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3. Außerordentliches Konzert

3.Außerordentliches Konzert

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3. Außerordentliches Konzert

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3. Außerordentliches Konzert

Dirigent

Walter Weller

Solist

Jörg Brückner Horn

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Sonnabend

11. Dezember 2004, 19.30 Uhr

Sonntag

12. Dezember 2004, 11.00 Uhr

Festsaal des Kulturpalastes

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Tschaikowski, 1889

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Dmitri Schostakowitsch (1906 – 1975)

Fest-Ouvertüre op. 96

(einsätzig) Allegretto – Presto – Poco meno mosso

Reinhold Glièr(e) (1875 – 1956)

Konzert für Horn und Orchester B-Dur op. 91

AllegroAndanteModerato – Allegro vivace – Moderato – Allegro vivace – Agitato

P A U S E

Peter Tschaikowski (1840 – 1893)

Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36

Andante sostenuto – Moderato con animaAndantino in modo di canzonaSCHERZO AllegroFINALE Allegro con fuoco

Programm

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Zahlreiche Plattenein-spielungen – darunter

einige preisgekrönte(Grand Prix du Disque,Charles Cros) – liegenvor, meist bei Decca,

EMI und Chandos Re-cords, darunter ebenso

die Aufnahmen allerBeethoven-Sinfonien

wie das sinfonischeWerk von Mendelssohn,Prokofjew und Rachma-

ninow.

Walter Weller, 1939 in Wien geboren, stu-dierte an der Musikhochschule seiner Hei-

matstadt Violine (E. Morawec und F. Samohyl) undwandte sich danach der Orchesterleitung zu. Mit17 Jahren wurde er Mitglied der Wiener Philhar-moniker, als deren Konzertmeister er 1961 – 1969wirkte. Dort gründete er ein eigenes, späterhin in-ternational berühmtes Streichquartett, das er von1958 – 1970 führte. 1966 debütierte er als Diri-gent bei den Wiener Philharmonikern und wurdedanach schon bald von der Wiener Staatsoper undder Volksoper engagiert. 1971 erfolgte seine Er-nennung zum Generalmusikdirektor in Duisburg.Zwischen 1975 und 1978 übernahm er die künst-lerische Leitung des Niederösterreichischen Ton-künstlerorchesters. Überdies arbeitet er regelmäßigin England, wurde 1977 zum Leiter des Royal Li-verpool Philharmonic Orchestra ernannt und leite-te ab 1980 für fünf Jahre das Royal PhilharmonicOrchestra London. 1992 übernahm er (bis 1996)die Position des Chefdirigenten beim Royal Scot-tish National Orchestra (jetzt „Conductor Emeritus“auf Lebenszeit), wirkt seit 1994 zusätzlich alskünstlerischer Leiter der Allgemeinen Musikgesell-schaft Basel, als Generalmusikdirektor des BaslerTheaters und als Chefdirigent des Basler Sympho-nischen Orchesters. Er ist Ehrengastdirigent desRoyal Liverpool Philharmonic Orchestra auf Lebens-zeit und gefragter Gastdirigent bei den berühmte-sten Klangkörpern und Opernhäusern in aller Welt.2003 verliehen ihm die Stuttgarter Philharmonikerden Titel „Ehrendirigent“. Seit 1. September 2004ist er überdies „Associate Director“ vom Orquestade Valencia. Für sein Wirken wurden ihm hohe Ehrungen zu-teil, darunter in Österreich das „Große silberne Eh-renzeichen für Verdienste um die Republik Öster-reich“ (1998), eine Auszeichnung, die vor ihm nurJosef Kripps und Herbert von Karajan erhalten hat-ten, und das „Ehrenkreuz für Wissenschaft und

Der österreichische Künstler –

international hoch geehrt –

ist seit 1997 auch gerngesehener

Gast der Dresdner Philharmonie

Dirigent

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Kunst“. Das American Biographical Institute verliehihm die „Goldene Ehrenmedaille für außerge-wöhnliche berufliche Tätigkeit“, und das interna-tionale biographische Zentrum der UniversitätCambridge ehrte ihn mit der „Goldmedaille füraußergewöhnliche Menschen des 20. Jahrhun-derts“. In Schottland wurde Walter Weller durchsein Bild auf der im Umlauf befindlichen schotti-schen 50-Pfund-Note eine besondere Ehrung zu-teil.Der Künstler dirigierte 1997 erstmals die DresdnerPhilharmonie während einer Tournee durch Polen,leitete danach immer wieder Konzerte diesesKlangkörpers und führte die Philharmoniker mehr-fach bei Tourneen im In- und Ausland.

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Seit 1985 war JörgBrückner mehrfach

Preisträger nationalerund internationaler

Wettbewerbe, u. a. beimRundfunk-Jugend-Wett-

bewerb „ConcertinoPraga“ 1990 (2. Preis)und beim Internatio-

nalen Blechbläserwett-bewerb in Gdansk 1990(2. Preis).1996 errang er

einen Sonderpreis inMarkneukirchen.

J örg Brückner, 1971 in Leipzig geboren, erhieltseine erste musikalische Ausbildung in der

Musikschule Dessau bei Joachim Schulz. 1985wurde er in die Spezialschule für Musik Weimaraufgenommen (R. Heimbuch) und 1989 an derHochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar im-matrikuliert. Schon während seines Studiums beiKarl Biehlig konnte Jörg Brückner als Substitut ander Staatskapelle Weimar tätig werden und ga-stierte 1991 als ständige Aushilfe (stellvertretendesSolohorn) im Theater Erfurt. 1992 erhielt er seinerstes Engagement als 3. Hornist im Gewandhaus-orchester zu Leipzig und ist seit 1997 koordinier-ter Solohornist der Dresdner Philharmonie.

