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R. Gyselen (Hrsg.): Sasanian and Post-Sasanian Iran 2012-1-095 Gyselen, Rika (Hrsg.): Sources for the History of Sasanian and Post-Sasanian Iran. Leuven: Pee- ters Publishers 2010. ISBN: 978-2-9521376-3-8; 329 S. Rezensiert von: Josef Wiesehöfer, Institut für Klassische Altertumskunde, Christian- Albrechts-Universität zu Kiel Für das Ziel, eine quellengestützte ausführ- liche Darstellung der Geschichte und Kultur des Sasanidenreiches, gleichsam einen „neu- en Christensen“ 1 , vorzulegen, bedarf es nicht nur intensiver Zusammenarbeit von Gelehr- ten unterschiedlicher Disziplinen, sondern vor allem auch der Auseinandersetzung mit dem vielfältigen und in seiner Aussagekraft höchst heterogenen Quellenmaterial. Einen Eindruck von dieser Vielfalt, aber auch von den Möglichkeiten der intensiven Auseinan- dersetzung mit der Überlieferung vermittelt der hier vorgestellte Sammelband. Er ist an einem der Zentren der Sasanidenforschung, dem CNRS (UMR 7528: Mondes iranien et in- dien) Paris-Ivry, betreut und von der besten Kennerin des Materials, Rika Gyselen, vor- bildlich ediert worden. Mit 52 mittelpersischen Pergamenturkun- den aus spätsasanidischer Zeit (7. Jahrhun- dert n.Chr.) aus dem Berkeley Pahlavi Ar- chive, die ökonomischer Natur (Quittungen über Lieferungen von Gütern, nicht zuletzt von Futter für Pferde, Esel und Maultiere) und dem D ¯ ad¯ en-vind¯ ad zuzuweisen sind, be- schäftigt sich einer der wohl besten Ken- ner dieses Materials, Philippe Gignoux („La collection de textes attribuables à D¯ ad¯ en- vind¯ ad dans l’archive pehlevie de Berke- ley“, S. 11–134). Er ediert diese Texte nicht nur in vorbildlicher Weise (inklusive Wort- verzeichnis usw.), sondern kommentiert sie auch ausführlich und stellt sie in einen histo- rischen und administrativ-ökonomischen Zu- sammenhang. Die Herausgeberin selbst, be- sonders auf den Feldern der Glyptik und Nu- mismatik ausgewiesen, deren Zeugnisse sie immer in einen makrohistorischen Zusam- menhang zu stellen vermag, stellt in ihrem Beitrag („Un trésor monétaire sassanide du VIème siècle“, S. 135–146) eine Sammlung von 1049 sasanidischen Drachmen vor, die in die Zeit von Wahram V. (421–439) bis Chusro I. (45. Jahr: 575 n.Chr.) zu datieren sind, und die sie nicht zuletzt verschiedenen Münzstät- ten zuzuweisen vermag. In seinem auch für den Romhistoriker rele- vanten Beitrag interpretiert Dominique Hol- lard die (einzigartige) Darstellung des Mi- thra als einer herrschaftsverleihenden und -legitimierenden Figur auf dem Relief Arda- schirs II. vom Taq-i Bustan als sasanidische Antwort auf Julian Apostatas Versuch, mit Hilfe Sols (Mithras’) den Erzfeind im Osten zu bezwingen („Julien et Mithr¯ a sur le re- lief de T¯ aq-e-Bost¯ an“, S. 147–163). Im zwei- ten Teil ihrer Studie zu Toponymen im syri- schen „Buch der Keuschheit“ aus dem spä- ten 8. Jahrhundert n.Chr. („Recherches de géo- graphie historique sur le Livre de la Chasteté (suite)“, S. 165–176) 2 leistet Christelle Jullien einen wichtigen Beitrag zur historischen Geo- graphie und Verwaltungsgeschichte des irani- schen Raumes in sasanidischer Zeit. Die sogenannten Münzen Chusros IV. aus den letzten Jahren des Reiches und der frühis- lamischen Zeit stellt Malek Iradj Mochiri vor und gibt dabei zugleich einen Überblick zum Forschungsstand zu diesen außergewöhnli- chen und umstrittenen Prägungen („Monnai- es dites de ‚Khusraw IV‘“, S. 177–199). In dem umfangreichen Beitrag: „The Akhb¯ ar al-Tiw¯ al of Ab¯ u Han¯ ıfa D¯ ınawar¯ ı: A Shu’ ¯ ub¯ ı Treatise on Late Antique Iran“ (S. 201–289) bietet Par- vaneh Pourshariati nicht nur eine englische Übersetzung von wichtigen Teilen dieses für die Sasanidengeschichte bedeutsamen histo- rischen Werkes, sondern setzt sich auch inten- siv mit der Vita des Autors und der Entste- hungsgeschichte seines Werkes auseinander, stellt dessen geographische Angaben (Topo- nyme Mesopotamiens und Irans mit ihren Be- legstellen und teilweise auch Kommentaren) zusammen und gibt dem Historiker damit ein wichtiges Hilfsmittel zur Nutzung des Textes an die Hand. Nikolaus Schindel („Eine Partie von Drachmen des Sasanidenkönigs Yazdgerd I. (399–420)“, S. 291–304) stellt Teile eines (angeblich in der Zabul-Region Afghanistans 1 Arthur Christensen, L’Iran sous les Sassanides, 2. Aufl., Copenhague 1944. 2 Erster Teil in: Rika Gyselen (Hrsg.), Sources pour l’histoire et la géographie du monde Iranien (224–710), Bures-sur-Yvette 2009, S. 173–183. © H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved.

