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2 Biomechanik 2.1 Einleitung 2.1.1 Biomechanik Die Biomechanik, als Teilgebiet der Biophysik, be- fasst sich mit Funktionen und Strukturen von Be- wegungsapparat und mit Bewegungen von biologi- schen Systemen. Methodik und Messgrößen werden von der klassischen Mechanik übernommen und auf biologische Organismen und Objekte angewendet. Fragestellungen stammen aus der Ergonomie (z.B. Arbeitsplatzgestaltung, Werkzeuge, Arbeitsabläufe), der Medizin (Anatomie, Neurophysiologie, Ortho- pädie), aber auch aus der Biologie (z.B. tierische oder pflanzliche Bewegung und Strukturen). Neben der Biologie und Medizin spielt die Biomechanik ei- ne wichtige Rolle im Leistungssport, teilweise auch im Theater. Wie in der klassischen Mechanik kann man zwi- schen Statik, Dynamik und Kinematik unterschei- den. Wir konzentrieren uns hier vor allem auf die Statik und diskutieren Muskelmechanik und - energetik, elastische und plastische Verformungen im Zusammenhang mit Knochen und Wirbelsäu- le. Andere Themen der Biomechanik, die wir hier nicht abdecken können, sind Fortbewegung auf dem Land (inklusive Stehen), Fortbewegung im Was- ser (Hydrodynamik, Schwimmen, Geißelbewegung) und Fortbewegung in der Luft (Aerodynamik, Flie- gen). Die Biomechanik des Blutkreislaufes wird im folgenden Kapitel 3 ausführlicher behandelt. Als Beispiel für die mechanischen Grenzen des menschlichen Körpers können die verschiedenen Gelenkarten dienen, mit denen unterschiedliche Sta- bilität und Bewegungsfreiheit verbunden sind. Im Laufe der Evolution wurden diese für unterschied- liche Gelenke und Randbedingungen entwickelt und optimiert. Abbildung 2.1: Gelenkarten des menschlichen Kör- pers. [11] 2.1.2 Dimensionsbetrachtungen Statische Belastungen wurden evolutionsgeschicht- lich ein Problem als die Lebewesen vom Wasser ans Land wechselten. Sie mussten jetzt ”lernen”, sich aufrecht zu halten und ihr Körpergewicht (und allen- falls das ihrer Beute) zu tragen. Diese Notwendig- keit ist stark größenabhängig. So ist es z.B. für Grä- ser wesentlich leichter, ihr eigenes Gewicht zu tra- gen, als für hohe Bäume: Das Gewicht nimt mit der dritten Potenz der linearen Dimension zu, die Stärke des Stammes mit seinem Durchmesser, also mit dem Quadrat. Damit eine Pflanze (oder ein Tier) sein eigenes Ge- wicht tragen kann, muss die Querschnittsfläche pro- portional zum darüber liegenden Gewicht zuneh- 33

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2 Biomechanik

2.1 Einleitung

2.1.1 Biomechanik

Die Biomechanik, als Teilgebiet der Biophysik, be-fasst sich mit Funktionen und Strukturen von Be-wegungsapparat und mit Bewegungen von biologi-schen Systemen. Methodik und Messgrößen werdenvon der klassischen Mechanik übernommen und aufbiologische Organismen und Objekte angewendet.Fragestellungen stammen aus der Ergonomie (z.B.Arbeitsplatzgestaltung, Werkzeuge, Arbeitsabläufe),der Medizin (Anatomie, Neurophysiologie, Ortho-pädie), aber auch aus der Biologie (z.B. tierischeoder pflanzliche Bewegung und Strukturen). Nebender Biologie und Medizin spielt die Biomechanik ei-ne wichtige Rolle im Leistungssport, teilweise auchim Theater.

Wie in der klassischen Mechanik kann man zwi-schen Statik, Dynamik und Kinematik unterschei-den. Wir konzentrieren uns hier vor allem aufdie Statik und diskutieren Muskelmechanik und -energetik, elastische und plastische Verformungenim Zusammenhang mit Knochen und Wirbelsäu-le. Andere Themen der Biomechanik, die wir hiernicht abdecken können, sind Fortbewegung auf demLand (inklusive Stehen), Fortbewegung im Was-ser (Hydrodynamik, Schwimmen, Geißelbewegung)und Fortbewegung in der Luft (Aerodynamik, Flie-gen). Die Biomechanik des Blutkreislaufes wird imfolgenden Kapitel 3 ausführlicher behandelt.

Als Beispiel für die mechanischen Grenzen desmenschlichen Körpers können die verschiedenenGelenkarten dienen, mit denen unterschiedliche Sta-bilität und Bewegungsfreiheit verbunden sind. ImLaufe der Evolution wurden diese für unterschied-liche Gelenke und Randbedingungen entwickelt undoptimiert.

Abbildung 2.1: Gelenkarten des menschlichen Kör-pers. [11]

2.1.2 Dimensionsbetrachtungen

Statische Belastungen wurden evolutionsgeschicht-lich ein Problem als die Lebewesen vom Wasser ansLand wechselten. Sie mussten jetzt ”lernen”, sichaufrecht zu halten und ihr Körpergewicht (und allen-falls das ihrer Beute) zu tragen. Diese Notwendig-keit ist stark größenabhängig. So ist es z.B. für Grä-ser wesentlich leichter, ihr eigenes Gewicht zu tra-gen, als für hohe Bäume: Das Gewicht nimt mit derdritten Potenz der linearen Dimension zu, die Stärkedes Stammes mit seinem Durchmesser, also mit demQuadrat.

Damit eine Pflanze (oder ein Tier) sein eigenes Ge-wicht tragen kann, muss die Querschnittsfläche pro-portional zum darüber liegenden Gewicht zuneh-

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men, also F ∝ m ∝ h3. Beim letzten Schritt habenwir angenommen, dass die Masse proportional zurdritten Potenz der Höhe zunimmt. Der Durchmessersollte somit d ∝ h3/2 zunehemen. Man verwendetdafür auch den ”Schalnkheitsgrad” h/d. Dieser soll-te somit h/d ∝ h−1/2 sein.

Pflanze Höhe / m h/dRoggen 1.5 500Bambus 25-40 133Palmen 30-40 60Tanne 70 42

Eukalyptus 100 28Sequoien 100 15

Offenbar stimmen die Daten qualitativ mit dieser Er-wartung überein. Die Abnahme ist allerdings stärkerals nach dem einfachsten Modell zu erwarten. Diesdeutet darauf hin, dass noch andere Effekte eine Rol-le spielen als das Tragen des Gewichts.

