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CHOR UND SAXOPHON 27.06.2014 PHILIPP AHMANN LEITUNG RASCHÈR SAXOPHONE QUARTET SAISON 2013/2014 SONDERKONZERT

27.06.2014 CHOR UND SAXOPHON - NDR.de

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Page 1: 27.06.2014 CHOR UND SAXOPHON - NDR.de

CHOR UND SAXOPHON27.06.2014

PHILIPP AHMANN LEITUNG RASCHÈR SAXOPHONE QUARTET

SAISON 2013/2014 SONDERKONZERT

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NDR CHOR & RASCHÈR SAXOPHONE QUARTET

LEITUNG

IAN WILSON (*1964)

JOHN TAVENER (1944 – 2013)

IVAN MOODY (*1964)

FREITAG, 27. JUNI 2014, 20 UHR

HAMBURG, ROLF-LIEBERMANN-STUDIO

19 Uhr: Einführungsveranstaltung mit Ilja Stephan

PHILIPP AHMANNNDR CHORRASCHÈR SAXOPHONE QUARTET

nine(birds)here

für 8-stimmigen gemischten Chor a cappella

(1990)

Nr. 1

Nr. 2

i carry your heart

für 5-stimmigen gemischten Chor a cappella

(2011)

The Lamb

für 4-stimmigen gemischten Chor a cappella

(1982)

He Who Clothed Himself …

für 8-stimmigen gemischten Chor a cappella

(2004)

Ausschnitte aus dem Konzert werden am Mittwoch, den 8. Oktober 2014, um 21 Uhr im Rahmen der Sendung „neue musik“ auf NDR Kultur gesendet.

02 | PROGRAMMABFOLGE

12728_CHOR_rascher_13_14_PRO_4c 2 11.06.14 11:20

IAN WILSON

NICOLA LEFANU (*1947)

IVAN MOODY

Little red fi sh

für Saxophonquartett und 8-stimmigen

gemischten Chor (2006)

PAUSE

Moon Over Western Ridge, Mootwingee

für Saxophonquartett (1985)

Moons and Suns

für Saxophonquartett und 8-stimmigen

gemischten Chor (2008)

In Kooperation mit NDR das neue werk

PROGRAMMABFOLGE | 03

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04 | LEITUNG

LEITUNG

Philipp Ahmann ist seit der Saison 2008/09 Chor-

direktor des NDR Chores in Hamburg. Vor Kurzem

hat er seinen Vertrag um weitere fünf Jahre ver-

längert. Unter seiner Leitung wurde eine eigene

Abonnement-Reihe des Chores gegründet, die

seither bei Publikum und Kritik begeisterten An-

klang findet. Neben der Erarbeitung der A-cappella-

Literatur aller Epochen hat Philipp Ahmann sich

auch einen Namen mit Interpretationen oratori-

scher Werke vom Barock bis zur Moderne gemacht,

darunter Kompositionen von Bach, Händel, Mozart,

Haydn, Berlioz, Kagel, Gubaidulina und MacMillan.

Dabei arbeitete er mit Orchestern der Alten Musik

wie Concerto Köln, dem Elbipolis Barockorchester

Hamburg und Concerto con Anima sowie mit Spe-

zialensembles der Neuen Musik wie dem Raschèr

Saxophone Quartet, dem Ensemble Re sonanz

und dem Gürzenich-Orchester Köln zusammen.

Produktionen mit der NDR Bigband und NDR Brass

sowie die Leitung des NDR Mitsingprojektes

SINGING! mit über 600 Sängerinnen und Sängern

in der vergangenen Spielzeit unterstreichen seine

Vielseitigkeit. Die 2012 und 2014 erschienenen CDs

„Venezia“ und „A quattro cori“ mit dem NDR Chor

stießen bei der Kritik auf große Zustimmung.

Philipp Ahmann wurde 1974 geboren. Er studierte

in Köln Dirigieren bei Marcus Creed und erhielt

weitere Impulse durch die Arbeit mit Peter Neu-

mann, Frieder Bernius und Robin Gritton. In der

Spielzeit 2005/06 begann Ahmann seine Arbeit mit

Rundfunkchören, zunächst mit dem SWR Vokal-

ensemble Stuttgart und dem NDR Chor. Eine regel-

mäßige Zusammenarbeit verbindet ihn zudem mit

dem MDR Rundfunkchor und dem WDR Rundfunk-

chor, wo er – neben Einstudierungen – Produktio nen

leitet und Konzerte dirigiert. Zur Saison 2013/14

wurde er vom MDR Rundfunkchor als Erster Gast-

dirigent berufen. Für renommierte Dirigen ten wie

Christoph von Dohnányi, Thomas Hengelbrock,

Semyon Bychkov, Gerd Albrecht, Peter Eötvös und

Heinz Holliger studierte Philipp Ahmann Werke

der verschiedensten Stil epochen ein.

