deutsche beiden Vereinten Nationen. Im Oktoberwurde der Vater dreier Kinder mitdem deutschen Umweltpreis 2002ausgezeichnet.

Bettina Soltau/Ilka Seer

Der Ernst-Reuter-Tag 2002Verleihung der Ehrendoktorwürde an

Professor Dr. Klaus Töpfer undVerleihung der Ernst-Reuter-Preise

am Mittwoch, dem 4. Dezember 2002,um 18 Uhr im Henry-Ford-Bau,

Garystraße 35, 14195 Berlin-Dahlem

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Letzte MeldungDie Deutsche Forschungsgemein-schaft hat der Freien Universität am27. November einen neuen Sonderfor-schungsbereich bewilligt:Sfb 1957: Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste, Sprecher: Prof. Dr. Werner Busch, FB Ge-schichts- und Kulturwissenschaften.Damit hat die Freie Universität denzweiten geisteswissenschaftlichenSonderforschungsbereich. Der neueSonderforschungsbereich wird in dernächsten Ausgabe der FU-Nachrich-ten ausführlich vorgestellt.

1943_FUN_11_02 28.11.2002 11:39 Uhr Seite 1

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Seite 2 FU-Nachrichten 11-12/2002� Aktuell �

Die Erwartungen waren hochgesteckt undwurden übertroffen. Die Empfehlungender Expertenkommission zur Hochschul-medizin unter Vorsitz des früheren Gene-ralsekretärs des Wissenschaftsrates, Dr.Winfried Benz, überraschten bei ihrerVorstellung am 14. Oktober im BerlinerRathaus durch moderate Radikalität: derErrichtung einer gemeinsamen Medizini-schen Fakultät von Freier Universität undHumboldt-Universität und eines gemein-samen Universitätsklinikums – dem„Zentrum Universitäre Medizin Berlin“.Inzwischen liegen die Empfehlungendem Wissenschaftsrat zur Begutachtungvor, während die betroffenen Universitä-ten sich auf die Umsetzung vorbereiten. Die Kommission war im Februar vomSenat eingesetzt worden, nachdem dieBeschäftigten des UKBF und weite Teileder Bevölkerung Anfang des Jahres gegenden Plan der neuen SPD-PDS-Koalition,den Fachbereich Humanmedizin der FUaufzugeben und das UKBF zum Regional-krankenhaus herabzustufen, demon-striert hatten.Im Zentrum der Kommissions-Empfeh-lung steht die „Schaffung eines neu gestal-teten, der Forschung und Lehre verpflich-teten Universitätsklinikums, das in derKonkurrenz der Berliner Krankenhäuserund der Krankenhausverbünde erfolgreichsein kann“. Um die unternehmerischeEigenverantwortlichkeit sicherzustellen,müsse das neue Klinikum rechtlich ver-

selbstständigt, von einer professionellen,hauptamtlichen Leitung geführt und durcheinen Aufsichtsrat kontrolliert werden.

Kostensenkung

Das neue Universitätsklinikum soll aussechs „wissenschaftlichen Schwerpunk-ten“ sowie vier „klinischen Zentren“bestehen. Dadurch bleibe die wissen-schaftliche Leistungsfähigkeit der Hoch-schulmedizin in Berlin gesichert, so dieExpertenkommission. Zunächst werden die drei Standorte Cha-rité Berlin-Mitte, Charité Virchow-Klini-kum und Universitätsklinikum BenjaminFranklin erhalten bleiben. Langfristigaber wird die Konzentration auf zweiStandorte (Charité und UKBF) empfoh-len. Die Kommission erwartet ferner eineReduzierung der Bettenkapazität desneuen Universitätsklinikums bis zumJahr 2010 um rund ein Drittel auf künftigrund 2200 Betten – nicht nur durch dasneue Entgeltsystem der DRGs (DiagnosisRelated Groups). Neuland betritt die Kommission mit ihrerEmpfehlung, die beiden MedizinischenFakultäten zu einer Fakultät zusammen-zuführen, die „eine gemeinsame, recht-lich selbstständige Gliedkörperschaft derHumboldt-Universität und der Freien

Universität Berlin bilden soll“. Außer-dem schlägt die Kommission vor, die bei-den Zahnkliniken mit Konzentration ambisherigen FU-Standort in der Aßmanns-hauser Straße zusammenzuführen undkünftig pro Jahr rund 600 Studienanfän-ger der Human- und der Zahnmedizinzuzulassen sowie die Einsparvorgabendurch „Senkung der Kosten im Sekun-därbereich“ auf die nächsten acht Jahrebis 2010 zu strecken. Am UKBF sollen künftig zwei der „wis-senschaftlichen Schwerpunkte“ angesie-delt werden: der Bereich „Kardio-Vasku-läre Erkrankungen mit SchwerpunktHypertensiologie“ sowie die „Hämato-Onkologie mit Schwerpunkt hämatogeneTumore“. Die Kommission empfiehltaber auch gravierende Einschnitte. Sosollen forschungsintensive Bereiche wiedie Neurologie, Dermatologie, klinischePhysiologie, Medizinische Physik undLasermedizin sowie die Perinatalmedizinund Pädiatrie entweder abgeschmolzenoder verlagert werden. Ferner möchte dieKommission die UKBF-Kliniken für Neu-rochirurgie und die Psychiatrie dem wis-senschaftlichen Schwerpunkt „Neuro-wissenschaften“ an der Charité in Mittezuordnen. Der gleiche Wechsel – an denCharité-Schwerpunkt „Immunpathologi-sche Erkrankungen“ – wird für die Medi-

zinische Klinik I am UKBF (Gastroenter-ologie, Infektiologie und Rheumatologie)vorgeschlagen.

Identität erhalten

Der FU-Dekan des Fachbereichs Human-medizin, Prof. Dr. Martin Paul, hält dieEmpfehlungen „für eine zukunftsweisen-de Hochschulmedizin angemessen, weilsie primär die Forschungsleistung alsentscheidendes Kriterium für Strukturund Finanzierung in den Mittelpunktstellen“. Es gebe „keine wirklichenGewinner und Verlierer“, so Prof. Paul.„Ob in Mitte, in Wedding oder bei uns inSteglitz und Dahlem, alle Standorte wer-

Die Empfehlungen der Expertenkommission zur Hochschulmedizin und die Reaktionen

Blaues Buch im Roten Rathausden durch Schwerpunkte gestärkt, müs-sen aber auch relativ gleichmäßig dieLasten tragen.“ Dem Klinikum Benja-min Franklin stünden schmerzlicheEinschnitte bevor, die schwierige Jahreerwarten ließen.Der Fachbereichsrat bescheinigte denEmpfehlungen der Kommission „rich-tungweisende Gesichtspunkte, die dieStärken beider Fakultäten/Fachbereicheaufgreifen“ und begrüßte die Strukturdes neuen Zentrums für UniversitäreMedizin Berlin, die den „Erhalt derIdentität der verschiedenen Standorte“zulasse. Das Kuratorium der Freien Universitäthat sich hinsichtlich der Fusion derFakultäten nachdenklich gezeigt. „DasKuratorium hält es für vorzugswürdig,den akademischen Medizinbereichenvon HU und FU jeweils den Status vonFakultäten der FU und der HU zu belas-sen“, formulierte der „Aufsichtsrat“ derFU unter Vorsitz von Prof. Hans-UweErichsen Anfang November in einerEntschließung. Es sei allerdings „not-wendig, den beiden Fakultäten eine Ent-scheidungsinstanz mit den Zuständig-keiten etwa im Bereich von Struktur-,Berufungs- und Haushaltsplanungsowie akademischen Angelegenheitenüberzuordnen, die unter externer Betei-ligung die Umsetzung der von der exter-nen Expertenkommission empfohlenenMaßnahmen zur Schwerpunktbildungaber auch die Koordinierung der Lehregewährleistet“. Keine Bedenken hattedas FU-Kuratorium gegen die geplanteFusion der Klinika, die „zu einem insGewicht fallenden Effizienzgewinnführen“ werde.

Manfred Ronzheimer

Die Angst im Nacken und den „letzten For-

scher“ auf den Schultern – Dr. Friedmar

Graichen und das Skelett des biochemischen

Labors kennt inzwischen fast jeder Berliner.

Im Januar demonstrierten zahlreiche FU-Mediziner(innen) und deren Anhänger für den Erhalt des Universitätsklinikums Benjamin Franklin.

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Kein Sektkorkenknall

Die Stimmung im UKBF nach dem Experten-Votum Bei vielen kehrte – nach den erstenMomenten der Euphorie – allerdingsdie Besorgnis über die eigene beruflicheZukunft zurück. Denn klar ist: Auch beieinem Fortbestand des Klinikums Ben-jamin Franklin werden Arbeitsplätzeabgebaut werden müssen. „Glücklich können auch wir am Klini-kum Benjamin Franklin nicht sein“,meinte Prof. Dr. Manfred Gross, Direk-tor der Klinik für Audiologie und Pho-niotrie und derzeit Prodekan für Studiumund Lehre. „Weil weiterhin 98 MillionenEuro eingespart werden müssen, kann es

keinen Sieger geben.“ Die Umsetzungder Empfehlungen, vor allem die vorge-schlagenen Verlagerungen von Abteilun-gen, wird sich nach seiner Einschätzung„sehr kompliziert“ gestalten. Gerade beim nicht-wissenschaftlichenPersonal sorgen sich viele um die Sicher-heit ihres Arbeitsplatzes. Denn offen ist,welche Rechtsform das neue Klinikumhaben soll – ob Anstalt des öffentlichenRechts oder privatrechtliche GmbH – undwelche Auswirkungen das auf den Perso-nalabbau haben wird. Sicher ist für Perso-nalratsvorsitzende Monika Ziegner, dass

bei allen Schritten in diese Richtung „diebestehenden Instrumente des sozialver-träglichen Personalabbaues ausge-schöpft und möglicherweise auch neueInstrumente dazu geschaffen werden“.Zudem fordert man vom Senat ein kla-res Bekenntnis zum Erhalt des UKBF.Dazu müsse, wie die Personalver-sammlung in einer Resolution forder-te, der Koalitionsbeschluss zur Aufga-be des Fachbereichs Humanmedizinder FU vom Senat förmlich zurückge-nommen werden.

Manfred Ronzheimer

Sektkorken knallten keine im Unikli-nikum Benjamin Franklin (UKBF), alsdas Votum der Expertenkommissionam Nachmittag des 14. Oktoberbekannt wurde. Ein Gefühl der Ent-spannung nach den Belastungen dervergangenen Monate, gepaart miteinem Anflug von Stolz, war bei vielenBeschäftigten anzutreffen: das Damo-klesschwert des Koalitionsvertrageshing nicht mehr so dicht über demKlinikum. Gleichzeitig hatten dieExperten die wissenschaftliche Leis-tung des UKBF deutlich anerkannt. Professor Dr. Manfred Gross

Die nächsten Schritte

Zur Zeit berät der Wissenschaftsrat im Auftrag des Landes Berlin die Empfeh-lungen der Expertenkommission zur Hochschulmedizin. Im Januar 2003 will derWissenschaftsrat seine Stellungnahme dazu abgeben. Parallel dazu wird in Ber-lin das künftige Gesetz zur Hochschulmedizin vorbereitet. In einem Vorschaltge-setz, das voraussichtlich im Februar 2003 vom Abgeordnetenhaus beschlossenwerden soll, werden bereits wichtige Rahmenbedingungen zur Fusion der Klini-ka, unter anderem die Rechtsform, geregelt. Das detaillierte Gesetz zur Neuord-nung der Hochschulmedizin wird vom Senat nach dem Votum des Wissen-schaftsrates im Entwurf vorgelegt, von den Ausschüssen beraten und vomAbgeordnetenhaus im Laufe des nächsten Jahres beschlossen.

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FU-Nachrichten 11-12/2002 Seite 3� Die dritte Seite �

Puristen mögen ihn am liebsten gekocht, nur

mit etwas Butter. Einige wenige schwören auf

die gratinierte Variante: Hummer „Thermidor“.

Petra Skiebe liebt ihn kalt – eiskalt. Und sie

will ihn lebend, denn sie interessiert sich für sein

Nervensystem. Hummer (Homarus america-

nus) sind allerdings nur ihre zweite Wahl.

Das Modelltier der Neurobiologin isteigentlich der australische Flusskrebs.Doch der ist im Moment wieder einmalnicht lieferbar. Und wenn, dann ist er sorar, dass sie mit Berlins Spitzenköchendarum kämpfen muss, dass auch ein paarExemplare den Weg nach Dahlem finden.Allein wegen der 100 bis 150 Krebse proJahr, die an der FU der Forschung dienen,lohnt sich für eine Münchner Feistkost-handlung die Order in Übersee nicht.„Tja, und so nehm’ ich ersatzweise Hum-mer“, erzählt Petra Skiebe.Etwas verschlafen wirkt er. Acht dezentgepunktete Beinchen bewegen sich inZeitlupe. Doch die blanken, schwarzenAugenstiele gucken treuherzig und inter-essiert. Zuerst nach vorn, drehen dannnach rechts und links ab – unabhängigvon einander und wie von winzigkleinenElektromotoren gesteuert. Der Hummerhat in einer Eisbox gelegen und ist durchdie Kälte betäubt. Maurice Meseke knipstmit der Schere rasch die dürren Beinchenweg. Dann ein kurzer Schnitt durch dasBauchmark und Studienobjekt „HA-17/10“ spürt nichts mehr, ist sozusagen„hirntot“. Gourmets kennen diese Stelleleider meist nicht, sondern lassen ihn imkochenden Wasser minutenlang zappeln.Wirbellose Tiere verfügen nicht überSchmerzrezeptoren wie wir, merken abernatürlich, dass da etwas mitihnen passiert. Schwanzund Scheren

kommen jetzt weg und wieder auf Eis.Abends werden sie im Kochtopf des Dok-toranden landen. (Er gehört übrigens zuden Puristen.) Wär’ ja auch schade drum.

Die Krebstier-Connection

Petra Skiebe erforscht neuronale Netz-werke am Beispiel des Stomatogastrischen

Nervensystems von Crustaceen – also demTeil des „Gehirns“, der die Magenbewe-gungen von Krebstieren steuert. Skiebeskleines Team kooperiert mit einer inter-nationalen Gruppe von Wissenschaft-lern, die Crustaceen auf den Nerv fühlen. Um einmal das komplexeGehirn des Menschen verstehen zu kön-nen, das unvorstellbare 1011 Nervenzel-len (Neuronen) enthält, macht es Sinn,einfacher aufgebaute Lebewesen zu

untersuchen. „Jeweniger Nervenzel-

len, desto besser“,meint PetraSkiebe. „Den

Herzschlag ei-nes Krebses steu-

ern beispielsweise nur neun Neuro-nen.“ Der Hummermagen ist völlig anders auf-gebaut als der menschliche, aber ein ide-ales Modellsystem für das Zusam-menspiel von Nerven und Muskeln. Nur30, dafür aber recht große Neuronensteuern die gesamten Bewegungsabläufe.„Und die sind uns alle persönlichbekannt.“ Besonders interessieren Skiebedie neuromodulatorischen Substanzen,Hunderte von Eiweißstoffen (Peptiden),die die Neurone stimulieren, bestimmte„Verschaltungen“ aktivieren und dadurchspezifische Bewegungsmuster der Ma-genmuskulatur auslösen. Viele dieser

Peptide kommen auch in höheren Lebe-wesen vor – auch beim Menschen.