Ein Mitglied der Dresdner

Philharmonie – Solo-Hornist –

präsentiert wiederholt

sein brillantes Können

Solist

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E s war Dmitri Schostakowitschs Schicksal,mehrmals in seiner sowjetischen Heimat Re-

pressalien ausgesetzt gewesen zu sein. So auch1948. Werke aus dieser Zeit wurden von ihm erstwesentlich später für Aufführungen und Druckfreigegeben. Er gab ihnen eine höhere Opuszahl,als seien sie erst jetzt komponiert worden. Diesbetrifft auch die „Festliche Ouvertüre“, ein Werk,das bereits 1947 entstanden war, aber erst 1954unter der für jene Jahre passenden Opusnummer96 uraufgeführt wurde. Im Werk des russischen Komponisten ReinholdGlièr(e), einer der Theorielehrer Sergej Prokofjews,spiegelt sich in exemplarischer Weise der Umbruchdes alten Rußlands zu den sozialistischen Idealender Sowjetunion wider. Sein Hornkonzert – einSpätwerk – ist konventionell im besten Sinne undsteht ganz in der Tradition älterer konzertanterModelle. Es erfreut sich großer Beliebtheit bei al-len Solisten dieses Instruments, denn der Kompo-nist setzte das Horn als hochvirtuoses Soloinstru-ment – quasi wie die Geige – ein, dem VorbildTschaikowskis Violinkonzert folgend, was beson-ders im Finalsatz deutlich wird. Mit seiner großenOrchesterbesetzung steht das Werk würdig in derReihe der zahlreichen Instrumentalkonzerte des19. und 20. Jahrhunderts. Dann aber erleben wir Tschaikowskis „Vierte“, dasgroße Werk eines ganz Großen. Mit ihr zog derKomponist als Dirigent durch Europa, kam auchnach Dresden, erntete Erfolge und wurde an derUniversität in Cambridge zum Ehrendoktor erho-ben. Das Werk sei seinem eigenen Wesen ent-sprungen und mit Liebe und glühender Begeiste-rung geschrieben, äußerte der Komponist einst.Und in dieser Unmittelbarkeit wirkt das Werk nochheute, gleichgestellt den beiden Sinfonien, diedieser nachfolgten.

Zum Programm

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geb. 11.1. 1875(30.12.1874)

in Kiev;gest. 23. 6. 1956

in Moskau

1894 – 1900Besuch des Moskauer

Konservatoriums

1913Professur in Kiev

1914Direktor des Kiever

Konservatoriums

1920 – 1941Kompositionsprofessur

am MoskauerKonservatorium

„Wenn dem Leben Hände und Füßegebunden sind, kann die Kunst nichtfrei sein ...“Reinhold Glièr(e) und Dmitri Schostakowitsch–Komponisten unter staatlicher Bevormundung

R einhold Moritzevitsch Glièr(e) gehört zu je-nen Komponisten, deren Existenz sich in der

Musik-Literatur bisher vorwiegend in Gestalt vonFußnoten zu Aufsätzen über berühmtere Musikerniederschlug. Selbst das Wissen über seine Biogra-

Reinhold Glièr(e)

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Der nebenstehendeArtikel ist ein Original-

beitrag für diesesProgrammheft von

Andrea Wolter, Dresden

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geb. 12. (25.) 9. 1906in St. Petersburg;gest. 9. 8. 1975in Moskau

1919Studium am PetrograderKonservatorium (u .a. beiSteinberg)

1936Beginn einer Kampagnegegen Schostakowitsch(Prawda-Artikel „Chaosstatt Musik“)

1937 –1941Professur für Kompo-sition (Leningrader Kon-servatorium)

1939/48Mitglied des sowj.Komponistenverbandes

1941Siebente Sinfonie(„Leningrader“)

1943 –1949Professur am MoskauerKonservatorium

1948erneute Kritik der Parteiam Schaffen

1959USA-Reise (Delegationsowj. Komponisten)phie ist beschränkt, und einschlägige Lexika lei-

teten aus der von ihm selbst seit etwa 1900 aus-schließlich verwendeten Re-Transkription seinesNamens mit dem Accent grave über dem e anStelle des russischen E das Gerücht über seine bel-gische Herkunft ab.Tatsächlich aber wurde er am 11.1.1875 (nach demaltrussischen Kalender der 30.12.1874) als zweiterSohn des aus Untersachsenberg/Sachsen einge-wanderten Blasinstrumentenmachers Ernst MoritzGlier (1834 – 1896) in Kiev geboren.

Dmitri Schostakowitsch

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In Kiev besuchte er die Musikschule und erhieltdort unter anderem Violinunterricht bei OtakarSevcik (1852 – 1934). 1894 trat Glièr in das Mos-kauer Konservatorium ein und studierte Violinebei Jan Hrímaly (1844 – 1915), Harmonielehre beiAnton Arenskij und Georgi Eduardowitsch Konjus,Kontrapunkt bei Sergej Taneev und Kompositionbei Michail Ippolitov-Ivanov. Nach dem Abschlussdes Studiums im Jahre 1900 begann er am Mos-kauer Gnessin-Institut zu unterrichten, und dieVermittlung Taneevs führte ihm bald auch Pri-vatschüler wie Nikolai Mjaskowski und den elf-jährigen Sergej Prokofjev zu. Zwischen 1905 und1908 unterbrach Glièr seine Lehrtätigkeit, um sichin Berlin bei Oskar Fried im Dirigieren zu vervoll-kommnen, und im Januar 1908 erlebte im Berli-ner Beethovensaal seine 2. Sinfonie ihre umstrit-tene Uraufführung unter der Leitung von SergejKussewitzky. Nach seiner Rückkehr nach Moskaubegann Glièr eine Karriere als Dirigent, die er je-doch 1913 nach seiner Berufung zum Leiter derunterdessen zum Konservatorium erhobenen Mu-sikschule in Kiev beendete. 1920 wechselte er ansMoskauer Konservatorium, wo er mit einigen Un-terbrechungen bis 1941 lehrte. Unter seiner Lei-tung bildete sich eine ganze Generation jüngerersowjetischer Komponisten heran, unter ihnenneben Aram Chatschaturjan auch Boris Aleksan-drowitsch Aleksandrov, Sohn des Gründers desGesangs- und Tanzensembles der Roten Armee,Aleksandr Vasilevitsch Aleksandrov. Einige Jahreengagierte sich Glièr in der Organisation „Prolet-kult“ und als Mitarbeiter des Volkskommissariatsfür Bildung. Ob die zahlreichen staatlichen Auszeichnungen,mit denen er in sowjetischer Zeit geehrt wurde,seinem kompositorischen Schaffen galten oderseine gesellschaftlichen Aktivitäten belohnen soll-ten, ist heute kaum zu entscheiden und dürfteselbst den damaligen Entscheidungsträgern kaumklar gewesen sein: Die Begründungen für solcheEhren folgten im Wesentlichen den zuvor wort-

