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K~orr, Studien iiber Tautomerie. 9 7 Beim langsamen Erhitzen schmilzt der Ester vollstandig bei 68' zusammen. Er besitzt also ebenfalls nur einen scheia- baren Schrnelzpunkt. Meinem Assistenten, Herrn Dr. J. S c hmidt, dessen eifriger Hulfe ich mich bei diesen Versuchen erfreute, spreche ich aueh an dieser Stelle meinen besten Dank aus. 3. Cupitel. Schlussfolgerungen aus dem experimentellen Material. Die wichtigen experimentellen Resultate, die W. Wisli- cenus und L. Claisen bei ihren bahnbrechenden Unter- suchungen gewonnen haben, siiid durch die vorliegenden analogen Ergebnisse bei den Diacylbernsteinsaureestern Punkt fur Punkt bestatigt worden. Bezuglich der theoretischen Deutung des experimentellen Materials bin ich dagegen zu Anschauungen gekomnien , die, wie ich glaube, nicht unerheblich von denen der beiden genannten Forscher abweichen. Beide ") schliessen aus ihren Beobachtungen, dass bei hoheren Temperaturen die a-Formen stabil seien. Claisen schreibt z. B. diese Annalen 291, 29: ,.Die U- Verbindwzg (cr-Acetyldibeizzoylrnethaa) . . . . yeht . . . . bei SO--90° rusch in 8- iiber; die Urnwandlung dzcrch ErhitZen erfolgt glatt. . . . . Noch hbhere [remperatur (von ungefuhr ZZ@) zoandelt m g e k e h r t f in a una; ge- schinolxen gewesene 8- Verbindzcng enthult nach dew Er- kalten reichlich 3/q von dern a-Isorneren, awl ich ver- nzufhe, duss in der Hitze nur clas letztere vorhanden ist. Unterhalb OOo ist also die 8- Modification, oberhalb llOo die a-Modification die bestandige. Ware dus Triketon eine Fliissigkeit, so wiirde es bei gewohnlieher 86) Vergl. Z. €3. W. Wislicenus, diese Aiinaleii 291, 160. Aunalen der Chemie 293. Bd. 7

3. Capitel. Schlussfolgerungen aus dem experimentellen

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K ~ o r r , Studien iiber Tautomerie. 9 7

Beim langsamen Erhitzen schmilzt der Ester vollstandig bei 68' zusammen. Er besitzt also ebenfalls nur einen scheia- baren Schrnelzpunkt.

Meinem Assistenten, Herrn Dr. J. S c h m i d t , dessen eifriger Hulfe ich mich bei diesen Versuchen erfreute, spreche ich aueh an dieser Stelle meinen besten Dank aus.

3. Cupitel.

Schlussfolgerungen aus dem experimentellen Material.

Die wichtigen experimentellen Resultate, die W. Wis l i - c e n u s und L. C l a i s e n bei ihren bahnbrechenden Unter- suchungen gewonnen haben, siiid durch die vorliegenden analogen Ergebnisse bei den Diacylbernsteinsaureestern Punkt fur Punkt bestatigt worden. Bezuglich der theoretischen Deutung des experimentellen Materials bin ich dagegen zu Anschauungen gekomnien , die, wie ich glaube, nicht unerheblich von denen der beiden genannten Forscher abweichen.

Beide ") schliessen aus ihren Beobachtungen, dass bei hoheren Temperaturen die a-Formen stabil seien. C la i sen schreibt z. B. diese Annalen 291, 29:

,.Die U - Verbindwzg (cr-Acetyldibeizzoylrnethaa) . . . . yeht . . . . bei SO--90° rusch in 8- iiber; die Urnwandlung dzcrch ErhitZen erfolgt glatt. . . . . Noch hbhere [remperatur (von ungefuhr ZZ@) zoandelt m g e k e h r t f in a una; ge- schinolxen gewesene 8- Verbindzcng enthult nach dew Er- kalten reichlich 3/q von dern a-Isorneren, a w l ich ver- nzufhe, duss in der Hitze nur clas letztere vorhanden is t . Unterhalb OOo ist also die 8- Modification, oberhalb llOo die a-Modification die bestandige. W a r e dus Triketon eine Fliissigkeit, so wiirde es bei gewohnlieher

86) Vergl. Z . €3. W. W i s l i c e n u s , diese Aiinaleii 291, 160. Aunalen der Chemie 293. Bd. 7

98 K!n o r r , Studien iiber Tautomerie.

Tmperatur w r aus Molekiilen des 8-Xorpers bestehea ; diesen. warden sich von 90° 37) ab zclzd zwar init gesteigerter B i k e immer reichlicher Xolekiile des cr - Korpers beiwertgen und bei etwa 140-150° wurde wohl nur U - Perbindamg uorhamdert sei.n.

