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Montag, 28. Mai 2018 23 HAMBURG Alles fing damit an, dass Marcell Jansen vor eineinhalb Jahren auf Heimatbesuch in Mönchenglad- bach war und seine Freundin vor- schlug, in der „Patisserie Isabella“ in Düsseldorf frühstücken zu ge- hen. „Am Anfang war ich skep- tisch. Es sah zwar alles echt gut aus, die Brötchen waren aller- dings recht klein – und ich bin ein großer Esser“, lacht der 32- Jährige. „Tatsächlich habe ich nur mit Mühe das zweite Brötchen geschafft, weil die eben nicht nur lecker, sondern auch total nahr- haft sind. Wir wurden danach schnell Stammgäste. Als dann in der Oberpostdirektion, wo sich mein Büro befindet, eine Kaffee- bar frei wurde, schlug ich vor, Isa- bella auch nach Hamburg zu bringen.“ Ende Januar hat die Pa- tisserie eröffnet. Marcell Janssen und Dominic Krätz teilen sich die Geschäftsführung, wobei Krätz und seine Familie sich um das Operative kümmern. Schon seit 2015 betreibt die Fa- milie Krätz ihre Düsseldorfer Pa- tisserie. Zuvor wurde bei Isabella Krätz, der Mutter von Dominik Krätz, Zöliakie diagnostiziert. Weil es damals in Supermärkten kaum glutenfreie Produkte und wenn nur industriell gefertigte Ware gab, hing sie ihre Karriere in der Modebranche an den Nagel und machte eine Konditoreiprü- fung. Seitdem entwickelt sie ihre eigenen Rezepte. Auch Marcell Jansen hat einen persönlichen Bezug zu dem The- ma Zöliakie: Zum einen leidet seine Freundin unter einer star- ken Glutenunverträglichkeit, zum anderen war er bis vor einigen Jahren selbst betroffen. „Nach dem Training und nach Spielen waren die Übersäuerungswerte der Muskulatur bei mir immer doppelt so hoch wie bei Kolle- gen“, sagt er. „Dadurch steigt die Verletzungsgefahr. Hinzu kamen Akne und Pickel.“ Er hielt Rück- sprache mit den Mannschaftsärz- ten des HSV, änderte seine Er- nährung und stellte sofort eine Verbesserung fest: Nach nur zwei Wochen hatten sich die Übersäu- erungswerte normalisiert, nach vier Monaten war auch seine Ak- ne weg. „Ernährung ist unser Treibstoff“, so Janssen. „Wenn ich in einen Benziner Diesel einfülle, fährt der auch nicht.“ Rund ein Prozent der Bevölke- rung leidet in Deutschland unter Zöliakie, fünf bis sieben Prozent haben einen Reizdarm. Für sie ist glutenfreie Nahrung mehr als bloß ein Modetrend. „Hier saßen schon Kinder, die vor Freude ge- weint haben, weil sie bei uns eben nicht auf Leckereien ver- zichten müssen“, sagt Jansen. „Bei ‚Isabella‘ dürfen sie normal sein.“ Die Produkte, die in der Patis- serie angeboten werden, kommen täglich per Kühltransport frisch aus Nordrhein-Westfalen. Eine Zitronen-Tartelette kostet 4,90 Euro, der Schokodom auf Crème Brûlée 5,40 Euro. „Obwohl wir größtenteils vegane und laktose- freie Rohstoffe verwenden, liegen wir im Patrisserie-Breich preislich nicht höher als konventionelle Mitbewerber“, sagt Dominic Krätz stolz. Dass Brötchen (zwi- schen 1,30 und 1,80 pro Stück) und Brot (5,90 bis 6,90 Euro für 500 Gramm) etwas teurer sind, liegt daran, dass ausschließlich glutenfreie Biomehle verwendet werden, die im Einkauf deutlich mehr kosten als gewöhnliches Mehl. „Außerdem ruhen die Teige bei uns zwei Tage. Das ist ein rei- nes Naturprodukt.