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20 Jahre MATERIALFORSCHUNGS- UND -PRÜFANSTALT AN DER BAUHAUS-UNIVERSITÄT WEIMAR

20 Jahre MFPA Weimar

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Festschrift – 20 Jahre MFPA Weimar

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20 JahreMaterialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-universität WeiMar

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20 JahreMaterialforschungs- und -prüfanstalt

an der Bauhaus-universität WeiMar

Inhalt | 3

20 Jahre MFPA – Bilanz und Ausblick

Fachgebiete

Baustoffe

Bauphysik und Zerstörungsfreie Prüfung

Chemie und Umwelt

Werkstoffe und Bauteile

Geotechnik

Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle

Fachbeiträge

Wissenschaftliche Begleitung von Restaurierungsmaßnahmen auf der Wartburg

Regionalspezifische Aspekte bei der Bewertung von historischen Bauwerken

Thüringen »schmilzt« – Gläser, Fasern und Schäume aus alternativen Rohstoffen

Sticktechnische Integration optischer Faser-Bragg-Gitter Messsensoren auf Trägergewebe zur Applikation an Tragwerken im Bauwesen

Ziegelprüfung – mechanisch, thermisch und durch Simulation

Bauphysikalische Vor-Ort-Untersuchungen

Zerstörungsfreie Prüfung von Bauteilen und Bauwerken

Elektromagnetische Messverfahren zur Bestimmung der Materialfeuchte

Prüfung von Kleinkläranlagen im Spiegel dezentraler Abwasserbeseitigung

Naturbadeteiche – Freibäder mit biologischer Wasseraufbereitung

Entwicklung eines Prüfstandes für kombinierte Innen- und Außendruckbelastung

Material- und Schichtanalytik als Werkzeug in der Entwicklung neuer Funktionswerkstoffe

Entwicklung eines Prüfstandes mit vier synchronen Zylindern für großflächige Lasteinleitung

Mechanisch-klimatische Umweltsimulation

Dichtungswirkung von Bentonitmatten unter zyklischer Belastung

Bindemittel – ein Stoff, aus dem die Träume sind

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20 Jahre MFPA – Bilanz und Ausblick

Die MFPA Weimar blickt mit Stolz auf ihr 20-jähriges Beste-hen zurück. Die Geschichte der Materialprüfung begann

in vorindustrieller Zeit. Trotzdem ist der Name »Materialfor-schungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität« wie auch ihre Rechtsform »Landesbetrieb« immer noch für viele erklä-rungsbedürftig. Deshalb vorab einige Erklärungen zum Ver-ständnis.

Wenn man Werkstoffentwicklung, Lebensdaueroptimierung von Bauteilen oder die Sicherheit von Bauwerken und techni-schen Anlagen als ein altmodisches Anliegen betrachtet, so sind wesentliche Aufgaben der MFPA altmodisch aber von großer Aktualität. Mit dem Entstehen der Industriegesellschaft ver-stärkte sich der Einsatz veredelter Werkstoffe und Materialien. Die damit verbundene fortschreitende Technisierung brachte als Kehrseite Risiken durch technisch bedingte Unfälle.

Technisch bedingte Unfälle können Schäden am Leben und Gesundheit von Menschen Umweltzerstörungen oder -schädigungen sowie Ressourcenverknappung

verursachen. Nach einer Häufung von Eisenbahnunfällen ent-standen im späten 19. Jahrhundert die ersten staatlichen Mate-rialprüfanstalten bzw. -ämter in Deutschland. So ist die heutige Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Berlin Nach-folgerin einer bereits 1871 gegründeten Mechanisch-Technischen

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Versuchsanstalt. Die Notwendigkeit einer unabhängigen Mate-rialprüfung begründete der damalige Direktor des Königlich Preußischen Materialprüfungsamtes wie folgt:

»Eine gut ausgestaltete Materialprüfungsanstalt kann sehr wesent-lich zur Förderung der Industrie und des Handels eines Landes bei-tragen, wenn sie den Bedürfnissen von Verbrauchern und Erzeugern der Materialien gerecht wird, aber von einseitigen Interessen dieser Kreise unbeeinflußt bleibt. Daher sollte diese Stelle zwar vom Staate unterhalten werden, aber von den interessierten technischen Staatsbe-hörden (Eisenbahnen, Verkehrsanstalten, Militärbehörden u. a. m.) ebenso unbeeinflußt bleiben wie von den übrigen Interessenten. Ihr sollte lediglich die Verpflichtung auferlegt werden, frei nach den Regeln der wissenschaftlichen Technik und unter Anwendung aller Kunst mit den besten, stets unter Kontrolle gehaltenen Werkzeugen von größtem Zuverlässigkeitsgrade, Materialprüfungen auf Antrag eines jeden Staatsbürgers auszuführen und in Streitfällen auf Anru-fen der Parteien als Schiedsrichter zu wirken.« *

* [Martens, A.: Grundsätze für die Organisation des öffentlichen Materi-alprüfungswesens (1912), Vortrag auf dem VI. Kongreß des Internationalen Verbandes für die Materialprüfungen der Technik]

Der Name Materialforschungs- und -prüfanstalt hat den Be-standteil »Anstalt« und liefert so den Verweis, dass es sich bei der MFPA Weimar um eine staatliche Einrichtung handelt. Der Charakter als Forschungseinrichtung wird durch den Zusatz »an der Bauhaus-Universität« unterstrichen und erfordert einen Exkurs in das Hochschulrecht. »An« sagt in diesem Fall, dass die MFPA ein An-Institut ist und zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen gehört. Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung Karlsruhe hat im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Jahr 2007 eine Studie vorgelegt mit dem Titel »Die Bedeutung der An-In-stitute im wirtschaftlichen Innovationsprozess«. Darin werden An-Institute definiert als Einrichtungen, die

rechtlich von der Hochschule unabhängig sind einen Rahmenvertrag mit der Hochschule haben nicht primär aus Haushaltsmitteln der Hochschule

finanziert werden.

Diese Definition beschreibt die Stellung der MFPA als An-Insti-tut der Bauhaus-Universität hundertprozentig.

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Die Befragung von Unternehmen über Kooperationen mit An-Instituten ergab im Rahmen der genannten Studie:

An-Institute werden praxis- und verwertungsorientierter und weniger bürokratisch als Hochschulen wahrgenommen.

Unternehmen messen den An-Instituten eine hohe Bedeutung bei und betonen die Notwendigkeit der An-Institute als Bindeglied zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft.

Eigene Befragungen von Forschungspartnern und Auftraggebern der MFPA berechtigen zu der Einschätzung, dass diese Sicht auf An-Institute auch auf die MFPA zutrifft.

Die Rechtsform »Landesbetrieb« der MFPA erfordert zur Er-klärung wiederum einen Verweis auf die Landeshaushaltsord-nung. »Landesbetriebe sind rechtlich unselbständige Teile der Landesverwaltung, die sich dadurch von der übrigen Verwal-tung unterscheiden, dass sie sich wie Unternehmer erwerbswirt-schaftlich betätigen.« [Erläuterung zu § 26 Thüringer Landes-haushaltsordnung] Damit verbunden sind die kaufmännische Buchführung und die Anwendung der Vorschriften des Handels-gesetzbuches für große Kapitalgesellschaften. Insgesamt ist die MFPA damit eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung mit einem starken wirtschaftlichen Bezug.

Die heute mehr als 90 Mitarbeiter bilden einen Pool von Speziali-sten unterschiedlicher Fachrichtungen. Begonnen wurde bei der Gründung der MFPA mit 40 Mitarbeitern und dem Auftrag, sich als Forschungseinrichtung und als Materialprüfanstalt zu eta-blieren. Vorausgegangen war die deutsche Wiedervereinigung und die Festlegung im Artikel 38 des Einigungsvertrages, dass die Forschungsinstitute der ehemaligen Bauakademie der DDR zunächst bis zum 31. Dezember 1991 als Einrichtungen der Län-der fortzuführen sind. Das in Weimar ansässige Institut für Bau-stoffe fiel unter diese Regelung. Das Land Thüringen hat sehr zügig und zukunftsorientiert über dieses Institut entschieden.

Struktur der Mitarbeiter / Stand Januar 2012

Anzahl

Wissenschaftliche Mitarbeiter 36

Ingenieure 13

Techniker 2

Laboranten 14

technische Mitarbeiter 15

Verwaltung 11

Gesamt 91

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Nach einer kurzen Vorbereitungszeit und in Anlehnung an Strukturen und Aufgaben von vergleichbaren Einrichtungen in den alten Ländern wurde zum 01.01.1992 die Materialforschungs- und -prüfanstalt in Weimar gegründet. Die Infrastruktur und die ersten Mitarbeiter wurden aus dem vormaligen Institut für Bau-stoffe übernommen.

Parallel lief das Wissenschaftler-Integrations-Programm der Bundesregierung, das Mitarbeitern aus vormaligen Akademi-einstituten eine Übergangsfinanzierung mit Projektmitteln er-möglichte. Entsprechende Projektgruppen, die aus dem Institut für Baustoffe stammten, wurden organisatorisch an die MFPA Weimar angegliedert. In einem schwierigen politischen Ent-scheidungsprozess wurde in der Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts erreicht, dass erfolgreiche Projektgruppen in die MFPA integriert wurden. Auch dadurch hat Thüringen eine her-ausragende Erfolgsquote bei der Integration von Wissenschaft-lern aus ehemaligen Akademieinstituten in Hochschulen und neu gegründeten Forschungseinrichtungen erreicht.

Die Integration der Projektgruppen erweiterte erheblich den personellen und inhaltlichen Rahmen der noch jungen MFPA. Der Prozess der Etablierung von Forschungs-, Prüf- und Weiter-

bildungsaufgaben war von da an forciert fortzusetzen. In diesem Prozess wurden auch Forschungsgebiete und Tätigkeitsfelder aufgegeben, die nicht wirtschaftlich oder zukunftsorientiert waren. So gehören Tätigkeitsfelder wie Asphalt, Bitumen, Eisen-bahn- und Verkehrswesen oder Baukonstruktionen nicht mehr zum Profil der heutigen MFPA.

Die Palette der Werkstoffe und Bauteile, die erforscht, analysiert, geprüft und zertifiziert werden, ist vielfältig und der Ein- und Ausgang von Proben mit Kurierdiensten oder Speditionen würde einem Beobachter schnell einen Eindruck darüber verschaffen. Es finden sich in diversen Verpackungen Natursteine, Beton-waren, Zemente, Betonzusatzmittel, Flugaschen, Filterstäube, Betonproben, Bodenproben, Bodenbindemittel, Glasschaum, Fliesenkleber, Abwasser, Kunststoffe, Kunststoffrohre, Kunst-stoff- und Betonbehälter, Kleinkläranlagen, Kraftstoffschläu-che, Elektronikbaugruppen, Rohre, Common-Rails, Dämmstof-fe, Mauerwerksziegel usw.. Die Absender sind in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Tschechien, Österreich, Schweiz, Finnland, Norwegen, Italien, Japan, Südkorea, Indien, USA und weiteren Staaten. Die Ausstrahlung der MFPA ist in der Forschung und der Prüfung international, die Verankerung in Thüringen aber weiterhin wesentlich.

Umsatzerlöse nach Regionen im Jahr 2010

Ausland 6%

Thüringen 45%

Deutschland ohne Thüringen 49%

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Im Zuge von industriellen Ansiedlungserfolgen in Thüringen waren und sind auch die Nähe und die Leistungsfähigkeit der MFPA gefragt. So hat die MFPA Aufgaben im Rahmen der Qua-litätssicherung bei Unternehmen übernommen, die im Gewer-begebiet »Erfurter Kreuz« angesiedelt wurden. Diese vielfältige und bewährte Zusammenarbeit mit Thüringer Unternehmen macht die MFPA zu einem wichtigen Teil der Forschungs- und Dienstleistungsinfrastruktur, die für das Wachstum des Frei-staats entscheidend ist.

Die überwiegend anwendungsorientierte Forschung der MFPA ist gekoppelt mit einem Wissens- und Technologietransfer in die Unternehmen. Die Transferwege sind vielfältig und reichen von Forschungsprojekten für branchenspezifische Forschungsver-einigungen über Verbundforschungsvorhaben bis zu gemeinsa-men Schutzrechtsanmeldungen.

Bei aller Anwendungsorientierung wird jedoch auch die Gewin-nung von Grundlagenwissen nicht vernachlässigt. So wird der Frage nachgespürt, wie man eventuell vorhandene Wasserge-halte auf dem Mars messen kann. Dahinter steht in Zusammen-arbeit mit anderen Wissenschaftlern die Frage, ob es Leben auf dem Mars geben könnte.

Diese skizzierte Entwicklung der MFPA war nur möglich, weil der Freistaat Thüringen die Voraussetzungen für Forschung und Prüfung geschaffen hat. Die modernen Gebäude und Laboraus-stattungen belegen diese Unterstützung. Dafür sei dem Land und insbesondere dem Thüringer Ministerium für Bildung, Wissen-schaft und Kultur gedankt. Viele Leiter und Mitarbeiter aus der Hochschul- und Forschungsabteilung haben in den vergangenen Jahren durch ihr Engagement erst die Entwicklung der MFPA ermöglicht.

Die MFPA hat mit ihrer Leistungsentwicklung den Vorschuss an Vertrauen, Geld und Unterstützung gerechtfertigt. Es ist ge-lungen, die Drittmitteleinnahmen aus Forschungsprojekten und Prüf-, Überwachungs-, Zertifizierungs- und Weiterbildungslei-stungen stetig zu erhöhen. Dadurch ist der Anteil der Landes-mittel am Betriebshaushalt der MFPA kontinuierlich gesunken. Es ist ein wesentliches Ziel für die kommenden Jahre, diesen Prozess erfolgreich fortzusetzen. Dazu ist das Forschungs- und Dienstleistungsprofil kontinuierlich neu zu justieren und die Zu-sammenarbeit mit den Forschungs- und Unternehmenspartnern zu stärken.

FuE-Drittmittel Drittmittel aus Umsatzerlösen Landesmittel

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Eine Bilanz zum 20jährigen Bestehen wäre ohne eine Würdigung der Mitarbeiter der ersten Stunde, der ehemaligen Mitarbeiter und der vielen Wegbegleiter insbesondere aus der Bauhaus-Universität, dem Ministerium und dem Kuratorium unvollstän-dig. Die Zahl der noch im Arbeitsprozess stehenden Mitarbeiter aus der Gründungszeit der MFPA hat sich in den letzten Jahren merklich verringert. Die Verantwortlichen im Ministerium ha-ben gewechselt, Fachgebietsleiter aus der Bauhaus-Universität sind im Ruhestand und manche Meinungsverschiedenheit aus den Auf baujahren verblasst in der Erinnerung. Allen, die mitge-wirkt haben an der Entwicklung der MFPA, gilt unser Dank.

Das 20-jährige Jubiläum bringt auch eine Zäsur bei der Leitung der MFPA. Der bisherige Wissenschaftliche Direktor, Prof. Dr.-Ing. Joachim Bergmann, wird verabschiedet und sein Nachfol-ger, Prof. Dr.-Ing. habil. Carsten Könke, in sein Amt eingeführt. Wir danken dem scheidenden Direktor für die Arbeit der vergan-genen Jahre und wünschen dem neuen viel Erfolg bei der Gestal-tung der zukünftigen Ausrichtung der MFPA.

01/02Eingang zum CIB.Weimar mit der MFPA als HauptnutzerInnenhof des Büro- und Laborgebäudes Coudraystraße 9 Fotos: gildehaus.reich architekten BDA

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fachgebiete

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FAChGEBIET: Baustoffe

Baustoffe sind auf Grund ihres komplexen chemisch-physika-lischen Auf baus und ihrer Wechselwirkung untereinander

ein häufig unterschätztes Forschungsgebiet. In Baustoffen sind komplexe chemische Verbindungen enthalten, die mit der Um-welt und untereinander über die gesamte Lebenszeit interagie-ren. Physikalisch bestehen Baustoffe aus räumlich angeordneten Partikelgemischen, geometrisch betrachtet aus Nanopartikeln bis hin zu Bestandteilen im Dezimetermaßstab, die von teils mit Flüssigkeiten gefüllten Hohlräumen durchsetzt sein können. Das Verständnis der Interaktion dieser Mehrphasenstoffgemische bei veränderlichen Bedingungen wie Temperatur-, Feuchte- oder Ionenkonzentrationen ist für die Errichtung und die Langzeitsta-bilität von Bauwerken von großer Bedeutung.

Das Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachrich-tungen. Das Fachgebiet Baustoffe, zusammen mit den anderen Fachgebieten der MFPA, hat über die letzten 20 Jahre umfangrei-ches Wissen über interdisziplinäre Forschung und umfangreiche Praxiserfahrungen gesammelt.

Die wissenschaftlich-technische Kompetenz der Fachleute im Bereich Baustoffe führt durch umfangreiche Beratungs-, For-schungs- und Publikationstätigkeit zu einer neuen, nachhaltigen Denkweise auf vielen Gebieten des Bauwesens.

Forschung und EntwicklungKaum ein anderes Bauteil stellt sowohl an das eingesetzte Mate-rial als auch an die handwerkliche Leistung des Ausführenden so hohe Anforderungen wie der Estrich. Der dazu benötigte Est-richmörtel muss in besonders gleichmäßiger Qualität verarbeitet werden, damit Estrichkonstruktionen mit hohen Anforderungen an die Ebenheit und die Qualität hergestellt und rissfrei sowie mit geringen Verformungen erhärten können. Forschungsseitig wird die Entwicklung neuartiger Estrichmörtel betrieben. Dazu werden neue Bindemittelsysteme untersucht. Besonderes Au-genmerk wird hierbei auf schwind- und verformungsarme Re-zepturen gelegt, deren Austrocknung bis zur Belegreife in einem für den Baufortschritt verträglichen Zeitraum erfolgt. Derartige Rezepturen zeichnen sich durch eine weichplastische bis f ließfä-hige Konsistenz des Frischmörtels aus und sind damit ohne nen-nenswerte Verdichtungsarbeit zu verlegen. Aufgrund des über den gesamten Bauteilquerschnitt gleichmäßigen Gefüges sind diese Estriche im Vergleich zu konventionellen Estrichen glei-cher Nenndicke und Biegezugfestigkeitsklasse höher belastbar.

Durch die technologische Entwicklung von Feuchtigkeitssen-soren in Verbindung mit einem speziellen Messverfahren soll zukünftig die quantitative Bestimmung des Feuchtegehaltes in Bauteilen aus Beton oder Estrichmörtel ermöglicht werden. Es wird beabsichtigt, Sensoren zum Zeitpunkt der Herstellung im Bauteilquerschnitt zu applizieren. Es werden wichtige Kennda-ten über den zeitlichen Verlauf der Austrocknung, den Zeitpunkt des Erreichens des ausgleichsfeuchten Zustandes sowie über die Feuchtebelastung von Bauteilen in Abhängigkeit der Umge-

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FAChGEBIET: Baustoffe | 13

bungsbedingungen erfasst. Nach Auswertung der Ergebnisse sind detaillierte Aussagen zur Optimierung des Bauablaufs bzw. zum Feuchtehaushalt möglich.

Die Messung von Verformungen ist zur Überwachung der Stand-sicherheit und des Langzeitverhaltens von Bauwerken eine der wichtigsten Größen. Die Entwicklung von sensorintegrierten Kohlefaserlamellen, die sowohl zur Überwachung von Bauteilen als auch zur Bauwerksverstärkung eingesetzt werden, ist ein For-schungsziel. Dabei werden Sensorsysteme entwickelt und einge-setzt, die Dehnungs- und Temperaturmessungen auf faseropti-scher Basis ermöglichen. Großräumige Messungen von Setzun-gen und / oder Hebungen bei Tunnelbauwerken in Städten oder Deponien erfordern Sensornetzwerke. Werden die Signale dieser Sensoren elektrisch über größere Entfernungen übertragen, ist die Datenübertragung durch äußere Umwelteinf lüsse störanfäl-lig. Ein Forschungsziel ist die Entwicklung von Sensorprinzipien auf glasfaseroptischer Basis. So können physikalische Größen wie Druck, Höhenunterschiede oder Lageabweichungen aus-schließlich durch Licht, welches durch Glasfasern auch über grö-ßere Entfernungen übertragen wird, gemessen werden. Mittels optischer Erfassung geometrischer Eigenschaften von Bauteilen und Bauwerken kann ohne mechanische Abtastung der Zustand und die Veränderung von Bauwerken erfasst werden.

Im Betonbau hat sich die Bauteilverstärkung mit CFK-Lamellen bewährt. Neben zahlreichen Vorteilen treten bei CFK-Systemen jedoch Einschränkungen bei der Applikation auf. Dazu zählen

insbesondere das spröde Materialversagen der CFK-Lamellen und das gering duktile Verbundverhalten zwischen Beton und CFK-Material. Im Rahmen des durch das BMBF geförderten Regionalen Wachstumskerns »high stick« wurde ein faserop-tisches Messsystem entwickelt, das in CFK-Lamellen integriert und fixiert werden kann, wobei die sensorbasierte Textilarmie-rung neben der eigentlichen Bauwerksertüchtigung durch den Einsatz von FBG-Sensoren die Aufgabe eines Bauwerksmoni-torings (Überwachung von Dehnung, Durchbiegung, Tempera-tur) übernimmt.

Im Bereich der ICE-Neubaustrecke Halle/Leipzig durchqueren mehrere Eisenbahntunnel die Höhenzüge von Finne und Schrek-ke. Der Finnetunnel, bestehend aus zwei parallel verlaufenden 6.880 m langen Tunnelröhren, ist der längste Eisenbahntunnel der gesamten Neubaustrecke. Die Tunnelröhren weisen eine ma-ximale Überdeckung von 65 m auf und sind durch geologische Verwerfungen extrem druckwasserbeansprucht. Im Abstand von 500 m sind die Tunnelröhren mit Querschlägen verbunden, die einen druckwasserdichten Anschluss an die Tübbingausklei-dung der Tunnelröhren erfordern. Im Rahmen von verschiede-nen Entwicklungsvorhaben wurden seit dem Jahr 2009 diverse Prüfstände zur realitätsnahen Simulation der Wasserdichtigkeit von Verbundkörpern konzipiert, um damit die Eignung ver-schiedener, technischer Lösungskonzepte zu überprüfen. Die ursprünglich favorisierte Lösung mittels Los-Festf lansch-Kon-struktion und Elastomerabdichtung wurde durch eine deutlich verbesserte anwendungsfreundliche und wirtschaftliche Lösung

02Frost E-Modul

01Mörtellabor Mischung

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mittels Klebverbindungen abgelöst. Die MFPA Weimar hat dazu eine Vielzahl von Zeitstandsversuchen bei Wasserdrücken bis 12 bar durchgeführt und die Fremdüberwachung der Ausführung der Abdichtungsmaßnahmen aller 13 Querschläge übernommen.

Über einen Zeitraum von 15 Jahren wurden mehrere Forschungs-projekte, die vom Umweltbundesamt, der Deutschen Bundesstif-tung Umwelt und dem TMWFK gefördert worden, bearbeitet. Die Inhalte dieser Projekte waren die Erfassung von umweltbe-dingten Veränderungen an Bauwerksoberf lächen.

Weiterhin wurden Forschungsprojekte zur Entwicklung von Technologien und Materialien für Sanierungs- und Restaurie-rungsmaßnahmen an Altbauten und Denkmalen (z. B. acrylatge-bundene Mörtelsysteme für die Restaurierung, gipshaltige Mör-telsysteme für die Sanierung, gipsgebundene Dekorfußböden) bearbeitet. Diese Projekte wurden über die Programme PROIN-NO und ZIM gefördert. Ebenfalls wurde ein Mörtelkalorimeter für den Einsatz in der Forschung entwickelt.

Prüfen von Bauprodukten, Baustoffen, Bauwerken, BauteilenDie Prüfung von Bauprodukten auf Basis entsprechender Nor-men und Richtlinien sowie technischer Spezifikationen ist eine Grundvoraussetzung für den Einsatz in der Baustoffindustrie. Die akkreditierte Prüfstelle des Fachgebietes Baustoffe ist auf dem Gebiet der Produktprüfungen für Bindemittel, Zusatzstof-fe, Betonzusatzmittel, Gesteinskörungen und Gesteinsgemische sowie Natursteinen und Natursteinprodukten tätig. Gesteins-körnungen werden hinsichtlich ihres Grades der Reaktivität ge-genüber Alkali-Kieselsäure-Reaktion eingestuft.

Die Prüfung der Dauerhaftigkeit von Betonen ist eine wesent-liche Aufgabenstellung zur Beurteilung der Widerstandsfä-higkeit von Baustoffen gegenüber äußeren Umwelteinf lüssen. Diese können ausgelöst werden durch Betonkorrosion infolge Frost-, Frosttausalzbeanspruchung, chemische Beanspruchung, Verschleißbeanspruchung, Alkali-Kieselsäure-Reaktion sowie Bewehrungskorrosion infolge Karbonatisierung und Chlorid-beaufschlagung. Die richtige Bewertung des Baustoffes im Hin-

blick auf die Widerstandsfähigkeit gegenüber der aufgetretenen Exposition ist entscheidend für die Dauerhaftigkeit.

Jahrzehntelange Erfahrungen auf dem Gebiet komplexer Bauzu-standsuntersuchungen und Bewertungen von Bauschäden liegen vor. Diese umfassen Brücken, Gebäude im Hochbau, Bauwerke im Trinkwasser- und Abwasserbereich sowie Tunnelbauwerke im In- und Ausland. Die Bauzustandsanalyse ist Grundlage für die Ausführungsplanung und entscheidend für die Qualität und Lebensdauer von Instandsetzungsmaßnahmen.

Schadensdiagnosen an Fußbodenkonstruktionen, bestehend aus Estrich und Belag sowie an hochbeanspruchten Industrieestri-chen sind Bestandteil der Prüf leistungen.

Bau- und Werkstoffe, Bauteile und Baukonstruktionen unterlie-gen während ihrer Nutzungsdauer einer Vielzahl von Umwelt-einf lüssen. Die Umweltbedingungen beeinf lussen die Leistungs-fähigkeit, das Funktionsverhalten, die Lebensdauer und die Effi-zienz der eingesetzten Materialien. Mit innovativen Verfahren werden die Wechselwirkungen von Bauteil- / Werkstoffoberf lä-chen zu den jeweiligen Umweltbedingungen erfasst, analysiert und bewertet. Die zumeist komplex vernetzten Wirkungsketten der physikalischen und chemischen und Umwelteinwirkungen werden hierbei modellhaft strukturiert und Kausalzusammen-hänge analysiert. Bei der Klärung von Schadensursachen und der relevanten Einf lussfaktoren auf die Alterung und Verwitte-rung von Bau- und Werkstoffen ist die Feinstrukturanalyse eine wesentliche Voraussetzung. Ziel der Beständigkeitsprüfungen ist die Aufklärung von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen in Hin-blick auf ein nachhaltiges Bauen.

Bei den Untersuchungen zur Materialbeständigkeit spielen Fra-gen der Zeitraffung und der künstlichen Alterung eine wesentli-che Rolle. Die Einwirkungen auf Werk- und Baustoffoberf lächen werden mittels spezieller Anlagen und Prüfverfahren für Klima-wechselbelastungen, für chemische Verwitterungen durch saure Medien, Salznebeleinwirkungen, Schwallwasserbeaufschlagun-gen und UV-Bestrahlungen simuliert. Die Umwelteinf lüsse kön-nen sowohl natürlichen Ursprungs sein (Klima) oder technisch

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FAChGEBIET: Baustoffe | 15

kontakt

Dipl.-Ing. Astrid Fischer

Mail: [email protected]

bedingt (Luft- und Wasserverunreinigungen). Die Bewertung von Strukturänderungen durch Alterungs- und Verwitterungs-vorgänge erfolgt durch Anwendung innovativer analytischer Verfahren auf der Grundlage mechanischer, chemischer, mikro-skopischer, röntgendiffraktometrischer und thermischer Analy-sen. Spezialfelder zur Identifikation der Belastungswirkungen bilden die Dünnschliffmikroskopie, Porositätsanalysen, die pha-senanalytische Identifikation sowie die Ermittlung von Feuchte- und Salzprofilen in oberf lächennahen Randzonen.

Im harmonisierten Europäischen Regelwerk für Produkte und Systeme der Instandsetzung von Betonbauwerken sind die An-wendungsbereiche Abwasser, Trinkwasser und Kraftwerksanla-genbau explizit ausgeschlossen. Für die Applikation von Mörtel für Neubau und Instandsetzung von Entwässerungssystemen mussten daher geeignete Prüfverfahren zum Nachweis der Be-ständigkeit bei stark saurem Angriff XA3 sowie gegenüber bio-genem Schwefelsäureangriff XBSK entwickelt werden. Unter Verwendung von rechnergestützten Titrationsanlagen ist nun-mehr die Ermittlung der Säurebeständigkeit von Mörteln durch zeitraffende Einlagerungsversuche sowohl für den Anwendungs-bereich der biogenen Schwefelsäurekorrosion (pH 0 bis pH 3) als auch für den Bereich des stark sauren Angriffs bei pH-Werten von 3 bis 6 mit hoher Genauigkeit zu ermitteln. Je nach Beanspru-chungsgrad wird bei diesen Einlagerungsverfahren eine rechne-rische oder visuell sichtbare Korrosionstiefe ermittelt.

Umweltprüfungen müssen maßgeschneidert auf die jeweiligen Umwelteinwirkungen abgestimmt sein, ohne durch Zeitraffer-effekte eine Überhöhung der natürlichen Belastungen im Nut-zungszeitraum zu erreichen. Dazu wurden definierte Umwelt-klassen normenkonform und bauteilspezifisch entwickelt, auf deren Grundlage die spezifischen Prüf beanspruchungen festge-legt werden können.

Im Rahmen der Prüfungen zur Umweltsimulation stehen die Korrosionsprüfungen in künstlichen Atmosphären mit Einzel- und Mischbegasungen stark korrosiver Medien wie Schwefeldi-oxid und Schwefelwasserstoff sowie Korrosionsprüfungen durch Angriff f lüssiger Medien bei Sprühnebel-, Schwallwasser- und

Kondensatbeaufschlagungen im Vordergrund. Verfügbar sind Klimaprüfgeräte mit unterschiedlichen Kammervolumina für Kombinationsbeanspruchungen mit konstanten oder zyklisch wechselnden Klima-, Medien- und Bestrahlungsbelastungen. Geprüft werden vorrangig Bauteile aus der Elektronik / Elektro-technik, dem Fahrzeugbau, der Optoelektronik, dem allgemei-nen Maschinenbau und der Solarindustrie. Die Umweltsimulati-on ist heute ein wesentlicher Bestandteil eines gesamtheitlichen Life-Cycle-Engineerings.

Weiterbildung, FachtagungenDas Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen und Fachtagungen rundet das Profil des Fachgebietes Baustoffe ab. Seit 1992 fanden im Bereich Weiterbildung Betonbau an der Außenstelle Apolda 45 Lehrgänge zum Erwerb erweiterter betontechnologischer Kenntnisse (E-Schein) mit insgesamt 1.230 Teilnehmern statt. Weiterhin wurden 40 Betonprüferlehrgänge, 42 Auf baulehrgän-ge für E-Scheininhaber, 13 Fachtagungen »betonbau.aktuell« und eine Vielzahl von Betonpraxis-Lehrgängen durchgeführt.

Das Weiterbildungszentrum Betonbau Apolda führt die nun schon traditionellen Weiterbildungslehrgänge im Betonbau mit bundesweit anerkanntem hohem Praxisbezug durch:

Erweiterte betontechnologische Ausbildung (»E-Schein«-Ausbildung)

Lehrgang zum Erwerb des Betonprüferzertifikates Betonpraxis-Lehrgang (Herstellung, Verarbeitung, Prüfung) Auf baulehrgang für »E-Schein«-Inhaber

(Anwendung der aktuellen Normenwerke im Betonbau) Auf baulehrgang für Betonprüfer (Herstellung und

Prüfung von Beton nach aktuellem Stand der Normung) Fachtagung »betonbau.aktuell« mit jährlich

wechselnden Themen

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FAChGEBIET: Bauphysik und Zerstörungsfreie Prüfung

Die Arbeit des Fachgebietes deckt ein breites Spektrum von Themen rund um die Entwicklung und Anwendung von

bauphysikalischen und zerstörungsfreien Messverfahren ab. Im Bereich der Bauphysik stehen Messungen der Wärmeleitfä-higkeit und der feuchtetechnischen Eigenschaften von Bau- und Dämmstoffen im Vordergrund. Ein Schwerpunkt ist dabei die Ziegelprüfung. Mit Vor-Ort-Messungen wird das Raumklima in Gebäuden überwacht und es werden Undichtheiten und Wär-mebrücken detektiert. Die Messung der Feuchte von Böden, in Deichen, in der Landwirtschaft und an Lebensmitteln mit neuar-tigen Messverfahren steht im Mittelpunkt der Feuchtemessver-fahren. Mit den Methoden der Zerstörungsfreien Prüfung wird der innere Auf bau von Bauteilen aus dem Bauwesen und aus Industriewerkstoffen abgebildet. So kann ihre Qualität nachge-wiesen werden, aber auch Fehlstellen lassen sich erkennen und lokalisieren. Die Genauigkeit der elektrischen Messgeräte und mechanischen Prüfmaschinen, die intern und bei unseren Auf-traggebern eingesetzt werden, wird regelmäßig durch den Be-reich Kalibrierung überprüft.

