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Inhalt

TITEL01 FREUDENBERGProtest oder Widerstand?

BETRIEB UND GEWERKSCHAFT

03 ERSTERMAI (I)Impressionen

04 ERSTERMAI (II)Angst vor kurdischen Fahnen?

THEORIE05 KAPITALISMUSÜberwindungdurchKlassenkampf(Teil II)

GESCHICHTE

07 1917Die Bauernfrage im Zentrum?

RÜCKBLENDE / TERMINE

08 PLAKATAKTIONUnser Leben ist mehr wert alsIhre Profite

08 Termine

Rhein-Neckar Beilage zur Avanti34 / Juni 201 7

ISO Rhein-Neckar

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W einheims Oberbürgermeister Heiner Bernhard undErster Bürgermeister Torsten Fetzner waren am 27.April 2017 zur Einweihung der neuen, auf das Freu-

denberg-Firmengelände führenden Fußgängerbrücke ge-

kommen. Im Beisein der regionalen Presse wollten sie alsErste mit dem Rad das Bauwerk überqueren und offizielleinweihen.Zu ihrer Überraschung wurden sie von rund 200 Freuden-

Abbau bei Freudenberg?Beschäftigte beleben die Einweihung der Weinheimer Langmaasbrücke

Liebe Leserinnen und Leser,der Sommer naht – und die Attacken des Kapitals aufdieExistenz und die Rechte der arbeitenden Klasse im Rhein-Neckar-Dreieck gehen weiter.In der vorliegenden Avanti² informieren wir deshalb erneutüber den geplanten Abbau bei Freudenberg.Angriffe wie diese sind für uns ein Grund mehr, sich wiedermit den Vorschlägen von Karl Marx zur Bekämpfung des Ka-pitalismus zu beschäftigen.Wir blicken zudem nicht nur aufden 1 . Mai 2017, sondernnoch viel weiter aufdas russische Revolutionsjahr 1917 zu-rück.Wir hoffen aufEuer Interesse an diesen Themen!

Eure Redaktion

Fortsetzung auf Seite 2

ProtestgegenAbbaubeiFreudenbergam

27.04.2017inWeinheim.

Foto:Avanti².

K. W.____

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Juni 201 7BETRIEB UND GEWERKSCHAFT2Fortsetzung von Seite 1berg-Beschäftigten und KollegInnen aus anderen Betriebender Region empfangen, die den Politikern den Weg versperr-ten. Sie nutzten die Einweihung, um gegen den von der Kon-zernleitung beabsichtigten Personalabbau bei FreudenbergPerformance Materials (FPM) und bei Freudenberg Filtrati-on Technology (FFT) zu protestieren. Mit Trillerpfeifen undSprechchören sowie mit Plakaten und Spruchbändern ver-schafften sie ihrer Empörung über das Management Aus-druck.Der BR-Vorsitzende von FPM, Christian Schütz, der zustän-

dige Bezirkssekretär der IG BCE aus Mannheim, Oliver Oster,sowie der Vorsitzende der Ortsgruppe Weinheim der IG BCE,Helmut Schmitt, machten in ihren Ansprachen deutlich, dassdie geplante Schließung der Logistik und die weitere Verlage-rung von Produktion nicht länger widerstandslos hingenom-men würden.Die Komplettschließung der FPM Logistics träfe 180 Be-

schäftigte. Würden Teile, wie zum Beispiel das Schneid-zentrum, innerhalb der Freudenberg Gruppe in Weinheimweitergeführt, würden trotzdem noch 110 Arbeitsplätze ver-nichtet.Könnte sich das Management mit seinen weiteren Abbau-

plänen durchsetzen, würden zusätzlich bei FPM Apparel rund50 Kolleginnen und Kollegen ihre Stellen verlieren.Die beabsichtigte Schließung der FPM Logistic muß im Zu-

sammenhang mit der geplanten Verlagerung von mehr als derHälfte der Fertigung bei FFT gesehen werden. Bei FFT sinddadurch etwa 70 Arbeitsplätze in Produktion und in produk-tionsnahen Bereichen betroffen.Für die Betriebsräte handelt es sich um eine von oben, von

der Konzernleitung geplante konzertierte Aktion. Damit sol-len „Kosten“ auf dem Rücken der Beschäftigten eingespartwerden.