PHILIPP AHMANN

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Seit seiner Gründung 1969 trat das Raschèr Saxo-

phone Quartet regelmäßig in den bedeutendsten

Konzertsälen der Vereinigten Staaten, Asiens und

Europas auf (Carnegie Hall und Lincoln Center

New York, Kennedy Center Washington D. C., Opera

Bastille Paris, Royal Festival Hall London, Phil-

harmonie Köln, Finlandia Hall Helsinki, Concert-

gebouw Amsterdam, Schauspielhaus Berlin, Musik-

verein Wien, Tonhalle Zürich, Parco della Musica

Rom, Dewan Filharmonik Petronas Kuala Lumpur,

National Concert Hall Taipei). Das Ensemble setzt

eine Tradition fort, die in den 1930er-Jahren von

Sigurd Raschèr, dem Pionier des klassischen

Saxophons und Gründer des Quartetts, begonnen

wurde. Er regte viele Komponisten an, Stücke für

ihn zu schreiben. In ganz ähnlicher Weise hat

das Quartett über 290 Komponisten inspiriert,

ihm Werke zu widmen, dazu zählen: Aho, Berio,

Bergman, Bialas, Dean, Denhoff, Donatoni, Firsowa,

Glass, Gubaidulina, Halffter, Kaipainen, Keuris,

de Raaff, Maros, Moe, Nilsson, Nordgren, Nørgard,

Raskatov, Rosenblum, Sandström, Stucky, Terzakis,

Wuorinen, Xenakis und Chen Yi.

Neben den zahlreichen Aufführungen des Raschèr

Quartet und seiner Zusammenarbeit mit den

weltweit führenden Orchestern ist das Quartett

mit vielen Instrumental- und Gesangsformationen

aufgetreten. So z. B. mit NDR Chor, WDR Rund-

funk chor Köln, Rias Kammerchor, Finnish Radio

Choir, Belgian Radio Choir, Icelandic National

Cathedral Choir und Netherlands Chamber Choir.

Die Auftritte des Quartetts, mit oder ohne Be-

gleitung, haben verschiedenste Komponistinnen

und Komponisten dazu inspiriert, für die Raschèrs

zu komponieren. Zu den Komponistinnen und

Komponisten, die dem Raschèr Quartet Werke

gewidmet haben, zählen u. a.: Luciano Berio,

Erkki-Sven Tüür, Bernd Franke, Stefan Thomas,

Giya Kancheli, Mauricio Kagel und Sofia Gubaiduli-

na. Das Raschèr Quartet hat keine führende Stim-

me, sondern ist demokratisch organisiert.

Christine Rall, Sopransaxophon

Elliot Riley, Altsaxophon

Bruce Weinberger, Tenorsaxophon

Kenneth Coon, Baritonsaxophon

RASCHÈR SAXOPHONE QUARTET

RASCHÈR SAXOPHONE QUARTET | 05

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In der Spielzeit 2013/14 zeigt der NDR Chor unter

der Leitung seines Chordirektors Philipp Ahmann

die ganze Bandbreite seines Repertoires und sei ner

Möglichkeiten. Im Mittelpunkt steht die Abonne-

mentreihe mit thematisch konzipier ten A-cappella-

Konzerten, mit renommierten Gast solisten und

Ensembles. Daneben ist der NDR Chor – als der

professionel le Konzertchor des Nordens – mit

einem vielfältigen Programm im gesamten Sende-

gebiet des NDR und darüber hinaus präsent.

Zu seinen Partnern zählen dabei alle Ensembles

des NDR bis hin zur NDR Bigband sowie eine

Reihe renommierter Solis ten, Orches ter und

Dirigen ten. Einladungen führen den NDR Chor

zum Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des

SWR und zum WDR Sinfonieorchester Köln sowie

zu ge mein sa men Konzerten mit dem SWR Vokal-

ensemble Stuttgart und dem RIAS Kammerchor.

In der Spiel zeit 2013/14 konzertierte er darüber

hinaus u. a. mit dem FestspielOrchester Göttingen

und der Accademia Bizantina.

Regelmäßig gastiert der NDR Chor bei renom-

mier ten Festivals: in dieser Spielzeit u. a. beim

Schleswig-Holstein Musik Festival, der Bachwoche

Ansbach, den Internationalen Händel-Festspielen

Göttingen, den Händel-Festspielen Halle, den

Festspielen Mecklenburg-Vorpommern und dem

internationalen Kirchenmusik-Festival „Anima

Mundi“ in Pisa.

NDR CHOR

06 | NDR CHOR

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NDR CHOR

SOPRANRegine Adam

Bettina Hunold

Keiko Enomoto

Katharina Sabrowski

Stephanie Stiller

Sylke Alshuth

Raphaela Mayhaus

Agnes Kovacs

Chiyuki Okamura

TENORDantes Diwiak

Joachim Duske

Aram Mikaelyan

Johannes Gaubitz

Stephan Berghammer

Götz-Phillip Körner

Michael Schaffrath

Victor Schiering

ALTAlmuth Pessara

Gabriele-Betty Klein

Ursula Ritters

Christa Diwiak

Ina Jaks

Kristien Daled

Katharina Heiligtag

Tiina Zahn

BASSChristoph Liebold

Christfried Biebrach

Dávid Csizmár

Frederick Martin

Andreas Pruys

Clemens Heidrich

Thomas Bonni

Rudolf Preckwinkel

DER NDR CHOR BEI FACEBOOKAlle Infos über den NDR Chor, seine Konzerte und das Abonnement gibt es natürlich auf unserer Homepage.Der NDR Chor ist auch auf Facebook vertreten. So können Sie auch über die sozialen Netzwerke im Kontakt mit uns bleiben!

