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1984 Koproduktion Junges Theater und Schauspiel Münster Bühnenfassung von Robert Icke und Duncan Macmillan für alle ab 14 Jahren / ab 8. Klasse Theaterpädagogische Materialmappe 2017/2018

1984 · 1984 richtet sich an alle ab 14 Jahren und dauert 120 Minuten ohne Pause. Der in 1984 von George Orwell beschriebene Staat Ozeanien steht für totale Überwachung. Winston

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1984

Koproduktion Junges Theater und Schauspiel Münster Bühnenfassung von Robert Icke und Duncan Macmillan

für alle ab 14 Jahren / ab 8. Klasse

Theaterpädagogische

Materialmappe

2017/2018

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I. Einleitung Liebe Pädagoginnen und Pädagogen, am 09. März 2018 hatte unsere Produktion 1984 Premiere im Kleinen Haus. Sieben Darsteller*innen des Jungen Theaters und des Schauspiels zeigen das Werk von George Orwell in einer Bühnenfassung von Duncan Macmillan und Robert Icke. Den beiden Autoren ist mit dieser Bearbeitung das scheinbar Unmögliche gelungen: Ein grandioser theatraler Ansatz, ein frischer, unverstellter Blick auf Orwells dystopischen Roman-Klassiker aus einer neuerlichen Zukunft, dem Jahr 2050. Inszeniert wurde die Produktion vom Regisseur Moritz Peters, der bereits zum zweiten Mal bei uns im Theater tätig ist, in der letzten Spielzeit inszenierte er in der U2 für das Schauspiel einen Monolog. 1984 richtet sich an alle ab 14 Jahren und dauert 120 Minuten ohne Pause. Der in 1984 von George Orwell beschriebene Staat Ozeanien steht für totale Überwachung. Winston Smith, der immer brutaler in die Fänge dieser Überwachung gerät, beginnt ein geheimes Tagebuch zu führen als ein Zeugnis für die Zukunft, als ein Aufruf zum Widerstand. Eine Botschaft für die Ungeborenen oder doch nur eine rein subjektive Schilderung der Welt? Stück für Stück wird das Publikum in Winstons Welt gezogen und mit Fragen konfrontiert: Woher weiß man, dass irgendetwas in dieser Welt real ist? Was ist Wahrheit in einer auf allen Ebenen manipulierten Kontrollgesellschaft? Wie sehr darf man Fakten trauen und welchem Wechselspiel unterliegen Wahrheit und Propaganda? Mit unseren Materialmappen möchten wir Ihnen und Ihren Schüler*innen weiterhin den Weg ins Theater schmackhaft machen oder den Genuss des bereits erfolgten Theaterbesuchs durch Ideen der Nachbereitung verlängern. Die Mappe stellen wir, die Mitarbeiter*innen des Jungen Theaters, nach eigenen Ideen und in Absprache mit der Dramaturgie oder der Regie der Inszenierung zusammen. Suchen Sie sich einzelne Punkte heraus, wandeln Sie diese ab oder verwenden Sie das gesamte Material – ganz, wie es für Ihre Zwecke passt. Übungen und Diskussionsanregungen haben wir mit einem kleinen Würfelsymbol markiert. Schreiben Sie uns gerne, wenn Ihnen eine Information fehlt und wir helfen Ihnen gerne weiter. Mit herzlichen Grüßen aus dem Theater, Angelika Schlaghecken Nesrine Larache (BufDi) Feline Reisberg (BufDi) EMAIL: [email protected] TELEFON: 0251-5909-158 POST: Junges Theater Münster BESUCHE: Junges Theater Münster

Neubrückenstraße 63 Am Bült 2/ 1. Etage 48143 Münster 48143 Münster

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Inhaltsverzeichnis I. Einleitung Seite 2 II. 1984 a. Inszenierungsfakten Seite 4 b. Inhaltsangabe Seite 5 c. Szeneneinteilung Seite 6 III. Biografien a. Buchautor Seite 9 b. Stückautoren Seite 10

c. Regisseur Seite 11 d. Bühne& Kostüm Seite 11 e. Musik Seite 11 IV. Kostümbild Seite 12 V. Bühnenbild Seite 13 VI. Zur Geschichte a. Begriffe aus dem Buch Seite 14 b. Charakterisierungen Seite 17 c. Figurenkonstellation Seite 19

d. Ozeanien und seine Gesellschaftsschichten Seite 20 e. Der Leitsatz der Partei Seite 21

f. Lied: Oranges and lemons Seite 22 VII. Themen a. Manipulation und Kontrolle Seite 23

b. Überwachung Seite 25 c. Totalitarismus und Oligarchie Seite 27 d. Individualität Seite 28

e. Die Diktatur des Konsums und der Selbstoptimierung Seite 30 f. Chinas digitaler Plan für den besseren Menschen Seite 31

VIII. Szenen zum Nachspielen Seite 32 IX. Ein kleiner Theaterknigge Seite 37 X. Lesevorschläge Seite 38 XI. Quellenangaben Seite 39

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II. 1984 II. a. Inszenierungsfakten 1984 Koproduktion Junges Theater und Schauspiel Münster Schauspiel nach George Orwell Bühnenfassung von Robert Icke und Duncan Macmillan Für alle ab 14 Jahren/ ab 8. Klasse Premiere: Freitag, 09. März 2018, 19.30 Uhr, Kleines Haus Produktionsteam Inszenierung Moritz Peters Bühne & Kostüm Bernhard Niechotz Musik Fabian Kuss Dramaturgie Peter Hägele Regieassistenz Jan Holtappels Inspizienz Marie Christine Molnar Theaterpädagogik Angelika Schlaghecken Besetzung Julia/ Kellnerin Claudia Hübschmann Syme Gerhard Mohr O’Brien Frank-Peter Dettmann Winston Jonas Riemer Charrington/ Moderator Bálint Tóth Mrs. Parson Linn Sanders Parsons Benedikt Thönes

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b. Inhaltsangabe Drei verfeindete Machtblöcke – Ozeanien, Eurasien und Ostasien – beherrschen die Welt. In Ozeanien unterdrückt eine von Big Brother geführte Partei-Elite (Innere Partei) die restlichen Parteimitglieder (Äußere Partei) und das gemeine Volk (Proles). Von der Gedankenpolizei immer und überall überwacht, arbeiten die Proles für den Staat, ohne es wagen zu können, eigenständig über ihr Schicksal nachzudenken. Der in allgegenwärtigen, nicht abschaltbaren und in beide Richtungen funktionierenden Telescreens geschürte Hass auf einen mythischen Urfeind namens Emmanuel Goldstein schweißt alle zusammen. Die englische Sprache soll durch eine von schädlichen Begriffen wie zum Beispiel dem der Freiheit gereinigte neue Sprache (Neusprech) abgelöst werden. Der neununddreißigjährige Winston Smith ist im Ministerium für Wahrheit in London damit beschäftigt, Zeitungsberichte und das Geschichtswissens an die Parteidoktrin anzupassen. Obwohl er zur Äußeren Partei gehört, lehnt Smith sich insgeheim gegen das totalitäre System auf und hält seine verbotenen Gefühle und atavistischen Gedanken in einem Tagebuch fest. Mit diesem Akt begeht er ein sogenanntes Gedankenverbrechen und ist ab sofort in Gefahr, verhaftet zu werden. In dieser Gefahr sieht er auch seinen Kollegen Syme, der an einem Neusprech-Wörterbuch arbeitet. Syme ist ebenfalls Mitglied der Äußeren Partei und ein sehr kluger Kopf. Da er viel nachdenkt sieht die Partei eine potenzielle Gefahr in ihm und er wird entpersont. Winstons Nachbar Parsons hingegen gehört zu den Proles und schluckt naiv alles, was die Partei ihm vorgibt. Trotz seiner Liebe zu Big Brother scheint er in seinem Unterbewusstsein zu rebellieren und wird von seinen eigenen Kindern verraten und ausgeliefert nachdem er im Schlaf parteifeindliche Parolen gerufen hat. Somit ist niemand sicher und jeder kann – auch wenn er alles richtig macht – der Partei zum Opfer fallen. Als Winston die junge Technikerin Julia trifft, die ebenfalls Parteimitglied ist, hält er sie für eine Spionin. Tatsächlich jedoch findet er in ihr eine heimliche Geliebte und Mitverschworene, die ihm in ihrem Hass gegen den Überwachungsstaat und in ihrer Resistenz gegenüber der Propaganda überlegen zu sein scheint. Um ihre Beziehung ausleben zu können, mietet Winston bei dem Antiquitätenhändler Mr. Charrington ein Zimmer ohne Telescreen an. Gemeinsam versuchen sie, mit einer legendären Untergrundbewegung Kontakt aufzunehmen. In dem scheinbar Gleichgesinnten O'Brien glaubt er jemand gefunden zu haben, der ihm dabei helfen kann. O'Brien gelingt es, sich in Winstons Vertrauen einzuschleichen. In Wirklichkeit handelt es sich bei ihm jedoch um ein ebenso intelligentes wie fanatisches und grausames Mitglied der Inneren Partei. Winston und Julia werden verhaftet. Es stellt sich heraus, dass Mr. Charrington in Wahrheit Mitglied der Inneren Partei ist und das Liebespaar verraten hat. Unter der Folter durch O‘Brien im Ministerium für Liebe bricht Smith psychisch zusammen. Er verrät Julia, verliert seine Individualität und glaubt, durch seine neu entdeckte Liebe zu Big Brother endlich frei zu sein.

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c. Szeneneinteilung Szene 1 Moderator/Winston/Parsons/Syme/Mutter/O’Brien

Gegenwart: Winston beginnt heimlich Tagebuch zu schreiben in dem Wissen, dass er damit ein Gedankenverbrechen begeht. Er stellt sich eine Gruppe vor, die sein Buch in der Zukunft liest und darüber spricht. Parallel dazu im Jahr 2050: Eine Gruppe spricht über Winston und das Buch, welches er gerade schreibt. Szene 2 Moderator/Winston/Parsons/Syme/Mutter/O’Brien

2050: Die Gruppe verschwindet Gegenwart: O’Briens Stimme und ein Kind tauchen auf, das Kind beschuldigt Winston als Denkverbrecher. Sprung in die Gegenwart Szene 3 Winston/Charrington

Im Antiquitätenladen von Mr. Charrington kauft Winston eine Schneekugel und ein Tagebuch. Charrington zeigt Winston ein Hinterzimmer ohne Telescreen in seinem Laden und sie reden über die Vergangenheit Szene 4 Winston/Frauenstimme

Auf dem Telescreen in Winstons Büro wird ein Fitnessprogramm gezeigt, an dem Winston teilnehmen muss. Szene 5 Winston/Syme/Parsons/Julia

Winston sitzt mit seinen Kollegen in der Arbeitskantine. Syme spricht über Neusprech, Parsons erscheint und prahlt von seinem Kind und dessen Spionageerfolgen. Julia taucht auf, Winston hat Angst vor ihr. Szene 6 Winston/O‘Brien

O’Brien und Winston unterhalten sich über die Tatsache, dass die Schokoladenration jeden Tag auf 20g erhöht wird und keiner etwas sagt. Winston erzählt von seinem Tagebuch. Szene 7 Winston/Sprichschreib

Winston ist in seinem Büro bei der Arbeit und löscht alle Daten die auf die Existenz eines Genossen hindeuten.

