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477 476 Gehirn und Rückenmark Hygrome entstehen meist infolge von chronischen Subduralblutungen, nach einem Schädel-Hirn-Trauma, nach Menin- gitiden oder nach zu rascher Entlastung eines Hydrozephalus. Dabei entwickeln sich Flüssigkeitsansammlungen in den Spalträumen zwischen weicher und harter Hirnhaut, in die es auch einbluten kann. Sie induzieren je nach Größe lokale Abplattungen der Hirnoberfläche, bei größerem Volumen kann eine Ventrikelkompression resultieren. 31.2. Stellenwert der bildgebenden Verfahren Nativaufnahmen des Schädels und der Wirbelsäule wurden früher vorwiegend in der Initialdiagnostik zur Aufdeckung knöcherner Verletzungen oder Mißbildungen angefer- tigt. Die Indikationen haben sich aus Strahlenschutzgründen derart verändert, daß nur klinisch auffällige Patienten einer CT-Diagnostik zugeführt werden. Die früher noch häufig angefertigten Spezialaufnahmen der Innenohren (Schüller, Stenvers) oder des Canalis opticus (Rhese) sind durch Dünnschichtuntersuchungen in der CT abgelöst. Gehirn und Rückenmark Der physiologische Liquorfluß erfolgt druckabhängig und passiv aus den Seitenventrikeln über die Foramina Monroi, den III. Ventrikel, Aquädukt und die basalen Foramina Luschkae und Magendi des IV. Ventrikels in die basalen Zisternen und dann über die Tentoriumsinzisur zur Hirnkonvexität. Dort tritt er an knopfförmigen, zottigen Verdickungen der Arachnoidea (Pacchionische Granulationen) der Großhirnhemisphären in das Blut über. Der Hydrocephalus (”Wasserkopf”) beschreibt den Zustand erweiterter innerer und/oder äußerer Liquorräume im Gehirn, häufig in Verbindung mit einem z.T. nur zeitweise auftretenden intrakraniellen Druckanstieg. Er ent- steht, wenn ein Ungleichgewicht zwischen Liquorproduktion und -resorption vorliegt. Man unterscheidet den nicht kommunizierenden Verschluß-Hydrozephalus (Obstruktion auf Ventrikelebene oder in Höhe der Foramina durch Mal- formationen oder Tumoren) und einen kommunizierenden Hydrozephalus communicans (verminderte Resorption im Subarachnoidalraum). Der seltene hypersekretorische Hydrozephalus beruht auf einer Liquorüberproduktion (Plexuspapillom, Ependymitis). Der Hydrozephalus e vacuo ist eine sekundäre, passive Liquorraumerweiterung ohne Hirndruckzeichen zur Kompensation eines Hirnparenchymverlustes, z.B. nach einem Apoplex. Bei Verklebung der Pacchionischen Granulationen und der äußeren Liquorräume nach Blutung oder Entzündung ist die Resorption behindert (H. aresorptivus). Durch eine Blockade (Tumor, Ödem) ( H. occlusus) des Abflusses erweitern sich je nach der Lokalisation die ersten drei oder auch alle Hirnkammern. Die Erweiterung der Temporalhörner der Seitenventrikel ist dabei das sensitive Frühzeichen eines beginnenden Liquoraufstaus, im Verlauf treten durch die transependymale Liquordiapedese Druckkappen v.a. im Bereich der Seitenventrikel auf. Die einseitige Blockade des Foramen Monroi führt zur gleichseitigen Erweiterung des Seitenventrikels. Bei Neugebore- nen wird ein durch vermehrtes Liquorvolumen hervorgerufener Überdruck auf die noch offenen Schädelnähte übertragen. Ohne Korrektur ist die geistige Entwicklung u.U. erheblich eingeschränkt, die ausgedünnte Schädelkalotte zeigt ein wolkiges Relief ( Wolkenschädel). Ein erhöhtes Liquorvolumen beim Erwachsenen äußert sich in Form verplumpter Seitenventrikel, der erhöhte Druck bewirkt eine Atrophie des angrenzenden Parenchyms. Eine Sonderform stellt der Normaldruck-Hydrozephalus (NPH) dar, der als chronischer Hydrozephalus im höheren Alter mit der klinischen Trias von Gangstörungen, Demenz und Inkontinenz auffällt. Auffällig ist hierbei eine Erweiterung der inneren und basalen-temporalen äußeren Liquorräume mit diskrepant schlanken Haubenzisternen (im Ggs. zur Atrophie) sowie verstärkte „flow voids“ am Aquäduct. Der Balken ist mehr oder weniger nach kranial verlagert und ausgedünnt. Der benigne, idiopathische, extraaxiale Hydrozephalus des Kleinkindes tritt als Zufallsbefund in den beiden ersten Lebensjahren auf und bedarf in der Regel keiner operativen Behandlung. Seltene Sonderformen sind der Pseudotumor cerebri mit benignem, intrakraniellem Druckanstieg und Visusgefährdung (mögl. Ursache: Störungen des adrenalen und hypophysär-gonadalen Regelkreises, symptomatisch bei Sinusthrombose; Risikofaktoren: Adipositas und arterieller Hypertonus; CT: „empty sella“) und die Aliquorrhoe mit kleinen Ventrikeln (Mikroventrikulie) und einem erhöhtem Risiko für SDH. Abb. 31.16 Liquorraumpathologie: Wolkenschädel (links) bei einem shuntversorgten Kind. Ausdünnung der Kalotte (Pfeile, 2. v.l.). Tumorbedingte Aquäduktstenose mit Erweiterung der Seitenventrikel und Druckkappen (Pfeile T2 sag., 3. v.l.) . Benigner, idiopathischer, extraaxialer Hydrocephalus des Kleinkindes (rechts). Abb. 31.20 Schädelübersicht: Sprengung der Lambdanaht links. Abb. 31.15 Liquor: Schematische Darstel- lung der Liquorräume. Abb. 31.17 Liquorraumpathologie: NPH: Erweiterte Fissura silvii (links, Pfeile; enge Konvexitätszisternen Pfeilspitzen). T2w mit weiten Seitenventrikeln (2. v.l.). T2sag.: Ausdünnung des elevierten Balkens (3. v.l. Doppelpfeil). Verstärkte Flow voids über Aquäductus cerebri (3. v.l. Pfeil). CT axial mit engen Haubenzisternen (rechts). Abb. 31.18 Im Ggs. zu NPH Atrophie mit symmetrischer Erweiterung der Konvexitätszisternen (Pfeile links). Hydrocephalus communicans (2. v.l.), Ausdünnung des Balkens und Ventrikeldachs (weiße Pfeilspitzen), Flow voids an Aquäduct und basalen Foramina (schwarze Pfeile). Frühkindlicher Hirnschaden mit zentraler Ventrikelerweiterung (3. v.l.). Hydrocephalus e vacuo (rechts) nach Ischämie. Abb. 31.19 Hydrocephalus aresorptivus nach ausge- dehnter SAB (links). Entlas- tungshygrome nach lumba- ler Liquordrainage (2. v.l.). Beidseitige frontoparietale, chronische Hygrome mit Abplattung der Gyri (rechts). 16BuchNeuBreit_Kapitel30_31.p65 03.07.2011, 16:56 476-477