CHORDIREKTORPhilipp Ahmann

NDR CHOR | 07

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MIND THE GAP

In jeder Sprache gibt es Wendungen, die sich

nicht übersetzen lassen. In ihnen drückt sich eine

Er fah rung aus, die nicht zu trennen ist von der Ge -

schichte und Lebenswelt derer, denen ihr Schna bel

nun mal so gewachsen ist. Das englische „common

sense“ etwa wird im Deutschen entweder mit

„gesunder Menschenverstand“ oder „Gemeinsinn“

wiedergeben. Doch beides greift zu kurz: „Common

sense“ ist, was jeder erfühlt, und auf das sich alle

ohne akademische Diskussion einigen können; es

ist das Einfache, Starke, Direkte, das die gemein-

same Basis jeder Menschlichkeit bildet. Vielleicht

ist es kein Zufall, dass im Mutterland dieses bo den-

ständigen Konzepts auch in Sachen Musik die Uhren

immer etwas anders tickten als in Resteuropa:

Als im 17. Jahrhundert die extravagante Gattung

Oper ihren Siegeszug auf dem Kontinent antrat,

verfolgte man auf der Insel ebenso eigensinnig

seinen eigenen Weg wie nach dem Zweiten Welt-

krieg, als die Darmstädter Avantgardisten auf dem

Festland den Ton angaben. Das heutige Konzert

vereint vier britische Komponisten (zwei Engländer

und zwei Iren, um genau zu sein), die für das

Raschèr Saxophone Quartet Werke komponiert

haben. Das Programm bietet somit einen vielleicht

nicht repräsentativen, doch aufschlussreichen

Überblick über das, was in den vergangenen drei

Jahrzehnten jenseits von Kanal – und irischer See –

für Chor und/oder Saxophon komponiert wurde.

08 | PROGRAMM

Max Heimann: „Stillleben mit Saxophon“

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PROGRAMM | 09

WILSON: LIEBE UND HASSAuf die Frage nach den bestimmenden Einflüssen

in seiner Musik antwortet der irische Komponist

Ian Wilson zumeist mit der Kombination zweier

Namen, die sonst selten in einem Atemzug ge nannt

werden: Morton Feldman und Dmitrij Schostako-

witsch. An Feldman schätze er dessen „wunder-

bares Ohr für Farben sowie einen Sinn für die

Balance zwischen Klängen und die Entfaltung von

Ereignissen“. Mit Schostakowitsch verbindet Wilson

vor allem „die Fähigkeit, auf einer affektiven Ebene

mit dem Hörer zu kommunizieren“. Diese Qualitäten

seiner beiden Vorbilder wolle er in seiner eigenen

Musik vereinen. Einen guten Eindruck davon, wie

Wilson das realisiert, bietet schon eine seiner

ersten Kompositionen: „nine(birds)here“ aus dem

Jahr 1990. In der Lyrik des US-amerikanischen

Dichters E. E. Cummings, dessen Gedichte Wilson

hier zugrunde legt, begegnen sich Konvention und

Avantgarde. Cummings’ Themen sind altbekannt:

die ewige Liebe, die schöne Natur. Avantgardis tisch

wirken seine Gedichte durch die konsequente

Kleinschreibung und ihre Typografie. Der Dichter

bricht die Sätze, Worte und Silben auf, setzt schein-

bar willkürlich Zeilenumbrüche, Freizeilen oder

Klammern. So muss der Leser aus den Wort- und

Satzfragmenten den vertrauten Sinn neu zusam-

mensetzten. In „nine(birds)here“ überträgt Wilson

den fragmentierten Charakter von Cummings’

Gedichten in musikalische Strukturen. Einzelne

Satzteile und Worte werden in klar voneinander

abgesetzten Blöcken vertont oder in Schichten

übereinander gesetzt. Jeder Gedanke wird so zu

einem besonderen musikalischen Ereignis.

Zwanzig Jahre nach „nine(birds)here“ hat Wilson

sich noch einmal mit Cummings beschäftigt.

Dessen Gedicht „i carry your heart with me“ wurde

wohl auch deshalb eines der beliebtesten Liebes-

gedichte englischer Sprache, weil Cummings hier

weitgehend auf typografische Kunstgriffe verzich-

tete und ein ebenso schlichtes wie ergreifendes

Liebesbekenntnis schuf. Wilson vertonte Cummings’

Gedicht als musikalische Morgengabe zur Hochzeit

eines befreundeten Paares.

Für Oskar Kokoschka war die Liebe eine proble-

matische Angelegenheit. Nachdem seine Geliebte

Alma Mahler sich von ihm getrennt hatte, ließ er

eine Puppe nach ihren Maßen anfertigen, enthaup-

tete das Abbild seiner Ex-Muse und stellte es mit

Rotwein übergossen in seinem Garten aus. Diese

Form, den Trennungsschmerz zu überwinden, hatte

bei dem Enfant terrible der Wiener Expressionisten

Tradition. Im Jahre 1908 war es die 17-jährige

Lilith Lang gewesen, die Kokoschka zurückgewiesen

hatte. Dem „Mädchen Li“, wie er sie nannte,

widmete der junge Kokoschka sein Gesellenstück

„Träumenden Knaben“. Dieses Kinderbuch mit

Druckgrafiken und Texten Kokoschkas beginnt

mit dem – allenfalls für radikale Freudianer kind-

gemäßen – Gedicht „rot fischlein“, das Ian Wilson

2006 für den National Chamber Choir of Ireland

und das Raschèr Saxophone Quartet vertonte.

