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311 Somatostatinrezeptor-positive Tumoren 2.1.13 Karzinome), die in der Vergangenheit verwendet wurde [86]. Die Bezeichnung „Karzinoid“ geht auf Oberndorfer [58] zurück, der bereits auf das lang- same Wachstum von Dünndarmtumoren und die späte Metastasierung hinwies. Jensen wies nach, dass die peptidsezernierenden Zellen nicht vom Neuroektoderm abstammen [38]. Vielmehr geht der Ursprung dieser Tumore auf pluripotente Stammzellen oder differenzierte neuroendokrine Zellen zurück [53]. 2.1.13 Rezeptor-PET/CT von Somatostatinrezeptor-positiven Tumoren mit 68 Ga-markierten Peptiden RICHARD P. BAUM Einführung Neuroendokrine Tumore (NET) stellen eine hete- rogene Tumorentität dar, die durch die Fähigkeit der Hormonproduktion und spezifische histolo- gische Unterschiede gekennzeichnet ist. Die He- terogenität kommt auch in der Namensgebung zum Ausdruck (Karzinoid, APUDoma, gastroente- ropankreatische [GEP-]Tumoren, Inselzelltumoren, neuroendokrine Tumoren und neuroendokrine Abb. 2–42: A: Planare Ganzkörper-Szintigraphie (anterior) 4 h nach Injektion eines 99m Tc-markierten Somatostatinanalogons ([ 99m Tc]EDDA Hynic TOC): Intensive Somatostatinrezeptorexpression in multiplen Lebermetastasen eines neuroen- dokrinen Karzinoms. B: Koronale SPECT-Schnitte: Nachweis multipler Lebermetastasen, extrahepatischer Fokus im Mittelbauch. C: [ 68 Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT (koronale Fusionsbilder): Detektion auch kleiner Leberfiliae (unter 10 mm Größe) sowie exakte Lokalisation des extrahepatischen Herdbefundes (ossäre Metastase in der LWS). A C B

2.1.13 Rezeptor-PET/CT von Somatostatinrezeptor-positiven ... · 2.1.13 Rezeptor-PET/CT von Somatostatinrezeptor-positiven Tumoren mit 68Ga-markierten Peptiden RICHARD P. BAUM Einführung

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Somatostatinrezeptor-positive Tumoren 2.1.13

Karzinome), die in der Vergangenheit verwendet wurde [86]. Die Bezeichnung „Karzinoid“ geht auf Oberndorfer [58] zurück, der bereits auf das lang-same Wachstum von Dünndarmtumoren und die späte Metastasierung hinwies. Jensen wies nach, dass die peptidsezernierenden Zellen nicht vom Neuroektoderm abstammen [38]. Vielmehr geht der Ursprung dieser Tumore auf pluripotente Stammzellen oder differenzierte neuroendokrine Zellen zurück [53].

2.1.13 Rezeptor-PET/CT von Somatostatinrezeptor-positiven Tumoren mit 68Ga-markierten Peptiden

RICHARD P. BAUM

Einführung

Neuroendokrine Tumore (NET) stellen eine hete-rogene Tumorentität dar, die durch die Fähigkeit der Hormonproduktion und spezifische histolo-gische Unterschiede gekennzeichnet ist. Die He-terogenität kommt auch in der Namensgebung zum Ausdruck (Karzinoid, APUDoma, gastroente-ropankreatische [GEP-]Tumoren, Inselzelltumoren, neuroendokrine Tumoren und neuroendokrine

Abb. 2–42:A: Planare Ganzkörper-Szintigraphie (anterior) 4 h nach Injektion eines 99mTc-markierten Somatostatinanalogons ([99mTc]EDDA Hynic TOC): Intensive Somatostatinrezeptorexpression in multiplen Lebermetastasen eines neuroen-dokrinen Karzinoms.B: Koronale SPECT-Schnitte: Nachweis multipler Lebermetastasen, extrahepatischer Fokus im Mittelbauch.C: [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT (koronale Fusionsbilder): Detektion auch kleiner Leberfiliae (unter 10 mm Größe) sowie exakte Lokalisation des extrahepatischen Herdbefundes (ossäre Metastase in der LWS).

