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DOI 10.1007/s00450-008-0049-1 EDITORIAL Informatik Forsch. Entw. (2008) 22: 201–202 40 Jahre TR 440 Hermann Engesser Online ver¨ offentlicht: 12 August 2008 © Springer-Verlag 2008 Mit der Entwicklung des AEG-Telefunken Rechners TR 440 (1965 bis 1974) beteiligte sich die deutsche Industrie aktiv an einem weltweiten Umbruch bei Struktur, Reali- sierung und Nutzungsweise großer Time-Sharing-Systeme. Der TR 440 war 1970 der schnellste bislang in Europa entwickelte und gebaute Rechner. Die Systemsoftware war dem Stand der Technik um Jahre voraus. 46 Anlagen wur- den, vorwiegend in Rechenzentren der Universit¨ aten und Großforschungseinrichtungen, installiert und teilweise bis in die 80er Jahre betrieben. Der TR440 kann dieses Jahr ein 40-j¨ ahriges Jubil¨ aum fei- ern, denn der erste TR 440 wurde – f ¨ ur das firmeninterne Kon- stanzer Rechenzentrum – Ende 1968 in Betrieb genommen. Die Autoren werfen in drei Beitr¨ agen einen Blick zur ¨ uck auf die Entwicklung des Rechners: Unternehmensstrategie, Markterfolg und Nachfolger (Jessen, Michel, Siegert, Voigt) Struktur und Technologie (Jessen, Michel, Voigt) Software und Softwareentwicklung (Siegert) Ein vorangestellter vierter Beitrag Rechnerbetrieb aus Benutzersicht: Auf dem Weg zu den großen dialogf¨ ahigen Timesharing-Systemen (Wiehle) schildert die Außenansicht dieses markanten Umbruchs, von dem der TR 440 ein Teil war. Charakteristisch daf¨ ur war der ¨ Ubergang vom Stapel- zum Dialogbetrieb mit vielen grunds¨ atzlichen Innovationen bei Hardware und Software sowie den damit ausgel¨ osten ¨ Anderungen in der Arbeits- weise der Benutzer eines Rechners. H. Engesser () Springer-Verlag, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg, Deutschland e-mail: [email protected] Die Autoren beschreiben den TR 440 und seine Ent- wicklung auf der Grundlage von meist kundenorientierten Dokumenten, die beim Leibniz-Rechenzentrum, bei ehe- maligen Mitarbeitern und bei den Autoren noch verf¨ ugbar waren. Es gibt leider kein TR440-Firmenarchiv mit (inter- nen) Entwicklungsdokumenten, so dass die Berichte auch durch Erinnerungen der Autoren aus ihrer verantwortlichen atigkeit in dem Vorhaben beeinflusst sind. Das Deutsche Museum hat dankenswerter Weise die gesammelten TR4- und TR440-Dokumente in seine Bibliothek aufgenommen, insbesondere die meisten TR440-Dokumente, die von den Autoren zitiert wurden. Der allgemeine Stand der Technik wird nur dargestellt, wenn er f ¨ ur das Verst¨ andnis von TR440-spezifischen Eigen- schaften oder Unternehmensentscheidungen von besonderer Bedeutung ist. Wichtig schien es, die Highlights, Beson- derheiten, Probleme und Erfolge der Entwicklung aufzuzei- gen, nicht aber vollst¨ andige und detaillierte technische Be- schreibungen zu geben. Die Ausf¨ uhrungen dokumentieren zugleich das große Engagement von ¨ uber 800 Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern, die dieses richtungweisende Projekt bew¨ altigt haben. Zusammen mit den DV-Programmen des Bundesministe- riums f¨ ur Bildung und Wissenschaft, dem ¨ uberregionalen Forschungsprogramm Informatik und der Gr¨ undung der Gesellschaft f¨ ur Informatik war die Entwicklung und Fer- tigung des TR 440 auch ein wichtiger Teil des Auf- bruchs in die Informatik/Informationstechnik in Deutsch- land; ein Aufbruch, der u.a. an den Hochschulen zum Aufbau des Studienganges Informatik f¨ uhrte, aus dem im Laufe der Jahre Zehntausende von Absolventen hervor- gingen (f¨ ur die oft der TR 440 ein wichtiges Werkzeug war). Von diesem Heft kann man beim Springer-Verlag(Her- mann Engesser) unentgeltliche Probehefte bestellen. 13

40 Jahre TR 440

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Page 1: 40 Jahre TR 440

DOI 10.1007/s00450-008-0049-1

E D I T O R I A L

Informatik Forsch. Entw. (2008) 22: 201–202

40 Jahre TR 440

Hermann Engesser

Online veroffentlicht: 12 August 2008© Springer-Verlag 2008

Mit der Entwicklung des AEG-Telefunken Rechners TR440 (1965 bis 1974) beteiligte sich die deutsche Industrieaktiv an einem weltweiten Umbruch bei Struktur, Reali-sierung und Nutzungsweise großer Time-Sharing-Systeme.Der TR 440 war 1970 der schnellste bislang in Europaentwickelte und gebaute Rechner. Die Systemsoftware wardem Stand der Technik um Jahre voraus. 46 Anlagen wur-den, vorwiegend in Rechenzentren der Universitaten undGroßforschungseinrichtungen, installiert und teilweise bisin die 80er Jahre betrieben.