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Szene 8 Telescreen/Denkverbrecher/Goldstein/Winston/Alle

Der Telescreen zeigt die Hinrichtung eines Denkverbrechers, es folgt der 2-Minuten-Hass, bei dem alle ein Video von Emmanuel Goldstein anschreien und beschimpfen. Szene 9 Winston/Julia

Julia und Winston begegnen sich erstmalig als Winston ihr nach einem Sturz aufhilft. Julia gibt ihm unbemerkt einen Zettel mit einer Liebesbotschaft. Szene 10 Winston/Syme/Parsons/Julia

Die Szene aus der Kantine mit Syme und Parsons wiederholt sich fragmentarisch, Julia und Winston verabreden sich heimlich. Szene 11 Winston/Julia

Julia und Winston treffen sich im Wald und schlafen miteinander. Sie reden über die Gefahr ihres Treffens. Ihre Rebellion und darüber, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht kennen dürfen. Szene 12 Winston/Charrington

Zurück im Antiquitätenladen von Mr. Charrington mietet Winston das Zimmer ohne Telescreen an. Szene 13 Winston/Julia

Winston und Julia treffen sich im Zimmer und genießen Lebensmittel, an die sonst nur Mitglieder der Inneren Partei kommen. Julia erfährt von Winstons Rattenangst und Winston erzählt, dass sein Beruf darin besteht, Leute zu löschen. Sie reden über ihren Wunsch zur Veränderung. Szene 14 Winston/Parsons/O‘Brien

Die Kantinenszene wiederholt sich erneut, Syme ist jedoch verschwunden. O’Brien lockt Winston unter einem Vorwand zu sich und verspricht, ihm ein Neusprech-Wörterbuch zukommen zu lassen. Szene 15 Winston/Julia

Winston und Julia treffen sich erneut im Zimmer und Winston erzählt von seiner Erinnerung. Szene 16 Mutter/Kind/Winston

Winston erinnert sich an seinen Egoismus als Kind und dass er die Schokoladenration seiner ganzen Familie alleine aufgegessen hat. Szene 17 Winston/Julia

Winston und Julia entscheiden sich zu O’Brien zu gehen, da sie annehmen, dass er auf ihrer Seite und für die Bruderschaft ist. Winston gesteht Julia seine Liebe.

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Szene 18 Winston/O’Brien/Julia

O’Brien befragt Winston und Julia in seiner Wohnung bei abgeschaltetem Telescreen zur Bruderschaft, ob sie bereit sind, alles für die Revolution zu geben und – wenn nötig – zu morden. Winston befragt O’Brien zum Lied ‚Oranges and lemons‘. Szene 19 Winston/O’Brien/Syme

Winston wird auf der Straße heimlich Goldsteins Buch übergeben. Szene 20 Winston/Julia/Mutter

Während Julia schläft fängt Winston an, das Buch zu lesen, begeistert davon, dass er sich im Zimmer im Antiquitätenladen nicht verstecken muss. Sie versprechen, einander niemals zu verraten und reden über das Buch. Sie gestehen sich ihre Liebe. Szene 21 Winston/Julia/Stimme/Charrington/O’Brien/Parsons/Frau

Das Zimmer wird gestürmt, sie wurden die ganze Zeit überwacht und von Charrington verraten. Julia und Winston werden weggebracht. Einzelne Sequenzen: O’Briens Stimme verhört Winston; Winston trifft in einer Zelle Parsons, der von seiner eigenen Tochter verraten wurde; Julia taucht in Winstons Vorstellung auf und spricht über das Zimmer 101. Szene 22 Winston/O‘Brien

O’Brien verrät Winston, dass er ihn die ganze Zeit überwacht hat. Er unterzieht Winston einer Gehirnwäsche und foltert ihn. Als Winston ein Käfig mit Ratten vor das Gesicht gebunden wird, unter der Androhung, die Ratten auf sein Gesicht loszulassen, verrät Winston Julia und fleht darum, sie an seiner Stelle zu foltern. Szene 23 Winston/Kellnerin

Winston sitzt in einem Café und trifft Julia, sie gestehen einander den gegenseitigen Verrat und erkennen, keinerlei Gefühle mehr füreinander zu haben. Szene 24 Moderator/Parsons/Kind/Mutter/Winston/O‘Brien

Moderator beendet Geschichte und erklärt, dass Winston Smith selbst nie existiert hat. Winston bedankt sich bei O’Brien und wird hingerichtet.

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III. Biografien a. Buchautor George Orwell (pseud.) – eigentlich Eric Arthur Blair – wurde 1903 in Motihari im Nordosten von Indien als Sohn eines englischen Kolonialbeamten geboren. Im Alter von einem Jahr siedelte er jedoch mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zurück nach England. Orwell war ein sehr guter Schüler, der unter anderem auf der Eliteschule Eton ausgebildet wurde. Nach der Schule kehrte Orwell zunächst wieder nach Indien zurück, wo er als Neunzehnjähriger begann, bei der britischen Kolonialpolizei in Birma zu arbeiten. Allerdings kündigte er 1927 diese Arbeit aus moralischen Gründen und auf Grund gesundheitlicher Probleme. Als Polizeibeamter war er ein Teil des Unterdückungssystems. Danach lebte er in England und Frankreich, schrieb Berichte über seine Erfahrungen in Indien, konnte davon aber kein ausreichendes Einkommen erzielen und lebte in beiden Ländern eine Zeit lang als Obdachloser. Im Jahr 1937 nahm Orwell auf Grund von politischem und ethischem Interesse auf republikanischer Seite am Spanischen Bürgerkrieg teil. Er kämpfte nicht nur gegen die faschistischen Militärputschisten um General Franco, sondern auch gegen stalinistische Anhänger innerhalb der republikanischen Widerstandsbewegung. In den Kriegshandlungen wurde Orwell schwer verwundet, weswegen er nach England zurückkehrte. Da er während des Zweiten Weltkriegs auf Grund einer Tuberkuloseerkrankung nicht zur Armee eingezogen wurde, verdiente er sein Geld mit Kriegsberichterstattungen (unter anderem für die BBC). Die als Satire geschriebene Fabel ANIMAL FARM („Farm der Tiere)“, die 1945 erschien, ließ Orwell schlagartig weltberühmt werden. Die Fabel beschreibt das Scheitern der russischen Revolution durch den Verrat des Stalinismus an den sozialistischen Idealen. Er ist eine Parabel auf den Sozialismus stalinistischer Prägung und war eine Abrechnung des überzeugten Sozialisten mit der Machtübernahme der totalitären Bolschewisten in der Sowjetunion. Im Jahre 1948 erschien der dystopische Roman 1984, in den Orwell zahlreiche Erinnerungen und Gedanken über die aktuelle Weltpolitische Situation einfließen ließ. 1950 starb er an den Folgen seiner Tuberkuloseerkrankung im Alter von 46 Jahren. Orwell war ein überzeugter Sozialist, Anhänger der internationalen sozialistischen Bewegung und stellte seine Werke in direkten Zusammenhang mit seiner Überzeugung für den Sozialismus und seinen Kampf gegen Totalitarismus. Er war ein unbeugsamer Moralist, nichts und niemandem und keiner Instanz verpflichtet, außer dem eigenen Gewissen.

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b. Stückautoren Robert Icke Icke ist ein englischer Autor und Regisseur und gilt als wichtiges britisches Talent. Aktuell ist er der stellvertretende Intendant des Londoner Almeida Theaters. Bekannt geworden ist er durch moderne Adaptionen klassischer Texte, darunter Versionen von ORESTEIA, MARY STUART und 1984 von George Orwell welches er zusammen mit Duncan Macmillan entworfen hat. Inspiriert von einem Theaterbesuch von RICHARD III fing er an Stücke zu schreiben und als Regieassistent zu arbeiten. Nachdem Icke Englisch an der Cambridge Universität studiert hatte, rief er eine Theatercompany, Arden Theater, ins Leben und inszenierte verschiedene Tour-Produktionen sowie HAMLET mit Andrew Scott in der Hauptrolle im Jahr 2017 am Almeida Theater wofür er herausragende Kritiken bekam. Mit ORESTEIA und 1984 gewann Icke mehrere Auszeichnungen, darunter 2016, als bis dahin jüngster Gewinner, ‚Bester Regisseur‘ bei den Olivier Awards. Icke sagt über seine Arbeit mit Klassikern, dass er nach einer Heimkehr zu den Impulsen des Original- Stückes sucht um den „angesammelten Staub der Aufführungs-Vergangenheit fort zu waschen. So viele der großartigen Dramen waren tiefsinnig und verstörend als sie das erste Mal aufgeführt wurden. […] Man sollte dem Publikum nicht erlauben, nichts zu fühlen.“ (https://www.standard.co.uk/lifestyle/esmagazine/greek-hero-how-robert-icke-made-his-threehour-courtroom-drama-oresteia-as-relevant-as-ever-a3134281.html Seine Philosophie der Adaption beschreibt er: „als würde man einen fremden Stecker benutzen. Du bist in einem Land, in dem dein Fön nicht funktioniert wenn du ihn einfach einstöpselst. Du musst den Adapter finden der die Elektrizität in das alte Ding fließen und es funktionieren lässt.“ Icke hat sich auch zu der Wichtigkeit geäußert, jungen Menschen das Theater attraktiv zu machen. „Die Branche muss jetzt junge Leute ansprechen […] sonst sind wir alle tot. In 50-60 Jahren gibt es kein Theaterpublikum mehr.“ (http://www.theticketingbusiness.com/2017/06/15/theatres-big-names-push-cheap-tickets-young-fans/) Duncan Macmillan Duncan Macmillan, 1980 geboren, ist ein englischer Bühnenautor, Intendant und Drehbuchautor. Am bekanntesten ist er für seine Stücke LUNGS, PEOPLE; PLACES AND THINGS, EVERY BRILLIANT THING und die Bühnenadaption von George Orwells Buch 1984, welches er zusammen mit Robert Icke für die Bühne umgeschrieben und inszeniert hat. Macmillan wurde zuerst bekannt durch die Bruntwood Playwriting Competition in Manchesters Royal Exchange Theater, wo er zwei Auszeichnungen für sein Stück MONSTER erhielt. Viele von Macmillans größeren Stücken haben ein zeitgenössisches und sozialpolitisches Thema als Grundlage: LUNGS, erforscht Elternschaft, PEOPLE; PLACES AND THINGS Sucht und Gesundung und EVERY BRILLIANT THING betrachtet das Problem der Selbstmordneigung. Die Britische Regisseurin Katie Mitchell hat mehrere von Macmillans Stücken inszeniert. Ihr Zusammenarbeit beinhaltet ein Stück am Royal Court Theater mit dem Namen 2071, welches Macmillan später zusammen mit Professor Chris Rapley als Buch zum Thema Klimawissenschaft schrieb und veröffentlichte. Ihre Kollektivarbeit wurde zum Theatertreffen und dem Festival D’Avignon eingeladen und für den Nestroy-Preis nominiert. Mitchell und Macmillan haben außerdem an dem Film UNSEEN, produziert von Warp und Film, zusammengearbeitet.

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c. Regisseur Moritz Peters, geboren 1981 in New Haven, USA, absolvierte von 2001 bis 2005 ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Anschließend war er vier Jahre lang Ensemblemitglied vom Schauspiel Frankfurt. 2009 wechselte er ans Zimmertheater Tübingen, wo er auch eine erste eigene Inszenierung realisierte. Von 2010 bis 2013 war er als Regieassistent am Schauspiel Essen engagiert. Seit 2013 ist er als freischaffender Regisseur tätig. Unter anderem am Schauspiel Essen, dem Landestheater Dinslaken und dem Zimmertheater Tübingen. Seine Inszenierung von Franz Kafkas »Der Prozess« am Schauspiel Essen wurde 2014 zum NRW-Theatertreffen eingeladen. Dafür erhielt es außerdem eine Nennung zum Nachwuchsregisseur des Jahres in der »Theater Heute«. Zuletzt entstanden »Penthesilea – Ein Solo für eine Schauspielerin und fünf Kassettenrecorder« (Zimmertheater Tübingen), »Der gute Mensch von Sezuan« (Schauspiel Essen) sowie »Ein Volksfeind« am Landestheater Dinslaken. ICHGLAUBEANEINENEINZIGENGOTT.HASS war seine erste Arbeit am Theater Münster. d. Bühne & Kostüm Bernhard Niechotz studierte am Paul McCartney's Institute for Performing Arts in Liverpool Bühnen- und Kostümbild. 2002 wirkte er bei der Ausstattung der Abschlusszeremonie zu den XVII. Commonwealth Games in Manchester mit. Seit 2005 zeichnete er am Stadttheater Gießen, wo er bis Ende der Spielzeit 2014/15 stellvertretender Ausstattungsleiter war, für Bühnen- und Kostümbilder in allen Sparten verantwortlich, zuletzt für die Produktionen I WANNA BE LOVED BY YOU und LINDA DI CHAMONIX. Er gastierte u.a. an der Oper Frankfurt (GESCHICHTE VOM SOLDATEN) sowie beim Léhar Festival Bad Ischl (WIENER BLUT, CSARDASFÜRSTIN, GRAF VON LUXEMBURG). In dieser Spielzeit wird er die Ausstattung der Uraufführung ANNA TOLL nach Arthur Schnitzler und PIERROT LUNNAIRE an der Oper Frankfurt übernehmen. e. Musik Fabian Kuss studierte Jazz- und Populargesang an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Nach dem Abschluss seines Studiums 2015 zog er zurück nach Berlin und baute ein Tonstudio, in dem er für Kunden aus dem Bereich Musik, Werbung, Theater und Film Aufträge realisiert. Seine ersten Erfahrungen im Bereich der Theatermusik sammelte er 2013/14 im Schauspielstudio der HMT Leipzig im Theater Halle (Saale). Dort komponierte und begleitete er erstmalig Theaterproduktionen der Studenten. 2016 arbeitete Fabian Kuss erstmals als Komponist und Sound-Designer im Theater Münster für die Produktionen NIBELUNGEN und TOM AUF DEM LANDE. In der Spielzeit 2017/18 ist Fabian Kuss sowohl musikalischer Leiter für den Live-Musikabend DAS WEISSE ALBUM von den Beatles, als auch Komponist und Sound-Designer für das Stück 1984. Im Theater Paderborn komponiert er die Musik für DIE UNSICHTBARE HAND von Ayad Akhtar. In der Spielzeit 2018/19 wird Fabian Kuss Komposition und Sound-Design für ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Tanztheater und Schauspiel Münster übernehmen. Die Musik in 1984 erzeugt eine ganz besondere Stimmung. Die elektronischen Klänge lassen erkennen, dass wir uns in einer nahen Zukunft befinden, in der die totale Technologisierung fortschreitet. Durch die Musik werden Handlungswechsel ausgedrückt und untermalt. Außerdem soll durch sie der „Shared-workspace-Gedanke“ verdeutlicht werden. Bei Umbauten ist die Musik bedrohlich, schnell und abgehackt, was Fabian Kuss ganz besonders spannend findet. Allgemein wird durch die elektronische Musik die Abwendung von Gefühlen wie Liebe verstärkt.