A

C

B

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2.1 PET und PET/CT

bei rasch proliferativen, undifferenzierten Tumoren sowie [18F]DOPA oder [11C]HTP sei auf das Kapitel 2.1.13 verwiesen. Gleiches gilt für die histologische Klassifizierung von NET, die heute nach der WHO-Klassifikation [81, 86] vorgenommen wird.

Peptid-basierte Radiopharmazeutika zur Diagnostik neuroendokriner Tumoren

Radioaktiv markierte Peptide werden seit nahezu zwanzig Jahren zum Nachweis der Rezeptorex-pression neuroendokriner Tumore eingesetzt [43, 44, 45]. Die molekulare Bildgebung von Somato-statinrezeptoren ist als einer der Meilensteine in der Nuklearmedizin anzusehen.

Peptide zum Nachweis von Somatostatinrezeptoren

Natürlicherweise kommen zwei bioaktive Varian-ten von Somatostatin, das Somatostatin 14 und das Somatostatin 28 als zyklische Peptidhormone vor. Somatostatinrezeptoren werden in verschie-denen Organen physiologisch exprimiert (z.B. in der Hypophyse, Schilddrüse, im Pankreas und im Gastrointestinaltrakt). Somatostatin hemmt die Hormonsekretion und hat Einfluss auf die Neu-rotransmission sowie die Zellproliferation durch Ankopplung an spezifische G-Protein-gekoppelte Rezeptoren [100]. Bisher wurden fünf verschiede-ne Subtypen von Somatostatinrezeptoren geklont (SSTR1-5). Am häufigsten wurden neuroendokrine Tumore bisher mit Somatostatinanaloga unter-sucht, die an SSTR2 binden, wobei verschiedene Tumore auch andere Subtypen in unterschiedli-cher Häufigkeit exprimieren [77]. MIDGUT-Tumore exprimieren vor allem SSTR2 (95 %), gefolgt von SSTR1 (80 %) und SSTR5 (75 %), wie von Jensen gezeigt werden konnte [38]. Neben dem von der Ro tterdamer Arbeitsgruppe eingeführten Octreo-Scan, das sowohl zur Lokalisation von Primärtu-moren, als auch von Metastasen geeignet ist [46, 51] wurden in den letzten Jahren zunehmend 99mTc-markierte Somatostatinanaloga (Abb. 2–42) eingesetzt, wie [99mTc]Depreotide, [99mTc]Vapreo-tide, [99mTc]P829 und [99mTc]EDDA-HYNIC-TOC [23, 51, 92].

Die nächste Generation von Somatostatinanaloga, wie z.B. DOTA-TOC (1,4,7,10-tetraazacyclododeca-ne-1,4,7,10-tetraacetic acid Tyr3 Octreotide) zeich-

Aufgrund des langsamen Wachstums ist es oft-mals schwierig, den Primärtumor frühzeitig zu detektieren [5, 39]. Die Primärtumorlokalisation ist jedoch insofern von Bedeutung, als das weitere therapeutische Vorgehen (kurativer-chirurgischer Therapieansatz, chirurgisches Debulking, antipro-liferative Behandlung) und die Prognose wesent-lich mit der Lokalisation des Primärtumors (und dem Differenzierungsgrad) verknüpft sind [38]. Konventionelle, überwiegend morphologisch-orientierte bildgebende Verfahren wie die Sono-graphie (Ultraschalldiagnostik, US), die Röntgen-Transmissions-CT sowie die MRT sind zwar von großer Bedeutung für die genaue anatomische Lo-kalisation und die Erfassung der Anzahl sowie die Größenbestimmung der Tumorherde, sie geben jedoch keinen Aufschluss hinsichtlich der funkti-onellen Tumoreigenschaften, die für die Progno-se oftmals bestimmend sind [53]. Der Nachweis der Überexpression von Rezeptoren in neuroen-dokrinen Tumoren führte Mitte der 1980er-Jahre zur Entwicklung nuklearmedizinischer Methoden zum szintigraphischen Nachweis dieser Rezepto-ren, wobei von Vorteil war, dass die verwendeten Peptide im Vergleich zu monoklonalen Antikör-pern eine erheblich schnellere Clearance, eine ra-schere Gewebepenetration und keine Antigenität aufwiesen [47]. Neben den Somatostatinanaloga (Abb. 2–42), die am wei testen klinisch Verbreitung gefunden haben, wurden auch andere Peptide wie Cholezystokinin (CCK), Bombesin, Substanz P, Gast-rinanaloga, vasoaktives intestinales Peptid (VIP) und Neuropeptid (NP)-Y zur Diagnostik und teil-weise auch zur Therapie neuroendokriner Tumore eingesetzt [12, 13, 14, 17, 43, 44, 46, 48, 69, 70, 71, 72, 91, 93, 95, 96, 99].

