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Dom Hotel Augsburg 1508 – 2008 500 Jahre Geschichte: das Dom Hotel

500 Jahre Geschichte: Dom Hotel Augsburg

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Die Geschichte von der Domprobstei zum Dom-Hotel in Augsburg.

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Dom Hotel Augsburg

1508 – 2008 500 Jahre Geschichte: das

Dom Hotel

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Augsburg war oftmals Gast-geber für Kaiser des HeiligenRömischen Reiches Deut-scher Nation. Diesen Titeltrug auch Maximilian I. Erschätzte den Komfort unddie zentrale Lage der Dom-propstei und stieg dort gernals Gast von Kardinal Mat-thäus Lang ab. Jetzt logierenauf diesem Areal Augsburg-

Besucher aus aller Welt: Ausder Dompropstei ist dasDom Hotel geworden.

Wer war der Dompropst, deran so herausragender Lageüber ein derart großes An-

Wichtige Daten in der Historie des

Dom Hotels

Franz Häußler

Von der Dompropstei zum Dom HotelHier war vor 500 Jahren Kaiser Maximilian I. zu Gast

Bild oben: Am Frauentorbeim Dom wurde 1508 dieDompropstei errichtet.

1508: Kardinal Matthäus Lang baut dieDompropstei.

1521: Der Augsburger Stadtplan von Jörg Seldzeigt das dreistöckige Gebäude der Dompropstei.

1803: Die säkularisierte Dompropstei geht in denBesitz der Reichsstadt Augsburg über, die sie1804 veräußert.

1858: An der früheren Dompropstei wird eineGedenktafel angebracht, die an den Bauherrn und an die Besuche Kaiser Maximilians I. erinnert.

1895: Der Verein „Katholisches Casino“ richtetGästezimmer in der einstigen Dompropstei ein.

1919: Josef Dietrich pachtet die ehemalige Dompropstei. Er ist der Groß- beziehungsweiseUrgroßvater der heutigen Besitzer Gerd und JosefIllig. Das Haus heißt damals „Goldene Glocke“.

1941: Josef Dietrich erwirbt die „Goldene Glocke“.

1946: Das Hotel in der 1944 zerbombten einstigen Dompropstei wird wieder aufgebaut.

1972: Die „Goldene Glocke“ wird in „Dom Hotel“ umbenannt.

2008: Das „Dom Hotel“ kann auf eine 500-jährige Hausgeschichte zurückblicken.

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mit den Fuggern verwandt.Die kinderreiche AugsburgerPatrizierfamilie Lang war je-doch ziemlich mittellos, alsMatthäus im Jahre 1468oder 1469 geboren wurde.

Der hochbegabte Bub hatteeine schöne Stimme. Und so kam er als Chorknabeam Hofe von BayernherzogGeorg in Ingolstadt unter.Das sicherte ihm eine aus-gezeichnete Schulbildungund einen Freiplatz an derdortigen Universität. Tübingenund Wien waren die nächs-ten Studienorte des sprach-begabten Augsburgers, derLatein, Französisch und Ita-lienisch perfekt beherrschte.

1494 wurde König Maximilianauf die außergewöhnlichenFähigkeiten des Patrizier-sohnes aufmerksam und berief ihn zu seinem Sekretär.Damit begann der Aufstieg

wesen verfügte, dass dortsogar ein Kaiser nächtigte?Der jeweilige Dompropstwar nicht nur Vorsitzenderdes Domkapitels, er verwal-tete dessen Vermögen, warfür die Rechtssprechung zuständig und genoss eineVorrangstellung in der geist-lichen Hierarchie. Das Amtwar der Bedeutung gemäß

gut honoriert und wurde fastausnahmslos von Männernvon Adel ausgeübt. Die ehe-malige Bedeutung der Dom-propstei und der dort residie-renden Pröpste scheint oft-mals in den Stadtchronikenauf. Doch auch am und imDom Hotel gibt es zwei un-übersehbare steinerne Hin-weise.

Am 12. September 1857wurde an dem Gebäude eineInschriftenplatte angebracht:„Dieses Haus war die Dom-probstei, neuerbaut im Jahre1508 durch den KardinalMatthäus Lang. Hier pflegtenwährend ihres Aufenthaltes inAugsburg der Kaiser Maxi-milian I. und seine GemahlinBlanca Maria zu wohnen.“Der auf der Steinplatte alsErbauer der „Probstei“ (inalter Schreibweise mit „b“!)und als Gastgeber genannteKardinal Matthäus Lang war

zum königlichen und kaiser-lichen Diplomaten, zu hohenWürden und zu Reichtum.