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IV. Kostümbild Bezogen auf unsere Inszenierung ist es so, dass die Protagonisten den Klamottenstil von Apple Gründer Steve Jobs widerspiegeln und alle diese Klamotten tragen. Besonders an Winston ist dies zu erkennen, der mit Jobs-typischem dunklem Rollkragenpullover, blauer Jeans und grauen Turnschuhen auf der Bühne steht. Das jede Figur diesen Stil trägt verdeutlicht, dass in Ozeanien unter der Überwachung durch Big Brother kein Mensch einen eigenen Stil und somit auch keine eigene Identität besitzt, Individualismus ist verboten. Auch die anderen Protagonisten wie O’Brien sind vom Klamottenstil dem verstorbenen Apple Chef Steve Jobs nachempfunden. Des Weiteren trägt jeder Schauspieler unter seinem Kostüm einen grauen Ganzkörperanzug, welcher Sterilität und Unmenschlichkeit suggeriert. Einzig in den Szenen, in denen Winston mit Julia im gemieteten Zimmer von Mr. Charrington ist, tragen beide Klamotten im Stile der 50er Jahre. Julia trägt hier ein rotes, auffälliges Kleid mit weißen Punkten, Winston eine Anzughose mit Hosenträgern. Die Wahl dieser Klamotten für diese Szenen verdeutlichen, dass sowohl Winston als auch Julia während der Szenen in dem Zimmer Individualität zeigen und auch leben.

Übung: Kostüme

Zur Vorbereitung: Wie sehen in eurer Fantasie die Figuren aus? Zeichnet Kostümentwürfe, sogenannte Figurinen. Dabei kommt es nicht auf eine realistische Darstellung der Person an, viel wichtiger ist, dass erkennbar ist, was für ein Kostüm diese tragen soll. Zur Nachbereitung: Hättet ihr diese Kostüme erwartet? Was hat euch gefallen, was würdet ihr verändern? Inwieweit unterstützt des Kostüm die einzelnen Charaktere und lässt zudem die Spieler als Gruppe erscheinen?

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V. Bühnenbild

Unser Bühnenbild zeichnet sich dadurch aus, dass die Bühne durch Schiebewände als eigener, geschlossener Raum zu sehen ist, in dem das Abhören durch Big Brother möglich und für jeden erkennbar ist. Auf den grobmaschigen tüllartigen Wänden werden verschiedene Projektionen gezeigt, mit denen Big Brother mit den Bewohnern Ozeaniens kommuniziert. Das Bühnenbild, welches in dunklen Tönen gehalten ist, wird durch bunte Sitzsäcke kontrastiert, die für die Protagonisten als Sitzfläche während der Kantinenszenen dienen. Dies ist besonders an das Silicon Valley der Gegenwart angelehnt, die Sitzsäcke vermitteln ein vermeintlich lockeres Arbeitsleben, wie es bei den Unternehmen Google und Facebook üblich ist. Weitere Kontraste zu dem dunklen Bühnenbild sind vor allem die Requisiten wie die Schneekugel, die das Lied Oranges and Lemons verkörpert, und auch das Kerzenlicht, welches bei Winstons und Julias erstem Zusammentreffen erleuchtet. Das Zimmer, in dem Winston und Julia sich fernab von Big Brother treffen, ist ganz im Stil der 1950er Jahre gehalten, wodurch zusätzlich symbolisiert werden soll, dass dieser Raum nicht von Big Brother kontrolliert wird. Das Zimmer bietet daher einen völligen Kontrast gegenüber dem Stil des Silicon Valley.

Übung: Bühnenbild

Zur Vorbereitung: Bevor ihr euch unser Bühnenbild genau anseht, überlegt zunächst, wie ihr ein Bühnenbild gestalten würden und malt dazu einen Entwurf. Welche Farben würdet ihr nutzen? Wie verdeutlicht ihr die Atmosphäre? Welche Bühnenelemente müssen unbedingt vorhanden sein? Zur Nachbereitung: Vergleicht eure Entwürfe mit unserem Bühnenbild. Was unterscheidet sich, was ist gleich? Warum glaubt ihr, haben wir unser Bühnenbild so gestaltet?

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VI. Zur Geschichte a. Begriffe aus dem Buch Zwei-Minuten Hass Beim Zwei-Minuten-Hass muss jeder teilnehmen. Dabei wird das Bild von Emmanuel Goldstein, dem Anführer der Bruderschaft, die sich gegen Big Brother wendet, auf eine Leinwand projiziert. Dann müssen alle ihren gesamten Hass auf dieses Bild richten und sämtliche Aggressionen herausschreien. So wird die Wut der Bevölkerung, welche durch die Missstände in der Gesellschaft und die schlechten Lebensbedingungen geschürt wird, in parteigetreue Bahnen gelenkt und ein Aufstand verhindert.

Übung: Zwei-Minuten-Hass

Wenn ihr ein gutes Klassenklima habt, könnt ihr den 2-Minuten-Hass imitieren um zu erfahren, wie es ist, wenn eine ganze Gruppe sich gegen eine einzelne Person richtet. Vor Beginn der Übung sollten ein paar (wahrscheinlich selbstverständliche) Regeln aufgestellt werden. So darf der Freiwillige nicht berührt werden, Körperkontakt ist verboten. Außerdem darf er nicht angespuckt werden o.ä. Es gibt zwei Varianten wobei die erste etwas harmloser ist. Variante A: Die Gruppe stellt sich in 2 Reihen gegenüber auf und bildet damit eine Gasse. Ein Freiwilliger macht nun zwei Gänge durch die Gasse. Beim ersten Gang wird er angeschrien, ausgebuht und beleidigt. Beim zweiten Gang wird ihm gratuliert, applaudiert und zugejubelt. Die Gänge können natürlich auch getauscht werden. Der Freiwillige kann selbst entscheiden, wie schnell oder langsam er durch die Gasse läuft. Variante B: Ein Freiwilliger stellt sich vor die Gruppe, die Lehrerin stoppt die Zeit (zwei Minuten sind sehr lang, wir empfehlen 30 Sekunden) und die Gruppe muss die vorgegebene Zeit den Freiwilligen anschreien, ausbuhen, beleidigen, „hassen“. (Gedanken-)Verbrechen Gedanken, die sich gegen die Partei richten, gelten als Gedankenverbrechen und sind strafbar. Auch das Denken oder selbst Träumen anderer Wahrheiten als jene, die die Partei vorgibt, ist ein Verbrechen. Gedankenverbrecher werden im Ministerium für Liebe bestraft. Dabei reicht es der Partei nicht, sie nur zu töten. Die Gefangenen werden erst hingerichtet, wenn sie durch Folter wieder auf Parteilinie gebracht wurden. (O'Brien zu Winston: „Wir werden dein Gehirn erst zerstören, wenn es wieder uns gehört.“) Unperson Politische Gegner werden pulverisiert, erschossen oder vor einem Massenpublikum öffentlich erhängt. Zusätzlich werden sämtliche Dokumente und andere Beweismittel, die die Existenz der Person belegen könnten, vernichtet. Sie werden zur Unperson, die es nie gab.

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Doppeldenk Doppeldenk bedeutet, dass man zwar einerseits weiß, dass 2 + 2 = 4 ist, oder dass es bestimmte Ereignisse oder Personen in der Vergangenheit gab, man aber andererseits davon überzeugt ist, dass es nicht so ist, da die Partei dies behauptet. An der Partei wird somit niemals gezweifelt. Man sagt allerdings nicht nur, dass 2 + 2 = 5 ist, weil es der Parteilinie entspricht, sondern weil man es wirklich glaubt. Glaubt man es nicht, so begeht man ein Gedankenverbrechen.

Übung: Doppeldenk

Versucht, die jeweilige Schriftfarbe laut und deutlich auszusprechen. Je schneller ihr werdet desto schwieriger wird euch die Übung fallen. In Bezug auf das Doppeldenken werdet ihr hier leicht erkennen können, fällt es einem schwer die Schriftfarbe aus zu sprechen, da man an das gelesene Wort denkt. Nach mehrfachem Training wird euch die Übung immer leichter fallen und auch in „ 1984 “ werden die Personen solange auf ein bestimmtes Denken trainiert, bis sie dem idealen Denken entsprechen.

Neusprech Neusprech ist eine von der Regierung eingeführte Sprache. Ihr Ziel ist es, den Wortschatz drastisch zu reduzieren um differenziertes Denken zu erschweren. Beispielsweise gibt es keine Adjektive wie fantastisch oder super mehr, sondern nur noch gut. Gesteigert werden Adjektive durch ein plus- oder doppelplus-. Der Komparativ von gut ist somit plusgut, der Superlativ doppelplusgut. Gegenteile werden durch ein vorangestelltes un- gebildet. Etwas ist dann nicht mehr schlecht, sondern ungut. So soll das Aufkommen von Leidenschaft, bzw. jeglicher Emotion verhindert werden.

Übung: Eine Geschichte in Neusprech

Erzählt von eurem Hobby, eurer Leidenschaft oder einem schönen/schlechtem Erlebnis in Neusprech. Zur Erinnerung; Neusprech ist eine Sprache die das Aufkommen von Leidenschaft bzw. Emotionen verhindern soll. Es gibt keine Adjektive wie ‚fantastisch‘ oder ‚super‘ mehr, sondern nur noch ‚gut‘. Gesteigert werden Adjektive durch ein plus- oder doppelplus-. Der Komparativ von gut ist somit ‚plusgut‘, der Superlativ ‚doppelplusgut‘. Gegenteile werden durch ein vorangestelltes ‚un-‘ gebildet. Etwas ist dann nicht mehr ‚schlecht‘, sondern ‚ungut‘.