2.1.3 Das motorische System des Menschen

Die Themen, die in diesem Kapitel diskutiert wer-den, befassen sich in erster Linie mit dem motori-schen System (=Bewegungsapparat) des Menschen.Dieses dient uns zur Aufrechthaltung gegenüber derSchwerkraft und zur Bewegung. Es umfasst die Kno-chen, die Muskulatur, sowie das Nervensystem. Wei-tere Hilfselemente sind Sehnen, Knorpel, Gelenkeund Schütz- und Schmierelemente wie Schleimbeu-tel. Im Rahmen dieses Kapitels diskutieren wir Kno-chen und Muskulatur.

2.2 Grundbegriffe derElastizitätstheorie

2.2.1 Deformationen

1. Die einzelnen Teile eines makroskopischenKörpers sind gegeneinander verschiebbar. De-formationen erfordern eine Kraft, die von derArt der Deformation sowie der Art des Kör-pers abhängt. Es wird zwischen zwei grundle-genden Deformationen unterschieden. Bei der

ersten ändert sich die Form, bei der zweiten zu-sätzlich das Volumen:

Abbildung 2.2: Formänderungen.

• Nur Formänderung: Scherungen, Biegungen,Drillungen

• Auch Volumenänderung: Kompression, Dila-tation

Festkörper sind form- und volumenelastisch, siewehren sich gegen alle Arten von Deformationenund kehren in ihre ursprüngliche Gestalt zurück,wenn die Beanspruchung aufgehört hat. Erst wenndie Beanspruchung eine gewisse Grenze überschrei-tet, dann beginnt das sogenannte plastische Flie-ßen, das bei einer weiteren Steigerung der Beanspru-chung zum Bruch führt.

2.2.2 Elastische und plastische Verformung

Das Verhalten von Materialien unter Zugbelastungkann mittels einer Prüfmaschine ermittelt werdenund in einem Spannungs-Dehnungs-Diagrammaufgetragen werden 2.3:

Man kann folgende Bereiche unterscheiden:

• Elastischer Bereich: Die Dehnung gehorchtdem Hookeschen Gesetz. In diesem Bereichist die Verformung verschwunden, wenn keineSpannung mehr wirkt.

• Plastischer Bereich: Verformungen bleibengrößtenteils auch ohne Spannung erhalten.

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Dehnung ΔL/L

elastischer

Bereich

plastischer Bereich

(irreversibel)Bruch

SpannungF/A

Hysterese

Abbildung 2.3: Spannungs-Dehnungs-Diagramm.

Die zur Verformung aufgewendete Arbeitkann nicht vollständig zurückgewonnen wer-den. Die plastische Verlustenergie W =V

∮dε σentspricht der Fläche, die von der Hy-

steresekurve eingeschlossen wird.

• Bruchpunkt: Bei dieser Dehnung bricht oderzerreißt der Körper.

Auf mikroskopischer Ebene erzeugt man im plasti-schen Bereich Defekte und / oder verschiebt die De-fekte innerhalb des Gitters. Beim Bruchpunkt ver-größert sich ein solcher Defekt schlagartig bis aufdie Dimensionen des gesamten Körpers.

Diese unterschiedlichen Bereiche findet man bei bio-logischen Materialien genau so wie bei kristalli-nen Festkörpern. Allerdings sind biologische Ma-terialien meistens wesentlich komplexer und häufignicht homogen, sondern auf unterschiedlichen Ebe-nen strukturiert und an unterschiedlichen Orten un-terschiedlich stark. Ein wichtiger Aspekt bei der Op-timierung ist die Verschiebung des Bruchpunktes zumöglichst hohen Werten von Spannung und Deh-nung. Dazu muss vor allem vermieden werden, dassmikroskopische Defekte (Risse) sich zu schnell aus-breiten.

2.2.3 Spannung

Spannungen sind Kräfte, die in einem Körper oderMaterial pro Flächeneinheit wirken. Man beschreibtdie wirkenden Spannungen durch Zerlegung des

Körpers in kleine Volumenelemente, auf die dieseKräfte wirken. Unter den Spannungen erleiden dieVolumenelemente Formänderungen.

dF dFn

dFtA

Abbildung 2.4: Zerlegung einer Spannung inNormal- und Schubspannung.

Spannung ist der Quotient aus der wirkenden Kraft∆~F und dem Flächenelement ∆A, an dem dieseKraft angreift: ~S = ∆~F

∆A . Sie wird unterteilt in Nor-malspannungen, bei denen die Spannung senkrechtzum Flächenelement angreift, und in Schubspan-nungen, wo sie parallel zur Fläche wirkt.

Der Spannungszustand an einem bestimmten Punktin einem Körper wird im Allgemeinen durch einensymmetrischen Tensor 2.Stufe beschrieben. Er be-sitzt 6 unabhängige Größen, in der Diagonalen ste-hen die Normalspannungen und in den Außerdiago-nalelementen die Schubspannungen. Da die Span-nung als Funktion des Ortes variiert entspricht wirdsie in einem ausgedehnten Körper als Tensorfeld~S(~r) beschrieben.

Jede Belastung kann in elementare Belastungenzerlegt werden. Bei Zug- und Druckspannungenoder bei Biegungen treten reine Normalspannungenauf. Bei Scherung und Torsion treten reine Schub-spannungen auf.

2.2.4 Dehnung

Eine elastische Verformung wird beschrieben durchdie Veränderung der Geometrie eine Körpers un-ter den wirkenden Kräften. Im einfachen Fall ei-nes Würfels (als Volumenelement) kann zum Bei-spiel eine Längenänderung ∆l stattfinden, wobei

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die rechten Winkel erhalten bleiben. Als Dehnungbezeichnet man die relative Längenänderung ε =∆ll . Stauchungen sind negative Dehnungen.

Spannung und Dehnung sind voneinander abhängig.In den weitaus meisten Körpern existiert zudem fürniedrige Spannungen ein Bereich, in dem eine linea-re Beziehung gilt, welche für Federn als Hooke´scheGesetz bekannt ist:

σ = Eε [E] = Pa =N

m2

wobei die Proportionalitätskonstante E als Elastizi-tätsmodul (=Youngscher Modul) bezeichnet wird.Bei Stahl beträgt er etwa 200GPa, und bei Gummi(und auch in etwa bei Muskeln) weniger als 0.1GPa.Knochen mit E=15GPa haben in etwa die elastischenEigenschaften von Holz (13GPa).

Material E/GPa µ G/GPa σB/MPaAl 70.6 0.34 26.5 147

Stahl 206 0.28 80.4 981Diamant 1100Gummi 0.1-0.01 0.5

Bandscheibe 0.005

Abbildung 2.5: Dehnung von vulkanisiertem Gum-mi bei Zug.

Da das Hookesche Gesetz bei biologischen Materia-lien wie z.B. Gummi nur in einem kleinen Bereichgilt, ist eine sinnvolle Definition der differentielleElastizitätsmodul 1

Ediff= dε

dσ .