Vom Magen hinter den Stielaugen

‚Den Kopf voll haben mit anderen Din-gen.’ Bei Krebstieren gewinnt diese Rede-wendung eine völlig neue Bedeutung,denn gleich hinter dem Gehirn liegt derMagen. Maurice hat inzwischen denHummer auf das für ihn Interessantereduziert: Kopf und „Hals“ – falls mandas so nennen kann, denn bei diesen Tie-ren sind Kopf und Rumpf miteinanderverschmolzen. Nun arbeitet er mit fein-sten Werkzeugen unter dem Mikroskopweiter. Cremefarben ist das Gewebe, dasjetzt in einer Glasschüssel mit Nährlö-sung unter dem Lichtkegel liegt und ausdem es den Magen frei zu präparierengilt. Mit feinen, suchenden Schnitten tas-tet sich der Biologe in einem Wirrwarraus Muskelfasern und Bindegewebe vor.Immer auf der Hut, keine wichtige Ner-venfaser zu durchtrennen. Das sindhauchdünne, milchig-weiße Fädchen,die sich farblich kaum vom umliegendenGewebe unterscheiden. Manchmal ziehter an einem, um zu sehen, wo es hinführt.Dann liegt der Magen endlich frei – großwie eine Walnuss. „Mal sehen, ob er nochwas gefressen hat.“ Maurice schmunzeltund öffnet vorsichtig den Speisesack.Doch da, wo sich sonst Reste von Artge-

nossen finden, herrscht gähnende Leere.Arme Kerl! Er hat sich hungrig für dieWissenschaft geopfert. Doch was ist das? Die räumliche Lage ist nicht das einzige,was am Hummermagen ungewöhnlichist. Drei rotbraune, raspelartige Zähnekommen zu Tage – eine anatomische An-passung an ungewöhnliche Essmanie-ren. Mit den Scheren zerreißen Krebstie-re das „Futter“ nur grob, bugsieren esdann mit Hilfe der Manibeln (kleinenMundwerkzeugen) in den Ösophagus, eineArt Speiseröhre. Im sich anschließendenSpeisesack wird enzymatisch vorverdaut,dann geht’s weiter in die „GastrischeMühle“, wo die Zähne die Nahrung zer-malmen. Im vierten Magenteil, dem Pylo-

rus, werden schließlich die Nährstoffeaus dem Brei herausgefiltert.Nach zwei Stunden Feinstarbeit ist essoweit. Das Nervensystem ist vomMagen getrennt und wird nun mit fei-nen Nadeln in einer Petrischale aufge-spannt. Vier kleine Nervenknoten undein ganz winziger – der wichtigste: dasstomatogastrische Ganglion (STG) – sindüber fadenförmige Nerven miteinanderverknüpft. Im STG sitzen die besagten30 Neuronen, kleine Knötchen, die denFruchtsäckchen einer Himbeere ähnelnund deren Aktivität sich noch über 24Stunden mit Elektroden messen lässt.Doch das ist heute nicht das Ziel. Mauri-ce will später untersuchen, welche Neu-

Wie funktionieren neuronale Netzwerke? FU-Neurobiologin Dr. Petra Skiebe erforscht dies exemplarisch an Krebstieren

„Wenn’s nichts anderes gibt, dann eben Hummer“

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Dr. Petra Skiebe

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rone das Peptid Tachykinin enthalten.Dazu wird das Gewebe zuerst fixiert,gewaschen und entfettet, anschließendfür zwei Tage mit Tachyikinin-Antikör-pern getränkt und erneut gewaschen. Miteinem zweiten Antikörper, an dem einFluoreszenzmaker hängt, wird dann dererste aufgespürt. Unter dem Laserscan-ning-Mikroskop erscheinen am Ende dieTachykinin-haltigen Neurone als farbigeKleckse.

Basics für die Gehirnforschung

Zusammen mit dem Biochemiker Mathi-as Dreger (AG Hucho) gelang es PetraSkiebe kürzlich, winzigste Peptidmengenin einzelnen Neuron nachzuweisen undzu identifizieren. Verfeinerte analytischeMethoden wie die MALDI-TOF-Massen-spektroskopie machen es möglich. Er-gänzende elektrophysiologische Unter-suchungen zeigen, welchen Einfluss dasbewusste Peptid auf das neuronale Netz-werk hat. Krebstiere sind nur eines unter mehrerenModellsystemen, an denen Wissenschaft-ler rund um den Globus im Rahmen desHuman frontier Science Program versuchenzu verstehen, wie das Gehirn funktio-niert. Wie es entsteht, sich im Laufe derEntwicklung verändert und was den Un-terschied zwischen einem gesunden undeinem kranken Nervensystem ausmacht.„Doch erst wenn wir die kleinen neurona-len Netzwerke verstanden haben, könnenwir die Geheimnisse des komplexenmenschlichen Gehirns entschlüsseln“,resümiert Petra Skiebe. Ein Ziel, das nochin weiter Ferne liegt. Da werden FU-Dok-toranden noch lange Hummer essenmüssen. Catarina Pietschmann

Der schema- tische Aufbau eines

Krebstieres: Nervensystem (orange), Herz

(rot) und die vier Magenteile, Ösophagus

(violett), Speisesack (grün), Gastrische Müh-

le (hellblau) und Pylorus (blau).

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Fünf Nervenknoten (Ganglien) hat der Hummer zur Steuerung der Magenbewegungen. Das stomatogastische Ganglion (orange) enthält die

wesentlichen 30 Neuronen (links). Rechts eine Laserscanning-Mikroskop-Aufnahme des STG mit einzelnen Neuronen (weiße Knötchen).

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Seite 4 FU-Nachrichten 11-12/2002� Innenansichten �

Seit zehn Jahren sind sie glücklich verheiratet:

Die Veterinärmediziner aus Ost und West.

Unter dem Dach der Freien Universität fand

1992 zusammen, was schon immer zusam-

mengehörte. 40 Jahren nach ihrer Trennung

schlossen die Veterinäre von FU und HU einen

Bund, der nun fürs Leben dauern wird.

Auch menschlich ist die Vereinigung in-zwischen geglückt. Nur räumlich ist mansich leider noch nicht so nahe, wie mansich fühlt: Die Verteilung des Fachbereichsauf drei Standorte schafft Probleme.Hauptstandort ist Düppel, aber auch inDahlem befinden sich – etwas verstreut –einzelne Institute. Der von den HU-Veteri-närmedizinern übernommene StandortMitte komplettiert die räumliche Vielfalt.Dort sind die Veterinärmediziner zwarmitten drin, denn mitten in Berlin – zwi-schen Friedrichstraße und dem Lehrter„Kanzlerbahnhof“ erstreckt sich verwun-schen und abgeschieden von der Hektikder Großstadt der so genannte „CampusMitte“ – doch sind sie ganz schön weit wegvom Großteil des Fachbereichs. Seit Tier-ärzte in Berlin ausschließlich an der FreienUniversität ausgebildet werden, sind dieVeterinäre der FU Nutzer von großen Tei-

len der traditionsreichen Gebäude. Auchder Geburtsort der Berliner Veterinärmedi-zin gehört zum Ensemble: Das 1790 vomArchitekten Carl Gotthard Langhanserrichtete Theatrum Anatomicum ist denmeisten unter dem Namen Trichinentem-pel bekannt. Just dort fand am 24. Oktoberder Festakt zur Vereinigung statt, an demu.a. der Minister für Landwirtschaft,Umweltschutz und Raumordnung desLandes Brandenburg, Wolfgang Birthler,der Staatssekretär für Wissenschaft, For-schung und Kultur, Dr. Peer Pasternack,sowie HU-Präsident Prof. Dr. Jürgen Mlyneck und FU-Vizepräsident Prof. Dr.Dieter Lenzen teilnahmen.

Das Ende der Doppelstruktur

Im Profil der FU bildet die Tiermedizineine deutliche Landmarke: Veterinärmedi-zin ist etwas ganz besonderes. InDeutschland kann man dieses Fach, des-sen Spektrum an der FU von der Genfor-schung bis zur Klinik für kleine Haustierereicht, nur an wenigen Universitäten stu-dieren. Leipzig, Gießen, München, Han-nover und Berlin bilden die meist weib-lichen Studierenden aus. Entstanden war

die Berliner Doppelstruktur Anfang derfünfziger Jahre: 1950 hatten Studierendeim Westteil der Stadt eine Notgemein-schaft für Veterinärmediziner gegründet,da sie die politische Einflussnahme aufdie Universität im Ostteil ablehnten. 200Studierende und sieben Professoren so-wie 30 Assistenten wollten eine politischunabhängige tierärztliche Bildungsstättean der schon seit 1948 bestehenden FreienUniversität in Dahlem aufbauen. 1951 erhielt die FU eine Veterinärmedizi-nische Fakultät. Schnell war Anfang der90er Jahre klar, dass die Vereinigung derbeiden renommierten Institute den Erhaltder Veterinärmedizin in Berlin dauerhaftsichern kann. Offen war, zu welcher Uni-versität die Tierärzte in Zukunft gehörensollten. Empfahl der Wissenschaftsrat1991 noch eine Zusammenlegung unterdem Dach der Humboldt-Universität, fan-den die vereinigten Veterinärmedizinerein Jahr später ihre endgültige Heimat ander Freien Universität.

Düppel oder Mitte?

Während sich die Wissenschaftler mitihrem Standort abseits in der Mitte derStadt arrangiert haben, ist die Lage für dieStudierenden fatal. Wenn woanders ge-klagt wird, die Universitäten bereitetenihre Studenten ungenügend auf die beruf-liche Praxis vor, stimmt das bei den FU-Veterinären nicht. Während des Studiumswird man zwischen den drei Standortenzum Kilometerfresser und ist zumindestauf eine Stelle als Landtierarzt bestensvorbereitet. Auch der Rest der Freien Uni-versität hätte die Veterinäre lieber näherbei sich; allein schon, um mehr interdiszi-plinäre Forschungsvorhaben auf den Wegbringen zu können.Doch für eine Aufgabe des StandortesMitte müssten erst einmal die Standorteim Südwesten erweitert werden. Und derAusbau in Düppel lässt aufgrund derkatastrophalen Finanzlage des LandesBerlin weiter auf sich warten. Doch es tutsich vieles: Seit einigen Jahren hat derFachbereich dort eine hochmoderneBibliothek, die auch ästhetisch geglücktin eine ehemalige Reithalle hinein gebautwurde.

Niclas Dewitz

Wissen patent verwertet

Die Berliner Universitäten FU, TUund HU setzen im Wintersemester2002 die im Sommersemester 2001begonnene Seminarreihe für das wis-senschaftliche Personal aller BerlinerHochschulen zum Thema „Patenteund Schutzrechte“ fort. Anliegen derReihe ist es, vor allem die wirtschaftli-che Relevanz gewerblicher Schutz-rechte zu verdeutlichen. Der Kursbesteht aus fünf Modulen zu jeweilszwei Seminaren. Folgende Modulestehen noch auf dem Programm:

Modul 3: Recherche

Datum/Zeit: Dienstag 7. und 14. Januar 2003,16.00 – 18.00 UhrOrt: TU Berlin, Steinplatz 1, 10623 Berlin, Raum 522Referent: Dipl.-Ing. Dieter Scharna, TU Berlin

Modul 4: Domain-, Marken- und Urheberrecht

Datum/Zeit: Dienstag 21. und 28. Januar 2003,16.00 – 18.00 UhrOrt: HU Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin,Hauptgebäude, Raum 2103 (1.OG)Referent:Rechtsanwalt Jörg K. Grzam

Modul 5: Vertragsgestaltung und -verfolgung

Datum/Zeit:Dienstag, 18. Februar 2003, 16.00 – 18.00 UhrDienstag, 25. Februar 2003, 17.00 – 19.00 UhrOrt:FU Berlin, Referat Weiterbildung,Otto-von-Simson-Str. 13-15, 14195 BerlinReferent/in: Verena Rademacher,Bernd Poppenheger, TU BerlinKerstin Dück, FU Berlin

Voraussetzung für eine qualifizierteTeilnahmebestätigung ist die Teilnah-me an 80 Prozent der gesamtenSeminarreihe. Das Anmeldeformularist unter der Internetadresse www.fu-berlin.de/wimi/pdf/patentver.pdferhältlich. Weitere Informationen erteilt Patrick Varadinek, Patent- und Lizenzservice der FU, Kaiserswerther Str. 16-18, 14195 Berlin.Tel: 030/838-73606, E-Mail: [email protected]

Privatbibliothek des Kunst-historikers Kurt Weitzmann

geht an die FU

Das Kunsthistorische Institut (KHI)erbt die Privatbibliothek des Byzanti-nisten Kurt Weitzmann. Der deutscheKunsthistoriker jüdischer Abstam-mung, der 1935 in die USA emigriert

Seit 1992 ist die Hochschulveterinärmedizin an der Freien Universität vereinigt

Zehn Jahre glückliche Ehe

war, verstarb 1993 in Princeton. Inseinem Testament verfügte er, dassseine gesamte Bibliothek an das KHIgehen solle – ohne dass die FU fürTransportkosten und Zoll aufkom-men müsse. Die Bücher sind in 131Transportkisten so verpackt worden,wie sie in den Weitzmann’schenBücherregalen standen. Eine genaueRekonstruktion der Bibliothek ist des-halb möglich. Die Sammlung umfasst nicht nurwertvolle Bände zu den Spezialgebie-ten Weitzmanns, sondern auch zuramerikanischen Kunst seiner Zeit. Indem Nachlass, der rund 7000 Bändezählt, findet sich auch amerikanischeAlltagsliteratur, wie zum Beispiel Bel-letristik und Magazine. Kurt Weitzmann gilt als Pionier inden Bereichen der russischen Ikonenund der byzantinischen (Buch-)Male-rei. Er forschte zahlreiche Male inRussland, auf dem griechischen BergAthos und der Halbinsel Sinai, wo erin Klöstern wertvolle Ikonenschätzeentdeckte. Sein besonderes Interessegalt der Religion der Ostkirche.