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Überwachung Orwell beschreibt in 1984 eine totale Überwachung, der sich kein Mitglied der Äußeren Partei entziehen kann. Sie wird hauptsächlich mit Hilfe von Telescreens ausgeübt, welche sowohl Sende- als auch Empfangsgerät sind. Sie überwachen die Bürger Ozeaniens in jedem Haus der inneren und äußeren Partei, an öffentlichen Plätzen und bei der Arbeit. Neben Telescreens können in jedem Raum versteckte oder offene Mikrofone angebracht sein. Im Roman wird zudem beschrieben, dass Hubschrauber der Gedankenpolizei Streifflüge machen und in die Fenster spähen. Niemand kann sich jemals unbeobachtet fühlen. Die größte Gefahr geht allerdings von den Bürgern selbst aus, die sich gegenseitig ausspionieren. Die Kinder werden in der Jugendorganisation der Spitzel/Späher dazu erzogen, ihre Eltern auszuspionieren. Sie erhalten Hör-Rohre als Spielzeug und bekommen gezeigt, wie man sie am besten einsetzt. Manche Eltern sind sogar stolz darauf, wenn ihre Kinder andere oder sogar sie selbst verraten. So herrscht selbst in den Familien ein permanentes Misstrauen. Alle Parteimitglieder sind in Vereinen organisiert und werden dazu angehalten, möglichst viel Zeit in den Gemeinschaftshäusern zu verbringen, damit sich die Mitglieder gegenseitig kontrollieren. Die Proles (Arbeiterklasse) werden nur vereinzelt überwacht, da aus Sicht der Regierung keine Gefahr von ihnen ausgeht. Ministerien Es gibt vier Ministerien, die das gesellschaftliche Leben kontrollieren. Absurderweise drücken ihre Namen das genaue Gegenteil dessen aus, womit sie tatsächlich beschäftigt sind. - Das Ministerium für Frieden (Minipax) beschäftigt sich mit der Kriegspropaganda und der Aufrechterhaltung des Kriegszustandes. - Das Ministerium für Überfluss/Überfülle (Miniflu(ss)/Minifülle) ist für die Wirtschaft in Ozeanien zuständig. Die tatsächliche Produktion wird von ihnen absichtlich gering gehalten, um eine Abhängigkeit zu garantieren. - Im Ministerium für Liebe (Minilieb) werden von der Gedankenpolizei entdeckte Abweichler solange gefoltert, bis sie wieder ganz auf Parteilinie sind. Nachdem die Verbrecher umgedreht wurden, werden sie hingerichtet. - Das Ministerium für Wahrheit (Miniwahr) befasst sich mit der Geschichtsmanipulation. Hier werden ständig alle vorhandenen Dokumente der Vergangenheit verändert und der aktuellen Parteilinie angepasst. So sieht es so aus, als hätte die Partei immer recht gehabt und nie ihre Meinung geändert.

Klassengespräch: Kontrolle

Kennt ihr solche Formen der Kontrolle? Fallen euch historische Beispiele ein, bei denen ähnliche oder gleiche Methoden angewandt wurden? Welche Macht- und Kontrollmethoden werden eurer Meinung nach heute in Deutschland genutzt? Inwiefern brauchen wir Mechanismen zur Kontrolle und zur Überwachung? Ab wann sind Überwachung und Kontrolle legitim?

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b. Charakterisierungen Winston Smith ist der Protagonist von 1984. Er ist Mitglied der Äußeren Partei und arbeitet im Ministerium für Wahrheit, wo seine Arbeit in der Dokumentationsabteilung darin besteht, Artikel und Nachrichtenmeldungen so zu verfälschen, dass sie zur aktuellen Linie der Partei passen. Obwohl er genau weiß, dass er für die Partei Lügen verfasst empfindet er Freude an seiner Arbeit und der Herausforderung. Er grübelt viel, neigt zu Depressionen, hat für seine 39 Jahre sehr viele Gebrechen und wirkt sehr ausgemergelt. Er hat ein Krampfadergeschwür welches ein körperliches Symptom für die Psyche unter dem Regime darstellt. Winston lebt in einer winzigen, schäbigen Wohnung in einem heruntergekommenen Mietshaus, doch in seinem Wohnzimmer befindet sich eine kleine Nische, die nicht vom Telescreen erfasst wird und in der Winston sich einigermaßen unbeobachtet fühlen kann. Julia ist im Gegensatz zu Winston eher pragmatisch, gefühlsbetont, lebensfroh und möchte den Augenblick und das Leben genießen. Sie hegt persönlichen Hass gegen die Partei, die versucht, ihr persönliches Glück zugunsten der Gesellschaft zu zerstören. Sie möchte ihre Sexualität frei ausleben, sich von der Partei nicht die Lust nehmen lassen und eine Beziehung zu Winston führen. Im Gegensatz zu Winston ist sie nicht überzeugt davon, dass eine Festnahme durch die Gedankenpolizei unausweichlich ist. Um ihre Mitmenschen und die Gedankenpolizei zu täuschen engagiert sie sich in der Jugendliga gegen Sexualität, besucht Demonstrationen und eifert bei dem Zwei-Minuten-Hass stark mit. Am Ende verrät sie Winston und wird umerzogen, Big Brother zu lieben. O’Brien arbeitet für das Ministerium der Liebe und spioniert Mitglieder der Äußeren Partei auf Gedankenverbrechen aus. Winston und Julia gegenüber verstellt er sich und gibt sich als Feind der Partei aus. Als Mitglied der Inneren Partei genießt O’Brien mehrere Privilegien, so zum Beispiel Wein, Kaffee, richtige Schokolade und die Möglichkeit, den Telescreen in seiner Wohnung auszuschalten. Winston bewundert O’Brien, vertraut sich ihm an und bekommt von ihm das Buch von Goldstein welches, wie sich am Ende herausstellt, O’Brien selbst zum Teil verfasst hat. Im Ministerium der Liebe foltert O’Brien Winston so lange, bis dieser gebrochen und von parteifeindlichen Gedanken befreit ist. Symes arbeitet in der Forschungsabteilung des Ministeriums für Wahrheit und arbeitet an einem Wörterbuch für Neusprech arbeitet. Er ist mit Winston befreundet und ein aufgeschlossener und intelligenter Mann. Winston ist überzeugt, dass Symes früher oder später vaporisiert wird da er zu viel nachdenkt.

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Big Brother (der „große Bruder“) als Figur ist dem Volk praktisch unsichtbar, in seinem Bild allerdings ist er allgegenwärtig. Es scheint sich um die fiktive Personifizierung einer Kollektivherrschaft (Die Partei) zu handeln, niemand bekam ihn je zu Gesicht. In ganz Ozeanien hängen Plakate, von denen Big Brother als Bild auf die Bevölkerung hinabsieht, welche verpflichtet ist, ihn zu lieben. Die Frage nach der Existenz von Big Brother quält Winston und von O’Brien bekommt er nur eine mehrdeutige Antwort im Sinne der Partei: Es gibt Big Brother, und er wird ewig leben, weil die Partei dies so will. Big Brother ist eine Fiktion, die weder ganz wahr noch ganz unwahr ist. Man kann weder wissen, dass es ihn gibt, noch, dass es ihn nicht gibt. Also existiert er in den Köpfen, eben weil er existieren könnte. Als Vorlage für seine literarische Figur diente Orwell vor allem der sowjetische Diktator Stalin, man kann aber ebenso Parallelen zu Adolf Hitler, Kim Jong-un und anderen Diktatoren herstellen. Emmanuel Goldstein erscheint als fiktive Figur in der Geschichte und besitzt ein zeitloses Wesen. Es ist ein ehemaliges hohes Parteimitglied, wurde aber zum „Staatsfeind Nummer 1“ und Urverräter der Partei erklärt da er eine Konterrevolution mittels der Bruderschaft durchführen will. Goldstein sei seinem Todesurteil entkommen und lebe versteckt um weitere Verschwörungen zu planen. Niemand weiß ob er noch lebt oder wo er sich aufhält. Möglicherweise sind Goldstein und die Bruderschaft von der Partei erschaffene Illusionen, als Feindbild für das System aber auch als Köder, um anders Denkende anzuziehen und es der Gedankenpolizei leichter zu machen, potenzielle Gedankenverbrecher zu fassen. Im Roman bleibt offen, ob Goldstein tatsächlich existiert. „Das Buch“ (Titel: Die Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus) wird Emmanuel Goldstein zugeschrieben wurde aber in Wahrheit von Parteifunktionären, unter anderem O’Brien geschrieben. Dieser gibt zu, dass in dem Buch die Wahrheit über die Untaten der Partei stehe, eine Änderung dieses Zustands könne jedoch nicht herbeigeführt werden. Vorbild für die literarische Figur des Emmanuel Goldstein ist Leo Trotzki, ein russischer Revolutionär welcher unter Stalin zum Verräter und zur Hassfigur erklärt wurde.

Mr. Charrington besitzt einen Antiquitätenladen in einem Proles-Stadtteil und scheint, wie Winston, an der Vergangenheit interessiert zu sein. Auch sieht es so aus, als würde er Winston in seiner Revolution unterstützen und vermietet ihm ein Zimmer ohne Telescreen in seinem Laden in dem Winston und Julia sich heimlich treffen können. Wie sich später herausstellt, ist Charrington Mitglied der Gedankenpolizei und hat Winston in eine Falle gelockt.

Mr. und Mrs. Parson gehören zu den Proles, der Arbeiterklasse, und repräsentieren die nicht denkende Masse. Sie nehmen die Gesetze der Partei gedankenlos an und machen bei allen Programmen der Regierung mit. Ihre Kinder sind in Pfadfinder-ähnlichen Gruppen und lernen, ihre Eltern auszuspionieren. Als sie Mr. und Mrs. Parson verraten und der Gedankenpolizei aushändigen, nachdem Mr. Parson im Schlaf parteifeindliche Parolen gemurmelt hat, sind diese stolz auf ihre Kinder und dankbar, der Partei keinen Schaden hinzugefügt zu haben.

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c. Figurenkonstellation

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d. Ozeanien und seine Gesellschaftsschichten Im Roman 1984 ist die Welt in 3 Supermächte geteilt, Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Ozeanien – Winstons Heimat und Spielort der Geschichte – befindet sich abwechselnd im Krieg mit Eurasien oder Ostasien, während es mit dem jeweils anderen in Frieden lebt. Führt Ozeanien einen Krieg mit einem Staat, so war das schon immer der Fall und es wird auch immer so bleiben. Mit dem anderen Staat hat Ozeanien schon immer in Frieden gelebt und wird auch in Zukunft immer mit diesem Staat in Frieden leben. Wer dies nicht anerkennt, stellt die Doktrin des fiktiven Staates in Frage und begeht ein Gedankenverbrechen. Bei dem Krieg geht es jedoch nicht um das umkämpfte Territorium oder die Vernichtung der Feinde, sondern ausschließlich um die Ablenkung der Bevölkerung. Damit werden die ständigen strengen Lebensmittelrationierungen, Bombenangriffe auf Wohngebiete der Proles (wahrscheinlich von Ozeanien selbst ausgeführt) und die Überwachung gerechtfertigt.

Die oligarchische Gesellschaft in Ozeanien ist wie eine Pyramide aufgebaut und in drei hierarchische Gruppen aufgeteilt: Innere Partei, äußere Partei und die Proles (Arbeiterklasse). Die Mitglieder der Inneren Partei stellen die Oberschicht dar und haben alle führenden Positionen inne, machen aber nur 2% der Bevölkerung aus. Sie genießen viele Privilegien wie Luxusgüter oder die Möglichkeit, die Telescreens in ihren Arbeitsräumen (und teilweise Wohnungen) auszuschalten und sind nicht den strengen Rationierungen unterworfen.

Die Mitglieder der Äußeren Partei stellen die Mittelschicht dar und machen etwa 13% der Bevölkerung aus. Ihre Aufgaben stehen im Dienst der Partei, sind hauptsächlich exekutiver Natur und dienen der Aufrechterhaltung. Manche von ihnen arbeiten in intellektuellen Bereichen (z.B. Winston in der Geschichtsfälschung). Dadurch können sie der Partei gefährlich werden und verschwinden früher oder später spurlos. Die Proles sind die Arbeiterklasse und machen 85% der Bevölkerung aus. Durch Armut, Medien und den niedrigsten Lebensstandard innerhalb der Gesellschaft werden sie aber bewusst dumm und passiv gehalten um kein Risiko für die Partei darzustellen. Die Mitglieder der Ober- und Mittelschicht sehen in ihnen nichts anderes als Tiere und damit nicht als Gefahr. Die Arbeiter sind nicht der ständigen Überwachung ausgesetzt und wären damit die Einzigen, die einen Umsturz herbeiführen könnte, haben jedoch keine Zeit oder Ambitionen, den Staat zu kritisieren. Mit Groschenromanen, Pornofilmen und Lotterien, deren Großgewinner fiktiv sind, werden sie beschäftigt. Ihre Kinder werden zu Kinderspionen ausgebildet und sollen ihre eigenen Eltern überwachen

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e. Der Leitsatz der Partei KRIEG IST FRIEDEN. FREIHEIT IST SKLAVEREI. NICHTWISSEN IST STÄRKE. Auch bei unserer Inszenierung spielen die Leitsätze der Partei eine wichtige Rolle, sie werden von den Protagonisten im Chor dem Publikum entgegengeschrien. Auch wird bei der Interaktion mit Big Brother im Chor „Big Bro“ oder „We feel big bro!“ gerufen.