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Gegen den Vorwurf desFormalismus, dem vieleseiner Zeitgenossen inden 1930er und 1940erJahren fast standard-mäßig und mit häufigkatastrophalen Folgenausgesetzt waren, bliebGlièr als letzter „Leben-der Klassiker“ gefeit,obwohl er nach seiner1. Sinfonie – der Alek-sandr Glazunov einen„aufdringlichen russi-schen Stil“ bescheinigthaben soll – allzu offen-sichtliche Anklänge anslawisches Idiom ver-mied. Sein Ballett„Krasny Mak“ (RoterMohn) indes gilt bisheute als das erstesowjetische Ballett mitrevolutionärer Thematik,und eine lange Reihevon Werken dezidiertsozialistischen Inhaltsfolgten ihm.

reich und phrasenhaft formulierten Anforderun-gen an die Musik jener Jahre, und im Hinblick aufseine Motivation für Stil, Form und Ausdruck sei-ner Werke war der eher konservative Glièr Miss-verständnissen und Fehlinterpretationen ebensoausgeliefert wie seine Komponisten-Kollegen.Seine Beschäftigung mit der Folklore asiatischerVölker der Sowjetunion etwa – die ihn mit seinemSchüler Chatschaturjan verbindet – erfolgte (auch)auf Wunsch der Sowjetregierung: Wer wollte ent-scheiden, ob Gehorsam oder künstlerische Ziele imVordergrund standen? Unbestritten bleibt, dassGlièr mit seinen Opern über aserbaidshanische undusbekische Motive musikalisches Neuland betrat.Seine sinfonischen Dichtungen „Sireny“ (Die Sire-nen) op. 33 und „Saporoshzy“ (Die Saporosher Ko-saken) op. 64 aus dem Jahre 1921, mit geradezuimpressionistischer Raffinesse instrumentiert undvon bildhafter Wirkung, vereinen das Idiom derrussischen Musik des 19. Jahrhunderts mit euro-päischen Vorbildern – und wurden umstandslosals Vorläufer proletarisch-revolutionärer Sujetsklassifiziert. Aus den ideologischen Glaubenskämpfen der spä-ten 1920er Jahre hielt sich Glièr weitestgehendheraus, doch bewusst oder unbewusst ging er mitwesentlichen Forderungen konform, wie sie dieZensoren des im Oktober 1922 in den russischenStaatsverlag eingegliederten Staatlichen Musik-verlags an die sowjetische Musik stellten. Sie sol-le „agitatorischen Wert“ besitzen, betonte manund meinte damit die Fähigkeit, „schnelle undnicht durch Unzugänglichkeit und Kompliziertheitdes musikalischen Gewebes gehemmte Reaktionenhervorzurufen, nicht nur im Dienste der politi-schen Agitation, sondern auch der allgemeinenAktivierung der gesamten psycho-physischenmenschlichen Energie mit dem Ziel, sie den Er-fordernissen des gegenwärtigen sowjetischen Sys-tems nutzbar zu machen.“ Das hat ihn freilich vor Vereinnahmung nicht be-wahrt: In einem 1948 in Leningrad erschienenen

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Aufführungsdauer:ca. 26 Minuten

Eine Zeit lang hat Glièrselbst dem Redaktions-kollegium des Verlages

angehört. Verlautba-rungen wie die eben

zitierte dürften ihn indieser Funktion so

wenig berührt habenwie in seinem Schaffen

als Komponist.

Aufsatz über „Entwicklungswege der sowjetischenMusik“ wurde er der Reihe der „gesunden Er-scheinungen“ zugeordnet, „erwachsen auf derGrundlage der beständigen Aneignung der musi-kalischen Klassik“, doch die volle Zufriedenheit desAutors hat Glièr jedoch nicht, denn: „Leider konn-te diese Gruppe, in Anbetracht der unzureichen-den gesellschaftlichen Zielstrebigkeit ihres Schaf-fens, den angreifenden Kräften der Dekadenzkeinen aktiven Widerstand leisten. Züge des Eklek-tizismus, [...], das Unvermögen, die gewaltigenUmwälzungen in der Musik widerzuspiegeln, dieim russischen gesellschaftlichen Leben aktuell ge-worden waren, dies alles begrenzte in bedeuten-dem Maße die schöpferische Bedeutung einigerder genannten Autoren.“Der milde Tadel, der hier der Belobigung auf demFuße folgt, macht einen Teil ihrer Peinlichkeit wettund erlaubt uns, zu hören und zu würdigen, wasGlièr möglicherweise mit jenen Komponisten ver-bindet, die derselbe Aufsatz als „Verursacher mo-dernistischen Wurmfraßes“ schmäht: Mit Debus-sy, der wie Glièr Anregung in „exotischen“ Sphärendes Orients suchte, mit Dukas, dessen „Zauber-lehrling“ ein musikalisches Eigenleben entwickeltwie Ilja Moromez in Glièrs 3. Sinfonie, mit zahl-reichen Komponisten, die sich, zum Teil früherund zumeist konsequenter als Glièr, vom Form-diktat der klassischen Sinfonie befreit haben, mitRichard Strauss, dessen Fabulierfreude und In-strumentationskunst Glièr geschätzt hat. In Glièrs Hornkonzert ist sie, anders als in man-chen seiner früheren Werke, nicht das bestim-mende Element. Seinen prominenten Platz imKonzertrepertoire verdankt das Stück der gefälli-gen und brillanten Virtuosität des Soloparts undeinem angesichts der Entstehungszeit eher ana-chronistisch anmutenden Verharren in Wohlklang,das auch Glièrs Harfenkonzert und das berühmteKonzert für Koloratursopran und Orchester aus-zeichnet.