Neue Fachbereichsbroschüren

erschienen

Für die beiden Fachbereiche Mathe-matik/Informatik und Rechts-wissenschaft und das Institut fürPharmazie sind neue Fachbereichs-

broschüren erschienen. Damit kön-nen sich Interessierte einen Überblicküber das Forschungsprofil verschaf-fen und erhalten Informationen zuStudium und Lehre: zu angebotenenStudiengängen, möglichen Abschlüs-sen, Studienaufenthalten im Auslandsowie internationalen Kooperationen.Zu beziehen sind die Broschürenbeim jeweiligen Dekanat oder derInstitutsleitung.

Operation an einem Schäferhund in der Klinik und Poliklinik für kleine Haustiere

in Berlin-Düppel.

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2003 werden an der FU der Akademische Senat, das Präsidium und die universitären Kuratoriums-Mitglieder gewählt

Wahlen über WahlenDas kommende Jahr steht im Zei-chen der Wahlen. Am 14. und 15. Ja-nuar 2003 werden die zentralenGremien gewählt. Der Countdownläuft seit der Bekanntmachung deszentralen Wahlvorstands „über dieNeuwahl der Mitglieder des Akade-mischen Senats einschließlich des-sen Erweiterung sowie der universi-tären Mitglieder des Kuratoriums“(gemeint ist das ruhende Kurato-rium gemäß § 64 BerlHG). Die Lis-ten mit den Wahlvorschlägen warenbis zum 26. November beim zentra-len Wahlvorstand einzureichen.

Universitäre Wahlen sind kompliziert,da viele Vorschriften greifen. Nebenden Bestimmungen des BerlinerHochschulgesetzes gilt es, die „Ver-ordnung über Grundsätze des Wahl-rechts an den Hochschulen des Lan-des Berlin“ und die FU-Wahlordnungzu beachten. Der „Leitfaden zu denHochschulwahlen“ wird von derGeschäftsstelle des zentralen Wahl-vorstandes herausgegeben und gibtAntwort auf viele Fragen(http://userpage.fu-berlin.de/~wahlrabe). Im Sommersemester 2003 läuft dieAmtszeit des bisherigen Präsidiums

aus. Die Neuwahl des Präsidenten/der Präsidentin sowie des ErstenVizepräsidenten/der Ersten Vizeprä-sidentin ist für den 4. Juni 2003 vor-gesehen. Für beide Ämter sind derAkademische Senat und das Kurato-rium vorschlagsberechtigt. In der Woche nach Ostern sollendie Wahlvorschläge verabschiedetwerden. Da der/die neu gewähltePräsident(in) für die Ämter der wei-teren Vizepräsident(inn)en ein Vor-schlagsrecht hat, wird das neuePräsidium im Juli 2003 feststehen.

Beate Hammers

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meisten Drittmittel einwirbt und dafürolympisches Gold erhält, wird sie vonden Professoren weniger gut bewertet.

schaft wurden beispielsweise 54 Univer-sitäten miteinander verglichen: Währenddie FU in der Pädagogik bundesweit die

FU-Nachrichten 11-12/2002 Seite 5� Innenansichten �

Centrum für Hochschulentwicklung legt Forschungsranking vor

Freie Universität unter den Top 5� Meldungen �

„Versuchen Sie nicht, die ganze Welt

mit ihrer Arbeit zu bewegen.“

106 Berliner Nachwuchswissen-schaftler(innen) sind in diesem Jahrin das Stipendienprogramm„Nafög“ des Berliner Senats aufge-nommen worden. Für einen Zeit-raum von zwei Jahren erhalten sieeine finanzielle Förderung für ihrPromotionsvorhaben. Wie eine Dissertation in dieser kur-zen Zeit zu schaffen sei, erklärte derneue Vorsitzende der Nafög-Kom-mission, Prof. Dr. Gerhard de Haan,den jungen Menschen in einerFeierstunde im Audimax der Freien Universität: „Achten Sie auf IhreZeitpläne, meiden Sie ausuferndeFragestellungen und versuchen Sienicht, die ganze Welt mit ihrerArbeit zu bewegen.“ Eine Evaluierung des Programmszeigte allerdings im letzen Jahr,dass gerade einmal drei Prozent derStipendiat(inn)en die Promotionnach zwei Jahren Nafög-Förderungabschlossen. Im Durchschnitt aberbenötigten die Doktorand(inn)envom Examen bis zur Promotion fünfJahre. Aus diesem Grund sollen dieNafög-Stipendien ab dem nächstenSommersemester für drei Jahregewährt werden. De Haan, Erzie-hungswissenschaftler an der FU,will sich auch dafür einsetzen, dassdie Stipendiaten künftig mehr Gelderhalten: Die monatliche Förderungsolle von derzeit 620 Euro auf 1000Euro erhöht werden. Im Rahmen der Urkundenverlei-hung wurde der langjährige Vorsit-zende der universitätsübergreifen-den Vergabekommission, Prof. Dr.Peter Steinbach, verabschiedet. Biszu seinem Wechsel an die Univer-sität Karlsruhe hatte er sich mitbesonderem Engagement und großem Erfolg für das Nafög-Pro-gramm eingesetzt.

Berliner Universitätsgottesdienste

In der Marienkirche am Alexander-platz findet im Wintersemester2002/03 jeden Sonntag um 18.30Uhr der ökumenische Universitäts-gottesdienst mit musikalischerGestaltung statt. Unter dem Semester-Thema„Gestalten des Glaubens“ machenan 16 Abenden Hochschul-lehrer(innen) der TheologischenFakultät der Humboldt-Universitätsowie einige Gastprediger – darun-ter Michael Bongardt, Professor fürKatholische Theologie an der FreienUniversität – zentrale Gestalten deschristlichen Glaubens von Abrahambis hin zu Paulus zum Thema ihrerPredigten. Prof. Dr. Michael Bongardt von derFU hält den Abschlussgottesdienstdes Wintersemesters am 9.2.2003über „Jona – vom Unbehagen ander Gnade Gottes“. Die musikali-sche Leitung hat Universitätsdirek-tor Prof. Constantin Alex inne. Weitere Informationen: www.religion-und-kulktur.de

Universitäres Kräftemessen

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„Zwar verfügen wir in Deutschland übereine ganze Reihe forschungsstarkerFakultäten“, sagt Prof. Dr. Müller-Böling,Leiter des Centrums für Hochschulent-wicklung (CHE), „doch wirkliche For-schungsuniversitäten, wie wir sie ausanderen Ländern kennen, gibt es hierzu-lande kaum“. Nur wenige deutsche Uni-versitäten seien in der Forschung in allenFächern Spitze; auch innerhalb der ein-zelnen Fächer konzentriere sich die For-schungsaktivität auf eine kleine Gruppevon Hochschulen. Insofern ist das kürz-lich vom CHE veröffentlichte For-schungsranking nicht als Rangliste dergesamten Universitäten, sondern als pri-mär fachbezogene zu verstehen.Das CHE untersuchte gemeinsam mit derZeitschrift Stern neun Fächer aus denGeistes- und Sozialwissenschaften sowieElektrotechnik und Maschinenbau anrund hundert deutschen Universitäten.Die Bewertung stützt sich je nach Fachauf vier bis acht Kriterien: die Zahl derPromotionen, die Zahl der Publikationen,der eingeworbenen Drittmittel undPatente, wobei jedes Item einmal alsabsoluter Wert und einmal pro Wissen-schaftler(in) bzw. Professor(in) betrach-tet wurde. Wenn eine Universität ineinem Fach bei mindestens der Hälfte derKriterien zur Spitzengruppe zählte, wur-de sie hierfür in den Rang der leistungs-starken Universitäten erhoben. Parallelzur Datenanalyse wurde die Reputationermittelt, indem bundesweit Profes-sor(inn)en danach befragt wurden, wel-che Universität für das betrachtete Fachihrer Meinung nach empfehlenswert sei.

Blick in die Details

An der Freien Universität wurde den fünfFächern Anglistik/Amerikanistik, Ger-manistik, Geschichte, Erziehungswis-senschaften und Soziologie das Prädikateiner leistungsstarken Universität verlie-hen. Damit nimmt sie im bundesweitenVergleich aller Universitäten gemeinsammit der Universität Köln den 4. Platz ein.Bessere Ergebnisse erzielten die BerlinerHumboldt-Universität und die Ludwig-Maximilians-Universität München mitjeweils sieben Nennungen sowie die Uni-versität in Freiburg mit sechs. „Wir wollen mit unseren ErgebnissenForschung transparent machen“, sagtMüller-Böling, was im Hinblick auf dieDatenanalyse, die in dieser umfangrei-chen, detaillierten Zusammenstellungund der differenzierten Methodik bislangihresgleichen sucht, im Großen undGanzen gelungen zu sein scheint. Sicher-lich lässt sich die Methodik noch verfei-nern. So wäre z.B. zu diskutieren, ob dieVermischung von absoluten Werten undPro-Kopf-Daten, die eher ein Ausdruckvon Effizienz sind, eine sinnvolle Antwortauf die Frage nach der Forschungsstärkeeines Faches geben. Auch die Messung derPublikationsleistungen hat unter Fachleu-ten bereits eingehende Diskussionen überderen Methodik und Aussagekraft ausge-löst. Aber trotz dieser Hinweise ist dasErgebnis insgesamt überzeugend und dieStudie ernst zu nehmen.So lohnt ein Blick in die Details, um Stär-ken und Schwächen der einzelnen Fächerder jeweiligen Universitäten besser zuerkennen. Im Fach Erziehungswissen-

Ein anderes Bild zeigt sich in der Germa-nistik: Dort liegt die FU mit dreißig Pro-motionen im Jahresschnitt auf Platz 1,wirbt aber unter den Spitzenunis wenigerDrittmittel ein. Neben den Stärken wer-den in einigen Feldern auch erheblicheSchwächen deutlich, deren Ursachen nuneingehend analysiert werden.Betrachtet man den Reputationsfaktor imVergleich zu den Leistungsdaten, soscheint die FU besser zu sein als ihr Ruf.Während sie nach dem (subjektiven)Urteil der befragten Professoren in nurdrei Fächern in die Liste der besondersempfehlenswerten Universitäten aufge-nommen wurde, stellte sie sich nach Aus-wertung der Leistungsdaten in insgesamtfünf Fächern als besonders forschungs-stark heraus. Insgesamt sieht sich die FUdamit in ihrer Position als eine der führen-den Forschungsuniversitäten Deutsch-lands bestätigt. Dass mit FU und HU zweiBerliner Universitäten unter den Top 5sind, belegt die Forschungsstärke des Ber-liner Standorts und ist auch eine Antwortdarauf, warum Berlin in seine Wissen-schaftseinrichtungen investieren sollte.

Andrea Syring

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Seite 6 FU-Nachrichten 11-12/2002� Wissenschaft �

Haider scheint gebannt, nachdem seine„Freiheitliche“ Partei (FPÖ) auf etwazehn Prozent bei den österreichischenNationalratswahlen 2002 zurückgefal-len ist. Doch der Schock vom Oktober1999 ist in Erinnerung: 27,2 Prozent derWählerstimmen errang die Rechtspar-tei. Als zweitstärkste Partei des Landesbildete daraufhin die FPÖ zusammenmit der konservativen ÖsterreichischenVolkspartei (ÖVP) eine neue Bundesre-gierung. Über die Machtbeteiligung derRechtsextremen schlugen in Österreichund den anderen europäischen Staatendie Wogen der Entrüstung hoch. Eswurden drastische Maßnahmen gefor-dert und schließlich Sanktionen gegenden Alpenstaat verhängt. Zur Normali-sierung der Beziehungen führte erst dasGutachten einer von der EU entsandtenKommission, die zu klären hatte, ob dieösterreichische Republik noch auf demgemeinsamen Fundament der Europäi-schen Union steht. Die Diskussion überHaiders Wahlsieg entwickelte sich zurFrage: „Was einigt Europa?“Die Berichterstattung über die Haider-Debatte diente gewissermaßen als„soziologischer Lackmustest“ für dieUntersuchung der europäischen Öf-fentlichkeit durch Prof. Thomas Rissevon der Freien Universität Berlin undseinen Kollegen Prof. Bernd Giesen vonder Universität Konstanz. Über alleLändergrenzen hinweg konnten siezwei Hauptströmungen bei der Darstel-lung der Debatte in den europäischenZeitungen feststellen. Von einem gro-ßen Teil der öffentlichen Meinung wirdEuropa als Wertegemeinschaft betrach-tet, und diese Werte sollen verteidigtwerden. „Im Zeitalter der EuropäischenIntegration, der gemeinsamen Werteund der gemeinsamen Überzeugungenhat die Machtbeteiligung von Jörg Hai-ders „Freiheitlichen“ Konsequenzen,

die weit über die politischen Ausein-andersetzungen in Wien hinausgehen“,schreibt beispielsweise De Standart ausBelgien.Welche spezifisch europäischen Wertedie Anhänger dieser Ansicht genau mei-nen, bleibt jedoch meist im Unklaren.Stattdessen sprechen sie von Prinzi-pien, wie Demokratie, Menschenrechteund antifaschistische Gesinnung. NachAuffassung dieser werteorientiertenBerichterstatter kann das Aufkommenvon Haider und seiner Partei nicht hin-genommen werden, weil sich die „Frei-heitlichen“ nicht von Nationalsozialis-mus und Ausländerhass distanzieren.Sie forderten deshalb harte Sanktionengegen Österreich.

Andere Zeitungen hingegen sehen dieGemeinschaft im Wesentlichen alseinen einheitlichen Rechtsraum, den eszu schützen gilt. Wichtig sei, dass diegemeinsamen Verträge und formalenVereinbarungen eingehalten werden.Der Amsterdamer Vertrag soll dabei denUmgang mit problematischen Regie-rungen regeln. Dort ist festgelegt, dassein Staat mit Sanktionen belegt wird,wenn er massiv den Prinzipien von Frei-heit, Demokratie und Menschenrechtenzuwiderhandelt. Solange die Alpenre-publik nicht gegen die gemeinsamenGesetze verstößt, sollten auch keineSanktionen erfolgen. Ob bürgerliches oder linksorientiertesBlatt, ob Qualitätszeitung oder Boule-vard, die von der DFG finanzierte Stu-die bewertet Zeitungen aus fünf Län-dern nach bis zu 22 unterschiedlichenGesichtspunkten. In den vier aussage-kräftigsten Kernbereichen: „Europa –Eine Gesellschaft mit moralischer Verpflichtung“, „Europa – ein gemein-samer Rechtsraum“, „Nazivergan-genheit“ und „Rassistischer Auslän-derhass“ ergab sich eine hoheÜbereinstimmung in der Art derBerichterstattung. Aus der sehr ähn-lichen Argumentation schließen dieWissenschaftler, dass zumindest indiesem Fall eine gemeinsame europäi-sche Öffentlichkeit mit gemeinsamenBewertungskriterien für politischeStreitfälle existierte. „Werteorientierte“ und „Legalisten“bestimmten in der Haider-Debatte dieDiskussion. Interessenkonflikte zwi-schen EU und den Nationalstaatenspielten dagegen kaum eine Rolle.Unabhängig von ihren sonstigenÜberzeugungen waren sich die unter-suchten Zeitungen in den fünf Mit-gliedsstaaten einig: Bei der Haider-Debatte geht es um die europäische

Identität als Werte- und Rechtsge-meinschaft. Ein Rückfall in Zeiten, indenen Rassismus und Fremdenhass inEuropa wüteten, muss verhindert wer-den. Rechtsparteien, wie die FPÖ, ste-hen jedoch noch heute in der Traditiondieser unseligen Vergangenheit. „DieWaffen-SS war Teil der Wehrmachtund hat daher dieselbe Ehre und den-selben Respekt verdient wie dieArmee“, zitiert die französische LeMonde Haider. Doch je intensiver derösterreichische Rechtsaußen als Naziund Bedrohung wahrgenommen wird,um so deutlicher erkennt Europa imAntirassismus einen grundlegendenund einigenden Wert.