477 Gehirn und Rückenmark 476 - mta-r.de · Hydrocephalus communicans (2. v .l.), A usdünnung des B alkens und Ventrikeldachs (w eiße Pfeilspitz en), F low voids an A quäduct

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477476 Gehirn und Rückenmark

Hygrome entstehen meist infolge von chronischen Subduralblutungen, nach einem Schädel-Hirn-Trauma, nach Menin-gitiden oder nach zu rascher Entlastung eines Hydrozephalus. Dabei entwickeln sich Flüssigkeitsansammlungen in denSpalträumen zwischen weicher und harter Hirnhaut, in die es auch einbluten kann. Sie induzieren je nach Größe lokaleAbplattungen der Hirnoberfläche, bei größerem Volumen kann eine Ventrikelkompression resultieren.

31.2. Stellenwert der bildgebenden Verfahren

Nativaufnahmen des Schädels und der Wirbelsäule wurden früher vorwiegend in derInitialdiagnostik zur Aufdeckung knöcherner Verletzungen oder Mißbildungen angefer-tigt. Die Indikationen haben sich aus Strahlenschutzgründen derart verändert, daß nurklinisch auffällige Patienten einer CT-Diagnostik zugeführt werden. Die früher nochhäufig angefertigten Spezialaufnahmen der Innenohren (Schüller, Stenvers) oder des Canalisopticus (Rhese) sind durch Dünnschichtuntersuchungen in der CT abgelöst.

Gehirn und Rückenmark

Der physiologische Liquorfluß erfolgt druckabhängig und passiv aus denSeitenventrikeln über die Foramina Monroi, den III. Ventrikel, Aquädukt unddie basalen Foramina Luschkae und Magendi des IV. Ventrikels in die basalenZisternen und dann über die Tentoriumsinzisur zur Hirnkonvexität. Dort tritter an knopfförmigen, zottigen Verdickungen der Arachnoidea (PacchionischeGranulationen) der Großhirnhemisphären in das Blut über.