Als einziges nuklearmedizinisches Diagnostikum ist bisher das Somatostatinanalog [111In]DTPA-Pentetreotide (DTPA-Octreotide) zugelassen und kommerziell erhältlich (OctreoScan), obgleich eine Vielzahl von Analoga auch „in house“ mit 99mTc-markiert wurden (z.B. [99mTc]EDDA-Hynic-TOC oder -TATE).

Dieses Kapitel behandelt ausschließlich die Anwen-dung 68Ga-markierter Somatostatinanaloga wie DOTA-NOC, DOTA-TATE und DOTA-TOC. Hinsicht-lich weiterer PET-Radiopharmazeutika, die klinisch eingesetzt werden, wie z.B. [18F]FDG (Abb. 2–43)

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Somatostatinrezeptor-positive Tumoren 2.1.13

Abb. 2–43:A: [18F]FDG PET/CT bei einem Patienten mit einem undifferenzierten, kleinzelligen, rasch proliferativen neuroendo-krinen Karzinom: multiple, intensiv glukosekonsumptive Lebermetastasen.B: [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT: kein Nachweis einer signifikanten SMS-Rezeptorexpression (sog. „Flip-Flop-Phänomen”).

nete sich durch eine höhere Bindungsaffinität aus und wurde mit 111Indium markiert zur Szintigraphie und mit 90Yttrium markiert zur Radiorezeptorthe-rapie eingesetzt [22, 61, 62, 63, 67, 87, 97].

Der Ersatz der Alkohol-Gruppe am C-terminalen Ende des Peptides durch eine Carboxyl-Gruppe resultiert in dem Peptid DOTA-D-Phe1-Tyr3-Thr8-octreotide (DOTA-TATE), welches die höchste Affinität zum Subrezeptor-Typ 2 aufweist [4, 49,

A B

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2.1 PET und PET/CT

– mit DOTA-konjugierte Peptide entwickelt wur-den, wobei DOTA einen idealen Chelator für 68Ga darstellt, das nach kurzer Reaktionszeit eine sehr feste Bindung mit DOTA eingeht. Das von Rösch und Mitarbeitern entwickelte 68Ge/68Ga-Genera-torsystem [Zhernosekor et al. 2007, J Nucl Med im Druck] wurde erstmals von unserer Arbeitsgruppe systematisch klinisch eingesetzt (derzeit ca. 1 000 68Ga-PET/CT-Untersuchungen pro Jahr) und wei-terentwickelt und findet zunehmend – vor allem an universitären Zentren in Europa, jedoch auch Ländern wie Indien – zunehmend Verbreitung. Von großem Vorteil ist hierbei die PET/CT-Technologie, die eine genaue anatomische Zuordnung der So-matostatinrezeptor-positiven Befunde ermöglicht, was mit PET alleine, aufgrund der fehlenden ana-tomischen Topographie, nur sehr bedingt möglich ist.

68Ga (t1/2 = 68 min) ist ein exzellenter Positronen-emitter (89 % Positronenemission, minimale [3,2 %] Gammaemission 1077 KeV). Die lange Halbwerts-zeit des Mutternuklids 68Ge (270,8 Tage) ermöglicht eine Anwendung des Generators (abhängig vom Bedarf des jeweiligen Zentrums) für einen Zeit-raum von neun bis zwölf Monaten. Frühe Genera-torsysteme verwendeten Aluminium- oder Zirko-nium-Oxid als Matrix, wobei das Generator-Eluat (68Ga-EDTA) direkt für das PET-Imaging eingesetzt wurde. Die heutigen, inzwischen auch kommerziell erhältlichen 68Ge/68Ga-Generatorsysteme, basieren auf einer TiO2-Matrix, die bis zu 1,85 GBq (50 mCi) 68Ge erhält. Das „ionische“ 68Ga3+ wird in einer 0,1 N HCl-Lösung eluiert, die zu 60 % 68Ga in ca. 5 ml er-hält und mit weniger als 5 × 10–3 68Ga kontaminiert ist. Vor dem eigentlichen Markierungsprozess wird das Eluat über eine Anionen-Kationen-Austausch-säule und mittels Fraktionierung gereinigt und im Volumen reduziert, sodass minimale metallische Verunreinigungen wie Zn(II), Ti(IV) und Fe(III) eli-miniert werden, wobei in diesem „Postprocessing“ der Kationenaustausch eine entscheidende Rolle spielt [78].