Arnulf Wieschalla

Europa oder Haider?Studie zeigt Entstehung einer europäischen

Öffentlichkeit: Europa als Werte- und Rechtsgemeinschaft

„Der Neigung zur Reglementierungund Rationalisierung ein Gegen-gewicht zu bieten, ist die historischeAufgabe des Juristen aus Freiheitssinn,vom Amtsrichter, der Übergriffe derpolizeilichen Verordnungsgewalt alssolche kennzeichnet, bis zum Verteidi-ger, der die Kunst gegen unzüchtigeRichter schützt. Diese Juristen sind dieVorposten des Rechtsstaats gegenunseren angeborenen Hang zum Polizeistaat.“ Die Stellen in der Radbruch‘schen Einführung in dieRechtswissenschaft hatte sich derRechtsstudent Fritz Bauer 1910 dickangestrichen. Als Sohn eines jüdischenGroßhändlers 1903 in Stuttgart ge-boren, machte er schnell Karriere: ZweiJahre nach dem zweiten Staatsexamenfolgte 1930 die Berufung zum jüngstenAmtsrichter Deutschlands.Die Nationalsozialisten beendeten dieKarriere des Unbeugsamen, der sich1933 im Konzentrationslager wieder-fand, während seine Justizkollegen sichmit dem neuen Regime arrangierten.„Die meisten haben die Nationalsozia-listen begrüßt“, stellt Prof. Dr. HubertRottleuthner fest. Seit 1998 untersuchtder Rechtssoziologe im Rahmen einesDFG-Projekts, welche Karrieren Richterund Staatsanwälte in der Zeit des Natio-nalsozialismus machten und was ausden NS-Justizjuristen nach 1945 wurde.Dazu war Kärrnerarbeit nötig. Rott-leuthner und seine Mitarbeiter und Mit-arbeiterinnen wühlten sich durch Perso-nalverzeichnisse, Handbücher undBeamtenkalender, verfolgten Personal-meldungen in Amtsblättern und lasenDokumentationen von belasteten Rich-

tern. „Erstmals konnten damit systema-tisch und flächendeckend Justizkarrie-ren im 20. Jahrhundert nachgezeichnetwerden“, sagt Rottleuthner.

Ernüchterndes Ergebnis

Während Bauer 1936 nach Dänemarkflüchtete und seit 1943 mit Willy Brandtin politischen Exilkreisen aktiv war,arbeiteten die meisten Richterkollegenkonstruktiv für den NS-Staat. Richter-lichen Widerstand hat es kaum gege-ben. Dabei wurden nur etwa 700 höhereBeamte zwischen 1933 und 1938 ausdem Justizdienst ausgeschlossen, ent-weder weil sie jüdisch waren und/oderden Sozialdemokraten nahe standen.Mit dem großen Rest konnte das NS-Regime gut arbeiten. Neben einer posi-tiven weltanschaulichen Einstellungmacht Rottleuthner dafür ein hohesMaß an Arbeitszufriedenheit verant-wortlich: Der Geschäftsanfall nahm ab,das Gehalt nahm zu und es bestandengute Karrierechancen. Parteimitglied-schaft allein reichte selbst den National-sozialisten nicht. „Um Karriere zumachen, musste man meist auch guteExamensnoten vorweisen können“, soRottleuthner.Angst vor Entlassung brauchten die NS-Juristen nach 1945 nicht zu haben. ImGegensatz zur sowjetisch besetztenZone (und dann der DDR) gab es in denWestzonen (und dann in der Bundesre-publik) keine Regelung, die es verbot,NS-Juristen, die in der NSDAP auch nurformelles Mitglied waren – und daswaren 1945 über 80 Prozent –, im Dienstzu belassen oder wieder in den Dienst

zu nehmen. Nach 1954 nahmen auchdie politischen Bedenken deutlich ab: Inder Adenauer-Ära konnten vielmehr alteerfahrene Juristen – welche „Erfahrun-gen“ auch immer sie gemacht hatten –auf Grund des traditionellen Karriere-musters in der Justiz eher aufsteigen alsdie neuen, noch nicht so „erfahrenen“Juristen. So setzten sich beispielsweise1954 74 Prozent der Justizjuristen beiden Amtsgerichten, 68,3 Prozent beiden Landgerichten, doch 88,3 Prozentbei den Oberlandesgerichten und 74,7Prozent beim Bundesgerichtshof (BGH)aus „alten“ Justizjuristen zusammen.Während in den unteren Instanzen derAnteil junger, nachwachsender Juristenstetig zunahm, blieb der Anteil der Jus-tizjuristen, die bereits vor 1945 tätigwaren, in den oberen Instanzen bis indie 60er Jahre konstant oder stieg sogarnoch etwas an. Der aufrechte Demokrat, der bis zurSelbstaufgabe um die juristische Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes kämpfte, blieb in der bundes-republikanischen Justiz eine Ausnah-meerscheinung. So hatte sich Bauer dreiJahre bemüht, bis er 1949 zum Landge-richtsdirektor, dann zum Generalstaats-anwalt in Braunschweig und schließlich1956 vom hessischen Ministerpräsiden-ten Georg August Zinn zum General-staatsanwalt nach Frankfurt am Mainberufen wurde.

Recht auf Leben

Eine besondere Situation herrschtebeim Bundesgerichtshof. Von den dortin der Zeit von 1953 bis 1964 tätigenRichtern und Staatsanwälten hattenüber siebzig Prozent bereits währendder NS-Zeit als Juristen gearbeitet. Rott-leuthner vermutet, dass sich damit auchdie sehr verständnisvoll-milde Rechts-prechung des BGH in Rechtsbeugungs-sachen erklären lässt. Immerhin saßenja hier meist Richter zu Gericht überihre früheren Berufskollegen. Außerdem gibt es deutliche regionaleUnterschiede: Vor allem die Gerichte inden nördlichen Oberlandesgerichtsbe-zirken in der (ehemaligen) britischenZone waren noch nach 1954 zu hohenProzentsätzen mit NS-Juristen besetzt.Nicht nur diesen aber war der Außen-seiter Fritz Bauer ein Dorn im Auge, ver-trat er doch die unpopuläre Meinungeiner „Bejahung des durch keinenGesetzgeber antastbaren Kernbereichsdes Rechts – ein Minimum an Men-schenrechten wie das Recht auf Leben“.Diese Auffassung vertrat er nicht nur imRemer-Prozess von 1952, bei dem esauch um die Beteiligung der deutschenJustiz an der NS-Euthanasie ging. Das wichtigste Anliegen Bauers war derAuschwitz-Prozess, der 1963 in Frank-furt stattfand. Der Versuch, in einemexemplarischen Prozess auch die Justiz-elite wegen Beihilfe zum Anstaltsmordvor Gericht zu stellen, scheiterte. Nachdem plötzlichen Tod des Generalstaats-anwalts 1968 wurde das Verfahren 1970eingestellt. Die umfassende Aufarbei-tung der Justizkarrieren im 20. Jahrhun-dert kann dafür eine Erklärung liefern.

Felicitas von Aretin

Prof. Dr. Hubert Rottleuthner zeichnet Juristenkarrieren im 20. Jahrhundert nach

Immer sich beugen

Dr. Fritz Bauer (1903–1968) war einer der bedeutendsten Vorkämpfer für Strafrechts- und

Strafvollzugsreformen, für Resozialisierung und für eine gesellschaftliche Verantwortung des

Justizwesens beim Wiederaufbau einer demokratischen Gesellschaft.

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Rechtspopulist Jörg Haider – ausgrenzen oder doch tolerieren?

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FU-Nachrichten 11-12/2002 Seite 7� Wissenschaft �

Es beginnt mit Gedächtnislücken undOrientierungsdefiziten, später kommenSprachstörungen und Persönlichkeitsver-änderungen hinzu: Das Krankheitsbildder Demenzen, wie etwa der Alzheimer-Erkrankung, ist vielfältig und wird häufigdurch den normalen Alterungsprozessverdeckt. Rund eine Million Deutschesind nach Schätzungen von Experten heu-te schon von Demenzen betroffen; durchdie wachsende Vergreisung der Gesell-schaft wird die Zahl der Demenzpatientenbis zum Jahr 2050 auf rund zwei Millio-nen zunehmen. Welche Möglichkeiten esgibt, den Betroffenen bereits in einem frü-heren Stadium zu helfen, will das „Kom-petenznetz Demenzen“ untersuchen, dassich Ende September mit einer Veranstal-tung in der Klinik für Psychiatrie undPsychotherapie des UniversitätsklinikumsBenjamin Franklin (UKBF) der FreienUniversität Berlin erstmals der Öffentlich-keit vorstellte. An dem Kompetenznetzsind 13 psychiatrische Zentren von Hoch-schulen beteiligt, die in der Demenzfor-schung führend sind, unter anderem dasUKBF in Berlin. Beteiligt sind auchniedergelassene Ärzte und Patientenorga-nisationen wie die Deutsche AlzheimerGesellschaft.

Kompetenznetz Demenzen in UKBF-Psychiatrie gestartet

Wenn Vergesslichkeit zur Plage führt

100 Jahre PharmazeutischesInstitut in Dahlem

In diesem Herbst feiert das Pharma-zeutische Institut in Berlin sein 100-jähriges Bestehen. Das Institut wurde1902 als erstes Gebäude auf DahlemerBoden eingeweiht, die hier nach demProgramm der preußischen Unter-richtsverwaltung und der Reichsbehör-den gebaut wurden. Es bildet somitden historischen Kern des berühmtennaturwissenschaftlich/vorklinischenCampus in Berlin-Dahlem – dem deut-schen Oxford. Prof. Dr. Karl-HeinzFrömming ist der beste Kenner der Ge-schichte des Instituts. 53 Jahre lang hater die wechselvolle Geschichte desPharmazeutischen Instituts aus näch-ster Nähe miterlebt: als Student, wis-senschaftlicher Assistent, Dozent,Hochschullehrer und als Emeritus.Jetzt hat er die hundertjährige Ge-schichte des Instituts, die gleichzeitigein Spiegel der politischen Brüche undUmbrüche Berlins im 20. Jahrhundertist, in einer Festschrift zusammenge-fasst. Dabei erzählt er auch ein StückBerliner Stadtgeschichte. Der Autorbeschränkt sich nicht auf eine Darstel-lung der zeitlichen Abläufe und Ent-wicklungen, sondern lässt durch viel-fältige Details aus Chroniken, Briefenund Zeitungsausschnitten ein sehrlesenswertes Zeitkolorit entstehen. DieFestschrift „100 Jahre Pharmazeuti-sches Institut in Berlin-Dahlem 1902-2002“, hg. von Karl-Heinz Frömming,ist für 24 Euro zu beziehen über dieDeutsche Pharmazeutische Gesellschaft,c/o Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Walter Schu-nack, Freie Universität Berlin, Institut fürPharmazie, Königin-Luise-Straße 2+4.14195 Berlin, Tel.: 030/838-53278, -53279.

Gutachter für die EuropäischeUnion gesucht

Die Europäische Union sucht Sachver-ständige zur Evaluierung der Projekt-anträge im EU-Programm Tempus III.Tempus fördert die Zusammenarbeitim Hochschulbereich zwischen denEU-Mitgliedsstaaten und den LändernOsteuropas, Zentralasiens und demwestlichen Balkan. Zudem finanziert esso genannte ergänzende Maßnahmenund Stipendien für Auslandsaufenthal-te. Die Gutachtertätigkeit wird nachEU-Sätzen vergütet, Aufenthalts- undReisekosten werden übernommen.Mehr im Internet unter: http://europa.eu.int/comm/education/tempus/index_de.htmloder http://www.etf.eu.int/tempus.nsf.

Vermittlung von europäischenKooperationen

Die Technologiestiftung Berlin (TSB)vermittelt kostenfrei und individuellinternationale Kooperationen zwi-schen Wissenschaft und Wirtschaft.Als Partner im EU-Verbindungsbürofür Forschung und Entwicklung stelltdie TSB Kontakte zu rund 220 Ein-richtungen in 30 europäischen Län-dern her. In der Regel entstehen auseiner Anfrage fünf bis zehn interes-sante Kontakte. Weitere Informatio-nen erteilt Katrin Schmohl, TSB Tech-nologiestiftung InnovationszentrumBerlin, Fasanenstraße 85, 10 6 23 Berlin,Tel.: 030/46302469, http://www.tech-nologiestiftung-berlin.de.

Gemeinsam gegen das Vergessen

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Der Nahrungsaufnahme folgt früher oder spä-

ter ein Sättigungsgefühl. An dem normaler-

weise ausbalancierten Wechselspiel sind

zunächst physikalische und chemische Reize

beteiligt. Gerät das neurologische Kontrollsys-

tem aus dem Gleichgewicht, können unter

anderem Fettleibigkeit und deren Folgeerkran-

kungen entstehen – nicht nur beim Menschen.

Doch welche Faktoren kontrollieren die Nah-

rungsaufnahme und deren Ende? Im Institut

für Pharmakologie und Toxikologie des Fach-

bereichs Veterinärmedizin der Freien Univer-

sität Berlin werden seit einigen Jahren Prozes-

se des zentralen Nervensystems untersucht, die

ein Sättigungsgefühl vermitteln. Eine Region

im Zwischenhirn, der Hypothalamus, ist die

Schaltzentrale für Nahrungsaufnahme und

andere vegetative Funktionen. Der Gruppe

von Dr. Jörg-Peter Voigt und Prof. Heidrun

Fink gelang der Nachweis von Wechselwir-

kungen zwischen entscheidenden Sättigungs-

faktoren wie Serotonin, Glucose und dem

Hormon Cholezystokinin.