Abbau trotz Rekordgewinnen?Die geplanten Abbau-Maßnahmen fallen in eine Zeit, in der die Auf-tragsbücher voll sind und das Konzernergebnis im Vergleich zumVorjahr nahezu verdoppelt worden ist. Trotzdem sollen weitere Ar-beitsplätze vernichtet werden. Dies mache für die Betriebsräte deut-lich, dass es Freudenberg vor allem um Profitmaximierung gehe.Dies wollten sie aber nichtmehr länger akzeptieren.

Noch in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts haben bei Freu-denberg inWeinheim weit über 12.000 ArbeiterInnen und Ange-stellte gearbeitet. Heute sind dort noch nicht einmal mehr 5.000Menschen beschäftigt. Dies bedeutet einen dramatischen Ar-beitsplatzverlust für Weinheim und die Region.Die protestierenden Beschäftigten und der Vertreter der IG

BCE Weinheim forderten die Rücknahme der Schließungs- undVerlagerungspläne. Sie machten deutlich: Unsere Arbeitsplätzeund unser Leben sind mehr wert als die Freudenberg-Profite!Der Oberbürgermeister wurde aufgefordert, sich mit den von

Entlassungen bedrohten Beschäftigten zu solidarisieren und sichstärker für die Erhaltung der Stellen in Weinheim einzusetzen.Diese Verpflichtung ergebe sich nicht nur aus wirtschaftlichenGründen für die Stadt Weinheim, sondern auch aus der Ver-pflichtung durch den Grundgesetz-Artikel 14, Absatz 2: „Eigen-tum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle derAllgemeinheit dienen.“OB Bernhard wies auf seine beschränkten Einfluss-Möglich-

keiten hin. Er versprach aber, die Konzernverantwortlichen indieser Angelegenheit zu kontaktieren und zu schauen, wasmachbar ist.

Ein Auftakt für weitere Proteste?Illusionen in die Aussagen des Oberbürgermeisters hatte wohlkaum jemand. Die Beteiligten an der Aktion waren sich einig,dass diese der Auftakt für weitere Gegenwehr sein müsse. Nur sokönnten die Pläne der Konzernleitung von Freudenberg durch-kreuzt und der geplante Personalabbau verhindert werden.Es müsse zweigleisig verfahren werden. Öffentlich wirksame

Proteste wie zum Beispiel anläßlich der Brückeneinweihungmüss-ten von direkten betrieblichen Aktionen begleitet werden, welchedie Konzernleitung unter Druck setzen.Ausdrücklich begrüßt wurde die Unterstützung durch das

„Überbetriebliche Solidaritätskomitee Rhein-Neckar“. Es hattekurzfristig einige Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Be-trieben der Region zur Unterstützung der Freudenberg-Beschäf-tigten mobilisiert. Der BR-Vorsitzende von FPM, Christian Schütz,wies in diesem Zusammenhang aufdie gemeinsame Betroffenheitaller Betriebe hin, in denen rationalisiert, abgebaut oder verlagertwerde. Die Solidarität der Beschäftigten sei die wichtigste Waffegegen die Spaltungsmethoden des Kapitals.

Foto:Avanti².

Unterstützung durch das Überbetriebliche Solidaritätskomitee am 27.04.2017 in Weinheim.

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BETRIEB UND GEWERKSCHAFT 3Juni 201 7

Impressionen vom 1 . Mai 201 7 in Mannheim

Foto: Rosa Secher.Dem Regen und den Entlassungen trotzen.

Spitze der 1 . Mai-Demo erstmals ohne PolitikerInnen.

KollegInnen aus dem Gesundheitsbereich für bessere Arbeitsbedingungen.

