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1 25 Wirtschaft und Wohlfahrt Zur westdeutschen Wirtschaftsgeschichte „Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist vor allem ihre Wirtschaftsgeschichte. Nichts hat den westdeutschen Staat stärker geprägt als seine wirtschaftliche Entwicklung. Auf keinem anderen Gebiet sind seine Leistungen greifbarer als dort: Ihnen verdankt die zweite, die westdeutsche Republik jene Stabilität und Handlungsfreiheit, die der Republik von Weimar gefehlt haben. Wiederaufbau Um des westeuropäischen Wiederaufbaus willen gegründet, ist die Bundes-republik mit ihrer Wirtschaft groß geworden. Heute messen sich ihr Ansehen und ihre Stellung in der Welt nicht am Status eines geteilten und in seinen Lebensfragen von Großmächten abhängigen Landes, sondern an seiner wirtschaftlichen Macht.“ Quelle: Werner Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Frankfurt am Main 1983, S. 8

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25Wirtschaft und Wohlfahrt. Wiederaufbau. Zur westdeutschen Wirtschaftsgeschichte. - PowerPoint PPT Presentation

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25 Wirtschaft und Wohlfahrt

Zur westdeutschen Wirtschaftsgeschichte

„Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist vor allem ihre Wirtschaftsgeschichte. Nichts hat den westdeutschen Staat stärker geprägt als seine wirtschaftliche Entwicklung. Auf keinem anderen Gebiet sind seine Leistungen greifbarer als dort: Ihnen verdankt die zweite, die westdeutsche Republik jene Stabilität und Handlungsfreiheit, die der Republik von Weimar gefehlt haben.

Wiederaufbau

Um des westeuropäischen Wiederaufbaus willen gegründet, ist die Bundes-republik mit ihrer Wirtschaft groß geworden. Heute messen sich ihr Ansehen und ihre Stellung in der Welt nicht am Status eines geteilten und in seinen Lebensfragen von Großmächten abhängigen Landes, sondern an seiner wirtschaftlichen Macht.“

Quelle: Werner Abelshauser, Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Frankfurt am Main 1983, S. 8

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So wenig, wie die junge Bundesrepublik Ende der vierziger Jahre eine eigene Außenpolitik betreiben konnte, so wenig verfügte sie über die außenwirtschaftspolitische Souveränität.

Die politischen Rahmenbedingungen, mehr Souveränität für Westdeutsch-land gegen Integration, setzte auch die Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau. Anfänglich war er von der Politik der jeweiligen Besatzungsmacht geprägt. Auf ein gemeinsames Wirtschafts-programm für das besetzte Deutschland hatten sich die vier Besatzungs-mächte nicht einigen können.

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Für die Bundesrepublik maßgebend war das Wiederaufbauprogramm der amerikanischen und britischen Besatzungsbehörden. Damit wurde ein liberalisierender Kurs vorgegeben, dessen Korrektur schnell kostspielig hätte werden können.

Der amerikanische Morgenthau-Plan, benannt nach dem Finanzminister Henry Morgenthau, zur Deindustrialisierung Deutschlands war Schubladen-planung geblieben, er spielte in der Praxis keine Rolle. Die Kapazitätsverluste durch Reparationen betrugen in Westdeutschland nur ca. 3 Prozent, in Ostdeutschland hingegen 30 Prozent.

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Die Westalliierten gaben den Anstoß zur Währungsreform und stellten Weichen in Richtung eines liberalisierten Handels- und Geldverkehrs.

Die Prägekraft gerade des amerikanischen Vorbilds war auch deswegen groß, weil die deutschen politischen und wirtschaftlichen Institutionen der völligen Zerstörung anheim gefallen waren.

Die amerikanische Linie, ökonomische Rationalität vor politische Ideologien zu stellen, übte bei der Revitalisierung eigener deutscher Institutionen großen Einfluss aus.

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In den ersten Nachkriegsjahren war der europäische Handel praktisch auf das Niveau des Tauschhandels abgesunken. Die Nichtkonvertierbarkeit der europäischen Währungen und die Knappheit an Dollar und Gold ließen keine andere Wahl.

Der deutsche Außenhandel der anglo-amerikanischen Bizonen stand unter der Kontrolle der Gemeinsamen Import- und Exportagentur (JEIA). Die Vorschrif-ten der JEIA (Joint Export and Import Agency) hatten ursprünglich die Funktion, die deutsche Wirtschaft zu dekartellisieren und zu dezentralisieren.