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D mitri Schostakowitsch hat in Glièr einenmittelmäßigen Komponisten gesehen und

ihm die widerstandslose Verfügbarkeit seiner Mu-sik verübelt. Er selbst hatte andere Taktiken des Umgangs mitstaatlicher Doktrin entwickelt, Schutzmechanis-men, die sein Überleben in Verhältnissen sichernsollten, wie sie schon 1905 in einem von Glièr mit-unterzeichneten offenen Brief angeprangert wor-den waren: „Wenn dem Leben Hände und Füße ge-bunden sind, kann die Kunst nicht frei sein, dennGefühle sind ein Teil des Lebens. Wenn es wederGedanken- noch Gewissensfreiheit, weder Rede-noch Pressefreiheit im Lande gibt, wenn gegen allekreativen Ansätze der Menschen Hindernisse er-richtet werden, verdorrt die künstlerische Kreati-vität. Der Titel ‚Freier Künstler‘ klingt dann wie bit-terer Hohn. Wir sind keine freien Künstler, sondernwie die anderen russischen Bürger entrechtete Op-fer der heutigen unnormalen gesellschaftlichen Be-dingungen.“Jahrzehnte später hatte sich die Situation womög-lich noch verschärft. Kein Künstler der 1940erJahre konnte auch nur daran denken, ähnlich freigesellschaftskritische Ideen zu äußern. Schostako-witsch hat öffentliche verbale Verlautbarungennicht selten ins Gegenteil ihres ursprünglichenZwecks verkehrt: Mit Worten verbarg er, was erdachte und fühlte. Allein in seiner Musik bliebenIdeen und Emotionen lesbar – und hatten selbstdort noch die Macht, seine Existenz zu gefährden. Seine Festliche Ouvertüre für Orchester in A-Durgalt lange als Huldigung an die Idee der Okto-berrevolution, zu deren Gedenkfeier sie im Jahre1954 zum ersten Mal aufgeführt wurde. In Wirk-lichkeit war sie bereits 1947 entstanden. An eineAufführung war wegen der allgemeinen Ächtung,die Schostakowitsch damals erleiden musste, nichtzu denken. Erst nach sieben Jahren holte derKomponist das Werk aus der Schublade und gabes, versehen mit der Opuszahl 96, zur Aufführungfrei. Interpretiert wurde es lange als Ausdruck der

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Aufführungsdauer:ca. 7 Minuten

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Erleichterung über das Ende stalinistischer Herr-schaft, und zweifellos war es SchostakowitschsAbsicht, genau diesen Gedanken zu etablieren.Angesichts der Entstehungszeit 1947 ist er frei-lich nicht haltbar. Wollte er probieren, wie weitihm der „sozialistische Realismus“ als musikästhe-tisches Konzept der Partei-Ideologen zu gehen er-laubte? Denn zwei Prinzipien blieben unter denmittlerweile geringfügig gelockerten Bedingungenunumstößlich gültig: die Forderung, dass die Mu-sik Realität widerspiegeln und sich durch „Ver-ständlichkeit“ auszeichnen müsse. Beide galten alsVoraussetzung für die erstrebte Massenwirksam-keit und jenen erzieherischen Effekt, der die Her-ausbildung und Verbreitung sozialistischer Ideenfördern sollte. Musik wurde unter dem Aspekt ih-rer Wirkung und ausgehend von der durch sie zuerfüllenden Funktion beurteilt. In diesem Rahmenwar auch der Entfaltung festlicher Stimmung ihrunverrückbarer Platz zugewiesen. Den zum Zwecke partei-ästhetisch legitimiertenSchaffens und scheinbar eindeutiger Diagnose vonIndividualismus und sonstigen „Abweichungen“definierten Kanon erlaubter musikalischer Mittelhat Schostakowitsch bekanntlich nicht selten inSchwejk’scher Manier und gelegentlich mit vor-auseilendem, durch Übertreibung ins Gegenteilsich verzerrendem Gehorsam unterlaufen. Möglicherweise hat er auch mit seiner „FestlichenOuvertüre“ op. 96 ein Spiel getrieben, Teil jenesseltsamen und undurchschaubaren Gemisches ausAnpassung, apolitischer Verweigerungshaltungund absichtsvoller (Selbst)Inszenierung.

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geb. 25. 4. (7. 5.) 1840in Kamsko-Wotkinsk (Ural);

gest. 25.10. (6. 11.) 1893in St. Petersburg

1859Abschluß einer juristi-

schen Ausbildung

1863Studium am Konservato-rium in St. Petersburg bei

A. Rubinstein

1866Theorielehrer am Mos-kauer Konservatorium

1876Besuch der ersten

Festspiele in Bayreuth

1878 –1890Jahresrente der Mäzenin

N. von Meck, arbeiteteseither als Komponist

und Dirigent (mehrereAuslandstourneen)