Völlig ungehemmt durch Erziehung, Moral oder

Mitgefühl lässt Kokoschka auch in diesen Fibel-

versen seinen sadistischen Zerstücklungsfantasien

freien Lauf; die durch Symbolismus kaum ka -

schierte Angst vor der weiblichen Sexualität schlägt

um in reine Zerstörungswut. Ian Wilson bleibt in

„Little red fish“ dem Verfahren treu, das er in den

Cummings-Vertonungen entwickelt hatte. Der Zer-

stücklungstext wird in Worte, Silben und Phoneme

zerteilt; nur Schlüsselworte wie „Messer“, „tot“ und

„reiss-(en)“ treten, häufig auf schneidend scharfe

Sekundklänge gesetzt, aus dem Silbengemetzel

deutlich hervor.

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10 | PROGRAMM

LEFANU: WÜSTE IM MONDSCHEINEin Besuch im australischen Outback inspirierte die

Komponistin Nicola LeFanu zu ihrem Stück „Moon

Over Western Ridge, Mootwingee“, das sie 1984

für das Raschèr Quartet komponierte. Mootwingee

war eine zentrale Kultstätte der australischen

Ureinwohner; in zahllosen Malereien und Reliefs

haben die Aborigines dort ihr Wissen von der

„Traumzeit“ festgehalten. Über den Zusammenhang

zwischen Reiseeindrücken und Musik schreibt

LeFanu: „Vielleicht wird der Hörer einige Bilder

erkennen können, die ich von dieser Reise mit-

brachte: große Distanzen, große Stille; uralte Bäume

stehen im weißen Sand eines ausgetrockneten

Flussbettes; goldene Akazienhaine voller Vögel;

grau-grüne Wüste, so weit das Auge blicken kann,

unterbrochen von zerklüfteten Hügeln; Formen –

immer veränderlich –, im Flirren der Mittagshitze

oder der schattigen Welt einer Mondscheinnacht.“

Die Einzigartigkeit und Fremdheit dieser Landschaft

verband sich für LaFanu mit einer Klangerfahrung,

die sie dem Raschèr Quartet verdankte: „Die Mög-

lichkeit, mikrotonale Klänge einzubeziehen, er öff ne te

sich mir 1983, nachdem ich das Raschèr Saxopho ne

Quartet gehört hatte. Die Leichtigkeit und Feinheit

ihrer Intonation war außerordentlich. Das erlaubte

mir, für das Quartett, das ich für sie schrieb, eine

harmonische Welt zu entwerfen, die viel einfacher

war als das, woran ich gewohnt war, und doch nicht

weniger reich an Möglichkeiten. Von einer modalen,

äolischen Homophonie [entspricht den weißen

Tasten auf dem Klavier; IS] ändert die Musik die

Perspektive in dem Maße, wie sie alteriert wird: erst

chromatisch [Töne auf den schwarzen Tasten kom-

men hinzu; IS] und dann in Vierteltönen [Tonschritte,

die kleiner sind als auf der Klaviatur; IS]. Ich fand

es bezaubernd, Schatten und Mehrdeutigkeit um

ein simples, modales Gerüst herum zu schaffen.“

TAVENER: KINDHEIT UND UNSCHULDSir John Tavener gelang etwas, von dem viele

Komponisten so genannter E-Musik nicht einmal

träumen mögen: Er landete echte Hits. Als bei der

Trauerfeier für die Königin der Herzen der Trauer-

zug mit dem Sarg der Princess Diana Westminster

Abbey verließ, erklang sein „Song For Athene“ –

und die halbe Welt hörte via BBC zu. Der populärste

britische Komponist unserer Zeit war eine schillern-

de Persönlichkeit: Furore machte er zuerst mit

der 1966 geschriebenen, avantgardistischen

Kantate „The Whale“, deren Aufnahme später auf

dem Beatles-Label Apple Records erschien. Von

der überbordenden Komplexität in „The Whale“

entfernte sich Tavener in den folgenden Jahren

immer weiter. Schließlich kündigte der Komponist

dem Projekt der Moderne vollends die Gefolg-

schaft; 1977 trat er der Russisch-Orthodoxen Kir-

John Tavener

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PROGRAMM | 11

che bei und pflegte fortan einen tonalen, auf

größtmögliche Reduktion bedachten Stil. Als „Holy

Minimalism“ etikettierte die Presse seine von

Wiederholungen geprägte, statische und an der

alten Kirchenkunst orientierte Musik.

„The Lamb“ zählt zu Taveners Greatest Hits; alleine

37 CD-Einspielungen sind auf der Website des

Komponisten verzeichnet. Als Vorlage für sein

chorisches Wiegenlied wählte Tavener ein Gedicht,

das der englische Poet und Grafiker William Blake

1789 in seinem „Buch der Unschuld“ veröffentlicht

hatte. Kindheit, Unschuld und Gottesebenbildlich-

keit werden hier zusammengedacht. Dazu schuf

Sir John eine Musik, die aus wenigen gleichbleiben-

den Melodiezeilen besteht; durch einfache Wie-

der holung werden diese Versatzstücke zu einer

zweiteiligen Form ausgebaut. „Mit äußerster Sanft-

heit, flexibel, immer vom Wort geleitet“ sei die

kleine, seinem 3-jährigen Neffen Simon gewidmete

Mo tette zu singen, schrieb der Großmeister der

spiritu ellen Töne dazu als Vortragsanweisung.

Das Tempo ist dabei – wie fast immer bei Tavener –

sehr ge mäßigt. „Mein Herz schlägt im Tempo

vierzig“, soll der musikalische Mystiker einmal

bekundet haben. Und tatsächlich gab Tavener auch

für „The Lamb“ einen Ruhepuls von Viertel = 40

als Tempoangabe vor.