Übung: Eigene Leitsätze

Findet eigene Definitionen in Einzelarbeit und setzt euch dann in Kleingruppen zusammen. Leitfragen: Was bedeuten die Sätze? Kann man die Sätze auf Ihren Alltag beziehen? Welche Punkte entsprechen der Wahrheit? Diskutiert über eure eigenen Definitionen und sucht euch jeweils eine aus oder schreibt gemeinsam eine neue Definition, die dem Interesse aller entspricht. Stellt die Gruppenergebnisse den anderen Gruppen vor und diskutiert auch die anderen Definitionen mit den anderen Gruppen.

Übung: Eine Podiumsdiskussion

Teilt euch in zwei Gruppen auf, jedoch nicht ohne vorher einen neutralen Moderator zu bestimmen. Die Contra-Gruppe überlegt sich Argumente gegen die Leitsätze, die Pro-Gruppe versucht, wie die Partei zu denken und schreibt Argumente für die Leitsätze auf. Ob ihr eure eigenen Leitsätze oder die der Partei übernehmt, ist dabei euch überlassen. Nun führt eine Podiumsdiskussion und versucht, die gegnerische Gruppe mit euren Argumenten zu überzeugen. Der Moderator hat dabei die wichtige Aufgabe, für einen geregelten und fairen Ablauf zu sorgen. Die Diskussionsteilnehmer sollen sich gegenseitig zuhören und einander nicht unterbrechen.

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f. Lied: Oranges and lemons "Oranges and lemons", say the "Orangen und Zitronen", sagen die bells of St. Clement's Glocken von Sankt Clemens "You owe me five farthings", "du schuldest fünf Viertelpennys", so say the bells of St. Martin's die Glocken von St. Martin "When will you pay me?" say "Wann wirst du mich bezahlen?", the bells of Old Bailey fragen die Glocken von Old Bailey "When I grow rich", say the "Wenn ich reich werde", so die bells of Shoreditch Glocken der Shoreditch-Kirche "When will that be?" say the "Wann soll das sein?", fragen die bells of Stepney Glocken der Kirche in Stepney "I do not know", says the great "Das weiß ich nicht", sagt die große bell of Bow Glocke von St. Mary le Bow Here comes a candle to light Hier kommt eine Kerze, um deinen you to bed Weg ins Bett zu beleuchten And here comes a chopper to Und hier kommt der Henker, um dir chop off your head! den Kopf abzuschlagen! Chip chop chip chop – Schnipp Schnapp Schnipp Schnapp The last man's dead. Der letzte Mann ist tot „Oranges and Lemons“ ist ein Kinderreim aus London mit durchaus ernstem historischem Hintergrund. Der genaue Ursprung ist unbekannt. Die Handlung gibt einen Dialog zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner wieder. Letzterer hat Orangen und Zitronen gekauft, bleibt aber fünf Farthings (Viertelpennies) schuldig. Er will die Schuld bezahlen, wenn er reich geworden ist, kann aber nicht sagen, wann das sein wird. Daraufhin verliert der Gläubiger die Geduld und schickt den Scharfrichter. Noch im 18. Jahrhundert konnte in England ein nicht bezahlter Kauf durchaus als Diebstahl angesehen werden und mit dem Tod bestraft werden. Im Roman 1984 sowie in den dazugehörigen Filmen wird dieser Reim mehrfach zitiert und verdeutlicht dort die Vergangenheit des Protagonisten. Dieser erinnert sich zwar an den Reim, kennt aber das Ende nicht mehr. Verschiedene Personen bringen nach und nach immer einen neuen Teil des Reims hinzu, bis schließlich der letzte Teil das Ende des Romans und des Stückes bildet. Symbolisch steht die Verwendung dieses Reims für die fast vollendete Auslöschung der Vergangenheit, da nur noch ein paar Personen ihn kennen und mit deren Tod der Reim bzw. die Vergangenheit für immer verloren ist.

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VII. Themen a. Manipulation und Kontrolle Psychisches Manipulieren Die Partei überflutet die Wahrnehmung der Bürger um deren Bewusstsein für ihre eigenen, unabhängigen Gedanken unzugänglich zu machen. In jedem Raum befindet sich ein Telescreen, der die ganze Zeit über triumphale Nachrichten von der Partei verbreitet. Zusätzlich nehmen die Telescreens das Verhalten der Menschen auf. Den Menschen wird ihre Überwachung konstant vor Augen gehalten, zum Beispiel mit Schildern wie „Big Brother is watching you“. Familiäre Bande werden durch die Kinderspione untergraben. Das Vertrauen in andere Menschen (da man nicht weiß, wer einen im Auftrag der Partei überwacht) und auch das Vertrauen in sich selbst (durch die Gedankenpolizei) wird zerstört. Und alle frustrierten, negativen Emotionen werden von der Partei in Hass gegen die politischen Gegner der Party umgewandelt (zwei-Minuten-Hass).

Übung: Sprache als Bewusstseinskontrolle

Stellt euch mit einigem Abstand in zwei gegenüber stehenden Reihen auf, so dass jeder ein Gegenüber hat. Nun ist die erste der beiden Reihen dran. Alle Schüler auf dieser Seite erzählen ihrem jeweiligen Gegenüber etwas, der Inhalt ist egal, notfalls kann vom bisher verbrachten Morgen erzählt werden. Wichtig ist aber, dass Partner 1 dauerhaft redet. Nun variiert er mit der Lautstärke: Je lauter Partner 1 spricht, desto weiter muss sein Gegenüber (Partner 2) vor ihm zurückweichen. Spricht er leiser, kommt Partner 2 wieder näher an ihn ran. Das heißt, wenn Partner 1 so laut er kann schreit, muss Partner 2 im größtmöglichen Abstand vor ihm stehen, flüstert Partner 1 hingegen, steht Partner 2 direkt vor ihm. So versucht Partner 1 Partner 2 zu manipulieren, entscheidet, wohin er wie schnell oder langsam geht und lässt ihn sich alleine durch seine Stimme nach seinen Vorstellungen bewegen. Dann werden die Seiten gewechselt. Kontrolle von Informationen und Geschichte „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Gegenwart“ Mit diesen Worten beginnt einer der Parteislogans. Dahinter steckt die absolute Manipulation der Wahrheit. Dinge, die in der Vergangenheit geschehen sind, aber nicht in die Linie der Partei passen, werden gelöscht, Archive werden verändert, Zeitungen umgeschrieben. Durch diese Veränderungen hat die Partei immer Recht. Den Bürgern ist es nicht erlaubt Zeugnisse der Vergangenheit zu besitzen. So gibt es keine privaten Fotos, Dokumente oder andere Aufzeichnungen von Geschehnissen, die das Gegenteil behaupten könnten. Dadurch werden Erinnerungen lückenhaft und unverlässlich und die Bürger glauben alles, was die Partei ihnen erzählt. Durch die Kontrolle der Gegenwart ist die Partei in der Lage die Vergangenheit zu manipulieren. Und durch das Kontrollieren der Vergangenheit kann die Partei ihre gegenwärtigen Taten rechtfertigen.

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Physische Kontrolle Zusätzlich zu der Gedankenkontrolle kontrolliert die Partei auch die Körper der Menschen. Die Partei sucht die ganze Zeit nach den kleinsten Anzeichen von Ungehorsam. Das geht soweit, dass Winston feststellt, dass sogar das kleinste Gesichtszuckungen zur Verhaftung führen kann.

Übung: Der Puppenspieler

Jeder sucht sich einen Partner. Person A wird zum Puppenspieler und kann Person B nun nach seinen Vorstellungen formen (wie eine Schaufensterpuppe). Probiert so verschiedene Haltungen und Posen aus. Dann erweckt ihr die Puppe zum Leben, indem ihr euch vorstellt, dass sie an jedem ihrer Gliedmaßen Fäden hat, an denen ihr sie ziehen und bewegen könnt. Das heißt bspw., wenn Person A will, dass Person B seinen Arm hebt, zieht er an einem imaginären Faden knapp oberhalb des Handgelenkes den Arm von Person B hoch usw. Lässt er den Faden los, fällt der Arm natürlich wieder leblos runter. Versucht so eure Marionette zum Laufen zu bringen, sie sich hinsetzen und hinlegen zu lassen, ihren Kopf zu drehen usw. Überlegt euch dabei immer genau, wo euer Partner Gelenke hat, um sich zu bewegen und wo ihr demnach euren unsichtbaren Faden ansetzen müsst. Dann wird getauscht. Technologie Die Partei überwacht die Bevölkerung von Ozeanien allerorts. Mit Telescreens und Mikrophonen wird jegliche Bewegung der Menschen aufgezeichnet. Das ist der gesamten Bevölkerung auch bewusst. Außerdem wird für den Zweiminutenhass Technologie verwendet. Erstaunlich ist, dass 1984 in einer Zeit geschrieben wurde, in der es erst sehr wenige Technologien gab. Es gab z.B.: noch keine Computer. Trotzdem trifft Orwell ein Thema, das aktueller nicht hätte sein können. Er beschreibt das Technologien, die eigentlich dafür gedacht sind, das Leben zu erleichtern und das allgemeine Wohl zu verbessern, auch die Ursache des größten Übels sein können.

Klassengespräch: Technologien

In welchen Situationen habt ihr euch schon mal beobachtet gefühlt? Habt ihr euer Verhalten verändert? Was meint ihr zum Thema ‚Technologien‘? Was für positive und was für negative Erfahrungen habt ihr mit Technologien gemacht? Habt ihr schon mal wahrgenommen, dass ihr über eine Technologie bewacht werdet? Wenn ihr euch entscheiden müsstet, würdet ihr dann lieber in einer Welt mit oder ohne Technologien aufwachsen? Austerität Das lateinische Wort austeritas bedeutet übersetzt Strenge, Herbheit und findet im ökonomischen Sinne Verwendung als Bezeichnung für eine strenge Sparpolitik des Staates. Die strenge Reduktion auf das Notwendige im Bereich öffentlicher aber auch privater Haushalte soll einen schlanken und ausgeglichenen Staatshaushalt herbeiführen und die gesamtwirtschaftliche Situation verbessern. Eine Austeritätspolitik wird insbesondere in finanziellen Krisenzeiten angestrebt.

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b. Überwachung Der Überwachungsstaat Ein Überwachungsstaat ist ein Staat, in dem jeder Bürger von der Polizei überwacht wird, auch wenn er nichts Verbotenes getan hat. Der Zweck dessen ist eine ständige Kontrolle über die Geschehnisse innerhalb des Staates, um Gesetzesverstöße zu vermeiden. Bezogen auf das Stück „1984“ wird Gleichschaltung durch die Überwachung erzielt. Die Gedankenkontrolle ist besonders in „1984“ ein wichtiger Bestandteil des Überwachungsstaates. Allgemein werden Individualität und Entfaltung der Persönlichkeit durch diese Form von Überwachung verhindert. Auch die Grundrechte die wir hier in Deutschland genießen dürfen, sind in einem Überwachungsstaat utopisch. Heutzutage gibt es viele Überwachungsstaaten. Eins der wohl präsentesten Staaten sind die Türkei und Nordkorea. In einem Artikel der Zeitschrift „Spiegel“, über die Unterdrückung und Überwachung Nord-Koreas, heißt es „Sie wissen alles über jeden“. Überwachung und Kontrolle heutzutage Inwiefern werden wir heutzutage überwacht? Die Überwachung ist auch hier in Deutschland weit voran geschritten. Mittlerweile lassen wir Menschen uns durch das Internet und die Handys überwachen. Über das Handy lassen sich Standpunkte und Konversationen, ganz zu schweigen von Fotos und Dateien, übermitteln. Fernsehgeräte (Smart-TV, Alexa) und Streaming-Dienste sammeln Daten über bevorzugte Sendungen und Filme, der PC oder Laptop speichert besuchte Seiten damit dem Benutzer auf ihn abgestimmte Werbung gezeigt wird. So werden auch unterschiedlichen Personen unterschiedliche Suchergebnisse bei Google und Co angezeigt. Standort, Surfverhalten und frühere Suchanfragen und der Browser sind ausschlaggebend, wer bei Google+ angemeldet ist, bekommt eher Seiten angezeigt, die im Freundeskreis beliebt sind. So werden wir in eine bestimmte Richtung gelenkt ohne es zu merken und wenn wir wirklich neutrale Nachrichten lesen wollen müssen wir uns anstrengen und suchen. Bei einigen Proben kam seitens des Regisseurs die Idee auf, das Computersystem Alexa von Amazon visuell mit ins Stück einfließen zu lassen, was zeigt, dass den Produzenten des Stücks hier die Einbeziehung aktueller Systeme wichtig war und dem Zuschauer als mahnender Gegenstand aufgezeigt wird. Ob sich die Idee in der endgültigen Fassung durchgesetzt hat, wird sich zeigen. Doch nicht nur Medien überwachen uns tagtäglich, auch wir selbst als Kunden mit Payback-Karten geben dem Staat die Möglichkeit uns zu überwachen. Unser Einkaufsprofil wird durch all diese Mitgliedskarten protokolliert und verrät, ob wir Hunde oder Kinder - und vieles anderes - haben. Aber wie können wir uns davor schützen? Bei einigen Dingen können wir uns entziehen, aber leider nicht bei allem. Wichtig ist nur sich den Risiken bewusst zu sein und so wenig wie möglich von sich preiszugeben. Die soziale Kontrolle ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Es gibt bestimmte Verhaltensnormen der Gesellschaft und wer sie nicht einhält wird schräg angeguckt. Sei es, barfuß durch die Innenstadt zu laufen, einen außergewöhnlichen Kleidungsstil haben oder nicht zu den angesagten Partys kommen. Wer sich nicht den Erwartungen entsprechend enthält wird zum Außenseiter und dem werden unter Umständen Privilegien entzogen, sei es im Berufsaufstieg oder im sozialen Umfeld.