Anno 1498 in den Adel er-hoben (er durfte sich nunLang von Wellenburg nen-nen), 1501 zum königlichenRat ernannt und von KönigMaximilian protegiert, konnte

Kaiser Maximilian I. war inder Augsburger Dompropsteiein gern gesehener Gast.

1858 wurde die Inschriften-tafel am heutigen Dom Hotelangebracht, die an die Be-suche Kaiser Maximilians I.und seiner Gemahlin BlancaMaria erinnert.

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wesen sein). Mit Sicherheitwaren eine Hauskapelle undein Saal integriert, in dem dasDomkapitel tagen konnte.

Zur selben Zeit konnte Langdas fast zerfallene SchlossWellenburg mit Ausnahmeeines kaiserlichen Besitzan-teils erwerben. Er ließ es zueinem prächtigen Lust- undJagdschloss ausbauen.

Kardinal Langs hochadeligerGönner Maximilian nahm

1508 im Dom von Trient dieKaiserwürde an. Bei seinenhäufigen Aufenthalten inAugsburg (er weilte in seinemLeben insgesamt 57-mal inder Stadt) logierte er gern in der komfortablen neuenDompropstei. Auch seinezweite Gattin, die MailänderHerzogstochter EleonoraBlanca Maria Sforza, mit der

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sich Matthäus Lang einträg-liche geistliche Pfründe ver-schaffen. Er war jedoch ab-solut kein religiöser oder garfrommer geistlicher Herr.Trotzdem gelang es ihm, imJahre 1500 gegen heftigstenWiderstand des DomkapitelsDompropst zu Augsburg zuwerden. 1504 stieg er zumBischof von Gurk auf underlangte damit die Würdeeines Reichsfürsten.

Matthäus Lang baut die Dompropstei neu

Damit nicht genug: 1511bekam Matthäus Lang zuWellenburg den Kardinalshutund konnte 1519 das be-deutende Erzbistum Salzburgübernehmen. Eine derartigegeistliche Laufbahn war einezeitübliche Art des Aufstiegsaus niedriger sozialer Schicht,verbunden mit reichlichenEinkünften.

Der kaiserliche Günstlingschaffte diese Karriere auchdank seiner außergewöhn-lichen Fähigkeiten: Er wareiner der schillerndsten, ge-schicktesten und mächtigs-ten Diplomaten seiner Zeit,daneben der Wissenschaftwie einem üppigen Lebens-stil gleichermaßen zugetan.

Als Augsburger Dompropststand Matthäus Lang demdurchwegs adeligen Dom-kapitel vor. Er weilte höchstselten vor Ort, die Amtsge-schäfte erledigte ein Ver-treter. Der machtbewusstehohe Kleriker ließ dennoch1508 seine Propstei neu undentschieden repräsentativerals zuvor erbauen. Sie ist im Stadtplan von 1521 an-schaulich dargestellt: ein dreistöckiges Gebäude miteinem Türmchen an der Eckezur alten Bischofsmauer (eskönnte ein Treppenturm ge-

Die Stadtansicht Jörg Seldsvon 1521 zeigt auch dieneue Dompropstei.

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Der aus dem bayerischenHerrscherhaus der Wittels-bacher stammende Dom-propst hatte dieses Amt von1468 bis 1486 inne. Dieserhochadelige Herr war außer-dem Dompropst in Regens-burg und Inhaber weiterereinträglicher Pfründe. Er ver-starb am 4. Oktober 1486auf einer Reise ins HeiligeLand in Jerusalem. Dort istder Augsburger Dompropstauch begraben worden.

Die Namen der meistenDompröpste sind überliefert,über die Frühgeschichteihrer Residenz sprudeln dieschriftlichen Quellen jedochnur spärlich: Frühe Baupläneund Baubeschreibungensind nicht erhalten. ZumGlück haben über 600 Jahrealte Streitakten und Rats-

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er seit 1493 verheiratet war,soll hier gewohnt haben.Schloss Wellenburg war einbeliebter Jagdaufenthalt so-wohl des Kardinals wie auchdes Kaisers. Sie gingen hiervor allem der Vogelbeize mitFalken nach.