Markierung von DOTA-NOC, DOTA-TOC, DOTA-TATE mit 68Ga

In den letzten Jahren wurden verschiedene Markie-rungsmethoden entwickelt [36, 42, 54, 56]. Anstelle einer detaillierten Beschreibung der verschiedenen

74]. 111In-DOTA-Lanreotide (LAN; D-2-Nal-Cys-tyr-D-Trp-Lys-Val-Thr-NH2) wurde versuchsweise auch zur Diagnostik von Pankreas-Adenokarzinomen eingesetzt [68], hat sich bei dieser Indikation nicht bewährt.

Die dritte Generation von Somatostatinanaloga, wie z.B. DOTA-NOC (DOTA-1-Nal3-octreotide), das durch den Austausch einer Aminosäure an Positi-on 3 entstand, zeichnet sich durch eine sehr hohe Affinität für den SSTR2-Subrezeptor und eine hö-here Affinität als die bisher eingesetzten Somato-statinanaloga für SSTR3 und SSTR5 aus [100]. Sie können als „Pansomatostatinanaloga“ bezeichnet werden, da sie nahezu alle Subrezeptortypen er-fassen. 68Ga-DOTA-NOC (und ebenso DOTA-TOC) wird nach der Rezeptorbindung rasch in die Tumor-zellen internalisiert und zeigt hiernach nur einen minimalen Washout [32–34]. Neuere, noch in der präklinischen Entwicklung befindliche Somatosta-tinanaloga sind DOTA-NOC-ATE (DOTA-1Nal3,Thr8)-octreotide) und DOTA-BOC sowie DOTA-BOC-ATE (DOTA, BzThi3, Thr8)-octreotide), die mit 111Indium markiert eine hohe Affinität für SSTR2, SSTR3 und SSTR5 sowie eine geringere Affinität für SSTR4 aufweisen [29].

Seit Kurzem werden auch SSTR-Antagonisten, wie z.B. (NH(2)-CO-c(DCys-Phe-Tyr-DAgl(8)(Me,2-naphthoyl)-Lys-Thr-Phe-Cys)-OH (sst(3)-ODN-8) und (sst(2)-ANT) mit 111Indium markiert in Tierver-suchen eingesetzt. Diese zeigen eine sehr hohe Anreicherung in SSTR2- und SSTR3-exprimieren-den Tumoren [30, 73], was gewissermaßen einen Paradigmenwechsel darstellt und für zukünftige Entwicklungen, vor allem hinsichtlich neuer Radio-peptidtherapeutika, große Erwartungen weckt.

68Ge/ 68Ga-Generator

Bereits 1961 beschrieben Green und Tucker die Konstruktion eines 68Ga-Generators, der jedoch aufgrund der fehlenden klinischen Anwendbar-keit (die PET-Technologie wurde gerade erst entwi-ckelt) keine Verbreitung erfuhr, was auch – wegen der geringen Verbreitung der PET – für die rund zwanzig Jahre später in Deutschland von Schu-macher entwickelte Generatorversion zutraf [82]. Dies änderte sich erst, als zunehmend – vor allem von der Arbeitsgruppe von Helmut Mäcke in Basel

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Somatostatinrezeptor-positive Tumoren 2.1.13

(und nicht PET alleine) zum Einsatz kommen. Falls nur „PET only“ zur Verfügung steht, sollte eine Bildfusion mit vorhandenen CT- oder MRT-Unter-suchungen anhand von Software-Applikationen durchgeführt werden.