Demo-LKWder Gewerkschaftsjugend.

GE-Kollegen und Unterstützer. Kundgebung aufdem Marktplatz.

Fotos: Wenn nicht anders gennant [email protected].

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Juni 201 7BETRIEB UND GEWERKSCHAFT4

Das kurdische Flaggenverbot, der DGB, und dieAusladung des kurdischen Vereins*

ROLAND SCHUSTER_____________

Die diesjährige Mai-Demonstration und Mai-Kundgebung waren ein Erfolg. Undtrotzdem gab es großes Ärgernis, über dasman nicht einfach hinweggehen sollte.

I n einer Pressemitteilung, über dieauch der Mannheimer Morgen berich-tete, und in einem bei der Mai-Kund-

gebung des DGB verteilten Flugblattwenden sich das kurdische Gemein-schaftszentrum Mannheim/Ludwigsha-fen und einige andere kurdische undlinke türkische Organisationen gegen dieHaltung des Mannheimer DGB.Entgegen den Vorjahren wurde dem

kurdischen Verein in diesem Jahr aufdem Marktplatz, dem Kundgebungsplatzder Maifeier, kein Platz für einen Imbiss-Stand zur Verfügung gestellt.Begründet wurde das Vorgehen von

Seiten der verantwortlichen Personen desDGB mit den Problemen, die Mitgliederdes Vereins im letzten Jahr bereitet hät-ten. Drei Flaggen mit dem Konterfei desPKK-Führers Abdullah Öcalan sind da-mals während der Mai-Demo gezeigtworden. Der polizeiliche Einsatzleiter hatmit einem Einsatz gedroht und den Be-ginn der Demonstration um eine halbeStunde verzögert. Am Imbiss-Stand warzeitweise ebenfalls eine Öcalan-Fahne zusehen. Ein DGB-Ordner, der sich berufensah, die polizeilichen Auflagen umzuset-zen, verlangte das Abhängen der Fahne.Dies sei erst nach mehrmaligen Ermah-

nen und nur widerwillig geschehen.Die entstandenen Probleme wurden

und werden „den Kurden“ angehängt.Schuld ist immer der Gärtner – sind al-

so die Kurden auch Schuld?Eigentlich mag es ja läppisch erschei-

nen, dass sich der Konflikt an einemKonterfei eines Mannes ergibt, der seit1999 im Hochsicherheitstrakt gefangengehalten wird. Warum darf man diesesGesicht nicht zeigen?

Höhere Politik?Aber hier geht es um höhere Politik.Es gibt das sog. PKK-Verbot seit 1993.

Dieses „Betätigungsverbot“ für Anliegender PKK schließt das Zeigen von mittler-weile 60 Fahnen und Symbolen des kur-dischen Widerstands ein. Auch dasZeigen des Bildes von Öcalan fällt unterdies Verbot. Öcalan ist für viele, wahr-scheinlich für die meisten, Kurden eingroßes Symbol des Widerstandes. Am 2.März dieses Jahres wurde dieses Verbotnochmal verschärft und ausgeweitet.Kenner der Materie sagen zu Recht, dassdieses Verbot einem allgemeinen politi-schen Betätigungsverbot für Kurdengleichkommt.Dieses Verbot ist skandalös, da es die

bekanntermaßen undemokratische undkurdenfeindliche Politik des türkischenStaatspräsidenten Erdogan legitimiert.Zur Durchsetzung des Flaggenverbots

wurde, wie die polizeiliche Einsatzleitungunumwunden zugibt, ein großes Polizei-aufgebot von mindestens 12 Polizeitrans-portern bereitgehalten. Außerdem wolltedie Polizei ein Zusammengehen von Kur-dInnen und Antifa verhindern. Da es fürdie Polizei zu keinen besonderen Zwi-schenfällen gekommen ist, war ein poli-zeilicher Einsatz nicht notwendig. Diekurdische Community hat im Vorfeld sehrdarauf geachtet, dass keine Symbole ge-zeigt werden, die als Provokation gesehenwerden könnten.Und was macht der DGB?Im Flugblatt des kurdischen Vereins