Die an Kardinal Lang vonWellenburg und Kaiser Maxi-milian erinnernde Inschriftam Dom Hotel verrät nur ein

Detail aus der Vergangenheitdes stadtgeschichtlich undkirchengeschichtlich gleicher-maßen bedeutsamen histo-rischen Platzes. Neben dendicken Mauern und altenKellergewölben macht einüber 500 Jahre alter kost-barer Wappenstein die Ge-schichte des Dom Hotelsund seiner Vorgängerbautenanschaulich.

Der 500-jährige Wappen-stein eines Dompropstes

Die kunstvolle Steinmetz-arbeit stammt aus der Zeitvor 1500, ist also ein Reliktaus dem Vorgängerbau der1508 von Kardinal Lang er-richteten Propstei. Sie ziertunübersehbar eine Wand inder Halle des nunmehrigen80-Betten-Hotels: Der großeWappenstein erinnert anJohann Herzog in Bayern,Pfalzgraf bei Rhein.

Ein Wappenstein aus der Zeitvor 1500 erinnert an einenVorgängerbau der Propstei.

Auch die Gattin des KaisersMaximilian I., Blanca Maria,soll die Dompropstei besuchthaben.

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zwischen dem Bischof undden Bürgern hatte sich bereits entspannt, als derPropstei-Neubau von 1508entstand: Er durfte an diealte Bischofsmauer angebautwerden. Als das Frauentor1611 durch Elias Holl letzt-mals umgebaut und vonStadtmaler Mathias Kagerfreskiert wurde, erinnerte mansich sogar stolz des 1540verstorbenen berühmtenDompropstes und Tornach-barn Matthäus Lang vonWellenburg. Das von Kagergeschaffene Bildprogrammam Tor verherrlichte denKardinal, Kaiser-Freund undPropstei-Erneuerer.

Steinquader und Teller aus Augusta Vindelicum

Die Geschichte des DomHotels reicht entschiedenweiter zurück als „nur“ insMittelalter: Die Gebäude ste-

hen im Bereich der einstigenRömerstadt Augusta Vinde-licum. Bei einer Bohrpfahl-gründung auf dem Grund-stück wurden Scherben einesrömischen Terra-sigillata-Tellers gefunden. Die ver-zierten Reste dieses rotenGeschirrs der edleren Sortekamen 1996 beim Aushebendes Grundes für einen Er-weiterungsbau des Hotelsam Äußeren Pfaffengässchen

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beschlüsse auch die Dom-propstei zum Inhalt. DerBischof und die AugsburgerBürger lagen sich nämlichoft in den Haaren. Der Grund:Seit dem 12. Jahrhundertbeanspruchten sie gleicher-maßen die Herrschaft überdie Stadt und ihre Befesti-gungen. Darüber gab eshäufiger handfesten Streit.

Zwei Beispiele: 1372 ließ derRat der Reichsstadt gegenden Willen der Geistlichkeitdie Mauern um die Dom-propstei umbauen, und 1381befahl die Stadtregierung,alles rigoros abzureißen, wasweniger als 14 Schuh (zirka4,15 Meter) von der Wehr-mauer um die Domstadt ent-fernt war. Dazu zählte auchdas Haus des DompropstesOtto von Sontheim. In die-sem hohen Kleriker sahendie Bürger ohnehin ihrenHauptfeind.

75 Jahre später, am 4. März1456, beschloss der Rat,das niedrige und schadhafteFrauentor um zwei „Gaden“(Stockwerke) zu erhöhen und Erker auf die vier Eckendes obersten Geschosseszu setzen. Der Dompropstund der Domdekan, mitderen Häusern das Frauen-tor unmittelbar verbundenwar, erhoben dagegen zwarheftigsten Protest, was derselbstbewusste Rat jedochignorierte.

Die Erhöhung des Torturmswar eine typische reichs-städtische Machtdemonstra-tion, denn ab etwa 1450hatte das Frauentor keinewehrtechnische Bedeutungmehr. Es blieb ab dieser Zeitnachts unverschlossen, dainzwischen weiter draußenein Befestigungsring die be-deutend vergrößerte Stadtumschloss. Das Verhältnis

Römische Münzen, Metall-teile und Keramikscherbenwurden auf dem Grundstückdes Dom Hotels gefunden.