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Klassengespräch: Überwachung/ Google

Fühlt ihr euch manchmal von euren Mitmenschen (Eltern/ Lehrer/ Mitschüler) überwacht? Denkt ihr, dass in sozialen Medien (Instagram/ Facebook) sozialer Druck ausgeübt wird? Verändert sich dadurch euer Verhalten?

„Wenn es irgendetwas gibt, was man nicht über Sie wissen sollte, dann sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun.“ (Google-Chef Eric Schmidt) Am 31. Januar begannen die Proben zu 1984 mit der Konzeptionsprobe. Alle Beteiligten dieser Produktion (Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner, Dramaturg, SchauspielerInnen, Musiker, Regieassistent, Theaterpädagogin) kommen zusammen und das Konzept, die Idee für die Inszenierung wird vorgestellt sowie die Textfassung gemeinsam gelesen und über Themen des Stücks gesprochen und diskutiert. Hier einige dort gefallene Meinungen, die im Zuge dessen gesagt wurden: ‚Wir leben auch in einer Diktatur, und zwar in einer Diktatur des Konsums und der Selbstoptimierung‘ ‚Das neue Produkt von Google „Alexa“ ist doch nichts Neues. Vor einiger Zeit hat Google eine Rauchmelder-Firma aufgekauft. Diese Art des Abhorchens findet also schon seit längerem statt. Warum sollten sie sonst diese Firma aufgekauft haben?‘ ‚Der 1. und 2. Weltkrieg ist in der Geschichte von 1984 wieder zu erkennen. Einmal das Kämpfen an den Fronten im 1. Weltkrieg, die man mit dem Kampf der beiden Parteien vergleichen kann, und dann die Bombeneinschläge, die es im 2. Weltkrieg auch in der Zivilbevölkerung gab und die mit der Angreifbarkeit der Charaktere und deren ständiges auf-der-Hut-sein vergleichbar sind.“ ‚Wenn ich nackt in der Sauna bin und mir sitzt jemand mit einem erhobenem Smartphone gegenüber fühle ich mich komisch. Wer weiß schon, was der tut? Vielleicht schreibt er nur eine Nachricht, vielleicht spielt er auf seinem Handy, vielleicht filmt er mich oder macht Fotos‘

Klassendiskussion: Diskutiert in der Klasse über die oben genannten Zitate. Was sagt ihr dazu? Fällt euch womöglich noch etwas anderes aus eurem Alltag ein, dass auf irgendeine Art und Weise mit der Thematik von 1984 zusammen passt? Stimmt ihr der dritten These zu? Hat das Stück 1984 eurer Meinung nach wirklich Aktualität?

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c. Totalitarismus und Oligarchie Totalitarismus Unter Totalitarismus versteht man politischen Extremismus, der an die Macht gelangt ist. Er ist häufig gekennzeichnet durch besonders brutale, menschenverachtende Praktiken, die ein System der Gewaltherrschaft herstellen. Die Weltanschauungen von totalitären Regimen sind rationaler Kritik nicht zugänglich und erlauben keine anderen Meinungen. Totalitarismus ist also der zur staatlichen Herrschaft gelangte Extremismus. Totalitarismus in 1984 George Orwell warnt in 1984 vor der Gefahr des Totalitarismus. Ozeaniens gesamtes politisches System ist totalitär aufgebaut. Orwell hat aus erster Hand erfahren zu welch erschreckenden Maßnahmen ein Staat bereit ist, um an mehr Kontrolle zu gelangen oder die Kontrolle zu behalten. In Ozeanien besitzt eine Partei sämtliche politische Macht. Ihre Gegner werden entweder durch eine Gehirnwäsche umerzogen oder eliminiert. Politische Kurswechsel oder Änderungen der Doktrin werden nicht öffentlich zugegeben, da die Perfektion der Partei erhalten bleiben muss. Stattdessen wird, um den Eindruck herzustellen, die Partei habe sich noch nie geirrt, die Vergangenheit laufend aktualisiert und verändert. Oligarchie Das griechische Wort oligarchia heißt wörtlich übersetzt Herrschaft von wenigen. In einer Demokratie ist die Macht auf verschiedene Institutionen verteilt (Gewaltenteilung/Gewaltentrennung). Anders ist es in einer Oligarchie: In der politischen Philosophie handelt es sich hierbei um eine Form der Regierung, in der die oberste Gewalt in den Händen einiger weniger Personen liegt. Es herrscht nur eine kleine Gruppe, und ihre Angehörigen sorgen dafür, dass niemand anderer an die Macht kommt. Eine Oligarchie finden wir oft in Diktaturen. Der Begriff Oligarch bzw. Oligarchin wird aber auch in der Wirtschaft verwendet: Als in Russland in den 1990er-Jahren (also nach Ende des Kommunismus) manche Menschen enorme Reichtümer erwarben (z.B. durch das Aufkaufen von Industriebetrieben oder Energiefirmen), führte man für diese Leute die Bezeichnung Oligarchen bzw. Oligarchinnen ein. Sie hatten wichtige Teile der russischen Wirtschaft erworben und trachteten danach, dass niemand anderer in diesen Bereichen mächtig werden konnte. Oligarchie in 1984 Die Innere Partei unterdrückt mit verschiedenen Mittel den Rest der Bevölkerung und sorgt dafür, dass niemand aufsteigen kann. Wer in der Äußeren Partei zu viel nachdenkt und nachfragt wird ausgelöscht. Die Proles werden bewusst dumm gehalten und abgelenkt um der Partei nicht gefährlich werden zu können. So haben weniger als 2% der Bevölkerung die Macht und bilden somit eine Oligarchie.

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d. Individualität Individualismus ist ein Gedanken- und Wertesystem, in dem das Individuum im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Es beschreibt die Summe der Eigenschaften oder Merkmale, die die Besonderheit eines Lebewesens oder Gegenstandes ausmachen. Individualität meint auch das klare Bewusstsein des Menschen von seiner Besonderheit und Einzigartigkeit und diese auch zum Ausdruck bringen zu können, als auch von anderen festgestellte Einzigartigkeit und Besonderheit. Inwiefern die Individualität überhaupt auslebbar ist, ist in der Gesellschaft oft umstritten. Oft existiert ein Ideal des Individualismus, welches bei Essgewohnheiten, Inneneinrichtungen, Musikgeschmack und vielem mehr eine tragende Rolle spielt. Ein immer präsentes Thema sind zum Beispiel Models. Schaut man in Zeitschriften oder ins Fernsehen sieht man immer eine bestimmte Körperform die gerade „in“ ist. In den 50er-Jahren beispielsweise galten Frauen mit ein paar Kilos mehr auf den Hüften als Schönheitsideal. In den heutigen Medien sieht man oft nur noch sehr schlanke Frauen und durchtrainierte Männer mit beinahe unerreichbaren Körpermaßen. Als Folge werden viele junge Frauen magersüchtig um dem und ständig eingetrichterten Ideal zu entsprechen oder leiden an fehlendem Selbstbewusstsein weil sie nicht der Norm entsprechen. Erscheint uns das Verhalten anderer logisch und gut nachvollziehbar, ahmen wir es oft nach oder übertragen es. So folgen wir Trends und bilden uns Umfeld orientiert eine Meinung zu Themen die gerade in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Doch verlangt einem die Orientation an anderen wenig Kreativität, Eigeninitiative und Individualität ab. Individualität ist also in dieser Hinsicht nicht verwirklichbar und völlig utopisch. Zudem scheint Individualität in vielen Punkten unrealistisch, da es selten Menschen gibt, die sich einfach in den Mittelpunkt stellen und etwas „Anderes“ machen. Niemand aus der Gesellschaft möchte nämlich alleine dastehen, aufgrund seines „Anderssein“. Ein anderer Punkt, der für utopische Individualität spricht, ist, dass man, auch wenn man anders ist, trotzdem in ein anderes Muster passt. Nimmt man beispielsweise Punks kann man sagen, dass in der Masse jeder aussieht wie der andere. Jeder trägt entweder einen Irokesen oder gefärbte Haare. Fast jeder Punk zeichnet sich mit einer Lederjacke und einem Paar Springerstiefeln, sowie Nieten und verschiedenste Aufnäher von Punkbands aus. Die Individualität Winstons wird sich in unserer Inszenierung durch einige Szenen zeigen. Dafür charakteristisch sind insbesondere die Momente, bei denen er in sein Tagebuch schreibt und gegen das System rebelliert. Doch auch bei dem Zwei-Minuten-Hass zeigt sich, dass Winston erst mit seinen Arbeitskollegen abfällig gegen einen Verräter äußert, er jedoch kurze Zeit später aus der Menge herausbricht, abseits steht und Parolen gegen die Partei in den Zuschauerraum schreit.

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Übung: Individuelle Merkmale und Eigenschaften

Jeder Schüler bekommt mit Klebeband einen Zettel auf den Rücken geklebt und einen Stift in die Hand. Jetzt gehen alle durch den Raum und schreiben bei ihren Mitschülern positive Eigenschaften oder Merkmale auf den Zettel. Diese können das Aussehen, das Verhalten, die Sprache oder etwas anderes betreffen. Überlegt ganz in Ruhe, was diese Person von den anderen unterscheidet und versucht, bei jedem eurer Mitschüler etwas anderes zu schreiben. Die Übung geht so lange, bis jeder Schüler jedem seiner Mitschüler etwas auf den Rücken geschrieben hat. Am Ende setzen sich die Schüler nach und nach auf den „heißen Stuhl“ und wählen einen Mitschüler, der ihnen ihre Eigenschaftenliste vorliest. Ziel der Übung ist es, besondere Merkmale und Eigenschaften der einzelnen Personen hervorzuheben und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Klassengespräch: Individualität

Wann kannst du deine Individualität ausleben? Hast du ein Hobby, welches deine besonderen Eigenschaften hervorhebt (Singen, Tanzen)? Wann bist du Teil der Gemeinschaft? Welche deiner Eigenschaften und Merkmale kommen im Klassenverband am besten zur Geltung? Wie bist du, wenn du in der Schule oder mit Freunden unterwegs bist? Und wie bist du im Urlaub, mit deiner Familie oder alleine? Fallen dir Unterschiede auf? Hast du unterschiedliche Hobbys oder Gewohnheiten? Warum, denkst du, ist das so?

Klassengespräch: Eine Welt, in der alle Menschen gleich sind

Stell dir vor, alle Menschen auf der Welt wären genau gleich. Sie sähen gleich aus, hätten die gleichen Interessen und Fähigkeiten. Wie wäre das? Welche Vorteile und welche Nachteile hätte das? Sammle zuerst Argumente dafür und dagegen. Dann bilde dir eine Meinung: Fändest du das gut oder schlecht?