“ Die Auswahl ist groß. Es gibt sogar einen Low-Carb-Mohnkuchen und würziges Senfbrot mit französi- schem Dijon-Senf. Bei den Kunden kommt die Pa- tisserie an: Pro Tag kommen 70 bis 120 Gäste, der durchschnittli- che Bon liegt bei rund 20 Euro. „Nicht alle haben eine Unverträg- lichkeit – vielen schmeckt es ein- fach gut“, so Jansen. Zu den 40 Sitzplätzen in der Oberpostdirek- tion sollen im Sommer noch Au- ßenplätze hinzukommen. Außer- dem spielen die beiden mit dem Gedanken, Ende des Jahres zu- sätzlich ein To-Go-Geschäft in Hamburg zu eröffnen. „Isabella“ ist übrigens nicht die einzige Firma, bei der Jansen ak- tuell seine Finger im Spiel hat. Mit einer Beteiligungsgesellschaft hat der Jungunternehmer, der sei- ne Profi-Karriere im Alter von 29 Jahren beendete, in sechs Firmen investiert – darunter das Sanitäts- haus Renovatio und das Modela- bel Gymjunkky. „Es geht immer um die Themen Sport, Gesund- heit und Lifestyle“, sagt er. „Ich kenne es von früher selbst, dass man keinen Termin beim Arzt be- kommt und nicht richtig aufge- klärt wird. Mein Vater hat bei Kaisers gearbeitet, meine Mutter bei Aldi. Irgendwann war ich dann Fußballprofi und merkte, was es alles gibt. Mit 18 hatte ich auf einmal Einlagen, individuell vermessen. Ich möchte, dass die- se Dinge nicht Privilegien für ei- nige wenige Leute bleiben, son- dern es allen möglich machen. Davon abgesehen: Es gibt doch nichts Schlimmeres, als wenn man morgens nicht weiß, wofür man aufstehen soll. Auch wenn man nicht mehr arbeiten müsste: Man braucht Inhalte im Leben.“ Jansens neuste Geschäftsidee ist die App Picue, eine Art Instag- ram für Gruppen. Aber auch der Fußball spielt in seinem Leben noch oder wieder eine Rolle: Seit Januar spielt er in der Oberliga für die dritte Mannschaft des HSV, seit Februar sitzt er außer- dem im Aufsichtsrat des gerade abgestiegenen Vereins. „Natürlich war ich traurig“, sagt er. „Aber der Abstieg war halt nicht unver- dient. Wenn man das erkennt, weiß man, was jetzt getan werden muss.“ Bis es wieder in die Erste Liga geht, können die süßen Teil- chen aus der „Patisserie Isabella“ den Abstiegs-Schmerz der HSV- Fans vielleicht etwas lindern. Süße Gaumenfreuden am Stephansplatz Ex-HSV-Profi Marcell Jansen hat Hamburgs erste glutenfreie Patisserie eröffnet Von Nadine Wenzlick HAMBURG. „Im Brotbereich sind das Proteinbrot und das Kartoffel- brötchen, das ich gerade esse, meine Favoriten“, sagt Marcell Jan- sen, und nimmt genüsslich einen großen Bissen. „Von den Kuchen liebe ich den Rüblikuchen mit Karotte und Walnuss und die Herren- torte.“ Die Teilchen, von denen der ehemalige HSV-Profi schwärmt, gibt es nicht irgendwo, sondern in Marcell Jansens eigener „Patisse- rie Isabella“: Gemeinsam mit Geschäftspartner Dominic Krätz hat er in der Alten Oberpostdirektion die glutenfreie Patisserie eröffnet. l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l l Isabella – Glutenfreie Patisserie, Ste- phansplatz 1-3, 20354 Hamburg. Mon- tags bis samstags 8.30 bis 18 Uhr. Mehr Infos: www.isabella-patisserie.de Auf einen Blick Ex-HSV-Profi Marcell Jansen (links) und Dominic Krätz mit glutenfreien Süßspeisen. Foto Isabella