Der TR440 kann dieses Jahr ein 40-jahriges Jubilaum fei-ern, denn der erste TR 440 wurde – fur das firmeninterne Kon-stanzer Rechenzentrum – Ende 1968 in Betrieb genommen.

Die Autoren werfen in drei Beitragen einen Blick zuruckauf die Entwicklung des Rechners:

• Unternehmensstrategie, Markterfolg und Nachfolger(Jessen, Michel, Siegert, Voigt)

• Struktur und Technologie (Jessen, Michel, Voigt)• Software und Softwareentwicklung (Siegert)

Ein vorangestellter vierter Beitrag

• Rechnerbetrieb aus Benutzersicht: Auf dem Weg zu dengroßen dialogfahigen Timesharing-Systemen (Wiehle)

schildert die Außenansicht dieses markanten Umbruchs,von dem der TR 440 ein Teil war. Charakteristisch dafurwar der Ubergang vom Stapel- zum Dialogbetrieb mit vielengrundsatzlichen Innovationen bei Hardware und Softwaresowie den damit ausgelosten Anderungen in der Arbeits-weise der Benutzer eines Rechners.

H. Engesser (�)Springer-Verlag,Tiergartenstraße 17,69121 Heidelberg, Deutschlande-mail: [email protected]

Die Autoren beschreiben den TR 440 und seine Ent-wicklung auf der Grundlage von meist kundenorientiertenDokumenten, die beim Leibniz-Rechenzentrum, bei ehe-maligen Mitarbeitern und bei den Autoren noch verfugbarwaren. Es gibt leider kein TR440-Firmenarchiv mit (inter-nen) Entwicklungsdokumenten, so dass die Berichte auchdurch Erinnerungen der Autoren aus ihrer verantwortlichenTatigkeit in dem Vorhaben beeinflusst sind. Das DeutscheMuseum hat dankenswerter Weise die gesammelten TR4-und TR440-Dokumente in seine Bibliothek aufgenommen,insbesondere die meisten TR440-Dokumente, die von denAutoren zitiert wurden.

Der allgemeine Stand der Technik wird nur dargestellt,wenn er fur das Verstandnis von TR440-spezifischen Eigen-schaften oder Unternehmensentscheidungen von besondererBedeutung ist. Wichtig schien es, die Highlights, Beson-derheiten, Probleme und Erfolge der Entwicklung aufzuzei-gen, nicht aber vollstandige und detaillierte technische Be-schreibungen zu geben. Die Ausfuhrungen dokumentierenzugleich das große Engagement von uber 800 Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern, die dieses richtungweisende Projektbewaltigt haben.

Zusammen mit den DV-Programmen des Bundesministe-riums fur Bildung und Wissenschaft, dem uberregionalenForschungsprogramm Informatik und der Grundung derGesellschaft fur Informatik war die Entwicklung und Fer-tigung des TR 440 auch ein wichtiger Teil des Auf-bruchs in die Informatik/Informationstechnik in Deutsch-land; ein Aufbruch, der u.a. an den Hochschulen zumAufbau des Studienganges Informatik fuhrte, aus dem imLaufe der Jahre Zehntausende von Absolventen hervor-gingen (fur die oft der TR 440 ein wichtiges Werkzeugwar).

Von diesem Heft kann man beim Springer-Verlag (Her-mann Engesser) unentgeltliche Probehefte bestellen.

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Die Entwicklung des TR 440 wird auch Gegenstand einesHeftes der ,,IEEE Annals of the History of Computing“ sein.

Die Autoren dieses Heftes werden im folgenden kurzvorgestellt:

Eike Jessen, geboren 1933,studierte Nachrichtentechnik ander Technischen Universitat Berlin,forschte im Gebiet der digitalen Ra-darverarbeitung und promovierteuber Assoziative Speicherung. Erwurde 1964 Entwicklungsleiter furElektronische Rechenanlagen beiAEG-Telefunken. 1972 wechselteer an die Universitat Hamburgund 1983 an die TechnischeUniversitat Munchen. Eike Jessenist uber lange Zeit Vorsitzenderdes Deutschen Forschungsnetzesgewesen. Er wurde 2001 emeri-tiert. Interessensgebiete: Netze,Rechner, Leistungsanalyse.

