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Zellbau – Membranen Fritsche: Kompendium Mikrobiologie Entwurf 1 2.1 Membranen Definition: Biomembranen sind dünne Schichten, die verschiedene Räume voneinander trennen. Sie bestehen aus einem Mosaik von Lipiden (2.1.3), die eine hydrophobe Barriere für wasserlösliche Substanzen bilden, und angelagerten oder eingebetteten Membranproteinen (2.1.3), über welche Substanzen und Signale kontrolliert durch die Membran transportiert werden. 2.1.1 Vorkommen von Membranen bei Mikroorganismen Alle lebenden Zellen grenzen sich mit der Plasma- oder Cytoplasmamembran gegen die Umwelt ab. Darüber hinaus haben einige Prokaryoten und alle Eukaryoten noch zusätzliche interne Membransysteme. Besonderheiten bei Eubakterien Gram-negative (14.5) Eubakterien besitzen eine äußere Membran, die einen ersten Schutzfilter gegen die Außenwelt darstellt und nur kleine Substanzen mit passenden Eigenschaften in die Nähe der Zelle lässt. Manche photosynthetische Bakterien verfügen über innere Membransysteme, in welche die Proteine für die Photosynthese gebettet sind (4.2). Besonderheiten bei Eukaryoten Die Zellen aller Eukaryoten sind durch zahlreiche interne Membranen in mehrere Räume oder Kompartimente (Organellen (2.4)) unterteilt. Besonderheiten bei Viren Die Gruppe der umhüllten oder behüllten Viren umgibt das zentrale Kapsid, in dem sich die virale Erbsubstanz befindet, mit einer Membran, die von der Wirtszelle stammt und zusätzlich mit charakteristischen viralen Proteinen versetzt ist. Zellbau – Membranen Fritsche: Kompendium Mikrobiologie Entwurf 2 2.1.2 Funktionen von Biomembranen Die Plasmamembran trennt das lebendige Zellinnere (Cytoplasma (2.2)) von der Außenwelt. Als Permeabilitätsbarrieren kontrollieren Membranen den Fluss von Substanzen in die Zelle oder ein anderes Volumen hinein und hinaus. Durch ihren Aufbau von abwechselnd hydrophilen und hydrophoben Schichten lassen sie verschiedene Substanzen unterschiedlich gut passieren oder halten sie zurück (semipermeabel). Membranen speichern elektrochemische Energie, indem sie der Zelle ermöglichen, auf ihren beiden Seiten unterschiedliche Konzentrationen von Substanzen und Ladungen zu errichten (4.1). Membranen dienen als Anker für Proteine, die an der Aufnahme von äußeren Signalen (5.3), am Transport (2.7), an der Synthese der Zellwand und extrazellulärer Moleküle sowie an der Energiegewinnung (4.1) beteiligt sind. Bei Bakterien beherbergen sie den Motorteil der Flagellen (8.2). 2.1.3 Der grundlegende Aufbau von Biomembranen (Einheitsmembran) Membranen sind in der Regel doppellagige Schichten (Bilayer) von Phospholipiden, in die weitere Lipide und Proteine eingelagert sind. Phospholipide bestehen aus einem hydrophoben (wasserabstoßenden) „Schwanzteil“ aus langkettigen Fettsäuren, die über Esterbindungen (–CO–O–) mit dem Glyceringerüst des hydrophilen (wasserliebenden) Kopfteils verknüpft sind. Über eine Phosphatgruppe hängt ein variabler Rest wie etwa Ethanolamin an dem Glycerin (ergibt in diesem Beispiel Phosphatidylethanolamin). In einer wässrigen Umgebung organisieren sich Phospholipide spontan zu flächigen Monolayern, die den Bilayer der Membran bilden. Die hydrophilen Köpfe weisen nach außen zu den wässrigen Phasen. Die hydrophoben „Schwänze“ lagern sich im geschützten Raum dazwischen an.