Ein bekannter Signalüberträger zwischenNervenzellen (Neurotransmitter), dasSerotonin, ist an psychischen Zuständenwie Angst und Depression beteiligt,beeinflusst aber auch die Nahrungsauf-nahme. So löst seine erhöhte Aktivität imGehirn Sättigung aus. Wird sie dagegenmedikamentös verringert, entwickelt sichHunger, wie die Veterinärpharmakologenan der Freien Universität in jüngsten Stu-dien belegen. Dabei wurde ein interessan-ter Unterschied deutlich: Während die

verringerte Serotonin-Aktivität in wenigeMonate alten, normalgewichtigen Rattendas Fressverhalten stimulierte, bewirktesie in fettleibigen, ebenfalls jungen Tierengenau das Gegenteil. In älteren Tieren ver-lor sich dieser Gegensatz – jetzt wurdeauch bei den Adipositas-Ratten die Nah-rungsaufnahme angeregt. Die FU-Wis-senschaftler konnten nun erstmals dieInteraktion zwischen dem Magen-Darm-Trakt und dem so genannten Hungerzen-trum im Hypothalamus nachweisen. Vonden Schleimhäuten des Zwölffinger- undDünndarms wird das Hormon Cholezys-tokinin gebildet. Es fördert hauptsächlichdie Gallenblasenkontraktion und -entlee-rung sowie die Bildung von ‚Enzymen der Bauchspeicheldrüse. Aber auch im

Gehirn befinden sich Rezeptoren für die-ses Hormon. Und dieser Signalweg sti-muliert die Serotoninfreisetzung imHypothalamus. „Das bedeutet, dass Sätti-gungssignale aus dem Körper zu einerAktivierung von Hirnregionen beitragen,die dann wiederum die Nahrungsaufnah-me beenden“, erläutert Voigt.Bei ihren Untersuchungen setzen dieVeterinärwissenschaftler die Mikrodialy-setechnik ein. Mit Hilfe einer kleinen Son-de und über eine Membran werden ausOrganen, in diesem Fall dem Gehirn,Moleküle gewonnen und analysiert. Auchumgekehrt können Stoffe in das Organgegeben werden. Allerdings wird dieTechnik sehr behutsam eingesetzt, umdas Verhalten der Tiere möglichst wenigzu beeinflussen. Die Tiermediziner kön-nen auf diese Weise die Konzentrationenverschiedener Substanzen messen undgleichzeitig dem entsprechenden Verhal-ten zuordnen. So stellten sie mit dieserTechnik fest, dass sich während der Nah-rungsaufnahme auch der Glucosespiegelim Hypothalamus verändert. Für diemeisten Nervenzellen ist das Monosac-charid eine Energiequelle. Allerdings gibtes Neuronengruppen, die durch veränder-te Glukosekonzentrationen stimuliertoder gehemmt werden. Hier deuten sichfür Voigt bereits weitere Wechselwirkun-gen zwischen den Kontrollmechanismender Nahrungsaufnahme an.

Matthias Manych

Veterinärmediziner analysieren Signale zwischen Magen, Darm und Gehirn

Hungrig oder satt?

Diese Ferkel saugen intuitiv an den Zitzen ihrer Muttersau. Woher wissen sie, wann sie satt sind?

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Möchten Sie auch gerne altern?Im Sommer 2003 wird die fünfte Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „fundiert“erscheinen. Wie gewohnt wird auch dieses Magazin einen Schwerpunkt interdis-ziplinär untersuchen, diesmal das Thema „Alter und Altern“. Die Pressestelle istdaher auf der Suche nach Beiträgen von Autoren der unterschiedlichen Fachberei-che der Freien Universität Berlin, die zu diesem Thema lehren, forschen oder überaktuelle Forschungsergebnisse verfügen und diese in ansprechender Form einerbreiten Öffentlichkeit präsentieren möchten. Die FU-Pressestelle freut sich überjeden Themenvorschlag, den sie bis Ende März 2003 gerne entgegennimmt.Informationen: Dr. Felicitas von Aretin, Tel.: 030/838-73180, E-Mail: [email protected].

� Meldungen �

Kompetenznetz DemenzenFreie Universität BerlinKlinik und Poliklinik für Psychiatrie und PsychotherapieEschenallee 3, 14050 BerlinTel.: 030/8445-8701

rem untersucht, ob bei Patienten mitleichten Gedächtnisstörungen durch einefrühzeitige Behandlung mit dem Choli-nesterase-Hemmer Galantamin und demNMDA-Rezeptorantagonisten Memanti-ne der Ausbruch einer Alzheimer-Erkran-kung verhindert werden kann. „Für beide

Substanzen ist die Wirksamkeit bei Alz-heimer-Patienten in plazebo-kotrolliertenStudien belegt worden“, berichtete Isabel-la Heuser bei der Präsentation des Komp-tenznetzes. In den neuen Studien werdedie Wirkung der Kombinationstherapiemit der einer Standardtherapie mit Galan-tamin verglichen.In einer weiteren Teilstudie wird beiPatienten mit leichter bis mittelschwererAlzheimer-Krankheit ebenfalls die Wirk-samkeit der beiden Substanzen unter-sucht. „Es soll überprüft werden“, so FrauHeuser, die auch dem Vorstand des Kom-petenznetzes angehört, „ob mit der Kom-binationstherapie die Aufmerksamkeitund Gedächtnisleistung der Patientenweiter verbessert und die Progression derErkrankung stärker verzögert werdenkann als mit einer Monotherapie“. An denForschungsprojekten sind auch die Psy-chiatrischen Kliniken der UniversitätenErlangen und Bonn beteiligt.

Manfred Ronzheimer

Das Bundesforschungsministerium un-terstützt das Kompetenznetz für einenZeitraum von bis zu fünf Jahren mit maxi-mal 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Die über-regionale Vernetzung in Form von Kom-petenznetzen, die das Bundesministe-rium für Bildung und Forschung auch fürandere Krankheiten fördert, soll den Wis-senstransfer aus der Grundlagenfor-schung in die anwendungsnahe For-schung und Industrie bis hin zu denpraktizierenden Ärzten verbessern.Das Kompetenznetz Demenzen, das vomZentralinstitut für Seelische Gesundheitin Mannheim koordiniert wird, gliedertsich die drei Module Diagnostik, Therapieund Epidemiologie. Die Berliner UKBF-Psychiatrie unter Leitung von IsabellaHeuser ist mit mehreren Therapieprojek-ten beteiligt. So wird in der Klinik in derCharlottenburger Eschenallee unter ande-

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Seite 8 FU-Nachrichten 11-12/2002� Leute �

Zum 30. September 2002 ist Prof. Dr.Martin Jänicke aus dem Dienst derFreien Universität ausgeschieden. AlsLeiter der Forschungsstelle für Umwelt-politik und stellvertretender Vorsitzen-der des Sachverständigenrates fürUmweltfragen (SRU) bleibt er jedochweiter aktiv. Jänicke hat die politikwis-senschaftliche Umweltdiskussion inDeutschland und in anderen Ländernmaßgeblich beeinflusst. Der Vordenkerin Sachen ökologischer Modernisierungund erfolgreicher Umweltpolitik wirdsein Fachwissen auf internationalerEbene weiterhin einbringen. Klimawan-del, Artenverlust, Grundwasserver-schmutzung oder Flächenverbrauchstehen für dauerhafte Probleme undhohen Handlungsbedarf in ökologi-schen Fragen.Martin Jänicke vereinte in seiner PersonPolitikwissenschaft, Politikberatung

und aktive Politikgestaltung. Von 1974bis 1976 war er externer Berater der Pla-nungsabteilung des Bundeskanzler-amtes, von 1981 bis 1983 saß er für dieAlternative Liste im Berliner Abgeord-netenhaus, von 1992 bis 1996 war erMitglied der Deutschen UNESCO-Kom-mission und seit April 1999 ist er SRU-Mitglied. Daneben war und ist er Mit-glied in zahlreichen wissenschaftlichenBeiräten von Forschungsinstituten, Stif-tungen und Zeitschriften. Und in Berlinhätte er auch Umweltsenator werdenkönnen, wenn er gewollt hätte.

Ein Wissenschaftlerleben an der FU

Martin Jänicke ist an der Freien Univer-sität groß geworden und ihr vier Jahr-zehnte treu geblieben. Einen Ruf nachTübingen (1975) lehnte er ab, die Beru-fung auf eine Professur an der TU Berlinscheiterte. Nach dem Studium derSoziologie wurde er Assistent an derPädagogischen Hochschule Berlin fürdas Fach „Politische Bildung“. 1969promovierte er und wurde anschließendAssistent bei Prof. Arnulf Baring amFachbereich Politische Wissenschaft.1970 folgte die Habilitation, seit 1971war Jänicke Professor für VergleichendePolitikwissenschaft am Otto-Suhr-Insti-tut.In den ersten Jahren seiner Hochschul-lehrer-Karriere widmete sich Jänickeder Vergleichenden Krisenforschung.

Ab 1975 wandte er sich ökologischenFragen zu und gab 1978 den vielbeach-teten Sammelband Umweltpolitik heraus.1979 folgte die Monographie Wie das

Industriesystem von seinen Mißständen profi-

tiert.Im Wintersemester 1985/86 gründeteMartin Jänicke gemeinsam mit ThomasRanneberg und Lutz Mez die For-schungsstelle für Umweltpolitik (FFU),die sich schnell zu einem Institut mitetwa 25 Wissenschaftler(innen) undinternationalem Renommee entwickel-te. Der Wissenschaftsrat bedachte dieFFU in seinem Gutachten zur Umwelt-forschung mit anerkennenden Worten.Der Mehrländervergleich und empirieo-rientierte Fallstudien im Sinne einer kri-tischen Policy-Analyse bilden den Kern-ansatz der Forschungsarbeiten, die indieser Form in Europa ohne gleichensind.

Die „Berliner Schuleder Umweltpolitikanalyse“

Der an der FFU entwickelte Ansatz derinstitutionellen Verankerung in For-schung und Lehre bei thematischerKontinuität wird als „Berliner Schuleder Umweltpolitikanalyse“ bezeichnet.Anfangs stand der wirtschaftlicheStrukturwandel und seine Folgen für dieUmwelt im Vordergrund. Schon in den1980er Jahren skizzierte Jänicke dasKonzept der ökologischen Modernisie-rung. Die strukturellen Schwächen des

Staates analysierte er im Staatsversagen

(1986). Dann rückten die Erfolgsbedin-gungen einer effektiven Umweltpolitikin den Mittelpunkt des Forschungsinte-resses. Die internationale Vernetzungder FFU mit Fachwissenschaftlern ausaller Welt schlug sich u.a. in den Editio-nen Successful Environmental Policy undUmwelt Global nieder. Im Zusammen-hang mit dem Studiengang „Umwelt-management” verfasste Jänicke zusam-men mit dem Juristen Philip Kunig unddem Ökonomen Michael Stitzel dasLern- und Arbeitsbuch Umweltpolitik.Obwohl Jänicke schon frühzeitig dieGrenzen des nachsorgenden Umwelt-schutzes kritisiert und auf dauerhafteUmweltprobleme hingewiesen hat,interessieren ihn besonders Problemeund Wandlungsmuster von so genann-ten „dirty industries“. Sein aktuellesForschungsinteresse gilt der Notwen-digkeit und den Chancen einer ökologi-schen Industriepolitik. Die intensiveAuseinandersetzung mit den institutio-nellen Voraussetzungen erfolgreicherUmweltpolitik, der Bildung von staat-lichen und zivilgesellschaftlichen Kapa-zitäten, um Umweltprobleme anzuge-hen und möglichst strukturell lösen zukönnen, wird Martin Jänicke auch inZukunft jung erhalten.

PD Dr. Lutz Mez

Der Autor ist Geschäftsführer der

Forschungsstelle für Umweltpolitik am

Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der

Freien Universität Berlin.

Prof. Dr. Martin Jänicke von der Forschungsstelle für Umweltpolitik ist in den Ruhestand gegangen

Vordenker für innovative Umwelt

Professor Dr. Martin Jänicke

Man braucht „nur“ elegant ein Genauszuschalten und schon wird manmit einem Preisgeld in Höhe von25.000 Euro belohnt. Wenn Wissen-schaft so einfach wäre...Dem 36-jährigen Dr. Thomas Tuschlvom Max-Planck-Institut für biophysi-kalische Chemie in Göttingen ist esgelungen, eine einfache Methode zuentwickeln, um Gene in Säugetierzel-len abzuschalten. Seine Technik, dieRNA-Interferenz (RNAi), funktioniertviel schneller als bisher übliche Ver-fahren. „Um ein einziges Gen zu blo-ckieren,“ sagt der Biochemiker, „istvor kurzem noch jahrelange Arbeitnotwendig gewesen.“ Mit seinem neuen Verfahren ist dies nun in ein biszwei Wochen möglich. Innerhalbeines Jahres hat Tuschl es somitgeschafft, den Laboralltag weltweit zuverändern.Tuschls Arbeitsgruppe „Kombinatori-sche Biochemie“ wurde durch das Bio-future-Nachwuchsförderprogrammdes Bundesforschungsministeriumsins Leben gerufen und im September1999 am Max-Planck-Institut in Göt-tingen gegründet. Dort untersucht ermit klassischen biochemischen undkombinatorischen Methoden dieFunktion von Ribonukleinsäuremole-

külen (RNA), die als molekulare Bau-steine essentielle zelluläre Funktionenausführen, und Proteinen.Für Tuschls Verfahren werden künstlichhergestellte kurze Erbgutmoleküle, sogenannte „small interfering RNA“ (siRNA), in die Zelle eingebracht. Sieähneln dem Ziel-Gen und unterbindenseine Übersetzung in Proteine. Alle an-deren Gene werden dabei nicht berührt.Durch dieses „Knockout“ der Gene lässtsich deren Funktion in der Zelle besserverstehen. „Geht die Zelle dadurch zu-grunde, weiß man, dass es sich um ein essentielles Gen handelt“, erläutertTuschl. Mit dieser Technik können auch

menschliche Gene gezielt untersuchtwerden. Der große medizinische Wertliegt darin, möglicherweise langfristiggenspezifische Defekte beheben undKrankheiten behandeln zu können.Das Prinzip der RNA-Interferenz beruhtauf der Zerstörung der Boten-RNA(mRNA), die unter anderem von der Zel-le als Bauplan für die Herstellung vonProteinen verwendet wird. Durch denEinsatz von doppelsträngigen RNA-Molekülen (siRNAs) wird die Interfe-renz-Maschinerie in der Zelle gestartet:Dabei definiert die Sequenz der siRNAsdie zu zerstörende Region der mRNA,die dadurch nicht mehr als Bauplan fürdie Übersetzung in das entsprechendeProtein dienen kann. Sie kann auch vonder Zelle nicht mehr hergestellt werden.Dadurch soll in Zukunft die Produktiondefekter Gene, die die Ursachen fürKrankheiten sein können, unterbundenwerden.Für diese Leistung ist Dr. ThomasTuschl mit dem Otto-Klung-Weber-bank-Preis 2002, der zu den höchst-dotierten Wissenschaftspreisen inDeutschland zählt, ausgezeichnet wor-den. In Wissenschaftskreisen gehörtdieser Preis inzwischen zu den begehr-testen für junge deutsche Nachwuchs-wissenschaftler.