2.2.5 Volumenänderung

Wird ein Körper gedehnt indem eine Normalspan-nung angelegt wird, so findet man im Allgemei-nen nicht nur eine Änderung der Länge in Rich-tung der Normalspannung, sondern ebenso eine Än-derung der Ausdehnung senkrecht zu dieser Rich-tung. In den meisten Fällen handelt es sich um ei-ne Kontraktion; man spricht von Querkontraktion.Wie für die Dehung findet man einen linearen Be-eich, in dem die transversale Längenänderung pro-portional ist zur Spannung und damit zur Längenän-derung in Zugrichtung.

Δd/2 F

Δl

Fd

l

Abbildung 2.6: Querkontraktion eines Zylinders.

Wir betrachten als Beispiel einen Zylinder, der inAchsenrichtung gedehnt wird. Die Verringerung ∆rseines Radius r schreiben wir als relative Änderungεr = ∆r

r = −µ∆ll . Das Verhältins der Querkontrak-

tion zur Dehnung heißt Poisson-Zahl µ.

Aus der Dehnung und der Querkontraktion berech-nen wir die Volumenänderung: Das Volumen desentspannten Zylinders beträgt

V = πr2l.

Durch die Spannung ändert sich die Länge um ∆lund der Radius um ∆r, das Volumen also um

∆V = 2πr∆rl + πr2∆l = V (2∆rr + ∆l

l )

Mit Hilfe des oben eingeführten Parameters µ kanndies geschrieben werden als ∆V

V = ε(1 − 2µ). FürGummi ist µ = 0.5. Somit verschwindet hier dieVolumenänderung.

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2.2.6 Scherung

Eine Schubspannung τ bewirkt, dass alle zur Flächesenkrechten Kanten eines Quaders um einen Winkelα = ∆x/lgekippt werden. Man bezeichnet dies alsScherung. Der Schwerwinkel ist im linearen Bereichproportional zur Schubspannung: τ = Gα.

Abbildung 2.7: Scherung eines Würfels.

Der Proportionalitätsfaktor G ist der Torsions- oderSchubmodul. Da die Schubspannung die gleicheEinheit besitzt wie die Zugspannung (=Pa), besitztauch der Schubmodul diese Einheit. Materie ist all-gemein leichter durch Scherung als durch Dehnungverformbar ist, d.h. G < E. Dies kann man sich da-durch plausibel machen, dass hier in erster Näherungdie Bindungswinkel, aber nicht die Abstände zwi-schen den Atomen ändern.

Ähnlich wie der Schubmodul kleiner ist als derSpannungsmodul ist auch die Bruchspannung fürScherung kleiner als für Stauchung. Knochenbrüchefinden deshalb häufig unter kleinen Winkeln statt.

2.3 Knochen

2.3.1 Aufbau

Knochen sind die wesentliche Voraussetzung dafür,dass höhere Organismen eine definierte Form auf-weisen. Sie dienen, zusammen mit Muskeln undSehnen für die Fortbewegung sowie andere moto-rische Tätigkeiten. Außerdem haben sie eine schüt-zende Funktion (z.B. Schädel für das Gehirn).

Eine Übersicht über den Aufbau von Knochen ist inder Abbildung 2.8 zu sehen.

Knochen müssen unterschiedliche Kräfte auffangenkönnen, welche sowohl als Dehnung, Stauchung,

Abbildung 2.8: Aufbau von Knochen.

Biegung, Torsion oder Scherung wirken können undmüssen dementsprechend auf alle diese Belastungenangepasst sein. Die Kräfte können zudem kontinu-ierlich oder als Schläge wirken.

Knochen sind stark mineralisiert, der organische Teilbeträgt nur einige Prozent der Zusammensetzung.Trotzdem ist der Bruchwiderstand 2 oder 3 Größen-ordnungen höher als der des Kristalls, der aus demreinen Mineral besteht.

Knochen enthalten lebende Zellen und bleiben an-passungsfähig. Belastungen führen zu entsprechen-den Verstärkungsmechanismen: Werden Knochen-zellen bei Belastungen um mehr als 0.15% gedehntso löst dies verstärkte Knochembildung aus. Dies ge-schieht indem zusätzliches Calcium eingebaut wird.Umgekehrt können Knochen auch abgebaut werden:Bleibt die Dehnung dauerhaft unterhalb von 0.05%,so wird dies als Signal verstanden, dass der Knochenunnötig stabil ist und er wird abgebaut. Diese An-passungen werden hormonell, sowie durch direkteKommunikation zwischen den Knochenzellen kon-trolliert.

Das Resultat dieser Anpassungen ist eine hochgradigoptimierte Struktur. Ähnlich wie bei Leichtbaustruk-turen im Hoch- oder Brückenbau bestehen Knochen

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Abbildung 2.9: Knochen als Leichtbaustruktur.

zu wesentlichen Teilen aus Hohlräumen. Die Stüt-zen und Stege sind so orientiert, dass sie die Lastenoptimal ableiten.

2.3.2 Extrazelluläre Matrix

Die Fähigkeit, Kräfte aufnehmen und umleiten zukönnen, darf nicht mit einem zu hohen Gewicht be-zahlt werden. Der Aufbau der Knochen ist deshalbvergleichbar mit Leichtbaukonstruktionen. Die äu-ßeren Teile sind relativ dicht, im Inneren sind dieKnochen meist mit mehr oder weniger großen Hohl-räumen durchsetzt.

Abbildung 2.10: Bestandteile der ExtrazellulärenMatrix.

Der größte Teil des Knochens besteht aus einerextrazellulären Matrix. Diese besteht zu ca. 2/3aus Calciumhydroxylapatit (Ca5(PO4)3OH). Die-ses kristalline Material verleiht dem Knochen dieKompressionsfestigkeit. Der Rest der extrazellulä-ren Matrix besteht zu 90% aus Typ I Kollagen. Diese

Protein ist vor allem für die Zugfestigkeit der Kno-chen verantwortlich.

Abbildung 2.11: Struktur von Kollagen.

Die Kollagen-Moleküle sind langkettige Polypepti-de, die sich in 3er Gruppen zu einer Helix verbindenund in regelmäßigen Abständen miteinander verbun-den sind.

Neuere Arbeiten zeigen, dass sich der organischeTeil (=Kollagen) und der anroganische Teil (=Calci-umapatit) gegenseitig beeinflussen: Sowohl die Mor-phologie der Apatitkristalle wie auch die Strukturder Proteine ist im Verband anders als in den reinenKomponenten. Insbesondere legen auch die Proteinedie Kristallisationsrichtung der Apatitkrsitalle fest,so dass deren optimale Belastungsrichtung kontrol-liert werden kann.