2.1 Membranen 2.1.2 Funktionen von Biomembranen · 2014. 10. 14. · Zellbau – Membranen Fritsche: Kompendium Mikrobiologie Entwurf 1 2.1 Membranen Definition: Biomembranen sind

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2.1 Membranen Definition: Biomembranen sind dünne Schichten, die verschiedene Räume voneinander trennen. Sie bestehen aus einem Mosaik von Lipiden (→ 2.1.3), die eine hydrophobe Barriere für wasserlösliche Substanzen bilden, und angelagerten oder eingebetteten Membranproteinen (→ 2.1.3), über welche Substanzen und Signale kontrolliert durch die Membran transportiert werden.

2.1.1 Vorkommen von Membranen bei Mikroorganismen Alle lebenden Zellen grenzen sich mit der Plasma- oder Cytoplasmamembran gegen die Umwelt ab. Darüber hinaus haben einige Prokaryoten und alle Eukaryoten noch zusätzliche interne Membransysteme.

Besonderheiten bei Eubakterien Gram-negative (→ 14.5) Eubakterien besitzen eine äußere Membran, die einen ersten Schutzfilter gegen die Außenwelt darstellt und nur kleine Substanzen mit passenden Eigenschaften in die Nähe der Zelle lässt. Manche photosynthetische Bakterien verfügen über innere Membransysteme, in welche die Proteine für die Photosynthese gebettet sind (→ 4.2).

Besonderheiten bei Eukaryoten Die Zellen aller Eukaryoten sind durch zahlreiche interne Membranen in mehrere Räume oder Kompartimente (Organellen (→ 2.4)) unterteilt.

Besonderheiten bei Viren Die Gruppe der umhüllten oder behüllten Viren umgibt das zentrale Kapsid, in dem sich die virale Erbsubstanz befindet, mit einer Membran, die von der Wirtszelle stammt und zusätzlich mit charakteristischen viralen Proteinen versetzt ist.

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2.1.2 Funktionen von Biomembranen • Die Plasmamembran trennt das lebendige Zellinnere (Cytoplasma (→ 2.2)) von

der Außenwelt. • Als Permeabilitätsbarrieren kontrollieren Membranen den Fluss von

Substanzen in die Zelle oder ein anderes Volumen hinein und hinaus. Durch ihren Aufbau von abwechselnd hydrophilen und hydrophoben Schichten lassen sie verschiedene Substanzen unterschiedlich gut passieren oder halten sie zurück (semipermeabel).

• Membranen speichern elektrochemische Energie, indem sie der Zelle ermöglichen, auf ihren beiden Seiten unterschiedliche Konzentrationen von Substanzen und Ladungen zu errichten (→ 4.1).

• Membranen dienen als Anker für Proteine, die an der Aufnahme von äußeren Signalen (→ 5.3), am Transport (→ 2.7), an der Synthese der Zellwand und extrazellulärer Moleküle sowie an der Energiegewinnung (→ 4.1) beteiligt sind. Bei Bakterien beherbergen sie den Motorteil der Flagellen (→ 8.2).

2.1.3 Der grundlegende Aufbau von Biomembranen (Einheitsmembran) Membranen sind in der Regel doppellagige Schichten (Bilayer) von Phospholipiden, in die weitere Lipide und Proteine eingelagert sind. Phospholipide bestehen aus einem hydrophoben (wasserabstoßenden) „Schwanzteil“ aus langkettigen Fettsäuren, die über Esterbindungen (–CO–O–) mit dem Glyceringerüst des hydrophilen (wasserliebenden) Kopfteils verknüpft sind. Über eine Phosphatgruppe hängt ein variabler Rest wie etwa Ethanolamin an dem Glycerin (ergibt in diesem Beispiel Phosphatidylethanolamin).

