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MultiCAD-Systemeinsatz und NX/JT-Datenaustausch mit Daimler aus Lieferantensicht Dr. Sven Kleiner und Jens Neumann © 2015 :em engineering methods AG Whitepaper 10/2015 Mit der Einführung des CAD-Systems Siemens PLM NX vollzog die Daimler AG im April 2015 den bislang größ- ten CAD-Systemwechsel in der Unternehmensgeschichte und läutete zugleich neue Wege in Punkto Datenaus- tausch und Lieferantenanbindung ein. Für die Zulieferer stellt sich dabei die Frage, wie ein MultiCAD-Systembetrieb auf Basis von CATIA und NX sichergestellt werden kann und sich der CAD-Datenaustausch auf Basis von NX gestaltet. Optional kann durch die Verwendung des international standardisierten CAD-Datenformats JT in die CAx-Prozessketten der Daten- austausch zwischen den Fachabteilungen des OEMs sowie der Zulieferer künftig erheblich erleichtert werden. Zugleich lassen sich die CAD-Infrastrukturkosten auf Seiten der Zulieferer mit Hilfe eines geeigneten JT-/Multi- CAD-Konverters stark reduzieren oder zumindest auf ein Minimum beschränken. Im Rahmen dieses Beitrags sollen praktische Erfahrungen aus Sicht von Automobilzulieferern im MultiCAD-Sys- temeinsatz und der Nutzung von JT im Datenaustauschprozess mit Daimler dargestellt werden. Neben der direkten CAD-Datenkonvertierung zwischen CATIA und NX sollen die grundlegenden Szenarien zur Erzeugung, Prüfung und assoziativen Einbindung der JT-Daten in den NX-Konstruktionsprozess dargestellt werden. Dabei stellt die Datenkonvertierung und -aufbereitung insbesondere im Hinblick auf den JT-Datenaustausch mit Daimler einen weiteren Schwerpunkt dar.

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MultiCAD-Systemeinsatz und NX/JT-Datenaustausch mit Daimler aus Lieferantensicht

Dr. Sven Kleiner und Jens Neumann

© 2015 :em engineering methods AG

Whitepaper 10/2015

Mit der Einführung des CAD-Systems Siemens PLM NX vollzog die Daimler AG im April 2015 den bislang größ-ten CAD-Systemwechsel in der Unternehmensgeschichte und läutete zugleich neue Wege in Punkto Datenaus-tausch und Lieferantenanbindung ein.Für die Zulieferer stellt sich dabei die Frage, wie ein MultiCAD-Systembetrieb auf Basis von CATIA und NX sichergestellt werden kann und sich der CAD-Datenaustausch auf Basis von NX gestaltet. Optional kann durch die Verwendung des international standardisierten CAD-Datenformats JT in die CAx-Prozessketten der Daten-austausch zwischen den Fachabteilungen des OEMs sowie der Zulieferer künftig erheblich erleichtert werden. Zugleich lassen sich die CAD-Infrastrukturkosten auf Seiten der Zulieferer mit Hilfe eines geeigneten JT-/Multi-CAD-Konverters stark reduzieren oder zumindest auf ein Minimum beschränken.Im Rahmen dieses Beitrags sollen praktische Erfahrungen aus Sicht von Automobilzulieferern im MultiCAD-Sys-temeinsatz und der Nutzung von JT im Datenaustauschprozess mit Daimler dargestellt werden. Neben der direkten CAD-Datenkonvertierung zwischen CATIA und NX sollen die grundlegenden Szenarien zur Erzeugung, Prüfung und assoziativen Einbindung der JT-Daten in den NX-Konstruktionsprozess dargestellt werden. Dabei stellt die Datenkonvertierung und -aufbereitung insbesondere im Hinblick auf den JT-Datenaustausch mit Daimler einen weiteren Schwerpunkt dar.

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1. Anforderungen an den NX/JT-Datenaustausch mit Daimler aus Lieferantensicht

Nach dem Umstieg der Daimler AG von Catia V5 auf NX zum 01.04.2015 müssen die Zulieferer diesen CAD-Systemwechsel entsprechend berücksichtigen, was eine Herausforderung für den Datenaustausch mit Daimler aus Lieferantensicht darstellt.