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e. Die Diktatur des Konsums und der Selbstoptimierung Ständig ist Werbung im Fernsehen, zwischen Filmen, aber auch im Internet oder auf den Straßen zu sehen. Dennoch stellt sich häufig die Frage, welches Ziel anhand der immer laufenden Werbung verfolgt wird. Werbung will, dass du unglücklich bist. Sind die Menschen glücklich kaufen sie nichts. Die, bei unglücklichen Menschen, innere Leere wird oft durch ein Produkt gefüllt, welches zuvor in der Werbung präsentiert wurde oder auf einem Plakat gesehen worden ist. Um also das Ziel einer möglichst hohen Konsumierung zu erreichen, werden den Menschen große Mengen an Werbung gezeigt. Manche Fernseher oder Mediatheken lassen es zu, die Werbung per Mausklick zu überspringen, demnächst soll dies jedoch durch ein Patent von Philips nicht mehr möglich sein. Aber nicht nur die Werbung schränkt uns in unserem Konsum ein sondern auch die Technik. Häufig richtet sich die Jugend nach der Leistung und des Standes ihres Handys in der gegenwärtigen Technik. Mittlerweile werden die meisten technischen Geräte sogar so erstellt, dass sie kurz nach Garantie ihre Funktion verlieren und kaputt gehen. Somit sind wir also dazu verpflichtet ein neues Gerät zu kaufen und das alte zu ersetzen. Dennoch lassen wir uns nicht nur durch den Konsum, sondern auch durch uns und das soziale Umfeld einschränken. Die oft übermäßige Anpassung an äußere Zwänge, so wie gesellschaftliche Erwartungen oder Ideale, geben uns das Gefühl von Minderwertigkeit und führen uns zu der Selbstoptimierung. Schneller, höher, weiter. Weniger schlafen, aber produktiver und schneller Arbeiten. Es geht immer darum eine perfektere Version seiner selbst zu erstellen. Um sich an seine selbst erstellten Regeln und Richtlinien zu halten, kontrollieren sich die Menschen immer und immer mehr, rund um die Uhr. Sensoren am Körper, Programme auf dem Laptop und Apps auf den Smartphones ermöglichen uns eine Selbstkontrolle, um das Ziel eines Ideals zu erreichen. Dank der so weit schon fortgeschrittenen Technik, wird uns ermöglicht, unseren Schlafanteil messen zu lassen. Jedoch war das nicht immer so. Das große Interesse an Selbstoptimierung war zwar schon lange vor unserer Zeit vorhanden, jedoch in weit anderem Maße: Der zu der Zeit 37-jährige Goethe fing 1796 eine Art Tagesbilanz zu verfassen. Über 35 Jahre lang notierte er jeden Tag die Entwicklung seiner Werke, wann er zum Essen ging, wann er sich mit wem traf und welche Spazierwege er wählte. Thomas Jefferson folgte dem Prinzip und notierte 56 Jahre lang alle Ausgabe... viele weitere Personen führten solche Systeme bis zu der Gegenwart fort, doch geht es in der heutigen Gesellschaft nur darum, besser als jemand anders sein zu können und ein perfektes Selbstbild leisten zu können.

Übung: In der Werbung

Stellt euch vor, ihr arbeitet in der Werbe-Branche. Entscheidet euch für ein Produkt, welches ihr verkaufen wollt und überlegt, wie ihr dieses am besten zur Schau stellen könnt. Wie könnt ihr eure Mitschüler manipulieren, sodass sie das Produkt kaufen? Ihr könnt für eine Messe ein Plakat entwerfen und oder eine Live-Werbung einstudieren und vorstellen.

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f. Chinas digitaler Plan für den besseren Menschen Süddeutsche Zeitung, Nr.116, Samstag/ Sonntag, 20./21. Mai 2017 Stellen Sie sich eine Welt vor, in der ein allwissender und allsehender digitaler Mechanismus mehr weiß über Sie weiß als Sie selbst. Ein Algorithmus, der Ihnen dabei helfen kann, sich zu bessern und doch noch ein Ehrlicher, ein Vertrauenswürdiger zu werden. Ein System, das Ihnen dafür billige Kredite verschafft und Zugang zu Regierungsjobs. Wäre das nicht eine gerechte, eine harmonische Welt? China probiert gerade etwas komplett Neues. Eine Gesellschaft, wie sie die Welt so noch nicht gesehen hat; eine Diktatur, die sich digital neu erfindet. Ein "Amt für Ehrlichkeit", eine App, die einem ausrechnet, ob man ein anständiger Bürger ist, elektronische Ratings, die bestimmen, ob einer noch ein Flugzeug besteigen darf. In China wird gerade mithilfe von Big Data an einem besseren Menschen gebastelt. Einem Menschen nach dem Bilde der Partei. In drei Jahren soll er da sein. Ist doch ganz einfach, sagt Zhang Zheng, der Professor. "Es gibt gute Menschen, und es gibt schlechte Menschen. Nun stell dir eine Welt vor, in der die Guten belohnt und die Schlechten bestraft werden." Eine Welt, in der der eine stets den Vortritt hat, weil er Vater und Mutter ehrt, immer über den Zebrastreifen geht und alle seine Rechnungen bezahlt. In der ein solcher Mensch im Zug ein Bett in der luxuriösen "Weich schlafen"-Klasse kaufen darf und bei der Bank Kredit bekommt, der andere aber nicht: der Nachbar, der bei der Hochschulaufnahmeprüfung geschummelt hat, der raubkopierte Filme herunterlädt und dessen Frau trotz Familienplanungspolitik gerade ein vom Staat unerwünschtes Kind zur Welt gebracht hat. Denn ein solcher Mensch ist ein Vertrauensbrecher. Im Jahr 2020, so Chinas Plan, ist das "System für Soziale Vertrauenswürdigkeit" landesweit erstmals umgesetzt. Das Ziel, in den Worten der Regierung: "Die Vertrauenswürdigen sollen frei unter dem Himmel umherschweifen können, den Vertrauensbrechern aber soll kein einziger Schritt mehr möglich sein." Für das Buch 2 der SZ habe ich sie besucht. Den Wirtschaftsprofessor in Peking, der ganz aufgeregt ist ob der Möglichkeiten des Systems, mit dem man endlich betrügerischen Unternehmen und unehrlichen Zeitgenossen das Handwerk legen könne. "Das gab es noch nie in der Geschichte der Menschheit, das gibt es noch nirgendwo auf dem Erdball", sagt er. "Wir sind die Ersten! Aufregend ist das." Das "Amt für Ehrlichkeit" im Küstenstädtchen Rongcheng, wo sie in einem Pilotprojekt die Möglichkeiten des Rankings ausloten, wo sie die Menschen einteilen von AAA (Vorbildliche Ehrlichkeit, mehr als 1050 Punkte) bis D (Unehrlich, weniger als 599 Punkte). Wo sie Hundehaufen auf öffentlichem Rasen ebenso mit Herabstufung bestrafen wie das Verbreiten von "Gerüchten" in den sozialen Netzwerken. Und wo Nachbarschafts-Parteisekretär Dong Jiangang stolz berichtet von den Eltern, die zu ihm kämen, um sich vor der Hochzeit des Kindes über den Punktestand von potenziellen Schwiegersöhnen zu erkundigen: Schwiegersohn-Schufa. Besucht habe ich auch den Schriftsteller Murong Xuecun, der die Rückkehr des Totalitarismus, diesmal im digitalen Gewande prophezeit. Ein schwarzer Spiegel für unsere Demokratien, wo Unternehmen und Behörden ganz eigene Big-Data-Träume träumen. Und eine ganz neue Versuchung für all jene autoritären Herrscher, die George Orwells 1984 nicht als Mahnung lesen, sondern als Gebrauchsanweisung.

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VIII. Szenen zum Nachspielen

Wir haben euch zwei Szenen aus dem Stück 1984 herausgesucht, um euch einen weiteren Einblick in die Geschichte zu verschaffen. Die erste Szene ist auch die erste Szene im Stück und damit eine Art Einleitung. Die zweite Szene ist der erste richtige Auftritt von O’Brien. Vorher hört man nur seine Stimme oder sieht ihn im Hintergrund, ohne dass er etwas sagt. Vorbereitung: Lest euch die Szenen gemeinsam durch und überlegt euch, wie sie aussehen könnte. In eurem Kopf soll ein Bild entstehen, seid deshalb so detailliert wie möglich. Wie ist die Atmosphäre? Wie sieht der Raum aus, in dem die Szene spielt? Entscheidet, wer welche Rolle übernimmt und überlegt euch, wie ihr die Person darstellen wollt. Welche Körperhaltung hat die Figur? Spricht sie laut oder leise? Ihr könnt die Texte auch leicht abändern solange der Sinn der gleiche bleibt. Da die zweite Szene sehr kurz ist, kann sie auch mehrmals von verschiedenen Paaren gespielt werden. So könnt ihr vergleichen, auf welche Art und Weise eine Rolle unterschiedlich dargestellt werden kann. Texte können verschieden interpretiert werden und es gibt kein ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ in der Figurenentwicklung. Ihr könnte auch bewusst mit Unterschieden spielen. Was passiert mit der Szene, wenn eine der Figuren hinkt oder lispelt, sich ständig entschuldigt, ganz steif geht oder andere Auffälligkeiten hat? Spielt die Szenen euren Mitschülern vor, diese sollten darauf achten, ob ihr die eben besprochenen Sachen umsetzt. Regieanweisungen sind kursiv geschrieben, sie werden nicht gesprochen. Nachbereitung: Sprecht über das, was eure Mitschüler euch vorgestellt haben. Waren die Texte gut verständlich? Habt ihr die Rollen erkannt? Worin unterscheiden sich die Figuren? Welche körperlichen Merkmale hatten sie? Was könnte man noch verbessern? Was, glaubt ihr, werdet ihr auf der Bühne sehen? Wenn ihr das Stück schon gesehen habt: Seid ihr einverstanden mit unserer Interpretation der Rollen? Was würdet ihr anders machen?

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Szene 1 WINSTON (stumm) STIMME/ MODERATOR PARSONS SYME MUTTER WINSTON sitzt alleine an einem Schreibtisch, vor ihm ein Buch. Er sieht sich ängstlich um. Man hört eine Stimme, der Sprecher bleibt jedoch unsichtbar. STIMME In diesem Moment wurde es real: Er begann, Tagebuch zu führen. Würde es

entdeckt, stände darauf die Todesstrafe. Es ließ sich unmöglich feststellen, ob und wann man überwacht wurde. Man

konnte nur vermuten, wie oft oder über welches System die Denkpolizei eine bestimmte Person überwachte. Es war sogar vorstellbar, dass sie jeden zu jeder Zeit überwachte.

In kleinen, unbeholfenen Buchstaben schreibt WINSTON das aktuelle Datum auf die erste Seite des Buches. Er denkt nach und kritzelt das aktuelle Datum weg. In der Mitte, unter das Datum, schreibt WINSTON in größeren Zahlen „1984“. Winston stockte einen Moment. Ob es 1984 war, wusste er nicht mit

absoluter Sicherheit, man konnte das Datum jetzt nur noch innerhalb eines ungefähren Zeitraums von ein oder zwei Jahren bestimmen. Ob er das Tagebuch weiter schrieb oder nicht, machte keinen Unterschied. Die Denkpolizei würde ihn so oder so schnappen. Auch wenn er den Stift niemals aufs Papier gesetzt hätte, er hätte es begangen, würde es begangen haben: das zentrale Verbrechen, das alle anderen beinhaltete. Das Denkverbrechen. Denkverbrechen konnten nicht ewig verborgen bleiben. Früher oder später wurde man geschnappt. Jegliche Spur von allem, was man je getan hatte, wurde getilgt, die bisherige Existenz wurde geleugnet und dann vergessen. Man wurde gelöscht, ausgemerzt: ‚entpersont’ war die übliche Bezeichnung. Für wen, fragte er sich plötzlich, schrieb er dieses Tagebuch? Für die Zukunft. Für die Ungeborenen. Sein Denken kreiste für einen Moment um das zweifelhafte Datum auf der Seite und landete dann mit Vehemenz bei dem Neusprech-Wort Doppeldenk.

WINSTON sieht hoch. Eine Gruppe von Menschen ist jetzt im Raum. Der MODERATOR, ein Mann um die 60, spricht, während er lesend über WINSTONS Schulter sieht, eine sanfte, wohlwollende Präsenz. Es ist seine Stimme, die man gehört hat.