2.3.3 Knochenzellen und Blutgefäße

Die extrazelluläre Matrix wird von verschiedenenZellen gebildet, kontrolliert und bei Bedarf abge-baut. Der Knochen wird größtenteils von einer Kno-chenhaut aus lebenden Zellen umgeben, aber auchim Innern des Knochens befinden sich lebende Zel-len. Die verschiedenen Zelltypen werden als Osteo-blasten, Osteozyten und Osteoklasten bezeichnet.Die Osteoblasten sind für den Aufbau der extrazellu-lären Matrix verantwortlich; die Osteoklasten bauensie bei Bedarf wieder ab.

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Abbildung 2.12: Knochenzellen und ihre Versor-gung durch Blutgefäße.

Abbildung 2.13: Blutgefäße im Knochen.

Die Knochenzellen werden durch ein System vonBlutgefäßen versorgt. Man unterscheidet zwischenden Volksmannkanälen, welche senkrecht zum Kno-chen verlaufen, und den Havers-Kanälen, welche imInneren eines Osteons parallel zum Knochen ver-laufen. Die Knochendurchblutung liegt für einen ty-pischen Röhrenknochen bei ca. 40 − 120ml/(kg ·min). Bei einem 7kg Skelett ergibt das mehrere 100ml pro Minute.

2.3.4 Mechanische Eigenschaften

Knochen sind darauf optimiert, bei geringem Ge-wicht Kräfte aufzunehmen und umzuleiten. Damiteine Kraft optimal aufgenommen werden kann soll-te der Knochen möglichst starr sein. Andererseitsbedingt die Widerstandsfähigkeit gegen Stöße einegewisse Elastizität, damit die Energie aufgenommenwerden kann und nicht zu Brüchen führt.

Die Anisotropie der elastischen Konstanten zeigt,dass sie auf die vorherrschene Belastung optimiertist. Dies wird durch die anisotrope Struktur erreicht.Die Lamellenstruktur auf der Skala von einigen µmverhindert, dass Risse sich über diese Distanz aus-breiten (sofern die Belastung nicht zu hoch ist) unddamit einen Bruch des Knochens.

Knochen und ähnliche vergleichbare Materialiensind hochgradig optimiert. Künstliche Materialien,welche ähnliche Eigenschaften erreichen können nurmit aufwändigen Spezialverfahren hergestellt wer-den. Demgegenüber werden Knochen bei Tempera-turen von 37◦in wässriger Lösung hergestellt, mitsehr unterschiedlichen Formen. Diese Eigenschaf-ten gelten allgemein für harte biologische Materiali-en und werden insbesondere an Muschelschalen un-tersucht. Man versucht, deren Eigenschaften auch inkünstlichen Composit-Materialien zu nutzen (siehe,z.B. G. Mayer, Science 310, 1144-1147 (2005).).

2.3.5 Kräfte im Beckenbereich

Die Morphologie (=Form) der Knochen ist dahinge-hend optimiert, dass die darauf wirkenden Kräfte op-timal umgeleitet werden. Als Beispiel für die Kräf-tezerlegung durch die Knochenform und Muskelfi-xierung ist in den folgenden Abbildungen für denBeckenbereich zu sehen.

Abbildung 2.14: Kräfte im Beckenbereich.

Das Gewicht G0de Menschen wird im Becken aufdie beiden Beine (im Schnitt) gleichmäßig aufgeteilt.Auf jedes Hüftglenk muss somit eine Stützkraft von−1

2G0wirken.

In Gedanken zerlegen wir diese Kraft wieder in 2Komponenten: F1wirkt senkrecht, F 1́ parallel zurVerbindungsrichtung AB. Damit das System im

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MaterialElastizitätsmodul

E / GPaBruchfestigkeitσB/10 MPa

Bruchdehnung%

Al (rein, weich) 72 1.3 50α-Eisen 218 10 50

CrV-Federstahl 212 155 5Beton 40 5

Hölzer ||(⊥)Maserung

15 (1.5) 5-20 (0.3-1)

Knochen kompakt(spongiös)

18 (0.08) 12 (0.22)

Knochen || (⊥) 16 8.5 (1) 0.6 (0.2)Sehnen

(Bandscheiben)0.7 6.5 (1.1)

Menschenhaar 3.6

Tabelle 2.1: Elastizitätsmodule.

Gleichgewicht bleibt müssen im Punkt B wiederumzwei Kräfte, F2 und F 2́ wirken, welche entgegenge-setzt gleich sind.

Die beiden Kräfte F1und F2stellen dagegen einKräftepaar dar: sie erzeugen keine lineare Beschleu-nigung, aber ein Drehmoment T = 2| ~F1|l sinα,welches durch die Muskeln und Sehnen kompensiertwerden muss. Durch die beiden Kräftepaare werdenim Knochen sowohl Druck- wie auch Scherspannun-gen erzeugt.

Abbildung 2.15: Kräfte im Bereich des Oberschen-kelhals Knochens.

Der Oberschenkelknochen ist der größte Knochendes menschlichen Körpers. Er ist wie das Schien-und Wadenbein ein Röhrenknochen, das bedeutet er

besteht aus einem harten Mantel und einem weichen,mit Blutzellen gefüllten, Hohlraum. Durch die abge-winkelte Verbindung werden Stöße auf das Beckenabgemildert. Der Schenkelhals hat in dem Sinne ei-ne Stoßdämpfer-Funktion.

Abbildung 2.16: Änderung des Winkels des Ober-schenkelhals Knochens mit zuneh-mendem Alter.

Auf den Oberschenkelhalsknochen wirken beson-ders große Drehmomente und damit Biegekräfte.Der Winkel (CCD-Winkel) ändert sich im Laufe desAlters: Er beträgt bei Neugeborenen etwa 150◦, beiErwachsenen etwa 125 − 126◦ , und im Alter weni-ger als 120◦. Dadurch steigt mit zunehmendem Alterdie Gefahr eines Schenkelhalsbruches, besonders beieiner eventuell vorhandenen Osteoporose.

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Abbildung 2.17: Wirbelsäule. [24]

2.3.6 Wirbelsäule

Die Wirbelsäule besteht aus 33-34 Wirbeln, denZwischenwirbelscheiben und dem Bandapparat, deridie Wirbel gegeneinander stabilisiert. Sie weist beimMenschen eine doppelte S-Form auf. Diese dientder Erschütterungsabfederung beim Laufen. Bei derWirbelsäule treten Druck-, Zug-, Biege- und Torsi-onsbelastungen auf.

Abbildung 2.18: Wirbel.

Die Form der Wirbel variiert entlang der Wirbel-säule, wobei die Grundform einheitlich ist. Sie be-steht aus dem Wirbelkörper und dem Wirbelbogen,der das Wirbelloch umschließt. In diesem läuft dasRückenmark. Die Ausläufer des Wirbelbogens grei-fen ineinander und stabilisieren damit, zusammen

mit den Bändern, die Wirbelsäule. Die Beweglich-keit wird durch die Gelenke, die elastischen Band-scheiben, sowie die verschiedenen Bänder gewähr-leistet.