MOODY: LICHT UND DUNKELWährend John Taveners Werk in schwer zu fassender

Weise zwischen Pop und Spiritualität oszilliert,

waltet bei seinem Schüler und Glaubensbruder

Ivan Moody stets heiliger Ernst. Moody studierte an

der Universität im finnischen Joensuu orthodoxe

Theologie und ließ sich zum Priester weihen. Als

Forscher hat Moody sich intensiv mit den kirchen-

musikalischen Traditionen der Ostkirche sowie der

Volksmusik Sardiniens und Portugals auseinander-

gesetzt; als Publizist gab er ein Standardwerk über

zeitgenössische Musik und Religion heraus und

widmete sich dem großen Umbruch in der europä-

ischen Kunstgeschichte, als die Maler der Früh-

renaissance die Perspektive entdeckten und somit

vom Vorbild der byzantinischen Ikonen abrückten.

Viel strikter und enger als Tavener orientiert Moody

sich in seiner Musik am Vorbild der Ostkirchen.

Oberstes Gebot dieser Musik, die nicht als ein

ästhetisches Artefakt genossen, sondern als Ritual

erlebt werden soll, ist die Textverständlichkeit.

Eng damit zusammen hängt die Frage der Mehr-

stimmigkeit, die es nach strenger Auslegung in

der Musik der Orthodoxie nicht gibt. – So widmet

Moody auf der Suche nach Anknüpfungspunkten

für sein Komponieren einige Untersuchungen der

mehrstimmigen Tradition der serbischen Kirchen-

Ivan Moody

12728_CHOR_rascher_13_14_PRO_4c 11 11.06.14 11:20

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12 | PROGRAMM

musik und jüngeren Entwicklungen in Russland

seit dem 17. Jahrhundert. An dem 2004 entstan-

denen „He Who Clothed Himself …“ nach einem

Text der orthodoxen Karfreitagsliturgie lassen

sich die Grundzüge von Moodys Musik gut nach-

vollziehen. Melodisch und harmonisch sei die Musik

am Vorbild des byzantinischen Chorals orientiert,

schreibt der Komponist. Im Vordergrund steht stets

die melodische Linie; wo Moody Mehrklänge auf-

schichtet, überlagern sich die Stimmen meist im

selben Rhythmus, so dass die Textverständlichkeit

nie leidet. Als elementare Form der Mehrstimmig-

keit übernimmt Moody aus der byzantinischen

Tradition den so genannten Ison; einen unverändert

liegenbleibenden Dauerton, über dem wie über

einem klingenden Symbol der Einheit die Melodie

sich entfaltet. Obwohl „He Who Clothed Himself …“

einen achtstimmigen Chor aufbietet, dienen viele

Stimmen doch nur dazu, diesen Ison – gesungen

auf die Silbe „Ah!“ – klanglich weit aufzufächern.

Wirkliche Polyphonie führt Moody erst auf die

Textstelle „remember me“ (gedenke meiner) ein,

ab dort erinnert sich eine Stimme der anderen

und folgt ihr im Kanon.

Ungewöhnlich für Ivan Moodys Schaffen ist das

2008 für Paul Hillier, Ars Nova und das Raschèr

Quartet komponierte „Moons and Suns“. Vielleicht

war es die Begleitung durch ein Saxophonquartett,

die Moody bewog, ausnahmsweise keinen sakro-

sankten Text zu vertonen. Stattdessen wählt er die

49. Rune des finnischen Nationalmythos Kalevala

als Vorlage. Dieses Epos ist zwar nicht ganz so

urtümlich wie es beim ersten Lesen scheinen will –

es wurde erst im 19. Jahrhundert von dem finni-

schen Arzt und Philologen Elias Lönnrot zusammen-

gestellt und nachgedichtet –, doch die Geschichte

hat archetypische Qualitäten: In der 49. Rune wird

von der großen Dunkelheit erzählt, die nach dem

Verschwinden von Sonne und Mond über die Welt

kam. Nachdem auch die Kunstfertigkeit des

Schmiedes Ilmarinen den Verlust der Gestirne nicht

ausgleichen kann, muss der Held Wäinämöinen

ins Reich der Dunkelheit aufbrechen. Mit Gewalt

vermag er dort nichts auszurichten, so hilft am

Ende nur eine List, um das Licht in die Welt zurück-

zubringen. Tatsächlich bietet die 49. Rune also

eine Art pseudo-nordisch-heidnische Variante des

alten Höllenfahrtmotives. Moody vertont die Ge -

schichte in der Haltung eines Erzählers, berichtend

und strukturierend, aber nicht dramatisierend

oder psychologisierend. So wechselt die musikali-

sche Faktur fast mit jedem Vers; der Chor skan-

diert den Text in einfachen Rhythmen; und das

Saxophonquartett streut immer wieder gliedernde

Zwischenspiele ein.