Einen großen Raum nimmt die Entwicklung neuer Mess- und Prüfverfahren ein. Dafür wird angewandte Forschung in Förder-projekten und als Auftragsforschung durchgeführt. Ein ganzes Spektrum von Prüf leistungen wird als Dienstleistung für Sach-verständige, die Wirtschaft und öffentliche Auftraggeber ange-boten. Für Energieberater wird gemeinsam mit der Bauhaus-Universität eine Weiterbildung durchgeführt. Darüber hinaus arbeiten Mitarbeiter des Fachgebietes in verschiedenen Fachaus-schüssen mit. Ferner werden Praktika von Schülern und Studen-ten sowie studentische Arbeiten betreut.

Im Laufe der 20 Jahre seines Bestehens hat sich das Profil des Fachgebietes gewandelt. Als Fachgebiet Bauphysik mit den klas-sischen Inhalten Wärme, Feuchte und Schall gegründet, kam durch die Integration der Ziegelprüfstelle ein neuer Schwerpunkt hinzu. Dafür verschwanden Themenbereiche wie klimatische Belastungstests, Umweltsimulation und bauakustische Untersu-chungen. Ebenso wurden die Arbeit als Güteprüfstelle für bau-akustische Messungen an Gebäuden sowie die Messung von Um-gebungslärm eingestellt. Bereits früh entwickelte sich der zweite Schwerpunkt des Fachgebiets mit den zerstörungsfreien Mess-verfahren. Zunächst kamen zerstörungsfreie Untersuchungsme-thoden mittels Ultraschall und bald darauf die Feuchtemessver-fahren hinzu. Für schwingungstechnische Untersuchungen wur-de eine eigene Arbeitsgruppe aufgebaut, die vor kurzem in ein anderes Fachgebiet eingegliedert wurde. Schließlich erweiterte die Prüfmaschinenkalibrierung die Kalibriermöglichkeiten des Fachgebietes auf mechanischem Gebiet.

01Prüfung der Maßhaltigkeit von Dachziegeln

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FAChGEBIET: Bauphysik und Zerstörungsfreie Prüfung | 17

Bauphysik und ZiegelprüfungUm die ständig steigenden Anforderungen des Wärmeschutzes an Bau- und Dämmstoffe messtechnisch zu unterstützen, bietet das Fachgebiet wärme- und feuchtetechnische Untersuchungen an. Es wird nach neuen Materialien und Bauformen gesucht, die eine gute Dämmwirkung und damit eine niedrige Wärmeleitfä-higkeit aufweisen. So werden Neuentwicklungen aus Naturma-terialien, Kunststoffen oder Bau- und Dämmstoffen gemessen und bewertet. Dabei spielt vor allem die Ermittlung der Mate-rialkennwerte Wärmeleitfähigkeit, Diffusionswiderstand, spezi-fische Wärmekapazität und Ausgleichsfeuchte eine große Rolle. Schwerpunkt der Dienstleistungen ist die Prüfung von Ziegeln, die wärmetechnische Untersuchungen und mechanische Prüfun-gen umfasst. In diesem Bereich hat sich die MFPA bundesweit als verlässlicher Partner und anerkannte Prüfstelle etabliert.

Im Laufe der Jahre entstanden rege Kontakte zu Sachverständi-gen und Planern aus der Region. Durch diese werden Prüfdienst-leistungen des Fachgebietes wie Infrarot-Thermografie und Luftdichtheitsmessungen beauftragt. Es werden unter anderem Messungen zu gerichtlichen Gutachten durchgeführt. In kompli-zierten Fällen – z. B. bei Schwimmbädern und Thermen – wird gern auf diese Erfahrungen zur Beurteilung der Gebäudehülle zurückgegriffen. Dazu zählt auch die Berechnung von Wärme-brücken.

Die Prüfungen im Labor und vor Ort werden durch Simulati-onsrechnungen des Wärme- und Stofftransportes in Bauteilen und Baustoffen ergänzt und unterstützt. Die Forschungs- und

02Evaluierung eines Resonators zur Feuchtemessung am Netzwerkanalysator

03/04Infrarot-Thermografie des Schimmel-Forschungshauses mit unterschiedlich starker WanddämmungUltraschall-Prüfkopfarray bei der Messung auf Beton

Entwicklungsaufgaben reichen bis zur Teilnahme an einem durch die Europäische Union geförderten Forschungsprojekt, das gemeinsam mit 12 Partnern aus dem In- und Ausland bear-beitet wird. Daneben werden Bauteile wie Fenster- und Fassa-denprofile, Hochlochziegel, Trennelemente für Balkonplatten und Befestigungselemente durch Messungen und Simulationen entwickelt. Weitere Beispiele sind Strömungssimulationen für die Entwicklung von Zuluftfenstern.

Es wurden mehrere Forschungsthemen zum Monitoring der Feuchte in austrocknenden Estrichen sowie der Beurteilung des Schimmelrisikos auf Bauteiloberf lächen mittels RFID-basierter Sensorsysteme durchgeführt. Ein in den letzten Jahren entstan-dener Schimmelwarnsensor basiert auf der Messung der relativen Feuchte und Temperatur auf den inneren Oberf lächen von Bau-teilen. Zu dessen Entwicklung wurde ein Versuchshaus errichtet, in dem die Wärme- und Feuchtebedingungen zum Wachstum von Schimmel auf Wärmebrücken durch einen Freilandversuch nachgebildet wurden.

Die Mitarbeiter sind in Normausschüssen und in der Weiterbil-dung von Architekten und Ingenieuren, insbesondere auch in der Ausbildung von Sachverständigen für Schallschutz, Schäden an Gebäuden und Energieberatern engagiert. Für die Weiterbildung eLearning-Bauphysik an der Bauhaus-Universität wurde ein Pra-xisseminar entwickelt, in dem die Kursteilnehmer seit 2008 an der MFPA bauphysikalische Prüfungen im Labor und vor Ort an Gebäuden durchführen.

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Feuchtemessverfahren und Zerstörungsfreie PrüfungAuf dem Gebiet der Feuchtemessverfahren wird bei der Bearbei-tung von Forschungsprojekten und Aufträgen aus der Wirtschaft ein umfangreiches Spektrum hochwertiger Messtechnik genutzt. Messverfahren wie Resonatorverfahren, Ultrabreitbandverfah-ren, Durchstrahlungsverfahren und Ref lexionsverfahren werden im Frequenz- und im Zeitbereich angewendet. Dabei besteht die Möglichkeit, dielektrische Messungen im Frequenzbereich von 1 MHz bis 40 GHz an Böden, Baumaterialien, Lebensmitteln, Flüssigkeiten und anderen dielektrischen Materialien sowie an Absorbermaterialien durchzuführen. Für die Generierung und Simulation von Sensormodellen mit dielektrischen Materialien wird das 3D-Finite-Elemente-Programm HFSS eingesetzt. Da-mit können komplexe Auf bauten von Sensoren für Versuchs-zwecke vermieden und Kalibrierungen vereinfacht werden.

Mit den verfügbaren Techniken wird die Feuchte sowohl an der Oberf läche, als auch ortsaufgelöst an Profilen bestimmt. Mit ei-nem speziellen Messgerät ist es sogar möglich, Spurenfeuchte in kleinsten Mengen zu ermitteln. Im Bereich der Dienstleistung werden Feuchtemessgeräte an industrielle Prozesse angepasst und kommerzielle Feuchtemessgeräte überprüft. Die Ergebnisse dieser Arbeiten kommen im Bauingenieurwesen, dem Bergbau, der Geotechnik, der Agrarwirtschaft, der Verfahrenstechnik so-wie in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz.

Bei der Anwendung der zerstörungsfreien Prüfung werden vor allem Ultraschall- und Impakt-Echo-Verfahren eingesetzt, um Bauteile aus so unterschiedlichen Materialien wie Beton, Kera-mik, Stahl und Kunststoff zu untersuchen. Im Zentrum stehen dabei die Erforschung und Entwicklung von Mess- und Abbil-dungsverfahren im Rahmen von Forschungsprojekten und ge-zielter Auftragsforschung für die Industrie. Im Prüf bereich ha-ben Sonderprüfungen von Bauteilen aus grobkörnigen oder stark dämpfenden Werkstoffen einen wichtigen Anteil. Ein Beispiel ist die Prüfung von Tunnelinnenschalen.

Ein Schwerpunkt sind die Entwicklung und der Einsatz von Ab-bildungsverfahren mit Ultraschall. Speziell für die Bauwerksdia-gnostik wurde ein automatisches Abbildungssystem mit dreiach-sigem Scanner entwickelt. Besonderheiten sind ein elektronisch gesteuertes Prüfkopfarray und das tomographische SAFT-Abbil-dungsverfahren, das für eine ortsrichtige Darstellung mit hoher Auf lösung sorgt. Damit kann das Volumen von Betonbauteilen samt enthaltenen Einbauteilen und Fehlstellen dreidimensional visualisiert werden.

05Ultraschallabbildung eines Betonbauteils mit kleinem Hohlraum und Rückwandversatz

06Messung der Wärmeleitfähigkeit mit dem Poensgen-Gerät

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FAChGEBIET: Bauphysik und Zerstörungsfreie Prüfung | 19

kontakt

Dipl.-L. Paul Rieger

Mail: [email protected]

KalibrierungDie MFPA führt die Kalibrierung von Messmitteln für elektri-sche, geometrische und klimatische Messgrößen intern und die Prüfung und Kalibrierung von Werkstoffprüfmaschinen als ak-kreditiertes Prüf laboratorium bundesweit durch. Werkstoffprüf-maschinen sind integraler Bestandteil der Qualitätssicherung im produzierenden Gewerbe. Die regelmäßige Kalibrierung von Prüfmaschinen und Geräten ist daher eine wichtige Vorausset-zung zur Verbesserung der Produktqualität.

Bei der Kalibrierung werden die tatsächlichen Einstellwerte ei-nes Gerätes oder einer Prüfmaschine mit denen eines genaueren Referenzgerätes der MFPA verglichen. Die Messabweichungen werden dokumentiert und die Messunsicherheit berechnet. Bei Geräten, die bestimmten Vorschriften oder Geräteklassen genü-gen müssen, wird dies bei erfolgreicher Prüfung im Prüf bericht bescheinigt. Das Referenzgerät muss seinerseits kalibriert und auf einen Referenzstandard rückführbar sein. Die Kalibrierung gilt nur für einen begrenzten Zeitraum von meist ein bis zwei Jah-ren und ist danach zu wiederholen.

Die Leistungen umfassen die Prüfung aller gängigen Typen von Werkstoff- und Baustoffprüfmaschinen, wie Zug-, Druck-, Schwing-, Biegeprüfmaschinen, Spannvorrichtungen sowie Pen-delschlagwerke, Härteprüfmaschinen und Längenänderungs-Messeinrichtungen. Die MFPA ist als amtliche Prüfstelle für Werkstoffprüfmaschinen vom Verband der Materialprüfanstal-ten empfohlen und arbeitet im bundesweiten Arbeitskreis Prüf-maschinen und Prüfgeräte mit.

07Kalibrierung einer Längenänderungs-Messeinrichtung

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FAChGEBIET: Chemie und Umwelt

Das Fachgebiet Chemie und Umwelt bietet umfassende For-schungs- und Prüf leistungen in den Bereichen Verfahrens-

technik der Abwasserreinigung, Mikrobiologie und der Bau- und Umweltchemie an. Ein wesentliches Standbein ist die Prüfung von kompletten Bauprodukten bzw. die chemische Analytik ausgewählter Parameter für Produktprüfungen innerhalb der MFPA.

Das Fachgebiet verfügt seit 1994 über Erfahrungen bei der prak-tischen Prüfung von Kleinkläranlagen sowohl bei der bis 2002 üblichen Prüfung am Einbauort, als auch bei der Prüfung auf ei-nem institutseigenen Prüffeld in den Folgejahren. Seit 2006 be-sitzt das Fachgebiet auch die Anerkennung der Kompetenz zur Durchführung von Erstprüfungen bei Kleinkläranlagen nach mehreren Normenteilen der Normenreihe EN 12566.

Auf dem Prüffeld der MFPA werden ausgewählte Anlagengrö-ßen einer praktischen Prüfung nach einem vorgegebenen Ab-lauf unterzogen. Ziel dieser über 38 Wochen verlaufenden Prü-fung ist die Ermittlung der Leistungsfähigkeit dieser Anlagen, die als Abbaugrad bestimmter abwassertechnischer Parameter ausgedrückt wird. Mit der Ausführung weiterer Prüfungen im Rahmen der sogenannten Erstprüfung wird für den jeweiligen Auftraggeber die Grundlage geschaffen, seine Produkte normen-konform mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen. Die Prüf-bedingungen mit der diese Ergebnisse zu erzielen sind, werden weitestgehend durch die Norm beschrieben. Im Einzelfall sind für die Herstellung der möglichen Prüf bedingungen innovative Lösungen zu finden.

Durch Entwicklungen und Forderungen zur Vermeidung oder Wiederverwendung von Abfällen in der Abfallwirtschaft veran-lasst, entwickelte eine Vielzahl von Produzenten in den letzten Jahren Verpackungen, die biologisch abbaubar und kompostier-bar sind. Diese werden teilweise auf der Basis nachwachsender Rohstoffe oder beispielsweise Polyestern auf der Grundlage von Stärken oder Zellulosen hergestellt. Biologisch abbaubare Werk-stoffe (BAW) können bei DIN CERTCO registriert und zerti-fiziert werden. Der Aufdruck eines sogenannten BAW-Zeichens auf diese Verpackungen setzt eine erfolgreiche Prüfung nach EN 13432 voraus. Das Fachgebiet Chemie und Umwelt führt als an-erkanntes Prüf labor von DIN CERTCO Prüfungen zum Nach-weis der biologischen Abbaubarkeit und Kompostierbarkeit von Werkstoffen aus. Neben reinen Laborversuchen, in denen der prinzipielle biologische Abbau im aquatischen Medium oder un-ter kontrollierten Kompostierungsbedingungen nachgewiesen

wird, erfolgt der Nachweis der Kompostierbarkeit zusätzlich im kleintechnischen Versuchsmaßstab. Als Grundvoraussetzung für die Anerkennung als BAW gilt u.a. die Einhaltung von Grenz-werten bestimmter Elemente, insbesondere von Schwermetallen. Das Fachgebiet verfügt zum Nachweis dieser Parameter über lei-stungsfähige Analysengeräte. Für die Eignung von Materialien als BAW ist unter bestimmten Bedingungen zusätzlich nachzu-weisen, dass der BAW umweltverträglich ist. Dazu werden neben der Analytik des Kompostes Keimversuche mit verschiedenen Kulturpf lanzen angewendet. BAW’s werden aus bestimmten Grundsubstanzen mit unterschiedlichsten Zusatzstoffen herge-stellt. Für die Zertifizierung werden diese Zusammensetzungen festgeschrieben. Mit der Anfertigung eines Infrarot-Spektrums wird quasi ein Fingerabdruck eines BAW’s zum Zeitpunkt der Zertifikatsbeantragung erzeugt. In der Folgezeit kann mit dem Vorliegen dieses Vergleichs-IR-Spektrum überprüft werden, ob der Hersteller die Zusammensetzung seines BAW signifikant verändert hat. Die MFPA fertigt im Auftrag von DIN CERTCO solche Vergleichsspektren an.

01Ökotoxizitätsprüfung für BAW's

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Fachgebiete: Chemie und Umwelt | 21

Das Fachgebiet Chemie und Umwelt hat in den vergangenen Jahren erfolgreich Forschungsthemen zur Reinigung spezieller Abwässer abgeschlossen, die durch wesentliche Abweichungen zur üblichen Zusammensetzung kommunaler Abwässer gekenn-zeichnet sind. Neben der Reinigung von Deponiesickerwässern durch ein naturnahes Verfahren wurden die Bedingungen von bepf lanzten Bodenfiltern an Raststätten untersucht, die durch ein stark verzerrtes Nährstoffverhältnis gekennzeichnet sind.

Weiterhin wird an der Optimierung von Verfahren zur Schwimm- und Badeteichreinigung gearbeitet. Hierbei ist die sichere Ein-haltung von Hygieneparametern das Ziel.

Die personelle Basis des Fachgebietes bietet die Möglichkeit, mi-krobiologische Untersuchungen sowohl im Abwasserbereich als auch bei Schadensanalysen an Materialien und Bauwerken an-zuwenden. Das Spektrum wird ergänzt durch Untersuchungen an holzzerstörenden Pilzen und Schimmelbildungen im Bereich von Räumen.

Die Basis für die meisten der beschriebenen Aufgabenstellungen ist ein akkreditiertes, leistungsfähiges Labor im Hintergrund. Mit der Zusammenführung der bauchemischen und umwelt-chemischen Labore in 2003 wurde eine leistungsfähige Einheit geschaffen, die eine Vielzahl von Aufgabenstellungen bearbeiten kann. Durch die Bündelung der apparativen Ressourcen konn-ten viele Abläufe optimiert werden. Wesentlicher Bestandteil der täglichen Arbeit ist die chemische Analyse von Baustoffen oder Baumaterialien für andere Fachabteilungen der MFPA oder für externe Kunden. Daneben gehören Untersuchungen von schä-digenden Bestandteilen in Baustoffen, von Zusatzmitteln für die Beton- und Zementindustrie, Hüttensandanteile in Zement und

die Bestimmung von Mischungsanteilen in Mörteln und Beton zu den regelmäßigen Aufgaben.

Neben den erforderlichen Analysen in Zusammenhang mit BAW-Prüfungen sind Untersuchungen an Abfällen, Komposten oder Böden weitere Betätigungsfelder des Labors. Mineralische Reststoff- bzw. Abfalluntersuchungen nach LAGA (Bund/Län-der-Arbeitsgemeinschaft Abfall) basieren auf akkreditierten Un-tersuchungsmethoden.

Die Anerkennung des Fachgebiets als Prüfstelle bzw. Prüf labo-ratorium in den Bereichen Abwasser, Bioabfall, Deponie, BAW oder Kleinkläranlagen bildet die Grundlage für Tätigkeiten im gesetzlich geregelten und nicht geregelten Bereich. Aufgrund der umfangreichen gerätetechnischen Ausstattung und den lang-jährigen Erfahrungen der Mitarbeiter ist es möglich, nicht nur Routineaufgaben zu lösen, sondern sich auch unkonventionellen Problemen zu stellen.

kontakt

Dipl.-Ing. Jörg Müller

Mail: [email protected]

03Chromatuntersuchungen an Zementen

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FAChGEBIET: Werkstoffe und Bauteile

02Simulation einer Rissfortschrittsfront

03Mikroskopische Aufnahme zur Bruchflächenanalyse

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Das Fachgebiet bietet Forschungs- und Dienstleistungen im Bereich von Werkstoffen, Bauteilen, Baugruppen und Bau-

konstruktionen an. Die Tätigkeiten umfassen sowohl die Simula-tion von Werkstoff- und Bauteileigenschaften als auch deren ex-perimentelle Untersuchung. Eine Vielzahl der dabei eingesetzten Prüfverfahren ist akkreditiert. Den Kern des Fachgebietes bilden die Arbeitsgruppen Bauteilfestigkeit, Innendruckschwellversu-che und Schwingprüfung. Ergänzt werden diese durch das Prüf-zentrum Schicht- und Materialeigenschaften sowie die Arbeits-gruppe Kunststoff bauteile.

Bauteil- und InnendruckschwellfestigkeitInnerhalb der Arbeitsgruppe Bauteilfestigkeit werden Untersu-chungen zum statischen und zyklischen Verhalten von Bauteilen und Werkstoffen durchgeführt. Der Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der Ermittlung der Schwing- und Dauerfestigkeit metallischer Bauteile oder metallischer Werkstoffe. Für die ex-perimentellen Untersuchungen können verschiedene Standard-prüfmaschinen genutzt werden.

Weiterhin verfügt die Arbeitsgruppe über ein Aufspannfeld für solche Belastungsversuche, welche mit Standardprüfmaschi-nen nicht abgedeckt werden können. Die Belastungseinheit des Aufspannfeldes ist mit einem geregelten Servohydrauliksystem sowie verschiedenen Prüfzylindern ausgestattet. Damit können ein- oder mehrachsige Belastungsprüfungen mit Kräften von bis zu 600 kN realisiert werden. Verschiedene Kraft- und Wegauf-nehmer sowie weitere Messtechnik komplettieren das Prüffeld. Entsprechend der unterschiedlichen Prüfaufgaben besteht die Möglichkeit, individuell angepasste Lösungen anzubieten.

Für die Untersuchung der Schwingfestigkeit von innendruckbe-anspruchten Bauteilen oder speziellen Werkstoffproben stehen in der Arbeitsgruppe Innendruckschwellversuche sechs Hoch-druckprüfstände mit zyklischem Innendruck von bis zu 4.500 bar und Prüffrequenzen von 20 Hz zur Verfügung. Die Entwick-lungsarbeit für diese Prüfstände wurde im Fachgebiet geleistet. Typischerweise werden Komponenten von Dieseleinspritzsyste-men aus dem Automobil- oder dem Schiffsbau durch Innendruck beansprucht. Zusätzlich besteht bei den Hochdruckprüfständen die Möglichkeit, die Prüftemperaturen zu variieren. Je nach An-forderung können diese in einem Bereich von -40° C bis 150° C liegen.

Neben der Durchführung von Experimenten ist die Arbeitsgrup-pe Bauteilfestigkeit zusätzlich in der Lage, die geprüften Bauteile oder Werkstoffe hinsichtlich der Versagensursachen zu bewerten. Mittels makro- und mikrofraktographischer Untersuchungen können beispielsweise die Lage und Größe versagensauslösen-der Fehler ermittelt werden. Eingesetzt wird moderne Licht- und Rasterelektronenmikroskopie.

FAChGEBIET: Werkstoffe und Bauteile | 23

04Langzeitprüfstand für Kunststoffbauteile

05Hydraulikverteiler

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Schwingprüfung Das Spezialgebiet der Arbeitsgruppe Schwingprüfung sind Le-bensdauerprüfungen von Bauteilen und Baugruppen unter defi-nierten mechanischen und klimatischen Belastungen. Sinus- und Rauschfunktionen oder die Schockbeanspruchung sind typische Belastungsformen bei diesen Prüfungen, welche zusätzlich mit Niedrigtemperatur-, Hochtemperatur- oder einer Feuchtebean-spruchung kombiniert werden können. Die Laserscanningvibro-metrie zur Durchführung von Betriebs- und Eigenschwingform-analysen an Strukturen und Bauteilen unter variierten dynami-schen Belastungszuständen ergänzt die Prüfmöglichkeiten des Arbeitsgebietes. Typische Anwendungsfälle für die möglichen Prüfungen ergeben sich aus den Anforderungen der Automobil-industrie oder denen der Bahnfunktechnikausrüster. Schwin-gungsuntersuchungen an Maschinen und Anlagen oder Erschüt-terungsmessungen an Gebäuden und Fundamenten runden das Angebot ab.

06/07Shakerprüfstand

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kontakt

Dr.-Ing. Rayk Thumser

Mail: [email protected]

FAChGEBIET: Werkstoffe und Bauteile | 25

KunststoffbauteileDie Arbeitsgruppe Kunststoff bauteile führt überwiegend me-chanisch-technologische Prüfungen durch. Typische Prüfobjek-te sind beispielsweise Kunststoff bauteile für den Einsatz in den Bereichen Rohrleitungsbau oder Entwässerung. Ergänzt werden diese Prüfungen durch Untersuchungen zu den Stoffkennwer-ten, chemischen oder physikalischen Parametern der für die Bauteile verwendeten Kunststoffe. Zusätzlich können auch Ver-legetechniken für den Rohrleitungsbau getestet werden. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Überwachungs- und Zertifi-zierungstätigkeit für Kunststoffrohre, -formteile und -schächte nach Landesbauordnung. Weiterhin wird der Einbau von Kunst-stoffkomponenten in Deponien oder Konstruktionen des Hoch- und Tief baues überwacht.

Prüfzentrum Schicht- und MaterialeigenschaftenDas Prüfzentrum Schicht- und Materialeigenschaften der MFPA Weimar ist als Außenstelle am Institut für Werkstofftechnik der TU Ilmenau angesiedelt. Das Prüfzentrum bietet umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Materialprüfung, -analytik und Schadensuntersuchungen an. Vorrangig werden festkörper-physikalische und chemische Untersuchungsmethoden einge-setzt. Ein Schwerpunkt ist dabei die Untersuchung von funktio-nellen Beschichtungen oder Schichtsystemen. Genutzt werden zusätzlich die klassischen Verfahren der Werkstoffprüfung und Materialographie.

Das Prüfzentrum ist ebenfalls im Bereich der anwendungsorien-tierten Forschung tätig. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung von Verfahren zur Charakterisierung dünner Schichten sowie die Durchführung von grundlegenden Arbeiten zur rekalibrati-onsfreien und standardfreien Glimmentladungsspektroskopie. Weiterhin werden funktionelle Schichten für die Bereiche Tri-bologie, Korrosionsschutz oder EMV-Anwendungen entwickelt und modifiziert.

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FAChGEBIET: Geotechnik

Das Fachgebiet Geotechnik bietet mit einem erfahrenen Team von Mitarbeitern umfassende Forschungs- und

Prüf leistungen auf den Gebieten des Erd- und Grundbaus, der Umweltgeotechnik und der Geokunststoffe an.

An der Schnittstelle zwischen Forschung und Baupraxis liegt der Fokus neben den standardisierten Prüf leistungen vor allem auf der Entwicklung und Anpassung von Prüfverfahren und den zugehörigen Prüfeinrichtungen. Der Praxisbezug entsteht un-ter anderem durch die fachliche Begleitung von Baustellen, der Durchführung von fachspezifischen Feldprüfungen sowie des Bauwerkmonitorings.

Grundlage aller Forschungs- und Prüf leistungen auf dem Gebiet des Erd- und Grundbaus ist die Ermittlung der bodenphysika-lischen Eigenschaften des Bodens. Das akkreditierte Labor im Fachgebiet Geotechnik bietet die Möglichkeit, alle Standardprü-fungen an Fest- und Lockergesteinen durchzuführen. Zusätzlich sind eine Vielzahl komplexer Prüfungen möglich, wie statische und zyklische Triaxialversuche sowie zyklische Kompressions-versuche an Böden und Festgesteinen.

In enger Zusammenarbeit mit der Bauhaus-Universität werden im Rahmen von Forschungsdienstleistungen Prüfeinrichtungen entwickelt und Sonderversuche durchgeführt. Das Leistungs-

spektrum umfasst dabei die gerätetechnische Konzeption, den Auf bau der Prüfeinrichtung sowie die Implementierung der Mess- und Regeltechnik. Forschungsschwerpunkte waren in den letzten Jahren Untersuchungen zum erosiven und suffosiven Materialtransport an Dämmen sowie zum hydraulischen Grund-bruch in bindigen Böden.

Die Forderung, effizient und Ressourcen schonend zu bauen, hat zum Einsatz von Zusatzmitteln zur Behandlung von Böden ge-führt. Dabei soll ein vorhandener Boden in seinen Eigenschaften so verändert werden, dass er den gewünschten Anforderungen entspricht. Im Verkehrswegebau hat sich der Einsatz von Boden-bindemitteln als Alternative zu aufwändigen Maßnahmen wie dem Bodenaustausch durchgesetzt. Dadurch werden nicht nur massiv Baukosten gesenkt, sondern auch ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz geleistet. Um die größtmögliche Effizienz bei Bo-denverbesserungs- und -verfestigungsmaßnahmen zu erreichen, werden im Fachgebiet Geotechnik Eignungsuntersuchungen zur Festlegung des optimalen Bindemittels (Art und Menge) durch-geführt. Im Rahmen eines Forschungsauftrages der Bundesan-stalt für Straßenwesen stehen speziell Bodenverfestigungen mit Mischbindemitteln im Visier. Anhand komplexer Versuchsrei-hen (Druckfestigkeits- und Frostprüfungen) sollen Kriterien für zukünftige Eignungsprüfungen zur Qualitätssicherung abgelei-tet werden.

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Ein weiteres interessantes Beispiel für Bodenbehandlungen ist die Hydrophobierung. Über Zusatzmittel können die hydraulischen Eigenschaften des Bodens verändert werden. In den meisten An-wendungsbereichen wird die Hydrophobierung zum »Schutz vor Wasser« genutzt, so beim Abdichten von Deichbauwerken zur Erhöhung des Strömungswiderstandes. Entgegengesetzt dazu steht die Hydrophobierung zum »Schutz des Wassers« in klimatischen Trockengebieten: hydrophober Sand verbessert das Wasserrückhaltevermögen landwirtschaftlicher Nutzf lä-chen, das Versickern des Wassers in den tiefen Untergrund wird verhindert. Im Fachgebiet Geotechnik wurde in schematischen Versuchsreihen hydrophober Sand hinsichtlich seiner Eignung als basales Abdichtungsmaterial in landwirtschaftlichen Trok-kengebieten untersucht. Mithilfe verschiedener Prüfeinrichtun-gen konnte die Wirkung der Hydrophobierung und ihr Nutzen untersucht werden.

Auch beim Einsatz von Geokunststoffen ist eine deutliche Zu-nahme in der Produktvielfalt und der Anwendungsgebiete zu verzeichnen. Typische Anwendungsbereiche der Geokunststoffe sind Erd- und Grundbau, Straßen- und Verkehrswegebau, Tun-nelbau, Wasserbau und Umweltgeotechnik. Je nach Aufgaben-stellung und Anforderung stehen maßgeschneiderte Kunststoffe zur Verfügung, die eine optimale technische und wirtschaftliche Lösung erlauben. Zu den eingesetzten Produkten zählen Vlie-se, Gewebe, Geogitter, Dichtungsbahnen, Drainagematten und Erosionsschutzmatten, die Funktionen wie Bewehren, Trennen, Abdichten, Dränen, Schützen und Filtern übernehmen. Entspre-chend der Vielfalt der Produkte, der Funktionen und der Ein-satzmöglichkeiten ist auch das Spektrum der durchzuführenden Prüfungen riesig. Das Fachgebiet bietet alle Standardprüfungen als akkreditierte Verfahren an, eine Vielzahl weiterer genormter und nicht genormter Versuche kann durchgeführt werden.

FAChGEBIET: Geotechnik | 27

01/02Punktlastversuch am FestgesteinBestimmung Glühverlust

03/04Hydrophobierung: Wasser perlt auf dem Sand ab und versickert nicht.Einsatz von Geokunststoffen – Funktion »Abdichten« – Berstdruckversuch einer Kunststoffdichtungsbahn.

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Neben den projektbezogenen Prüfungen führt das Fachgebiet auch die Eigen- und Fremdüberwachung von Geokunststoff her-stellern im In- und Ausland durch. Für neuentwickelte Produkte oder neue Anwendungsbereiche werden in Entwicklungsaufträ-gen neue Prüfeinrichtungen konzipiert oder angepasst und neue Prüfverfahren erprobt.

Große Anwendungsgebiete der Geokunststoffe sind die Umwelt-geotechnik und der Deponiebau. Hier steht der Schutz der Um-welt und des Grundwassers an erster Stelle. Entsprechend wer-den sehr hohe Anforderungen an die eingesetzten Materialien und die Bauausführung gestellt. Insbesondere der Bauüberwa-chung kommt hier eine sehr hohe Bedeutung zu. Sie muss zu je-dem Zeitpunkt sicherstellen, dass die Bauausführung den hohen Anforderungen gerecht wird. Ein unsachgemäßer Einbau der mi-neralischen oder geotextilen Elemente des Abdichtungssystems kann neben oberf lächlichen Rutschungen zu einer massiven Verunreinigung des Grundwassers durch Deponiesickerwässer und damit zu erheblichen Umweltrisiken führen. Für den Einbau von Geokunststoffen und mineralischen Elementen in Deponie-abdichtungssystemen übernimmt das Fachgebiet im Rahmen der Eigen- oder Fremdüberwachung im Auftrag von Baufirmen,

Zweckverbänden oder Überwachungsbehörden einen wesentli-chen Teil der Bauüberwachung.