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MODERATOR Doppeldenk. Wie soll man mit der Zukunft kommunizieren können? Es war ihrem Wesen nach unmöglich. Entweder wäre die Zukunft ähnlich wie die Gegenwart, in diesem Fall würde sie ihn ignorieren. Oder sie wäre anders, und seine Worte wären bedeutungslos. Er schrieb dieses Tagebuch für die Zukunft. Für die Ungeborenen. Für uns.

Der MODERATOR schlägt das Buch zu.

Das ist der Moment. Ein Gedanke wird zur Tat, und alles, alles Folgende wird unabwendbar. Ungeachtet der Konsequenzen seiner Tat, versucht dieser Mann, als sein Stift das Papier berührt, die Welt zu verändern.

Die anderen im Raum sehen einander an. WINSTONS Irritation angesichts seiner Umgebung spiegelt sich in den Blickwechseln der anderen.

Natürlich ist der Text als solcher wichtig, nicht der Name, der auf dem Titelblatt steht. Er besetzt einen singulären Platz in unserem kollektiven Unbewussten – selbst wenn man ihn nie gelesen hat. Dieser Bericht – sein Autor – imaginiert eine Zukunft – imaginiert uns – und bittet uns zuzuhören. Aber was sagt er?

PARSONS Mich überkam so ein Gefühl, als ich ihn las. Ich fühlte mich plötzlich glücklich

beim Lesen! Allgemeines Zustimmungs-Gemurmel von der Gruppe. SYME Ich dachte, ich kenne ihn, aber meine Erinnerung war völlig falsch. Ich habe

mir alles Mögliche vorgestellt, bevor ich anfing, und jetzt bin ich – na ja – wie fängt man überhaupt an, über etwas zu reden, das zum Bedeutendsten gehört, das je zu Papier gebracht wurde?

MODERATOR Genau. MUTTER Er ist wunderbar. Ich finde ihn wirklich wunderbar. Ich habe das wirklich

gefühlt. Also, ich bin nicht sicher, dass ich immer genau weiß, was es – SYME Das ist der springende Punkt. Es geht um die Ungewissheit, die

Unmöglichkeit, wirklich zu wissen, egal was. MODERATOR Letztlich verlangt er von uns, dass wir zwei widersprüchliche Dinge

gleichzeitig glauben – und beide akzeptieren. Es geht immer um mehr als eine Sache.

PARSONS Austerität. Unpopuläre Politik, ständiger Krieg, Ungewissheit. MUTTER Liebe. Die Zukunft. Hoffnung. Menschlichkeit. Freiheit. SYME Unterdrückung. Folter. Aufstände. Revolution. PARSONS Die Vergangenheit betrachten und von einer besseren Zukunft träumen.

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MUTTER Genau. SYME Wobei er so wunderbar diese ganze Vorstellung von objektiver Wahrheit

zerstört; dass es eine feststehende, wahre Realität gibt. Woher weiß man, dass irgendetwas in dieser Welt real ist? Wenn man das Buch gelesen hat, ist man ein anderer Mensch. Man fühlt anders. Man denkt anders. Es verändert alles. Und es bleibt ewig wahr. Es ist eine Zukunftsvision, egal, wann man es liest.

PARSONS Es ist eine Warnung. Ein Ruf zu den Waffen. Er will, dass wir rebellieren. Dass wir die Bildschirme abschalten und auf die Straße gehen. Dass wir die Welt betrachten und sagen: „Das ist nicht gut genug.“ So wie die Sache steht. Die Einschränkung unserer Freiheit. Die Korruption. Die Lügen. Er möchte, dass wir etwas unternehmen, koste es, was es wolle. Koste es, was es wolle.

SYME Genau das sage ich ja – PARSONS Ich zitiere den, äh, an einem Punkt sagt er: „Wir hätten ihnen nie vertrauen

dürfen. Wir hätten ihnen nie vertrauen dürfen.“ MUTTER Es ist alles sehr... Alle wenden sich ihr zu.

Nur ... Wir sind in seinem Kopf. Ja? Er imaginiert uns, und... Wenn man’s genauer bedenkt. Es ist alles subjektiv.

Sie sieht WINSTON direkt an. Alle sehen zu WINSTON. Sie sind Winston.

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Szene 2 WINSTON O’BRIEN O’BRIEN Winston. Was glauben Sie, wo Sie sind? WINSTON Die Schokolade ... O’BRIEN Denken Sie nach, Winston. WINSTON Ich bin bei der Arbeit. In der Kantine. O’BRIEN Gut. Und? WINSTON Und die Partei sagt, dass die Schokoladenration um zwanzig Gramm erhöht

wird. Aber ich glaube, ich erinnere mich, dass sie gestern ... ich weiß, dass sie...

O’BRIEN Ja. WINSTON Gestern wurde sie um zwanzig Gramm erhöht. Jeden Tag wird die

Schokoladenration um zwanzig Gramm erhöht. Es sind immer zwanzig Gramm. Und alle tun so, als ob sie es nicht merken. Oder vielleicht können sie’s wirklich nicht.

O’BRIEN Doppeldenk. WINSTON Fühlt es sich so an, wenn man verrückt wird? Bilde ich mir Ihre Stimme nur

ein? Nein, Sie können mich hören. O’BRIEN Ich kann Sie hören, Winston. WINSTON Ich schreibe Tagebuch. Einen Bericht. Beweise – dass es in all diesem

Wahnsinn einen Menschen gab, der an der Wahrheit festhielt. Ich sehe, wie die Zukunft aussehen wird. Eine Zukunft frei von der Partei. Die Menschen reden und denken frei. All dies wird sich ändern. Es muss sich ändern.

WINSTON keucht vor Anstrengung, eigenständig zu denken.

Ich bin nicht verrückt. Es gibt die Wahrheit, und es gibt die Fakten. Freiheit

bedeutet, die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei vier ist. Weil es so ist. Zwei und zwei ist vier. Zwei und zwei ist vier.

Ich dachte, dass ich für die Zukunft schreibe, die Ungeborenen. Aber jetzt denke ich, dass ich für Sie schreibe.

O’BRIEN Wir werden uns treffen, Winston... WINSTON/O’BRIEN ... an dem Ort, wo es keine Finsternis gibt.

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IX. Ein kleiner Theaterknigge Liebes junges Publikum, Theater lebt von den Zuschauern, vom Spiel der Schauspieler mit den Zuschauern, von den Reaktionen der Zuschauer. Ohne euch hat Theater also keinen Sinn. Damit dieses Zusammenspiel funktionieren kann, müsst ihr aber bitte an Folgendes denken: Zeit: Es wirkt für alle sehr entspannend, wenn vor der Vorstellung genug Zeit ist, um noch einmal zu verschnaufen. Denn nur entspannte Zuschauer sind gute Zuschauer! Also kommen Sie bitte rechtzeitig vor Beginn der Vorstellung ins Theater. Rucksäcke: Taschen, Rucksäcke und Ranzen dürfen nicht mit in den Zuschauerraum genommen werden. Bitte lassen Sie daher die Sachen im Foyer. Da wir keine Haftung übernehmen können, bitte die Wertsachen entnehmen und in die Hosentaschen stecken oder am besten in der Schule lassen. Essen&Trinken: Bitte erinnern Sie ihre Schüler daran, dass die Schauspieler gerade in diesem Moment nur für sie spielen und sie nicht im Kino oder vor dem Fernseher sitzen. Deshalb ist es während der Aufführung nicht erlaubt zu essen und zu trinken. Toilette: Während der Vorstellung auf die Toilette zu gehen, stört sowohl die Darsteller als auch die übrigen Zuschauer. Wir bitten darum, sich entsprechend zu organisieren und vorher genügend Zeit einzuplanen um noch den Toilettengang zu ermöglichen. Gespräche: Gespräche während der Vorstellung stören die anderen Zuschauer und die Schauspieler. Denn, wenn alles was auf der Bühne gesprochen oder gesungen wird überall zu hören ist, hat es zur Folge, dass alles, was im Zuschauerraum an Geräuschen entsteht, ebenso auf der Bühne zu hören ist. Also am besten: Merkt euch, worüber ihr reden wolltet und hebt euch die Gespräche für nach der Vorstellung auf. Handy: Bitte alle Handys ausschalten, sobald der Zuschauerraum betreten wird. Das ‚Lautlos’ stellen reicht nicht aus, da auch das Vibrieren in der Hosentasche ablenkt und die Funkstrahlung des Handys die Technik des Theaters stört. Auch alle anderen technischen Geräte wie Smartphone, iPhone, iPad, iPod, Fotoapparat... ausschalten. Das Fotografieren oder Filmen während einer Theatervorstellung ist nicht erlaubt! Applaus: Der Applaus ist der wohlverdiente Lohn der Schauspieler für ihre Leistung. Zudem bezeugt er den Respekt vor der Arbeit des gesamten Teams. Den Besucher kostet er nichts, also seid großzügig mit Applaus, wenn euch die Vorstellung gefallen hat, und rennt nicht sofort aus dem Saal, wenn der Vorhang gefallen ist. Zusammengefasst: Alle Beteiligten auf und hinter der Bühne geben bei jeder Vorstellung alles. Selbst wenn euch das Stück, die Inszenierung oder die Schauspieler nicht gefallen, haben sie dafür Respekt verdient. Verhaltet euch bitte dementsprechend, damit der Theaterbesuch ein tolles Erlebnis werden kann.

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X. Lesevorschläge Falls Sie noch mehr zum Thema Orwell, Überwachung und Kontrolle lesen möchten haben wir hier noch zwei Buchtipps für sie zusammengestellt. Kernpunkte der Texte

- „Das elektronische Schleppnetz. Technische Bausteine zur Total-Kontrolle des Volkes“ von Norbert F. Pötzl

- „Technisches Paradies oder Wahnsinn. Ein Resümee“ von Werner Meyer-Larsen aus dem

Buch „Der Orwell-Staat. Vision und Wirklichkeit“ Orwells Relevanz heute Fest steht, Orwells Szenario in 1984 kann als Gegenwart angesehen werden, aber auch vermieden werden. Wir leben in einer Welt, in der die Apparate zur Datensicherung derart unübersichtlich geworden sind, dass diese kaum noch zu erkennen und zu verstehen sind. Moderne Überwachungstechniken, wie die Datensicherungssysteme des Staatsapparates, als Beispiel könnte da die Datenbank Interpol dienen, erschaffen einen gläsernen Bürger und schaffen es fast spielerisch, sich über jeden einzelnen Menschen ein „Bild“ zu machen, ohne dass wir direkt etwas davon mitbekommen. Bereits im „Orwell Jahr“ 1984 war die Welt im Aufschwung und Umbruch durch den technischen Wandel und die daraus resultierenden Möglichkeiten. Ein besonderes Ereignis war im November des Jahres in Deutschland die Einführung des Personalausweises: alle Bundesbürger wurden mit einem computergerechten Plastik-Personalausweis ausgestattet, auf dem sich sämtliche relevanten Angaben zu der jeweiligen Person befinden. Für den Staat damals und heute noch ein Schritt in die Systematisierung der Bürger*innen, für Kritiker ein Schritt in die Überwachung. Um sich selbst vor den Gefahren der digitalen Welt und ihren Folgen zu schützen ist es nötig, sich gewissenhaft und ausführlich mit den positiven und negativen Aspekten dieser Technik auseinander zu setzen. Denn nur wer sich informiert, ist wirklich aufgeklärt.

- „The Circle“ von Dave Eggers Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim "Circle", einem freundlichen Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz so ein Ziel der "drei Weisen", die den Konzern leiten wird es keinen Schmutz mehr geben im Internet und auch keine Kriminalität. Mae stürzt sich voller Begeisterung in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterneköche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren, wo internationale Popstars Gratis-Konzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze. Doch eine Begegnung mit einem mysteriösen Kollegen ändert alles.

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XI. Quellenverzeichnis http://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/33699/totalitarismus?p=all http://www.sparknotes.com/lit/1984/themes.html https://lektuerehilfe.de/george-orwell/1984/epoche/totalitarismus https://www.kulturstadtlev.de/fileadmin/media/forum/download/Materialmappe_1984_ohne_Zeitungsartikel.compressed.pdf http://www.spiegel.de/forum/politik/ueberwachung-nordkorea-sie-wissen-alles-ueber-jeden-thread-166377-1.html https://www.bpb.de/dialog/europawahlblog-2014/182587/austeritaetspolitik-sparen-um-jeden-preis