Ilja Stephan

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TEXTE | 13

IAN WILSON NEUN(VÖGEL)HIER

vögel, hier, luft erfindend, die unermesslichkeit

der dämmrung nutzend;

be. schau nun, komme seele; &: und wessen

stimmen sind.

neun vögel (steigend

durch goldenen moment) klett:

ern i

-n

wintriges

zwie-

licht

(alle zusammen eine

vielfaltende

ein

-heit) neun

seelen

nur lebendig mit einem einzigen ge-

heimnis (hebend

gefasst beim fallen) in schweigen!

das sterben der herrlichkeit lebend

NINE(BIRDS)HERE

birds, here, inventing air, using twilight’s vastness;

be. look now, come soul; &: and whose voices are.

nine birds (rising

through a gold moment) climb:

ing i

-nto

wintry

twi-

light

(all together a

manying

one

-ness) nine

souls

only alive with a single mys-

tery (liftingly

caught upon falling) silent!

ly living the dying of glory

(e.e. cummings)

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14 | TEXTE

IAN WILSON ICH TRAGE DEIN HERZ BEI MIR

Ich trage dein Herz bei mir. Ich trage es in

meinem Herzen. Nie bin ich ohne es.

Wohin ich auch gehe, gehst du, meine Teure.

Und was immer nur von mir allein getan wird, ist

auch dein Werk, mein Schatz.

Ich fürchte kein Schicksal, weil du mein Schicksal

bist, meine Süße. Ich brauche keine Welt, denn,

Schöne, du bist meine Welt, meine Wahre,

und du bist, wofür ein Mond jemals stand und was

eine Sonne auch immer singen wird, bist du.

Hier ist das tiefste Geheimnis, das keiner kennt.

Hier ist die Wurzel der Wurzel. Und die Knospe

der Knospe. Und der Himmel des Himmels, eines

Baumes namens Leben. Der höher wächst als die

Seele hoffen, der Geist verbergen kann, und dies

ist das Wunder, das die Sterne in ihren Bahnen hält.

Ich trage dein Herz. Ich trage es in meinem Herzen.

I CARRY YOUR HEART WITH ME

i carry your heart with me (i carry it in

my heart) i am never without it (anywhere

i go you go, my dear;

and whatever is done by only me is your doing,

my darling)

i fear no fate (for you are my fate, my sweet) i want

no world (for beautiful you are my world, my true)

and it’s you are whatever a moon has always meant

and whatever a sun will always sing is you

here is the deepest secret nobody knows

(here is the root of the root and the bud of the bud

and the sky of the sky of a tree called life;

which grows higher than soul can hope or mind

can hide) and this is the wonder that’s keeping the

stars apart

i carry your heart (i carry it in my heart)

(e.e. cummings)

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TEXTE | 15

JOHN TAVENERDAS LAMM

Kleines Lamm, wer hat dich erschaffen?

Weißt du, wer dich erschaffen hat?

Gab dir Leben, bat dich: friss!

Am Fluss und auf der Weide?

Gab dir ein wunderschönes Kleid,

Ein weichstes Kleid, wollig, weiß;

Gab dir eine solch sanfte Stimme,

Die die Täler glücklich macht?

Kleines Lamm, wer hat dich erschaffen?

Weißt du, wer dich erschaffen hat?

Kleines Lamm, ich sag es dir,

Kleines Lamm, ich sag es dir:

Er wird nach dir genannt,

Denn Er nennt sich selbst ein Lamm.

Er ist fromm, er ist mild,

Er wurde selbst ein kleines Kind.

Ich, ein Kind, und du, ein Lamm,

Wir werden beide nach Ihm genannt.

Kleines Lamm, Gott segne dich!

Kleines Lamm, Gott segne dich!

THE LAMB

Little Lamb who made thee

Dost thou know who made thee

Gave thee life & bid thee feed.

By the stream & o‘er the mead;

Gave thee clothing of delight,

Softest clothing wooly bright;

Gave thee such a tender voice,

Making all the vales rejoice!

Little Lamb who made thee?

Dost thou know who made thee?

Little Lamb I’ll tell thee,

Little Lamb I’ll tell thee!

He is called by thy name,

For he calls himself a Lamb:

He is meek & he is mild,

He became a little child:

I a child & thou a lamb,

We are called by his name.

Little Lamb God bless thee.

Little Lamb God bless thee.

(William Blake)

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16 | TEXTE

IVAN MOODYER, DER SICH KLEIDET …

Er, der sich kleidet in Licht als wäre es ein

Gewand stand bloß vor dem Gericht und erhielt

Schläge auf die Wange von den Händen derer,

die Er erschuf: Und als die Gesetzlosen den Herrn

der Herrlichkeit ans Kreuz nagelten, wurde der

Schleier im Tempel entzwei gerissen und die Sonne

verfinsterte sich, unfähig den Anblick des belei-

digten Gottes zu ertragen. Der, vor dem alle Dinge

erzittern. Lasset uns anbeten. Der Jünger leugnete

und der Dieb rief aus: Gedenke meiner, O Herr,

in deinem Königreich. Ehre sei dem Vater und dem

Sohn und dem Heiligen Geist. Nun und immer

und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Gib der Welt

Frieden, gnädiger Herr, der Du dich erniedrigtest

für deine Diener und von einer Jungfrau geboren

wurdest, damit wir dich mit einer Stimme verherr-

lichen können.

HE WHO CLOTHED HIMSELF ...

He who clothed himself with light as it were with

a garment stood naked for the judgment and

received blows on the cheek from the hands of

those He created: and when the lawless people

nailed to the Cross the Lord of glory, then the

veil of the temple was rent in twain and the sun

was darkened, unable to endure the spectacle of

God outraged. Before whom all things tremble.

Let us worship. The disciple denied and the thief

cried out: Remember me (O Lord) in thy Kingdom.

Glory to the Father and the Son and the Holy Spirit.