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überdachten Kegelbahn ent-lang der im Stadtplan von1521 erstmals abgebildetenZiegelmauer in den 1870erJahren aus Platzgründenentfernt. Archäologen habenauf den großen Garten mitden inzwischen 140 bis 150Jahre alten riesigen Kastanienein besonderes Augenmerk:Er war nach dem Rückzugder Römer wohl nie über-baut, so dass im Untergrundnoch viel „Römisches“ un-versehrt zu finden wäre. DerGarten ist im selben Ausmaßwie heute auf allen Stadt-plänen seit 1521 deutlicherkennbar.

Bis 1804 residierten hier die Dompröpste

Die Dompropstei diente abernicht nur Kaiser Maximilianund seiner zweiten Gattinals hochherrschaftlichesQuartier bei ihren Augsburg-

Visiten – sie war bei Reichs-tagen und Besuchen hoherGäste mit stets zahlreichemGefolge oftmals belegt. ZurUnterbringung der mitreisen-den Geistlichkeit musstenetliche der 22 Domherren-höfe Betten frei machen –zuvörderst natürlich die ge-räumige Propstei.

Ihr kam eine weitere wichti-ge Rolle zu: Hier trat meistdas Domkapitel zur Bischofs-wahl zusammen. „Allhie inder Thumprobstey“ sei am24. Februar 1575 der nach-malige Kardinal GebhardtTruchsess Freiherr von Wald-burg zum Bischof gewähltworden, heißt es in derChronik des Markus Welser.Die Wahl dürfte in dem diegesamte Hausbreite einneh-menden Saal mit zwölf hohenFenstern an der Gartenseitestattgefunden haben, dender Stadtplan des Wolfgang

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ans Tageslicht. Im histori-schen Keller des Altbaus amMittleren Pfaffengässchensind zudem römerzeitlicheSteinquader vermauert. Siestammen aus abgebroche-nen Gebäuden der antikenRömerstadt.

Über den Resten der römer-zeitlichen ProvinzhauptstadtAugusta Vindelicum ent-stand im frühen Mittelalterdie Bischofs- oder Domstadt.Sie ist Kern und Urzelle derspäteren Reichsstadt Augs-burg, die sich um sie ent-wickelte. Die kleine Domburg der Geistlichkeit war von dersogenannten Bischofsmauerumschlossen und geschützt.Die Mauer begrenzt im Nor-den noch heute den Gartendes Dom Hotels. In ihremVerlauf ist sie inzwischenallerdings großteils auf beidenSeiten verbaut, markiert aberimmer noch die historischenGrundstücksgrenzen.

Im Hotelgarten fehlen dieeinst typischen Bogen ander Mauer, wie sie an ande-ren Stellen vom MittlerenPfaffengässchen aus nochsichtbar sind. Sie wurdenvermutlich beim Bau einer

Der Stadtplan von WolfgangKilian aus dem Jahr 1626lässt den Saal der Dom-propstei und den großenGarten erkennen.

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deshalb alsbald die von ihrkostenfrei übernommeneDompropstei. Sie hatte da-für keine Verwendung.

Aus jenen Jahrhunderten,als die Propstei Eigentumdes Domkapitels war, fehlenGrundstücksakten in denstädtischen Archiven. DennKirchenbesitz wurde nichtvon städtischer Seite beur-kundet, er stand nicht unterreichsstädtischer Oberhoheit.Erst mit der Enteignung unddem Verkauf beginnt dieakribische Erfassung allerBesitzveränderungen durchdie städtischen Behörden.

Als erster Eintrag ist am 9.August 1804 der Verkauf anFräulein Rosalia Magdalenade Rungs beurkundet. Daslange, von der Frauentor-straße fast 100 Meter insMittlere Pfaffengässchenverlaufende Areal wechselte

rasch die Bezeichnung vonDompropstei in „Rung‘schesHaus“. So wird es 1812 imAdressbuch genannt.

Zu diesem Zeitpunkt hattedas offenbar sehr begüterteFräulein de Rungs die Er-werbung von 1804 schonwieder veräußert. Da ist näm-lich bereits ein Kaufmannnamens Spitz Besitzer. Am23. Oktober 1819 geht dasAnwesen ins Eigentum derSpitz’schen Kinder über.Alten Plänen zufolge gehörtedazu ein Hauptgebäude, dasim Geviert einen Hof völligumschloss, des Weiteren dergroße Garten und ein östlichdavon stehendes niedrigesHaus. Es könnte ein Garten-haus oder (wahrscheinlicher)ein Pferdestall mit Wagen-remise gewesen sein.