Abbildung 2.19: Druck-Stauchungsdiagramm desLendenwirbels (a), und dessenplastischer Anteil (b).

Das Druck-Stauchungsdiagramm des Lendenwir-bels zeigt, daß eine große Elastizität bei kleinenKräften vorherrscht, bei größeren Kräften eine ge-ringere. Die Belastungsgrenze liegt bei 9,4kN, dasbedeutet es sind große Belastungen möglich ohneBruch.

Im linearen Bereich schätzen wir den Elastizitätsmo-dul ab aus der Figur:

E =σ

ε=

0.5kN23.5cm2

14mm0.6mm

≈ 50bar .

Die Elastizität der Wirbelsäule (=1/E) ist damit we-sentlich größer als die von Stahl.

2.4 Belastung und Bruch

2.4.1 Belastungen der Wirbelsäule

Die Wirbelsäule muss sehr unterschiedlichen Bal-stungen standhalten.

Eine typische Situation ist in der Figur dargestellt:wir behandeln die Wirbelsäule als homogenen ela-stischen Körper, der unter einem Winkel gegenüber

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Abbildung 2.20: Spannungsverteilung.

der Vertikalen geneigt ist. Das Gewicht (oder Ge-wicht plus zusätzliche Last) ~F wirkt verikal. Wir zer-legen dies Kraft wiederum in eine Komponente par-allel und eine senkrecht zur Wirbelsäule. Die paral-lele Komponente erzeugt eine Normalspannung. DieBiegebelastung durch die senkrechte Komponenteerzeugt eine Verteilung der Schubspannung senk-recht zur Wirbelsäule. Durch die Überlagerung derbeiden entsteht eine besonders hoher Druck am un-teren Rand der Wirbelsäule.

Abbildung 2.21: Belastung der Wirbelsäule beimHeben.

Solche Belastungen sind deshalb ungünstig und soll-ten vermieden werden.

Abbildung 2.22: Belastung beim Sprung.

Ähnliche Belastungen treten auch bei Sprüngen auf(für kurze Zeiten). Man kann dabei die Spitzenbe-lastung gering halten, wenn man sie mit Hilfe derBeinmuskulatur abfedert.

Abbildung 2.23: Neutrale Faser als Linie verschin-dender Normalspannung.

2.4.2 Biegung

Wird ein Objekt gebogen, so wird es auf der einenSeite gedehnt, auf der anderen Seite komprimiert.Da die Spannung im Inneren nicht springt muss esdazwischen einen Punkt geben, wo die Normalspan-nung verschwindet. Verbindet man alle diese Punkteentlang des Körpers, so erhält man die ”neutrale Fa-ser”.

Ein fest eingespannter Stab der Dicke d, der Breite bund der Länge L biegt sich unter dem Einfluß einerKraft F , die am nicht eingespannten Ende angreift.

Abbildung 2.24: Biegung eines Balken.

Die Spannung am Einspannpunkt beträgt σ = FL2αd2b

.Der Faktor α beträgt 1/12 für einen rechteckigenQuerschnitt, und 1/28 für einen kreisförmigen.

Wenn σ > σBruch ist , dann zerreißt der Stab auf-grund des Überschreitens der Bruchspannung. DieTragfähigkeit ist proportional zu der Dicke und Brei-te, aber umgekehrt proportional zur Länge.

2.4.3 Richtungsabhängige Spannungen

Wir betrachten die Kräfte in einem Block aus homo-genem Material, das mit einer Kraft F0 auseinandergezogen wird (oder gestaucht wird). Bezüglich einerEbene, deren Normale gegen die Kraftrichtung um

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Abbildung 2.25: Biegebruch.

den Winkel β geneigt ist, sind die Normal- und Tan-gentialkraft

Fn = F0cosβ Ft = F0sinβ

Die Fläche, auf die diese Kräft wirken, ist A =A0/cosβ.

Damit werden die Spannungen

σ =F0

A0cos2β τ =

F0

A0cosβ sinβ .

Die Druckspannung nimmt deshalb kontinuierlichab mit zunehmendem Winkel β, während die Schub-spannung über ein Maximum läuft. Da Schub-spannungen eher zu Brüchen führen als Druck-spannungen findet man bei isotropen Materialienhäufig einen Bruch, der unter einem Winkel von45◦verläuft.

2.4.4 Torsion

Wir betrachten einen Zylinder (oder Draht) der Hö-he (Länge) l, der um einen Winkel ϕ verdrillt wird,d.h. die Oberseite ist gegenüber der Unterseite umdiesen Winkel gedreht. Im Inneren entsteht dadurcheine inhomogene Spannungsverteilung.

Abbildung 2.26: Normal- und Tangentialkraft be-züglich einer schiefen Ebene.

Abbildung 2.27: Winkelabhängigkeit für Druck-und Scherspannung.

Für einen Hohlzylinder mit Radius r findet man eineScherung um den Winkel α = rϕ

l . Gemäß der De-finition des Schubmoduls entspricht diesem Scher-winkel eine Scherspannung τ = Gα.

Aus der Schubspannung können wir das DrehomentM =

∫F r berechnen (F = Kraft, r = Abstand von

der Drehachse), welches diese Torsion erzeugt. Fürden betrachteten Zylinder ist die Kraft

F = τA = τ 2π r dr .

Wir integrieren das Drehmoment über sämtlichekonzentrischen Zylinder und erhalten:

M =∫ R

02πτr2dr =

∫ R

02πG

lr2dr =

π

2GR4

lϕ .

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2 Biomechanik

Abbildung 2.28: Torsion eines Zylinders.

Aufgelöst nach dem Drillwinkel φ als Funktion desDrehmomentes erhalten wir ϕ = 2M

πGR4 l.

Setzen wir diesen Wert in den Ausdruck τ = Gαein, so erhalten wir die Scherspannung als Funktiondes Drehmomentes

τ = Grϕ

l= G

r

l

2MπGR4

l =2Mr

πR4.

Die Scherspannung nimmt somit mit dem Abstandvon der Achse zu und erreicht den maximalen Wertam Rand, für r = R: τm = 2M

πR3 . Überschreitet die-ser Wert die Bruchspannung, dann erfolgt ein Torsi-onsbruch, der an der Peripherie beginnt.

2.4.5 Widerstandsmoment

Wie stark ein mechanisches Element unter dem Ein-fluss einer äußeren Kraft verformt wird hängt u. A.von seiner geometrischen Form ab. Wir diskutie-ren dies quantitativ am Beispiel eines eingespanntenStabes.

l

F

Abbildung 2.29: Einseitig eingespannter Balken mitPunktbelastung am freien Ende.