Neben Aufgaben beim Bau einer Deponie werden als Nachauf-tragnehmer von Forschungsvorhaben Aufgrabungen an beste-henden Deponien durchgeführt. Hintergrund dieser Aufgra-bungen sind Langzeituntersuchungen an den verwendeten Geo-kunststoffen oder die geplante Nachnutzung der Deponief läche. Die kuppelförmige Ausbildung der Deponien ermöglicht eine teilweise Nutzung der Oberf läche zum Aufstellen von Solaranla-gen. Für die hierfür erforderlichen Standsicherheitsberechnun-gen werden Angaben zu den Scherparametern in den Materialien und den Interaktionsbereichen zwischen den Materialien benö-tigt. Die Bestimmung der Scherparameter erfolgt durch Groß-rahmenscherversuche im Labor. Die Materialproben werden auf der Deponie entnommen und die entstehenden Fehlstellen wie-der fachmännisch verschlossen.

Im Bereich der Feldmesstechnik und des Bauwerksmonitorings bietet das Fachgebiet neben den klassischen Verfahren zur Bau-grunderkundung Schwingungsmessungen, Inklinometermes-sungen und Pfahlintegritätsprüfungen an.

05/06Probefeldbau auf einer DeponieKontrolle der Trag fähigkeit der Bettungsschicht

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Vertikale und horizontale Inklinometermessungen mit einer Messlänge bis zu 75 m werden zur Messung lateraler Verschie-bungen von Hängen, Böschungen oder Dämmen durchgeführt. Mit diesem Messverfahren können Verschiebungen ortsaufge-löst sehr genau ermittelt werden. Anhand des Vergleiches der Nullmessung mit den Folgemessungen können die aufgetretenen Verformungen gemessen und Rückschlüsse auf das Setzungsver-halten oder auf Hangverschiebungen gezogen werden.

Ein sehr häufig eingesetztes Verfahren zur Gründung von Bau-werken auf wenig tragfähigen Böden ist die Pfahlgründung. Die Qualität der Pfähle ist hierbei von entscheidender Bedeutung für die Standsicherheit des Bauwerkes. Da vom Erdreich umgebene Ortbetonpfähle visuell nicht bewertet werden können, wird die Qualität der Pfähle durch eine Pfahlintegritätsprüfung nach dem »low-strain-Verfahren« kontrolliert. Bei diesem Verfahren wird ein Impuls auf den Pfahlkopf aufgebracht und die Pfahlkopf be-schleunigung mit einem hochempfindlichen piezoelektrischen Beschleunigungsaufnehmer erfasst und über die Geschwindig-keit integriert. Die Interpretation der Signale erfolgt über die Geschwindigkeits-Zeit-Verläufe. Im Idealfall wird der eingeleite-te Impuls ausschließlich am Pfahlfuß ref lektiert. Bei bekannter Wellengeschwindigkeit kann aus der Laufzeit auf die Länge des Pfahles geschlossen werden. Abweichungen in den Signalverläu-fen deuten auf Fehlstellen im Pfahl (z. B. Fehlstellen oder Quer-schnittsverringerungen) hin.

Neben der Bearbeitung aller anstehenden Forschungs- und Prüf leistungen erfolgt im Fachgebiet zukunftsorientiert die Aus-bildung von Lehrlingen, sowie die Einarbeitung und fachliche Betreuung von Studenten bei ihren Bachelor- oder Masterarbei-ten sowie von Doktoranden.

kontakt

Dipl.-Ing. Jens Köditz

Mail: [email protected]

07/08/09Rutschung einer Oberflächenabdichtung.Probenahme bei schwierigen Untergrundverhältnissen (Rammkernsondierung).Einsatz von Geokunststoffen – Funktion »Bewehren mittels Geogitter«.

FAChGEBIET: Geotechnik | 29

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Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle

Überwachung und Zertifizierung von Bauprodukten

Hersteller von Produkten dürfen diese auf der Grundlage eines Brauchbarkeitsnachweises in Verkehr bringen.

Die Brauchbarkeit wird durch die nachgewiesene Konformität des Bauproduktes mit einer harmonisierten Produktnorm er-bracht (Konformitätsnachweisverfahren) und mittels der CE-Kennzeichnung ausgewiesen – das Produkt darf innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU uneingeschränkt in Verkehr gebracht werden. Eine CE-Kennzeichnung (grafisches Symbol »CE«) bestätigt, dass ein Produkt mit einer harmonisierten EN im Ein-klang steht, aber nicht, dass es unbedingt und uneingeschränkt verwendet werden kann!

Die Vorschriften zur Verwendung der Produkte sind Angele-genheit der Mitgliedsstaaten der EU, die jeweils individuelle Regelungen treffen können. Der Verwendbarkeitsnachweis wird durch Übereinstimmung des Bauproduktes mit einer geltenden, technischen Regel erbracht (Übereinstimmungsnachweisver-fahren) und in Deutschland mittels Ü-Zeichen (grafisches Sym-bol »Ü«) dokumentiert.

Im Unterschied zu anderen Produktbereichen mit einem Pro-duktsicherheitskonzept von sicheren oder unsicheren Produk-ten geht es im Bausektor in erster Linie um die Herstellung und den Erhalt sicherer Bauwerke aus Baustoffen, die dauerhaft und zuverlässig über bestimmte technische Eigenschaften verfügen. Um technische Handelshemmnisse im Bauproduktensektor zu beseitigen sowie die Akzeptanz der Leistungserklärung der Her-

steller und die Glaubwürdigkeit des Systems der CE-Kennzeich-nung zu stärken, wurde durch das Europäische Parlament eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten (Bauproduktenverordnung – BauPVO) verabschiedet, welche im April 2011 in Kraft getreten ist. In dieser Bauproduktenverordnung sind Bestimmungen zur Akkreditierung, Marktüberwachung und CE-Kennzeichnung als zentrale Instrumente enthalten und einheitliche Grundsätze zu den Verantwortlichkeiten der Wirtschaftsakteure (Hersteller, Importeure, Händler …), sowie für die Bewertung und Über-prüfung der Leistungsbeständigkeit (Konformitätsbewertung) festgelegt.

Akkreditierungen sind der Nachweis technischer Bewertungs-stellen, also Laboratorien, Inspektions- oder Zertifizierungsstel-len, dass sie fachlich kompetent und unabhängig Konformitäts-bewertungen durchführen können. Neben der Akkreditierung (Kompetenzfeststellung) dieser Stellen ist eine Notifizierung (Anerkennung) – in Deutschland durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) – weitere Grundvoraussetzung für eine unabhängige Überprüfung und Bewertung geregelter Baupro-dukte.

01/02/03/04ICE-Trasse Unstruttalbrücke.Steinverwallung BAB4 bei Jena.Transportbetonwerk.Dokumentation Schadensbild in Kläranlage.

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Die Materialforschungs- und -prüfanstalt Weimar mit ihrer Au-ßenstelle in Apolda ist seit 20 Jahren als Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle für die Bestätigung der Konformität, Bestätigung der Übereinstimmung, die Fremdüberwachung, die Brauchbarkeitsbeurteilung und die Überprüfung von Bau-produkten bauaufsichtlich anerkannt bzw. notifiziert (Notified Body = 0992, PÜZ-Stelle = THU 01) und seit 2009 akkreditiert.

Zum Erfahrungsbereich zählen: Zemente, Baukalke, Spezialbindemittel Flugaschen, Trasse Betonzusatzmittel, Betonzusatzstoffe Gesteinskörnungen, Wasserbausteine Mörtel, Beton Betonfertigteile Betonherstellung, Betoneinbau, Betoninstandsetzung Mauersteine, Kalksandsteine Wärmedämmstoffe (Schaumglas) Geokunststoffe Kunststoffprodukte

Zu den Auftraggebern von Erst-, Regel-, Kontrollprüfungen, Fremdüberwachungen und Zertifizierungen für Baustoffe, Bauteile, Bauwerke, Betonwerke und Baustellen zählen neben Herstellern aus Deutschland auch Unternehmen aus Polen, der Tschechischen Republik, der Schweiz, Großbritannien, Bulgari-en, Rumänien, Finnland, der Türkei, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Außenstelle Apolda der MFPA Weimar verfügt über lang-jährige Erfahrungen als Überwachungsstelle der Bauproduk-te für den Beton- und Stahlbetonbau. Produktbezogen werden Transportbetonwerke, Fertigteilwerke, Baustellen der Überwa-chungsklasse 2 bzw. 3 und Baustellen der Betoninstandsetzung überwacht. Seit 1992 wurden durch die Außenstelle Apolda 35 verschiedene Transportbeton- und Fertigteilwerke fremdüber-wacht. Die Anzahl der fremdüberwachten Baustellen der Über-wachungsklassen 2 oder 3 und der Betoninstandsetzung beläuft sich auf ca. 180 jährlich. Insgesamt werden jährlich etwa 250 Überwachungsvorgänge auf Baustellen und in Betonwerken durchgeführt. Auch für spezielle betontechnologische Aufgaben bei Großprojekten wie zum Beispiel dem Finnetunnel an der ICE Neubaustrecke Erfurt-Leipzig oder dem Jagdbergtunnel im Zuge des dreistreifigen Ausbaus der BAB A4 bei Jena waren die Inge-nieure der Betonüberwachung Apolda als kompetente Berater gefragt.

Auch für die bautechnische Instandsetzung von Trinkwasser-behältern ist eine Überwachung durch eine anerkannte Über-wachungsstelle vorgeschrieben. Die Fremdüberwachung bein-haltet für den bautechnisch sensiblen Bereich der Wasserkam-mern neben der Kontrolle der Eigenüberwachung durch das bauausführende Unternehmen spezielle Kontrollprüfungen, die insbesondere auf die hohen hygienischen Anforderungen abge-stimmt sind. Neben den Überwachungen von Instandsetzungs-maßnahmen in Deutschland werden seit 2010 auch Maßnahmen in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel verschiedene Behältersanierungen in der Schweiz, durch die MFPA Weimar überwacht.

PRÜF-, ÜBERWAChUNGS- UND ZERTIFIZIERUNGSSTELLE | 31

Page 32: 20 Jahre MFPA Weimar

Abwassertechnische Anlagen unterliegen extremen klimatischen und chemischen Beanspruchungen. Die Fremdüberwachung von Instandsetzungsmaßnahmen in abwassertechnischen Anlagen beinhaltet neben den für die allgemeine Betoninstandsetzung geltenden Regelungen spezielle Kontrollprüfungen wie die Be-stimmung der Gaspermeabilität und Schichtdickenprüfungen. Besondere Anforderungen werden an die Instandsetzung von Faulbehältern in Kläranlagen gestellt. Hierbei werden nur Mate-rialien und Verfahren zur Anwendung zugelassen, die eine sehr rasche Inbetriebnahme ermöglichen.

Bei der Fremdüberwachung zum Oberf lächenschutz von Park-decks und Tiefgaragen werden die nach DBV-Merkblatt gestellten Anforderungen an Materialien, Geräte und Personal überprüft. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Überprüfung der Chloridmigration in der Stahlbetonkonstruktion zu. Zusätzliche Kontrollprüfungen bieten dem Bauherrn eine erhöhte Sicherheit für die Gebrauchstauglichkeit über der geplanten Nutzungsdauer.

Mit der Integration der PÜZ-Stelle für Ziegel des aufgelösten Instituts für Bau- und Grobkeramik Weimar im Jahr 2002 wur-den die Möglichkeiten der Güteüberwachung von Ziegeln in der MFPA erweitert. Diese umfasst neben den Produktprüfungen auch die Überwachung der werkseigenen Produktionskontrolle vor Ort. Dabei wird die Qualitätssicherung des Werkes begut-achtet. Resultat dieser Überwachung im Werk und der durchge-führten Prüfungen ist ein Zertifikat für die korrekte Qualitätssi-cherung des Herstellers und die Konformität der vom Hersteller deklarierten Produkteigenschaften. Dieses Zertifikat beschei-nigt, dass die tatsächlichen Eigenschaften der entnommenen Ziegelprodukte denen entsprechen, die der Hersteller in seiner Produktbeschreibung oder im Datenblatt ausweist.

05/06Herstellung von Trinkwasserzisternen.Betonsegmente zum Bau des ICE-Finne-Tunnels.

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kontakt

Dipl.-Ing. Marek Schulz

Mail: [email protected]

Neben den bauaufsichtlich anerkannten Stellen betreibt die MFPA Weimar eine Inspektionsstelle auf der Grundlage der »Richtlinie der BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) für die Anforderungen an die Qualifikation und Auf-gaben einer fremdprüfenden Stelle beim Einbau von Kunststoff-komponenten« bei Deponiebaumaßnahmen sowie verschiedene privatrechtlich anerkannte Prüfstellen, z. B. eine Prüfstelle für Baustoffe und Baustoffgemische im Straßenbau (R AP Stra).

PRÜF-, ÜBERWAChUNGS- UND ZERTIFIZIERUNGSSTELLE | 33

07/08Betoninstandsetzung in einem Parkhaus.Verlegung von Kunststoffdichtungsbahnen auf Deponie.

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fachbeiträge

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Wissenschaftliche Begleitung

von Restaurierungsmaßnahmen

auf der Wartburg

Die Wartburg bei Eisenach ist das bekannteste Baudenkmal in Thüringen und wurde 1999 von der UNESCO in die Li-

ste des Welterbes der Menschheit aufgenommen. Seit 1993 wird die MFPA Weimar regelmäßig mit wissenschaftlichen Begleit-untersuchungen in die Vorbereitung und Durchführung von Re-staurierungsmaßnahmen einbezogen.

Es begann mit der Überarbeitung von Außenputzfassaden an der dreitorigen Halle, dem Ritterhaus, der Vogtei und dem Eli-sabethengang. Hier bestand die Aufgabe in der Entwicklung von Außenputzen für Ausbesserungen an Fehl- und Schadstellen im vorhandenen Bestand. Durch Analysen am Istbestand konnte überwiegend aus regional vorhandenen Ausgangsstoffen eine Nachstellung der vorhandenen Putze ausgeführt werden. Von Vorteil waren hier Kenntnisse zu Zusammenhängen zwischen Mischungsverhältnissen und Mörteleigenschaften, die einige Jahre davor in Forschungsprojekten des Instituts für Baustoffe der Bauakademie erarbeitet worden waren.

Mitte der 90er Jahre des 20sten Jahrhunderts begannen um-fangreiche Sanierungsmaßnahmen an den Außenfassaden des

Palas der Wartburg. Der Palas wurde in der 2. Hälfte des 12ten Jahrhunderts errichtet und ist damit das älteste Gebäude auf der Wartburg. An den Außenfassaden gab es starke Schäden an den Natursteinoberf lächen. Nach Untersuchungen zum Istzustand durch die MFPA und der Ableitung von Schadensursachen er-folgte hier die Entwicklung eines Mörtelsystems für die Ergän-zung von Schadstellen an den Natursteinen sowie von Verfug-mörteln und Putzen.

Bei der Entwicklung der Mörtel für Steinergänzungen wurde auf Erfahrungen von Thüringer Restauratoren aufgebaut. Diese nutzen bereits seit einigen Jahren empirisch zusammengesetzte Mörtel mit Acrylatdispersionen als Bindemittel. Nach systemati-schen Untersuchungen an diesem System durch die MFPA konn-ten für die auf der Wartburg verbauten Natursteine spezifische Anpassungen vorgenommen werden. Seit etwa 1995 sind diese Steinergänzungsmörtel mit Erfolg auf der Wartburg im Einsatz.Das System der acrylatgebundenen Mörtel ist später auch für An-wendungen an anderen Natursteinen und Objekten weiterent-wickelt worden. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde von der MFPA gemeinsam mit einem mittelständischen Partner

01Detail einer Wandfläche an der Westseite des Palas – Für die Überarbeitung wurden von der MFPA entwickelte acrylatgebundene Steinergänzungsmörtel für Rätsandsteine und ein spezieller mineralisch gebundener Verfugmörtel verwendet.

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FAChGEBIET: Baustoffe | 37

eine Technologie zur Produktion der genannten Mörtel entwik-kelt. Auf der in Kirchheim bei Erfurt stehenden Anlage wird seit einigen Jahren diese Technologie eingesetzt. Die dort produzier-ten Mörtel werden europaweit vertrieben.

An den Mitte des 19. Jahrhunderts – vor allem aus Wartburgkon-glomerat errichteten Bauten der Wartburg – traten erhebliche Schäden an den Verfugmörteln auf. Mehrfache Reparaturen in der Vergangenheit hinterließen dort ein unbefriedigendes Er-scheinungsbild. Durch die MFPA wurden in mehreren Schritten Verfugmörtel, die den jeweiligen Anforderungen angepasst sind, entwickelt und erprobt. Diese Verfugmörtel wurden bisher am Wartburghotel und am Bergfried der Wartburg eingesetzt. Bei der Entwicklung sind Möglichkeiten der industriellen Herstel-lung der Spezialmörtel durch Produzenten in Thüringen berück-sichtigt worden.

Aktuell erfolgt die Anwendung dieser Spezialmörtel an den Wehrmauern. Für die Restaurierung der Wehrmauern mussten im Vergleich zu den Gebäuden aus dem 19ten Jahrhundert star-ke Variationen in den Mörtelzusammensetzungen, die sich aus

vielen Reparatur- und Umbauphasen über mehrere Jahrhunder-te ergaben, berücksichtigt werden. Zusätzlich führten Wasse-reinträge zu Materialumlagerungen innerhalb der Mauern. Zur Reduktion der Wassereinträge über die Mauerkronen ist durch die MFPA beispielsweise ein spezielles Sandwichsystem aus ver-schiedenen Mörteln entwickelt und erprobt worden.

Im Palas der Wartburg befinden sich in der Elisabethgalerie, im Landgrafenzimmer und im Sängersaal Wandmalereien Moritz von Schwinds aus den Jahren 1854 / 55. Bereits unmittelbar nach der Fertigstellung der Fresken traten erste Schäden auf. Ab dem Ende des 19ten Jahrhunderts erfolgten deshalb mehrfach Restau-rierungskampagnen.

Seitens der MFPA wurden ab 2002 zunächst Ursachen für die Schäden an den Fresken untersucht. Gegenstand dieser Untersu-chungen waren auch Recherchen zu bisherigen Untersuchungs-ergebnissen, zu den bis dahin angewandten Restaurierungstech-niken sowie zu Veränderungen am Mauerwerk unter den Fresken und im unmittelbaren Umfeld des Palas.

02Zugang zur Wartburg durch eine dreitorige Halle – Der Putz wurde 1995 ausge-bessert und farblich überarbeitet. Es kamen durch die MFPA entwickelte Mörtel zum Einsatz.

03Wandfläche am Wartburghotel – Die Überarbeitung der Verfugung am Mauerwerk aus Wartburgkonglomerat erfolgte im Jahr 2011 mit einem von der MFPA entwik-kelten Mörtel.

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Während der Ausführung der Fresken durch Moritz von Schwind waren hohe Feuchte- und Salzbelastungen – Teile des Palas wur-den in der Vergangenheit unter anderem als Küche genutzt – im Mauerwerk vorhanden. Diese Belastungen verursachten be-reits starke Schäden an den vorher vorhandenen Putzen.

Vor dem Auftrag der Fresken erfolgte eine Putzerneuerung. Der von Moritz von Schwind aufgetragene Deckputz – auf dem sich die Fresken befinden – besitzt eine überwiegend hohe und gleichmäßige Qualität in der Ausführung. Der Unterputz ist da-gegen sehr inhomogen ausgeführt und eher von stark variieren-der Qualität. Im Laufe der Jahre kam es erneut zu Salzeinträgen aus dem Mauerwerk in die Putze und in der Folge zu Schäden an den Fresken. Zusätzlich wurden bei den Restaurierungsmaßnah-men und -versuchen in der Vergangenheit nicht immer geeignete Materialien und Technologien angewandt.

Zur Reduktion der Feuchtebelastungen im Mauerwerk erfolgten bereits vor längerer Zeit Veränderungen der Wasserführung auf dem Burghof in unmittelbarer Nähe des Palas. Aktuelle Unter-suchungen an Tiefenprofilen durch die MFPA, die Putzschich-ten und Teile des Mauerwerks erfassten, zeigen, dass im Bereich der Fresken keine signifikanten Feuchtebelastungen, die auf im Mauerwerk aufsteigendes Wasser zurückgeführt werden kön-nen, vorhanden sind.

Durch die außerordentliche kulturhistorische Bedeutung der Fresken waren Probenentnahmen aus dem Originalbestand nur in Kleinstmengen möglich. Deshalb mussten über Untersuchun-gen im Umfeld der Fresken (z. B. in der Dekorationsmalerei) In-formationen zu den Belastungen im Bereich der Fresken gewon-nen werden. Aber auch dort standen nur relativ kleine Proben-mengen zur Verfügung. Zur Gewinnung von Aussagen zur Be-lastungssituation und somit zu Schadensursachen mussten des-halb geeignete Analysenmethoden herangezogen werden. Diese standen in der MFPA zum überwiegenden Teil zur Verfügung.

Im Ergebnis von Untersuchungen zu Salzbelastungen und –ver-teilungen an den Fresken wurde festgestellt, dass sehr heteroge-ne Salzverteilungen im Bereich der Fresken vorliegen, dass die Salze vor allem aus den Belastungen im Mauerwerk stammen aber auch durch Restaurierungsmaterialen und durch den Besu-cherverkehr eingetragen wurden.

04Südlicher Teil der Westfassade des Palas – Bei der denkmalgerechten Restaurierung wurden von der MFPA entwickelte Steinrestaurier- und Verfugmörtel eingesetzt.

05 Sängerkriegsbild – Starke Schäden befinden sich im unteren Teil des Bil-des. Mit der Höhe nimmt das Ausmaß der Schäden ab. (Bild von Restaura-tor Jürgen Scholz)

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So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass Gipsbela-stungen auf den Freskenoberf lächen auch aus dem Abrieb der im Palas vorhandenen gipsgebundenen Estriche stammen und von Chloridbelastungen aus Streusalzeinträgen, die Besucher über Anhaftungen an den Schuhsohlen eintrugen.

Neben chemischen Analysen wurden Untersuchungen zu raum-klimatischen Bedingungen und Wechselwirkungen zwischen belasteten Materialproben, die von den Wandoberf lächen stam-men, durchgeführt. Dabei konnte durch die MFPA festgestellt werden, dass Zusammenhänge zwischen den Belastungen und dem Feuchtesorptionsverhalten der belasteten Materialien be-stehen. Im Ergebnis der Zustanduntersuchungen ergaben sich Fragen nach Möglichkeiten der Erhaltung der Fresken im Ein-bauzustand und zu Randbedingungen, die eine Verringerung der Schädigungsgeschwindigkeit erlauben würden.

Es wurde sehr schnell klar, dass die Salzbelastungen in den Put-zen und den Malschichten reduziert werden müssen. Der Redu-zierung sind aber Grenzen gesetzt. Denn mit der Reduktion der Salzgehalte kommt es auch zu einer Reduktion der Pigmentbin-demittel in den Malschichten. Um mögliche schädliche Verän-derungen durch Restsalzgehalte zu reduzieren, mussten deshalb Grenzen für das Bauklima im Inneren des Palas festgelegt wer-den. An der Findung dieser Grenzen waren neben der MFPA auch andere Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland beteiligt. Zur Reduktion der Salzgehalte sind Vorversuche und technologische Erprobungen gemeinsam mit Restauratoren aus Thüringen durchgeführt worden. Durch die Anwendung von Cellulosekompressen sind deutliche Reduktionen der Salzbela-stungen möglich.

Gegenwärtig laufen im Palas umfangreiche Bauarbeiten zum Austausch der Fußböden und zum Einbau eines besser regel-baren Heizsystems. Die alten Gipsestriche werden entfernt und durch einen Belag aus Solnhofer Platten ersetzt. Dadurch ent-steht kein gipshaltiger Abrieb mehr.

Durch die jahrelange und regelmäßige Zusammenarbeit mit der Wartburg-Stiftung Eisenach konnten in der MFPA umfangreiche Kenntnisse zum baulichen Zustand von vielen Gebäuden auf der Wartburg gesammelt werden. Diese Kenntnisse bewirken eine schnellere Einordnung von verbauten Materialien und deren Er-haltungszustand bei bisher noch nicht untersuchten und nicht restaurierten Gebäuden oder Gebäudeteilen auf der Wartburg.

06Fresko »Ankunft der heiligen Elisabeth auf der Wartburg« – Deutlich erkenn-bar sind von oben nach unten zunehmende Schäden an der Bildoberfläche. Diese sind durch Salzbelastungen im Putz und im Mauerwerk bedingt. (Bild von Restaurator Jürgen Scholz)

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Dr.-Ing. Hans-Werner Zier

Mail: [email protected]

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»Das Thüringer Land ist geologisch von der größten Reichhaltigkeit. Alle in Deutschland vorkommenden Formationen sind auch in Thü-ringen durch ihre Gesteine vertreten« (Weber, H.: »Einführung in die Geologie Thüringens«, VEB Deutscher Verlag der Wissen-schaften Berlin, 1955)

Bedingt durch die geologische »Reichhaltigkeit« kommen in Thüringen unterschiedlichste Rohstoffe für die Herstel-

lung von Baustoffen vor. Neben einer Vielzahl von Natursteinen sind auch nahezu alle in Deutschland vorkommenden Mörtel-ausgangsstoffe anzutreffen.

In der Vergangenheit wurde von der Vielfalt dieser Mörtelroh-stoffe rege Gebrauch gemacht. Da die Transportmöglichkeiten der Gegenwart nicht zur Verfügung standen, erfolgte vor allem die Ausbeutung regionaler Vorkommen. Teilweise wurden die Ausgangstoffe für den Hausbau unmittelbar neben dem Stand-ort und / oder teilweise aus den Baugruben gewonnen. Häu-fig gab es auch auf kleinster Fläche mehrere Rohstoffe, die zur Mörtelherstellung geeignet waren. Es entwickelten sich gewisse Traditionen in der Anwendung. Diese gerieten in Vergessenheit und neue Traditionen entwickelten sich. Durch diesen über viele Jahre andauernden Prozess des Wechsels zwischen unterschied-lichen Technologien sind auch Situationen entstanden, die zu starken Schäden an der Bausubstanz führten oder auch noch führen können.

In den meisten Regionen Thüringens kommt Gips als natürlicher Rohstoff für die Mörtelherstellung vor und konnte über relativ kurze Transportentfernungen nahezu f lächendeckend verwen-det werden. Aus Gips wurden Mörtel für die Errichtung von Mau-erwerk, für die Herstellung von Putzen, Verfugungen und Stuck sowie Fußböden hergestellt. Nachweisbar sind aber auch aus Gipsmörtel vorgefertigte Teile für statisch relevante Anwendun-gen in Treppenstufen, Gewölberippen oder Formsteinen. Häufig kam es zu Anwendungen im Außenbereich. Moderne gipshaltige Mörtel sind für den Außenbereich nicht mehr einsetzbar. Ab der Mitte des 19ten Jahrhunderts entwickelte sich die Eisenbahn als modernes Transportmittel und fast zeitgleich begann die Ver-breitung von Roman- und Portlandzementen. Damit begann eine Verdrängung der regional angewandten Baustoffe durch die damals modernen, scheinbar effektiver einsetzbaren und bestän-digeren Zemente. Gleichzeitig kam es aber auch zu Schäden an mit Gips errichteten Bauwerken, wenn zementhaltige Mörtel im direkten Kontakt zu Gipsmörteln angewendet wurden.

Regionalspezifische Aspekte bei der

Bewertung von historischen Bauwerken

01Lobdeburg bei Jena – Zum Bau der Lobdeburg wurden Kalksteine aus dem Fels unter der Burg verwendet. Als Bindemittel in den Mörteln kamen Kalk und auch Gips, der in der Nähe ansteht, zur Anwendung.

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Im Laufe der Zeit ging viel Wissen über die historischen Tech-niken der Gipsanwendung und über die Häufigkeit der Anwen-dung verloren. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands setz-te ein Bauboom ein und über Jahrzehnte vernachlässigte Objekte sollten schnellstens saniert werden. Relativ schnell stellten sich Schäden nach Sanierungsmaßnahmen ein, wenn gipshaltige Mörtel im historischen Mauerwerk vorhanden waren und Injek-tionen mit zementhaltigen Suspensionen erfolgten. Beispiele, die auch in der Tagespresse Beachtung fanden sind die Runne-burg in Weißensee und das Schloss in Wiehe. Sanierungspla-nern oder Ausführungsfirmen aus anderen Bundesländern lagen häufig keine Kenntnisse über das Vorkommen von gipshaltigen Baustoffen in historischen Bauwerken vor und somit bleiben re-gionalspezifische Besonderheiten oft unberücksichtigt.

Durch die MFPA Weimar erfolgten Untersuchungen an einer Reihe von Gebäuden, die durch Treibmineralbildungen geschä-digt wurden. Treibminerale bilden sich zum Beispiel durch Re-aktionen von Gips mit Zementbestandteilen. Die Folge ist eine Volumenzunahme, die Mauerwerk auseinandertreiben kann. Im Laufe der Zeit deuteten sich systematische Zusammenhän-ge für die Ausbildung von Schäden an. Diese Zusammenhänge waren Anlass für die Bildung einer Arbeitsgruppe in der WTA (Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bau-

werkserhaltung und Denkmalpf lege e. V.). In der Arbeitsgruppe war die MFPA mit zwei Mitarbeitern vertreten und konnte mit umfangreichen Kenntnissen zu Schadensursachen und Zusam-menhängen mit dazu beitragen, dass im Jahre 2007 ein Merkblatt »Gipsmörtel im historischen Mauerwerksbau und an Fassaden« und ein Fachbuch gleichen Titels entstanden.

Nachdem die Probleme erkannt und dokumentiert worden wa-ren, ergaben sich Fragen nach geeigneten Materialien und Tech-nologien für Sanierungen an Gebäuden mit Gipsmörteln im Mauerwerk oder mit gipshaltigen Putzen an Wandoberf lächen. Gemeinsam mit mittelständischen Industriepartnern aus Thü-ringen sind mehrere vom Bundesministerium für Wirtschaft (Programme PROINNO bzw. ZIM) geförderte Forschungspro-jekte in der MFPA bearbeitet worden.

Gegenstand eines Projektes war das Aufgreifen der historischen Technologien zur Herstellung und Verarbeitung von Gipsmör-teln unter Einbeziehung des aktuellen Standes des Wissens. Im Ergebnis der Bearbeitung entstanden Rezepturen für die Her-stellung von gipsgebundenen Mauer-, Verfug- und Putzmörteln sowie für Estriche. Durch die gezielte Variation der Zusammen-setzung der Mörtel sind spezifische Eigenschaften für die jeweils konkrete Anwendung einstellbar.

02Rathaus in Weißensee – Im Rathaus sind regional vorkommende Natursteine (vor allem Kalkstein, Travertin, Gipsstein) verbaut worden. Als historische Mörtelbindemittel kamen Kalk, Gips und Lehm zum Einsatz. Der Einsatz von Zementsuspensionen für Injektionen führt zu starken Schäden an Mauerwerk und Putz.

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In einem weiteren Forschungsprojekt sind Ergänzungs- und Hin-terfüllmörtel für historische Glanzputze und Stuck entwickelt worden. Die genannten Anwendungen sind in der historischen Bausubstanz weit verbreitet und es fehlte an Materialien für die Sanierung. Berücksichtigt werden mussten eine Vielzahl von Materialkombinationen. Beispielweise können die Untergrün-de Lehmmauerwerk, Ziegelmauerwerk, Natursteinmauerwerk und Mischmauerwerk aus verschiedensten Materialien sein. Zur Anpassung an die Vielzahl der Ausgangszustände wurden neben gipshaltigen Bindemitteln in den Mörtelsystemen für die Sanie-rung auch Kunststoffe als Bindemittel eingesetzt oder gipshaltige Bindemittel mit Kunststoffen modifiziert. Als Partner im durch die MFPA initiierten Projekt wirkten zwei Stukkateurfirmen aus Thüringen mit.

Besonders problematisch sind Injektionen im Mauerwerk, das gipshaltigen Mörtel enthält. Untersuchungen, die gemeinsam mit Partnern aus drei Fachhochschulen erfolgten, zeigen, dass alle Zemente zu Schäden bei derartiger Anwendung führen können.

Um trotzdem notwendige Sicherungen am Mauerwerk ausfüh-ren zu können, wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes in der MFPA gemeinsam mit einem mittelständischen Unter-nehmen Technologien unter Verwendung von Kunstharzen (PU- und EP-Harze verschiedener Hersteller) zur Sanierung von gipshaltigem Mauerwerk untersucht und unter Praxisbedingun-gen erprobt.