heißt es:„Es ist die Aufgabe der Gewerkschaf-

ten, auch des DGBs, an der Seite der Un-terdrückten zu sein. Es ist absolutunakzeptabel, wenn die Gewerkschaftender Logik des Unterdrücker-Staats folgenund sich genauso verhalten würden.“*[Aus: Kommunalinfo Mannheim vom04. Mai 2017. Zwischenüberschrift: Re-daktion Avanti². ]

Kurdische AktivistInen bewachen die türkisch-syrische Grenze bei Kobane im November 2014. Foto:PhotothèqueRouge/ChrisDenHond.

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THEORIE 5Juni 201 7

Ohne Klassenkampfkeine Überwindung des Kapitalismus (Teil I I )

O. H.____

In Avanti² vom Mai 201 7 haben wir den ersten Teil dieses Textes (zum „theoreti-schen Klassenkampf“) veröffentlicht. Hier folgt nun der zweite und letzte Teil zum„wirtschaftlichen“ und zum „politischen Klassenkampf“ aus der Sicht von Marxund Engels.

2. Der praktisch-ökonomischeKlassenkampf

Der praktisch-ökonomische Klassenkampfdes Proletariats richtet sich gegen die wirt-schaftlicheMacht der Bourgeoisie. Vorrangi-ges Ziel dieses Teils des Klassenkampfes istdie tatsächliche Verbesserung der wirt-schaftlichen Lage der arbeitenden Massenschon vor dem Sieg der Revolution, alsonoch innerhalb des Kapitalismus und derbürgerlichen Gesellschaft.Wie die proletarische Partei für den politi-

schen Kampf, so ist die Gewerkschaft not-wendig für den ökonomischen Kampf. Siesoll gleichzeitig Organisatorin und Schuledes Klassenkampfes sein. Ihr Existenzrechtist politisch mit der Koalitionsfreiheit durch-gesetzt worden.Der doppelte Zweck der gewerkschaftli-

chen Koalition liegt in der Aufhebung derKonkurrenz unter den ArbeiterInnen einer-seits und der Schaffung einer allgemeinenFront gegen die KapitalistInnen andererseits.Die Hauptaufgaben bei der Verbesserung

der wirtschaftlichen Lage der ArbeiterInnen

waren (und sind) die Verkürzung der Ar-beitszeit, insbesondere die Einführung desAchtstundentages, der Kampf um höhereLöhne und verbesserte Arbeitsbedingungen- vor allem für Frauen undKinder, für derenArbeit ein Mindestalter gefordert wurde.Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie eineallgemeine Sozialgesetzgebung waren vonAnfang an Kernthemen der Gewerkschafts-bewegung.Marx und Engels bewerteten solche Rege-

lungen als Fortschritte, obwohl das Proleta-riat oft viel weitergehende und vor allem viel

Foto: Avanti².Marx-Monument in Chemnitz.

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Juni 201 7THEORIE6

radikalere Forderungen erhoben hatte.Marx und Engels kritisierten offen die

meist nur langsam stattfindenden Verbesse-rungen der Arbeits- und Lebensbedingun-gen der arbeitenden Klasse. Sie ließen auchkeinen Zweifel an der Unvollkommenheitfast aller Regelungen, die zumindest zumTeil aus der Furcht der Bourgeoisie vor demProletariat resultierten.Die Hauptkampfform zur Durchsetzung

von ökonomischen Forderungen ist derStreik, der die KapitalistInnen an ihremschwächsten Punkt trifft – der Produktionselbst und ihrem Streben nach Profit.