Bei einem enseitig eingespannten, exzentrisch bela-steten Balken treten in jedem Querschnitt Biegemo-mente MB =

∑i Fili auf (li: Hebelarm der Kraft

Fi). Daraus resultiert eine Biegespannung B = MBW ,

wobei W = JeR

das Widerstandsmoment ist undJ =

∫r2dF das axiale Flächenträgheitsmoment.

Es errechnet sich als Integral über alle Flächen, ge-wichtet mit dem Quadrat des Abstandes von der Be-zugsachse. eR ist der Abstand der Randfaser von derneutralen Faser.

Das Widerstandsmoment, welches angibt wie gutder Stab eine Last aufnehmen kann, hat somit dieDimension eines Volumens. Dies lässt sich qualita-tiv leicht verstehen: Je größer der Querschnitt, destogeringer die Spannung bei gegebener Kraft. Zusätz-lich führt ein großer Abstand von der neutralen Faserzu einem günstigen Hebelverhältnis.

Bei einem kreisförmigem Querschnitt (Durchmesserd) ist das Flächenträgheitsmoment J = π

64d4, bei

einem rechteckigen Querschnitt (Breite b, Höhe h)ist J = 2

12bh3.

Interessant ist auch der Vergleich zwischen einemVollzylinder und einem Hohlzylinder: der Wider-standswert für einen Vollzylinder beträgt W =π4R

3 und für einen Hohlzylinder mit innerem Ra-dius r und äußerem Radius R W = π

4R4−r4

R ≈π4R

2∆R . Damit ist er annähernd so hoch wie beimVollzylinder (sofern r nicht zu klein), bei wesentlichniedrigerem Gewicht.

2.4.6 Spannungsverteilung im Stab

Die Biegemomente eines einseitig eingespanntenBalkens unter Punktbelastung am distalen Ende neh-men linear mit dem Abstand zur Punktbelastungzu (siehe Fig. 2.30). Bei einem materialhomogenenKörper mit konstantem Querschnitt ist die Biege-spannung proportional zum Biegemoment an einemOrt. Das Dreieck in der Abbildung 2.30 zeigt dieBiegespannungen für einige Querschnitte (am jewei-ligen Ort x), senkrecht zur Körperkontur dargestellt.So eine Biegespannungsverteilung ist wichtig für dieBiomechanik.

Die Außenkontur der Biegespannungsverteilungwird als Momentenlinie bezeichnet. Sie gibt den

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2 Biomechanik

l

F

MB, max = F l

MB(x) = F x

Abbildung 2.30: Biegemomente beim einseitig ein-gespannten Balken mit Punktbela-stung.

Abbildung 2.31: Biegespannungsverteilung (oben),Momentenlinie (in der Mitte) undMomentenfläche (unten).

Verlauf des Biegemoments längs des gebogenen Trä-gers wieder. Die eingeschlossene Fläche ist ein Maßfür das Gesamtmoment und wird als Momentenflä-che oder auch Seileckfläche bezeichnet.

2.4.7 Körper konstanter Festigkeit

Man spricht von einem ”Körper konstanter (odergleicher) Festigkeit” wenn er so geformt ist, dassin jedem Querschnitt die gleichen Biegespannungenauftreten. Dies ist das Ziel einer optimalen Nutzungvorhandener Resourcen: es sollen die Stellen ver-stärkt werden, an denen die größten Kräfte auftre-ten. Außerdem vermeidet man damit, überflüssigesGewicht mitzutragen.

Die Biegebeanspruchung darf an keiner Stelle diezulässige Biegespannung BZ übersteigen. Ein Trä-

ger konstanten Querschnitts (Abbildung 2.29) kanndaher basal (= an Basis (Körper) gelegen) zu dünnund distal (= vom Körper nach außen gerichtet) zudick sein. Es ist sinnvoll, den Körper ”anzuformen”bis die Biegespannung konstant ist (zumindest in et-wa bei komplizierteren Gebilden).

Als Beispiel soll der Körper gleicher Festigkeitbei dem einseitig eingespannten Träger mit dista-ler Punktbelastung berechnet werden. Dabei soll dieBreite b konstant gehalten werden, und nur die Höheh geeignet gewählt werden. Aus der Forderung, daßdie Biegespannung über den Träger konstant seinsoll, MB,max

Wmax= MB(x)

W (x) = . . . , folgt mit dem Bie-gemoment MB(x) = Fx und MB,max = Fl so-wie dem Widerstandsmoment W (x) = 1

6bh(x)2 die

Anformungsgleichung als Höhenverteilung über dieTrägerlänge l:

h(x) = hmax

√x

l,

wobei hmax die maximale Höhe des Trägers am Ein-spannpunkt ist. Die optimale Form ist also eine Pa-rabelform des Trägers.

Abbildung 2.32: Körper gleicher Festigkeit beimeinseitig eingespannten Träger un-ter distaler Punktbelastung. [16]

2.4.8 Optimierung der Elle

Als Anwendung wird im Folgenden die Ulna (Elle)des Menschen als Körper gleicher Festigkeit disku-tiert.

Es wird angenommen, daß ein Mensch eine schwe-re Kugel (95N ) in der Hand waagerecht hält (Ab-bildung 2.33 oben). Das (Ausgangs-)Modell der Ul-na ist ein waagerechter Stab, der in der Abbildung2.33 links zu sehen ist. Die Oberarmmuskeln wer-den durch einen Seilzug mit der Kraft T1 modelliert.

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Abbildung 2.33: Ulna des Menschen als Körpergleicher Festigkeit. (Unterer Teil:[16])

Es ergibt sich eine dreieckige Momentenfläche undsymmetrische Zug- und Druckspannungen. Abgese-hen davon, daß die Werte unphysiologisch hoch sind,wäre auch der sich ergebende Körper gleicher Fe-stigkeit unförmig dick (Abbildung 2.33 links unten).

Betrachtet man zusätzlich die wirkenden zweigelen-kigen Unterarmmuskeln als Zuggurtung, dann redu-ziert dieser Seilzug die Momentenfläche, wie in derAbbildung 2.33 in der Mitte gezeigt wird. Die Span-nungsfläche ist ebenfalls reduziert, trotzdem wäreder zugehörige Körper gleicher Festigkeit immernoch zu dick.

Eine drastische Entlastung bringt die Abknickungder Ulna an der Ansatzstelle der Oberarmmuskeln(Abbildung 2.33 rechts). Auch die Biegespannungensind deutlich reduziert.

Es sind nun nur noch geringe Veränderungen nötig,um den geknickten Stab gleicher Dicke in einen Kör-per gleicher Festigkeit zu überführen: Verdickung ander Knickregion und eine Verdünnung am freien En-de. Die daraus resultierenden Umrisse ähneln schonsehr der menschlichen Ulna (Abbildung 2.33 rechtsunten). Die Endform besitzt eine geringere Masseals die Ausgangsform (gerader Stab), aber eine op-timierte Massenverteilung. Das Resultat ist eine Re-duktion von Bmax auf kaum mehr als 10% der Aus-gangswerte.