1891Amerikatournee

1893Ehrendoktorwürde derUniversität Cambridge

Peter Iljitsch Tschaikowski war im Vergleich zuvielen anderen namhaften Komponisten erst

recht spät beruflich zur Musik gekommen. Als Kindallerdings hatte er intensiven musikalischen Unter-richt genießen dürfen und war in seinem Eltern-hause nachdrücklich gefördert worden. Doch Va-ter und Mutter wollten den jungen Mann nichteiner brotlosen Kunst opfern, sondern hatten ihnfür eine Beamtenlaufbahn vorgesehen. Als 22jäh-riger begann er ein Studium an dem von Anton Ru-binstein gegründeten Konservatorium in St. Pe-tersburg und wurde schon bald, selbst noch ohneeigentlichen Abschluß, Theorielehrer am neuenMoskauer Konservatorium,1866 gerufen von Niko-lai Rubinstein, dem Bruder des Petersburgers. Wie einige andere russische Komponisten sah auchTschaikowski in der russischen Volksmusik einewichtige Inspirationsquelle. Begierig griff er diekompositorischen Versuche von Michail Glinka(1804 – 1857) auf, das nationale Idiom in der Mu-sik stärker zu beachten. Glinkas Oper „Iwan Sussa-nin“ (1836) hatte den Anstoß gegeben und dieRichtung aufgezeigt, die alle Nachfolgenden ein-schlagen sollten. Allerdings waren viele Komponi-sten, wie Mili A. Balakirew (1836 – 1910), der Mei-nung, daß eine musiktheoretische Vorbildungwenig nützlich sei und man am besten aus den Par-tituren großer Komponisten lernen solle. Doch imGegensatz zu all den Komponisten, die sich selbstals die eigentlichen Erneuerer einer national-russi-schen Musik ansahen – das waren die „Novatoren“des Petersburger Kreises (Balakirew, Mussorgski,Cui, Rimski-Korsakow und Borodin), später spöt-tisch das „Mächtige Häuflein“ genannt –, hatteTschaikowski eine gründliche Ausbildung durch-laufen. Er kannte sein Handwerkszeug wie kaumjemand und wußte damit umzugehen. Seine aka-demische Ausbildung, die Kenntnis der europäi-schen Musikgeschichte und die Beherrschung allerihrer Formen und Verfahren, hatte er als notwen-dige Voraussetzung zur Entwicklung einer wirklichanspruchsvollen nationalen Kunstmusik begriffen.

Mit Kenntnis der europäischen

Musikgeschichte und Beherrschung

seines musikalischen „Handwerks“

zu nationaler Kunstmusik

Peter Tschaikowski

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Foto des Komponistenaus dem Jahre 1877,dem „Schicksalsjahr“(Heirat und Trennung;Beginn der herzlichenFreundschaft zuNadeschda von Meck;Arbeit an der 4. Sinfonieund „Eugen Onegin“)

Als Komponist machte Tschaikowski es sich selbstrecht schwer, dies sowohl aus charakterlichenGründen als auch aus akademisch erlernter Selbst-disziplin. Schüchtern, menschenscheu, unter sei-ner homosexuellen Veranlagung leidend, wurdeder sensible junge Mann von gelegentlichen, aberschweren Depressionen heimgesucht. Und docharbeitete er bis zur völligen Erschöpfung, in sei-nem eigenen künstlerischen Selbstverständnisden Ausgleich suchend. Er dirigierte – anfangsohne rechte Erfolge –, wenn er Gelegenheit dazubekam, schrieb Kritiken, wo immer es ging, lehr-te und komponierte mit Fleiß.

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Ende des Jahres 1876 war eine hohe Gönnerin, diereiche Witwe Nadeschda von Meck, mit ein paarbewundernden Zeilen in sein Leben getreten. Dar-aus sollte eine langdauernde Brief-Freundschaftentstehen. Dem Komponisten half sie durch liebe-volles Verständnis und stärkenden Zuspruch so-wohl aus seinen seelischen Krisen als auch aus fi-nanziellen Nöten durch eine Jahresrente von 6000Rubeln, eine Riesensumme zu dieser Zeit. So konn-te Tschaikowski sein Lehramt endlich aufgeben, umals Komponist und Dirigent seinen eigenen Weg zubeginnen. Sein größter Wunsch, unabhängig seinzu können, war in Erfüllung gegangen. Zum er-sten Mal in seinem Leben hatte er keine Vorge-setzten, mußte niemandem Rechenschaft ablegenund hatte es nicht nötig, sich mit Menschen ab-zugeben, die ihn nicht interessierten – ein wahr-haftiger Luxus und ein völlig neues Lebensgefühl.Und Tschaikowski tat erst einmal das, was er sichin seinem Innersten längst gewünscht hatte, dieseneue Freiheit zu genießen, vor dem eigenen Lebenzu entfliehen und im Moment einer kurzen, abervöllig gescheiterten Ehe zu entkommen. Er reistedurch Europa, war in der Schweiz, besuchte dieberühmtesten Orte Italiens, ging nach Paris undWien. Fast täglich schrieb er an Frau von Meck,nicht allein aus Dankbarkeit, sondern weil es ihmzum Bedürfnis wurde, sie in sein Leben blicken zulassen, ihr seine Seele zu öffnen. Und er arbeitetewild entschlossen, „erholte sich arbeitend“, wie ergestand.Gerade als Nadeschda von Meck in das Leben desKomponisten getreten war, hatte Tschaikowski da-mit begonnen, einige Skizzen für eine neue Sin-fonie niederzuschreiben. Er arbeitete während die-ser Zeit unermüdlich, vor allem an seiner neuenOper „Eugen Onegin“, obwohl er u. a. mit großengesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte.Aber die kluge und verständnisvolle Seele seinerVerehrerin gab ihm Kraft und neuen Lebensmut. In einer einerseits glückbringenden, andererseitsarg belasteten Stimmung – im Sommer 1877 fand

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Der Musikkritiker H. La-roche hatte Tschaikowski

schon in dessen Peters-burger Zeit eine großeZukunft vorausgesagt:„Ich betrachte Sie als

das größte musikalischeTalent des gegenwärtigen

Rußlands. Ihre eigentli-chen Schöpfungen wer-

den vielleicht erst in fünfJahren beginnen. Diesereifen und klassischen

Schöpfungen aber wer-den alles übertreffen, das

wir nach Glinka gehabthaben.“ Strawinsky nann-

te ihn – nicht allein nurdeshalb – den „von unsallen am meisten russi-

schen“ Komponisten.