Basierend auf unserer eigenen klinischen Erfah-rung bei mehreren tausend Untersuchungen mit 99mTc- und 68Ga-markierten Somatostatinanaloga bestehen bei neuroendokrinen Tumoren folgende Indikationen:

• Primärdiagnostik und Staging (Abb. 2–44)• Nachsorgeuntersuchung nach primärer Chi-

rurgie (insbesondere bei so genannten High-risk-Patienten mit fortgeschrittenen Primär-tumoren oder lymphogener Metastasierung, wobei diese Nachsorge möglichst Tumormarker gesteuert durch Bestimmung von Chromogra-nin A, NSE und Serotonin im Serum sowie von 5-Hydroxyindolessigsäure (HIES) im Urin bzw. anderer tumorspezifischer Marker wie Gastrin, Glukagon u.a. erfolgen sollte (Abb. 2–45

• Verlaufskontrolle unter Biotherapie mit Octreo-tid/Interferon bzw. nach Chemotherapie

• Patientenselektion zur Durchführung einer pep-tidrezeptorvermittelten Radionuklidtherapie (PRRT) (Abb. 2–46 und 2–47)

• Therapieverlaufskontrolle nach PRRT (Abb. 2–48)• Prognostifizierung (bessere Abschätzung der

Prognose des Patienten).

Markierungstechniken soll im Folgenden lediglich die von Rösch und Mitarbeitern entwickelte – und von unserer Arbeitsgruppe [6] erstmals in der klini-schen Routine verwendete – Methodik beschrieben werden. Zunächst wird das 68Ga-Eluat mittels Mik-rochromatographie konzentriert (Erstbeschreibung durch Rösch und Knapp 2003]. Nach der Reinigung des Generatoreluats (s. vorherigen Abschnitt) wird 68Ga(III) mit 400 μl 98 % Aceton/0,05 NaCl-Lösung (2 × 10–5 Mol HCL) eluiert. Diese Fraktion wird dann zur Markierung von DOTA-Octreotid-Derivativen wie DOTA-TOC, DOTA-NOC oder DOTA-TATE ver-wendet. Für den klinischen Einsatz verwenden wir – basierend auf der Erfahrung bei inzwischen über 2 000 Rezeptor-PET/CT-Untersuchungen mit 68Ga-DOTA-NOC – ca. 1 GBq 68Ga, welches an 30–50 μg des Peptides gebunden ist (spezifische Aktivität ca. 16 MBq/μg Peptid). [68Ga]DOTA-NOC wird dann weiter aufgereinigt und schließlich mit 0,5 ml Etha-nol in 4,5 ml isotonischer Kochsalzlösung verdünnt injiziert. Üblicherweise werden radiochemische Markierungsausbeuten von über 99 % innerhalb von 15 min erreicht, womit 370 bis 700 MBq [68Ga]DOTA-NOC innerhalb von 20 min zur Verfügung stehen. Hiermit können ca. vier Patientenuntersu-chungen erfolgen. Da der Generator täglich zwei-mal eluiert werden kann, sind – abhängig von der Ausgangsaktivität des 68Ge auf der Säule – bis zu zehn Untersuchungen pro Tag möglich.

Klinische Indikationen

Wegen der erheblich schnelleren und genaueren anatomischen Zuordnung Somatostatinrezeptor-positiver Herdbefunde sollte möglichst PET/CT

Abb. 2–44: Exzessiv metastasiertes, bilaterales malignes Phäochromozytom.A: Maximum-Intensitäts-Projektion (MIP) und Ganzkörperdarstellung. B, C, D: Koronales, transversales und sagittales PET/CT-Fusionsbild einer retrobulbären Metas tase. Bestimmung des SUV (11,8) mithilfe des ROI-Tools (50 %-Isokontur) zur prätherapeutischen Ermittlung des Rezeptorstatus und des molekularen Tumorvolumens (MTV).

A CB D

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2.1 PET und PET/CT

Abb. 2–45: [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT in der Tumornachsorge nach Resektion eines IIeumkarzinoids (anstei-gendes Chromogranin A i.S.): Detektion eines neuroendokrinen Zweitkarzinoms im Pankreaskorpus (histologisch 6 mm im Durchmesser, intraoperativ nicht palpabel) mit hohem SMS-Rezeptorbesatz (SUV 22). A: koronales Ganzkörper-PET, B: koronales PET (obere Reihe), transversaler CT-Schnitt (mittlere Reihe) und PET/CT-Fusionsbild (untere Reihe).