3. Der politische KlassenkampfDie dritte Form des proletarischen Klassen-kampfes ist der politische Kampf. Er wirdin erster Linie von proletarischen Parteiengeführt, deren Aufbau und Existenz Marxund Engels zufolge von zentraler Bedeu-tung war (und ist).Sie gingen davon aus, dass eine sozialisti-

sche Gesellschaft erst auf den fortschritt-lichen wirtschaftlichen Grundlagen derbürgerlichen Gesellschaft aufgebaut werdenkann. Deshalb müsse es auch ein wichtigesZiel proletarischer Parteien sein, gegen re-aktionäre Tendenzen, Strömungen undHerrschaftsformen zu kämpfen.Dies geschehe zusammen mit der Bour-

geoisie und dem Kleinbürgertum, soferndiese gegen die absolute Monarchie unddas feudale Grundeigentum auftreten.Solange Presse- und Redefreiheit, Ko-

alitionsfreiheit oder allgemeines Wahl-recht noch nicht erkämpft worden sind,unterstütze die proletarische Parteigrundsätzlich alle Bewegungen, um diesedurchzusetzen.Dabei sollen die Einzelheiten der Politik

an die tatsächlichen Umstände in den je-weiligen Ländern angepasst werden. Jedeproletarische Partei müsse sich nationalund international organisieren.Wenn sich die bürgerliche Gesellschaft

durchgesetzt hat, verändert sich der politi-sche Kampf des Proletariats. Er geht übervom Kampf gegen vorbürgerliche Gesell-schaftsformen zumKampfgegen die bürger-liche Gesellschaft und ihre herrschendenKlasse selbst.Die Forderung nach Einführung der allge-

meinen Wehrpflicht dient der Ausbildungder ArbeiterInnen an derWaffe und soll dieFähigkeit zur Selbstorganisation und Selbst-verteidigung ermöglichen.Gleichwohl hat die proletarische Partei,

parlamentarisch und außerparlamenta-risch, offensiv den Kampfgegen den Kriegzu führen. Dieser besitzt einen Doppelcha-rakter als Herrschaftskrieg nach außen (ge-gen andere Staaten) und nach innen (zurUnterdrückung der arbeitenden Klasse).Krieg und Bürgerkrieg sind die letzten Mit-tel der herrschenden Klasse, um eine sozia-le Revolution zu verhindern.Die Organisationen und Vereinigungen

des Proletariats, insbesondere ihre Par-tei(en), sollen auch bei der Unterstützung

anderer (politischer) Parteien und Strö-mungen eine absolute Selbständigkeit be-halten. Sie sollen sich jeder Vereinnahmungerwehren und der Anpassung an den Re-formismus widersetzen.Marx und Engels zufolge sind die Sozia-

listInnen „praktisch der entschiedenste,immer weitertreibende Teil“ sowohl allerParteien als auch des Proletariats in seinergroßen Masse, weil sie „theoretisch vor derübrigen Masse des Proletariats die Einsichtin die Bedingungen, den Gang und die all-gemeinen Resultate der proletarischen Be-wegung voraus“ hätten.Auch deshalb sollten sich proletarische

Parteien mit eigenen KandidatInnen anWahlen beteiligen und damit Aufklärungs-arbeit leisten. Ihre Arbeit im Parlamentsollten sie zur Propagierung und zur Ver-breitung der eigenen politischen und sozia-len Ziele nutzen.Eine Beteiligung an einer bürgerlichen

Regierung lehnten Marx und Engels ab, dader proletarischen Partei nicht nur wirkli-che Gestaltungsmöglichkeiten fehlten, son-dern sie zudem für alle Handlungen dergesamten Regierung verantwortlich ge-macht würde.Proletarische Parteien verteidigen nicht

nur bürgerlich-demokratischen Freihei-ten und Rechte im Kapitalismus, sondernversuchen sie soweit als möglich auszu-bauen und für die Stärkung der Arbeite-rInnenbewegung und die Überwindungdes Kapitalismus zu nützen.

Foto: Avanti².Leider immer noch geschlossen, Chemnitz im Februar 2017.