Now and ever and unto the Ages of Ages. Amen.

[Afton proskynis somen.] Give peace to the world,

Merciful Lord, Thou who didst deign for thy

servant’s sake to become incarnate of a virgin,

that with one voice we may glorify thee.

LITTLE RED FISH

rot fischlein

fischlein rot

stech dich mit dem dreischneidigen messer tot

reiss dich mit meinen fingern entzwei

dass dem stummen kreisen ein ende sei

rot fischlein

fischlein rot

mein messerlein ist rot

meine fingerlein sind rot

in der schale sinkt ein fischlein tot

(Oskar Kokoschka)

IAN WILSON

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TEXTE | 17

IVAN MOODYMONDE UND SONNEN

Noch nicht wollt’ die Sonne scheinen,

Nicht das Gold des Mondes leuchten

In den Stuben von Wäinölä,

Auf den Fluren Kalewala’s;

Frost geriet an alle Saaten,

An die Herden schlecht Befinden,

Lange Weile alle Menschen,

Da das Sonnenlicht nicht strahlte,

Nicht des Mondes Schein erglänzte.

Hob der Schmied sich von der Wand nun,

Von dem Steine sich der Künstler,

Einen neuen Mond zu schmieden,

Eine neue Sonn’ zu schaffen;

Bildet einen Mond von Gold dann,

Eine Sonne neu aus Silber.

Sprach der alte Wäinämöinen:

„O du Schmieder Ilmarinen,

Machest dir vergebne Mühe!

Nicht erglänzt das Gold als Mondlicht,

Strahlet eine Silbersonne.“

Bildet einen Mond der Schmieder,

Hebet sorgsam sie nach oben,

Trägt gar schön sie in die Höhe,

Trägt den Mond zur Fichtenspitze,

In die lange Tann’ die Sonne.

Scheinen wollt’ jedoch der Mond nicht,

Auch die Sonne dort nicht leuchten.

Sprach der alte Wäinämöinen:

„Sage wahrhaft, Loos des Schöpfers,

Rede du, des Gottes Zeichen,

Wohin ist die Sonn’ geraten.“

Bracht’ das Loos nun wahre Worte,

Gab der Männer Zeichen Antwort,

MOONS AND SUNS

Still the sun was never shining,

Neither gleamed the golden moonlight,

Not in Väinölä’s dark dwellings,

Not on Kalevala’s broad heathlands.

Frost upon the crops descended,

And the cattle suffered greatly,

All mankind felt ever mournful,

For the sunlight shone no longer,

Neither did there shine the moonlight.

From the hearth arose the craftsman,

From beneath the wall the craftsman,

That a new moon he might forge them,

And a new sun he might make them,

And a moon of gold constructed,

And a sun he made of silver.

The aged Väinämöinen answered:

„O thou smith, O Ilmarinen,

What you make is wholly useless.

Gold will never shine like moonlight,

Silver will not shine like sunlight.“

He a moon constructed,

Eagerly he raised them upward,

Raised them to the best position,

Raised the moon to fir-tree’s summit,

Set the sun upon a pine-tree.

But the moon shed forth no lustre,

And the sun was likewise rayless.

Said the aged Väinämöinen:

„Tell me, signs of the Creator,

Lots of Jumala, instruct me,

Where the sun is hidden from us.”

And the lot spoke words most faithful,

And the signs made answer truly,

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18 | TEXTE

Sagte, dass die Sonn’ geraten,

Dass der Mond hinabgesunken

In den Steinberg von Pohjola,

In des Kupferberges Innre.

Wäinämöinen eilt von dannen

Nach dem nimmerhellen Nordland,

Schreit zuvor mit allen Kräften

An dem Flusse von Pohjola:

„Bring das Boot, o Sohn des Nordens,

Bring ein Boot dem Wäinämöinen!“

Also sprach der Sohn des Nordens:

„Nicht sind müßig hier die Böte,

Brauch’ die Finger du zum Rudern,

Deine Hand als Steuerruder

Durch den Fluß im Land des Nordens!“

Ging als Hecht dann in die Fluten,

Als ein Schnäpel in das Wasser,

Schreitet durch die Strecke eilends,

Machet einen Schritt, den zweiten,

Schreitet auf des Nordlands Ufer.

Sprachen so des Nordens Söhne,

Redet so der schlimme Haufen:

„Komme nach Pohjola’s Stube!“

Nach Pohjola’s Stube ging er;

Zog das Schwert, enthüllt das Eisen,

Ziehet aus der Scheid’ das wilde,

An der Schneide schien das Mondlicht,

An dem Griffe glänzt’ die Sonne,

Hieb der alte Wäinämöinen

Darauf einmal, dass es blitzte,

Hauet einmal, haut das zweite,

Schälet da gleich Rübenwurzeln,

Schlägt da ab gleich Flachses Köpfen

Dort der Nordlandssöhne Köpfe.

Ging der alte Wäinämöinen

Dieser ew’ge Zaubersprecher,

For they said the sun was hidden,

And the moon was also sunken,

Deep in Pohjola‘s stone mountain,

And within the hill of copper.

Väinämöinen hastened

Unto Pohjola’s dark regions,

Then with all his strength he shouted,

As he came to Pohja’s river:

„Bring a boat, O son of Pohja,

Bring a boat for Väinämöinen.“

Answer made the son of Pohja:

„Here the boats are never ready;

You to row must use your fingers,

And must use your hands for rudder,

Crossing Pohjola’s deep river.“

Like a pike in lake then plunging,

Powan-like in sluggish river,

Speedily the strait he traversed,

And he moved one foot, a second,

And he reached the shore of Pohja.