Häufig kommen gipshaltige Mörtel im direkten Kontakt zu Bau-hölzern (z. B. im Fachwerk) vor. Im Rahmen von technologischen Abstimmungen nach Bauzustandsbewertungen ergaben sich oft Fragen zu Möglichkeiten der Anwendung von Schwammsanie-rungsmaßnahmen. Durch gezielte chemische Untersuchungen konnten die Rahmenbedingungen (Temperaturbereiche, In-haltsstoffe, die nicht zur Anwendung kommen dürfen) abge-steckt werden. Die Beispiele aus der Anwendung des Rohstoffes Gips zeigen, dass die Kenntnis der regional vorkommenden Bau-stoffe und der Rohstoffe aus denen diese hergestellt werden, von großer Bedeutung für die Bewertung von Gebäuden und deren Erhaltungszustand ist.

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03Teilbereich der Stadtmauer in Mühlhausen – Verbaut sind regional anstehender Travertin und Kalkstein. Als Bindemittel im Mörtel wurde im dargestellten Bereich Gips verwendet. Auftretende Schäden sind durch in das Mauerwerk eindringendes Wasser bedingt und durch ungeeignete Mate-rialien während der Sanierung.

04Portal der ehemaligen Klosterkirche in Reifenstein – Als Steinmaterial dominiert regional anstehender Kalkstein und als Mörtel diente Gips, der in etwa 1 km Entfernung gewon-nen wurde.

05Portal der ehemaligen Klosterkirche in Reifenstein nach der Restaurierung – Zum Einsatz kamen speziell abge-stimmte Gipsmörtel als Mauer- und Verfugmörtel. Für Sicherungsmaß-nahmen im Inneren des Mauerwerks wurden auch Reaktionsharze einge-setzt.

06Stark geschädigte Putzfläche in der Kirche in Neustadt (Eichsfeld) – Bei der Sanierung ist nicht berücksichtigt worden, dass im Mauerwerk gipshal-tige Mörtel vorhanden sind.

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Dr.-Ing. Hans-Werner Zier

Mail: [email protected]

Page 44: 20 Jahre MFPA Weimar

Bei technologischen Hochtemperaturverfahren, z. B. der Erzeugung von Bindemitteln oder Elektroenergie werden

staubförmige Stoffe, die sich nachteilig auf die Umwelt auswir-ken oder die Produkteigenschaften ungünstig beeinf lussen, aus dem Verfahrensprozess ausgeschleust. Sie werden bei der Abgas-reinigung oder in Bypass-Anlagen abgeschieden und können im Zuge einer anlagenintegrierten Kreislaufführung oft nur teilwei-se wieder verwendet werden oder sind als technologischer Ab-fall vollständig zu entsorgen. Während die Staubabscheidung in Abgasfilteranlagen der Emissionsminderung dient, werden By-pass-Anlagen betrieben, um prozesstechnisch ungünstige Stof-fe kontinuierlich auszuschleusen. Mineralogisch können solche Prozessstäube – je nach Entstehungsort innerhalb des Herstel-lungsverfahrens – aus wechselnden Anteilen unreagierter oder teilweise calcinierter Komponenten, Freikalkanreicherungen, Alkalisulfaten und -halogeniden sowie weiteren Übergangsver-bindungen bestehen.

Eine bereits erprobte Alternative, die chemische Charakteri-stik und die stoff lichen Eigenschaften solcher Prozessstäube zu nutzen, ist die Verwendung als Rohstoffkomponente sowohl bei der Herstellung von Glasschäumen als auch von Gläsern für die Glasfaserherstellung. Beim Schäumen bzw. Schmelzen silicati-scher Gemenge werden in der Regel Alkaliverbindungen zuge-setzt, die als Flussmittel eine Schmelzpunkterniedrigung bewir-ken. Diese Funktion kann durch den Einsatz von alkalihaltigen Prozessstäuben erreicht werden, wodurch ein Teil der oft teueren Gemengerohstoffe substituiert werden kann. Von zusätzlichem Nutzen können außerdem hydraulisch aktive Bestandteile der Prozessstäube sein, die als Bindemittel bei der Agglomeration oder Granulierung der Gemenge vor dem eigentlichen Schäum-, Bläh- oder Schmelzprozess wirken. Darüber hinaus werden bei der Herstellung geschäumter bzw. geblähter Glasprodukte Trennmittel eingesetzt, die ebenfalls durch sekundäre Rohstoffe substituiert werden können.

Stoffliche VoraussetzungenHauptkriterium für eine Verwendung von Gemengen zur Her-stellung von Gläsern und Glasschäumen ist deren definierte che-mische Zusammensetzung. Voraussetzung für den Einsatz von Prozessstäuben ist daher die Kenntnis ihrer stoff lichen Eigen-schaften. Da Prozessstäube (in Abhängigkeit vom technologi-schen Verfahren) zum Teil in großen Mengen anfallen, erscheint für die glastechnische Verwendung insbesondere der Einsatz in Massenprodukten sinnvoll.

Thüringen »schmilzt« – Gläser, Fasern

und Schäume aus alternativen Rohstoffen

In traditionellen Glasgemengen werden Rohstoffe eingesetzt, die überwiegend eine oder zwei chemische Verbindungen (meist Oxide) in das Glas eintragen. Seltener im Einsatz sind Rohstoffe, die drei oder mehr chemische Verbindungen einbringen. Echte Multikomponentensysteme werden bisher überwiegend nur in Form von Glasscherben anteilig eingesetzt. Das heißt, zu einem Rohstoff-Gemenge werden Glasscherben gleicher Zusammen-setzung zugemischt und als »Gemenge-Scherben-Gemisch« zu Glas erschmolzen. Entscheidend für den Grad der Substitution primärer Gemengerohstoffe durch Multikomponentensysteme sind in erster Linie deren chemische Zusammensetzung, ihre Gleichmäßigkeit und der Gehalt an f lüchtigen bzw. gasbilden-den Bestandteilen. Von grundlegender Bedeutung für den Ein-satz von Prozessstäuben zur Herstellung verschiedener Schaum-, Bläh- oder Schmelzprodukte sind daher zuverlässige Angaben über die Zusammensetzung der gelieferten Charge sowie ihre Homogenität.

Im Rahmen von Forschungsprojekten der MFPA Weimar mit verschiedenen Kooperationspartnern wurden beispielsweise das Aufkommen verwertbarer Abfall-Stäube sowie deren chemische Zusammensetzung stichpunktartig erfasst, ausgewählte Her-steller beprobt und deren Prozessstäube näher untersucht. Ziel der Untersuchungen war die Bewertung der Gleichmäßigkeit der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung sowie eine Beurteilung von Effekten einer zusätzlichen Homogenisierung durch Zwischenlagerungen. Bild 5 zeigt eine graphische Darstel-lung ausgewählter Ergebnisse. Es sind die Gehalte an Alkalien, Sulfat und Chlorid sowie an weiteren Bestandteilen in einem Dreistoff-Diagramm dargestellt.

01 Versuchsschmelze

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Erprobte AnwendungenBlähglasgranulate und MineralschäumeZur Herstellung von Blähgläsern wurden Gemenge durch Mi-schen der Prozessstäube mit Glasmehl sowie einem Blähmittel hergestellt. Diese Versatzmischungen wurden zu Granalien auf-granuliert. Als Granulieren wird die Agglomeration von pulvrigem Feingut zu grobkörnigen bis kleinstückigen Stoffportionen, den Agglomeraten oder Granalien, bezeichnet. Durch die Agglomera-tion werden nachteilige Eigenschaften feiner Stoffe, wie z. B. un-kontrolliertes Verstauben oder Zusammenkleben etc. vermieden. Im anschließenden Produktionsprozess wurden diese Gemen-ge-Granalien mit unterschiedlichen Gehalten an Prozessstäu-ben in einer technischen Drehofenanlage zu Blähglasgranulaten gebläht. Die Sinterung und die gleichzeitige Schäumung der Granulate erfolgten bei Temperaturen über 1.000 °C. Gemenge- Granalien mit Anteilen von bis zu 50 M.-% an Prozessstäuben blähten zu Blähglasgranulaten marktüblicher Qualität. Die Schüttdichte dieser Granulate lag im Bereich von 0,4 – 0,6 kg/l, bei weiterer Optimierung können durchaus geringere Rohdich-ten erzielt werden. Bei einer 75 %-igen Substitution des Glas-mehls durch Prozessstäube bildeten sich dagegen inhomogene Schaumstrukturen, teilweise noch mit Sintereinschlüssen durch-setzt. Eine Temperatursteigerung um nur 10 K bewirkte bereits ein Verschmelzen der Granulate.

Neben dem Blähverhalten wurde die Eignung der Prozessstäube als Trennmittel untersucht. Eine Granulatherstellung im Dreh-rohrofen erfordert Trennmittel, welche das Verkleben der Gra-nulate untereinander sowie das Anhaften an der Ofenwandung verhindern. Eine Anreicherung des Trennmittels mit Bestandtei-len des Rohstoffgemenges und der hierdurch bedingte, kontinu-ierliche Austausch des Trennmittels sind unumgänglich. Bei der Verwendung von Prozessstäuben als Trennmittel können diese jedoch, im Gegensatz zu traditionellen Trennmitteln, als Roh-stoffkomponente in den Prozess wieder eingetragen werden.

Zur Bewertung der Schäumfähigkeit erfolgte im Rahmen wei-terführender Untersuchungen die Herstellung von Glas- / Mi-neralschäumen in einem industriellen Tunnelofen. In Bild 2 ist eine Mineralschaumprobe zu sehen, die in einer solchen Tunnel-ofenanlage hergestellt wurde. Basierend auf einer grundsätzlich unterschiedlichen Technologie gegenüber der Herstellung von Blähglasgranulaten konnte in diesem Versuch die Eignung der Gemenge aus Glasmehl und Prozessstäuben zur Herstellung von Mineralschaumprodukten nachgewiesen werden. Dabei wurden die Produkteigenschaften maßgeblich von der chemischen Zu-sammensetzung der Gemenge beeinf lusst. Neben klassischen Glas- / Mineralschäumen in marktüblicher Qualität entstanden auch Schäume mit Sinterrückständen als auch keramikähnliche Schmelzprodukte. Die Versuchsergebnisse lassen erwarten, dass bei einer Optimierung der Ofenbetriebsparameter Glas- / Mi-neralschäume mit von ≥ 20 M.-% an Prozessstäuben produziert werden können.

Gläser und GlasfasernVor der Glasproduktion werden Gemenge hergestellt, die es auf Grund der Rohstoffauswahl ermöglichen, Gläser mit definierten Eigenschaften zu schmelzen. Für ein Grundglas werden die land-läufig bekannten Rohstoffe Sand, Soda und Kalk eingesetzt. Je nach Einsatzzweck des Glases werden weitere Rohstoffe hinzu-gefügt. Ein qualitativ hochwertiges Gemenge ist homogen, d.h. bereits vor der Glasschmelze sollten die Rohstoffpartikeln so gleichmäßig verteilt sein, dass sie der Zusammensetzung des Gla-ses entsprechen. Beim Einsatz von Prozessstäuben in Verbindung mit Sand, Soda, Kalk und weiteren Rohstoffen ist jedoch ein sehr großes Spektrum an Partikelgrößen vorhanden (Prozessstäube sehr fein – Sand relativ grob). Aus diesem Grund wurde zunächst das Mischverhalten von Prozessstäuben mit abgestuften Gehal-ten an Glasschmelzsand und anschließend von vollständigen Gemengen einschließlich der erforderlichen Korrekturstoffe untersucht und bewertet. Dabei konnten bis zu 75 M.-% der klas-sischen Gemengebestandteile durch Prozessstäube ersetzt wur-den, ohne das Inhomogenitäten auftraten.

In den Gemengerezepturen wurden bis zu 20 M.-% Prozessstäu-be eingesetzt. Diese Rezepturen entsprachen der Zusammenset-zung von kommerziellem chemisch beständigem Glas, das für die Herstellung von Glasfasern nach dem Düsenziehverfahren (sog. »C-Glas«) eingesetzt wird. Dabei stellte sich heraus, dass auch

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02Mineralschaum-Schotter

Page 46: 20 Jahre MFPA Weimar

bei stark unterschiedlichen Feinheiten der Gemengebestandtei-le homogene Mischungen bereits mit geringem Aufwand, bei-spielsweise durch Einsatz eines Zwangsmischers, zu realisieren sind. Nach dem Mischen der Prozessstäube mit Korrekturstof-fen wurden diese zu kugeligen Aggregaten aufgranuliert. Bei der Glasschmelze ist diese Agglomeration der Gemenge von Vorteil, da u. a. Verstaubungsverluste beim Einlegen des Gemenges ver-mieden werden und gleichzeitig bessere Transport- und Dosier-eigenschaften für die Gemenge erzielt werden können. Die Gra-nulierversuche der Gemenge zeigten ein weiteres sehr positives Ergebnis. Infolge der Erhärtung hydraulisch aktiver Bestandteile der ausgewählten Prozessstäube während der Granulation bilde-ten sich feste, druck- und abriebstabile und außergewöhnlich verstaubungsarme Granalien (Bild 3). Sie ließen sich ausgezeich-net dosieren und in den jeweiligen glastechnischen Prozess ein-bringen. Die hohe Dichte der Granalien dürfte außerdem für das überraschend gute Einschmelzverhalten verantwortlich zu sein.Die sich anschließenden Ausführungen der Glasschmelzen er-folgten sowohl im erdgasbeheizten Oberf lammenofen, als auch in einem elektrisch beheizten Hafen-Ofen mit einem Fassungs-vermögen von ca. 50 – 80 l und einer maximalen Temperatur während des Schmelzvorgangs von ≈ 1400° C. Ausgewählte Er-gebnisse dieser Schmelzversuche sind in der nachfolgenden Ta-belle zusammengefasst.

Aus den granulierten Gemengen wurden Glasprodukte (Bild 4) und Pellets in handelsüblicher Qualität erschmolzen. Als Refe-renz-Glasgemenge ohne Prozessstäube kam ein der industriellen Produktion entsprechendes Scherben-Rohstoff-Gemisch mit ei-nem Scherbenanteil von ca. 35 M.-% zum Einsatz. Während die Masseverluste (Umsetzungsrate) der Prozessstaub-Gemenge-Schmelzen wesentlich auf die eingetragenen Feuch-tigkeitsgehalte und in nur geringem Maße auf Verdampfungsver-luste zurückzuführen sind, resultiert der Schmelzverlust beim Referenz-Glasgemenge ausschließlich aus Verstaubungs- und Verdampfungsverlusten. Setzt man den in der Tabelle angegebe-nen spezifischen Energieeinsatz des Referenzgemenges zu 100 %, ergeben sich für die Prozessstaub-Gemenge-Schmelzen spezifi-sche Energieverbräuche von 85 – 90 % in Bezug auf das Referenz-Glasgemenge. Durch die feste Bindung der Gemengebestand-teile konnten die Verstaubungen beim Einlegen in den heißen Ofen drastisch reduziert werden. Durch die räumliche Nähe der Komponenten in den Granalien wurde eine gute Homogenität der Glasschmelzen erreicht. Zur Herstellung der erforderliche Proben und Beurteilung der Verarbeitungseigenschaften wur-den alle Schmelzen verschiedenen Verfahren der Formgebung unterworfen. Zur Anwendung kamen das Gießen von Probeplat-ten und Formkörpern, das Pressen von Plaketten und das Einbla-sen in Hohlglas.

Prozesstechnische Kenngrößen ausgewählter Glasschmelzversuche

Gemengegröße Anteil Prozessstaub

im Gemenge

Umsetzungsrate spezifischer Energieeinsatz

Prozessstaub 1 ≈ 126 kg 9,6 M. % ≈ 105 kg ≙ 83 % 670 kWh 6,37 kWh / kg Glas

Prozessstaub 2 ≈ 128 kg 10,4 M. % ≈ 106 kg ≙ 83 % 775 kWh 7,31 kWh / kg Glas

Prozessstaub 3 ≈ 150 kg 8,4 M. % ≈ 126 kg ≙ 84 % 740 kWh 5,87 kWh / kg Glas

Referenz-Glasgemenge

≈ 125 kg 0 M. % ≈ 111 kg ≙ 89 % 785 kWh 7,09 kWh / kg Glas

04Glasartikel (Kompakt-Glas) aus Prozessstaub

03Prozessstaub-Glasmehl-Granalien.

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GlasfasernDie Versuche zur Verarbeitung der Glas-Pellets zu Glasfasern wurden auf der Faserspinnmaschine eines Thüringer Glasfaser-herstellers vorgenommen. Dieser Faserziehprozess ist mit einer erneuten Schmelze der hergestellten Glas-Pellets verbunden und erlaubt somit auch Aussagen zum Reboilverhalten der entspre-chenden Gläser. Als Vergleichsmaterial wurden kommerzielle, wannengeschmolzene C-Glas-Pellets eingesetzt.

Die Glas-Pellets mit Anteilen an Prozessstäuben ließen sich in ähnlicher Weise zu Fasern weiterverarbeiten wie die Pellets des Referenzgemenges und wie kommerzielle, wannengeschmolze-ne C-Glas-Pellets. Nach dem Ziehprozess wurden die Glasfasern zu Faserband mit 400 tex Feinheit versponnen. Aus allen Fasern ließen sich Spulen herstellen und anschließend zu Glasfaser-textilien verweben. Sowohl die Verarbeitungstemperaturen der Prozessstaub-Glas-Pellets, die Anzahl der Faserabrisse beim Fa-serziehen als auch die Eigenschaften in der Weiterverarbeitung entsprachen den Vergleichswerten bei der Produktion mit kom-merziellen Pellets.

AusblickDie bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse dokumentie-ren die erfolgreiche Verwendung von Prozessstäuben aus tech-nologischen Hochtemperaturverfahren insbesondere bei der Herstellung von geschäumten bzw. geblähten mineralischen Produkten, kompakten Gläsern, sowie Glasfasern für textile Pro-dukte und Dämmstoffe.

Eine glastechnische Verwertung der Prozessstäube eröffnet Al-ternativen zur bisherigen Entsorgung dieser Prozessstäube. Für die Glas- bzw. glasverarbeitende Industrie stehen bei einer indu-striellen Umsetzung infolge des anteiligen Ersatzes von Rohstoff-komponenten durch Prozessstäube Verringerungen der Produk-tionskosten in Aussicht. Der potentielle Substitutionsgrad, mit dem primäre Glasrohstoffe durch Prozessstäube ersetzt werden können, ergibt sich im jeweiligen Einsatzfall aus der individuel-len Staubzusammensetzung und den Anforderungen der Gläser. Neben den hier aufgezeigten Verwertungsmöglichkeiten in

»klassischen« Schmelzen erscheinen Prozessstäube grundsätz-lich auch zum Recyceln von Abfällen künstlicher oder natürli-cher Mineralfasern geeignet. Diese Abfälle entstehen z. B. bei der Produktion von Mineralfasern, beim Einbau von Mineralwol-leerzeugnissen als Verschnitt oder beim Rückbau fasergedämm-ter Bauteile oder Gebäude. Zum Wiedereinführen der faserigen und staubförmigen Abfälle in den Produktionsprozess können diese, unter Nutzung hydraulischer Abbindeeigenschaften der Prozessstäube mit diesen gemischt, angefeuchtet und zu Form-körpern verarbeitet werden.

Die hydraulischen Abbindeeigenschaften verschiedener Pro-zessstäube lassen sich ebenfalls zur gezielten Alkali-Aktivierung diverser alumosilikatischer Nebenprodukte nutzen. Solche Bin-demittel, die durch Aktivierung einer alkalischen Lösung er-härten sind beispielsweise als Geopolymere, Alkali-Schlacken-Bindemittel bzw. alkali-aktivierte Schlacken und Flugaschen bekannt.

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Dipl.-Ing. Marek Schulz

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05Verhältnis der Gehalte an Alkalien zu Sulfat und Chlorid in verschiedenen Prozessstäuben

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Das Bragg-Gitter wirkt in der Glasfaser wie ein wellenlängens-elektiver Spiegel, der genau das Licht der Bragg-Wellenlänge λB ref lektiert und die anderen Wellenlängen passieren lässt:

Wobei n die effektive Brechzahl des Glases und G die Gitterkon-stante des Bragg-Gitters ist. Die Änderung der Bragg-Wellenlän-ge kann wie folgt beschrieben werden:

Hierbei ist φ eine Photoelastische Komponente (≈ 0,22) und D ist die Dehnungsänderung des FBG:

Der Einsatz von Kohlefaserverstärkten (CF) Kunststoffen zur Tragwerksertüchtigung ist Stand der Technik. Eine

Überwachung dieser verstärkten Bauwerke ist bisher nur mit gro-ßem nachträglichen Aufwand möglich. Sensorbasierte Textilar-mierungen, die diese beiden Aufgaben integral erfüllen können, sind im Rahmen des regionalen Wachstumkerns »highStick« entwickelt wurden. Dazu wurden textile Kohlefaser-Gelege mit optischen Glasfasern bestickt, die Faser-Bragg-Gitter-Sensoren enthalten.

Im Betonbau hat sich die Bauteilverstärkung mit Kohlefaserver-stärkten (CF) Kunststoffen bewährt. Zu den Vorteilen zählen ne-ben einem hohen E-Modul und großer Zugfestigkeit auch Korro-sionsbeständigkeit sowie ein geringes Kriechen und Schwinden.

In Glasfasern integrierte optische Faser-Bragg-Gitter-Sensoren (FBG-S) können Dehnungen und Temperaturen zuverlässig erfassen. Da Glasfasern mechanisch leicht zu beschädigen, eine sehr glatte Oberf läche und einen kleinen Durchmesser von typi-scherweise 0,25 mm aufweisen, ist das Anbringen an Messobjek-te bisher kompliziert und fehlerbehaftet.

Durch eine sticktechnische Integration sensorintegrierter Glas-fasern kann der Verlauf dieser optischen Faser auf dem Textil frei gewählt werden, wodurch sich z. B. eine Temperaturkompensati-on in mechanisch entkoppelten Bereichen realisieren lässt. Die Fixierung am Bauteil geschieht mittels Epoxidharzklebern, die das technische Textil durchdringen und gleichzeitig den Klebe-verbund zum Bauteil herstellen. Am Bauteil entsteht ein Sensor-bestückter Faserverbundwerkstoff, der äußerst f lexibel einge-setzt werden kann. Neben der Bauwerkertüchtigung sind z. B. auch reine Monitoringaufgaben möglich.

Sticktechnische Integration optischer Faser-Bragg-Gitter Messsensoren

auf Trägergewebe zur Applikation an Tragwerken im Bauwesen

Faser-Bragg-GitterEin Bragg-Gitter besteht aus einer periodischen Abfolge künst-lich erzeugter äquidistanter Brechzahländerungen im Kern einer optischen Faser, welches durch »Einbrennen« eines Interferenz-musters, erzeugt mittels einer Talbot-Interferometeranordnung und eines Hochleistungs-Impuls-UV-Lasers als Strahlquelle ge-schieht.

01Detailaufnahme einer aufgestickten FBG-Sensorglasfaser auf CF-Gelege (Durchmesser der Glasfaser: 0,25 mm)

02/03Meßprinzip FBG-Sensoren.Transmittiertes und ref lektiertes Licht an einem Faser-Bragg-Gitter.

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Eine mechanisch oder temperaturbedingte Längenänderung der Glasfaser und damit des eingebetteten Bragg-Gitters ändert so-mit die ref lektierte Lichtwellenlänge. Für Dehnungsmessungen wird das FBG fest mit dem Messobjekt verbunden, für Tempera-turmessungen muss das FBG mechanisch unbeansprucht sein.

Da ein Bragg-Gitter nur das Licht genau einer Wellenelänge λB ref lektiert und die anderen Wellenlängen passieren lässt, kön-nen auf eine Glasfaser mehrere Bragg-Gitter unterschiedlicher Gitterkonstanten G eingebracht werden. Damit sind mehrere unabhängige Sensoren für Temperatur und Dehnung auf einer Glasfaser integriert.

Sollen explizit Dehnungsmessungen durchgeführt werden, ist eine Kompensation des Temperatureinf lusses unbedingt erfor-derlich. Dies kann z. B. durch Anordnung eines separaten Faser-Bragg-Gitters in einem mechanisch unbeanspruchten Bereich der Glasfaser erfolgen.

Um die FBG-Sensoren auslesen zu können, wird breitbandiges Licht in die optische Faser eingekoppelt. Das an den Bragg-Git-tern ref lektierte Licht wird in der Regel über ein Spektrometer erfasst. Jedes FBG erzeugt dabei einen spezifischen Peak mit der Bragg-Wellenlänge λB im Spektrum. Die Wellenlänge des Peaks wird dann nach den oben aufgeführten Gleichungen in Deh-nungswerte umgerechnet.

Applizieren der optischen Sensorglasfasern durch AufstickenBisher erfolgt das Auf bringen von FBG-Sensorglasfasern meist durch punktuelle Fixierung (z. B. mit Epoxidharz auf dem Mess-objekt. Dabei muss in der Regel das Coating der Faser im Be-reich der Fixierung entfernt werden, um die Kraftübertragung auf den Glaskern zu gewährleisten. Das ist in der Praxis schwie-rig und fehleranfällig. Einzelne FBG-Sensoren in verschiedene Raumrichtungen anzuordnen, ist dabei bisher nicht leicht zu realisieren.

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06/07/08Stickmaschine mit CF-Gelege.Aufsticken der optischen Faser auf CF-Gelege.Fertiges sensorintegriertes CF-Gelege auflaminiert auf Versuchsbalken.

04/05Spektrum von drei FBG-Sensoren auf einer Glasfaser und einem Referenz-FBG.Messwerte von drei FBG-Sensoren während einer Messung (Violett: Temperaturkompensation mittels FBG-Sensor).

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Um erfolgreich sensorbasierte CF-Gelege herstellen zu können, ist eine ausreichende Fixierung der optischen Glasfasern mit in-tegrierten FBG-Sensoren unabdingbar. Hier wird ein Verfahren vorgestellt, bei dem die Sensorglasfaser mittels Sticktechnik di-rekt auf ein CF-Trägergewebe aufgebracht werden kann.

Wenn das Stickmuster so gepunscht (programmiert) wird, das die einzelnen FBG-Sensoren jeweils in verschiedene Richtungen auf dem Gewebe ausgerichtet sind, können zweidimensionale Spannungszustände erfasst werden. Ist eine Belastungsrichtung spannungsfrei, kann ein in diese Richtung angeordneter FBG-Sensor zur Temperaturkompensation herangezogen werden. Bei dem hier vorgestellten Verfahren erfolgt das Aufsticken der opti-schen Fasern mittels einer Spule, die die Faser zuführt, und eines Stickkopfes der die Faser in einem Zick-Zack-Muster überstickt. Die ebenfalls integrierbaren Stecker sind mit Schutzhüllen verse-hen, die ein Abknicken der Glasfasern im Randbereich der sensi-tiven CF-Gelege verhindern.

Um während des Stickprozesses die Knickbelastung für die opti-schen Fasern so gering wie möglich zu halten, werden die Träger-gelege mittels Fixiereinrichtung in X-Y-Richtung auf dem Stick-tisch bewegt. Stickkopf und Spule sind drehbar und passen sich so dem jeweiligen Verlauf auf dem Gelege an.

Das sensorbewehrte CF-Textil kann nun vorlaminiert oder di-rekt auf der Baustelle in Handlamination zum CFK-Werkstoff weiterverarbeitet werden. Hierzu wird das sensitive CF-Gelege in ein Reaktionsharzsystem eingearbeitet. Der Kleber realisiert gleichzeitig die Klebeverbindung des Geleges zum Untergrund.

VersucheIn Laborversuchen sollten die Eigenschaften der sensorinte-grierten CF-Gelege bestimmt werden. Dazu wurden Stahlbe-tonbalken mit einer Länge von 70 cm und einem quadratischen Querschnitt von 15 × 15 cm², jeweils mit zwei Betonstählen mit 6 mm Durchmesser als Biegebewehrung hergestellt. Die Balken wurden auf der Unterseite der Betonzugzone mit den sensorin-tegrierten CF-Gelegen, die mit Epoxydharz fixiert wurden, ver-sehen. In die CF-Gelege waren auf einer Glasfaser jeweils drei FBG-Sensoren integriert. Das Stickmuster wurde so gepunscht, dass zwei FBG-Sensoren in Längsrichtung, der Zugrichtung und ein FBG in Querrichtung (spannungsfrei zur Temperaturkom-pensation) angeordnet waren. Ein weiterhin auf der Unterseite angebrachter elektrisch arbeitender Dehnmesssteifen (DMS) diente zur Überprüfung der Messwerte der FBG-Sensoren.

In Vier-Punkt-Biegezugversuchen wurden die Balken bis zum Bruch belastet. Für die Wegsteuerung wurden induktive Weg-aufnehmer und Kraftmessdosen verwendet. Bei allen Versuchs-balken wurde das Versagen durch die Zerstörung des Verbundes zwischen aufgeklebter CFK-Verstärkung und Betonoberf läche verursacht.

10Anbringung der sensorintegrierten CF-Gelege an eine Versuchshalle.

09Kraft-Dehnungskurven von FBG und DMS des Balkens 3, Versuchsserie 2

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Sowohl die FBG-Sensoren als auch der DMS zeigten bei allen Versuchen jeweils einen analogen Messwertverlauf, wobei alle Sensoren bis nach dem Versagen ausgelesen werden konnten. Die relativ großen Abweichungen zwischen den Messergebnis-sen der FBG-Sensoren als auch dem DMS ergeben sich aus der räumlichen Trennung der Sensoren, der unterschiedlichen Grö-ße der Sensoren und der Bildung von Rissen durch das nichtli-neare Verhalten des Verbundbauteils (Beton, Betonstahl, CFK) und der damit verbundenen lokal unterschiedlichen Dehnungs-zustände.

An einer Versuchshalle in Taucha bei Leipzig fanden umfangrei-che Praxisversuche über einen Zeitraum von 18 Monaten statt. Dabei wurden sensorintegrierte CF-Gelege an Trägern und Stüt-zen angebracht und das Langzeitverhalten und der Eintrag von Lasten durch Verfahren eines Hallenkranes mit einer Last von ca. 15 Tonnen realisiert. Die Versuche zeigten, dass CF-Gelege mit integrierten FBG-Sensorfasern langzeitstabil, präzise und praxistauglich sind.

FazitDurch die sticktechnische Integration optischer Faser-Bragg-Gitter Sensorglasfasern auf Trägergewebe lassen sich langzeitsta-bile, leicht zu applizierende Sensorelemente serienreif produzie-ren. Durch Verwendung von CF-Lamellen als Trägergewebe können Bauwerke verstärkt und saniert werden und gleichzeitig kann eine langzeitstabile Überwachung gewährleistet werden.

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Dr. rer. nat. Michael Kuhne

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Ziegel sind einerseits traditionelle Baumaterialien, die seit tausenden von Jahren zum Bau von Gebäuden verwendet

werden. Andererseits wurden sie vor dem Hintergrund besserer Wärmedämmung und längerer Haltbarkeit in den letzten Jahren zu spezialisierten technologischen Produkten weiterentwickelt. Heute wird eine Vielfalt solcher Produkte aus gebrannten kera-mischen Materialien – Hochlochziegel, Klinker und Dachziegel – an der MFPA geprüft. Nach deutscher bzw. europäischer Norm oder bauaufsichtlicher Zulassung müssen die Bauprodukte An-forderungen bezüglich Festigkeit, Wärmedämmung, Dauerhaf-tigkeit, Brandschutz und Schallschutz genügen. Zum Erlangen einer solchen Zulassung müssen die Ziegel einer Erstprüfung unterzogen werden. Unser Anteil dabei sind die Untersuchun-gen der Festigkeits- und Wärmedämmeigenschaften der Ziegel, die dann später einer regelmäßigen Kontrolle unterliegen. Dach-ziegel und Klinker müssen in Prüfungen außerdem ihre Frostbe-ständigkeit und Wasserundurchlässigkeit unter Beweis stellen. Zu unseren Kunden zählen neben deutschen Herstellern zuneh-mend auch Produzenten und Institute aus anderen europäischen Ländern. Hilfreich bei der Auftragserteilung durch unsere Kun-den ist dabei unser Status als ein nach DIN EN 17025 akkreditier-tes Prüf laboratorium.

Die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von Bau- und Dämm-stoffen sowie des Wärmedurchlasswiderstandes von Bauteilen bildet seit der Gründung der MFPA einen wesentlichen Be-

Ziegelprüfung – mechanisch, thermisch

und durch Simulation

standteil des Fachgebiets Bauphysik. Das Produkt Ziegel hat da-bei im Laufe der Jahre immer stärker an Bedeutung gewonnen. Zunächst alte Geschäftsbeziehungen des Instituts für Baustoffe fortsetzend, wurde in der MFPA mit modernisierter übernomme-ner Technik im »Thermisch-hygrischen Prüffeld« für Kunden aus der Region gearbeitet. Zunehmender Bedarf an Prüfkapazi-tät durch Kunden aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland konnte durch Neu- bzw. Ersatzbeschaffungen neuester Prüftechnik abgedeckt werden. Mit der später erfolgten Integra-tion der Ziegelprüfstelle in das Fachgebiet bieten wir unseren Kunden aus der Ziegelindustrie nun ein größeres Leistungsspek-trum aus einer Hand an. Dies beinhaltet neben der thermischen Ziegelprüfung und Modellierung des Wärmedurchgangs auch die mechanische Ziegelprüfung sowie Festlegung von Bemes-sungswerten und Zertifizierung von Ziegelprodukten.