23 Süße Gaumenfreuden am Stephansplatz fileMontag, 28. Mai 2018 HAMBURG 23 Alles fing damit an, dass Marcell Jansen vor eineinhalb Jahren auf Heimatbesuch in Mönchenglad-bach war

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Montag, 28. Mai 2018 23HAMBURG

Alles fing damit an, dass MarcellJansen vor eineinhalb Jahren aufHeimatbesuch in Mönchenglad-bach war und seine Freundin vor-schlug, in der „Patisserie Isabella“in Düsseldorf frühstücken zu ge-hen. „Am Anfang war ich skep-tisch. Es sah zwar alles echt gutaus, die Brötchen waren aller-dings recht klein – und ich binein großer Esser“, lacht der 32-Jährige. „Tatsächlich habe ich nurmit Mühe das zweite Brötchengeschafft, weil die eben nicht nurlecker, sondern auch total nahr-haft sind. Wir wurden danachschnell Stammgäste. Als dann inder Oberpostdirektion, wo sichmein Büro befindet, eine Kaffee-bar frei wurde, schlug ich vor, Isa-bella auch nach Hamburg zubringen.“ Ende Januar hat die Pa-tisserie eröffnet. Marcell Janssenund Dominic Krätz teilen sich dieGeschäftsführung, wobei Krätzund seine Familie sich um dasOperative kümmern.

Schon seit 2015 betreibt die Fa-milie Krätz ihre Düsseldorfer Pa-tisserie. Zuvor wurde bei IsabellaKrätz, der Mutter von DominikKrätz, Zöliakie diagnostiziert.Weil es damals in Supermärktenkaum glutenfreie Produkte undwenn nur industriell gefertigte

Ware gab, hing sie ihre Karriere inder Modebranche an den Nagelund machte eine Konditoreiprü-fung. Seitdem entwickelt sie ihreeigenen Rezepte.

Auch Marcell Jansen hat einenpersönlichen Bezug zu dem The-ma Zöliakie: Zum einen leidetseine Freundin unter einer star-ken Glutenunverträglichkeit, zumanderen war er bis vor einigenJahren selbst betroffen. „Nachdem Training und nach Spielenwaren die Übersäuerungswerteder Muskulatur bei mir immerdoppelt so hoch wie bei Kolle-gen“, sagt er. „Dadurch steigt dieVerletzungsgefahr. Hinzu kamenAkne und Pickel.“ Er hielt Rück-sprache mit den Mannschaftsärz-ten des HSV, änderte seine Er-nährung und stellte sofort eineVerbesserung fest: Nach nur zweiWochen hatten sich die Übersäu-erungswerte normalisiert, nachvier Monaten war auch seine Ak-ne weg. „Ernährung ist unserTreibstoff“, so Janssen. „Wenn ichin einen Benziner Diesel einfülle,fährt der auch nicht.“

Rund ein Prozent der Bevölke-rung leidet in Deutschland unterZöliakie, fünf bis sieben Prozenthaben einen Reizdarm. Für sie istglutenfreie Nahrung mehr als

bloß ein Modetrend. „Hier saßenschon Kinder, die vor Freude ge-weint haben, weil sie bei unseben nicht auf Leckereien ver-zichten müssen“, sagt Jansen.„Bei ‚Isabella‘ dürfen sie normalsein.“

Die Produkte, die in der Patis-serie angeboten werden, kommentäglich per Kühltransport frischaus Nordrhein-Westfalen. EineZitronen-Tartelette kostet 4,90Euro, der Schokodom auf CrèmeBrûlée 5,40 Euro. „Obwohl wirgrößtenteils vegane und laktose-freie Rohstoffe verwenden, liegenwir im Patrisserie-Breich preislichnicht höher als konventionelleMitbewerber“, sagt DominicKrätz stolz. Dass Brötchen (zwi-schen 1,30 und 1,80 pro Stück)und Brot (5,90 bis 6,90 Euro für500 Gramm) etwas teurer sind,liegt daran, dass ausschließlichglutenfreie Biomehle verwendetwerden, die im Einkauf deutlichmehr kosten als gewöhnlichesMehl. „Außerdem ruhen die Teigebei uns zwei Tage. Das ist ein rei-nes Naturprodukt.“ Die Auswahlist groß. Es gibt sogar einenLow-Carb-Mohnkuchen undwürziges Senfbrot mit französi-schem Dijon-Senf.