Bedeutung der Nuklearmedizin in der inter disziplinären Behandlung neuroendokriner Tumore

Eine optimale Diagnostik und Therapie neuroen-dokriner Tumore ist nur in einem multidisziplinären

Konzept realisierbar. Patienten mit NET sollten da-her unbedingt in neuroendokrinen Tumorzentren diagnostiziert und behandelt werden. Hierbei ist die enge Zusammenarbeit verschiedener Diszip-linen (Pathologie, Chirurgie, Gastroenterologie, Endokrinologie, Onkologie, Radiologie, Strahlen-

A B

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Somatostatinrezeptor-positive Tumoren 2.1.13

auch detaillierte Informationen über die genaue Ausdehnung der Erkrankung (Lokalisation des Primärtumors, multiple Primärtumore), die Proli-ferationsrate (z.B. Ki-67-Positivität, immunhisto-chemisch bestimmt mit dem Antikörper MIB-1), den Somatostatinrezeptorstatus (insbesondere vor der Behandlung mit Octreotide bzw. vor Ra-diorezeptortherapie) und die exakte Lokalisation von Knochenmetastasen (z.B. vor externer Strah-lentherapie, s. Abb. 2–51) u.v.m. erforderlich. Auch allgemeine Faktoren wie das Alter des Patienten,

therapie, Nuklearmedizin) von herausragender Bedeutung.

Die meisten Patienten stellen sich bereits in einem fortgeschrittenen Tumorstadium mit multiplen Organmetastasen vor. Das primäre Interesse des Chirurgen gilt der Lokalisation und Resektabilität des Primärtumors (und operabler Metastasen), wo-bei die Rezeptor-PET/CT die höchste Sensitivität zum Nachweis von unbekannten Primärtumoren besitzt (CUP-Syndrom, s. Abb. 2–49 und 2–50). Für die weitere Behandlungsstrategie sind jedoch

Abb. 2–46: Prätherapeutische Tumor- und Organdosimetrie unter Verwendung des langlebigen Positronemitters Yttrium-86 (HWZ 14,7 h) zur Selektion des optimalen Peptids (DOTA-TOC) sowie des geeigneten Radionuklids für die Therapie („personalised medicine“). Ausgedehntes neuroendokrines Pankreaskarzinom (A) mit Lebermetasta-sierung (B).

A B

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2.1 PET und PET/CT

Qualität möglich, sodass die Gesamtstrahlenex-position nur 1/3 bis ca. 50 % einer üblichen Ganz-körper-CT-Untersuchung beträgt und noch unter der – relativ geringen – Äquivalenzdosis für [111In]Pentetreotide liegt. Andererseits sind regelmäßi-ge Follow-up-Untersuchungen im Abstand von etwa vier bis sechs Monaten notwendig, insbe-sondere wenn Patienten mit radioaktiven Pepti-den behandelt werden oder eine Chemotherapie durchgeführt wird. Als besonderer Vorteil der Rezeptor-PET/CT hat sich dabei die Möglichkeit der quantitativen bzw. semiquantitativen Bildge-bung durch Ermittlung der SUV in den Tumoren und Metastasen herausgestellt. Hierdurch ist nicht nur eine rein visuelle Abschätzung der Intensität der Somatostatinrezeptor-Expression möglich (wie dies bei der Szintigraphie in den allermeisten

der Karnofsky-Status, funktionelle Symptome (ins-besondere Diarrhoe und Flush) sowie eine Vielzahl weiterer Aspekte sind zur Auswahl einer optimalen Therapie notwendig. Da neuroendokrine Tumore häufig einen protrahierten Verlauf über viele Jahre (oder sogar Jahrzehnte) aufweisen, kommen viele Patienten jahrelang zu Follow-up-Untersuchungen (Abb. 2–52), wobei bei jungen Patienten auch die aus der Diagnostik resultierende Strahlenexposi-tion mitberücksichtigt werden sollte. PET/CT-Un-tersuchungen mit 68Ga-markierten Somatostatin-analoga sind in dieser Hinsicht von besonderem Vorteil, da die Gesamtkörper-Äquivalentdosis für ca. 100 MBq [68Ga]DOTA-NOC bei etwa 2 mSv liegt. Eine CT-Untersuchung (einschließlich oraler und intravenöser Kontrastmittelgabe) ist in Low-dose-Technik mit völlig ausreichender diagnostischer

Abb. 2–47: [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT: Nachweis eines inoperablen neuroendokrinen Karzinoms der Pankreas-kauda (hoher SMS-Rezeptorbesatz) mit Infiltration des Magens. Koronales PET (obere Reihe), transversale CT-Schnitte (mittlere Reihe) und PET/CT Fusionsbilder (untere Reihe). A: vor intra-arterieller (i.a.) PRRT mit [90Y]DOTA-TATE, vier Monate nach der ersten Therapie (B), und drei Monate nach der zweiten i.a. Therapie (C). Vor PRRT war die Patientin permanent transfusionsbedürftig (trotz intensiver konservativer Behandlung, u.a. mit Octreotide sowie Chemothe-rapie). Nach dem zweiten PRRT-Kursus sistierten die Blutungen vollständig.