Der Hydrocephalus (”Wasserkopf”) beschreibt den Zustand erweiterterinnerer und/oder äußerer Liquorräume im Gehirn, häufig in Verbindung miteinem z.T. nur zeitweise auftretenden intrakraniellen Druckanstieg. Er ent-steht, wenn ein Ungleichgewicht zwischen Liquorproduktion und -resorptionvorliegt.Man unterscheidet den nicht kommunizierenden Verschluß-Hydrozephalus

(Obstruktion auf Ventrikelebene oder in Höhe der Foramina durch Mal-formationen oder Tumoren) und einen kommunizierenden Hydrozephalus

communicans (verminderte Resorption im Subarachnoidalraum).Der seltene hypersekretorische Hydrozephalus beruht auf einer Liquorüberproduktion (Plexuspapillom, Ependymitis). DerHydrozephalus e vacuo ist eine sekundäre, passive Liquorraumerweiterung ohne Hirndruckzeichen zur Kompensation einesHirnparenchymverlustes, z.B. nach einem Apoplex. Bei Verklebung der Pacchionischen Granulationen und der äußerenLiquorräume nach Blutung oder Entzündung ist die Resorption behindert (H. aresorptivus). Durch eine Blockade (Tumor,Ödem) (ggggg H. occlusus) des Abflusses erweitern sich je nach der Lokalisation die ersten drei oder auch alle Hirnkammern. DieErweiterung der Temporalhörner der Seitenventrikel ist dabei das sensitive Frühzeichen eines beginnenden Liquoraufstaus,im Verlauf treten durch die transependymale Liquordiapedese ggggg Druckkappen v.a. im Bereich der Seitenventrikel auf.

Die einseitige Blockade des Foramen Monroi führt zur gleichseitigen Erweiterung des Seitenventrikels. Bei Neugebore-nen wird ein durch vermehrtes Liquorvolumen hervorgerufener Überdruck auf die noch offenen Schädelnähte übertragen.Ohne Korrektur ist die geistige Entwicklung u.U. erheblich eingeschränkt, die ausgedünnte Schädelkalotte zeigt ein wolkigesRelief (ggggg Wolkenschädel). Ein erhöhtes Liquorvolumen beim Erwachsenen äußert sich in Form verplumpter Seitenventrikel,der erhöhte Druck bewirkt eine Atrophie des angrenzenden Parenchyms.

Eine Sonderform stellt der Normaldruck-Hydrozephalus (NPH) dar, der als chronischer Hydrozephalus im höheren Altermit der klinischen Trias von Gangstörungen, Demenz und Inkontinenz auffällt. Auffällig ist hierbei eine Erweiterung derinneren und basalen-temporalen äußeren Liquorräume mit diskrepant schlanken Haubenzisternen (im Ggs. zur Atrophie)sowie verstärkte „flow voids“ am Aquäduct. Der Balken ist mehr oder weniger nach kranial verlagert und ausgedünnt.

Der benigne, idiopathische, extraaxiale Hydrozephalus des Kleinkindes tritt als Zufallsbefund in den beiden erstenLebensjahren auf und bedarf in der Regel keiner operativen Behandlung.

Seltene Sonderformen sind der Pseudotumor cerebri mit benignem, intrakraniellem Druckanstieg und Visusgefährdung(mögl. Ursache: Störungen des adrenalen und hypophysär-gonadalen Regelkreises, symptomatisch bei Sinusthrombose;Risikofaktoren: Adipositas und arterieller Hypertonus; CT: „empty sella“) und die Aliquorrhoe mit kleinen Ventrikeln(Mikroventrikulie) und einem erhöhtem Risiko für SDH.

Abb. 31.16 Liquorraumpathologie: Wolkenschädel (links) bei einem shuntversorgten Kind. Ausdünnung der Kalotte (Pfeile, 2.

v.l.). Tumorbedingte Aquäduktstenose mit Erweiterung der Seitenventrikel und Druckkappen (Pfeile T2 sag., 3. v.l.) . Benigner,

idiopathischer, extraaxialer Hydrocephalus des Kleinkindes (rechts). Abb. 31.20 Schädelübersicht: Sprengung der Lambdanaht links.

Abb. 31.15 Liquor: Schematische Darstel-

lung der Liquorräume.

Abb. 31.17 Liquorraumpathologie: NPH: Erweiterte Fissura silvii (links, Pfeile; enge Konvexitätszisternen Pfeilspitzen). T2w

mit weiten Seitenventrikeln (2. v.l.). T2sag.: Ausdünnung des elevierten Balkens (3. v.l. Doppelpfeil). Verstärkte Flow voids über

Aquäductus cerebri (3. v.l. Pfeil). CT axial mit engen Haubenzisternen (rechts).

Abb. 31.18 Im Ggs. zu NPH Atrophie mit symmetrischer Erweiterung der Konvexitätszisternen (Pfeile links). Hydrocephalus

communicans (2. v.l.), Ausdünnung des Balkens und Ventrikeldachs (weiße Pfeilspitzen), Flow voids an Aquäduct und basalen

Foramina (schwarze Pfeile). Frühkindlicher Hirnschaden mit zentraler Ventrikelerweiterung (3. v.l.). Hydrocephalus e vacuo

(rechts) nach Ischämie.

Abb. 31.19 Hydrocephalus

aresorptivus nach ausge-

dehnter SAB (links). Entlas-

tungshygrome nach lumba-

ler Liquordrainage (2. v.l.).

Beidseitige frontoparietale,

chronische Hygrome mit

Abplattung der Gyri (rechts).

16BuchNeuBreit_Kapitel30_31.p65 03.07.2011, 16:56476-477