Hinzu kam dann aber durch den Marshall-Plan die massive Zufuhr amerikanischer Wirtschaftshilfe zum Zwecke des europäischen Wiederaufbaus. In der Bundesrepublik erhielten die USA dadurch außerordentliche wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten.

Praktisch spielten die USA eine Art „Vorstandsrolle“, die die Europäer zur Zusammenarbeit zwang. Der Anreiz zu übernationalen Lösungen und zur westeuropäischen Integration ging also Ende der vierziger Jahre von den USA aus.

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Für Westdeutschland erwies sich die amerikanische Prägung als Vorteil. Neben der amerikanischen Hilfe wurde nämlich die deutsche Teilnahme am politischen und wirtschaftlichen Aufbau Europas sichergestellt.

Die entscheidenden Schritte zum Abbau der wirtschaftlichen Kontrollen in Westdeutschland erfolgten in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre, als die Erfolge und die Stabilität der kapitalistisch-liberalen Wirtschaftsordnung bereits sichtbar waren.

Die Produktionskontrollen in den deutschen Schlüsselindustrien wurden allmählich aufgehoben, und 1955 wurden mit dem Abkommen über die Industrieüberwachung praktisch alle wirtschaftlichen Kontrollen offiziell aufge-hoben.

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Wie schnell in Westdeutschland Exportkapazitäten entstanden waren, lässt sich daran ablesen, dass bereits 1951/52 eine Periode der Zahlungsbilanzüberschüsse begann. Schon Ende 1954 betrugen die Gold- und Devisenreserven Westdeutschlands über 2,5 Mrd. Dollar.

Das große Bevölkerungsproblem Westdeutschlands, die Integration von über 14 Mio. Flüchtlingen und Vertriebenen, hatte nur kurzfristig störend gewirkt. Tatsächlich wurde daraus schnell ein Wachstumsfaktor.

Auch die Lohnpolitik der Gewerkschaften war in dieser Phase überaus moderat.

Die Öffnung des deutschen Binnenmarktes für ausländische Konkurrenz regte den Wettbewerb an und entwickelte sich zu einer Grundlinie der deutschen Wirtschaftspolitik.

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S33. Außenhandelsbilanz der BRD 1950-1965

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Die internationalen Institutionen, in die Westeuropa und die Bundesrepublik eingebunden wurden, waren im wesentlichen auf amerikanische Initiative zustande gekommen.

Dies galt für das Internationale Währungssystem von Bretton Woods (1944) und das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) aus dem Jahr 1947.

Das Währungssystem des IWF war auf eine fixierte Gold-/Dollarparität und feste Wechselkursraten zwischen den Hauptwährungen begründet. 35 US-Dollar entsprachen dem Gegenwert einer Unze Gold.

Das GATT war eine multilaterale Verpflichtung zur Handelsliberalisierung, die auf Gegenseitigkeit, Gleichbehandlung und dem Meistbegünstigungsprinzip beruhte. Beide waren der Kern des von den USA gesetzten liberalisierten globalen Wirtschaftssystems der Nachkriegsperiode.

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Die nationalen Wirtschaftspolitiken sollten sich den Spielregeln der interna-tionalen Wirtschaftsordnung anpassen und unterordnen.

Neben der amerikanischen Hegemonialrolle, die diese Institutionen durch-setzen konnte, spielte der gemeinsame Erfahrungshintergrund der Weltwirt-schaftskrise vom Anfang der dreißiger Jahre eine prägende Rolle.

Der protektionistische, konkurrierende Marsch in den Ruin sollte diesmal gemeinsam verhindert werden.

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Die amerikanische Hegemonialrolle war damals unangefochten. Die einzige prosperierende Wirtschaft der unmittelbaren Nachkriegs-phase spielte nicht nur die Führungsrolle, sondern fungierte auch als Wachstumsmotor und Kreditgeber.

Die Verzahnung mit amerikanischen politischen Zielen war dadurch gegeben, dass durch den europäischen Wiederaufbau mit amerikanischer Hilfe auch die Eindämmungspolitik gegenüber dem Osten gestützt würde.

Aus amerikanischer Sicht liefen politische Eindämmung, strategische Abschreckung und wirtschaftliche Hegemonie Hand in Hand. Für die amerikanische Wirtschaft selbst ergab sich die „offene Tür“ in den westeuropäischen Wirtschaftsraum.

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Der Osten wurde, nachdem auf Stalins Geheiß eine Teilnahme am Marshall-Plan unterbunden worden war, als ein Raum definiert, mit dem der Güterverkehr einer strategischen Kontrolle durch eine westliche Aufsichts-behörde, das COCOM (Coordinating Committee for Multilateral Export Control), unterstellt wurde.

