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21.4.05 Gliederung : • Abriss der Geschichte der Bioethik Gesundheits-/Krankheitsbegriff • Enhancement/Eugenik

21.4.05 Gliederung: Abriss der Geschichte der Bioethik Gesundheits-/Krankheitsbegriff Enhancement/Eugenik

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Page 1: 21.4.05 Gliederung: Abriss der Geschichte der Bioethik Gesundheits-/Krankheitsbegriff Enhancement/Eugenik

21.4.05

Gliederung:

• Abriss der Geschichte der Bioethik

• Gesundheits-/Krankheitsbegriff

• Enhancement/Eugenik

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Medizinethik: moral. Fragen in Zusammenhang mit

medizinischer Behandlung und Forschung (aber nicht bloß "Standesethik")

Bioethik: a) weite Def.: ethische Fragen des Umgangs

mit der Natur und dem Lebendigenb) enge Def.: Reflexion über moralische

Probleme und die Suche nach begründeten Urteilen und Handlungsrichtlinien in der Biomedizin und der Biotechnologie

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Geschichte: • Nürnberger Prozesse• Bürgerrechtsbewegung/Frauenbewegung• technische Entwicklungen• Human Genome Project • Entwicklung der philosophischen Ethik von Metaethik zu prakt. Fragen• Ethikkommissionen• Bioethik-Konvention der EU• wichtige Gerichts-Entscheidungen • "Singer-Affäre"

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Gesundheits-/Krankheitsbegriff:

Krankheit als prima facie Anspruch auf medizinische HilfeGesundheit als prima facie Ausschluss von medizinischer Hilfe → Gesundheits-/Krankheitsbegriff sind zentrale Begriffe der Medizin, deren Konzeption normative Auswirkungen zeitigt

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Def. der Weltgesundheitsorganisation:

"Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens, und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen."

→ Gesundheit als (unerreichbares) Ideal

→ Problem der Medikalisierung

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Fragen: Gesundheit als bloße Abwesenheit von Krankheit?

Was ist Krankheit?

→ Normativismus vs. Naturalismus:

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Normativismus:

• Abwertungsthese: Krankheit ist (per definitionem) ein Übel

• weitere Kriterien zur Unterscheidung von Krankheit und außermedizinischen Übeln

• Interventionsthese: "Einen Zustand als 'Krankheit' zu bezeichnen impliziert, dass er unerwünscht ist und dass er verändert werden soll." (Urban Wiesing)

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Probleme:

• Krankheit wird meist als Übel angesehen, aber ist die Abwertung ein konstituierendes Merkmal?

• wer entscheidet, was als "Übel" gilt? Individuum, Gesellschaft, objektive Übel?

• Ist man nicht krank, wenn man etwas nicht als Übel empfindet?

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Naturalismus:

• Krankheit ist Störung der natürlich vorhandenen Funktionsfähigkeiten eines Organismus

• was als Funktion zu gelten hat, ist nicht von menschlichen Wertungen abhängig

• ob man eine Krankheit beseitigen soll, ist eine von dieser Bestimmung unabhängige Frage

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Probleme:

• Vernachlässigung evaluativer Fragen

• wirklich wertfreie Bestimmung?

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→ Vereinbarkeit von Normativismus und Naturalismus: 2 Perspektiven• wissenschaftliche Perspektive: Bestimmung pathologischer Zustände (unabhängig von individuellen Wertungen)• lebensweltliche Perspektive: Bestimmung von Beeinträchtigungen des medizinischen Wohls (eingeschränkt auf pathologische Zustände).

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Beeinträchtigung(illness)

Pathologisch(disease)

Gesundheit

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Offene Frage:

Ist jeder pathologische Zustand eine Beeinträchtigung?

Gegenbsp.: Gehörlosigkeit; best. Allergien, kulturell wertgeschätzte Körpermodifikationen

Kann man sich über sein eigenes Wohl täuschen?

Objektive Theorie des Wohls möglich?

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Enhancement:

Begriff: Verbesserung von Eigenschaften über die Beseitigung von pathologischen Zuständen hinaus

mögliche Mittel: Medikamente (z.B. Prozac); dauerhafte Veränderungen (Bsp.: Schönheitsoperation; Gentechnik)

→ Unterscheidung enhancement – treatment setzt eindeutigen Krankheitsbegriff sowie einen nicht-graduierbaren, minimalen Gesundheitsbegriff voraus (Abwesenheit von K.)