A B C

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Somatostatinrezeptor-positive Tumoren 2.1.13

• Neuroblastome (insbesondere falls MIBG- und FDG-negativ)

• Merkel-Zell-Tumore• andere SMS-Rezeptor exprimierende Malig-

nome wie Aesthesioneuroblastom, Thymom, hepatozelluläre Karzinome, neuroendokrine Prostatakarzinome, kleinzellige Lungenkarzi-nome

• nichtmaligne Erkrankungen (z.B. retroperito-neale Fibrose), hierzu existieren jedoch z.T. nur Einzelfallbeschreibungen.

Technische Durchführung der 68Ga-Rezeptor-PET/CT (Patientenvorbereitung, Akquisition und Beurteilung)

Vorbereitung des Patienten

Vor Durchführung einer SMS-Rezeptor-PET/CT muss überprüft werden, ob der Patient mit Octreotid oder Lanreotid behandelt wird. Die subkutane Gabe von Octreotid (z.B. Sandostatin) sollte ca. zwei Tage vor der Untersuchung beendet werden, die letzte Injektion mit lang wirksamen Depot-Präparaten (z.B. Sandostatin LAR, Somatu-lin/Lanreotide) sollte möglichst vier Wochen zu-

Fällen erfolgt), sondern eine objektive Erfassung von Tumorparametern (wie z.B. dem molekularen Tumorindex [MIT], s. Abb. 2–48), was insbesondere bei Verlaufskontrollen von immensem Wert ist.

Molekulare Bildgebung Somatostatinrezeptor-positiver Tumoren mittels [68Ga]DOTA-NOC-/[68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT

Bei folgenden Tumorentitäten hat sich der Ein-satz der Rezeptor-PET/CT mit DOTA-gekoppelten Somatostatinanaloga als sinnvoll herausgestellt [6, 7]:

• Neuroendokrine Tumore, insbesondere gastro-enteropankreatische Tumore

• Phäochromozytome (Abb. 2–44) und Para-gangliome (insbesondere bei MIBG-Negativi-tät)

• Schilddrüsenkarzinome (wobei sowohl me-dulläre Karzinome als auch papillär/follikulär differenzierte Schilddrüsenkarzinome Soma-tostatinrezeptoren exprimieren können)

• Meningeome und Glomustumore (verbesser-te Strahlentherapieplanung oder vor geplanter Radiorezeptortherapie, Abb. 2–53)

Abb. 2–48: Molekulare Bildgebung zur Quantifizierung des Therapie-Response ([68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT). Bestimmung des molekularen Tumorindex (MTI) mittels ROI-Technik (MTI = molekulares Tumorvolumen (MTV) multipliziert mit dem SUV). Der Abfall des MTI korrelierte mit der Verbesserung der klinischen Symptomatik.

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2.1 PET und PET/CT

Abb. 2–49: Detektion eines zuvor unbekannten Primärtumors im Pankreasschwanz mittels [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT bei einem Patienten mit ausgedehnter Lebermetastasierung eines neuroendokrinen Karzinom.

Abb. 2–50: CUP-Syndrom (Nachweis von Lebermetastasen eines neuroendokrinen Karzinoms mittels Biopsie). Im [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT Detektion des Primarius im Rektum (A) sowie präsakraler Lymphknotenmetas-tasen (B).

A B

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Somatostatinrezeptor-positive Tumoren 2.1.13

Abb. 2–51: Nachweis einer kleinen ossären Metastase im [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT. Diese war weder im OctreoScan noch im Skelettszintigramm nachweisbar gewesen, auch im CT finden sich keine eindeutig pathologi-schen Veränderungen.

Abb. 2–52: Re-Staging nach Resektion von neuroendokrinen Lebermetastasen: Multiple SMS-R positive Leberfiliae sowie abdominelle Lymphknotenmetastasen im [68Ga]DOTA-NOC-Rezeptor-PET/CT.