Then spoke out the sons of Pohja,

And the evil army shouted:

„Enter now the house of Pohja.“

And on this the house he entered,

Sword they drew, and tried their sword-blades,

Drew from out the sheaths their weapons;

At the point the moon was shining,

On the hilt the sun was shining,

And the aged Väinämöinen

Struck a blow with lightning swiftness,

Struck a blow, and struck a second,

And he sheared, like roots of turnips,

Off he shore, like heads of flax-plant,

Heads of all the sons of Pohja.

Then the aged Väinämöinen

He the great primeval sorcerer,

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TEXTE | 19

Mit der Faust die Tür zu rütteln,

Mit der Worte Kraft die Riegel!

Hände öffnen nicht die Türe,

Worte achten nicht die Riegel.

Ging nun nach des Schmiedes Esse,

Redet Worte solcher Weise:

„O du Schmieder Ilmarinen!

Schmied’ mir einen starken Dreizack.“

Selbst der Schmieder Ilmarinen,

Schmiedet was der Mann verlangte,

Schmiedet ihm ein Dutzend Hacken,

Schmiedet ihm ein Bündel Schlüssel,

Schaffet ihm ein Bündel Speere.

Louhi, sie, des Nordlands Wirtin,

Nordlands Alte arm an Zähnen,

Leget Flügel an die Hüften,

Flog durch das weite Meer Pohjola’s,

Zu der Esse Ilmarinen’s, sagend:

„Was denn schmiedest du, o Schmieder,

Und bereitest du, o Hämmrer?“

„Ich Schmiede einen starken Halsring

Für die Alte von Pohjola,

Dass sie angeheftet werde

An dem Saum des festen Berges.“

Louhi, merkte nun das Unheil nahen,

Sah das Unglück sie bedrohen,

Fliehet eilends durch die Lüfte

Und entkommet nach Pohjola.

Ließ den Mond nun aus dem Steine,

Ließ die Sonne aus dem Felsen,

Selbst verwandelt sie das Aussehn,

Fliegt als Taube zu der Schwelle.

„Deshalb bin ich an der Schwelle,

Um die Kunde dir zu bringen,

Schon entstieg der Mond dem Steine,

Kam die Sonne aus dem Felsen.“

Sought with hands the doors to open,

And the bolts by spells to loosen,

But to hands the doors would yield not,

By his spells the bolts were moved not.

To the smith’s forge then he wandered,

And he spoke the words which follow:

„O thou smith, O Ilmarinen,

Forge me now a mighty trident.“

Thereupon smith Ilmarinen,

Forged the hero what he needed,

And a dozen hatchets forged him,

Forged a bunch of keys enormous,

And of spears a mighty bundle.

Louhi, Pohjola’s old Mistress,

Old and gap-toothed dame of Pohja,

Then with wings herself provided,

Flew straight across the lake of Pohja

Unto Ilmarinen’s smithy, saying:

„What is this, O smith, thou makest,

What, O blacksmith, art thou forging?“

„‚Tis a neck-ring I am forging,

For the aged crone of Pohja,

That she may be firmly fettered

To the side of a great mountain.“

Louhi, Felt on this her doom was coming,

On her head the days of evil,

And at once to flight betook her,

Swift to Pohjola escaping.

From the stone the moon released she,

From the rock the sun released she,

Then again her form she altered,

Lit as dove upon the threshold.

„Here I sit upon the threshold,

That the news I now may bring thee.

From the stone the moon has risen,

From the rock the sun is loosened.“

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„Glück auf, Mond, zu frischem Glanze,

Glück auf dir zu schönem Scheine,

Golden glänzt der Tag nun wieder,

Hebt die Sonne sich nach oben!

Frei bist, Goldmond, du des Felsens,

Frei, o Sonne, du geworden,

Gleich dem goldnen Kuckucksvogel,

Gleich der sanften Silbertaube

Gehe deinen Weg mit Wohlsein,

Deine Bahn voll lauter Wonne,

Ende deinen Lauf voll Schönheit,

Ruhe abends aus voll Freude!“

„Hail, O Moon, who beamest yonder,

Thus thy fair cheeks well displaying,

Golden sun who risest yonder,

Sun who once again arisest!

Golden Moon from stone delivered,

Fairest Sun from rock arisen,

Like the golden cuckoo rise you,

Like the silver dove arise you,

Go ye on your path with blessings,

Go ye on your charming journey,

Let your crescent now be beauteous,

Rest ye joyful in the evening.“

(aus: Kalevala, Rune 49)

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Herausgegeben vom

NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK

PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK

BEREICH ORCHESTER, CHOR UND KONZERTE

Leitung: Andrea Zietzschmann

Redaktion NDR Chor:

Marita Prohmann

Redaktionsteam:

Maria Oehmichen, Huberta Crombach, Tanja Siepje

Redaktion NDR das neue werk:

Dr. Richard Armbruster

Koordination:

Janina Hannig

Redaktion Programmheft:

Dr. Ilja Stephan

Der Text von Dr. Ilja Stephan

ist ein Originalbeitrag für den NDR.

Fotos:

Michael Müller | NDR (Titel, S. 6)

Klaus Westermann | NDR (S. 4)

Felix Broede (S. 5)

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Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg

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Druck: Nehr & Co. GmbH

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