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Aufführungsdauer:ca. 44 Minuten

seine Hochzeit, nach nur elf Wochen die Trennungstatt – entstand die Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36.Das Werk wurde am 11. Januar 1878 abgeschlos-sen und am 10. Februar 1878 mit dem Orchesterdes Moskauer Konservatoriums unter Leitung vonNikolai Rubinstein uraufgeführt. Tschaikowski warselbst nicht anwesend, sondern hielt sich in die-sem Moment gerade in Florenz auf. Schon seit demHerbst 1877 war er durch Europa gereist und hat-te sich für einige Zeit in die Schweiz geflüchtet, umRuhe zu finden und sich arbeitend zu erholen. Hierarbeitete er noch an seiner 4. Sinfonie, war vor al-lem mit der Instrumentation beschäftigt. Paralleldazu arbeitete er weiterhin an „Eugen Onegin“,und hier entstand im Anschluß an beide großenWerke sogar noch sein Violinkonzert. Die Sinfonie widmete er „meinem besten Freunde“.Er wollte vermutlich den Namen nicht nennen,denn die seltsame Freundschaftsbeziehung warnoch zu neu, um sie der Welt zu offenbaren. In ih-rer regen Korrespondenz redeten beide Seelenver-wandte immer von „unserer“ Sinfonie, und Tschai-kowski schrieb mit rückhaltsloser Offenheit überseine Gedanken beim Komponieren, über seineSchaffensweise und einen programmatischen Hin-tergrund. Das hat er übrigens später niemals mehrgetan, hat sich lieber bedeckt gehalten, wenn esdarum ging, von ihm Erklärungen zu seiner Mu-sik zu erhalten: „Sie fragen mich,“ schrieb er am17. Februar (1. März) 1878, „ob dieser Sinfonie einbestimmtes Programm zugrunde liegt? Meistens be-antworte ich derartige Fragen mit Nein. Es ist auchwirklich schwer, darauf eine Antwort zu geben. Wiesoll man die unklaren Gefühle beschreiben, die ei-nen bewegen, wenn man ein Instrumentalwerkohne ein bestimmtes Sujet komponiert? Das ist einrein lyrischer Vorgang, eine musikalische Beichteder Seele, die sich in Tönen ergießt, ähnlich wiesich ein lyrischer Dichter in Versen ausspricht. DerUnterschied besteht nur darin, daß der Musik un-vergleichlich reichere Ausdrucksmittel und eine fei-nere Sprache zur Wiedergabe seelischer Regungen

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In der 4. Sinfonie wares dem Komponisten

erstmals gelungen,die Musik zum wahren

Ausdrucksmittel für seineigenes Erleben zu nut-

zen und seine persön-lichsten Empfindungen

höchst effektvoll auszu-deuten.

Tschaikowski dirigierte1888/89 auf zwei

großen Europatourneeneigene Werke und war

auch am 20. Februar1889 in Dresden.

Dort dirigierte er seine4. Sinfonie als deutsche

Erstaufführung im5. Philharmonischen

Konzert der Gewerbe-hauskapelle in Dresden,

mit jenem Orchesteralso, aus dem sich späterdie Dresdner Philharmo-

nie entwickelt hat.

zur Verfügung stehen.“ Aber dann teilte er sich mit,aber nur ihr gegenüber, denn allen anderen Inter-essierten hat er keine Einblicke in seine Künstler-seele geben wollen und immer abgestritten, je anein Programm gedacht zu haben. „Die 4. Sinfonieist meinem Wesen entsprungen und mit echter In-spiration vom Anfang bis zum Ende geschrieben,mit Liebe und glühender Begeisterung, es ist dar-in kein Strich, der nicht meinen aufrichtigen Ge-fühlen entstammt ... Unsere Sinfonie hat ein Pro-gramm, das heißt, es besteht die Möglichkeit, ihrenInhalt in Worte zu fassen. Aber Ihnen, nur Ihnenallein kann und möchte ich die Bedeutung desganzen Werkes und der einzelnen Sätze erklären,selbstverständlich nur in allgemeinen Zügen.“ Undzum Schluß seines Briefes meinte er: „Das erste Malin meinem Leben habe ich musikalische Gedankenund musikalische Bilder in Worte und Sätze über-tragen. Ich vermochte das nicht so zu sagen, wieman es eigentlich tun müßte. Vorigen Winter, alsdiese Sinfonie geschrieben wurde, war ich sehrschwermütig, und sie ist ein Widerhall dessen, wasich empfunden habe. Aber eben nur ein Widerhall.Wie soll man ihn in ein klares und eindeutigesNacheinander von Worten übertragen? Ich weiß esnicht und kann es nicht. Ich habe auch schon vie-les vergessen. Geblieben sind nur allgemeine Erin-nerungen an die Leidenschaftlichkeit und Un-heimlichkeit der erlebten Empfindungen.“ Das Werk hat nach seinen Worten „Sensation er-regt“. 1891 wurde der Komponist in den USA ge-feiert, war auch 1893 wieder im Ausland unterwegsund erhielt in Cambridge zusammen mit Saint-Saëns, Boito, Grieg und Bruch die Ehrendoktor-würde. In seinem Wesen jedoch blieb er melancho-lisch, sogar schwermütig. Um so erstaunlicher ist es,wieviel Kraft er in seine Kompositionen investierte.Und der Tod ereilte ihn mitten aus seinem Schaf-fen heraus. Lange Zeit hieß es, er sei ein Opfer derCholera geworden, doch verdichtete sich später im-mer mehr die Mutmaßung, es sei wohl Selbstmordgewesen, eine selbst zugefügte Arsenvergiftung.