Die Untersuchung von keramischen Produkten wird auch in Zu-kunft eine große Rolle im Leistungsspektrum der MFPA spielen. Nach dem vollen Inkrafttreten der europäischen Bauprodukten-verordnung ist es dank der in der MFPA aufgebauten Strukturen möglich, Ziegelprodukte zu überwachen und zu zertifizieren.

Mechanische ZiegelprüfungDie zu untersuchenden Ziegelprodukte werden zuerst auf ver-schiedene Abmessungen und Maße überprüft, dann werden die Ziegelrohdichte im trockenen Zustand sowie die Scherben-

01Einbau einer Wand in den Prüfstand zur Bestimmung des Wärmedurchlasswiderstandes

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rohdichte durch Unterwasserwägung bestimmt. Für die Trag-fähigkeit eines Ziegels sind ein korrektes Lochbild und festes Scherbenmaterial entscheidend. Die Untersuchung der Druck-festigkeit erfordert für einen gleichmäßigen Krafteintrag ebene, planparallele Oberf lächen. Diese werden durch präzises Plan-schleifen der Ober- und Unterseite jedes abzudrückenden Zie-gels mittels einer Nassschleifmaschine erreicht.

Während die Produzenten von Hochlochziegeln ihre Produkte regelmäßig prüfen und überwachen lassen müssen, ist das für die Produzenten von Dachziegeln freiwillig. Als eines der wenigen Prüfinstitute in Deutschland ist die MFPA in der Lage, Dachzie-gel nach allen in Europa angewendeten Frostprüfverfahren zu te-sten. So können die unterschiedlichen Klimazonen Europas für die Festlegung des Belastungsregimes berücksichtigt und deren Einf luss auf die Dachziegel überprüft werden.

Neben den herkömmlichen Prüfverfahren entsprechend den ein-schlägigen Normen werden auch spezielle Prüfungen angeboten. Für die Überprüfung der Scherbruchkraft von Hochlochziegeln, wichtig bei auf liegenden Decken und auskragenden Bauelemen-ten, konnte der einschnittige Scherversuch als Routineprüfung in der MFPA etabliert werden. Für Füllziegel, die immer häufiger verbaut werden, ist diese Untersuchung zwingend in den bauauf-sichtlichen Zulassungen vorgeschrieben.

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Thermische ZiegelprüfungDer Wärmetransport durch eine Ziegelwand aus Hochlochzie-geln erfolgt über Wärmeleitung, Konvektion und Strahlung. International üblich ist die Wärmeleitfähigkeitsmessung des Scherbenmaterials und anschließende Modellierung dieser Pro-zesse. In Deutschland und Österreich ist die Messung des ganzen Ziegels, also die Erfassung aller genannten Wärmetransportpro-zesse mit Hilfe einer Wandmessung, traditionell vorgeschrieben. Dafür wird aus den angelieferten Ziegeln ein Prüfkörper mit den Abmessungen 1,5 m × 1,5 m aufgemauert. Als Mörtel kommen dabei je nach Zulassung Wärmedämmmörtel, Dünnbettmörtel, leichte Deckelmörtel oder ein Spezialschaum zum Einsatz. Nach der Trocknung des Wandprüfkörpers wird dieser in einen der beiden modernen Prüfstände eingebaut, die seit dem Umzug in das CIB im Jahre 2009 zur Verfügung stehen. Die Wand aus den zu prüfenden Ziegeln befindet sich in einem wärmegedämmten Rahmen zwischen zwei klimatisierten Kammern mit 0 ° C und 20 ° C. Während der Prüfung wird die Luft in beiden Kammern umgewälzt und strömt gegenläufig jeweils zwischen Wandober-f läche und speziellen Luftleitblechen. Ein Wärmef lussmesser auf der Warmseite erfasst die durch die Wand strömende Wärme. Die Messung der Temperaturen von Oberf lächen und der Luft erfolgt mit Thermoelementen. Aus den Temperaturdifferenzen und der mittleren Wärmestromdichte wird dann der Wärme-durchlasswiderstand berechnet. Die verwendete Prüfanordnung bietet die Möglichkeit zur Prüfung von Mauerwerk bis zu einer Wandstärke von 50 cm. Entsprechende moderne Ziegel können

02Einschnittiger Scherversuch am Verfüllziegel

03Bestimmung der Abmessungen am Hochlochziegel

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bezüglich des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wertes) Pas-sivhausniveau erreichen. Neben Ziegelwänden wurden auch schon Elemente aus anderen Materialien – vom Reetdach über Leichtbeton bis zum Betonsandwichelement – getestet.

Neben dem Lochbild beeinf lussen die bei der Herstellung ver-wendeten Ausgangsstoffe sowie die Rohdichte und Wärmeleitfä-higkeit des Scherbens wesentlich die Dämmwirkung der Ziegel. Für die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit von Materialien wie Dämmstoffen, Mörtel, Leichtbeton und auch Ziegelscher-ben stehen zwei Poensgen-Plattenmessgeräte zur Verfügung. Deren Messprinzip besteht in der Bestimmung der elektrisch er-zeugten Wärmemenge, die bei einer bestimmten Temperaturdif-ferenz und Mitteltemperatur von der Heizplatte durch die Probe zur Kühlplatte f ließt. Im Allgemeinen wird die Probe dabei im trockenen Zustand geprüft.

Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Wärmedämmung einer Außenwand ist die Kombination von Dämmstoff und Ziegel. Am bekanntesten ist das Wärmedämmverbundsystem (WDVS). Zu-sätzlich laufen bei den Ziegelproduzenten seit den 1990er Jahren erfolgreiche Entwicklungen, bei denen ein dämmendes Mate-rial (z. B. Schaumkunststoff, Faserdämmstoff, mineralischer Schaum oder Perlite) in den Ziegel eingelagert wird. Die Auf-

gabe besteht darin, die Wärmeleitfähigkeit des Ziegelscherbens und die des Füllmaterials im trockenen Zustand zu messen. Die im Nutzungszustand in Baustoffen immer vorhandene Feuchte erhöht deren Wärmeleitfähigkeit. Deshalb muss zusätzlich bei Wärmeleitfähigkeitsprüfungen das Sorptionsvermögen des ge-prüften Materials bei 23 ° C und 80 % relativer Luftfeuchtigkeit gemessen werden.

Modellierung des WärmedurchgangsNeben der Messung der Wärmeleitfähigkeit von Ziegeln gewann in den letzten 10 Jahren die Modellierung und Berechnung des Wärmedurchgangs unter Verwendung der Methode der finiten Elemente zunehmend an Bedeutung. Die Methode ist besonders vorteilhaft einsetzbar für die Neu- und Weiterentwicklung so-wie Optimierung von Fensterprofilen, Verbindungselementen und eben auch von modernen Ziegeln. Berechnet werden dabei eine Vielzahl von Lochbildern sowie die oben erwähnten, mit Dämmstoffen verfüllten Ziegel. Die Messung des Materials und Berechnung des Wärmedurchlasswiderstandes aus einer Hand sind dabei eine komplexe Leistung für die Hersteller der Produk-te. Ergänzend dazu werden auch die Ermittlung und Festlegung von Bemessungswerten der Wärmeleitfähigkeit z. B. im Rahmen von bauaufsichtlichen Zulassungen und für Zertifikate nach eu-ropäischer Normung durchgeführt.

04/ 05Temperaturverlauf in einem Leichthochlochziegel und 3D-Modell

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Dipl.-Ing. Alexander Freyburg

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Fremdüberwachung und ZertifizierungNach der Übernahme der PÜZ-Stelle für Ziegel vom aufgelös-ten Institut für Bau- und Grobkeramik Weimar ist seit 2002 eine komplette Güteüberwachung von Ziegeln möglich. Diese umfasst neben den beschriebenen Prüfungen auch die Vor-Ort-Überwachung der Produktionskontrolle der Ziegelwerke. Resul-tat von Überwachung und Produktprüfungen ist ein Zertifikat für die korrekte Qualitätssicherung des Herstellers und die Kon-formität der vom Hersteller deklarierten Produkteigenschaften. Dieses Zertifikat, ausgestellt durch die ebenfalls akkreditierte Zertifizierungsstelle der MFPA, bescheinigt, dass die tatsäch-lichen Eigenschaften der entnommenen Ziegelprodukte denen entsprechen, die der Hersteller in seiner Produktbeschreibung oder im Datenblatt ausweist.

09Prüfung der Biegetrag fähigkeit an Dachziegeln

08Prüfung der Frost-Tau-Beständigkeit an Pflasterziegeln

06/07Schleifanlage zur Herstellung planparalleler Oberflächen für thermische und mechanische Prüfungen

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Jedes Jahr häufen sich besonders in der kalten Jahreszeit die Anfragen von Bausachverständigen und Baugutachtern nach

bauphysikalischen Vor-Ort-Untersuchungen. Im Winter sind die Temperaturunterschiede zwischen dem Inneren und Äußeren von Gebäuden besonders groß und die Voraussetzungen für die Prüfungen günstig. Während bei den Normuntersuchungen im Labor vor allem Betriebe als Auftraggeber fungieren, sind es hier Ingenieubüros und Freiberuf ler, die bei ihrer Arbeit für Gerichte oder Kunden mit Messtechnik unterstützt werden. Häufig sind es Streitfälle nach eingetretenen Bauschäden, manchmal auch Untersuchungen im Rahmen einer Bauabnahme. Als Unter-suchungsmethoden stehen die Infrarot-Thermografie und das Differenzdruckverfahren, auch als Blower Door-Verfahren be-zeichnet, im Vordergrund. Daneben werden auch raumklimati-sche Messungen, endoskopische Untersuchungen und Feuchte- bestimmungen vorgenommen. Die Vor-Ort-Prüfungen erfor-dern von den ausführenden Mitarbeitern umfassendes Wissen über die physikalischen Vorgänge und kompetentes Auftreten als neutrale Personen bei Ortsterminen mit öffentlich bestellten Gutachtern.

Infrarot-ThermografieBei der Infrarot-Thermografie handelt es sich um ein zerstörungs-freies Prüfverfahren, bei dem die Temperaturen einer Oberf lä-che punktweise erfasst und in einem Bild entweder farblich oder als Grautöne dargestellt werden. Das so entstandene Bild ähnelt einer Fotografie des dargestellten Objekts. Jeder Körper, dessen

Bauphysikalische

Vor-Ort-Untersuchungen

Temperatur über dem absoluten Nullpunkt liegt, strahlt meist unsichtbar Wärme ab und steht mit anderen Körpern im perma-nenten Strahlungsaustausch. Die Aufgabe der Wärmebildtech-nik ist es, diese Strahlung zu erfassen, ihre Intensität zu messen und daraus die Temperaturverteilung der zu untersuchenden Oberf läche berührungsfrei zu ermitteln. Die verwendete In-frarotkamera ermöglicht dank der Kühlung des Sensors auf ca. -200 ° C eine Auf lösung der Temperatur auf 30 mK bei 360 × 240 Bildpunkten.

Bei Neubauten wird diese Technik zur Kontrolle der Bauausfüh-rung eingesetzt und bei Altbauten, um thermische Schwachstel-len zu lokalisieren, die im Zuge der Sanierung beseitigt werden sollen. Verborgene Strukturen, die Verwendung unterschied-lichen Materials und minderwertige bzw. fehlende Dämmung werden mittels Infrarot-Thermografie ebenfalls sichtbar. Da ver-dunstendes Wasser und kalte Luftströmungen in oder an einem Bauteil dessen Oberf läche abkühlen, kann man mittels Infrarot-Thermografie auch Feuchte registrieren und Leckagen orten. So können Bereiche eines Gebäudes oder Bauteils, an denen Ener-gieverluste auftreten, leicht visualisiert werden. Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein eines Temperaturgefälles und da-mit der Fluss von Wärme durch das beobachtete Bauteil. Die bei der Gebäudethermografie gewonnenen Erkenntnisse bilden für Sachverständige, Energieberater und Gutachter die Grundlage für Aussagen zu Energieeinsparpotentialen und der Beurteilung von Schadensbildern.

01Das Schillerhaus in Weimar. Im Infrarotbild werden das Fachwerk und Stellen erhöhter Wärmeverluste (rot / gelb) sichtbar

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Blower Door-VerfahrenDas seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland in breitem Um-fang verwendete Differenzdruckverfahren dient zum einen der Bestimmung der Luftwechselrate bei einem bestimmten Diffe-renzdruck und zum anderen der Suche nach Leckagen in der Ge-bäudehülle. Die verwendete Blower Door-Technik kommt in der MFPA seit 1995 zum Einsatz. Sie besteht aus einem verstellbaren Rahmen, der mit einer Nylonplane bespannt ist. In der Plane be-findet sich eine Öffnung für einen großen Ventilator. Diese Vor-richtung wird in eine Außentür oder ein Fenster eingesetzt. Zur Messung werden alle Türen im Inneren des Gebäudes geöffnet, so dass alle Räume miteinander im Luftverbund stehen, während Fenster, Außentüren oder sonstige Öffnungen nach außen wie Abzüge oder Kamine verschlossen sind. Am Ventilator wird der Differenzdruck zwischen Innen und Außen und damit der geför-derte Luftvolumenstrom eingestellt, wobei sowohl Überdruck als auch Unterdruck erzeugt werden können. Als Folge werden Leckstellen wie undichte Fensteranschlüsse oder schlecht abge-dichtete Installationsöffnungen mit Luft durchströmt. Der Luft-strom an den Leckagen kann dann geortet und seine Geschwin-digkeit gemessen werden.

Bei der Untersuchung eines Gebäudes wird der Luftvolumen-strom bei mindestens fünf Werten für die Druckdifferenz gemes-sen. Aus der Näherung des Verlaufs durch eine Potenzfunktion errechnet sich der Wert des Luftvolumenstroms für 50 Pa Druck-differenz. Das Verhältnis des Luftvolumenstroms zum klimati-sierten Gebäudevolumen ergibt den nach Energieeinsparverord-

nung und Norm geforderten n50-Wert, die auf 50 Pa bezogene Luftwechselrate. Dieser Wert sagt etwas über die Gebäudedicht-heit aus. Abhängig von der Art des Gebäudes – Passivhaus, Haus mit Lüftungsanlage oder normales fensterbelüftetes Haus – lie-gen die Anforderungen zwischen n50 = 0,6 h-1 und n50 = 3 h-1.

Bei Wind oder infolge des natürlichen Druckunterschiedes zwi-schen innen und außen tritt Luft durch Leckagen in der Hülle des Gebäudes, und es findet ein Luftaustausch statt. Luft, die im Winter von innen nach außen strömt, kühlt beim Durchgang in der Wand ab, und es kommt zur Kondensation innerhalb der Konstruktion. Abhängig vom Baustoff können dadurch mehr oder weniger große Schäden entstehen. Besonders gefährdet sind Leichtbauten und Holzhäuser. Zur Detektion dieser Leckagen hat sich eine Kombination von Blower Door und Thermovision als besonders hilfreich erwiesen. Dabei hat die durch das Bauteil strömende Luft eine andere Temperatur als das Bauteil selbst und erwärmt oder kühlt die Umgebung der Leckagen ab. Solche Stel-len können dann mittels Thermografie sichtbar gemacht werden.

Typische Schadensbilder sind das Auftreten von Feuchteschäden in Innenräumen und der sich daraus entwickelnde Schimmel, der z. B. auf kalten Bauteilen oder bei hohen Raumluftfeuchten entstehen kann. Zur Ermittlung der Ursachen kann die MFPA das Raumklima über einen längeren Zeitraum erfassen, durch Einsatz der Thermografiekamera kühle Wandbereiche auffin-den und mit der Blower Door Leckagen suchen. Die Feuchtede-tektion mittels kapazitivem Messfühler zeigt qualitativ den Grad der Durchfeuchtung an. Genauere Bestimmungen der Feuchte-gehalte durchfeuchteter Bauteile erfolgen durch Entnahme von Bohrkernen und Rücktrocknung des Materials im Labor.

Zugluft, kalte Wandbereiche und hohe relative Raumluftfeuch-ten vermindern das Wohlbefinden eines Menschen in einem Haus oder einer Wohnung. Entsprechende Gerätschaften zum Nachweis von Beeinträchtigungen der Behaglichkeit werden bei Bedarf eingesetzt.

02Thermografie zur Lokalisierung von thermischen Schwachstellen und zur Darstellung der Lage von Fußbodenheizungen

FAChGEBIET: Bauphysik und Zerstörungsfreie Prüfung | 57

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Dipl.-L. Paul Rieger

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Page 58: 20 Jahre MFPA Weimar

Viele Komponenten von Flugzeugen, Eisenbahnen, Kraft-werken, Rohrleitungen oder Bauwerken sind sicherheitsre-

levant und dürfen nicht ausfallen. Oder ihre Herstellung ist so komplex und teuer, dass die Integrität der Materialien während der Produktionsschritte überprüft werden muss. Oft muss auch die Gebrauchstauglichkeit von Bauteilen im Rahmen der Quali-tätssicherung nachgewiesen werden. In diesen Fällen stellen Ver-fahren der Zerstörungsfreien Prüfung die Funktionsfähigkeit der Bauteile sicher, indem ihre Eigenschaften gezielt gemessen und Fehlstellen detektiert werden.

An der MFPA werden Verfahren der Zerstörungsfreien Prüfung in verschiedenen Bereichen eingesetzt.

Bestimmung der elastischen Kennwerte von Proben aus Zement, Beton und Naturstein mit Ultraschall (Baustoffe)

Induktive Überdeckungsmessung von Bewehrungsstahl in Stahlbetonbauwerken (Baustoffe)

Überprüfung der Wärmedämmung und Luftdichtheit von Gebäuden mit Infrarot-Thermografie (Bauphysik und Zerstörungsfreie Prüfverfahren)

Messung der Schweißnahtdicke von geotechnischen Abdich- tungsbahnen aus Kunststoff mit Ultraschall (Geotechnik)

Zerstörungsfreie Prüfung von Bauteilen

und Bauwerken

01Ultraschall-Abbildungssystem während der Messung

02Röntgenbild einer geotechnischen Tondichtung mit Trocknungsrissen

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Die allgemeine Anwendung und Weiterentwicklung von zer-störungsfreien Prüfverfahren ist in der Arbeitsgruppe »Feuch-temessverfahren und Zerstörungsfreie Prüfung« konzentriert. Hier werden vor allem Ultraschall-, Impakt-Echo- und Rönt-genverfahren eingesetzt, um Bauteile aus so unterschiedlichen Materialien wie Beton, Keramik, Stahl und Kunststoff zu unter-suchen. Das Arbeitsgebiet umfasst angewandte Forschungs- und Prüfaufgaben, die sich thematisch ergänzen. Im Forschungsbe-reich reicht das Spektrum von Grundlagenuntersuchungen zur Schallausbreitung in Beton über die Entwicklung von Mess- und Abbildungsverfahren bis zur Ermittlung der Prüf barkeit von Werkstoffen und Bauteilen. Dafür werden öffentlich geförderte Forschungs- und industrielle Kooperationsprojekte eingewor-ben und Forschungsarbeiten im Kundenauftrag bearbeitet. Im Prüf bereich liegt der Schwerpunkt auf Sonderprüfungen z. B. von Bauteilen aus grobkörnigen oder stark dämpfenden Werk-stoffen. Dazu werden kommerzielle und selbst entwickelte Mess- und Abbildungssysteme eingesetzt. Mit zwei selbst entwickelten, scannenden Abbildungssystemen können Bauteile in verschie-denen Skalen dreidimensional abgebildet werden. Eigene Soft-ware implementiert digitale Signal- und Bildverarbeitung sowie bildgebende tomographische Verfahren. Die Software kann auch im Kundenauftrag angepasst und an den Kunden für eigene Prüfungen weitergegeben werden. Gemeinsam mit dem Bereich Bauphysik werden Monitoring-Systeme zur Überwachung von Temperatur und Feuchte in Bauwerken mit autarken Funksen-soren entwickelt. Die MFPA ist in mehreren Ausschüssen der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) aktiv, um ihre Erfahrungen in Merkblätter einf ließen zu lassen.

Ultraschall im BauwesenNoch vor wenigen Jahren war zerstörungsfreie Prüfung im Bau-wesen eine eher exotische Aufgabe. Speziell bei der Betonprüfung waren neben den mechanischen Prüfungen nur wenige einfache zerstörungsfreie Prüfmethoden im Gebrauch. Mittlerweile sind durch Forschung und technische Weiterentwicklungen Geräte und Messsysteme verfügbar, mit denen sich eine ganze Reihe von Prüfaufgaben an Bauteilen aus Stahlbeton lösen lassen.An der MFPA wird zur Bauwerksdiagnostik vor allem das Ultra-schall-Echoverfahren eingesetzt, das sich für eine breite Palette von Anwendungen eignet, die von einzelnen Dickenmessungen bis zur Volumendarstellung von ganzen Betonbauteilen reichen. Das Messprinzip beruht auf dem Aussenden und Empfang von kurzen Ultraschallpulsen durch Ultraschallprüfköpfe. Die Si-

03Dreidimensionale Ultraschallabbildung von Rissen in einem Hochdruckbauteil bei 2.000 bar

04Ultraschall-Tiefenschnitte eines textilbewerten Betons

gnale breiten sich als elastische Wellen im Betonbauteil aus und werden von Spannkanälen oder Rückwänden ref lektiert. Aus den Empfangssignalen werden Bilder der Ref lektoren im Bau-teilvolumen generiert. Für die Messungen, die meist einseitig auf der Bauteiloberf läche ausgeführt werden, stehen Handgeräte und automatisierte Abbildungssysteme zur Verfügung.Die automatisierten Ultraschall-Abbildungssysteme eignen sich dafür, Rückwände, Hüllrohre, Hohlräume, oberf lächenparallele Risse, große Bewehrungseisen und Ablösungen abzubilden und in ihrer Lage zu bestimmen. Damit können Betonbauwerke zur Qualitätssicherung, Schadensanalyse und Zustandserfassung f lächendeckend untersucht und eingehend erfasst werden. Auf Grundlage der Ergebnisbilder können gezielt Bereiche ausge-wählt werden, in denen zerstörende Untersuchungen durchge-führt werden, und es lassen sich Pläne von Betonbauteilen erstel-len, deren Auf bau unbekannt oder zweifelhaft ist.

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Abbildungssystem FLEXUSEin Schwerpunkt ist die Entwicklung und der Einsatz von Ab-bildungsverfahren mit Ultraschall. Für f lächendeckende, zerstö-rungsfreie Untersuchungen an Betonbauteilen wurde das auto-matisierte Ultraschall-Abbildungssystem FLEXUS entwickelt, das direkt vor Ort dreidimensionale Bilder des Volumens von Betonbauteilen liefert. Es besteht aus einem Niederfrequenz-Ultraschallgerät, einem dreiachsigen Scanner sowie Program-men zur Steuerung und Bildgenerierung. Mit verschiedenen Ultraschallprüfköpfen lassen sich Durchdringungsfähigkeit, Auf lösungsvermögen und Prüfgeschwindigkeit an die Aufga-benstellung anpassen. Mit dem Scanner werden die Prüfköpfe auf einem Messraster von 1,0 m × 0,8 m bewegt. Die aufgenom-menen Messungen – zwischen 2.500 und 10.000 Messungen pro Quadratmeter – werden zu Schnittbildern oder einem Volumen-bild verrechnet. Dazu wird die tomographische SAFT-Rekon-struktion (Synthetic Aperture Focusing Technique) verwendet, die den Informationsinhalt vieler Messsignale auf die einzelnen Bildpunkte des abgebildeten Volumens fokussiert. Das Resultat sind dreidimensionale Bilder, in denen innere Objekte an ihren tatsächlichen Positionen und mit hoher Auf lösung dargestellt werden. Ein Signaldetektionsverfahren, das auf einer Modellie-rung der Rauschsignale durch Weibull-Funktionen basiert, hilft, das Bildrauschen zu unterdrücken.

05/063-Achs-Abbildungssystem mit elektronisch gesteuertem Prüfkopfarray.Elektronisch gesteuertes Prüfkopf-array mit 48 Einzelwandlern

Mit dem mehrkanaligen FLEXUS-Prüfkopfarray kann die Messgeschwindigkeit um den Faktor 10 erhöht werden. Es besteht aus 48 einzelnen Ultraschallwandlern, die in 16 Gruppen ange-ordnet sind. Durch die elektronische Ansteuerung können die Gruppen einzeln als Sender und Empfänger eingesetzt werden. Dadurch lassen sich virtuelle Prüfköpfe definieren, die sich wäh-rend der Messung schnell über die Arrayf läche verschieben las-sen. Ein mechanischer Versatz des gesamten Arrays ist nur noch in der zweiten Abtastrichtung nötig. Während des Versatzes wird aus den Messungen bereits ein Schnittbild berechnet, so dass di-rekt nach Abschluss der Messungen ein komplettes Volumenbild des untersuchten Bereichs zur Auswertung zur Verfügung steht. Ähnlich wie bei medizinischen Bildern ist zur Auswertung und Interpretation eine ausgebildete Fachkraft erforderlich. Das Ab-bildungssystem kann von zwei Personen transportiert und inner-halb von 30 Minuten messbereit gemacht werden. Es ist Ergebnis mehrer Forschungs- und Industrie-Kooperationsprojekte und wird über den Kooperationspartner Ing.-Büro Dr. Hillger ver-trieben.

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Dickenmessung mit dem Impakt-Echo-VerfahrenOft muss die Dicke von Betonbauteilen, deren Rückseite wie bei einem Tunnel, einer Decke oder einem Fundament nicht zugänglich ist, an vielen Messpunkten gemessen werden. Dafür wird an der MFPA wegen des geringen Messaufwandes vor al-lem das Impakt-Echo-Verfahren eingesetzt. Es arbeitet ähnlich wie das Ultraschall-Echoverfahren mit kurzen Pulsen, die in das Betonbauteil eingeschallt werden. Die Pulse werden allerdings mechanisch erzeugt, so dass viel niedrigere Frequenzen im Hör-bereich angeregt werden, und mehrfach zwischen Vorder- und Rückwand der Bauteile ref lektiert. Aus der Resonanzfrequenz kann nach Kalibrierung die Dicke des Bauteils bestimmt werden. Auch lassen sich Verbundstörungen und größere Hohlräume detektieren. Die MFPA war an der Erstellung des Impakt-Echo-Merkblatts B11 der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung federführend beteiligt.

Ein Anwendungsbeispiel ist die Dickenmessung der Innen-schalen von Tunneln. Diese Messung ist seit 2001 für alle neu gebauten Fernstraßentunnel in Deutschland gemäß Richtlinie RI-ZFP-TU vorgeschrieben und wird zunehmend auch in Bahn- und U-Bahn-Tunneln durchgeführt. Die entsprechenden Tunnel sind zweischalig aufgebaut, wobei die Innenschale aus Ortbeton gegen eine Kunststoffdichtungsbahn betoniert wird. Bei Min-derdicken liegt die rückseitige Bewehrung offen und kann die Kunststoffdichtungsbahn perforieren, wenn diese durch Berg-wasser dagegen gedrückt wird. Es ist in der Vergangenheit be-reits geschehen, dass dann Bergwasser eindringt und in größeren Mengen in den Tunnel läuft.

Die Tunnelinnenschalen werden in Blöcken von 6 bis 12 m Länge und einer Dicke von 30 bis 60 cm hergestellt. Die Dickenmessun-gen werden auf einem Raster von 80 cm × 80 cm aufgenommen, das bei Minderdicken verdichtet wird. Minderdicken treten meist im First auf, aber auch seitlich, wenn der Schalwagen nicht rich-tig justiert wurde. Der Messbereich deckt deshalb Firstbereich und Blockfugen ab und ist H-förmig. In den Ergebnisgrafiken werden die Dicken farbkodiert und mit Höhenlinien dargestellt, so dass Bereiche mit Minderdicken sofort erkannt werden. In diesen Bereichen muss der Beton durch eine Firstspaltverpres-sung instandgesetzt werden, so dass Beschädigungen der Kunst-stoffdichtungsbahn vermieden werden. Die MFPA war an der Erstellung der entsprechenden Richtlinie RI-ZFP-TU beteiligt und ist von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) für diese Messungen anerkannt.

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07Messung der Dicke einer Tunnel-innenschale mit dem Impakt-Echo-Verfahren

kontakt

Dipl.-Ing. Martin Schickert

Mail: [email protected]

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Die Materialfeuchtemessung ist ein interdisziplinäres Ar-beitsgebiet an der Schnittstelle zwischen Werkstoffkun-

de und Messtechnik. In vielen Bereichen ist es notwendig, die Feuchte eines Stoffes oder Materials zu kennen, da sonst Schä-den drohen oder höhere Kosten auftreten. Bei der Betonherstel-lung verursachen zu hohe Feuchtewerte in den Zuschlagstoffen Druckfestigkeitsverluste im Beton, die durch erhöhte Zement-zugabe ausgeglichen werden müssen. Zu hohe Feuchte im Mau-erwerk führt zur Reduzierung der Wärmedämmung; es können Formveränderungen, Korrosion, erhöhte Frostempfindlichkeit, Schäden durch aufsteigende Salze sowie Schimmel entstehen. Im Bereich der Umwelt ist die Kenntnis der Feuchte entschei-dend bei der Wiederverwendung von Altpapier und -textilien sowie bei der energetischen Dimensionierung von Müllverbren-nungsanlagen. Bei der Abdichtung von Deponien verhindert eine bestimmte Feuchte in Tonschichten oder Bentonitmatten, dass Schadstoffe durch den Regen in das Grundwasser gelangen. Die Feuchtemessung vieler Rohstoffe, Nahrungsmittel und land-wirtschaftlicher Produkte trägt dazu bei, ihre Qualität zu sichern und Verluste im Handel zu vermeiden.

Nach der Gründung der MFPA wurde die Feuchtemessung als Erfolg versprechendes Forschungsgebiet aufgenommen und die Arbeitsgruppe »Feuchtemessverfahren« gegründet, die sich seitdem vor allem mit der Entwicklung und Anwendung von di-elektrischen Messverfahren beschäftigt. Im Mittelpunkt der Auf-gaben steht die grundlagen- und vor allem die anwendungsorien-tierte Forschung. Durch die Zusammenarbeit mit Partnern aus

Elektromagnetische Messverfahren

zur Bestimmung der Materialfeuchte

Industriebetrieben und wissenschaftlichen Instituten konnten zahlreiche private und öffentliche Projekte eingeworben werden, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder Thüringer Institu-tionen gefördert wurden. Die Labore der Arbeitsgruppe sind mit zwei Netzwerkanalysatoren im Frequenzbereich von 10 kHz – 40 GHz, Zeitbereichsgeneratoren, Ultrabreitbandequipment und HF-Messleitungen ausgerüstet. Die Entwicklung der Sensoren und Resonatoren erfolgt mit dem Finite-Elemente-Programm HFSS, in das auch die Materialeigenschaften integriert werden können. Somit ist es möglich, aufwendige Fertigungen von Sen-soren für Versuchszwecke zu vermeiden und Kalibrierungen zu vereinfachen. Die Forschungsergebnisse kommen im Bauingeni-eurwesen, dem Bergbau, der Geotechnik, der Agrarwirtschaft, der Verfahrenstechnik sowie in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz.

Dielektrische FeuchtemessverfahrenDie Materialeigenschaften von nichtmagnetischen Stoffen wer-den bei dielektrischen Messverfahren mittels elektromagneti-scher Wellen bestimmt. Grundlage bilden die hohe Dielektrizi-tätszahl von Wasser sowie die hohen dielektrischen Verluste im Mikrowellenbereich. Entsprechend dem Anwendungsbereich

02Becherresonatorfeuchtemessgerät für Schüttgüter und Oberflächenresonator zur Untersuchung von Bauwerksoberflächen.Einstechresonator – seine Resonanzkurve wird am Netzwerkanalysator gezeigt.

01Einsatz der Zeitbereichsreflektometrie im Altdeich.

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werden Messverfahren im Frequenz- oder im Zeitbereich ein-gesetzt. Hierzu zählen Ref lexionsverfahren, Durchstrahlungs-verfahren, Resonatorverfahren, die dielektrische Spektroskopie, das Ultrabreitbandverfahren, die Ref lektometrie im Zeitbereich (TDR), Bodenradar (GPR) und die Mikrowellenfernerkundung (Remote Sensing). Bei allen diesen Verfahren ist eine Kalibrie-rung gegen ein Referenzverfahren notwendig. Dazu eignet sich z. B. die Dörr-Wäge-Methode, bei der Materialien unterschiedli-cher Feuchte in einem Trockenschrank bei 105° C getrocknet und wiederholt gewogen werden. Die Kalibrierkurven können dann im Messgerät als Referenz für weitere Messungen hinterlegt werden.