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Eugenik: Begriff hier weit verstanden: nicht nur als Anwendung der Humangenetik auf Bevölkerung • negative E.: therapeutisch (normalisierend), nicht verbessernd• positive E.: erwünschte Merkmale herbeiführen bzw. erhalten (analog zu Enhancement)Mittel: Selektion nach genetischen Anlagen (z.B. PID), somatische Gentherapie bzw. Keimbahntherapie (bei enger Begriffsdef. keine Eugenik, da auf Individuen gerichtet)

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Parallele zu Eugenik im Nationalsozialismus?• negative "Eugenik" durch Vernichtung der Personen, die Träger bestimmter Eigenschaften waren (auch bei PID? → Frage nach Status des Embryos = Person?)• positive E. durch Auswahl von erwünschten Personen für "Menschenzucht"

→ insgesamt auf "gesunde" Bevölkerung, nicht gesunde Individuen gerichtet; per staatlichem Zwang durchgesetzt

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Liberaler Staat: Frage nach begründetem Verbot (Freiheitsbeschränkung)

Ebenen der Argumentation gegen eine bestimmte Praxis:

• Ziele

• Mittel (z.B. Risiken → evtl. Alternativen )

• Folgen (z.B. slippery slope → meistens Wahrscheinlichkeitsfragen)

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Ziel des enhancement: scheint moralisch akzeptabler, evtl. sogar geforderter individueller Zweck (Menschen streben nach Perfektionierung und sollten das auch tun)

Aber: auch angemessenes Ziel der Medizin?

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• Enhancement als gesell. Aufgabe (evtl. Pflicht): Frage nach angemessenen Zielen der gemeinschaftlich finanzierten medizin. Leistungen

These: Medizin soll nicht Wohlergehen steigern, sondern spezifische Art von Leid (pathologische Zustände) behandeln → Enhancement keine gesell. Aufgabe

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Probleme:• keine klare Trennung zwischen Behandlung und Verbesserung möglich (vgl. WHO-Def.)• Enhancement hat nützliche Konsequenzen: Krankheitsanfälligkeit verringern (Prävention gehört zum medizinischen Aufgabenbereich)• man könnte evtl. gesellschaftlich günstige Charaktereigenschaften wie Altruismus erzeugen

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Enhancement als individuelles Ziel (subj. Wunsch): liberale (antipaternalistische) Gesell. trifft kein Urteil über individuelle Lebenswünsche (nur Schädigungen problematisch) → individuelles Ziel des Enhancement bei Selbstfinanzierung der medizinischen Dienstleistungen nicht illegitim → aber Frage nach Tauglichkeit und Legitimität der Mittel und Folgen individueller Perfektionierung

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Contra-Argumente:

Mittelorientiert:• Medikalisierung von Lebensproblemen bzw. bloßen Wünschen (Imperialismus der Medizin)• Vernachlässigung nicht-technischer, sozialer Einflussmöglichkeiten (Erziehung, Umwelt); Mensch als Maschine • kein selbstgeschaffener Vorteil; Art von Betrug (keine persönliche Leistung)

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Folgenorientiert:• stabilisiert gesellschaftliche Stereotypen (Bsp.: Schönheitsideal)• mögliche Diskriminierungen (Abwertung bestimmter Charakteristika)• führt zu Ungerechtigkeit: Verringerung der Chancengleichheit• verändert Rolle des Arztes• Paradox: Verbesserung in einer Hinsicht = Verschlechterung in anderer Hinsicht • verändert langfristig menschliche Natur (zumindest bei Keimbahneingriffen)• schafft inauthentisches Selbst

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Konklusion:• Enhancement als gesell. Aufgabe (Steuer-/Versicherungsfinanziert) unplausibel• Individuell erwünschte, selbstfinanzierte Verbesserungen erscheinen nicht unmoralisch, können aber aus anderen Gründen schlecht sein

→ Frage, wie wir uns selbst verstehen und in welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen (Frage des guten Lebens, nicht der Moral)

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Resümee: • Gesundheit und Krankheit sind umstrittene Begriffe• es ist sinnvoll, zwischen einer wissenschaftlichen und einer lebensweltlichen Perspektive zu unterscheiden• Enhancement ist ein problematisches gesellschaftliches Ziel • medizinische Eingriffe sind ein fragwürdiges Mittel zur Verbesserung individueller Eigenschaften