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„... es ist darin kein

Strich, der nicht

meinen aufrichtigen

Gefühlen entstammt ...“

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1. SATZ

Andante sostenuto3/4-Takt –Moderato con anima9/8-Takt, f-Moll

Sinfonie Nr. 4 f-Moll

Zur Musik

„Die Einleitung enthält“, so der Komponist, „dasSamenkorn für die ganze Sinfonie, zweifellos denHauptgedanken“. Die rhythmisch prägnante Fan-fare symbolisiert „das Fatum, die verhängnisvolleMacht, die unser Streben nach Glück verhindertund eifersüchtig darüber wacht, daß Glück undFrieden nie vollkommen und wolkenlos werden,eine Macht, die wie ein Damoklesschwert über un-serem Haupte schwebt und unsere Seele un-entwegt vergiftet.“ Alles Klagen ist vergeblich. Esbleibt nur, sich zu unterwerfen und in TräumenZuflucht zu suchen. Ein Walzerthema verleiht demGlücksverlangen Gestalt. Das Fanfarenmotiv(„Schicksalsthema“) greift ein. Nach einer heftigenAuseinandersetzung erklingt zwar ein zartesKlarinettensolo und hüllt die Seele tröstlich ein,doch der Kampf geht weiter. „Und so ist das ganzeLeben ein unentwegter Wechsel harter Wirklichkeitmit flüchtigen Träumen vom Glück.“ Das harteFatum siegt.

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Partiturseite der4. Sinfoniein der Handschriftdes Komponisten

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3. SATZ

SCHERZO Allegro2/4-Takt, F-Dur

4. SATZ

F INALE Allegro con fuoco4/4-Takt, F-Dur

Auch der liedhaft-empfindsame Satz zeigt Trauer,Sehnsucht und Leiden. Ein Oboensolo malt jenesmelancholische Gefühl, das uns am Abend erfaßt,wenn wir vom Tagwerk ermüdet allein sind. Erin-nerungen an die vergangene Jugend tauchen auf,machen traurig. „Schmerzlich und süß ist es, sichin die Vergangenheit zu versenken“, meinte derKomponist.

Dieser „Satz drückt keine bestimmten Gefühle aus“,meinte Tschaikowski im oben erwähnten Brief. „Essind kapriziöse Arabesken, unfaßliche Gestalten,die, von der Phantasie geschaffen, vorbeischweben,wenn man Wein getrunken und einen kleinenRausch hat. Man ist weder heiter noch traurig,hängt keinen Gedanken nach und läßt sich von derPhantasie treiben, die seltsame Bilder entwirft...Und da fällt einem unter anderem der Anblick be-trunkener Bäuerlein und ein Gassenliedchen ein.Dann ziehen irgendwo in der Ferne Soldaten vor-bei. Das sind zusammenhanglose Gebilde, wie vonTräumen eingegeben, wenn man einschläft.“Der ganze Satz besticht durch seine wirkungsvol-le Instrumentierung. Der erste Teil, überschrieben„pizzicato ostinato“, bleibt den Streichern vorbe-halten. Danach haben die Holzbläser ihren Auftritt,und im dritten Teil sind es die Blechbläser. Schließ-lich, am Schluß, plaudern alle durcheinander.

Der Komponist beschrieb diesen Satz wie folgt:„Wenn du in dir selbst keine Freude finden kannst,so blicke um dich. Geh ins Volk! Schau, wie es sichdem Vergnügen, der ungehemmten Freude hingibt.Die Heiterkeit eines Volksfestes umfängt dich. Dochkaum hast du dich im Anblick fremder Freudenselbst vergessen, erscheint das unerbittliche Schick-sal von neuem. Aber die Menschen kümmern sichnicht um dich. Sie haben sich nicht einmal umge-wandt, dich anzusehen, haben nicht einmal be-merkt, wie traurig und einsam du bist. Oh, wie

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2. SATZ

Andantino in mododi canzona

2/4-Takt, b-Moll

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fröhlich sie sind! Wie glücklich, weil alle ihre Ge-fühle so urwüchsig und schlicht sind. Beschuldigedich selbst und erkenne, daß in der Welt nicht al-les Traurigkeit ist. Es gibt einfache, aber starkeFreuden. Freue dich am Glück der anderen. Das Le-ben kann erträglich werden.“Dieser stürmisch einsetzende Schlußsatz bringt Va-riationen über das russische Volkslied „Auf demFelde eine Birke stand“. Das farbige Bild einesVolksfestes wird gezeichnet, dramatisiert, aber auchlyrisch intensiviert. Und mitten hinein droht das„Schicksalsmotiv“. Doch der fröhliche Wirbel reißtden Helden schließlich erneut mit.

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10 KLINGENDE GLÜCKSSP IRALE

Was dem Torero den Schweiß auf die Stirn treibt, gab einem Instrumentseinen Namen. Zufall? Nein, echte Tierhörner waren auch die erstenHÖ R N E R ; darauf haben Menschen schon vor Jahrtausenden musiziert.Stier und Widder sollte Gott besonders krumme Hörner angedeihen las-sen. Ihrer klanglichen Neigung schadete das nicht. Gott sei Dank, dennohne Krümmungen und Kurven hätten Hörner nicht nur ihren Namennicht verdient, sie wären zudem unhandlich, sperrig. Ein Hornist wäreständig daran, sich bei den Kollegen dafür zu entschuldigen, daß er sichso breit macht. Fast vier Meter Rohr sind bei einem modernen Horn in Faufgerollt. Lebende Natur war Vorbild für all die krummen Hörner ausMenschenhand, für das römische Cornu, die Lure aus dem Norden, dasIrische Querhorn. Vorbild für die Hörner des Mittelalters, wo erneut dasTier herhalten mußte – die antike Handwerkskunst, konische Röhren ausMetall zu ziehen, war ja vergessen. Wiederum Vorbild für metallene Hör-ner der Neuzeit. Man nehme Messing für brillante, tragende Töne, grei-fe zu Goldmessing für dunklere, weichere, oder wähle Neusilber für denschrillen, agilen Klang.„Das Horn ist eine Glücksspirale“, sagte einmal ein Hornist – recht tref-fend, denn Fortuna ist ein Stück gefordert, wenn die Lippen des Spie-lers den gewünschten Ton erfühlen müssen. Sind sie zu straff gespanntoder zu locker, erklingt ein anderer Ton aus dem Reich natürlicherHorntöne. Solch’ Glück kann jeder Blechbläser gut gebrauchen, Glücks-spiralen aber haben nur Hornisten.