In einer wässrigen Umgebung organisieren sich Phospholipide spontan zu flächigen Monolayern, die den Bilayer der Membran bilden. Die hydrophilen Köpfe weisen nach außen zu den wässrigen Phasen. Die hydrophoben „Schwänze“ lagern sich im geschützten Raum dazwischen an.

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Die Dicke solch eines Phospholipid-Bilayers beträgt 6 nm bis 8 nm. Als Innenseite wird die Membranseite bezeichnet, die zum Cytoplasma weist. Die Außenseite ist der Umgebung oder einem eingeschlossenen Volumen (beispielsweise dem Inneren einer Vakuole) zugewandt. Im Elektronenmikroskop erscheint der hydrophobe mittlere Teil hell, umgeben von den dunklen hydrophilen Bereichen. Mit Kontrastmitteln, die sich in den Lipidköpfchen ansammeln, kann der Kontrast noch verstärkt werden. Integrale Membranproteine sind fest in die Membran eingebaut. Sie besitzen Abschnitte mit vorwiegend hydrophoben Aminosäureresten, die in die Schicht der Fettsäuren eintauchen oder sie vollständig durchziehen. Periphere Membranproteine dringen nicht in die Membran ein, sind häufig aber trotzdem fest mit ihr verbunden. Bei Lipoproteinen geschieht dies durch eine Verknüpfung mit einem Lipidmolekül, das in die Membran integriert ist. Membranproteine bilden häufig Cluster von Proteinen, die miteinander eine Funktion ausüben, beispielsweise bei der Photosynthese (→ 4.3) oder in der Atmungskette (→ 4.2).

Nach dem Flüssig-Mosaik-Modell (Fluid Mosaic Model) sind die einzelnen Membranbausteine gegeneinander beweglich, sodass sich die Membran wie eine zweidimensionale Flüssigkeit aus Lipidmolekülen verhält, in welcher Proteine schwimmen. Zusätzliche flächige Lipidmoleküle versteifen die Membran.

Besonderheiten bei Eubakterien Bei einigen Bakterien wird die Membran durch Hopanoide versteift, die aus vier Sechsringen und einem Fünfring bestehen.

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Besonderheiten bei Eukaryoten Manche Organellen der Eukaryoten sind von zwei Membranen umgeben (Zellkern, Mitochondrien, Chloroplasten), die sich in der Zusammensetzung ihrer Lipide und/oder Proteine unterscheiden. Zur Versteifung der Membran bauen Eukaryoten Sterole ein, die ein starres Molekül mit drei Sechsringen und einem Fünfring aufweisen. Ein Beispiel ist Cholesterin, das in den Membranen tierischer Zellen zu finden ist.

Besonderheiten bei Archaeen Bei Archaeen sind die Lipide in einigen Details anders aufgebaut als bei Eubakterien und Eukaryoten. • Anstelle von Fettsäuren bilden Abfolgen von Isopren-Einheiten die

hydrophoben Seitenketten. Vier Isopren-Einheiten bilden eine Phytanyl-Gruppe mit 20 C-Atomen, oder acht Isoprene kommen zu einer Biphytanyl-Gruppe mit 40 C-Atomen zusammen.

• Statt über Esterbindungen sind die Isopren-Ketten über stabilere Etherbindungen (–C–O–) mit dem Glycerin verknüpft.

• Die Eigenschaften der Membran modulieren viele Archaeen über Lipide mit

Ringstrukturen im hydrophoben Teil. • Der Grundbaustein für die Bilayer-Membranen der meisten Archaeen sind

Glycerin-Diether aus einem Molekül Glycerin, an das zwei Phytanyl-Gruppen gebunden sind. Besonders hitzeresistente Arten nutzen dagegen Diglycerin-Tetraether, bei denen an beiden Enden zweier Biphytanyl-Gruppen jeweils ein Glycerin zu finden ist und mit denen sie eine Monolayer-Membran aufbauen.