Messungen mit MikrowellenresonatorenResonatorverfahren verwenden meist Schwingkreise im Mikro-wellenbereich, die als Resonatoren bezeichnet werden. Durch ihre hohe Güte bilden sie die Basis für genaue Feuchtemessungen auch bei geringen Feuchten an der Oberf läche von Bauwerken, in Schüttgütern und bei der Qualitätskontrolle von Lebensmitteln, wie Getreide oder Kaffee. Entsprechend ihrem Einsatzbereich können die Resonatoren als Oberf lächen-, Einstech- oder Be-chersensor ausgeführt werden (Bild 2). Ihre feuchteabhängigen Kenngrößen sind Resonanzfrequenz und Bandbreite, die durch Abtastung der Resonanzkurve (Bild 2) ermittelt werden.

Ein neu entwickeltes Verfahren führt Messungen bei zwei Fre-quenzen im Gigahertzbereich durch, um die Feuchte einer Probe dichteunabhängig zu bestimmen und gleichzeitig den Salzgehalt im Material zu messen. Durch dreidimensionale Modellierun-gen mit dem Simulationsprogramm HFSS konnte eine sehr gute Übereinstimmung der Parameter des Resonatormodells und der ausgeführten Resonatorkonstruktion erzielt werden. Bei diesem Topfkreisresonator können durch Variation des Durchmessers vom Resonatorinnenleiter sowohl grobkörnige Stoffe (wie Mais), als auch Wasser mit 5 % Salzgehalt gemessen werden (Bild 3). Die Resonatorbauform und das Messverfahren wurden zum Pa-tent angemeldet.

ZeitbereichsreflektometrieDie Materialfeuchte in Böden wird bei neueren Anwendungen meist mittels Zeitbereichsref lektometrie (Time Domain Ref lec-tometry, TDR) bestimmt. Dazu wird ein kurzer elektrischer Puls mit einer Dauer von einigen Nano- bzw. Picosekunden auf eine Zwei- oder Dreidrahtleitung gegeben. Aus der Auswertung der Impulsantwort über die Länge des Kabelsensors kann eine orts-aufgelöste Feuchteverteilung oder ein Feuchteprofil ermittelt werden.

03Topfkreisresonator am Netzwerkanalysator und Simulation des Feldbildes.

04/05/06Installation von TDR-Kabelsensoren im Verschlussbauwerk in der Grube Teutschenthal.Installierte Kabelsensoren im Großversuch. Installation von TDR-Feuchtesensoren in einem Kleinversuch.

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Die Bestimmung der Feuchte ist auch in Verschlussbauwerken von untertägigen Deponien für gefährliche Abfälle erforderlich, um eine Gefährdung durch einen Wasserzutritt rechtzeitig zu erkennen. Im Rahmen eines Forschungsprojektes beteiligt sich die MFPA an einem Großversuch in der Grube Teutschenthal in Sachsen-Anhalt. Längs des Verschlussbauwerks wurden an der Grenzf läche zum Salzgestein Kabelsensoren zur Feuchte-messung eingebaut (Bild 4, 5). Damit ist es bei den Verschluss-bauwerken aus MgO-Beton im Karnallitit-Gestein möglich, die Feuchte von konzentrierten Salzlösungen ortsaufgelöst zu erfassen. Für die Detektion von Feuchtezutritten an den Kon-taktzonen dieser Bauwerke ist dies von enormer Bedeutung. Zur Erprobung wurden vorab in einem Kleinversuch Dreidraht-Ka-belsensoren in einen Hohlraum eingebaut (Bild 6), das Bauwerk mittels MgO-Beton verschlossen und nach der Aushärtung mit Lauge verpresst. Die Messwerte der vier Kabelsensoren wurden über den Zeitraum der Betonerhärtung und der Flüssigkeitsver-pressung verfolgt (Bild 7). Die Messwerte zeigten, dass die Firste des Verschlussbauwerks trocken blieb, während sich am Boden Flüssigkeit ansammelte. Nach erfolgreicher Durchführung des Kleinversuches wurden Kabelsensoren und Steuerung in zwei Großversuchen installiert. Eine Flüssigkeitsdruckbeaufschla-gung steht noch aus.

Die TDR-Technik wurde auch für die Bewertung und Progno-se der Standsicherheit von Hochwasserschutzdeichen ange-wendet. Hierzu wurden Ketten von TDR-Sensoren in enger Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden in Altdeiche an

Unstrut und Elbe installiert, um den Stand der Sickerlinien zu detektieren (Bild 8, 9, 10) und bei lang anhaltendem Hochwasser den Betreibern einen möglichen Deichbruch zu signalisieren. In Vehra / Thüringen unterstrom des Hochwasserrückhaltebec-kens-Straußfurt wurde eine Messstation mit einem Monitoring-System ausgestattet, das dort seit 2007 zuverlässig arbeitet. In Buro / Sachsen-Anhalt wurde ein Deichabschnitt von 250 m Län-ge mit 24 TDR-Sensoren und einem autarken Messsystem ausge-stattet, das von 2007 bis 2008 automatisiert Daten erfasst hat.

Die potenziellen Einsatzmöglichkeiten der TDR-Feuchte-messsysteme sind durch begrenzte Längen der Zuführungska-bel (ca. 30 m) zwischen Messgerät und Feuchtesensoren stark eingeschränkt. Lange Kabel führen infolge hoher Dämpfung zu Signalverfälschungen. Für den f lexiblen Feldeinsatz wurde aus diesem Grund eine Weiterentwicklung von Sensoren mit akti-ven Sensorköpfen angestrebt, die eine variable Anordnung der Sensoren über wesentlich größere Flächen entlang eines Hoch-wasserschutzdeiches oder über landwirtschaftliche Nutzf lächen zulassen, da auf lange Zuleitungskabel verzichtet werden kann.

Vor diesem Hintergrund erfolgte für die Feuchtemessung in verschiedenen Böden in der Landwirtschaft und am Deich die Einführung einer neuen Ultrabreitbandtechnik, mit welcher der Informationsgehalt der Messung erhöht werden konnte. Durch die Entwicklung eines SoCs (System on Chip) konnte das Vo-lumen der Sensorköpfe reduziert und deren Zuverlässigkeit er-höht werden. Bei großen Stückzahlen kann der Preis wesentlich

07Signaldarstellung über den Kabelsensoren in Abhängigkeit von der eingedrungenen Feuchte: Boden – hohe Feuchte, Firste – trocken.

08/09/10Installation von TDR-Kabelsensoren in Vehra (Unstrut).Deich mit Messstation an der Unstrut.Profildarstellung der eingedrungenen Feuchte im Deich.

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verringert werden. Die Messstation in Vehra / Straußfurt wurde mit neuer Technik ausgerüstet und ein weiterer Standort bei der Lysimeterstation in Buttelstedt eingerichtet. Hier kommen spe-ziell entwickelte Sonden in Kombination mit Referenzsystemen zum Einsatz. Der Standort Buttelstedt ermöglicht erstmals den in-situ Vergleich verschiedener ortsauf lösender Feuchtemessge-räte und Verfahren (Neutronen-, kapazitive-, Resonaz,- und ul-trabreitband Verfahren). Die Messtechnik erfasst Feuchteprofile bis zu 3 m Tiefe in einem zeitlich f lexiblen Raster, welches über Fernsteuerung von der MFPA administriert werden kann.

In den unterschiedlichen Anwendungen ergaben sich eine Rei-he grundlegender Fragestellungen zum praktischen Einsatz der hochfrequenten elektromagnetischen Messverfahren. Hierbei wurde deutlich, dass die elektromagnetischen Materialkenngrö-ßen poröser Medien, wie zum Beispiel von Böden, aufgrund der Komplexität natürlicher Materialien nur ungenügend verstan-den sind (Bild 11). Vor diesem Hintergrund sollen grundlagen-orientierte Forschungsarbeiten einen verbesserten Einblick in die hydraulisch-dielektrisch gekoppelten Materialeigenschaften von mineralischen Böden schaffen. Hierbei wurden experimen-telle Verfahren zur Erfassung (Bild 12) und theoretische Konzep-te zur Beschreibung breitbandiger elektromagnetischer Materi-alkenngrößen von Böden entwickelt. Die Forschungsergebnisse sollen zur quantitativen Erfassung von Flüssigwasser in Böden unter Marsbedingungen mit breitbandigen elektromagnetischen Verfahren dienen.

Organisation von KonferenzenAnlässlich der Durchführung der ersten Europäischen Feuchte-konferenz Aquametry2010, an der über 100 Teilnehmer gezählt wurden, konnte die AG Feuchtemessverfahren mit den dielek-trischen Feuchtemessungen auf ein 25-jähriges Jubiläum zurück blicken. Die Arbeitsgruppe ist inzwischen auf 6 Personen ange-wachsen. Die Konferenz basiert auf den Traditionen der Interna-tionalen Konferenzen »Electromagnetic Wave Interaction with Water and Moist Substances« 2005 und 2001, die jeweils mit über 110 Wissenschaftlern aus mehr als 20 Ländern in Weimar durchgeführt wurden. Grundlage für die Organisation waren wiederum nationale Tagungen, wie der »Feuchtetag«, der 2002 und 1997 ebenfalls in Weimar veranstaltet wurde. Zurzeit wird die nächste internationale Konferenz ISEMA für das Jahr 2013 in Weimar vorbereitet.

kontakt

Dr. Klaus Kupfer

Mail: [email protected]

13Teilnehmer der Konferenz »Aquametry2010« beim feierlichen Meeting auf der Leuchtenburg.

11/12Vereinfachte Darstellung der Materialphasen, die die elektromagnetischen Materialkenngrößen von Böden beeinflussen.Numerische 3D-Feldsimulation einer koaxialen Messzelle zur Bestimmung elektromagnetischer Materialparameter von Böden.

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Prüfung von Kleinkläranlagen im

Spiegel dezentraler Abwasserbeseitigung

Die Rahmenbedingungen

Im Freistaat Thüringen sind heute etwa 70 % der Einwohner an eine zentrale Kläranlage angeschlossen bzw. entsorgen das auf

ihren Grundstücken anfallende Abwasser nach den bestehen-den rechtlichen Vorgaben. Nach einer Erhebung des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Natur-schutz wurde 2010 das Abwasser von 680000 Einwohnern immer noch nach unzureichender Behandlung in bestehende Gewässer eingeleitet. In dünn besiedelten ländlichen Gebieten sind zentra-le Kläranlagen oft nicht wirtschaftlich zu errichten und zu be-treiben. In diesen Fällen werden Kleinkläranlagen mittlerweile durchaus als Ergänzung oder sogar als dauerhafte Alternative zur zentralen Abwasserentsorgung angesehen und gefördert. Sollen Kleinkläranlagen als Dauerlösung zum Einsatz kommen, verlangen der Gesetzgeber bzw. die für die Abwasserentsorgung zuständigen Behörden, dass eine Reihe von Randbedingungen erfüllt werden. Diese einzuhaltenden Randbedingungen werden beispielsweise durch das Wasserhaushaltsgesetz, den Absatz 1 der Abwasser-verordnung und in Thüringen durch die Kleinkläranlagenver-ordnung (ThürKKAVO) und den daran anknüpfenden Klein-

kläranlagenerlass von 2010 fixiert. Während die ThürKKAVO vorrangig die Anforderungen an die Wartung und Kontrolle von Kleinkläranlagen beschreibt, legt der Erlass die Anforderungen an direkte Einleitungen aus Kleinkläranlagen, an Übergangslö-sungen und an auf Kleinkläranlagen basierende Dauerlösungen fest. Als zentrale Aussage für das Betreiben von Kleinkläran-lagen wird in beiden Verordnungen die Forderung nach einer bauaufsichtlichen Zulassung erhoben. Solche bauaufsichtlichen Zulassungen werden in Deutschland nur durch das Deutsche In-stitut für Bautechnik (DIBt) in Berlin ausgestellt, nachdem diese Zulassung von Kleinkläranlagenherstellern beantragt wurde.

Bauaufsichtliche Zulassung von KleinkläranlagenBauaufsichtliche Zulassungen für Kleinkläranlagen werden be-reits seit den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ausgestellt. Zielstellung war es dabei, den Einbau und Betrieb dieser Anla-gen auf eine einheitliche Basis zu stellen und das behördliche Ge-nehmigungsverfahren zu vereinfachen. In dem Zusammenhang wurden von den Kläranlagenherstellern in der Regel sogenannte Baureihen kreiert, die für den Anschluss von 4 – 53 (50) Einwoh-

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nern bzw. einem maximalen Schmutzwasserzuf luss von 8 m³/Tag geeignet waren. In Bild 2 wird die Verteilung der in Zulas-sungen erfassten Reinigungsverfahren dargestellt.

Bis zum Jahr 2002 war die wesentliche Voraussetzung für das Ausstellen einer bauaufsichtlichen Zulassung das Vorliegen einer praktischen Prüfung. Die Auslegung und Prüfung von Kleinkläranlagen erfolgte dabei auf der Basis der DIN 4261 Teil 1 und 2. Neben diesen Normen waren die seit Mitte der 80er Jahre vom DIBt herausgegebenen Bau- und Prüfgrundsätze zu berück-sichtigen. Die praktische Prüfung von Kleinkläranlagen bestand nach den genannten Normen aus einer sogenannten Vor-Ort-Prüfung. Dabei wurden bei Betreibern real eingebaute Anlagen nach einem festgelegten Procedere begutachtet und beprobt. Ne-ben einer punktuellen Überwachung der Ablaufqualität wurde die Reinigungsleistung der geprüften Kleinkläranlagen an meh-reren Terminen mit 24-Stunden-Mischproben ermittelt.

In Bild 2 wurde der Anteil der Reinigungsverfahren in den er-teilten Zulassungen ab 2001 dargestellt. Zwei Drittel der Zulas-sungen wurde für Belebungsanlagen im Aufstaubetrieb (SBR) ausgestellt.

Die MFPA Weimar führt seit 1994 im Fachgebiet Chemie und Umwelt Prüfungen an Kleinkläranlagen durch. In den 90er Jah-ren des 20. Jahrhunderts war die MFPA eine von 10 Einrichtun-gen in Deutschland, die vom DIBt Berlin als Prüfstellen für prak-tische Prüfungen anerkannt und zugelassen waren. In dieser Zeit wurde auch ein Vertreter des Fachgebiets in die Sachverständi-genausschüsse für Klärtechnik beim DIBt berufen.

Prüfung von Kleinkläranlagen vor OrtDie sogenannten Prüfungen vor Ort verliefen entsprechend der Norm über ein Jahr. Die Prüfanstalten mussten dabei teilweise große Entfernungen zum Standort der Prüfanlage zurücklegen, was für die Hersteller eine erhebliche finanzielle Belastung in-nerhalb der Prüfkosten bedeutete. Daneben erschwerte eine Reihe nicht zu beeinf lussender Randbedingungen die Prüfung und wirkte sich teilweise auch negativ auf die Aussagekraft der Ergebnisse aus. Neben dem unkontrollierten Schmutzwasserzu-f luss wurden die Anlagenfunktionen oft durch das Verhalten der Betreiber maßgeblich beeinf lusst. Während die Norm von einem Schmutzwasserzuf luss von 150 Litern / (Einwohner × Tag) aus-ging, fanden sich in der Praxis Zuf lüsse von deutlich unter 100 Litern / (Einwohner × Tag). In die Anlagen wurden vereinzelt schädliche Zuf lüsse (starke Reinigungsmittel, Verdünnungen,

Fachgebiete: Chemie und Umwelt | 67

01/02/03Prüffeld der MFPA in MellingenVerteilung der Reinigungsverfahren mit bauaufsichtlicher Zulassung (2001 – 2011)Typische Ablaufparameter einer Kleinkläranlage

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Erstprüfungen nach DIN EN 12566-3Ziel einer europäischen Norm ist es, die Gebrauchstauglichkeit eines Bauproduktes in Form einer Erstprüfung nachzuweisen. Das ist bei Kleinkläranlagen nicht anders. Als Sonderfall behält sich in Deutschland das DIBt das Recht vor, für den Einbau und die Anwendung von Kleinkläranlagen zusätzlich zur Erstprüfung die Ausstellung einer bauaufsichtlichen Zulassung zu verlangen. Diese Zulassung beinhaltet ausschließlich wasserrechtliche Be-lange bei Betrieb und Wartung von Kläranlagen.

War die MFPA in 2003 nur berechtigt praktische Prüfungen auf dem Testfeld in Anerkennung des DIBt durchzuführen, konnte man 2006 erfolgreich die Anerkennung als Prüfstelle für Klein-kläranlagen nach dem Bauproduktengesetz erlangen. Damit ist es seitdem möglich, auch Erstprüfungen nach EN 12566-3 durch-zuführen. Diese beinhalten folgende Anforderungen:

Bestimmung des Wirkungsgrades der Reinigungsleistung (Prüffeld)

Angaben zur Bemessung Nachweis der Wasserdichtheit Nachweis der Standsicherheit

(Statik oder Belastungsversuche) Nachweis der Dauerhaftigkeit (Materialeigenschaften)

Bestimmung der ReinigungsleistungDer Nachweis der Reinigungsleistung bedeutet innerhalb der Einzelprüfungen den größten Aufwand. Dazu werden die Prüf-anlagen 38 Wochen mit einer entsprechend der Größe definier-ten Abwassermenge beaufschlagt. Innerhalb eines Tages verfolgt der Schmutzwasserzulauf eine Tagesganglinie. In vorgegebenen Zeitabständen und zu jeder Prüfphase sind die Anlagen 26mal im Zu- und Ablauf zu beproben und hinsichtlich der wichtigsten abwassertechnischen Parameter zu untersuchen (Kohlenstoff, Stickstoff). Dazu verfügt das Fachgebiet über ein entsprechend ausgestattetes Labor. Je nach Zielstellung und Ergebnis der Prü-fung kann das DIBt der geprüften Baureihe eine Ablaufklasse zuordnen.

Speisereste, Hygieneartikel etc.) eingeleitet, die die Reinigungs-leistung der Anlagen früher oder später deutlich verschlechterte. Verlässliche Aussagen der Betreiber, was zur Verschlechterung der Reinigungsleistung geführt haben könnte, waren nur selten ermittelbar. Das führte dazu, dass vereinzelt die Prüfzeit über ein Jahr hinaus ausgedehnt oder die an einer ganz anderen Anla-ge neu aufgenommen werden musste.

Eine der in Deutschland ersten Belebungsanlagen im Aufstaube-trieb (SBR) wurde 1997 – 1998 unter Federführung der MFPA noch vor Ort geprüft. Sonderfälle beim Anlagenbetrieb wie Stromausfälle, verringerte Zuläufe, Urlaubsbetrieb waren unter diesen Bedingungen quasi nicht nachzubilden. Der Schmutz-wasserabf luss divergierte stark zu den Auslegungsparametern. Die fachgerechte Probenahme wurde durch die Bedingungen vor Ort teilweise erschwert oder erforderte aufwändige Sonder-lösungen.

Vor diesem Szenario wurde Ende der 90er Jahre mit der Ar-beit einer Normenreihe für Kleinkläranlagen auf europäischer Ebene begonnen. Diese, derzeit aus 7 Teilen bestehende Reihe, beschreibt die Anforderungen an Kleinkläranlagen in verschie-denen Ausbaustufen. Für komplette Kläranlagen mit Abwas-serbelüftung nach Teil 3 sind die Hersteller seit Mitte 2010 zur CE-Kennzeichnung ihrer Produkte zwingend verpf lichtet. Die Normenreihe hat das Prüfprocedere für die praktische Prüfung grundlegend verändert. Aufgrund der beschriebenen Probleme bei Vor-Ort-Prüfungen wurde hier die praktische Prüfung auf sogenannten Test- oder Prüffeldern favorisiert. Als Alternative ist eine Vor-Ort-Prüfung defacto noch möglich, scheitert in der Praxis aber an den nicht nachzubildenden Prüfphasen.

Das Prüffeld der MFPA für KleinkläranlagenVor dem Hintergrund dieser Entwicklung entschloss sich die MFPA Weimar in 2002 zum Bau eines Prüffeldes. Als einziger in-stitutsnaher Standort konnte die Gemeindekläranlage in Mellin-gen in Betracht gezogen werden. Diese bezieht das zuf ließende Abwasser im Trennsystem. Das Abwasser erfüllt die in der Norm fixierten Forderungen an die Konzentration abwassertypischer Parameter. Der Bau des Prüffeldes wurde großzügig durch das Land Thüringen unterstützt. Nach einer Bauzeit von acht Mo-naten wurde das Prüffeld im Frühjahr 2003 in Betrieb genom-men. Vorerst für 4 Prüfanlagen konzipiert, konnte das Prüffeld aufgrund großer Nachfragen auf 6 Anlagen erweitert werden. Mit einigen Anpassungen ist es heute möglich, bis zu 8 Anlagen gleichzeitig zu prüfen.

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Nachweis der WasserdichtheitDen Nachweis der Wasserdichtheit führt die MFPA aus logisti-schen Gründen meist im Herstellerwerk durch. Dazu sind im Vorfeld ausgewählte Behältergrößen aufzubauen. Während der Prüfung ist ein eventueller Wasserverlust festzustellen und mit einem vorgegebenen Sollwert zu vergleichen. Die Wasserdicht-heit wird sowohl an monolithischen Anlagen aus Beton als auch an Anlagen in Ringbauweise geprüft. Bei der Prüfung an Kunst-stoff behältern ist kein Wasserverlust während der Prüfzeit von einer halben Stunde zulässig.

Nachweis der StandsicherheitFür den Nachweis der Standsicherheit bestehen seitens der Norm mehrere Möglichkeiten. Historisch üblich ist ein rech-nerischer Nachweis von Verformungen unter Berücksichtigung bestimmter vorgegebener Belastungs- bzw. Einf lusskennwerte. Es hat sich in der Vergangenheit aber gezeigt, dass in Abhängig-keit von der Fertigungstechnologie der befriedigende Nachweis der Standsicherheit beispielsweise bei Betonkörpern besonders im Übergangsbereich Bodenplatte/aufgesetzter Ring schwierig ist. Bei anderen Materialien, wie dünnwandigen Kunststoffen, gelingt ein Nachweis auf rechnerischem Wege meist überhaupt nicht. Deshalb ist die MFPA Weimar dazu übergegangen, al-ternativ mögliche Prüfungen wie Belastungstests auf dem Auf-spannfeld der MFPA oder beim Hersteller vor Ort anzubieten. Für Kunststoff behälter bietet sich der sogenannte Pit-Test – Ein-bau in der Grube – an.

Nachweis der DauerhaftigkeitFür den Nachweis der Dauerhaftigkeit von Materialien, die für die Herstellung von Kleinkläranlagen verwendet werden, sind ausgewählte Materialkennwerte zu bestimmen. Der Nachweis der Dauerhaftigkeit von Beton wird lediglich über die Bestim-mung der Druckfestigkeit an mehreren Probewürfeln geführt. Dazu reicht es aus, dass eine vorgegebene Mindestdruckfestig-keit der eingereichten Proben entsprechend der Klasse C 35/45 nach EN 206-1 nachgewiesen wird. Bei Kunststoffen werden durch die Norm wesentlich höhere Anforderungen gestellt, die teilweise langwierige und kostenintensive Prüfungen verlan-gen. Für Polyethylene bestehen die Prüfungen im Nachweis be-stimmter Fließ- und Zugeigenschaften, die in Abhängigkeit vom Herstellungsverfahren definierte Grenzwerte einhalten müssen. Für glasfaserverstärkte Kunststoffe sind dagegen langwierig ver-laufende Kriech- bzw. Alterungsfaktoren zu bestimmen, die nur mit aufwändigen Methoden nachzuweisen sind.

Nach positivem Durchlaufen aller beschriebenen Tests sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass der Hersteller beim DIBt die Ausstellung einer bauaufsichtlichen Zulassung beantragen kann. Außerdem ist der Hersteller in der Lage, mit den nunmehr verfügbaren Dokumenten die nach EN 12566 vorgeschriebene CE-Kennzeichnung seiner Produkte vorzunehmen. Was man dabei alles beachten muss oder falsch machen kann, würde ei-nen extra Beitrag füllen. Zumindest hat der Hersteller an diesem Punkt die Mindestanforderungen der Gesetzgeber erfüllt, die damit sein Produkt als Dauerlösung für die Abwasserreinigung empfehlen.

Neben dem Nachweis der prinzipiellen Leistungsfähigkeit ei-ner Kleinkläranlage ist im praktischen Betrieb die regelmäßige qualifizierte Wartung der Kläranlagen die Grundvoraussetzung für gute Reinigungsleistungen. Vielfach wird von Behörden, so auch in Thüringen, die Forderung erhoben, dass diese Wartun-gen von zertifizierten Wartungsunternehmen durchzuführen sind. Die Zertifizierung läuft bundesweit über die Vereinigung DWA. Die DWA nutzt dabei die Fachkompetenz von berufenen Abwasserexperten. Das Fachgebiet Chemie und Umwelt stellt einen solchen Experten für die Zertifizierung von Wartungsun-ternehmen in Thüringen.

Die MFPA hat in diesem gesamten Prozess mit der Begleitung seiner Kunden von der Beratung für Zulassungsbeantragung über die praktische Prüfung bis zur Erstprüfung insgesamt si-cher einen wichtigen Beitrag geleistet.

04/05Pit-Test – Versuch in der Prüfgrube

Fachgebiete: Chemie und Umwelt | 69

kontakt

Dipl.-Ing. Jörg Müller

Mail: [email protected]

Page 70: 20 Jahre MFPA Weimar

Naturbadeteiche – Freibäder

mit biologischer Wasseraufbereitung

Naturbadeteiche sind im Erholungs- und Freizeitbereich be-liebt und angenommen. Sie werden seit etwa 15 Jahren pro-

fessionell gebaut. Die »Naturbäder« stellen künstlich geschaf-fene, an der Natur orientierte Ökosysteme dar. In ihnen sollen Bedingungen wie in natürlichen Gewässern entwickelt und opti-miert werden. Die eingebrachten Belastungen müssen durch das ökologische System und unterstützende Maßnahmen aus dem Badewasser eliminiert werden, um den Ansprüchen der Hygie-ne und eines sicheren Langzeitbetriebes gerecht zu werden. Eine Chlorung des Badewassers gibt es nicht.

Badegäste wie auch Tiere können ggf. Krankheitserreger in Na-turbäder einbringen. Der Nährstoff Phosphor stellt ein entschei-dendes Regulativ des Ökosystems dar und hat insbesondere Ein-f luss auf das Wachstum von (unerwünschten) Cyanobakterien und Algen.

In Naturbadeteichen wird mit der Wasserbehandlung bzw. -rege-neration in spezifischen Auf bereitungsbereichen gezielt auf die natürlichen Selbstreinigungskräfte gesetzt, um unerwünschte stoff liche wie auch hygienisch relevante Belastungen weitest-gehend auszuschließen bzw. abzubauen. Die Auf bereitungssy-steme, zumeist Bodenfilter oder aquatische Körper, haben sich mittlerweile in der Praxis über Jahre bewährt.

Mit den Empfehlungen der Forschungsgesellschaft Landschafts-entwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL Bonn) aus dem Jahre 2003

konnten die kommunalen »Naturbäder« erstmals standardisiert und in 2011 in einer Richtlinie aktualisiert werden. Das Fachge-biet Chemie und Umwelt der MFPA Weimar hat von der ersten Stunde an der Erarbeitung der Empfehlungen bzw. Richtlinien für kommunale Bäder und im Privatbereich (2006) entscheidend mitgearbeitet. Schwerpunkte waren und sind mikrobiologisch-hygienische Aspekte sowie Fragen einer optimalen Auf bereitung des Badewassers.

Betrachtungen zur hygieneDer Kölner Hygieniker Reiner Müller bietet in seinem Lehrbuch von 1942 folgende Kurzdefinition an: »Die Hygiene versucht Krankheiten zu verhüten sowie das Wohlbefinden und die Lei-stungsfähigkeit aller zu erhalten bzw. zu steigern«.

Vor mehr als hundert Jahren wurden erstmals laute Forderungen nach Reinlichkeit, Sauberkeit und Körperpf lege erhoben. Hy-giene steht inzwischen als Synonym dafür. In der Gleichsetzung von Hygiene mit Reinlichkeit liegt jedoch ein Missverständnis, das wenig mit rational begründeter Hygiene zu tun hat. Es ist vielmehr sozial motiviert und entspringt einer subjektiven Äs-thetik.

Pathogene Keime und InfektionsrisikoEnde der 60er Jahre beriet die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) über Richtlinien zum Schutz der Bevölkerung gegen Verschmutzungen in Freizeitgewässern. In

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Fachgebiete: Chemie und Umwelt | 71

[KBE] Ausgezeichn. * Gute * Ausreichende ** Höchstwert ***

pro 100 ml Qualität EU Qualität EU Qualität EU FLL-RW

Escherichia coli 250 (500) 500 (1000) 500 (900) 100

Enterokokken 100 (200) 200 (400) 185 (330) 50

Pseud. aeruginosa – – – 10

Legionellen – – – nicht nachweisbar ****

Anlehnung an die empfohlenen Überwachungskriterien und tolerierbaren Höchstwerte verabschiedete der Rat der Europä-ischen Gemeinschaft schließlich am 08.12.1975 die Richtlinie über die Qualität der Badegewässer, die seit Anfang 2006 in ihrer novellierten Fassung vorliegt. Man ging davon aus, dass bei Ein-haltung der Grenzwerte keine nennenswerten gesundheitlichen Risiken bestehen. In jenen Ländern, in denen ähnliche Werte gül-tig waren, gab es keine auffällig häufigen badebedingten Erkran-kungen zu beobachten. Zu den Erkrankungen gehörten lediglich leichte, kurzzeitige, auch ohne Behandlung von selbst ausheilen-de Durchfälle. Schwere Erkrankungen traten nicht auf.Das in der Trinkwasserhygiene bereits zu Ende des 19. Jahrhun-derts entwickelte Konzept der mikrobiologischen Markerkeime wurde zur Abschätzung des Infektionsrisikos in Badegewässern übernommen. Unter dem Oberbegriff der Markerkeime werden heute Indikator- und Index- Mikroorganismen als mikrobielle Pa-rameter stellvertretend für die enorme Zahl der hygienisch rele-vanten Keime, hauptsächlich Bakterien und Viren, unterschieden.

Indikatorkeime haben im Rahmen der GMP (»good manufacto-ring practice«) die Funktion der Prozess- und Qualitätskontrol-le. Sie müssen ziemlich regelmäßig vorhanden und nach Mög-lichkeit quantitativ erfassbar sein. Indexkeime werden anstelle von pathogenen Mikroorganismen nachgewiesen. Sie sind ggf. selbst pathogen. Für darmpathogene (endogene) Erreger stehen z. B. die Fäkalstreptokokken und E. coli. Für weitere, exogene Er-reger wird auf Pseudomonas aeruginosa, Legionella pneumophila, Staphylococcus aureus oder Mycobacterium spec. untersucht.Weltweit hat sich Escherichia coli als Indexkeim zur Indizierung

enteropathogener Erreger durchgesetzt, obwohl heutzutage Kor-relationen zu einem potentiellen Infektionsrisiko nicht (mehr) gegeben sind. Die Fäkalstreptokokken (= Enterokokken) werden als die »besseren« Indexbakterien angesehen. Sie sichern die mikrobiologischen Befunde ab.

In der Tabelle sind die hygienischen Qualitätskriterien der EU- Badegewässerrichtlinie im Vergleich mit den in der FLL- Richt-linie für Naturbäder genannten Höchstwerten für die relevanten Parameter aufgeführt.

Etwa 80 % aller badebedingten Infektionen sind banale Magen-Darm-Erkrankungen. Weiterhin werden selbstausheilende Na-sen-, Rachen- und Atemwegserkrankungen, fieberhafte Infekte, Augen-, Ohren- und Hautentzündungen beobachtet (MÜLLER, 2001).

Durch endogene Erreger wird das Risiko, d. h. die mittlere Häu-figkeit des Auftretens einer Banalinfektion, unabhängig von der Wasserqualität durch das Baden als solches verdoppelt. Es war bei dem von der EG- Richtlinie über die Qualität der Badegewäs-ser (1975) festgelegten E. coli-Grenzwert von 2.000 KBE / 100 ml um etwa den Faktor 7 – 8 gegenüber dem Normalrisiko erhöht (MÜLLER, 2001). Mit der in der novellierten Form der EU- Badegewässerrichtlinie festgelegten Herabsetzung des E. coli-Wertes auf 500 KBE / 100 ml für gute bzw. sehr gute Qualität der EU-Gewässer verringert sich das Risiko auf den Faktor 1,5 – 2 gegenüber Normalrisiko und liegt somit in jenem Bereich, der durch das Baden an sich ohnehin gegeben ist.