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GESCHICHTE 7Juni 201 7

Russland 1 91 7

Die Bauern und die RevolutionMANUEL KELLNER____________

Eine der vielen Lügen der Stalinschen Fälscherschule ist die Behauptung ge-wesen, Trotzki habe die „Bauernfrage“ unterschätzt. In Wirklichkeit steht inTrotzkis Schrift Ergebnisse und Perspektiven (der russischen Revolution nach1 905) das Gegenteil.

Schon 1906 war es Trotzkis Meinungnach entscheidend, die Aufgabender bürgerlichen Revolution zu lö-

sen. In deren Mittelpunkt stand dieAgrarreform, das heißt die Befreiung derbäuerlichen Bevölkerungsmehrheit ausden halbfeudalen Verhältnissen Russ-lands.Welche der beiden völlig entgegenge-

setzten Gesellschaftsklassen konnte dieseFrage lösen und den Bauern das Land ge-ben? Aus Trotzkis wie aus Lenins Sichtwar das russische Bürgertum dazu nichtin der Lage. Das Proletariat, die Arbeiter-Innenklasse, konnte und musste diesesProblem im Bündnis mit der Bauern-schaft lösen.Im Gegensatz zu Lenins Position bis

April 1917 war Trotzki allerdings außer-dem der Meinung, dass die ArbeiterIn-nenklasse zusammen mit den ärmstenSchichten der Bauernschaft dafür die po-litische Macht erobern musste. Fernerhatte sie einen – nationalen wie interna-tionalen – Prozess der „permanenten Re-volution“ auszulösen. Dazu sollten aucherste „sozialistische Maßnahmen“ im ei-genen Interesse gehören.Umgekehrt würde die russische Arbeiter-

Innenklasse die politische Macht niemalserobern können, ohne sich auf die bäuer-liche Bevölkerungsmehrheit und derenKampfgegen Großgrundbesitzer, Kirchen-und Klostereigentum zu stützen.

Agrarfrage – Fundament der RevolutionDas Kapitel über „Die Bauernschaft“ inTrotzkis Geschichte der russischen Revolu-tion beginnt mit dem Satz: „Das Funda-ment der Revolution bildete dieAgrarfrage“. Nach der Februarrevolution1905 war es aufdem Lande zunächst ver-hältnismäßig ruhig geblieben. Die jungenMänner waren als Soldaten an der Front,die älteren erinnerten sich an furchtbareStrafexpeditionen. Doch ab März zeigten

sich die ersten Erscheinungen eines Bau-ernkrieges.Die bürgerlichen Kräfte und die ihnen

beipflichtenden „gemäßigten“ Sozialis-tInnen warnten davor, die Agrarfrage zuschnell aufzuwerfen – aus Angst davor,die Bauernbewegung könnte aus demRuder laufen.Erste handfeste Konflikte ergaben sich

daraus, dass die Gutsbesitzer die Früh-jahrsaussaat zurückhielten – obwohl derBoden angesichts der schwierigen Ernäh-rungslage nach Bebauung schrie. Außer-dem begannen die Gutsbesitzer ausAngst vor Enteignungen, ihre Güter zu li-quidieren, indem sie sie an reiche Bauern– Kulaken – verkauften, die ihrer Mei-nung nach eher vor Enteignungen ver-schont würden.Die Formen, die der bäuerliche Kampf

annahm, wurden im Lauf der Monateimmer radikaler. Zu Anfang dominierteder Wunsch, die Konflikte nicht zuzuspit-zen, sondern die Großgrundbesitzerdurch Argumente und gute Worte zu

überzeugen.Der allrussische Bauernkongress in Pe-

trograd im Mai 1917 drückte noch diegemäßigten Stimmungen aus. Wie meistbei repräsentativen Körperschaften blieber hinter dem sich rasant entwickelndenBewusstsein an der Basis zurück. Derrechte Flügel der Sozialrevolutionäre gabdort den Ton an.Trotzdem forderte dieser Kongress im-

merhin: „Übergang des gesamten Bodensin den Besitz des Volkes zur ausgleichendenwerktätigen Benutzung ohne jegliche Ablö-sung.“ Diese Formel bedeutete für dieGroßbauern ihre Gleichstellung mit denGroßgrundbesitzern. Von den kleinen Bau-ernfamilien und den LandarbeiterInnenwurde sie aber radikal demokratisch inter-pretiert. Dieses „kleine Missverständnis“,kommentiert Trotzki, würde sich erst in „derZukunft“ auflösen. Ohne dies wäre der Ok-toberumsturz nicht denkbar gewesen.