Für Westeuropa zog dies klare marktwirtschaftlich geprägte Verhältnisse nach sich.

Die Integration der westeuropäischen Wirtschaft ohne Rücksicht auf osteuropäische Bedürfnisse war wegen der Kompatibilität der Wirtschafts-systeme sehr viel einfacher als es bei einer Beteiligung der von Moskau kontrollierten Planwirtschaften der Fall gewesen wäre.

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Aus Bonner Sicht warf all dies wenig Probleme auf, weil Wahl und Notwendigkeit zusammenfielen. Der Bonner Regierung musste der amerikanische Kurs nicht aufgedrängt werden, sie begab sich freiwillig auf diesen Pfad.

Der sozialdemokratische Widerstand gegen die Wiederbelebung des internationalen Kapitalismus blieb ein oppositionelles Randphänomen. Nicht die Regierung hatte sich anzupassen, sondern die Sozialdemokraten.

Aus westdeutscher Sicht boten die USA nicht nur Sicherheit vor der Sowjetunion, sondern auch das Rezept für den wirtschaftlichen Wieder-aufstieg, das sogenannte Wirtschaftswunder.

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Diese war anfänglich in der Person des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard verkörpert. Danach blieb der Staat für die Wirtschaftsordnung zuständig, überließ aber dem Markt den Wirtschaftsablauf.

In der Bundesrepublik entwickelte sich eine von deutschen Eigenheiten geprägte neoliberale Richtung, die soziale Markt-wirtschaft.

Um Marktverzerrungen durch Monopole zu verhindern, wurde ein Kartellamt geschaffen, die Geldwertstabilität sollte durch eine Zentralbank, die Bank Deutscher Länder und seit 1957 die Deutsche Bundesbank mit weitgehender Unabhängigkeit von der Regierung, garantiert werden.

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So wie Adenauer ein Wiederaufleben des deutschen Na-tionalismus durch die Westintegration zu verhindern suchte, vertraute Erhard auf die ausgleichenden Kräfte einer modernen globalen Marktwirtschaft zur Einhegung nationalwirtschaftlicher Interessen.

Insoweit ergänzten sich die Auffassungen des Bundeskanzlers und seines Wirtschaftsministers. Sie unterschieden sich aber in ihrer Betrachtung der europäischen Wirtschaftsregion.

Erhard wollte getreu den volkswirtschaftlichen liberalen Lehrbüchern eine globale Wirtschaftsordnung und lehnte ein engeres regionales europäisches Wirtschaftssystem ab.

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Der Globalismus, der im Grunde ein Atlantizismus war, wurde genauso verfolgt wie der EG-Regionalismus.

Tatsächlich konnte die Bundesrepublik für lange Zeit beide Zielrichtungen (Regionalismus und Globalismus) versöhnen.

Schon in der Mitte der fünfziger Jahre stellte sich die Frage der Geldwert-stabilität der D-Mark angesichts eines Trends zur importierten Inflation. Die D-Mark geriet unter Aufwertungsdruck, dem sich die deutsche Exportindustrie widersetzte.

Die Fixierung auf Exportüberschüsse ließ die deutsche Wirtschaft eine Beeinträchtigung ihrer Konkurrenzfähigkeit durch eine Aufwertung fürchten.

Einige Betrachter interpretierten dies als Ausdruck eines kaum verhüllten deutschen Neo-Merkantilismus.

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Der Widerspruch zwischen globaler Interdependenz und regionaler Integration musste von der Bundesrepublik nicht im Sinne einer eindeutigen Entscheidung für die eine oder andere Variante gelöst werden.

Solange die USA von der Bundesrepublik keine solche Entscheidung forderten, konnte zweigleisig gefahren werden.

Die USA waren ja selbst für die wirtschaftliche Vereinigung Westeuropas, um diese Region gegen den Osten zu stärken und um Deutschland einzubinden.

Aus der Sicht der fünfziger Jahre konnten sich die USA diesen Kurs leisten. Erst viel später brachte der wirtschaftliche Zusammenschluss in Europa für die USA auch wirtschaftliche Nachteile.

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Hintergrund des Vorschlags aus Frankreich war, dass diese Montanunion die Ruhr-Industrie Deutschlands kontrollieren würde und einen ungehinderten wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen Deutschland und Frankreich vermeiden würde.

Die westeuropäische Integration begann im Mai 1950 mit dem Vorschlag des französischen Außenministers Robert Schuman, einen gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl für Frankreich, die Bundesrepublik, die Benelux-Staaten und Italien zu bilden.