Mikrobiologisch- hygienische Einstufung der Küsten-/Übergangsgewässer (Binnengewässer)

innerhalb der EU- Badegewässerrichtlinie (2006) im Vergleich zu den im FLL- Regelwerk

(RW) genannten Höchstwerten*** für Schwimm- und Badeteiche; (KBE: Kolonie bildende

Einheiten) auf Grundlage einer 95-Perzentil-* bzw. 90-Perzentil-** Bewertung

**** bei technischer Erwärmung des Badewassers

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Pseudomonas aeruginosa – der ProblemkeimBei der Bewertung der hygienischen Wasserqualität von Natur-bädern wird neben den »gängigen« Parametern E. coli und En-terokokken auch der Parameter Pseudomonas aeruginosa ermittelt (vgl. Tabelle). Die Erstgenannten weisen auf mögliche fäkalische Belastungen und Verschmutzungen des Badewassers hin, die ggf. mit dem Eintrag von typischen Krankheitserregern im Sinne des Bundesinfektionsschutzgesetzes einhergehen können. Völlig anders verhält es sich mit Pseudomonas aeruginosa. Um die Wirk-samkeit einer Chlordesinfektion in technischen Beckenbädern nachzuweisen, wurde dieser Parameter »einst« für klassische Schwimmbäder eingeführt. Die Übernahme des Parameters zur Bewertung der naturnahen Schwimm- und Badeteiche sorgt seit Jahren für Diskussionen. In der aktuellen wie auch ehemaligen EU- Richtlinie für (natürliche) Badegewässer ist Pseudomonas aeruginosa nicht enthalten.

Die Pseudomonaden sind als wahrhaft ubiquitäre Mikroorga-nismen von herausragender ökologischer Bedeutung. Sie spielen eine Schlüsselrolle im globalen Kohlenstoffkreislauf, sowohl bei der Mineralisation organischer Stoffe (abgestorbene tierische und pf lanzliche Materialien) als auch beim Abbau sog. Xenobio-tika (schwer abbaubare, relativ persistente, oft toxische Verbin-dungen).

Innerhalb der Gattung Pseudomonas gibt es Formen, die als (wirtsspezifische) Pathogene bei Pf lanzen und opportunistische Pathogene bei Tier und Mensch, wie Pseudomonas aeruginosa, auftreten. Einige Stämme tragen eine Antibiotikaresistenz, kön-nen diese an andere Bakterien übertragen, sind aber auch resi-stent gegenüber antibakteriellen Agenzien. Andererseits finden sich Pseudomonas-Stämme, insbesondere von P. putida und P. fluoreszens, die Pf lanzen vor Befall durch pathogene Schadpilze schützen. Auch die Bildung von Pf lanzenhormonen sowie ihr Beitrag zum Frostschutz der Pf lanzen via Phyllosphärenbesied-lung konnten mehrfach belegt werden.

Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die Spezies Pseudomonas aeruginosa im Zusammenhang mit der Entstehung des grünspanartigen Eiters bei Wunden erwähnt (»aeruginosa« = grünspanig). Der Keim kann bei Pf lanze, Tier und Mensch als Pathogen auftreten und ist als solcher nachgewiesen worden. Die Liste der »Materialien«, von denen er isoliert werden konnte, ist endlos. Bei dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa handelt es sich um einen »Kosmopoliten«, der in den unterschiedlichsten

Umweltmilieus auftritt und Bestandteil der normalen Haut- und Darmflora des Menschen ist. Der Keim zeigt eine niedrige Viru-lenz und wird zurecht als opportunistischer Pathogen bezeich-net. Infektionen treten nur bei immunvorgeschädigten bzw. – geschwächten Menschen, insbesondere bei Kleinstkindern und alten Menschen auf. Normalerweise stellt er keine Gefahr dar. Pathogene Stämme wurden bei Infektionen des Atmungstraktes, der Harnwege, Ohren, in Wunden und Blut identifiziert. Pseudo-monas aeruginosa verursacht keine übertragbaren Krankheiten im Sinne des Bundesinfektionsschutzgesetzes. Sein Auftreten in naturnahen Schwimm- und Badeteichen, auch bei größeren Keimzahlen, ist damit kein Indiz für eine real existierende Ge-sundheitsgefährdung, sondern lediglich der Beweis, dass dieses Bakterium in seinem natürlichen Lebensraum vorkommt.

Pseudomonas aeruginosa konnte aus bzw. in Gewässern, Böden, Filtermaterialien und Biofilmen, auf Oberf lächen von Pf lanzen regelmäßig, aber auch bei Tieren nachgewiesen werden. In tieri-schen Fäkalien und Abwässern, in Waschbecken und Ausgüssen wurde das Bakterium gefunden und kann sich dort vermehren. Zahlreiche internationale Arbeiten der zurückliegenden Jahr-zehnte zeigen, dass P. aeruginosa in der Phyllo- und Rhizosphäre der Pf lanzen stark präsent ist und hier wichtige Aufgaben in der Nährstoffversorgung bzw. –mobilisierung, aber auch im Schutz der »Wirtspf lanze« realisiert.

Da das Bakterium in natürlichen Substraten auftritt, Oberf lä-chen jedweder Art besiedelt und mit Pf lanzen vergesellschaf-tet ist, lässt sich seine Anwesenheit in naturnahen Bädern nicht »ausschalten«.

Viren und Cyanobakterien (»Blaualgen«)Das Wasser spielt als Übertragungsweg für Viren eine höchst untergeordnete Rolle. So verursachen Rotaviren z.B. eine Win-tergastroenteritis und sind im Sommer praktisch nicht nach-weisbar. Eine durch Rotaviren übertragene Badewasserinfektion konnte bisher in keinem einzigen Fall aufgezeigt werden. Da Vi-ren niemals frei im Wasserkörper vorkommen, sondern an grös-sere Partikel im Wasser, Sedimente und Substrate bei Passage der Auf bereitungsbereiche adsorbieren, ist die Infektionsgefahr in technischen Beckenbädern bei mangelnder Chlorung sogar grösser einzuschätzen.

In naturnahen Schwimm- und Badeteichen wird dem Nährstoff Phosphor besondere Beachtung geschenkt, da bereits bei sehr

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kontakt

Dr. E.-Peter Kulle

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geringen Konzentrationen und trotz Stickstoff- Mangel hepato- und neurotoxinausscheidende »Blaualgen«, sog. Cyanophyceen, auftreten und ggf. eine ernstzunehmende hygienische Bedeu-tung erlangen können.

Das Massenauftreten von toxischen Cyanobakterien wird welt-weit von Binnen- und Küstengewässern berichtet. Die zuneh-mende Eutrophierung dieser Gewässer als Folge der »industria-lisierten« Bodenbewirtschaftung und intensiver Viehhaltung sowie kommunaler Abwassereinleitungen werden als Haupt-ursachen gesehen. Allergien und Vergiftungen bei Mensch und Tier können auftreten. In Deutschland wurden gesundheitliche Beeinträchtigungen am Menschen bislang nicht registriert.

Das Fachgebiet Chemie und Umwelt der MFPA Weimar arbeitet seit Jahren als Dienstleister für Firmen, die mit spezifischen Fil-termaterialien die Auf bereitung des Badewassers zu optimieren suchen. Forschungsprojekte widmen sich den Fragen der Pro-zessstabilität, Hygiene und Nährstoffreduzierung in derartigen Systemen.

Damit das Baden in unseren Tagen und zukünftig nicht zu einem »Gesundheitsrisiko« entartet bzw. unnötige Ängste aufkom-men, sollte in Betrachtungen und Diskussionen zu Hygienefra-gen deutlicher und verstärkt auf das Immunsystem des Men-schen fokussiert werden. Lebenswandel und vor allem gesunde Ernährung spielen bei einer dauerhaften Prophylaxe eine weit-aus größere Rolle als bisher angenommen.

01/02/03Naturbad mit SchwimmbereichPflanzenbewuchs überstauter Bodenfilter zur Regeneration

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Für ein werkstoffmechanisches Dauerfestigkeitskonzept zur Berechnung z.B. einsatzgehärteter Bauteile fehlen experi-

mentell abgesicherte Dauerfestigkeitskennwerte für die unter-schiedlichen lokalen Werkstoffzustände. Die bekannten Ansät-ze für die Berechnung der Dauerfestigkeit in der Einsatzhärte-schicht basieren auf Korrelationsbeziehungen zur lokalen Härte und führen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Basis für die Korrelationsbeziehungen bilden experimentelle Versuchs-ergebnisse an einsatzgehärteten Proben mit Eigenschafts- bzw. Lastspannungsgradienten. Aus diesen Ergebnissen kann weder explizit auf die mittleren intrinsischen Dauerfestigkeiten des Werkstoffes, noch auf Streuung und Mittelspannungsempfind-lichkeit der lokalen Werkstoffzustände geschlossen werden. Da-raus ergab sich die Notwendigkeit, einen Prüfstand und Proben zu entwickeln mit dem es gelingt, die lokalen Dauerfestigkeiten für beliebige Punkte der Gradientenschicht experimentell zu er-mitteln. Im Rahmen des Forschungsvorhabens »Einsatzhärten und Dauerfestigkeit« ist eine erste Version für Innen- und Au-ßendruckbelastung entwickelt worden, die im Rahmen des For-schungsvorhabens »Entwicklung von Komponenten für 25.000 bar Autofrettageanlagen« weiterentwickelt wurde.

Anforderungen an Werkstoffversuche Werkstoffversuche sind notwendig, um die für die Auslegung von Bauteilen notwendigen Werkstofffestigkeiten experimen-tell zu ermitteln. Das Ziel des hier vorgestellten Prüfkonzeptes ist es, Dauerfestigkeiten und Streuungen sowie die Mittelspan-nungsempfindlichkeit für unterschiedliche Werkstoffzustände experimentell bestimmen zu können. Darüber hinaus bietet dieses Prüfkonzept die Möglichkeit, durch Wahl des Probende-signs die Werkstoffeigenschaften sowohl längs als auch quer zur Hauptumformrichtung des Vormaterials zu ermitteln. Dies ist besonders interessant vor dem Hintergrund, dass der überwie-gende Teil der heute eingesetzten Stähle anisotrope Eigenschaf-ten aufweist.

Entwicklung des Prüfstandes Um den Einf luss der jeweils in der Gradientenschicht lokal vor-liegenden Härte auf die lokale Dauerfestigkeit einsatzgehärteter Schichten explizit zu untersuchen, müssen Proben mit homoge-nen Kohlenstoffgehalten untersucht werden. Im Rahmen der hier vorgestellten Arbeiten wurden dazu Werkstoffproben als Rohr-proben konstruiert sowie ein geeignetes Prüfkonzept entwickelt, das auch die Variation des Spannungsverhältnisses gestattet.

Entwicklung eines Prüfstandes

für kombinierte Innen- und Außendruckbelastung

Die Werkstoffprobe wurde als dünnwandige Rohrprobe konzi-piert, die durch Innenschwelldruck beansprucht wird. Durch entsprechende Einstellung des überlagerten statischen Außen-druckes kann das im Prüfquerschnitt vorliegende Spannungs-verhältnis frei eingestellt werden. Infolge der Beanspruchung und der Probennahme (Probenachse liegt parallel zur Hauptum-formrichtung des Ausgangsmaterials) liegt bei diesen Rohrpro-ben die größte Hauptspannung quer zur Hauptumformrichtung des Vormaterials (Stabstahl). Eine wesentliche Vorgabe für das Design der Rohrprobe war, dass die Wanddicke im Prüf bereich mit dem Verfahren Niederdruck-Aufkohlen durchgekohlt wer-den kann, um einen homogenen Kohlenstoffgehalt im Prüf be-reich zu erzeugen. Dadurch ist es möglich, durch definierte Koh-lenstoffgehalte gezielt homogene Härten im Prüfquerschnitt der Rohrprobe einzustellen. Bei den hier durchgeführten Untersu-chungen wurde die Wanddicke im Prüf bereich der Rohrproben auf 1,2 mm festgelegt, s. Bild 1. Mit FE-Berechnungen wurde die Rohrprobe hinsichtlich Spannungsverteilung und Durchkoh-lung optimiert, s. Bild 2.

01Rohrprobe

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Die Verwendung der in Bild 1 dargestellten Rohrprobe als Werk-stoffprobe für die Ermittlung von Schwingfestigkeitswerten bie-tet folgende Vorteile:

Die Wanddicke im Prüfquerschnitt kann gleichmäßig auf den gewünschten C-Gehalt aufgekohlt werden.

Die Wanddicke härtet durch und weist nach dem Anlassen homogene Härte bzw. statische Festigkeit auf.

Durch Verwendung von Material aus derselben Stahlcharge für unterschiedliche Festigkeiten wird ein Stahlchargeneinf luss vermieden.

Es ergeben sich nahezu konstante Beanspruchungen über die Wanddicke.

Durch Wahl von Innen- und Außendruck kann das Spannungsverhältnis R frei eingestellt werden.

Es gibt kein Problem mit dem Ausrichten der Probe in der Prüfmaschine und den damit verbundenen Sekundärspannungen.

Es können mehrere Proben gleichzeitig getestet werden.

Für die Durchführung der Versuche wurde im Fachgebiet Werk-stoffe und Bauteile der MFPA Weimar ein spezieller Prüfstand entwickelt. Für die Auf bringung des Innendruckes wurde zu-nächst auf einen bereits vorhandenen Prüfstand zurückgegrif-fen. Durch einen Druckübersetzer mit Servoventil können hier Drücke bis max. 4.500 bar dauerfest erzeugt werden. Als Prüfme-dium wird ein Hydrauliköl eingesetzt. Für die Versuche wurden die Prüf linge mit entsprechenden Adaptern (Anschlussnippel, s. Bilder 3 bis 5) an den Mehrfachprüfkopf angeschlossen.

Zur Erzeugung des Außendruckes wurde ein zweiter Drucküber-setzer an den Prüfstand adaptiert. Zur Einleitung des Außen-drucks wurde ein geeignetes Außendruckcontainment (Bild 4) um die Proben geschaffen. Bild 5 zeigt den schematischen Prüfauf bau mit zwei Prüf lingen für die Prüfung mit zyklischem Innendruck und statischem Außendruck. Im Bild 6 ist der Prüfraum mit zwei eingebauten Prüf lingen im Außendruckcon-tainment dargestellt.

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02Kerbfaktorverlauf an Rohrprobe

04Adaption Rohrprobe für Innen- und Außendruck

03Adaption Rohrprobe für Innendruck

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Erzielte Ergebnisse Im Rahmen des Forschungsprojektes »Einsatzhärten und Dau-erfestigkeit« wurde ein werkstoffmechanisch schlüssiges Modell zur Vorhersage der Dauerfestigkeit einsatzgehärteter Bauteile aus dem Stahl 20MnCrB5 entwickelt. Dabei wurden die Dauerfe-stigkeitskennwerte einsatzgehärteter Werkstoffzustände mit den konstanten Kohlenstoffgehalten von 0,18 % (für den nicht ein-satzgehärteten Grundwerkstoff) und 0,40 %, 0,55 % und 0,70 % (exemplarisch für Werkstoffzustände in der einsatzgehärteten Schicht) anhand dünnwandiger Rohrproben bestimmt, s. Bild 7. Für alle Werkstoffzustände ergaben sich annähernd gleiche Wechselfestigkeiten von σzdw ≈ 490MPa und gleiche Mittelspan-nungsabhängigkeiten mit Mittelspannungsempfindlichkeiten von M≈0,75. Für den hier untersuchten Einsatzstahl 20MnCrB5 sind also die Schwingfestigkeitseigenschaften in der gesamten Einsatzhärteschicht bis in das Grundmaterial hinein gleich. We-gen der homogenen Festigkeitsverteilung konnte für die Vorher-sage der Dauerfestigkeit ein vereinfachtes probabilistisches Kon-zept angewendet werden. Die Vorhersagegenauigkeit für bauteil-ähnliche gekerbte Proben war in den hier untersuchten Fällen hervorragend (± 8 %). Im Anschluss an die Ermüdungsversuche wurde der überwiegende Teil der gebrochenen Rohrproben frak-tografisch untersucht, um die Lage des Bruchausganges und die Größe der bruchauslösenden Defekte zu ermitteln, s. beispiel-haft Bild 8.

Das Forschungsvorhaben »Einsatzhärten und Dauerfestigkeit« wurde als IGF-Vorhaben 15170 BR der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Maschinenbau e. V. über die AiF im Rah-men des Programms zur Förderung der industriellen Gemein-schaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministe-rium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlus-ses des Deutschen Bundestages gefördert.

Im Rahmen des Forschungsprojektes »25 kbar« werden der-zeit Zeit- und Dauerfestigkeitsuntersuchungen an höchstfesten Werkstoffen durchgeführt, die als Konstruktionswerkstoffe für 25 kbar Komponenten eingesetzt werden können.

Das Forschgungsprojekt 2009 FE 9153 mit dem Thema »Ent-wicklung von Komponenten für 25.000 bar Autofrettageanla-gen« wird vom Freistaat Thüringen gefördert und durch Mittel der Europäischen Union im Rahmen des Europäischen Fonds für regionlae Entwicklung (EFRE) kofinanziert.

05Schematischer Versuchsaufbau für Versuche mit kombiniertem Innen- und Außendruck

07Werkstoffdauerfestigkeit – dünnwandige Rohrprobe unter zyklischem Innen- und statischem Außendruck

06 Ansicht des Prüfraums der Hochdruckprüfmaschine mit montierten Prüfteilen

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Schlussfolgerungen und AusblickIm Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben wurde ein Prüf-konzept zur experimentellen Ermittlung der Dauerfestigkeit von dünnwandigen Rohrproben erfolgreich entwickelt. Durch die Beanspruchung der Rohrproben mit zyklischem Innendruck und statischem Außendruck kann das Spannungsverhältnis frei eingestellt werden. Das Prüfkonzept ermöglicht erstmals, die Werkstoffdauerfestigkeiten, Mittelspannungsempfindlichkeit und Streuungen quer zur Stabstahlrichtung zu ermitteln. Die Rohrprobe ist in der hier vorgestellten Variante so optimiert, dass in Zukunft auch Axialbeanspruchung aufgebracht werden kann und somit die Festigkeitseigenschaften quer und längs zur Stabstahlrichtung ermittelt werden können.

08Übersichts- und Detailaufnahmen des Bruchausgangs an einer Rohrprobe mit 0,55 % C

(a) Makroansicht, Stereomikroskop (b) Übersicht, Lichtmikroskop(c) Schlackezeile am Bruchausgang, REM-SE (d) Schlackezeile am Bruchausgang, REM-BSE

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Dipl.-Ing. Andreas Kleemann

Mail: [email protected]

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Page 78: 20 Jahre MFPA Weimar

Die modernen festkörperanalytischen Messmethoden ha-ben längst die Grundlagenlabore der Physiker verlassen

und werden von Werkstoffwissenschaftlern und Chemikern als Handwerkszeug für die Entwicklung neuer Werkstoffe einge-setzt. Die Verfahren beruhen auf der Wechselwirkung zwischen dem zu untersuchenden Material bzw. der Schicht und Teilchen oder Photonen. Das Prüfzentrum Schicht- und Materialeigen-schaften der MFPA Weimar an der TU Ilmenau nutzt eine Viel-zahl dieser modernen Methoden in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstofftechnik und dem Zentrum für Mikro- und Nanotechnologien der TU Ilmenau. Bei den eingesetzten Verfahren handelt es sich vor allem um Wechselwirkungsprozes-se mit Elektronen, Argon-Ionen und Röntgenstrahlen. Im Fol-genden werden die wichtigsten Verfahren aufgezählt und deren Einsatz an einigen Anwendungsbeispielen dargestellt.

Die Wechselwirkung Material bzw. Schicht mit den Elektronen wird im Rasterelektronenmikroskop genutzt. Die entstehenden Sekundärelektronen werden zur Abbildung der Topographie der Oberf läche verwendet, indem der einfallende Elektronenstrahl über die Probenoberf läche gerastert wird. Neben den Sekundär-elektronen entsteht auch die sogenannte charakteristische Rönt-genstrahlung, welche Aussagen zur chemischen Zusammen-setzung des Materials bzw. der Schicht ermöglicht. Bei diesem chemischen Analyseverfahren spricht man von der Elektronen-strahlmikroanalyse (EDX), da der analysierte Bereich sehr klein ist. Der Durchmesser des Elektronenstrahls beträgt ca. 30 nm

Material- und Schichtanalytik

als Werkzeug in der Entwicklung

neuer Funktionswerkstoffe

und die Information über die chemische Zusammensetzung stammt dabei in Abhängigkeit von den Anregungsbedingungen aus einem Volumen von maximal 1 µm³. Zur Charakterisierung der Oberf lächentopographie stehen dem Prüfzentrum an der TU Ilmenau weiterhin Rastersondenmikroskope (AFM, STM usw.) zur Verfügung.

Die charakteristische Röntgenstrahlung kann auch durch Rönt-genstrahlen angeregt werden. In diesem Fall spricht man von der Röntgenf luoreszenzanalyse (RFA). Auch dieses Verfahren gestattet die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung, erfordert jedoch deutlich größere Analysenf lächen.

Neben der Anregung charakteristischer Röntgenstrahlung wird ein weiterer Wechselwirkungsprozess von kristallinen Werk-stoffen mit Röntgenstrahlen angewendet, die Röntgenbeugung (Röntgendiffraktometrie, XRD). Wichtigstes Aufgabengebiet der Röntgendiffraktometrie ist die qualitative und quantitative Phasenanalyse von unbekannten Stoffgemischen. Weitere An-wendungsgebiete sind die Präzisionsgitterkonstantenbestim-mung, die Texturanalyse und die Messung von Eigenspannungen.

Die Wechselwirkung des Materials mit Argon-Ionen in einem Glimmentladungsplasma führt zu einem Materialabtrag (Sput-terprozess). Das abgetragene Material wird durch Zusammen-stoß mit Ar-Ionen in einen angeregten Zustand überführt. Beim Rückfall in den Grundzustand werden für das Material charakte-

01/02Glimmentladungsspektrometer GDA 750 Glimmentladungslampe nach Grimm

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ristische Lichtquanten ausgesendet. Durch spektrale Zerlegung des Lichtes kann eine Intensitätsmessung der einzelnen Linien erfolgen und damit die Zusammensetzung des Materials über die Tiefe bestimmt werden (Tiefenprofilanalyse).

AnwendungsbeispieleAbsorbermaterialien für EMV-AnwendungenDer Schutz vor hochfrequenten Feldern spielt sowohl aus ge-sundheitlichen Aspekten als auch aus den technischen Aspek-ten der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) durch die Zunahme der Telekommunikation und IT-Branche eine immer größere Rolle. Die Ferrite bilden eine der wichtigsten HF-Ma-terialgruppen als Absorber hochfrequenter elektromagnetischer Felder über einen breiten Frequenzbereich. Bisher kommen pri-mär weichmagnetische Ferrite in Form gesinterter Ferritkacheln zum Einsatz. Der Nachteil dieser Keramikkacheln liegt in ihrem hohen Gewicht. In mehreren gemeinsamen Forschungsvorha-ben mit dem Fachgebiet Werkstoffe der TU Ilmenau, der IMG gGmbH Nordhausen, dem HITK Hermsdorf und Industrie-partnern wurden daher Lösungen nach leichteren Materialien gesucht, welche z. B. in Gehäusen oder als Gehäuse für die Elek-tronik eingesetzt werden können. Der erste Lösungsansatz lag in der Optimierung eines Ferrit-Polymer-Compositwerkstoffes. Ein zweiter Lösungsansatz wurde in der Entwicklung einer dün-nen ferritischen Schicht mit einer ausreichenden Schirmdämp-fung im Frequenzbereich von 30 MHz bis 1.000 MHz verfolgt. Auf den zweiten Lösungsansatz soll ausführlicher eingegangen werden.

Für diesen Frequenzbereich kommen Ni-Zn-Ferrite und Mn-Zn-Ferrite in Betracht, die Wahl fiel auf die Ni-Zn-Ferrite. Die Ab-scheidung der dünnen Ni-Zn-Ferritschichten erfolgte mit Hilfe der DC-Magnetron-Sputtertechnologie an der TU Ilmenau. Die Dicke der abgeschiedenen Schichten betrug ca. 200 nm bis 500 nm. Zur Aufklärung der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen wurden die Schichten einer umfassenden festkörperanalytischen Charakterisierung unterzogen. Einen besonderen Schwerpunkt bildete die Röntendiffraktometrie zur strukturellen Charakteri-sierung der Schichten (Ausbildung welcher Phasen und in wel-cher strukturellen Qualität) und zur Texturanalyse (Ausbildung von kristallographischen Vorzugsorientierungen). Die Oberf lä-chentopographie und die Korngröße wurden mit dem Atom-kraftmikroskop (AFM) untersucht. Ergänzt wurde die Cha-rakterisierung der Schichten durch Messung der magnetischen Eigenschaften. Die Bestimmung des Absorptionsverhaltens im HF-Feld erfolgte durch die EMV-Arbeitsgruppe in der IMG

gGmbH Nordhausen. Die Untersuchungen der für die praktische Anwendung wichtigen EMV-Eigenschaften (Absorptionsverhal-ten im HF-Feld, Schirmdämpfung bzw. Ref lexionsdämpfung) zeigten den Zusammenhang der Gefügeeigenschaften Korngrö-ße und Textur auf das Absorptionsverhalten im HF-Feld. Bei diesen sehr dünnen Schichten spielt natürlich auch die Ausbil-dung der Kristallstruktur des Spinells, welche für die weichma-gnetischen Ferrite typisch ist, eine sehr große Rolle. Für PVD-Schichten ist es typisch, dass diese ohne eine Wärmebehandlung amorph bzw. teilkristallin sind. Die röntgendiffraktometrischen Untersuchungen zeigten, dass die Schichten bereits ohne eine Wärmebehandlung eine sehr gute kristalline Struktur aufwei-sen, über eine Wärmebehandlung jedoch die Korngröße und die Kristallperfektion beeinf lusst werden kann. Zu einem qualitati-ven Sprung kommt es bei einer Tempertemperatur von 500° C. Ab dieser Temperatur zeigen die polykristallinen Schichten eine extrem hohe Kristallperfektion, was sich in einer sehr geringen Halbwertsbreite der Beugungsref lexe zeigt. Die Schichten sind texturiert. Spätere Arbeiten zeigten eine weitere Verbesserung des Absorptionsverhaltens durch einen Multilayerauf bau.

KorrosionsschutzschichtenDurch Korrosion entsteht in Deutschland jährlich ein extrem hoher volkswirtschaftlicher Schaden. Diese hohen Schäden können nur durch Neu- und Weiterentwicklungen sowie kon-sequente und beanspruchungsgerechte Anwendung von Kor-rosionsschutzmaßnahmen verringert werden. Dabei spielt die

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03Beugungsdiagramm NiZn-Ferritschicht

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moderne Oberf lächentechnik in Wirtschaftszweigen wie der Automobilindustrie, der Bauwirtschaft sowie der chemischen Großindustrie eine entscheidende Rolle. Der Druck durch die weltweit immer strenger werdenden Umweltverordnungen so-wie die Qualitätsanforderungen führte in den letzten Jahren bei vielen Oberf lächen-Schutzsystem zu Umstellungen. So wurde im Rahmen der EU-Altautoverordnung der Einsatz von hexava-lentem Chrom verboten. Seit ihrem Inkrafttreten im Juli 2007 ist der Einsatz der durch sehr gute Korrosionsschutzeigenschaften gekennzeichneten Cr(VI)-haltigen Gelb-, Schwarz- sowie Oliv-chromatierungen für Zink- und Zinklegierungsschichten stark eingeschränkt. Auf Grund des Cr(VI)-Verbotes werden heute neben Blaupassivierungen vor allem Dickschichtpassivierungen eingesetzt, die aufgrund der schlechten Korrosionsschutzei-genschaften vielfach durch organische bzw. silikatische Versie-gelungen ergänzt werden. Dieses Systeme sind aufgrund ihrer geringen Härte anfällig für mechanische Verletzungen, da die Korrosionsschutzwirkung vor allem durch die 200 bis 500 nm dicke Passivierungsschicht sichergestellt wird, deren Selbsthei-lungseffekt wie bei den Cr(VI)-haltigen Chromatierungen fehlt. Besonders anfällig ist dabei Trommelware (z. B. Schrauben, Nie-ten, Muttern). Es besteht daher die Aufgabe, die Verschleiß- und Kratzbeständigkeit des Schichtsystems Dickschichtpassivie-rung / Zinkschicht durch die Einlagerung von Hartstoffpartikeln signifikant zu erhöhen. Bisher kommerziell verfügbare Systeme auf der Basis von SiO2-Nanopartikeln erfüllen die Anforderun-

gen nur unzureichend, da diese Partikel nur oberf lächennah eingebaut werden. Es besteht daher das Ziel, geeignete Partikel (Al2O3, TiO2, AlN usw.) mit hohen Einbauraten konstant über die gesamte Schichtdicke einzubringen. Dazu werden mehrere Lösungsansätze verfolgt. Zum Erreichen der ambitionierten Zie-le ist die entwicklungsbegleitende Schichtanalytik aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung:

Die Schichtanalytik gestattet eine unmittelbare Rück- kopplung der Partikeleinbaurate zu den Abscheidungs- bedingungen sowie Elektrolytmodifikationen.

Auf der Grundlage einer umfassenden Schichtanalytik ist eine Aufklärung der Partikeleinbaumechanismen in die Passivierungsschicht möglich.

Die Schichtcharakterisierung entscheidet über die technische Einsetzbarkeit der entwickelten Schichten.

Speziell die Analyse mittels der optischen Glimmentladungs-spektroskopie hat eine große Bedeutung, da innerhalb kürzester Zeit die genaue Analyse des Schichtsystems hinsichtlich che-mischer Zusammensetzung, Schichtdicke sowie Partikeleinbau möglich ist. Die Bilder zeigen im Vergleich die Tiefenprofile ei-ner kommerziellen Passivierung und einer ersten eigenen Ent-wicklung. Die kommerzielle Passivierung zeigt eine erhöhte Si-Konzentration an der Oberf läche durch die Anreicherung der SiO2-Partikel an der Oberf läche der Passivierungsschicht. Die

04/05/06Sputteranlage LA 440 (TU Ilmenau)Polfigur NiZn-Ferritschicht Topographie NiZn-Ferritschicht

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Al2O3-Partikel konnten dagegen durch den Zusatz geeigneter Dispergierhilfsmittel in der gesamten Konversionsschicht ein-gebaut werden. Ziel der weiteren Arbeiten ist die Erhöhung der Einbaurate.

VerschleißschutzschichtenFür den Verschleißschutz werden heute eine Vielzahl von Hart-stoff beschichtungen eingesetzt, welche mit PVD- oder CVD-Verfahren herstellt werden. Zu den typischen Hartstoffschich-ten gehören TiN, TiCN, TiAlN oder CrN. Aktuelle Forschungs-schwerpunkte einer Vielzahl von Forschungseinrichtungen lie-gen in der Entwicklung von Produkten (z. B. Schneidwerkzeuge, Umformwerkzeuge usw.) mit verbesserten Oberf lächeneigen-schaften durch Einsatz von Mehrlagensystemen oder Verän-derung des Eigenspannungszustandes der Schichten. Ziel sind deutlich verlängerte Werkzeugstandzeiten durch verbesserte thermische und chemische Stabilität als auch verbesserte Haft-festigkeit. Grundlegende Arbeiten werden auf diesem Gebiet durch die Arbeitsgruppe Beschichtung der GFE Schmalkalden e. V geleistet. Die Entwicklung dieser Beschichtungen erfordert wiederum eine umfassende festkörperanalytische Charakteri-sierung, wobei wiederum insbesondere die Glimmentladungs-spektroskopie und die Röntgendiffraktometrie (Phasenanalyse und Eigenspannungsmessungen) zum Einsatz kommen. kontakt

Dr. rer. nat. Gerd Teichert

Mail: [email protected]

07GD-OES-Tiefenprofil Konversionsschicht

Page 82: 20 Jahre MFPA Weimar

Die MFPA Weimar verfügt über ein Aufspannfeld für me-chanische Versuche an Bauteilen und Komponenten, die

mit Standardprüfmaschinen nicht abgedeckt werden können. Für die Vielfalt an wechselnden Anforderungen aus den Prüfauf-gaben wurde das Aufspannfeld mit einem eng gerasterten Trä-ger- und Rahmensystem ausgestattet. Der Arbeitsraum über dem Aufspannfeld kann so geometrisch optimal genutzt werden. Ergänzt wird das Trägersystem mit hydraulischen Prüfzylindern unterschiedlicher Größe, welche kraft- und wegkontrolliert ge-fahren werden können. Die Programmierung der Regelung er-folgt in LabVIEW ® und kann somit an wechselnde Prüfaufgaben angepasst werden.

