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<< 1 Geronnene Blutwissenschaft - Zu den szientifischen Emblemen einer zirkulä- ren Serialität in DEXTER Ich danke sehr herzlich für die Einladung, die es mir an dieser Stelle erlaubt, mit einigen Thesen zur Showtime-Serie DEXTER meiner grundsätzlichen Verlegen- heit in Sachen Fernsehtheorie ein wenig auszuweichen. Fernsehtheorieverlegenheit ist ja ein notorisches Problem, nicht nur bei mir, sondern auch bei Stanley Cavell. Wenn nämlich der gewisse Widerwille, Fernsehen zum Gegenstand theoretischer Erörterungen zu machen, daher rührt, dass in diesem Medium von Beginn an die Unbewohnbarkeit der Welt eingespiegelt ist, wie Cavell meinte, insofern der sagen- hafte und weltumspannende Siegeszug des Fernsehen gleichermaßen einhergeht und immer schon einhergegangen ist mit der Entdeckung, << 2 that is so say: the discovery of the literal possibility that human life will destroy itself; that is to say that it is willing to destroy itself (um Cavell hier wörtlich zu zitieren); wenn also zutrifft, dass das Fernsehen in sich eine Art negativer Ontologie eingekapselt hat, die es zum Monitormedium macht, zum Monitor einer unaussprech- lichen Furcht, einer Latenz der Vernichtung, die im Fakt des unvorstellbar hundertfa- chen Overkill nach wie vor existierender Atomwaffen nur angedeutet sein mag; wenn also Fernsehen im Sinne Cavells die Welt mit einem undurchdringlich Schleier der Bedeutungslosigkeit überzieht, der alle latente Furcht in Perfektion verdeckt, nämlich durch seriell semantische Nullsummenspiele, - wenn ich dem folge, dann könnte das vermutlich wenigstens ein wenig zur Rahmung dessen beitragen, was ich im Folgen- den zu DEXTER sagen will. << 3 Ich kann insofern gleich zur Klärung meiner wortspielerischen Vortrags- überschrift übergehen, die eben auch ein Symptom der eben angesprochenen Ver- legenheit ist. „Geronnenen Blutwissenschaft“, eine oxymoronische Wortbildung, mit der Tendenz zur Verstiegenheit, weil Blut ja ganz sicher, aber ihre Wissenschaft eher weniger gerinnen kann. Dass wissenschaftliche Diskurse im Plot von TV-Serien vor- kommen, wissen wir, aber ihnen einen emblematischen Charakter zuzuweisen, wie es mein Vortragstitel behauptet, stellt den Versuch dar, im Rückgriff auf die Ge- schichte der Entwicklung der Bildlichkeit im frühen Buchdrucks einen passenderen Begriff als den des Tableaus oder des Diagramms einzuführen, die beide für die Be- schreibung des Settings von epistemischen Dingen in TV-Serien eher Probleme mit sich bringen. Als unbeirrbar historisch reflektierender Medienwissenschaftler ver-

DexterWeimar01 · 2017. 6. 27. · Stanley Cavell zu rekapitulieren, dessen „Fact of Television“ immerhin schon auch als Reaktion auf die ersten komplex erzählenden Serien wie

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    weise ich nur darauf, dass Embleme genau in dem Moment entstehen, als die Bild-

    lichkeit in das gedruckte Buch einzieht, und so wie das Bild nun das regulative Ge-

    denken des gedruckten Sinns postuliert und vermittelt, aufgeteilt in Lemma, Pictura

    und Subscriptio, so sind auch die epistemischen Bilder im Plot von Dexter eingefasst

    in ein bildliches Schema, das Wissenschaft weder dokumentiert noch sie narrativiert,

    also in die Evolution der Narration einbaut. Verbildlichungen von wissenschaftlichen

    Praktiken und Diskursen werden hier wie Embleme für ein affirmatives Gedenken

    gleichsam ausgestellt, so wie die frühe Emblematik im wesentlichen rhetorische Figu-

    rationen ausstellt, die vorher nur im bloßen Sprachdiskurs operieren konnten.