Dieter Michel, geboren 1936,Studium der Nachrichten-und Elektrotechnik, Diplomarbeituber ,,Pulscodemodulations-Uber-tragung“, 1962 Eintritt als Ent-wicklungs-Ingenieur fur Spei-cherentwicklung im FachgebietDigitalrechner der TelefunkenG.m.b.H., Konstanz. 1969 Leiterder Projekt-Uberfuhrung TR440in die Produktion, Aufbau undLeitung des TR440 Anlagen-und System-Pruffeldes. 1972Ubernahme der Abteilung Hard-ware-Entwicklung Großrechnerbei AEG-Telefunken bzw. Tele-funken-Computer (TC). Nach Ver-

kauf der TC in 1974 an Siemens Wechsel des Aufgabengebietes:Leitung der Produkt- und System-entwicklung ,,Zeichenerkennung(Pattern-Recognition)“.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans-JurgenSiegert ist emeritierter Ordinariusfur Informatik an der TechnischenUniversitat Munchen, an die er1975 berufen wurde. Seine Interes-sensgebiete sind Betriebssysteme,Echtzeitsysteme, Rechnernetze,Robotik, simulative Methodenund Projekt-Management. Siegertwar auch Mitglied der kollegialenLeitung des Instituts fur Informatikund uber viele Jahre der furdas Informatik-Rechenzentrumzustandige Institutsdirektor. Ersetzte sich auf den verschiedenstenEbenen fur die Forderung derRechnerinfrastruktur an den Hoch-

schulen in Bayern und in Deutschland ein. Von 1967 bis 1975 war er inder Software-Entwicklung fur die Großrechner bei AEG-Telefunkenund den Nachfolgefirmen. Seit 1969 war er dort Abteilungsleiter und furdie Großrechnersoftware verantwortlich. Siegert studierte TheoretischePhysik an der Universitat Stuttgart, promovierte dort 1965 bei Hockerund war von 1961 bis 1967 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutfur Kernenergetik, wo er die Abteilung Numerik aufbaute und leitete.Er ist Mitglied von ACM, GI und IEEE, sowie Trager des BayerischenVerdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

Heinz Voigt studierte Elektro-technik in Hamburg und wurde1948 Mitarbeiter des Nordwest-deutschen Rundfunks (NWDR),wo er zunachst in internationa-ler Kooperation Probleme derFrequenzstabilisierung von Mit-telwellensendern bearbeitete. 1953wechselte er in die NWDR-Forschung und entwickelte Ver-fahren fur die Entzerrung von Fern-sehsignalen. 1956 (Bild!) wurde erMitglied des Entwicklungsteamsdes Telefunken TR 4-Rechnersin Backnang und nachfolgendProjektleiter fur die Zentraleinheit.Mit diesem Projekt wechselte er

1963 nach Konstanz, wo er die Verantwortung fur die Entwicklungder Rechner TR 10 und TR 84, neben dem TR 4, ubernahm. 1965wurde er Leiter der Entwicklung des TR 440-Rechners mit demSatellitenrechner TR 86. Ab 1972 beteiligte sich Heinz Voigt an denPlanungen fur den Rechner TR 550. Nach der Ubernahme der AEG-Telefunken-Großrechnerentwicklungen durch Siemens entwickelteHeinz Voigt den Rechner X1R und Lichtleiteranschlusstechniken furPeripheriegerate.

Hans Rudiger Wiehle, Professorim Ruhestand, wirkte an derFakultat fur Informatik der Uni-versitat der Bundeswehr Munchenseit ihrer Grundung 1973. SeineHauptinteressengebiete dort warenBetriebssysteme, formale System-darstellungen und Transaktions-systeme, insbesondere derenNormung.

Nach der Promotion in mathe-matischer Logik an der UniversitatMunster wechselte er 1959 zumRechnerbetrieb und zur System-programmierung an die TechnischeUniversitat Munchen. Von 1962bis 1964 beteiligte er sich intensiv

an zwei großeren Softwareprojekten: an einem Stapel verarbeitendenBetriebssystem fur den AEG-Telefunken Rechner TR 4 und amALCOR Illinois 7090, einem ALGOL60-Ubersetzer fur die sehrverbreiteten Rechner IBM 7090 und 7094, gleichzeitig einem derersten Ubersetzer mit Quellsprachen-Dump.

Danach arbeitete er einige Jahre im Rechnerbereich von AEG-Telefunken in Konstanz, wo er die Betriebssystementwicklung fur denGroßrechner TR 440 in ihren ersten Jahren leitete (1965 bis 1968).

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