Für den zukünftigen Datenaustausch mit Daimler sind sowohl das CAD-Format von Siemens PLM NX als auch das ISO standardisierte JT-Format zugelassen. JT gilt als neutrales 3D-CAD-Datenfor-mat, dessen Verwendung vom JT-Prozesskreis bei der Daimler AG vorgeschlagen wird und von den Bauteilverantwortlichen im Lastenheft optional für

ausgewählte Komponenten freigegeben wird. Somit ergeben sich gemäß Daimler-CAD-Handbuch für den Zulieferer die in Abbildung 1 schematisch dargestellten Möglichkeiten bzgl. Datenaustausch und Austauschformat, die es mit dem betreffenden Bauteilverantwortlichen sowie auch den internen Prozessen abzustimmen gilt:

• NX parametrisch, teil-parametrisch oder nicht parametrisch bzw.

• JT (+TIFF für 2D-Zeichnungen).

Aus Sicht des Zulieferers gilt es, eine kostengünstige Lösung mit geringem Einfluss auf die bestehende eigene IT-Engineering-Infrastruktur zu wählen und gleichzeitig den Anforderungen des Kunden gerecht zu werden.

Abb. 1: Schematische Darstellung der möglichen Datenaustauschwege und -formate (:em AG)

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2. CAD-Konstruktionsumgebung beim Lieferanten

Zulieferer mit bestehender NX-Infrastruktur müssen verhältnismäßig wenig Aufwand betreiben, um ihre Konstruktionsdaten Daimler-konform aufzubereiten. Hierfür stellt der OEM eine kostenlose NX-Zuliefe-rer-Umgebung mit dem Daimler-NX-Supplier-Packa-ge zur Verfügung, welche alle relevanten Zusatz-funktionen zur Material- und Stammdatenpflege enthält. Hinzu kommt vor dem Datenversand bei Bedarf noch eine gezielte Wissensreduzierung durch Entfernen von Fertigungs- und Feature-Parametern sowie die abschließende Datenqualitätsprüfung.

Zulieferer, die zur Konstruktion bereits ein oder mehrere andere CAD-Systeme im Unternehmen einsetzen, stehen vor der Wahl, entweder das CAD-System NX zu implementieren oder das ge-wünschte Zielformat des Kunden durch Datenkon-vertierung zu erzeugen. Im Vergleich zum finan-ziellen und zeitlichen Aufwand für die Einführung eines CAD-Systems (inkl. Lizenzen, Schulungen sowie Integration in die bestehende System- und Prozesslandschaft) sind die Aufwände für eine der Konstruktion nachgelagerten Datenkonvertierung und kundenkonformen Aufbereitung geringer und proportional zum geforderten Inhalt und Umfang

des CAD-Datenaustauschformats. Die Forderung, eine kostengünstige Lösung mit geringem Einfluss auf die bestehende IT-Infrastruktur zu wählen und gleichzeitig den Anforderungen des Kunden gerecht zu werden, wird demnach am ehesten mit Hilfe einer Datenaustauschlösung auf Basis des Formats JT und auf Grundlage der bestehenden CAD-Syste-mumgebung erreicht - vorausgesetzt JT darf für die Kollaboration genutzt werden.

3. MultiCAD-Systemeinsatz und Datenkonvertie-rung für den JT-Datenaustausch

Abbildung 2 zeigt ein beispielhaftes JT-Daten-austauschszenario bei einem Zulieferer, dessen Konstruktionsabteilungen je nach Kunde und Projekt zum Beispiel CATIA V5 oder Creo einsetzen. Eingehende NX-Bauraumdaten werden hier über eine Translation in das betreffende Zielsystem importiert und als Bauraum für Design-in-Context genutzt. Die Konstruktion konvertiert abschließend die nativen 2D/3D-CAD-Daten in die Formate JT (für 3D) und TIFF (für 2D), die vor dem Datenversand mit Hilfe des Daimler JT-Supplier-Packages aufbereitet und geprüft werden. Um den Anforderungen des Kunden hinsichtlich Datenqualität gerecht zu wer-den, ist die Auswahl eines geeigneten Konverters

Abb. 2: MultiCAD-Datenaustauschszenario zwischen Zulieferer und Daimler (:em AG)