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    riere in der Tagesschau entspricht hier Dexter, wie er sein Töten auf peinlich sau-

    berste Weise inszeniert, damit sie auch für die besten Forensiker, von denen Dexter

    ja selber einer ist, keine forensischen Spuren mehr hergeben.

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    jeweils 1200 Euro pro Person. Über Aufnahmevoraussetzungen erfährt man nichts.

    Seltsam genug: Offenbar kann jeder das Blutspurenlesen lernen.

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    kurzem Schwarzbild erscheint Dexter als holzfällender Lumberjack irgendwo im Nor-

    den Canadas wieder. Jackass. Ende der Serie. Abblende.

    Bleibt nur noch ein wichtiger, vielleicht der zentrale Plotpunkt, das Blut. Blut ist

    bekanntlich die einzige Flüssigkeit, die zu einem ganz besonderes Re-Entry fähig ist,

    sie kann nämlich ihr eigenes Gefäß, Ader genannt, wenn sie kaputt ist, wieder her-

    stellen. Eben ein besonderer Saft, wie es bei Goethe heißt, von seltsam dialektischer

    Kraft.

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    Dies war eine Szene aus der Vierten Staffel mit einer Frage nach einem Tä-

    terprofil einer Nebenhandlungsfigur. Auch hier ist die slapstickhafte Komik des gan-

    zen Vorgangs wieder bewusst inszeniert.

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    arbeitet, die ihrerseits in der Nachfolge Galtons und Bertillons noch einem taxonomi-

    schen Wissenschaftsparadigma des ausgehenden 18ten Jahrhunderts verpflichtet

    waren?

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    Wie hier wird Dexter noch dutzendemale ungehindert und in sekundenschnel-

    le in Wohnungen eindringen. Intrusion on Emergency. Er wird immer wieder mit Lu-

    minol und Lampe Blutspuren feststellen, Spuren einer Gewalttat, und also bringt er

    ihn um. Es ist, wie die Dexterama Wiki Seite im Netz es zählt, das 90ste von 134 Op-

    fern, die Dexter insgesamt in den acht Staffeln umbringt. Wie immer inszeniert nach

    den ästhetischen Mustern des Noir, diesmal sogar mit stroboskopischem Licht einge-

    leitet.

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    Unverlässlichkeit. Sie öffnet wenigstens einen minimalen Spalt von Charakter-

    Evolution, an der es in der Serie ansonsten so wie allen Figuren mangelt, was die

    späten Staffeln einigermaßen schwer erträglich macht, wo man Quinn und Batista

    und Masuka einfach nicht mehr sehen will, weil man sie schon zu gut kennt. Doch es

    gibt einen Stoff, der das alles wieder gerinnen lässt, wie kennen den schon. Es ist

    das Blut.

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    Serialität, in der sich am Ende alles im Kreise dreht, nämlich um eine einzige Achse.

    Marketing und Kommerz. Alle zugehörigen Werbesprüche eingeschlossen.

    „It allows us to examine the good and evil in all of us" sagt Sara Colleton, Dex-

    ter-Produzentin und Statthalterin der Geldgeber im Writers Room.

    „You want to hope that there's a part of him that can be redeemed.“

    Finale Staffel Acht. Letztes Bild. Es steht zu vermuten: Dexter muss weiterle-

    ben, wegen der Chance auf einen Kinofilm und noch einmal auf das große Geld.

    39,24

    Weim

    ar 28.11. 2013

    W. H

    agen

    . G

    eron

    nene

    Blu

    twis

    sens

    chaf

    t

    “It$allows$us$to$examine$the$good$and$evil$in$all$of$us”$$“You$want$to$hope$that$there's$a$part$of$him$that$can$be$redeemed.”$ Sara$Colleton,$ExecuAve$Producer$

    Finaler$Frame$der$finalen$Episode,$S08E12,$00:55:25$