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Das Integrationsziel war also aus französischer Sicht ein Kontrollmittel. In der Bundesrepublik wurden die Vorteile einer Montanunion nicht übersehen. Sie würde die Abschaffung der internationalen Ruhr-Behörde mit sich bringen, eine friedliche Lösung der Saar-Frage aufweisen können und auf eine Erweiterung der deutschen Befugnisse hinauslaufen.

Statt eines alliierten Kontrollinstruments, der Ruhr-Behörde, würde es dann eine übernationale Institution geben, in der die Bundesrepublik gleichberechtigt als Mitglied auftreten könnte. Politische Gleichberechtigung und wirtschaftliche Vorteile übten verständlicherweise auf die deutsche Regierung große Attraktivität aus.

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In den Verträgen von Rom verpflichteten sich die sechs Mitglieder der Montanunion zur Abschaffung von Handelsbeschränkungen und zur Einfüh-rung eines gemeinsamen Außenzolls. Sie gründeten ferner eine Europäische Atomgemeinschaft, die Euratom.

Ein ähnliches Interessenkalkül auf Seiten aller Beteiligten führte 1957 zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

Sondervereinbarungen galten für die französischen und belgischen Kolonien sowie für den innerdeutschen Handel. Praktisch wurde die DDR stilles Mitglied der gemeinsamen Zollunion.

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Der Kern der EWG war der Wirtschaftspakt zwischen Frankreich und der Bundesrepublik. Die deutsche Seite bekam einen erweiterten Markt für ihre Industrieprodukte, die französische für ihre Agrarprodukte. Die langfristigen wirtschaftlichen Vorteile der EWG waren für die Bundesrepublik enorm.

Die Wiederaufbauphase war beendet, jetzt bot der Gemeinsame Markt den sechs Mitgliedsstaaten neue Wachstumschancen. Im Vergleich dazu gewann Frankreich weniger. Die Agrarmarkterweiterung war ein Vorteil, daneben wurde jedoch die französische Industrie direkt dem Konkurrenzdruck der überlegenen deutschen Industriewirtschaft ausgesetzt.

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Vorteil, daneben wurde jedoch die französische Industrie direkt dem Konkurrenzdruck der überlegenen deutschen Industriewirtschaft ausgesetzt.

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Aus der Rückschau waren die Römischen Verträge keinesfalls ein revolutionärer Integrationsschritt. Die Europa-Idee war längst nicht so dynamisch, wie es ihre Anhänger darstellten.

Die wirtschaftlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten waren durchaus unterschiedlich. Jeder Mitgliedstaat hatte seine eigene Wirtschaftskultur. Das Verhältnis zwischen Staat und Markt war in Deutschland anders als in Frankreich, Italien hatte seine eigene Variante.

Die Widerstände, die sich einer koordinierten Politik entgegenstellten, waren also erheblich. Von Anfang an ergaben sich komplizierte Verteilungsfragen. Die Regeln der Gemeinsamen Agrarpolitik und das gemeinsame Agrarpreis-system waren Dauerbrenner in der Debatte.

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Jedes Mitglied hatte sehr unterschiedliche Verhältnisse etwa zu den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und Osteuropa, zum Nahen Osten und zu Afrika. Frankreich und Belgien wollten durch die EWG ihre Kolonialpolitik neu beleben, die Bundesrepublik wollte ihr Sonderverhältnis mit der DDR gewahrt wissen und pflegen.

Der größte Mangel war das Fehlen einer wirksamen gemeinsamen Geldinstitution. Die Entwicklung der Währungsbeziehungen ging noch für längere Zeit in eine globale Richtung, die des Handels in den Regionalismus.

Auch die außenpolitischen Interessen der EWG-Mitglieder diver-gierten stark

Praktisch konnte längere Zeit überhaupt nicht von Integration und gemeinsamen Institutionen gesprochen werden, sondern eher von Zunahme der Koordinierung nationaler Wirtschaftspolitiken. Anfangs war Koordination der Ersatz für Integration in der EWG.

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Trotz der politischen und institutionellen Schwächen ging der Weg aber in die integrative Richtung.

Zu Recht wurden Integrationstheorien am Beispiel der EWG entwickelt. Für lange Zeit blieb die EWG das einzige erfolgreiche Integrationsexperiment. Für die westdeutsche Außenwirtschaftspolitik war es ein Forum wachsenden Einflusses.

Im Unterschied zur militärischen Integration in der NATO, die Deutschlands Abhängigkeit ausdrückte, trug die wirtschaftliche Integration in der EWG schnell politische und ökonomische Früchte und vergrößerte rasch den deutschen Einfluss.