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für den Export nach JT entscheidend. Die Liste der Softwarehersteller für renommierte CAD-Konverter am Markt ist überschaubar und die Leistungen der Softwareprodukte scheinen sich auf den ersten Blick zu gleichen. Wer sich für den Kauf oder die Miete einer solchen Softwarelösung entscheiden möchte, sollte jedoch an einer detaillierten Prüfung der Kon-vertierungsergebnisse in Form eines Benchmarks am eigenen Teilespektrum vornehmen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die für ihn relevanten Projektdaten nicht außerhalb der Statistik des Her-stellers liegen. Zur ersten Orientierung können die Benchmarks vom Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) in Zusammenarbeit mit dem ProSTEP iViP Verein in Form des „4th JT Application Bechmarks“ dienen, die jährlich verschiedene JT-Konverter testen und bewerten.Damit die Konvertierungsergebnisse formal wie qualitativ den Anforderungen des OEMs genü-gen, erhält der Zulieferer zusammen mit den o.g. Supplier-Packages und den Vorgaben im CAD-Hand-buch entsprechende Anleitungen zur Prüfung der Datenqualität anhand vorgegebener Prüfprofile sowie Konfigurationsdateien für die gängigen, vom OEM zertifizierten Konverter.

Neben den genannten Aspekten ist je nach ge-plantem Einsatz des Konverters auch die Anwen-

Plug-Ins für CAD-Systeme (z.B. CAA-basierte Konver-ter für CATIA) als auch batch-fähige Konverter zur Automatisierung und Integration in die Prozesskette zur Verfügung. Batch-fähige Konverter sind in der Lage, komplette Verzeichnisse mittels Batch-Lauf abzuarbeiten, ohne dass das betreffende Quell- oder Ziel-System gestartet werden muss oder mittels Trigger Konvertierungen im Falle eines neuen Da-tenbestandes automatisch anzustoßen.

Es empfiehlt sich bei Auswahl von JT-Konvertern die Anforderungen zu spezifizieren und nach einem ersten Benchmark eine Teststellung für die Kon-vertierung von CAD-Daten und die Integration in die IT-Systemlandschaft und Prozessunterstützung durchzuführen.

4. Erfahrungen aus Benchmarks und dem Einsatz von JT-Konvertern

Die Eingangsdatenqualität beeinflusst bekannt-lich die Ausgangsdatenqualität im Rahmen einer Konvertierung. So können bestimmte modellie-rungsbedingte Geometrien und Gestaltzonen im Quellsystem (z.B. Radienübergänge wie am Bespiel von CATIA V5 in Abbildung 3 dargestellt) im Zuge der Konvertierung zu erheblichen Problemen im Rahmen der Konvertierung führen.

Abb. 3: Geometrische Problemstellen bei der Datenkonvertierung am Beispiel CATIA V5 nach JT

dung und Implementierung des Konverters in die bestehende Systemlandschaft von Bedeutung. Im Falle des Exports und Imports von JT-Daten stehen in der Regel sowohl (bi-)direktionale Konverter als

Obwohl diese Geometrien im Quellsystem tadellos erzeugt werden und meist von den eingesetzten Qualitätsprüftools (z.B. CATIA V5 Q-Checker oder Validat) akzeptiert werden, sind andere CAD-Systeme aufgrund ihrer Erzeugungslogik teilweise nicht in

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der Lage, ein entsprechendes Pendant abzubilden. So wiesen die Konvertierungsergebnisse unter Verwendung der neutralen Schnittstellenformate STEP, IGES und JT sowie die NX-Direktschnittstelle Advanced CATIA File Open an den betreffenden Stellen geometrische Inkonsistenzen auf, deren Er-gebnisse auf Basis von Q-Checker for JT, Heidelberg Quality Manager, Check Mate in NX sowie CADdoc-tor von Elysium geprüft wurden. Hierbei ließen sich die besten geometrischen Ergebnisse mit Hilfe des JT-Konverters von Elysium erzielen, da dieser über diverse Heilungsmechanismen für schadhafte, geo-metrische Bauteilbereiche verfügt, die automatisch oder interaktiv repariert werden können. In Zusammenarbeit mit den CAD-Konvertierungs-spezialisten von Elysium wurden in den vergange-nen Monaten diverse Konvertierungsszenarien für das Teilespektrum diverser Zulieferer untersucht und im Hinblick auf die Datenqualität der resultierenden Zielformate sowie im Hinblick auf die Integration in die bestehende Softwarelandschaft und die anwen-derfreundliche Handhabung durch den Anwender betrachtet. Am Ende dieser Benchmarks stand stets eine Empfehlung für den Einsatz des JT-Konverters aus dem Hause Elysium, der sowohl interaktiv und bi-direktional in CATIA V5 als auch im Batchmode (inkl. Integration in Datenaustauschlösung und Automatisierung) betrieben werden kann und mit Hilfe der integrierten Reparaturfunktionen auf Basis der bewährten Technologie CADdoctor stets die Modellqualitätsanforderungen erfüllen konnte.