Schaut man sich die Liste der bisherPrämierten an, weiß man, warum: Vierder Otto-Klung-Preisträger wurden imspäteren Verlauf ihrer Karrieren mitdem wichtigsten aller Wissenschafts-preise gekrönt – dem Nobelpreis. Seitihrer Gründung 1973 verleiht die Otto-Klung-Stiftung an der Freien Univer-sität jährlich abwechselnd für Physikund Chemie den Otto-Klung-Preis; imJahr 2001 das erste Mal in Zusammen-arbeit mit der Fördergesellschaft derWeberbank gGmbH. Gegründet wur-de die Otto-Klung-Stiftung 1973 alsVermächtnis des Berliner KaufmannsOtto Klung (1893 – 1968). Klungbrachte es vor allem nach dem zweitenWeltkrieg zu finanziellem Erfolg. Der gelernte Maschinenbauer und gra-duierte Ingenieur bedauerte es zeitle-bens, dass er keine Gelegenheit hatte,ein weiterführendes naturwissen-schaftliches Studium zu absolvieren,das es ihm ermöglicht hätte, den Fort-schritt in Wissenschaft und Gesell-schaft aktiv mitzugestalten. Durchsein Vermächtnis und die nach ihmbenannte Stiftung gelang es ihm aber,einen bleibenden Beitrag zur Förde-rung herausragender junger Wissen-schaftler in Deutschland zu leisten.

Ilka Seer

Der Chemiker Dr. Thomas Tuschl erhält den Otto-Klung-Weberbank-Preis 2002

Abschalten und gewinnen

Dr. Thomas Tuschl

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� Personalia �

Legende:

steht für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit,

➚ bezeichnet die neue Tätigkeit.

Fachbereich Humanmedizin

Dr. Dr. Thomas Schneider Privatdo-zent FU Berlin ➚ Professor für Kli-nische und Experimentelle Infektiolo-gie (auf Zeit).

Dr. Hans Versmold, Professor fürPädiatrie mit Schwerpunkt Neonato-logie, hat seinen Dienst um ein Jahrverlängert und scheidet nun voraus-sichtlich zum Oktober 2003 aus demaktiven Dienst aus.

Fachbereich Biologie, Chemie,Pharmazie

Mit der Auflösung des Instituts fürPharmazie der Humboldt-Universi-tät zu Berlin sind drei Professorenmit ihren Mitarbeitern an das Insti-tut für Pharmazie der Freien Univer-sität versetzt worden:

Dr. Hans-Hubert Borchert, C4-Pro-fessor für Biopharmazie (Mitte)Dr. Matthias F. Melzig, C3-Professorfür Pharmazeutische Biologie (rechts)Dr. Peter Surmann, C4-Professor fürPharmazeutische Chemie (links)

Fachbereich Geschichts- undKulturwissenschaften

PD Dr. Stephan Seidlmayer ist aufGrundlage eines Kooperationsvertra-ges zwischen der Berlin-Branden-burgischen Akademie der Wissen-schaften und der Freien Universitätzum Akademieprofessor (C4-Profes-sor) für das Fachgebiet Ägyptologieberufen worden.

Fachbereich Philosophie undGeisteswissenschaft

Dr. Johanna Bossinade, bisher Pro-fessorin für neuere deutsche Literaturhat nach Ende ihres Vertrags nicht –wie von uns fälschlicherweise berichtet– die Freie Universität verlassen. Siebleibt als Privatdozentin weiterhin Mit-glied des Fachbereichs.

Dr. Gerd Gruppe Privatdozent fürVergleichende Musikwissenschaft ander FU Berlin ➚ Ordentlicher Professorfür Musikethnologie an der Universitätfür Musik und darstellende Kunst Graz.

Fachbereich Veterinärmedizin

Dr. Christian Ewald, Privatdozent undAkademischer Oberrat an der Klinikfür Klauentiere, ist am 12. Septemberverstorben.

Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften

Dr. Wolfgang Gabbert Privatdozentam Lateinamerikainstitut der FU Berlin➚ C3-Professor für Soziologie der Ent-wicklungsländer an der UniversitätHannover.

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FU-Nachrichten 11-12/2002 Seite 9� Leute �

Der wissenschaftliche Werdegang des1937 geborenen Dieter Heckelmannbeginnt nach Studien in Frankfurt/M.,Marburg und Mainz mit einer Assisten-tentätigkeit am Institut für Arbeits- undWirtschaftsrecht in Münster, wo er 1965mit einer Dissertation über Die Anfechtbar-

keit von Schuldübernahmen glänzend pro-moviert wurde. Dem folgt eine von derDeutschen Forschungsgemeinschaft ge-förderte Mitarbeit an einem wirtschafts-rechtlichen Forschungsvorhaben und1972 die Habilitation mit einer Arbeitüber Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträ-

gen für die Fächer Bürgerliches Recht,Handels- und Gesellschaftsrecht, Ar-beitsrecht, Zivilprozessrecht. Als Privat-dozent, wie damals üblich mehr unter-wegs als zu Hause, hielt er in derFolgezeit Vorlesungen in Kiel, Münster,Mainz und Berlin; dort wird er noch1973 zum wissenschaftlichen Rat undProfessor ernannt. Bald aber nimmt er(1975) einen Ruf an die Freie Uni-versität an und ist geschäfts-führender Direktor desInstituts für BürgerlichesRecht-, Handels- und Zivil-prozessrecht. Der FUblieb er trotz eines eh-renvollen Rufes an dieHeimatuniversität Mainzbis heute treu. Gastpro-fessuren im Auslandschärften seinen Blickfür die internationalenAspekte des Rechts; zunennen sind solche in Boli-vien, Taiwan, Washington,auch verbunden mit Regierungsein-ladungen in die USA, Japan, Korea, Repu-blic of China. Die Liste seiner im Auslandgehaltenen wissenschaftlichen Vorträge

ist gewaltig, ich habe bei fünfunddreißigaufgehört zu zählen. Mischt sich in dieserZeit zwischen 1976 und der ersten Wahlzum Präsidenten der Freien Universität1983 wissenschaftlicher Inhalt mit erfolg-reichem pädagogischem Bemühen, soerreicht letzteres im genannten Zeitraumintensive Dichte und erstreckt sich auf alleFächer seines Lehrstuhls. Die wissen-schaftliche Leistung lässt sich eigentlich

nicht messen; das Ergebnis ist jedochumfangreich und inhaltlich bedeutend.Ich erwähne nur die Kommentierung derwichtigsten Teile des Eherechts im„Erman“ seit der 6. Auflage bis gegen-wärtig zur völligen Neubearbeitung in der11. Auflage sowie von Teilen des Besonde-ren Schuldrechts, eine Fallsammlungzum Arbeitsrecht, Dutzende von Aufsät-zen, Entscheidungsbesprechungen undRezensionen.Über allem darf die hochschulpolitische(und allgemeinpolitische) WirksamkeitDieter Heckelmanns nicht vergessen wer-de. Schon in Mainz als Assistentenspre-cher aktiv, wird er dort Prodekan, in Ber-lin Mitglied des Akademischen Senats.Sechs Jahre lang bekleidet er das wichtigeAmt des Ersten Vizepräsidenten und prägtschließlich die Entwicklung der FreienUniversität als Präsident von 1983 bis1991. Nach seiner Tätigkeit als Innensena-tor des Landes Berlin wird 1996 die aktiveTätigkeit als Hochschullehrer – bis zumheutigen Tage – wieder aufgenommen. Raumgründe versagen es mir, an dieser

Stelle auf wichtige Einzelheiten,auf Mitgliedschaften

ausländischer unddeutscher Institu-tionen und all daseinzugehen, wasDieter Heckel-mann, begleitetund unterstützt

von Frau Gisela inden Jahren seiner

aktiven Professoren-zeit geleistet hat.

Friedrich Ebel

Der Autor ist Leiter des

Instituts für Deutsche Rechtsgeschichte an der

Freien Universität Berlin

Gastfamilien für amerikanische Studierende gesucht

Informationen erteilt Ihnen gern: Dr. Carmen Müller,

Berlin Consortium for German Studies,Freie Universität Berlin,

Tel. 030/838-52260, E-Mail: [email protected] und im

Internet unter: http://www.ce.columbia.edu/berlin/

program.cfm

Zur Emeritierung von Prof. Dr. Dieter Heckelmann

Präsident und Innensenator

Für amerikanische Austauschstudie-rende im Alter von etwa 20 Jahrenwerden für März 2003 Gastfamiliengesucht. Die Unterkunftsmöglichkei-ten in deutschsprachigen Familiensollten nicht zu weit von der FU (bis30 Fahrminuten) entfernt sein. Einekleine Aufwandsentschädigung istvorgesehen.

Prof. Dr. Dieter Heckelmann war von 1983

bis 1991 Präsident der Freien Universität und

von 1991 bis 1996 Innensenator in Berlin

Der mexikanische Schriftsteller CarlosFuentes lobt Stil und Eleganz der Spra-che. Ein Meisterwerk der zeitgenössi-schen Geschichtsschreibung sei dem

Historiker Friedrich Katz mit seiner1998 verlegten Biographie des mexika-nischen Revolutionsführers Francisco„Pancho” Villa gelungen. Für sein Le-benswerk würdigte die Freie Universitätjüngst den Kosmopoliten Katz mit derEhrendoktorwürde des FachbereichsGeschichts- und Kulturwissenschaften.Das Lateinamerika-Institut lud gemein-sam mit dem Fachbereich zum Festaktim Akademischen Senatssaal ein. DieLaudatio hielt der Historiker JohnCoatsworth (Harvard-Universität).Friedrich Katz, Professor an der Univer-sität von Chicago, gilt in Mexiko als einerder populärsten ausländischen Histori-ker. Sein Forschungsinteresse gilt vorallem der Revolutionsgeschichte Mexi-kos, einem Land, das stets breit war,Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunftaufzunehmen – wie Friedrich Katz. 1927in Wien in die jüdische Familie desSchriftstellers Leo Katz hinein geboren,lebte er bis 1933 in Berlin. Danach wurdeMexiko für seine Familie die rettendeZuflucht vor dem braunen Terror.

Friedrich Katz studierte in Mexiko-Stadtund New York, promovierte 1954 inWien über die „SozialökonomischenVerhältnisse bei den Azteken im 15. und

16. Jahrhundert” und habilitierte sich1962 an der Humboldt-Universität inBerlin. Es folgten Lehraufträge in Mexi-ko und den USA. Seit den 70er Jahrenlebt und arbeitet er an der Universitätvon Chicago, zuletzt als Chairman desZentrums für Mexiko-Forschung.Katz ist der kosmopolitischste unterden führenden Historikern der jünge-ren mexikanischen Geschichte. Seineaußergewöhnliche Fähigkeit, profundeKenntnisse lehrreich und spannendzugleich zu vermitteln, stellte er schonfrüh unter Beweis. Auf Grundlage sei-ner Habilitationsschrift veröffentlichteer 1964 das Buch „Deutschland, Díazund die Mexikanische Revolution: Diedeutsche Politik in Mexiko, 1870-1920”,in dem er umfangreiches Material ausdiplomatischen Geheimarchiven verar-beitete. Seine Forschungen legten diezahlreichen Spionage- und Sabotagetä-tigkeiten des Deutschen Kaiserreichesauf mexikanischem Boden offen.

Christian U. Baur

Ehrendoktorwürde für Friedrich Katz aus Chicago

Ein Verehrer Mexikos

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Prof. Dr. Leo Brunnberg in Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt

Retter kleiner Haustiere„Sie dürfen in der Wahl eine besondereAnerkennung Ihrer wissenschaftlichenLeistungen und Ihrer Persönlichkeitsehen“, würdigt die Leopoldina die bishe-rigen Leistungen des renommierten Vete-rinärs. Das Präsidium der Honoratioren-akademie wählte Prof. Dr. Leo Brunnbergauf Vorschlag namhafter Kollegen in denKreis der Akademie. Der Direktor der FU-Klinik und Poliklinik für kleine Haustierewird die Leopoldina in der Sektion Veteri-närmedizin unterstützen.

Brunnberg, 1945 in Wickede/Ruhr gebo-ren, studierte in München Tiermedizin.Dort promovierte er und habilitierte 1988über Krankheiten beim Hund. Die Tier-ärztliche Hochschule Hannover beriefihn drei Jahre später zum Professor für„Krankheiten der kleinen Haustiere“.1993 an den Fachbereich Veterinärmedi-zin der FU gekommen, wurde er 1995zum Klinikdirektor der Klinik und Poly-klinik für kleine Haustiere ernannt. LeoBrunnberg ist Mitglied in bedeutenden

Veterinärvereinigungen und sowohlSchriftführer der Berliner TierärztlichenGesellschaft als auch Direktor des Euro-pean Veterinary College of Surgery (ECVS)Residency Programmes in Berlin. DieDeutsche Akademie der NaturforscherLeopoldina ist die älteste naturwissen-schaftliche Akademie in Deutschland. Sieist eine überregionale Gelehrtengesell-schaft mit rund 1000 Mitgliedern in allerWelt und dient gemeinnützigen Aufgabenund Zielen. Arnulf Wieschalla

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Seite 10 FU-Nachrichten 11-12/2002� Leute �

Am 3. Oktober ist Professor Willi PaulAdams nach langer Krankheit im Altervon 62 Jahren verstorben. Mit ihm verlordie Freie Universität Berlin einen interna-tional hoch geschätzten Wissenschaftler,der in den mehr als 25 Jahren seinerTätigkeit am John-F.-Kennedy-Institut fürNordamerikastudien dessen Entwick-lung in den 1980er und 90er Jahren tat-kräftig mitgestaltete. Er hat sich in seinenzahlreichen Schriften zur amerikani-schen Revolution und Verfassung sowiezur deutschen Immigration in die USAeinen wissenschaftlichen Namen ge-macht. Er verstand sich nicht nur als aka-demischer Vermittler amerikanischerDemokratiegeschichte, sondern fühltesich auch als Lehrer dem Geist des Demo-kratischen verpflichtet. Seine Schülerschätzten neben seiner überragendenwissenschaftlichen Kompetenz seineOffenheit und die geduldige Hilfs- undGesprächsbereitschaft, mit der er sie in

die Wege und Formen des wissenschaft-lichen Arbeitens einführte und ihnen dieBesonderheiten und Wesensmerkmaleamerikanischer Geschichte und politi-schen Denkens vermittelte.Willi Paul Adams wurde am 16. Januar1940 in Leipzig geboren, wuchs nachdem Krieg in Bad Godesberg auf, studier-te zunächst an der Universität Bonn, spä-ter an der Freien Universität BerlinGeschichte, wo er 1968 sein Doktorexa-men ablegte und vier Jahre später amFachbereich Geschichtswissenschaftenhabilitierte. Von 1972 bis 1977 war er Pro-fessor am Amerika-Institut der Univer-sität Frankfurt, bis er als Professor füramerikanische Geschichte ans Kennedy-Institut der Freien Universität berufenwurde. Seine 1973 erschienene StudieRepublikanische Verfassung und bürgerliche