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2.1.4 Die äußere Membran von Gram-negativen Eubakterien Bei Gram-negativen Bakterien (→ 14.5) umgibt ein weiterer Lipid-Bilayer die Zelle noch außerhalb der Zellwand. Diese äußere Membran unterscheidet sich im Aufbau von der Plasmamembran durch folgende Punkte: • Die äußere Membran enthält neben Phospholipiden auf ihrer Außenseite einen

hohen Anteil an Lipopolysacchariden (LPS). Sie besitzen nach außen ragenden Polysaccharidketten, die das Erscheinungsbild des Bakteriums prägen. LPS ist medizinisch als Endotoxin aktiv.

• Die Innenseite der äußeren Membran ähnelt der Plasmamembran. Zusätzlich zu den Phospholipiden sind hier auch Lipoproteine zu finden, die den Kontakt zur Zellwand herstellen.

• Porine bilden als transmembrane Proteine eine Pore durch die äußere Membran. Sie lassen kleinere Moleküle hindurch und halten größere Moleküle – vor allem Proteine aus dem periplasmatischen Raum zwischen den beiden Membranen – zurück.

Aufbau der Lipopolysaccharide Die genaue Zusammensetzung der Lipopolysaccharide ist bei den verschiedenen Bakterienstämmen sehr unterschiedlich. Sie bestehen aber immer aus: • einem Lipid A-Teil, über den sie in der Membran verankert sind. Im Gegensatz

zu den Phospholipiden sind die Fettsäuren beim Lipid A nicht an Glycerin gebunden, sondern an ein Disaccharid aus Glucosaminphosphat. Zu den Fettsäuren zählen neben Palmitinsäure (C16) und Stearinsäure (C18) auch kurzkettige Fettsäuren wie Myristinsäure (C14), Laurinsäure (C12) und Capronsäure (C6) sowie verzweigte Fettsäuren.

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• einer Polysaccharidkette, die sich in zwei Abschnitte unterteilen lässt: - Das Core-Polysaccharid oder die Kernregion umfasst Zucker wie

Ketodesoxyoctonat (KDO), Heptose, Galactose, Glucose und N-Acetylglucosamin sowie Komponenten, die nicht zu den Kohlenhydraten gehören wie Phosphate, Aminosäuren und Ethanolamin.

- Das O-Polysaccharid, O-Antigen oder die O-spezifische Seitenkette besteht aus verzweigten Abschnitten von Hexosen, die sich mehrfach wiederholen und insgesamt bis zu 200 Zuckereinheiten umfassen können. Während die Kernregion immer vorhanden ist, kann das O-Polysaccharid bei manchen Bakterienstämmen fehlen.

2.1.5 Besondere Membranen • Grüne Schwefelbakterien und Nichtschwefelbakterien besitzen zum Sammeln

von Lichtenergie Chlorosomen, die von einer einlagigen Membran aus Polypeptiden und Glykolipiden umgeben sind (→ 4.3).

• Eubakterien und Archaeen aus verschiedenen Gruppen verfügen über Gasvesikel mit Proteinhüllen, über die sie ihren Auftrieb regulieren.

• Einige wasserlebende Prokaryoten, aber auch manche eukaryotische Algen orientieren sich mittels Magnetosomen am Erdmagnetfeld. Die Magnetit-kristalle (Fe3O4) sind von einer einschichtigen Membran aus Phospholipiden, Proteinen und Glykoproteinen umgeben.

• Die Proteinhülle von Carboxysomen umgibt Kristalle des Schlüsselenzyms für die Kohlenstofffixierung im Calvin-Zyklus: RuBisCO (→ 7.2). Sie kommen bei einigen Cyanobakterien, Purpurbakterien, nitrifizierenden Bakterien und Thiobacilli vor.

Lerncheck 2.1a Wie ist eine Einheitsmembran aufgebaut? 2.1b Worin unterscheiden sich die Membranen von Eubakterien und Archaeen? 2.1c Welche Besonderheiten zeichnen die äußere Membran von Gram-negativen Bakterien aus?