Die Abweichungen von der eigentlichen Form der

Abbildung 2.34: Menschliche Ulna.

menschlichen Ulna sind im Wesentlichen auf diebegrenzte Belastbarkeit der Gelenkknorpel und derNotwendigkeit für Ansatzstellen und Drehabständefür die Skelettmuskulatur zurückzuführen.

2.5 Muskeln

Die Muskulatur hat gegenüber anderen Gewebety-pen die Fähigkeit zur Kontraktion. Die Anregungzur Kontraktion erfolgt über elektrische Stimulationdurch Nervenzellen oder über chemische Botenstof-fe.

2.5.1 Muskeltypen

Abbildung 2.35: Die drei Muskeltypen.

Es werden 3 Typen von Muskelgewebe unterschie-den: Herz-, Skelett-, und glatte Muskulatur. Die glat-te Muskulatur stellt das ursprünglichste Muskelge-webe dar und ist hauptsächlich an den Wänden vonEingeweiden zu finden, sowie in den Augen, Atem-wegen, Haaren und Drüsen. Diese Muskulatur be-wegt sich meist langsam, kann aber lange Zeit kon-trahiert bleiben. Die Auslösung der Kontraktion er-folg durch chemische Botenstoffe.

Das Herzmuskelgewebe stellt morphologisch eineÜbergangsform zwischen glatter und quergestreif-ter Muskulatur dar. Bei den quergestreiften Muskeln

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(Herz- und Skelettmuskulatur) sind die einzelnen Fi-lamente regeläßiger angeordnet als bei der glattenMuskulatur. Dies führt zur Unterscheidbarkeit unterdem Lichtmikroskop.

Die Skelettmuskulatur ist das mit Abstand amstärksten ausgebildete Organ des Menschen und be-sitzt einen Anteil von 40 − 50◦ des gesamten Kör-pergewichtes. Hauptsächlich ist dies die Muskulaturdes Bewegungsapparates, sie wird von Nerven deswillkürlichen Nervensystems versorgt.

2.5.2 Aufbau

Abbildung 2.36: Aufbau der Muskeln.

Die Muskelfasern sind im Muskel zusammengefaßtin Muskelfaserbündel und bilden die funktionel-len Einheiten des Skelettmuskels. Jede Muskelfaser(=Muskelzelle) ist ein langer Zytoplasmaschlauch.Bei der Skelettmuskulatur fehlen die Zellgrenzenso dass eine Zelle mehrere Hundert Zellkerne be-sitzt, die am Rand liegen. Daher sind Muskelzel-len fadenförmige Zellen mit einem Durchmesser von10− 100µm, die mehrere Zentimeter lang sein kön-nen. Sie durchlaufen meist die gesamte Länge einesMuskels. Am Ende gehen sie in bindegewebsartigeSehnen über, durch die der Muskel am Knochen be-festigt ist. Sie sind eingebettet in Bindegewebe undwerden durch Blutkapillaren versorgt. Das Bindege-webe verleiht Halt und ermöglicht ein Gleiten derMuskelfasern gegenüber ihrer Umgebung.

Nerven, welche für die Aktivierung verantwortlichsind, führen zu jeder Muskelfaser. Muskeln benö-tigen eine gute Durchblutung, um Sauerstoff und

Nährstoffe zur Verfügung zu stellen. Die Durchblu-tung ist stark von der Aktivität abhängig und kannbei aktivierten Muskeln gegenüber dem Ruhezu-stand um mehr als eine Größenordnung zunehmen.

Abbildung 2.37: Aufbau einer Myofibrille.

Eine Muskelzelle ist in Hunderte von sich verkür-zenden (kontraktilen) Myofibrillen gegliedert. Siesind parallel zueinander in der Längsachse einerMuskelzelle angeordnet und durch querverlaufendeTrennwende (Z-Scheiben) in viele ungefähr 2, 5µmlange Einheiten (Sarkomere) gegliedert.

Diese setzen sich wiederum aus Aktinfilamenten(globuläre Proteine) und den Myosionfilamenten zu-sammen.

2.5.3 Muskelkontraktion

Eine Muskelkontraktion kann durch das Gleitfa-sermodell beschrieben werden, in dem Aktin- undMyosinfilamente ineinandergeschoben werden.

Abbildung 2.38: Bewegung des Myosinköpfchensbeim Filamentgleiten. [11]

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Eine Muskelkontraktion läuft folgendermaßen ab:Zunächst binden sich die Myosinköpfchen (die inder Mitte des Sarkomers an beiden Seiten in dieAktinfilamente hineinragen) an die Aktinfilamente,die jeweils an den Z-Scheiben eines Sarkomers ver-ankert sind. Durch eine nachfolgende Kipp- oderRuderbewegung werden die Aktinfilamente in Rich-tung Sarkomermitte gezogen.

Das Sakomer verkürzt sich dabei, aber die einzel-nen Filamente behalten ihre Länge, sie gleiten nuraneinander vorbei. Eine Ruderbewegung aller etwa500 Myosinköpfchen kann ein Sarkomer nur um et-wa 1% verkürzen. Für eine maximale Muskelkon-traktion müssen sich die Binde- und Rudervorgän-ge etwa 50 mal schnell hintereinander abspielen. DieEnergiequelle für die Muskelkontraktion ist das ATP.

Abbildung 2.39: Stimulierung von Muskelfasern.[11]

Die Kontraktion wird ausgelöst indem ein Nerven-impuls das Membranpotenzial ernidrigt. Wenn diesgeschieht werden aus dem sarkoplasmatischen Reti-kulum (longituinale Tubuli) Ca2+-Ionen freigesetzt.Diese sind dafür verantwortlich, dass die Myosin-köpfchen an ihr Bindungsstellen am Actinfilamentandocken und sich wieder lösen können, währenddas Mg die ATPase am Myosinkopf aktiviert.

Abbildung 2.40: Kraftentwicklung mit der Sarko-merlänge. [9]

2.5.4 Kraftentwicklung

Der Zusammenhang zwischen Kraftentwicklungund Sarkomerlänge zeigt, daß dei Kraft zunächstmit der Sarkomerkänge stark ansteigt. Die maximaleKraft tritt bei einer Länge von etwa 2, 20− 2, 25µmauf. Bei Überdehnung nimmt die Kraft wieder ab.Dies kann man dadurch erlkären, dass nur im mitt-leren Bereich alle Myosinköpfchen an die Actinfi-lamente binden können. Sinkt die Anzahl der Bin-dungspunkte, so nimmt entsprechend die Kraft ab.