Freiheit: Die Verfassungen und politischen Ideen

der amerikanischen Revolution erhielt 1976den Bicentennial Award der American

Historical Association, die die Überset-zung ins Englische finanzierte. Sieerschien 1980 unter dem Titel The First

American Constitutions, eine zweite erwei-terte Auflage erfolgte 2001. Er war He-rausgeber des 1977 publizierten Bandesder Fischer Weltgeschichte zu den Verei-nigten Staaten und Mitherausgeber desLänderberichts USA der Bundeszentralefür Politische Bildung. Gemeinsam mitseiner Frau übersetzte und kommentierteer den Klassiker der amerikanischen Verfassungsinterpretation, die Federalist

Papers. Zuletzt erschien seine zweibändi-ge Geschichte der USA im OldenbourgVerlag. In seiner akademischen Laufbahnerhielt er viele wissenschaftliche Aus-zeichnungen und wirkte mehrfach alsGastprofessor an ausländischen Univer-sitäten. So war er Visiting Professor ofAmerican History an der University ofChicago (1978), Fellow am Warren Cen-ter der Harvard University (1972 und

1975/76), am Woodrow Wilson Interna-tional Center for Scholars in Washington,D.C. (1980/81), am Institute for Govern-mental Studies in Berkeley (1990/01) undam Institute for Research in the Humani-ties in Madison (1994) sowie Gastprofes-sor an der École des Hautes Études enSciences Sociales in Paris (1997).Von 1981 bis 1985 leitete er das von derVW-Stiftung finanzierte Forschungspro-jekt zur Assimilation deutscher Immi-granten in den Vereinigten Staaten 1830bis 1930 (in Kooperation mit Prof. Kathleen Conzen von der University ofChicago). Zusammen mit fünf anderenKollegen des John-F.-Kennedy-Institutsorganisierte er das interdisziplinäre Gra-duiertenkolleg „Demokratie in den USA“,das er von 1991 bis 1994 und von 1996 bis1999 leitete. Er war in Auswahlkommis-sionen und als Gutachter tätig für dasAmerican Council of Learned Societies(ACLS), den DAAD, die DFG, die VW-Stif-tung und die Thyssen Stiftung. Er warzudem Mitglied des Beirats des Max KadeInstitute for German-American Studies inMadison/Wisconsin, Mitglied im Kurato-rium der Atlantikbrücke und zahlreicherwissenschaftlicher Organisationen. Fürdie Intensivierung des Austauschs zwi-schen europäischen und amerikanischenForschern zur Geschichte der USA hat ersich als deutscher Partner des von DavidThelen geleiteten Projekts „Internationa-lization of American History“ der Organi-zation of American Historians intensivund mit großer Überzeugung eingesetzt.Er war mehrmals Sprecher des Kennedy-Instituts und hat als Vorsitzender dergemeinsamen Berufungskommission fürden Lehrstuhl für amerikanische Ge-schichte am John-F.-Kennedy-Institut sei-ne akademischen Pflichten auch dannnoch wahrgenommen, als er von seinerKrankheit bereits deutlich gezeichnetwar. Das Institut gedenkt Willi PaulAdams in Trauer und in Dankbarkeit.

Heinz Ickstadt

Der Autor ist Professor für nordamerikanische

Literatur am John-F.-Kennedy-Institut und

Vorsitzender des Institutsrats

Der renommierte Amerikanist Prof. Dr. Willi Paul Adams ist gestorben

Demokrat aus ÜberzeugungZu GastProf. Dr. Dr. Karl Kardinal Lehmann,Bischof von Mainz und Vorsitzenderder deutschen Bischofskonferenz,sprach am 23. November 2002anlässlich der „Benjamin Franklin Lec-tures“ des Universitätsklinikums Ben-jamin Franklin über die Verantwortungdes Wissenschaftlers und Medizinersgegenüber dem Individuum und derGesellschaft. Die Benjamin FranklinLectures setzen sich in diesem Jahrmit der rasanten Entwicklung in derMolekularbiologie und -genetik aus-einander.

Prof. Randall S. Kroszner, Mitglied desCouncil of Economic Advisers im Exe-cutive Office des amerikanischen Prä-sidenten, sprach am 7. November2002 im Rahmen der „DistinguishedErnst Fraenkel Lecture Series“ imJohn-F.-Kennedy-Institut über TheAmerican Economy in a Period of Turbu-lence: Current State and Prospects. Ran-dall ist Professor für Wirtschaftswis-senschaft an der Graduate School ofBusiness der Universität Chicago undAssociate Director des dortigen J. Stig-ler Center for the Study of the Econo-

my and the State. 1995 war er als Gast-professor am John-F.-Kennedy-Instituttätig. Mit seinen zahlreichen For-schungsaktivitäten und Veröffentli-chungen zu den Schwächen des ame-rikanischen Bankensystems hat ereinen wesentlichen Beitrag zur Re-form der amerikanischen Bankenge-setzgebung der 1990er Jahre geleistet.Von Präsident George W. Bush wurdeer zu einem der drei Mitglieder desgegenwärtigen Council berufen.

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Professor Dr. Willi Paul Adams

Prof. Dr. Peter Gaehtgens, Präsidentder Freien Universität, wurde am 21.Oktober 2002 anlässlich des Jubi-läums der Chinese Academy of Medi-cal Sciences zum Professor ehrenhalberam Institute of Microcirculation desPeking Union Medical College(PUMC) ernannt Das PUMC ist dierenommierteste medizinische For-schungs- und Ausbildungseinrich-tung in China und genießt auch inter-national ein sehr hohes Ansehen.1917 wurde die Hochschule durch dieRockefeller Foundation gegründet.Die hierdurch begründeten engenVerbindungen zu den VereinigtenStaaten wirken bis heute fort undschlagen sich in engen Kooperations-beziehungen mit führenden amerika-nischen Universitäten, darunter dieHarvard Medical School und die Uni-versity of California at San FranciscoMedical School, nieder. Das PUMC

möchte die Kooperationen mit der FUim Bereich der Forschung intensivie-ren, wozu am Rande der Feierlichkei-ten mit Präsident Gaehtgens ersteGespräche geführt wurden.

Dr. Renate Schlesier, C4-Professorinfür Religionsgeschichte an der alter-tumswissenschaftlichen Abteilung desInstituts für Religionswissenschaft derFreien Universität, wird mit dem mit5000 Euro dotierten Preis der Aby-War-burg-Stiftung 2002 für besondere Bei-träge auf dem Gebiet der Kunst-, Kulturund Geisteswissenschaften geehrt.

Yann Martel, derzeit Samuel-Fischer-Gastprofessor am Institut für Verglei-chende Literaturwissenschaft derFreien Universität, hat Ende Oktoberden Booker-Prize 2002 erhalten. Die mit

50.000 Pfund dotierte Auszeichnungist der bedeutendste LiteraturpreisGroßbritanniens.

Ulrike Herzschuh, Institut für Paläon-tologie des Fachbereichs Geowissen-schaften, hat von der Deutschen For-schungsgemeinschaft (DFG) einen derinsgesamt fünf Bernd-Rendel-Preise für

junge Geowissenschaftler(innen) ver-liehen bekommen. Die Biologin undGeographin erhält den mit 1500 Eurodotierten Preis für ihren Beitrag zurAufklärung der jüngsten Vegetations-und Klimaentwicklung. Sie befasst sichmit der pollenanalytischen Auswertungjunger Seeablagerungen im Nordwes-ten Chinas.

Dipl.-Päd. Alexandra Klein ist für ihreStudie „Medien der Sexualaufklärungeinschließlich des Internet – Eine qua-litative Studie mit Jugendlichen“ mitdem Medien-WAL 2002 (Preis für Wis-senschaftlich Außergewöhnliche Leis-tungen) ausgezeichnet worden. DieStudie ist als Diplomarbeit am Fachbe-reich Erziehungswissenschaft undPsychologie der Freien Universität ent-standen. Der mit 1500 Euro dotiertemedienpädagogische Preis für den wis-

senschaftlichen Nachwuchs wurde1997 von der Freiwilligen Selbstkon-trolle Fernsehen (FSF) und derGesellschaft für Medienpädagogikund Kommunikationskultur (GMK)ins Leben gerufen. Im Internet unter:http://www.fsf.de.

Dr. Kerstin Löhr ist von der Deut-schen Steuerjuristischen Gesellschafte.V. mit dem Albert-Hensel-Preis 2002geehrt worden. Sie erhielt die Aus-zeichnung für ihre Dissertation „DasUmsatzsteuerrechtliche Options-recht für Vermietungsumsätze“, diemit der Note „summa cum laude“bewertet wurde. Betreut wurde dieArbeit von Herrn Prof. Dr. JoachimSchulze-Osterloh am FachbereichRechtswissenschaft (BürgerlichesRecht, Handelsrecht und Steuer-recht).

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FU-Nachrichten 11-12/2002 Seite 11� Studierende �

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Seit dem 11. September 2001 ist das Interesse

am Islam so groß wie nie zuvor. „Allein an

der FU haben sich am Institut für Islam-

wissenschaft im Vergleich zum vorigen Win-

tersemester fünfzig Prozent mehr Studierende

immatrikuliert“, weiß Stephan Rosiny,

Dozent am Institut für Islamwissenschaft. Der

Trend setzt sich fort. Mangelnde Kenntnisse

über das Wesen des Islam haben in der letzten

Zeit zu unbegründeten Vorurteilen und

Misstrauen gegenüber muslimischen

Mitbürgern geführt.

„Unser Ziel ist es, die Islamwissenschaftaus der „Buchwissenschaft“ herauszu-holen. Wir möchten vor Ort forschen,um uns einen persönlichen Eindruckvon der Realität zu verschaffen“, erklä-ren Stephan Rosiny und Annabelle Böttcher, die ebenfalls Dozentin amInstitut für Islamwissenschaft ist. Des-halb haben die beiden Wissenschaftlerim vergangenen Sommersemesterinteressierten Studierenden die Mög-lichkeit gegeben, Feldforschung unterdem Thema „Religiöse Autoritäten derMuslime in Berlin“ zu betreiben. DieStudierenden waren begeistert. Ineinem theoretischen Abschnitt desSeminars lernten die rund 25 Studieren-den, darunter rund 30 Prozent Muslime,Methoden der Feldforschung kennen.Sie entwickelten Fragebögen, bereitetenInterviews vor und knüpften erste Kon-takte. Danach folgten Gespräche mitislamischen Vereinigungen.

Behutsames Herantasten an Interviewpartner

Aufgeteilt in elf Kleingruppen unter-suchten die Studierenden muslimischeMoscheegemeinden, Koranschulen,Studienzirkel und verschiedene Vereine,darunter die Islamische Gemeinschaftdeutschsprachiger Muslime in Berlin,drei türkische Sufi-Orden, eineMoschee palästinensischer Muslime,zwei arabische schiitische Gemeindenund verschiedene Aleviten-Gemein-schaften.

Die ersten Versuche, Kontakte zu denunterschiedlichen religiösen Gruppie-rungen herzustellen, waren nichtimmer von Erfolg gekrönt. StephanRosiny und Annabelle Böttcher sensibi-lisierten die Studierenden, behutsammit den Interviewpartnern vorzugehen.So wurde die nötige Vertrauensbasisgeschaffen, wodurch die meisten Ge-sprächspartner zugänglicher waren alserwartet. Sprachliche Hindernisse gabes kaum, denn ein Großteil der Studie-renden verfügte über Grundkenntnissein Arabisch oder Türkisch und viele derInterviewten sprachen Deutsch.

Dennoch waren Einfühlungsvermögenund Fingerspitzengefühl gefordert, ummögliche Tabugrenzen nicht zu über-schreiten. Häufig wollten die Befragtenim Hintergrund bleiben und nicht andie Öffentlichkeit treten.

Das Hauptinteresse der Nachwuchsfor-scher richtete sich vor allem auf Sufi-Orden und Aleviten. Sufi-Orden sindspirituell orientierte muslimische Orga-nisationsformen. Sie charakterisierensich durch Meditationstechniken, diedem Buddhismus ähneln. Zu Sufi-Orden Kontakt aufzunehmen, ist nichtunproblematisch. Leichter gestaltetesich die Zusammenarbeit mit den Alevi-ten, die mit über 6000 Mitgliedern inBerlin vertreten sind. Das Alevitentumunterteilt sich in anatolische und kurdi-sche Aleviten, die friedlich zusammen-leben. Weder zwischen den religiösenOberhäuptern noch zwischen denGemeinden gibt es Rivalitäten aufgrundunterschiedlicher Auffassungen vonEthnizität. Die alevitischen Autoritätenin Berlin werden sowohl von den kurdi-schen als auch den anatolischen Alevi-ten anerkannt.

Lebendiges Lernen

Die Motivation der Studierenden, andem Seminar teilzunehmen, war durch-aus unterschiedlich. So entdeckte dieIranistik- und Turkologie-StudentinKathrin ihre Liebe zum Fach währendeines Aufenthaltes in Israel. „Ich habeein halbes Jahr in Israel verbracht unddort Arabisch gelernt. Die Kultur hatmich von Anfang an fasziniert und für

mich war klar, dass ich mich auchweiterhin mit dem Islam beschäftigenmöchte.“ Dem Turkologie-, Islamwis-senschaften- und Soziologie-StudentenSteffen half das Schicksal nach. Als dergelernte Drucker plötzlich arbeitsloswird, freundet er sich mit einer GruppeKurden an und entscheidet sich für einStudium. „Die Gespräche mit meinenkurdischen Freunden zeigten mir, wieinteressant der Islam ist, und so wollteich unbedingt mehr darüber erfahren.“Durch das Projekt entwickelten sichüber das wissenschaftliche Interessehinaus eine Reihe neuer Freundschaftenzwischen den Mitgliedern unterschied-licher Glaubensrichtungen. „MeinInteresse an den Aleviten ist nicht nurvon wissenschaftlicher Natur. Ich werdedie neu gewonnenen Kontakte auf jedenFall auch privat weiter pflegen“, sagtPaula, die Turkologie, Religionswissen-schaften und Ethnologie studiert undausspricht, was auch andere Seminar-teilnehmer(innen) denken. Die Erfah-rung dieses Projekts zeigt: Die gewon-nen Informationen dienen derwissenschaftlichen Forschung, die aufdiese Weise neu gewonnen Freunde die-nen der Völkerverständigung.