2012-1-095

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  • R. Gyselen (Hrsg.): Sasanian and Post-Sasanian Iran 2012-1-095

    Gyselen, Rika (Hrsg.): Sources for the History ofSasanian and Post-Sasanian Iran. Leuven: Pee-ters Publishers 2010. ISBN: 978-2-9521376-3-8;329 S.

    Rezensiert von: Josef Wiesehfer, Institutfr Klassische Altertumskunde, Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel

    Fr das Ziel, eine quellengesttzte ausfhr-liche Darstellung der Geschichte und Kulturdes Sasanidenreiches, gleichsam einen neu-en Christensen1, vorzulegen, bedarf es nichtnur intensiver Zusammenarbeit von Gelehr-ten unterschiedlicher Disziplinen, sondernvor allem auch der Auseinandersetzung mitdem vielfltigen und in seiner Aussagekrafthchst heterogenen Quellenmaterial. EinenEindruck von dieser Vielfalt, aber auch vonden Mglichkeiten der intensiven Auseinan-dersetzung mit der berlieferung vermitteltder hier vorgestellte Sammelband. Er ist aneinem der Zentren der Sasanidenforschung,dem CNRS (UMR 7528: Mondes iranien et in-dien) Paris-Ivry, betreut und von der bestenKennerin des Materials, Rika Gyselen, vor-bildlich ediert worden.

    Mit 52 mittelpersischen Pergamenturkun-den aus sptsasanidischer Zeit (7. Jahrhun-dert n.Chr.) aus dem Berkeley Pahlavi Ar-chive, die konomischer Natur (Quittungenber Lieferungen von Gtern, nicht zuletztvon Futter fr Pferde, Esel und Maultiere)und dem Daden-vindad zuzuweisen sind, be-schftigt sich einer der wohl besten Ken-ner dieses Materials, Philippe Gignoux (Lacollection de textes attribuables Daden-vindad dans larchive pehlevie de Berke-ley, S. 11134). Er ediert diese Texte nichtnur in vorbildlicher Weise (inklusive Wort-verzeichnis usw.), sondern kommentiert sieauch ausfhrlich und stellt sie in einen histo-rischen und administrativ-konomischen Zu-sammenhang. Die Herausgeberin selbst, be-sonders auf den Feldern der Glyptik und Nu-mismatik ausgewiesen, deren Zeugnisse sieimmer in einen makrohistorischen Zusam-menhang zu stellen vermag, stellt in ihremBeitrag (Un trsor montaire sassanide duVIme sicle, S. 135146) eine Sammlungvon 1049 sasanidischen Drachmen vor, die indie Zeit von Wahram V. (421439) bis Chusro