Bei den Kunden kommt die Pa-tisserie an: Pro Tag kommen 70bis 120 Gäste, der durchschnittli-che Bon liegt bei rund 20 Euro.„Nicht alle haben eine Unverträg-lichkeit – vielen schmeckt es ein-fach gut“, so Jansen. Zu den 40Sitzplätzen in der Oberpostdirek-tion sollen im Sommer noch Au-ßenplätze hinzukommen. Außer-dem spielen die beiden mit demGedanken, Ende des Jahres zu-sätzlich ein To-Go-Geschäft inHamburg zu eröffnen.

„Isabella“ ist übrigens nicht dieeinzige Firma, bei der Jansen ak-tuell seine Finger im Spiel hat.Mit einer Beteiligungsgesellschafthat der Jungunternehmer, der sei-ne Profi-Karriere im Alter von 29Jahren beendete, in sechs Firmeninvestiert – darunter das Sanitäts-haus Renovatio und das Modela-bel Gymjunkky. „Es geht immerum die Themen Sport, Gesund-heit und Lifestyle“, sagt er. „Ichkenne es von früher selbst, dassman keinen Termin beim Arzt be-kommt und nicht richtig aufge-klärt wird. Mein Vater hat beiKaisers gearbeitet, meine Mutterbei Aldi. Irgendwann war ichdann Fußballprofi und merkte,

was es alles gibt. Mit 18 hatte ichauf einmal Einlagen, individuellvermessen. Ich möchte, dass die-se Dinge nicht Privilegien für ei-nige wenige Leute bleiben, son-dern es allen möglich machen.Davon abgesehen: Es gibt dochnichts Schlimmeres, als wennman morgens nicht weiß, wofürman aufstehen soll. Auch wennman nicht mehr arbeiten müsste:Man braucht Inhalte im Leben.“

Jansens neuste Geschäftsideeist die App Picue, eine Art Instag-ram für Gruppen. Aber auch derFußball spielt in seinem Lebennoch oder wieder eine Rolle: SeitJanuar spielt er in der Oberligafür die dritte Mannschaft des

HSV, seit Februar sitzt er außer-dem im Aufsichtsrat des geradeabgestiegenen Vereins. „Natürlichwar ich traurig“, sagt er. „Aberder Abstieg war halt nicht unver-dient. Wenn man das erkennt,weiß man, was jetzt getan werdenmuss.“ Bis es wieder in die ErsteLiga geht, können die süßen Teil-chen aus der „Patisserie Isabella“den Abstiegs-Schmerz der HSV-Fans vielleicht etwas lindern.

Süße Gaumenfreudenam StephansplatzEx-HSV-Profi Marcell Jansen hat Hamburgs erste glutenfreie Patisserie eröffnet

Von Nadine Wenzlick

HAMBURG. „Im Brotbereich sind das Proteinbrot und das Kartoffel-

brötchen, das ich gerade esse, meine Favoriten“, sagt Marcell Jan-

sen, und nimmt genüsslich einen großen Bissen. „Von den Kuchen

liebe ich den Rüblikuchen mit Karotte und Walnuss und die Herren-

torte.“ Die Teilchen, von denen der ehemalige HSV-Profi schwärmt,

gibt es nicht irgendwo, sondern in Marcell Jansens eigener „Patisse-

rie Isabella“: Gemeinsam mit Geschäftspartner Dominic Krätz hat er

in der Alten Oberpostdirektion die glutenfreie Patisserie eröffnet.

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Isabella – Glutenfreie Patisserie, Ste-phansplatz 1-3, 20354 Hamburg. Mon-tags bis samstags 8.30 bis 18 Uhr. MehrInfos: www.isabella-patisserie.de

Auf einen Blick

Ex-HSV-Profi Marcell Jansen (links) und Dominic Krätz mit glutenfreien Süßspeisen. Foto Isabella