Susanne Lettau

Eine moderne Form der Islamwissenschaft

Feldforschung zur Völkerverständigung

� Meldungen �

Wahlen zu den studentischenGremien

Vom 14. bis zum 16. Januar 2003 fin-den die jährlichen Neuwahlen zumStudierendenparlament (StuPa) undzu den Fachschaftsräten (FSR) statt.Das Studierendenparlament wählt dieneuen AStA-Referent(inn)en und stu-dentische Mitglieder von Ausschüs-sen. Eine Auflistung der Wahllokalewird Anfang Dezember zusammen mitden Rückmeldeunterlagen an alle Stu-dierenden verschickt. Die Wahllokalesind von 9.45 bis 16.15 Uhr geöffnet.Mitzubringen sind ein gültiger Licht-bildausweis sowie die Immatrikula-tionsbescheinigung oder der Studieren-denausweis. Die Briefwahl sollte ausKostengründen nur in dringenden Fäl-len bis zum 9. Januar 2002 beantragtwerden. Informationen: Zentraler Stu-dentischer Wahlvorstand, Tel.: 838-53817, E-Mail: [email protected].

Stipendien für ein Studium in Frankreich

Für Studierende der Politikwissen-schaften, Geschichtswissenschaftenund Wirtschaftswissenschaften bietetder Deutsche Akademische Aus-tauschdienst (DAAD) für das Stu-dienjahr 2003/04 Stipendien zumStudium in Frankreich an. Bewerbenkönnen sich Studierende höhererSemester, die ihre Zwischenprü-fung/Diplomvorprüfung bzw. ihrGrundstudium bis zum Ende des WS2002/03 abgeschlossen haben. Be-werbungsfrist ist der 31. Januar 2003.Der Ausschreibungstext und dieBewerbungsunterlagen sind im Aka-demischen Auslandsamt, Brümmerstr.52, erhältlich oder können über dieInternetadresse des DAAD: www.daad.de unter „Studieren, For-schen und Lehren“ „Ausschreibun-gen“ abgerufen werden.

Küss die Uni wach

Studierende aller Fachbereiche undHochschularten können sich an einemIdeenwettbewerb zur Hochschulre-form beteiligen, der vom Centrum fürHochschulentwicklung (CHE) ausge-schrieben wurde. Gruppenarbeitensowie eine Anlehnung an Referate,Seminar- oder Abschlussarbeitensind möglich. Insgesamt werden

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Preisgelder in Höhe von 15.000 Eurovergeben. Das Motto lautet „Küss dieUni wach – Ideen für die Hochschulevon morgen“. Einsendeschluss fürdie maximal zehnseitigen Konzepteist der 28. Februar 2003. WeitereInformationen und Teilnahmebedin-gungen: www.kuess-die-uni-wach.de.

Studentische Museumsführergesucht

Das Deutsche Technik Museum Berlin sucht Studentinnen und Studen-ten als freie Mitarbeiter für Führungenvon Besuchergruppen. Grundvoraus-setzung ist die Beherrschung mindes-tens einer Fremdsprache (Englischoder Französisch). Kurzbewerbung mitLebenslauf und Bild an: Deutsches Technik Museum Berlin, Abt. Bildung, Herrn Stefan Ernst, Trebbiner Str. 9, 10963 Berlin.

Lobbyarbeit für den Hauptverband

Im Berliner Büro des Hauptverbandsder gewerblichen Berufsgenossen-schaften (HVBG) ist ein Praktikum zuvergeben. Der HVBG ist die Dachorga-nisation von 35 gewerblichen Berufs-genossenschaften. Die gewerblichenBerufsgenossenschaften sind Trägerder gesetzlichen Unfallversicherungund Teil der deutschen Sozialversiche-rung. Zu ihren Aufgaben gehören dieVerhütung, Rehabilitation und Ent-schädigung von Arbeitsunfällen undBerufskrankeiten. Der HVBG arbeitetmit den Organen des Bundes, anderenSpitzenorganisationen der Sozialversi-cherung und mit weiteren nationalenund internationalen Einrichtungen zu-sammen. Das Berliner Büro ist An-sprechpartner für Politik und Medienund dient der Interessensvertretungam Sitz von Bundestag und Bundesrat.Zu den Aufgaben des Praktikantengehören Internetrecherche, Auswer-tung von Presse- und Mediendiensten,Teilnahme und Mitwirkung an Veran-staltungen, Telefondienst, Daten-bankpflege, Redigieren und Schreibenvon Texten, allgemeine Büroarbeiten.Das Vollzeit-Praktikum wird mit 255Euro monatlich vergütet. Interessen-ten wenden sich bitte an: Dr. Renate Colella, Dr. Dagmar Schittly, HVBG, Büro Berlin, Albrechtstr. 10 b,10117 Berlin, Tel. 030/28876361.

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Herausgeber:

Das Präsidium der

Freien Universität Berlin

ISSN 0944-0585

Redaktion:

Dr. Felicitas von Aretin (verantwortlich)

Ilka Seer

Hedwig Görgen

Uwe Nef

Niclas Dewitz

Bernd Wannenmacher

Bettina Soltau

Arnulf Wieschalla

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Qwww.unicommunication.de

Anschrift der Redaktion:

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Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 26 v. 1.4.01

Redaktionsschluss der Ausgabe 1-2/2003:

2. Januar 2003

Erscheinungstermin: 23. Januar 2003

Druck:

H. Heenemann GmbH & Co.

Die FU-Nachrichten werden auf

Recyclingpapier gedruckt.

� Impressum �

Sonntags wollte ich immerdie Schlossallee oder dieParkstraße kaufen, grüneHäuschen bauen, bis ichsoviel Geld einnahm,um endlich mein rotesPlastikhotel zu er-öffnen. Meine Lieb-lingsfelder waren„Los“ oder „Frei Par-ken“, unangenehmwar es, wenn ich zuoft in der Absteigemeines Bruders ander Badstraße lo-giert hatte, sodass ich mirGeld von derBank leihenmusste. Dawar es schonangenehmer,im Gefäng-nis zu sitzenund nicht

mehr zu zahlen.

Seit Jahren hatte ich nicht mehr Mono-poly gespielt, als mich am AbendMichael Tschiggerl von „WinningMoves“ in der Pressestelle anrief, ummich zu fragen, ob die Freie Universitätein Feld im Spiel besetzen wollte.Gleich kamen mir Schlossallee undParkstraße in den Sinn. Doch die warenleider schon belegt, was mich an frühe-re Spiele am Sonntagnachmittag bei Teeund Kuchen erinnerte. „Von Köln-Monopoly über das Stuttgart-Monopolybis hin zur Hauptstadt-Ausgabe Berlin-Monopoly gibt es bereits zahlreiche Ver-sionen, bei denen die bekannten Stra-ßen und Namen der jeweiligen Stadtdem beliebtesten Spiel unserer Zeit einstarkes Lokalkolorit und damit zusätz-lichen Spielreiz verleihen“, versichertemir Herr Tschiggerl. Und ich stellte mir vor, wie KlausWowereit am Abend mit Thilo SarrazinBerlin-Monopoly spielt, um in der allge-meinen Sparwut die Staatsoper Unterden Linden durch Hotels zu ersetzen.„Also, wollen Sie nun oder wollen Sie

nicht“, riss mich Michael Tschiggerl ausmeinen Gedanken. Ich wollte, nur daEntscheidungen an Universitäten seltenvon einer Person getroffen werden,erbat ich Zeit. Auch Wedigo de Vivanco,Leiter der Abteilung Außenangelegen-heiten, plädierte für die Felder kurz vorLos. Doch da – wie der farbige Katalogverriet – „nur wenige Namen in das Berlin-Monopoly aufgenommen wer-den können“, waren die besten Plätzeeben schon vergeben. Dann kam per Fax die Vereinbarung,nach der die FU mit ihrem Logo das FeldNr. 13 (im Orginalspiel „Neue Straße“)mit der Bezeichnung „Dahlem Dorf “belegen könne. Guter Rat war teuer. Aufder einen Seite gehört Monopoly zu denbeliebtesten Familienspielen: 85 Pro-zent kennen es, jeder zweite Deutschehat es schon gespielt. Auf der anderenSeite kostet das Belegen eines Feldes dieFreie Universität 1000 Euro plus Mehr-wertsteuern. Musste mit diesem Pro-blem nun der Akademische Senat, derPräsident oder gar der Kanzler beschäf-

tigt werden, wo es galt, Image gegennicht vorhandene Euro abzuwägen?Wieder rief ich Michael Tschiggerl an,erklärte ihm die desolate Lage des FU-Haushaltes, berichtete von der verhin-derten Umwandlung des UKBF in einregionales Krankenhaus, als er voll Mit-leid fragte, ob seine Firma der FU viel-leicht das Logo und damit das Belegeneines Feldes schenken dürfte. Er durfte.Damit ist die Freie Universität auf demüber 10.000 Mal verlegten Spiel gemein-sam mit dem Tagesspiegel, der Staats-oper Unter den Linden und dem Pots-damer Platz vertreten. Andere Universitäten sind nicht dabei.Aber wie stand es schon so schön imKatalog: Nur wenige Namen können indas Berlin-Monopoly aufgenommenwerden – die Anzahl der Felder setzthier Grenzen. Wer dabei ist, wird über die Grenzenhinaus beworben. Und das ist doch weitbesser, als wenn Wowereit beschließt,aus dem UKBF ein Hotel zu machen.

Felicitas von Aretin

puter gespeichert hat, kann er diese Pro-gnose mit 70-prozentiger Wahrschein-lichkeit treffen. Ein sehr hoher Wert füreine langfristige Vorhersage, da selbstTageswettervorhersagen nur bei 87 Pro-zent Treffsicherheit liegen.Dieses Wetterjahr ist bereits bis heute einganz besonderes gewesen. Rainer Dett-mann verzeichnete den drittwärmstenund zweitnassesten Monat August seit1908, dem Beginn der Aufzeichnungenfür die Dahlemer Klimareihe. Im Oktobersei dann bei großer Kälte gleich zweiein-

halb bis dreimal sovielRegen wie üblich gefallen.Der Orkan Jeanett fegteschließlich am 27. Oktobermit Windstärke elf bis zwölfüber Berlin und Mitteleuro-pa hinweg. „Das alles sindklare Anzeichen für einenmilden Winter. Vor allemder Januar wartet mit sehrhohen Temperaturen füreinen Wintermonat auf“,weiß Dettmann. „Im Febru-ar kann es dagegen schoneinmal zu einzelnen Schnee-fällen kommen. Aber mitwochenlangen Frostperio-den oder Schlittschuhlaufenauf gefrorenen Gewässernwird es in diesem Winterwohl nichts werden.“ Über-wiegend rechnet RainerDettmann mit Temperatu-ren im Plusbereich für dieWintermonate. Auch der Dezember wirdmild ausfallen, und es wirdeher regnen als schneien.Doch das ist nicht unge-wöhnlich für Berlin: Nuralle fünf Jahre liegt statis-

tisch gesehen die weiße Pracht an denFesttagen über der Stadt. Mit Ausnahmeder letzten zwei Jahre gab es seit 16 Jahrenkeine weiße Weihnachten mehr. Überdas kommende Frühjahr lassen sich nochnicht so exakte Voraussagen treffen. Den-noch sieht der Meteorologe Dettmann fürdieses Frühjahr eine besonders hoheWahrscheinlichkeit für Kälterückfälle.Die bisherigen Wetteraufzeichnungenzeigen, dass ein milder Winter oft einspäter einsetzendes Frühlingswettererwarten lässt. Arnulf Wieschalla

„Kaum Chancen für Schneein der Weihnachtszeit“,sieht FU-Meteorologe Dr.Rainer Dettmann für Berlin.In diesem Jahr werde dasWetter ganz anders als imvergangenen Winter. Am24. Dezember sei nicht mitSchneeflocken über demWeihnachtsbaum an derGedächtniskirche, sondernmit mildem und feuchtemWetter zu rechnen. Dafürkommt aber auch kein har-ter Winter. Viel Regen,wenig Sonnenschein undstarken Wind wird es in dennächsten zwei bis dreiMonaten geben. Vor schwe-ren Winterstürmen warntRainer Dettmann dennocheindringlich, da in warmenWintern starke Stürme ganzbesonders häufig sind.Schuld an dem Grau in Grauder kommenden Monate istaber vor allem der zu kalteund zu nasse Oktober.Dabei war schon das ganzeJahr erheblich zu feucht undim Sommer und Frühherbstkamen dann auch noch die großen Wet-terkatastrophen, wie Orkanstürme undElbflut, hinzu.„Ein warmer Oktober bringt, für wahr,einen kalten Januar“, zitiert der Meteoro-loge eine alte Bauernregel und fügt hinzu,dass in diesem Jahr genau das Umge-kehrte zutrifft. Der kalte Oktober hat denmilden Winter im Gepäck. Grüne Weihn-achten sagt der Wetterforscher vom Wet-terdienst der Freien Universität Berlinvoraus. Anhand der Wetterdaten aus denletzten 50 Jahren, die er in seinem Com-

Der Winter fällt in diesem Jahr warm aus – Schlechte Aussichten für Ski und Rodel am Teufelsberg

Grüne WeihnachtenDie vierte Ausgabedes Wissenschafts-magazins „fundiert“der Freien Universi-tät, die ursprünglichAnfang Dezembererscheinen sollte,wird nun leider erstEnde Januar zuhaben sein. Nach den bisheri-gen drei Ausgaben,die sich mit denThemen „Herz“,„Sprache“ sowie„Seuchen und Plagen“ beschäftigten,nähert sich auch das neue Magazindem Themenschwerpunkt „Licht“aus unterschiedlichen Forschungs-richtungen: Die Theologie kommt

ebenso zu Wort wiedie Medizin, dieKunsthistoriker, dieMeteorologen undandere Fachberei-che. Das Wissenschafts-magazin kann – ge-rade jetzt in der Vor-weihnachtszeit auchin Form eines Ge-schenkabonnements(zwei Ausgaben für12 Euro im Jahr) –bei der

Pressestelle der Freien Universität Berlin,

Kaiserswerther Straße 16-18, 14195 Berlin,

Tel.: 030/838-73180, E-Mail: [email protected], bestellt werden.

Schenken Sie Wissenschaft

Seite 12 FU-Nachrichten 11-12/2002� Die Letzte �

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Die Freie Universität Berlin erwirbt ein Feld auf dem Berlin-Monopoly

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1943_FUN_11_02 28.11.2002 11:41 Uhr Seite 12