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WEIHNACHTEN4. Zyklus-Konzert

Sonnabend, 25. 12. 200419.30 Uhr, B

Sonntag, 26. 12. 200411.00 Uhr, C2

SONDERKONZERTSonntag, 26. 12. 200419.30 Uhr, Freiverkauf

Festsaal desKulturpalastes

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)Leonoren-Ouvertüre Nr.1 C-Dur op.138

Frédéric Chopin (1810 – 1849)Konzert für Klavier und Orchester Nr.1 e-Moll op.11

Peter Tschaikowski (1840 – 1893)Sinfonie Nr.1 g-Moll op.13 (Winterträume)

DirigentMichael Sanderling

SolistMikhail Rudy Klavier

4. Zyklus-Konzert (Weihnachten)

JAHRESWECHSEL-SONDERKONZERTE

3.KAMMERKONZERT

4. Außerordentliches Konzert

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F e i e r n S i e m i t u n s !

Die PHILHARMONIKER begrüßen mit Ihnen das neue Jahr!Konzerte am 1. Januar 2005, 15 und 19 Uhr

Sonderangebot: für Abonnenten bis zu 102 Ermäßigung

DRESDNER PHILHARMONIE

Leitung und Solovioline . . . . .Wolfgang HentrichModeration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Wolfgang DoschVioline . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Heike JanickeFagott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Joachim HuschkeTanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .TänzerInnen der Ballettschule

der Wiener Staatsoper

Das Programm wird noch bekanntgegeben.

MitVergnügen ...... ins Jahr 2005

mit MusikNICHT nur von Familie Strauß

MitVergnügen ...... ins Jahr 2005

mit MusikNICHT nur von Familie Strauß

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3. Kammerkonzert

Sonntag, 9. 1. 200519.00 Uhr, D

KronensaalSchloß Albrechtsberg

Heitor Villa-Lobos (1887 – 1959)„Assobio a Játo“ (The Jet Whistle)

Niccolò Paganini (1782 – 1840)Duo für Violine und Violoncello op.1

Niccolò PaganiniSonate e-Moll Nr.12 für Violine und Gitarre

Luigi Boccherini (1743 – 1805)ZUM 200. TODESTAG DES KOMPONISTEN

„Fandango“ – Quintett für Gitarre und Streicher D-Dur

Luciano Berio (1925 – 2003)Folk Songs for seven Instruments (arrangiert von L. Berio)

AusführendeFRE IES ENSEMBLE DRESDEN

Annette Jahns MezzosopranMareike Thrun Flöte

Fabian Dirr KlarinetteNore Koch Harfe

Alexander Peter SchlagzeugGaetano d’Espinosa Violine

Alexander Teichmann ViolineChristina Biwank Viola

Daniel Thiele VioloncelloChristina Altmann Gitarre

4. AußerordentlichesKonzert

Sonnabend, 29. 1. 200519.30 Uhr, AK/JSonntag, 30. 1. 200511.00 Uhr, AK/V

Festsaal desKulturpalastes

Claude Debussy (1862 – 1918)

„Prélude à l’après-midi d’un faune“(Vorspiel zum Nachmittag eines Faun)

Trois Nocturnes (Drei Nachtstücke) –Triptyque symphonique (Sinfonisches Triptychon)

für Orchester und Frauenstimmen

Première Rapsodie pour Clarinette et orchestre

„La Mer“ (Das Meer) – Trois esquisses symphoniques(Drei sinfonische Skizzen)

DirigentRafael Frühbeck de Burgos

SolistFabian Dirr Klarinette

ChorDamen des Philharmonischen Chores Dresden

Einstudierung Matthias Geissler

Vorankündigungen

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Kartenservice

Kartenverkauf undInformationBesucherservice derDresdner PhilharmonieKulturpalast am Altmarkt

ÖffnungszeitenMontag bis Freitag10 – 19 UhrSonnabend10 – 14 Uhr

Telefon0351/4866 306 und0351/4866 286Telefax0351/4866 353

Kartenbestellungenper Post:Dresdner PhilharmonieKulturpalastam AltmarktPSF 12042401005 Dresden

Förderverein

GeschäftsstelleKulturpalastam AltmarktPostfach 12042401005 Dresden

Telefon0351/4866 369 und0171/5493 787Telefax0351/4866 350

Ton- und Bildaufnahmen während des Konzertes sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.

Programmblätter der Dresdner PhilharmonieSpielzeit 2004/2005

Designierter Chefdirigent und Künstlerischer Leiter:Rafael Frühbeck de BurgosEhrendirigent: Prof. Kurt MasurIntendant: Dr. Olivier von Winterstein †

Texte: Klaus Burmeister (Tschaikowski);Andrea Wolter (Glièr(e) und Schostakowitsch)Redaktion: Klaus Burmeister

Foto-Nachweis: Walter Weller und Jörg Brückner:Frank Höhler, Dresden

Grafische Gestaltung, Satz, Repro:Grafikstudio Hoffmann, Dresden; Tel. 0351/[email protected]

Anzeigen: Sächsische Presseagentur Seibt, DresdenTel./Fax 0351/31992670 u. [email protected]

Druck: Stoba-Druck GmbH, LampertswaldeTel. 035248/81468 · Fax 035248/81469

Blumenschmuck und Pflanzendekoration zumKonzert: Gartenbau Rülcker GmbH

Preis: 2,00 2

Kartenservice

Förderverein

Impressum

E-mail-Kartenbestellung: [email protected]: www.dresdnerphilharmonie.de

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