Russische Bauern in Kopyle bei Kolki ca. 1916. Foto: Austrian National Library; Public Domain.

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Juni 201 78 RÜCKBLENDE / TERMINE

ISO Rhein-NeckarPostfach 10 26 10D-68026 MannheimFon/Fax: +49 (0) 621 / 156 40 46Email: [email protected]: www.iso-4-rhein-neckar.de

ISO/IV. InternationaleWer wir sind und was wir wollen

D ie Internationale Sozialistische Organisation (ISO) ist Teil der1938 gegründeten IV. Internationale. Sie ist in über 50 Län-dern aktiv und hält grundlegende Probleme der Welt –

Krieg, Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger –im Rahmen der kapitalistischen Gesellschafts- und Wirt-schaftsordnung nicht für lösbar. Sie strebt eine selbstverwaltetesozialistische Demokratie an, die die Ausbeutung des Menschendurch den Menschen beendet. Deshalb fördert die ISO alle Be-mühungen, aktiv und gemeinsam mit anderen politischen Strö-mungen für die sozialen Errungenschaften, demokratischen

Rechte und wirtschaftlichen Interessen insbesondere der arbei-tenden Klasse einzutreten. Sie unterstützt den Kampfgegen Ras-sismus, Frauenunterdrückung und jede Art von Diskriminierung.Sie setzt sich für den Erhalt der Umwelt ein. Sie fordert die politi-sche, rechtliche und soziale Gleichstellung aller in der Bundesre-publik lebenden Menschen und die völlige Gleichstellung derGeschlechter. Ziel der ISO ist es, das Vertrauen der Menschen inihre eigene Kraft zur radikalen Veränderung zu stärken. DerSchwerpunkt ihrer Aktivitäten liegt in den außerparlamentari-schen Kämpfen.

V.i.S.d.P.: ISO, 68026 Mannheim

TERMINE (weitere Infos bei der ISO Rhein-Neckar)

• DO, 01.06.2017, 15:00 Uhr, Überbetriebliches Solikomitee,Gewerkschaftshaus MA

• SA, 03.06.2017, 15:00 Uhr, „Stoppen wir die Rechten und das Kapi-tal!“, Zentrale ISO-Veranstaltung (mit Olivier Besancenot u.a.), Köln(Mitfahrgelegenheiten ab MA)

• DI, 06.06.2016, 19:00 Uhr, „NATO-Ost-Erweiterung: Kriegsgefahroder friedliche Alternative?“, Bürgerhaus Neckarstadt-West, Luther-str. 17-19, MA,

• FR, 23.06.2017, 19:00 Uhr, ISO-Veranstaltung zu aktuellemThema, MA

• DO, 29.06.2017, 15:00 Uhr, Überbetriebliches Solikomitee,Gewerkschaftshaus MA

„Unser Leben ist mehr wert als ihre Profite!“

Mit einer Plakataktion haben wir am 1.Mai in Mannheim die Parole „UnserLeben ist mehr wert als ihre Profite!“

durch wesentliche Forderungen gegen dieAngriffe des Kapitals ergänzt und konkreti-siert.Die Brutalität von Konzernen wie Gene-ral Electric zeigt deutlich auf, wie drin-gend eine strategische Neuausrichtung desgewerkschaftlichen, betrieblichen und po-litischen Widerstands ist.

H. N.___

PlakatderISO/IV.InternationaleRhein-Neckaram

01.05.2017inMannheim.

Foto:Avanti².