5. Datenaufbereitung und Weiterverwendung in Folgeprozessen

Im Zuge der Aufbereitung der konvertierten JT-Da-ten mit Hilfe des Daimler JT-Supplier-Packages ergeben sich in der Praxis erhebliche Herausforde-rungen für den Anwender. Teils aufgrund techni-scher Probleme (z.B. Absturz des Supplier-Packages ab einer gewissen Datengröße) oder aufgrund der Forderung des OEMs, jeden geometrischen Knoten im Falle einer JT-Produktstruktur mit Materialin-formationen des OEMs zu bedaten. Während das Dateigrößen-Problem durch Aufteilung in mehrere kleinere JT-Dateien umgangen werden kann, lässt sich die Bedatung einer großen Anzahl von Bautei-len mit unterschiedlichen Materialien bislang nur durch Übernahme bestehender Informationen aus dem Quellsystem lösen, sofern diese dort in einem

kundenkonformen Format gepflegt sind (z.B. Daim-ler Supplier-Package für CATIA V5 R19). Eine weitere technische Hürde besteht speziell im Anwendungsfall der Kinematik: zwar werden bei der Konvertierung der CATIA-Kinematik-Baugruppe alle notwendigen geometrischen Elemente wie Skelettgeometrien und Volumina in das JT portiert, jedoch keine Simulationsbestandteile wie Gelenke und Kräfte. Der manuelle Workaround besteht im Einlesen der JT-Daten nach NX, diversen Aufberei-tungsschritten und der anschließenden manuellen Erstellung einer neuen kinematischen Simulation in NX. Eine Lösung dafür bietet das Werkzeug KinEx in Zusammenspiel mit JT-Konvertern, das in Zusammenarbeit mit Daimler und Zulieferern in der Erprobungsphase erfolgreich getestet wurde und den Austausch von Kinematik auf Basis von JT und PLMXML bzw. AP242 unterstützt.

6. Fazit

Zusammenfassend hat sich in der Praxis gezeigt, dass das JT-Format für den Datenaustausch mit Daimler genutzt werden kann – die Wahl eines ge-eigneten JT-Konverters ist allerdings entscheidend, um die Qualitätsanforderungen abzudecken und den Ablauf in der Erzeugung und Zusammenarbeit nicht zu stören. Das JT-Format kann zudem als kostengünstige, qualitativ hochwertige Alternative zum originären CAD-Format für den Datenaustausch in Zusammenarbeit mit Daimler genutzt werden kann. Insbesondere im Hinblick auf die stetig zunehmenden Datenmengen, die täglich zwischen Dienstleistern, Zulieferern und OEMs ausgetauscht werden müssen, birgt das JT-Format einen Vorteil im Vergleich zu anderen CAD-Formaten und schafft Freiheiten bei der Wahl des CAD-Systems auf Zulie-fererseite.

Zudem werden künftige Anforderungen den Aus-tausch von Kinematik oder Elektrik/Elektronik-Daten auf Basis JT adressieren sowie technische Neuerun-gen den Einsatz des JT-Formats auch für weitere Folgeprozesse wie CAM- und Toleranzsimulation ermöglichen und damit den Einsatz des standardi-sierten JT-Formats weiter forcieren.

Kontakt

Dr. Sven Kleiner

:em engineering methods AGRheinstraße 9764295 Darmstadt

Telefon: 06151/950 54 20E-Mail: [email protected]: www.em.ag