Abbildung 2.41: Messung der ausgeübten Kraft miteiner Laserpinzette. [9]

Die ausgeübte Kraft läßt sich mit Laserpinzettenmessen, wobei das Myosin an einer Polystyrolkugel

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befestigt ist, die wiederum fest auf dem Träger fixiertwird. An beiden Enden des Aktinfadens sind eben-falls Polystyrolkugeln befestigt, die mit Laserfallengehalten werden. Die ausgeübte Kraft durch das Fi-lamentgleiten kann mit einem Photodetektor gemes-sen werden. Die Messungen ergaben eine Kraft von3-4 pN. Die Länge eines Schrittes beträgt im Mittel11 nm.

2.5.5 Kraft-Dehnungsverhalten

Muskelkontraktionen erfolgen auf unterschiedlicheWeise; maximale Kraft kann der Muskel bei opti-maler Verkürzung liefern wenn er sich nicht gleich-zeitig dehnt. Man spricht dann von einer isometri-schen Kontraktion, zum Beispiel bei dem Halteneines Gewichtes beim Gewichtheben. Unter dieserBedingung sind praktisch alle Myosinköpfchen andie Aktinfilamente gebunden und die Kraftübertra-gung wird maximal. Bei isotonischer Kontraktionverkürzt sich der Muskel, ohne seine Spannung zuverändern, dies ist der Fall beim Hochstemmen desGewichtes beim Gewichtheben.

Abbildung 2.42: Spannung-Dehnungsdiagramm ei-nes Muskels bei verschiedenen Be-lastungen. [9]

Die unterschiedlichen Verhaltensweisen können anisolierten Muskeln gemessen werden. Die Ruhedeh-nungskurve bezieht sich auf einen ruhenden Muskel,an den eine Zugkraft angelegt wird. Die Kurve zeigt

ein klar nicht-Hookesches Verhalten und stellt dienatürliche Elastizität der Musekelfasern dar.

Ausgehend von der Ruhedehnungskurve kann manden Muskel einzelne Zuckungen durchführen lassen.Die blaue Kurve zeigt an, wie stark der Muskel sichbei isotonischen Zuckungen verkürzt. Die rote Kur-ve gibt die Kraft an, welche bei der gegebenen Längeerreicht wird.

Im Spannungs-Dehnungsdiagramm eines Muskelsist die isometrische Maximums- und die dieisotonische Maximumskurve sowie die Ruhe-Dehnungskurve, die die passive Dehnbarkeit desMuskels angibt, aufgetragen.

Abbildung 2.43: Effekt von aufeinanderfolgendenStimuli. [9]

Folgen einander mehrere Anregungsimpulse so führtdies je nach Frequenz zu einer stärkeren Stimula-tion des Muskels und einer Bewegung um mehrereSchritte. Ab einer Frequenz von etwa 50 Hz wird diemaximale Kraft angeregt; man spricht von vollstän-digem Tetanus.

2.5.6 Wirkungsgrad

Der Wirkungsgrad, d.h. das Verhälnis von erzeug-ter mechanischer Leistung zu verbrauchter chemi-scher Energie pro Zeitenheit, hängt ab von der Artder Beanspruchung. Bei isometrischem Betrieb ver-schwindet die mechanische Leistung und damit derWirkungsgrad. Bei isotonischem Betrieb unter einerKraft, die ca. 30% der maximalen Kraft beträgt, kannder Wirkungsgrad etwa 40-50% erreichen. Die übri-ge chemische Energie wird in Wärme umgesetzt.

Sowohl die Art der Kontraktion wie auch der Wir-kungsgrad unterscheiden sich bei der glatten Mus-

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Abbildung 2.44: Geschwindigkeit vs. Kraft. [9]

kulatur etwas vom hier diskutierten Fall der Skelett-muskulatur.

2.5.7 Zusammenspiel Muskeln-Knochen

Als Beispiel für die Muskelmechanik eines ganzenKörperteils wird das waagerechte Halten einer Lastdurch einen Arm gezeigt.

Abbildung 2.45: Muskelmechanik. [11]

Zu sehen ist die Wirkung der Beuger und Streckerdes Oberarms bei der Bewegung des Unterarms. Das

Halten der Last kann durch ein einfaches Hebelm-odell beschrieben werden. Durch die relative Längeder Hebel wird einerseits die Stärke der verfügbarenKraft definiert, andererseits auch die Geschwindig-keit und Reichweite: Da ein Muskel nicht beliebigstark verkürzt werden kann ergibt sich erst durch dieVerwendung von Hebeln die Möglichkeit zu Bewe-gungen mit großer Amplitude.

Abbildung 2.46: Koordination verschiedener Mus-keln. [9]

Um eine vollständige Bewegung durchführen zukönnen müssen meist mehrere Muskeln zusammen-arbeiten. Im einfachsten Fall einer Armbewegungwird z.B. eine Biegemuskel den Arm beschleunigenund ein Strecker ihn anschließend abbremsen. Die-ses Beispiel zeigt auch, dass für eine einfache Be-wegung eine koordinierte Aktivierung unterschiedli-cher Muskeln notwendig ist.

Abbildung 2.47: Die wichtigsten Muskeln beim Ge-hen.

Entsprechend mehr Muskeln sind bei komplexeren

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Bewegungsprozessen beteiligt. In der Figur sind diewichtigsten Muskeln dargestellt, die beim Gehen ei-ne Rolle spielen.

2.5.8 Gelenke

Abbildung 2.48: Aufbau eine Gelenks.

Ein Gelenk stellt die Verbindung zwischen 2 Kno-chen dar und kombiniert die relative Beweglichkeitmit einer Fixierung bezüglich unterwünschten Be-wegungen. Da Knochen nicht optimiert sind für dieBelastungen die durch die Reibung entstehen ver-wendet die Natur im Bereich der Gelenke Knor-pelmaterial. Dieses hat eine hohe Widerstandsfähig-keit bei Druckbelastung und eine geringe Reibung.Außerdem übernimmt der Knorpel eine Stoßdämp-ferfunktion. Sie bestehen im Wesentlichen aus Kol-lagenfasern, weiteren Makromolekülen, und Was-ser. Der Gelenkknorpel enthält keine Blutgefäße undmuss durch Diffusion aus der Gelenkflüssigkeit er-nährt werden. Die Gelenkflüssigkeit dient ebenfallszur Minderung der Reibung. Sie wird durch dieGelenkkapsel eingeschlossen. Zur Stabiliserung desGelenks werden zusätzlich Bänder verwendet.

Bei Anspannung nur der Agonisten ergibt sich dasMinimum der Gelenkkraft, zusätzliche Anspannungder Antagonisten erhöht die Gelenkkraft. Da die For-men der Gelenkpartner im Allgemeinen inkongru-ent sind, ergeben sich kleine Kontaktflächen und beihoher Gelenkbelastung hohe Druckwerte auf diesenFlächen.

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