    I. (45. Jahr: 575 n.Chr.) zu datieren sind, unddie sie nicht zuletzt verschiedenen Mnzstt-ten zuzuweisen vermag.

    In seinem auch fr den Romhistoriker rele-vanten Beitrag interpretiert Dominique Hol-lard die (einzigartige) Darstellung des Mi-thra als einer herrschaftsverleihenden und-legitimierenden Figur auf dem Relief Arda-schirs II. vom Taq-i Bustan als sasanidischeAntwort auf Julian Apostatas Versuch, mitHilfe Sols (Mithras) den Erzfeind im Ostenzu bezwingen (Julien et Mithra sur le re-lief de Taq-e-Bostan, S. 147163). Im zwei-ten Teil ihrer Studie zu Toponymen im syri-schen Buch der Keuschheit aus dem sp-ten 8. Jahrhundert n.Chr. (Recherches de go-graphie historique sur le Livre de la Chastet(suite), S. 165176)2 leistet Christelle Jullieneinen wichtigen Beitrag zur historischen Geo-graphie und Verwaltungsgeschichte des irani-schen Raumes in sasanidischer Zeit.

    Die sogenannten Mnzen Chusros IV. ausden letzten Jahren des Reiches und der frhis-lamischen Zeit stellt Malek Iradj Mochiri vorund gibt dabei zugleich einen berblick zumForschungsstand zu diesen auergewhnli-chen und umstrittenen Prgungen (Monnai-es dites de Khusraw IV, S. 177199). In demumfangreichen Beitrag: The Akhbar al-Tiwalof Abu Hanfa Dnawar: A Shuub Treatiseon Late Antique Iran (S. 201289) bietet Par-vaneh Pourshariati nicht nur eine englischebersetzung von wichtigen Teilen dieses frdie Sasanidengeschichte bedeutsamen histo-rischen Werkes, sondern setzt sich auch inten-siv mit der Vita des Autors und der Entste-hungsgeschichte seines Werkes auseinander,stellt dessen geographische Angaben (Topo-nyme Mesopotamiens und Irans mit ihren Be-legstellen und teilweise auch Kommentaren)zusammen und gibt dem Historiker damit einwichtiges Hilfsmittel zur Nutzung des Textesan die Hand.

    Nikolaus Schindel (Eine Partie vonDrachmen des Sasanidenknigs YazdgerdI. (399420), S. 291304) stellt Teile eines(angeblich in der Zabul-Region Afghanistans

    1 Arthur Christensen, LIran sous les Sassanides, 2. Aufl.,Copenhague 1944.

    2 Erster Teil in: Rika Gyselen (Hrsg.), Sources pourlhistoire et la gographie du monde Iranien (224710),Bures-sur-Yvette 2009, S. 173183.

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  • gefundenen) Mnzhortfundes vor, der zweiMnzen Ardaschirs II. und 59 Mnzen Yazd-gerds I. enthlt. Er erweitert nicht nur unsereMaterialbasis, sondern liefert auch wichtigeInformationen fr die Mnzstttenorganisati-on in Fars unter Yazdgerd I. Und schlielichbietet Ursula Weber eine berzeugende, ausdem Mnzmaterial gewonnene Neuinter-pretation zu den Felsbildnissen des KnigsNarseh (S. 305319), die das Relief NiR8 nicht lnger als Investiturrelief, sondernals Versinnbildlichung der Rckgewinnungdes xwarrah (des kniglichen Glcksglanz-es/Charismas) nach der schweren Niederlagegegen Rom erscheinen lsst.3 Ein ausfhr-licher Index beschliet den Band, den jederSasanidenforscher konsultieren muss.

    HistLit 2012-1-095 / Josef Wiesehfer berGyselen, Rika (Hrsg.): Sources for the History ofSasanian and Post-Sasanian Iran. Leuven 2010,in: H-Soz-u-Kult 13.02.2012.

    3 Vgl. demnchst den ausfhrlichen prosopographi-schen Artikel der Autorin zu Narseh in: Iranica Anti-qua 47 (2012), S. 153302.

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