In den vergangenen Jahren wurden seitens der kunststoffver-arbeitenden Industrie für Tief bauprodukte große Anstrengun-gen unternommen hochwertige, langlebige und hochtragfähige Produkte zur Speicherung und Versickerung von Oberf lächen-wässern zu entwickeln bzw. zu optimieren. Dafür wurden Ver-suchsanforderungen für Bruch-, Kriechbruch- und Zeitstandver-suche erarbeitet, die die MFPA zur Entwicklung eines Prüfstan-des für großf lächige Lasteinleitung veranlassten.

Entwicklung eines Prüfstandes mit vier

synchronen Zylindern für großflächige Lasteinleitung

Anforderungen an Versuche An den zu entwickelnden Prüfstand für Bruch- und Kriech-bruchversuche wurden durch unsere Kunden folgende Anforde-rungen gestellt:

einachsige Belastungsrichtung biegesteife Lastplatten Seitensteifigkeit der beweglichen Lastplatte parallel geführte Lastplatten Lastf läche quadratisch Prüf last bis 400 kN Verformung der Lastplatten < 1 mm selbst bei

ungünstiger lokaler Belastung Kraft- oder Wegregelung der Versuche Aufzeichnung der Weg- und Kraftkenngrößen f lexible Prüfraumhöhe

Durch die MFPA wurden die Anforderungen ergänzt, um den Prüfstand noch variabler gestalten zu können:

Verwendung des vorhandenen Trägersystems mit 10 cm Rasterung zur Vergrößerung des Prüfraumes in alle Richtungen

250 mm Verfahrweg der hydraulischen Zylinder passend zum Größenraster der Träger und zu den großen Verformungen von Kunststoff bauteilen

Die hydraulischen Prüfzylinder werden über die zentrale Hausversorgung mit bis zu 300 bar Antriebsdruck versorgt.

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Entwicklung PrüfstandskonzeptIn der Entwicklungsphase wurden sehr früh ein zentraler Hy-draulikzylinder und eine mechanische Seitenführung der Last-platte aus Gründen einer reibungsfreien Bewegung ausgeschlos-sen. Um eine optimale Verdreh- und Seitensteifigkeit der beweg-lichen Lastplatte zu erreichen, wurde entschieden, vier parallel arbeitende Zylinder mit ausreichender Querkraftstabilität zu verwenden. Diese Entscheidung hat die Anforderungen an die Regelung beträchtlich erhöht. Es war notwendig, eine synchro-nisierte 4-Kanal-Regelung aufzubauen. Ein Vorteil dieser Ent-scheidung ist die vollständige Flexibilität bei der Verwendung der Hydraulikzylinder für mehrachsige Prüfaufgaben mit belie-biger Kraftrichtung auf dem Aufspannfeld. Mit Blick auf diese erweiterte Verwendungsmöglichkeit waren die Antriebe als Dif-ferentialzylinder auf Druck- und Zugkraft auszulegen.

Die Parallelität beim Verfahren der Prüfzylinder im Synchronbe-trieb ist über eine Master- und Slavedefinition der vier SSI-Weg-aufnehmer zu erreichen. Parallel wird die Summenkraft aller Kraftmessdosen als Gesamtkraft ausgewertet. Abschaltgrenzen gegenüber der Gesamtkraft aber auch den Einzelkraftsignalen verhindern Überlastungen einzelner Prüfstandskomponenten.

Realisierung PrüfstandDie Prüfzylinder sind mit den Spezifikationen bzgl. Arbeitsdruck, Arbeitshub, integriertem Wegmesssystem und Anschlussf lan-schen speziell angefertigt. Zur Kraftmessung kommen vier kom-pakte ± 100 kN Kraftmessdosen zum Einsatz. Die Ansteuerung der Druckkammern der Hydraulikzylinder wird mit reaktions-schnellen Proportionalventilen realisiert. Der hydraulische An-schluss der Zylinder erfolgt mit f lexiblen Hydraulikschläuchen und Schnellkupplungen, um jeden möglichen Anbaupunkt über dem Aufspannfeld zu erreichen.

Die Lastplatte ist bezüglich Gewicht und geforderter Steifigkeit optimiert und als 1 m2 große Aluminiumplatte gefräst. Die Plat-te wird über Bolzen und Gelenkösen an die Prüfzylinder ange-schlossen. Der gelenkige Anschluss ermöglicht eine Neigung der Platte vor Prüf beginn entsprechend der Prüfkörperoberf läche mit beliebigem Winkel.

Der Prüfstandsrahmen wurde symmetrisch aus vier Säulen und einem in der Höhe versetzbaren Trägerrost, zur Aufnahme der Zylinder, mit Schraubverbindungen gebaut. Die untere Lastplatte ist das Aufspannfeld, in dessen Nuten die Säulen verankert sind.

Die Regelung basiert auf einer Eigenentwicklung des Fachgebie-tes Werkstoffe und Bauteile. Sie ist in der Programmierumge-bung LabVIEW® umgesetzt.

SchlussfolgerungenDer Prüfstand hat sich bereits bei Prüfaufgaben bewährt. Die Kombination aus biegesteifen und parallelen Lastplatten mit großer Dimension vereinfacht den Prüf betrieb bei unterschied-lichen Aufträgen und erweitert das Prüfportfolio der mechani-schen Prüfungen der MFPA. In den vergangenen Jahren gab es sehr breit gefächerte Versuchsanforderungen für das Aufspann-feld mit geringem Wiederholfaktor und viel individuellem An-passungsaufwand. Der neu entwickelte Vier-Zylinder-Prüfstand kann durch sein modulares Konzept einen großen Bereich an Prüfaufgaben abdecken und erweitert das Prüffeld mit vier syn-chronisierten f lexibel positionierbaren Prüfzylindern.

kontakt

Dr.-Ing. Stefan Linne

Mail: [email protected]

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Mechanisch-klimatische Umweltsimulation

Bei der Lebensdauerprüfung von technischen Produkten werden diese vor ihrer Anwendung mittels Belastungstests

auf Praxistauglichkeit geprüft. Das betrifft vor allem Baugrup-pen und Bauteile, die in sicherheitsrelevanten Produkten zum Einsatz kommen, wie Raumfahrzeuge, Flugzeuge, Schiffe sowie Busse und Bahnen, aber auch Chemieanlagen, Kernkraftwerke usw. Sie müssen, um Schäden weitestgehend zu verhindern, bau-artgeprüft sein, was noch weitere Prüfungen umfasst. Aber auch Produkte für andere Einsätze (z. B. Kraftfahrzeuge), für die kei-ne Bauartprüfung vorgeschrieben ist, werden zur Sicherung der Produktqualität im Auftrag geprüft.

Zur Bauartprüfung gehören produktspezifische Belastungstests wie Kälte, Wärme, Feuchte, Druck, Vibration, Sonnensimulation, Schadgas, Salznebel usw. In der komplexen Lebensdauerprüfung werden, um den Praxisbedingungen recht nahe zu kommen, die wichtigsten Belastungen parallel und gleichzeitig in den Prüf ling eingetragen. Damit erhöht sich der Stress und die Lebensdauer-bedingungen werden im Zeitraffer simuliert.

01 Prüflabor mit Schwingprüfanlagen

und der Belegschaft

In der MFPA werden eine Vielzahl von Umweltsimulationen durchgeführt. In der Arbeitsgruppe Schwingprüfung, werden mechanisch / klimatische Belastungstests durchgeführt. Zu ihnen gehört in erster Linie die Vibration mit Klimaüberlage-rung (Kälte, Wärme, Feuchte). Produktspezifisch können noch andere Prüfungen wie zum Beispiel atmosphärische Prüfungen bei Transportsimulation (Luftfahrt), Druckimpuls- und Salzne-belprüfungen (Kfz-Bereich), Sonnensimulation oder elektrische Funktionsprüfungen (Bahn) hinzu kommen. Schwerpunkt der zu prüfenden Produkte sind entwicklunsbegleitend die Prüfung von Zugfunktechnik für die Bahn und die Prüfung von Kraft-stoff leitungen für die Automobilindustrie.

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02/03Transportsimulation / Rauschprüfung mit Shakeranlage

Diagramme zur Transportsimulation / Rauschprüfung

TransportprüfungBei Transportprüfung wird geprüft, ob das Produkt oder Bau-teil in seiner Versandverpackung die Belastungen des Transports unbeschadet übersteht. Dabei geht es vorrangig um mechanische Belastungen wie Vibration, Schock und freier Fall.

Die MFPA kann mit Prüfständen, bestehend aus elektrody-namischen Schwingerregern, Transportbelastungen in verschie-denen Anregungsformen (Sinus, Rauschen, Schock) mit Kraft-eintragsrichtungen in allen drei Raumachsen simulieren.

Die Grundlage für die Prüfungen bildet vor allem die Norm DIN EN 60721-3-2 (Transportsimulation). In ihr sind die in umfang-reichen Feldversuchen ermittelten Belastungsparameter in drei Gruppen zusammengefasst:

Transportprüfungen zeigen den Entwicklern von Verpackung und Versandstück an, wo im Design Schwachstellen vorhanden sind, die beseitigt werden müssen.

Diese Arbeitsrichtung der Umweltsimulationsprüfungen ist noch nicht alt. Maschinen und Anlagen für die Transportprü-fung befinden sich noch in der Weiterentwicklung. Um die Ag-gregate besser koppeln zu können, hat sich eine Arbeitgruppe bei der Gesellschaft für Umweltsimulation (GUS) gebildet, die eine DIN-Norm zur Vernetzung erarbeitet. In dieser Arbeitsgruppe (»AG-Schnittstellen«) ist die MFPA mit der Koordination des Teilbereichs »Systemabläufe« vertreten.

Klasse Die jeweilige Klasse deckt ab:2M1 Be- und Entladen mit mechanischen Hilfsmitteln,

sowie Flugzeug, Kleintransporter und luftgefederte LKW.2M2 wie 2M1 und darüber hinaus noch alle LKWs, aber auf guten

Straßen, sowie Schiffs- und Schienentransport (stoßgedämpft).2M3 wie 2M2 und darüber hinaus noch alle Transportarten

auf allen Wegverhältnissen.

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Prüfung von Kraftstoffleitungen

Auf dem Gebiet der Umweltsimulation ist neben den ge-normten Prüfungen die Entwicklung neuer Verfahren und

Vorrichtungen eine zentrale Aufgabe der MFPA. Vor zirka 17 Jahren begann in der Automobilindustrie bei Kraftstoff leitun-gen ein Wechsel von Metall auf Kunststoff. Die Vorteile, wie ge-ringes Gewicht, schnelle Herstellung, geringe Kosten, lagen auf der Hand.

Parallel zu diesem Werkstoffwechsel wurden in der MFPA die Entwicklung, der Bau und der Betrieb eines Prüfstandes zur Durchführung von Lebensdauerprüfungen betrieben. Mit dem Prüfstand konnten im Entwicklungsprozess der Leitungen Schwachstellen erkannt und abgestellt werden. Dieser beträcht-liche Entwicklungsaufwand von Leitungsherstellern hat sich gelohnt, denn die neuen Leitungen fanden bei allen großen Au-tomobilherstellern Eingang. Heute kommen Prüf linge von Pro-duktionsstätten, die über die ganze Welt verteilt sind, wie Belgi-en, Polen, England, Mexiko, Südafrika, Japan, Thailand usw. zur MFPA, um den Lebensdauernachweis zu erbringen.

Der ursprünglich entwickelte Prüfstand erfährt eine ständige Weiterentwicklung, so dass mittlerweile sowohl nationale Nor-men als auch die Spezifikationen fast aller großen Autobauer ab-gefahren werden können.

Das Engagement für die Prüfstandsentwicklung für Kraftstoff-leitungen wurde von der Fachwelt anerkannt und führte zu einer Mitarbeit im Normenausschuss Kraftstoff leitungen (FAKR A) im DIN.

04Kraftstoffschläuche beim Test

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Bahnprüfungen Technische Defekte in sicherheitsrelevanten Einsatzbereichen, wie Bahn, Schiff und Flugzeug, aber auch in Chemieanlagen und Kernkraftwerken, können gefährlich werden. Deshalb hat der Gesetzgeber festgelegt, dass alle technischen Teile, die dort verbaut werden, bauartgeprüft sein müssen. Je nachdem wel-chen Belastungen das Bauteil später einmal ausgesetzt sein wird, werden bestimmte Tests für Bauartzulassungen festgelegt. Die MFPA bietet dazu mechanische, klimatische und atmosphäri-sche Umweltprüfungen an.

Schwerpunkt bei Prüfungen für die Bauartzulassung bei Bahn-produkten bildet die Prüfung von Zugfunktechnik. Hier ist zu prüfen ob es bei allen Belastungsarten (mechanisch, klimatisch, atmosphärisch usw.) zu keinerlei Beeinträchtigung des Funk-verkehrs kommt. Da der größte europäische Hersteller von Zug-funktechnik seine Geräte vom Entwicklungsmuster bis hin zur Serienreife bei der MFPA prüfen lässt, fährt wohl der überwie-gende Teil der in den letzten 20 Jahren in Europa ausgerüsteten Züge, mit Produkten, die in der MFPA getestet wurden.

05/06/07Prinzipieller Aufbau der Funktionskontrolle zur Schwingprüfung. Mechanische Prüfungen (Anregung: Sinus, Rauschen, Schock) erfolgen in allen drei Raumachsen. Prüfung von Betriebsmitteln für Bahnfahrzeuge.

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Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Rönicke

Mail: [email protected]

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Funktionalität durch natürliches Quellverhalten

Typische Einsatzgebiete von Bentonitmatten sind Oberf lä-chenabdichtungen von Deponien, der Bau von Regenrück-

haltebecken, die Abdichtung von Dämmen und Deichen sowie Abdichtungen zum Grundwasserschutz im Verkehrswegebau. Mit ihnen lassen sich konventionelle mineralische Dichtungen vielfach wirtschaftlich und ressourcenschonend ersetzen. Der wesentliche Vorteil der Bentonitmatte gegenüber herkömmli-chen mineralischen Dichtungen ist der einfache und schnelle Einbau. Bei vorschriftsmäßiger Verlegung wird bei einer wesent-lich geringeren Schichtdicke eine gleichwertige Dichtwirkung erzielt. Witterungsanfällige Erdarbeiten können auf ein Mini-mum beschränkt werden, durch die hohe Verbundfestigkeit kön-nen steilere Böschungen gebaut werden, weite Transportwege großer Mengen von mineralischem Dichtungsmaterial entfallen.

Bentonitmatten bestehen aus einem Verbundsystem aus Geo-kunststoffen und einem mineralischen Material (Bentonit). Dar-aus leitet sich auch die handelsübliche Bezeichnung Geosynthe-tische Tondichtungsbahn (GTD) ab. Der mechanische Verbund des dreilagigen Systems erfolgt industriell durch Vernähen oder Vernadeln der synthetischen Schichten. Die abdichtende Wir-kung erhält die GTD durch das eingebettete Bentonit. Haupt-bestandteil des natürlich vorkommenden Bentonits ist das sehr quellfähige Dreischicht-Tonmineral Montmorillonit. Bei Kon-takt mit Wasser werden Wassermoleküle zwischen den einzelnen Schichten eingelagert und teilweise innerkristallin gebunden. Das führt zu einer starken Quellung des Bentonits und damit zur Bildung einer fast wasserundurchlässigen Schicht.

Dichtungswirkung von Bentonitmatten

unter zyklischer Belastung

Die Herstellung der geosynthetischen Tondichtungsbahnen er-folgt industriell auf modernen Fertigungsanlagen. Hier können für jede Baustelle individuell gefertigte Produkte hergestellt wer-den. Diese können sich durch die Wahl der verwendeten Kunst-stoffe, die Art und die Masse des verwendeten Bentonits sowie den erforderlichen Abmessungen unterscheiden. Als industriell gefertigte Produkte unterliegen Bentonitmatten einem strengen Qualitätssicherungssystem, welches die gleichbleibende Quali-tät der Bentonitmatten garantiert.

01/02 Gequollenes BentonitBeispiele von Bentonitmatten

03 Wasseraufnahmevermögen von Bentoniten

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Neben den Vorteilen bei der Verwendung von Tondichtungsbah-nen sind bedingt durch die Wirkungsweise des Bentonits und dem lagenweisen Auf bau der Bentonitmatten Einschränkungen bei den Einsatzmöglichkeiten gegeben. Die Dichtwirkung der Bentonitmatten beruht ausschließlich auf dem Quellen des Ben-tonits. Die Möglichkeit der Wassereinlagerung und damit dem Quellen des Bentonits ist abhängig von äußeren Einf lüssen. Län-gere Trockenperioden führen zum Beispiel zum Austrocknen des Bentonits. In der Folge kommt es zum Schrumpfen und zur Bildung von Schrumpfrissen in der Dichtungsschicht. Erst bei erneuter Wasserzufuhr schließen sich die Risse durch erneutes Quellen des Bentonits und stellen die Wirkung als Dichtungs-schicht wieder her.

Weitere Einf lussfaktoren auf das Quellverhalten des Bentonits stellen die vorhandene Auf last und der hydraulische Gradient dar. Bei den klassischen Anwendungsfällen ist die Auf last in der Regel konstant und der hydraulische Gradient ändert sich nur geringfügig und langsam. Für diese Anwendungsbereiche liegt ein großer theoretischer und praktischer Erfahrungsschatz vor.

Ein Anwendungsfeld von Bentonitmatten mit vollständig ande-ren Randbedingungen liegt in der Abdichtung von Speichertei-chen von Pumpspeicherkraftwerken. Diese Kraftwerke arbeiten reversibel und können sowohl zur Stromerzeugung als auch zur Energiespeicherung genutzt werden. Zur Stromerzeugung in Spitzenzeiten f ließt das Wasser vom Oberbecken ins Unterbek-ken, bei einem Überschuss an Energie wird das Wasser von Un-terbecken in das Oberbecken gepumpt. Diese Arbeitsweise führt in den Speicherbecken zu sich ständig ändernden Wasserhöhen und damit zu variablen Auf lasten und hydraulischen Gradienten.

Innovation und TechnikIm Fachgebiet Geotechnik der MFPA Weimar wurde eine Prüf-einrichtung entwickelt, die eine Prüfung von Bentonitmatten unter sich zyklisch ändernden hydraulischen Gradienten ermög-licht. Grundannahmen für die Versuche waren eine statische Auf last auf der Bentonitmatte von 10 kN/m² resultierend aus einer 50 cm dicken Kiesschicht, eine minimale Wasserhöhe von 1,70 m und eine Wasserhöhe bei maximalem Aufstau von 15,6 m. Als Zyklusdauer wurde ein Zeitraum von 12 Stunden gewählt. Ein Zyklus beginnt mit einer 90-minütigen Phase der Druckerhö-hung (analog dem Ansteigen des Wasserspiegels). Anschließend wird der Druck für 270 Minuten auf dem Niveau des maximalen

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04/05 Versuchseinbau Prüfeinrichtung

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Wasserstandes konstant gehalten. Die Phase des Stromerzeu-gens im Pumpspeicherkraftwerk wird durch das Absenken des Wasserdruckes auf das Niveau des minimalen Wasserstandes si-muliert. Nach Erreichen des minimalen Wasserdruckes nach 90 Minuten wurde der Wasserdruck auf dem unteren Druckniveau für 270 Minuten konstant gehalten.

Der Einbau der Proben erfolgte im trockenen Zustand. An-schließend wurde ein Wasseraufstau von wenigen Zentimetern auf die Probe aufgebracht. Um ein möglichst gutes Quellen des Bentonits zu erreichen, wurde zu diesem Zeitpunkt noch auf das Auf bringen einer Auf last verzichtet. Die statische Auf last wurde nach 24 Stunden über eine gelochte Belastungsplatte und einen Pneumatikzylinder aufgebracht. Durch die beidseitige Regelung des Zylinders wurde ein Quellen der Bentonitmatte bei konstan-ter Auf last ermöglicht. Nach weiteren 48 Stunden Quellen un-ter Auf last wurde die Zelle komplett mit Wasser gefüllt und an einen Vorratsbehälter angeschlossen. Das Erzeugen des variie-renden Wasserdruckes erfolgte über einen geregelten Druckluft-anschluss an der Oberseite des Vorratsbehälters. Der geregelte Luftdruck wirkt dabei auf den Wasserspiegel im Vorratsbehäl-ter und simuliert somit die unterschiedlichen Druckniveaus im Speicherteich.

Messreihen geben ein BildSystembedingt stellen Bentonitmatten kein absolut dichtes Ab-dichtungselement dar. Eine geringe Wasserdurchlässigkeit ist unvermeidbar und stellt für die genannten Einsatzzwecke kein Problem dar. Ein Maß für die Dichtigkeit bzw. die Durchlässig-keit einer Bentonitmatte stellt die Permittivität oder der Wasser-durchlässigkeitskoeffizient dar. Maßgebend für die Berechnung beider Werte ist die Masse des Wassers, die unter definierten Be-

dingungen durch die Bentonitmatte hindurch tritt. In den Ver-suchen wurde die durchf ließende Wassermenge kontinuierlich gemessen und digital aufgezeichnet. Das abgebildete Diagramm 1 zeigt einen typischen Verlauf der Summenkurve der durch die Bentonitmatte f ließenden Wassermenge über 4 Zyklen sowie den normierten Wasserdurchf luss in Gramm je Meter und Minute. Auffällig dabei sind die absinkenden Werte in der Summenkurve bzw. die negativen Werte im Wasserdurchf luss.

Die Ursachen für diese Effekte lassen sich anhand des Diagramms 2 erklären. Im Diagramm 2 ist die Summenkurve des durchf lie-ßenden Wassers zusammen mit dem Druckverlauf dargestellt. Mit Beginn der Druckerhöhung steigt der Wasserdurchf luss durch die GTD und die Summenkurve zeigt einen annähernd li-nearen Verlauf bis zum Erreichen des oberen Druckniveaus. Das heißt, der Durchf luss je Zeiteinheit ist für die Dauer des Druck-anstiegs konstant. Mit Erreichen des oberen Druckniveaus f lacht die Kurve etwas ab. Sie bleibt aber annähernd linear bis zum Be-ginn des Absinkens des Druckniveaus. Mit dem Absinken des Druckniveaus und damit verbunden mit der Verringerung der Auf last und des hydraulischen Gradienten stellen sich ein Abfall in der Summenkurve bzw. negative Werte für den Wasserdurch-f luss ein. Die Ursache dafür liegt in der Änderung der Fließrich-tung des Wassers. Während der Druckerhöhung wurde Wasser aus dem Bentonit ausgepresst, mit zunehmender Entlastung nimmt das Bentonit wieder Wasser auf. Die Saugspannungen im Bentonit sind dabei so groß, dass das Wasser sogar entgegen des auch während der Entlastung wirkenden Druckgradienten aufgenommen wird. Der Abfall in der Summenkurve liegt damit im Quellen des Bentonits begründet. Dieser rückläufige Wasser-f luss f lacht mit Erreichen des unteren Druckniveaus ab und ist bis zum erneuten Beginn des folgenden Zyklus fast abgeschlossen.

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Zusätzlich zur durchf ließenden Wassermenge wurde die Verfor-mung (Dickenänderung) der Tondichtungsbahn gemessen. Das Diagramm 3 zeigt den Verlauf der Dickenänderung über einen Zeitraum von 4 Zyklen. Es wird deutlich, dass mit Beginn der Druckerhöhung eine fast lineare Stauchung der Probe bis zum Erreichen des oberen Druckniveaus erfolgt. Danach f lacht die Kurve bis zum Beginn der Druckabsenkung zunehmend ab, eine Konsolidation der GTD wird aber im gewählten Zeitraum nicht erreicht. Mit abnehmendem Druck nimmt die GTD wieder Wasser auf und wird dicker. Ein vollständiges Abklingen der Dik-kenänderung wird auch im unteren Druckniveau nicht erreicht.Insgesamt wurden die Versuche mit einer Laufzeit von einem Jahr und ca. 730 Zyklen durchgeführt. Nach einer kurzen Einlaufpha-se traten für die je Zyklus gemessenen Wassermengen nur noch geringe Schwankungen auf. Aus dem Diagramm 5 ist ersichtlich, dass nach einer Einlaufphase von ca. 100 Tagen die Dickenände-rung innerhalb eines Zyklus annähernd gleich bleibt. Insgesamt ist die Bentonitmatte über die Versuchdauer geringfügig dicker geworden. Mögliche Ursachen sind anhaltende Quelleffekte des Bentonits und/oder es wird während der Entlastung und im niedrigen Druckniveau mehr Wasser aufgenommen, als während der Belastung und im oberen Druckniveau ausgepresst wird.

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kontakt

Dipl.-Ing. Jens Köditz

Mail: [email protected]

Über den Versuchszeitraum von einem Jahr war keine Ver-schlechterung der Dichtwirkung der Bentonitmatte zu beobach-ten. Die zyklische Belastung führte nicht zur Ausspülung von Bentonitteilchen aus der GTD oder zu einer Beeinträchtigung des Quellverhaltens des Bentonits. Unter den geprüften Bedin-gungen stellt die Bentonitmatte ein der rein mineralischen Dich-tung gleichwertiges Dichtungselement dar.

Diagramm 1: Wasserdurchfluss über 4 Zyklen.Diagramm 2: Wasserdurchfluss und Druckverlauf über 1 Zyklus.Diagramm 3: Verformung und Druckverlauf über 4 Zyklen.Diagramm 4: Wasserdurchfluss je Zyklus über 365 Tage.Diagramm 5: Verformung je Zyklus über 365 Tage.

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Bindemittel – Effizienz im Verkehrswegebau

Aus dem heutigen Verkehrswegebau sind Bindemittel nicht mehr wegzudenken. Durch den gezielten Einsatz von Kal-

ken, Zement und Mischbindemitteln werden Böden für den Straßenbau trag- und widerstandsfähig gemacht. Nahezu jeder Boden lässt sich durch den »Traumstoff« Bindemittel verbes-sern und sogar bis zur Frostsicherheit bearbeiten.

Schon die Zaren ließen im alten Russland ihre Wege mit gebrann-tem Kalk befestigen. Heute sind die Verfahren zur Verbesserung und Verfestigung des Bodens perfektioniert. Je nach Bodenart und Bauvorhaben werden gezielt Bindemittel mit Streugeräten auf dem Untergrund verteilt, eingefräst und anschließend ver-dichtet. Durch den Einsatz von Bindemitteln entfällt das Aus-tauschen von nicht tragfähigem Boden, was nicht nur massiv Baukosten senkt, sondern auch einen aktiven Beitrag zum Um-weltschutz leistet.

Die optimierte Bodenbehandlung gewährleistet auch bei schlechtem Wetter eine kontinuierliche Baudurchführung und erhöht die Energie-, Ressourcen- und Kosteneffizienz. So wird das termingerechte Ausführen von Straßenbauarbeiten erst durch Bodenverbesserungen ermöglicht. Hierbei steht die Opti-mierung der Einbaufähigkeit und Verdichtbarkeit des Bodens im Vordergrund: auch ein sehr nasser Boden ist durch die gezielte Behandlung mit Bindemitteln sofort einbaufähig. Bei Boden-

Bindemittel – ein Stoff,

aus dem die Träume sind

verfestigungen werden zudem die Tragfähigkeit des Bodens und seine Widerstandsfähigkeit gegen Frost und Wasser dauerhaft gesteigert: trotz erhöhter Verkehrsbelastung und wechselnden Klimaeinf lüssen hält dieser Boden langfristig stand.

Die Eignung der verschiedenen Bindemittel ist von der jeweili-gen Bodenart und dem erwünschten Wirken abhängig. Kalke (Branntkalk - CaO, Kalkhydrat - Ca(OH)2) verringern den Was-sergehalt des Bodens um etwa 4 % bis 7 % und machen ihn so ein-baufähig und besser verdichtbar. Zemente verfestigen den Boden durch Bildung eines Zementskeletts zwischen den einzelnen Bo-denteilchen. Mischbindemittel koppeln synergetisch die spezi-fischen Vorteile der Ausgangsbindemittel Kalk und Zement. Sie gewinnen in der Praxis mehr und mehr an Bedeutung.

»Traumstoff« in MaßenDie erforderliche Zugabemenge eines jeden Bindemittels ist vom zu verbessernden Boden abhängig und muss grundsätzlich in ei-ner Eignungsprüfung festgelegt werden. Um die größtmögliche Effizienz zu erreichen, gilt auch hier der Grundsatz »so wenig wie möglich, so viel wie nötig«.

Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen hat in ihren Technischen Prüfvorschriften für Boden und Fels im Straßenbau einheitliche Regeln und Anforderungen definiert,

02Veränderung des Bodens durch Bindemittelzugabe: Schluff mit 15% (a,b) und 20% (c,d) Wassergehalt vor und nach der Zugabe von Mischbindemittel (10% Mischbinder 50/50 auf 100% Trockenmasse)

01Probenvorbereitung: Homogenisieren, Mischen, Verdichten

a b

c d

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um die Qualität und damit den Erfolg der einzelnen Bodenbe-handlungen sicherzustellen. Für jede Bindemittelart wurden spezielle Eignungsprüfungen festgelegt. In experimentellen Untersuchungen müssen die bodenmechanischen und bautech-nischen Eigenschaften des Bodens und der Boden-Bindemittel-Gemische bestimmt werden. Wichtige Kennwerte sind hierbei Druckfestigkeit und Frostbeständigkeit des Materials.

Zu Beginn einer jeden Eignungsprüfung steht die Klassifizierung des Ausgangsmaterials. Über die Bestimmung der Korngrößen-verteilung nach DIN 18123 wird eine Aussage zur Bodenart (Ton, Schluff, Sand, Kies) getroffen. Wassergehalt (DIN 18121-1) und Konsistenzgrenzen (DIN 18122-1) geben einen Wert für die Pla-stizität des Materials. Aus dem Glühverlust nach DIN 18128 lässt sich der Anteil an organischen Bestandteilen im Boden bestim-men. Diese Kennwerte sind Hauptkriterien bei der Auswahl des geeigneten Bindemittels.

Zur Beurteilung der Bodenverdichtung wird ein Proctorversuch nach DIN 18127 durchgeführt, der die höchste unter definierter Verdichtungsarbeit erreichbare Dichte eines Bodens (Proctor-dichte) ermittelt. Ihre Größe gibt Hinweise auf die Verdichtbar-keit eines Bodens und ist ein Merkmal für dessen Eignung als Baustoff – je höher die Verdichtung desto geringer ist das Poren-volumen, die Zusammendrückbarkeit, die Wasseraufnahme und Wasserdurchlässigkeit des Bodens.

Über Festigkeitsprüfungen (einaxiale Druckfestigkeits- und Frostprüfung) am Boden-Bindemittel-Gemisch kann die Quali-tät des Materials hinsichtlich seiner Standfestigkeit und somit sei-ner Eignung für den Erdbau mit konkreten Zahlen belegt werden.

Wissen schaffenIm Fachgebiet Geotechnik der MFPA werden derzeit im Rahmen eines Forschungsprogramms verschiedene Boden-Bindemittel-Gemische auf ihre bodenmechanischen und bautechnischen Eigenschaften untersucht. Aus den komplexen Versuchsreihen sollen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, welche Kri-terien zukünftig bei der »Eignungsprüfung mit Mischbindemit-teln« berücksichtigt werden müssen.

Neben den klassischen Klassifizierungs- und Festigkeitsversu-chen führt die MFPA forschungsorientiert Ultraschallmessun-gen an den Prüfkörpern durch. Diese zerstörungsfreie Prüfme-thode erlaubt es, anhand der gemessenen Schallgeschwindigkei-ten Erkenntnisse zum Abbindeverhalten der Boden-Bindemit-tel-Gemische zu gewinnen und die Eignungsprüfungen noch effizienter zu gestalten.

kontakt

Dr. rer. nat. Anja Damaschke

Mail: [email protected]

04Längenmessung während der Frostprüfung

03Ultraschallmessung an Prüfkörpern aus Boden-Bindemittel-Gemischen

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GestaltunGKlapproth+Koch, Weimar

FotosMFPA, Klapproth+Koch DruckDruckerei Schöpfel Gmbh, Weimar

reDaktionsschluss Februar 2012

reDaktionsteam Marek SchulzMartin SchickertJörg MüllerDr. Torsten RichterJens KöditzBrunhilde RufDr. Konrad Nitsche

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Materialforschungs- und -prüfanstalt Weimar an der Bauhaus-Universität Weimar

Coudraystraße 9 D-99423 Weimar

Telefon: +49 (3643) 564 - 0 Telefax: +49 (3643) 564 - 201

E-Mail: [email protected] Web: www.mfpa.de