Diese Auffassung kann ich nicht theileii, da es ausserst unwahrscheinlich ist, dass das a- Acetyldibenzoylmethan , das bei 80-90° nicht mehr zu existiren vermag, von 1 loo ab wieder stabil werden soll. Ich mochte C1 a i s e n ' s Beobachtungen folgender- massen deuten : Die ,,StabilitBtsgrelzze"") der U - Verbindung liegt bei 80-9O0, diejenige der @-Verbindung bei l l O o . In dem Temyeraturintervall zwischeii 90° und 1 loo ist demnach CL labil, ,5' stabil (absoktc Pseudomerie); unterhalb 90° sind beide als Isomere existenzfiihig (relative Pseudornerie) ; ober- halb l l O o aber ist keine der beiden Formen fur sich allein existenzfahig, es stellt sich, wie z. B. auch in den allioholischeii Losungen, ein Gleichgemichtszustand zwischen den jetzt beider- seits labilen Formen her, die in fortwiihrender Umformung an- genommen werden mussen. An die Stelle der Pseudomerie tritt also bei hoherer Temperatur die Tautomerie.

Das Mengenverhiiltniss der beiden desmotropen Formen in dieser tautomeren Substanz durfte eine Function der Tem- peratur darstellen. Es kann wohl nur auf physikalischem Wege 39),

nicht aber aus der Zusammensetzung der erlialteten Substaiiz ermittelt werden , ebenso wenig wie aucli die aus Losungen z. B. aus verdunntem Alkohol unter verschiedenen Bedingungen

37) 1100 't 38) Siehe 2 . Capitel, Seite 88. 89j Vergl. C l a i s e n , diese Annalen 291, 117. ,,Die Umwandlnngeii

der beiden Isonieren (c l - iind @ -Yesitylosydoxal5ther) beim Er- hitzeii sind also gegenseitige. Der ncide Aether geht beini Destilliren grosstent7ieils iii den neutralen nnd der nentrale E U ? I ~

Lleiizeia il%ed in den aciden iiber. Dss Mengenverhaltniss in d e l Hitze kanii n;rtiirlicli inir anf physikalischem Wege ermittelt werden."

K n o w , Studie.rz Ober Tautomerie. 99

gewonnenen K r y ~ t a l l i s a t i o n e n ~ ~ ) einen Aufschluss uber das Mischungsverhaltniss in der Losung geben konnen.

In gleicher Weise mochte ich die an den Diacylbermtein- sliureestern gemachten Beobachtungen deuten. Die ,,Stubilit&s- grenaeW der drei isomeren Diacetbernsteinsaureester (a, ,3, y ) z. B. liegen bei circa 60°, 85O und 68O. Unterhalb 60° konnen demnach alle drei Formen auftreten, zwiscben 60° und 68O nur [5' und y , zwischen 68O und 85O vermag nur zu existiren. Bei Temperaturen uber 90° stellt der Diacetbernstein- saureester eine ,,tautomere" Substanz dar, i n welcher Enol- and Ketoformen sich unter fortwghrender Umformung in einem Gleichgewichtszustande befinden.

Auch in Losungsmitteln von stark dissociirender Kraft (z. B. in Alkohol) scheint der Diacetbernsteinsaureester a19 tautomere Substanz aufzutreten.

Der Begriff der Tautomerie lasst sich somit jetzt scharfer definiren, als es friiher moglich war. Unter ,,tautomere% Sub- stanxeln" sind solche Gemische isomerer Verbindungsformen xu verstehen, deren Temperatur oberhulb der ,,Stubilitatsgrelzzen" 41)

cler eivuelnen Bestandflzeile liegt. Zu den tautomeren Substanzen in diesem Sinne wird man

auch die Verbindungen mit asymmetrischen Kohlenstoffatomen bei den Temperaturen zu rechnen haben, bei denen die optische Isomerie zum Verschwinden kommt.

Die neugewonnenen Erfahrungen scheinen mir also voll- kommen die Ansichten zu bestatigen, die ich vor zwei Jahren im Gegensatz zu No f a u s g e s p r o ~ h e n ~ ~ ) habe; namlich

1) dass ,,die l'automerie erst oberhalb bestimmter l'emperatur- grenaen auftritt, wenn die kinetische Erzergie des Molekiils bis 2% einem gewisson Grade gesteigert ist" 43) und

4d) C l a i s e n , loc. cit. Seite 31 oben. 4') In atark dissociireiiden Losnngsmitteln stellt sich die Tautomerie

.13) Diese dniialeii 279, 21.5. 43) Diese Annalen 279, 215.

sclioii uiiterhctlb dieser Stabilitatsgrenzen ein.

T*

100 X n o r r , Studien iiber Tazctomeria

2) ,$ass die Begriffe ,,Desmotropie", ,,Pseudomerie" (labile Form) u n d ,,Tautomerie" ihre Geltung behalten werden, u n d dass die Blolelcularxustiinde, welche d w c h diese N a m e n bezeichnet werden, Bach einander bei wachsender kinetischer Elzergie der Atombewegung in die Erscheinung tretevP 44).

Meine Ansichten iiber den Mechanismus jener oben er- wahnten Umformung der desmotropen Formen i n tautomeren Substanzeii habe ich a n anderem Orte ansfuhrlich dargelegt *5) .

Ich denke mir dime Umformung bewirkt durch die Dissociation der Molelrule und den Austausch des Jabilen" Wasserstoffatomes zwischen den Anionen, deren Valenzverhaltnisse in Folge der iiitramoleknlareii Atombewegung fortwahrenden Wechsel erleiden.

Auch W. W i E 1 i c e n u s 'i6) erklart in ahnlicher Weise im Lichte der Joneritheorie clie Umwandlungen der isomeren Formyl- phenylessigester in Losungen.

Die Richtigkeit der eben erijrterteii Anschauungen voraus- gesetzt ,,) wircl man von den bis jetzt als ,,tautomer" bezeich- neten Substanxen structurisomere Formen nur in den Fal len auffinden kBnnen, bei denen die Stabilitatsgrenxen dieser Formen nicht allxu niedrig liegen.

Bezuglich des Acetessigesters scheint mir die Annahme am wahrscheinlichstcii , dass e r sich bei gewohnlicher Temperatur bereits in dem Zustande befinde wie geschrnolzener Diacetbern- steinsdureester (Bisucetessigester), dass e r also eine tautornere Substanx 48) irn S inne cler oben gegebenen Definition darstelle.

"') Diese Annaleu 219, 216. ") Uer. d. deutsch. chein. Ges. 28, 708 iind TO!) Aiimcrkimg und

4G) Diese Annalen 291, 176. 47) Es kann eine Entscheidung wohl nnr niit Hiilfe der bekannten zur

Const,itutionshestimiii~~iig dic~ilichcn, physikalischen Mcthodcn her- beigefiihrt merden.

") Wollte man mit, W. W i s l i c e n u s (diese Annalen 291, 174) ail- iielimeii , dass die Eisencliloridreaction des Acetessigesters durcll geringe Beimengungeii der Enolform bedingt sei , so kiinnte mail erwarten, einer Xtherischen Acetessigesterliisung niiisste die,scs

diese Aiinalen vorhergeliende Ahliaudlung : 4. Capit,el.

Xn o rr , StudieB iiber Ihutomerie. 101

Desgleichen durften bei zahlreichen anderen tautomeren Substaneen mit geringerem Molekulargewicht (wie z. B. bei den flussigen Diketonen, der Blauslure und anderen) die StabilitLits- grenzen der desmotropen Formen zcnterha26 der gew8hnZichefi Ternperatur liegen. Die Isolirung der isomeren Formen wiire in solchen Fiillen nur bei sehr niedriger Temperatur miiglich nnd diirfte wohl an experimentellen Schwierigkeiten scheitern.

Wenn ich auch glaube, dass auf Grund des heute vor- liegenden experimentellen Naterials derartige Vermuthungen mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit ausgesprochen werden konnen, so bin ich mir dabei doch wohl bewusst, dass sich allgemeine Regeln noch nicht ableiten lassen.

Ein sicheres Urtheil iiber die Stabilitatsgrenzen desmo- troper Formen wird eben einstweilen nur durch eine eingehende ehemische und physikalische Experimentaluntersuchung in jedem einzelnen Falle gewonnen werden k8nnen.

4. Capitel.

Ueber isomere Diacetbernsteinsanren ; von L. Kgtorr und J. Schmidt.

Ebenso wie der Diacetbernsteinsiiureester lasst sich auch die Diacetbernsteinsiiure in isomeren Formen gewinnen.

Eine Saure vom Schmelzp. 160° hat der Eine von uns fruher l) bei der Verseifung des Diacetbernsteinsaureesters mit

Beimengung durch Schiitteln mit verdiinnter Natronlauge entzogen werden. Es gelingt indesseu nicht , auf diese Weise enolfreien Acetessigester zu erhalten, wie folgender Versuch zeigt, :

Eine atherische Losung von 6 g Acetessigester wurde mit "i, der iiquivalexiten Xenge verdiinnter (zweiprocentiger) eis- kalter Natronlazge ausgeschiittelt. Die iitherische Losung zeigte nach dieser Behandlung noch die intensive Eisenchloridreaction. Es geht darans hervor, class nach der Wegnahme der Enol-

form sich der Gleichgewicht,sznstand zwischen Keto- und Enolform sofnrt wiedor herstellt.

I) Ber. d. dentsch. chem. Ges. 22, 170.