Am 23. Januar 1830 ist be-reits der Eigentumswechsel

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Kilian von 1626 über fünfoffenen Arkaden andeutet.

1803: Die Dompropstei wird säkularisiert

Dompropst Johann Nepo-muk August Ungelter, Frei-herr von Deisenhofen, warder letzte hohe geistlicheHerr, dem die Dompropsteials Amtssitz diente. Seine

Regierungszeit dauerte von1768 bis 1804. Bei derSäkularisation 1803 wurdedie Dompropstei enteignetund gelangte in den Besitzder Stadt. Rechtsgrundlagefür die damalige Einziehungvon Kirchenvermögen warder sogenannte Reichsde-putationshauptschluss vom23. Februar 1803 durch denRegensburger Reichstag.Die bis Ende 1805 beste-hende Reichsstadt Augs-burg war immens hoch ver-schuldet und veräußerte

1803 wurde die Dompropstei säkularisiert und kam in denBesitz der Stadt Augsburg.

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Bedachung, unter der bis zu 50 Personen Platz finden,von morgens um 8 Uhr bisabends um 6 Uhr im Haus-garten des Herrn Thenn. Inweiteren Anzeigen präzisie-ren die Wanderfotografendie Anschrift: Ihr Daguerreo-typ-Atelier befinde sich „amFrauenthor bei Herrn Thenn“.Bis Ende November 1847sind die „Daguerreotypisten“in Augsburg tätig.

Als „Thenn’sches Haus“ wirddas an seiner Nordwesteckemit dem Frauentor verbunde-ne Gebäude in den 1850erJahren ein fester Begriff.Das zeigt sich nach aberma-ligem Verkauf am 13. März1856 an den Tuchfabrikan-ten Joseph Sachsenberger.

Die Stadtoberen haben die-sen Eigentumswechsel näm-lich „verschlafen“ und ver-säumt, selbst zuzugreifen.

Dies wäre nötig gewesen,um das Frauentor abbrechenund die Straße verbreiternzu können.

Sie müssen sich deshalb folgendes Spottgedicht ge-fallen lassen, das am 2. Sep-tember 1856 im „Augsbur-ger Stadt- und Landboten“unter der Überschrift „Bangemachen gilt nicht“ erscheint:„Liebes Frauentor! / Es ist sobald mit dir nicht aus, / duwirst noch lang bestehen! /Man hat dein’n Nachbar, ‘sThennsche Haus / zu kaufenübersehen. / Bricht mandich auch jetzo ab, / wirddie Straße nicht erweitert, /weil für die Breite – der Maaß-stab / am Tuchmacherladenscheitert. / Kauft‘s Thenn’-sche Haus, sprach guterRath, / man ließ die Leutesprechen; / will man es jetztzur Stund g’rad, / so heißt’swohl tüchtig blechen.“

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an Josefine Spitz beurkundet.Sie trennt sich 1832 von demkleinen Gebäude am Ost-rand ihres Gartens. Das win-zige Grundstück bekommtdarum eine eigene Litera-Nummer: Es wird künftig als Litera C 57b geführt. Am 1. April 1938 bei derAbschaffung der 1781 ein-geführten Litera-Adressenerhält es die Anschrift Mittle-res Pfaffengässchen 7. Indem schmalen Haus ohneGartengrund lebten im 19.Jahrhundert überwiegendHandwerker wie Kaminfeger,Eisendreher und Buchbinder.

Die einstige Dompropsteiwird ab 1832 unter der An-schrift Litera C 57 oder C57a (ab 1938: Frauentor-straße 8) in den Akten undPlänen geführt. Am 18. April1835 ist der nächste Eigen-tumswechsel notariell ver-brieft: Die Witwe Regina

Kornteuer wird jetzt für sieben Jahre die Besitzerin.Ihr folgt der Instrumenten-macher Christian Thenn.

1847: Der Garten alsAtelier für Fotografen

Thenn wird im August 1842Herr über den Hauskomplexund den Garten. Dieser statt-liche Hausgarten spielt 1847in der fotografischen Früh-geschichte Augsburgs eineRolle. Am 9. August 1847erscheint im „AugsburgerAnzeigblatt“ ein Inserat, indem die Gebrüder Meviusaus Coburg & Philadelphiaihren Aufenthalt in Augsburgankündigen: Sie empfehlensich „dem verehrten Publi-kum in Anfertigung von Licht-bildern nach dem bestenneuesten Verfahren und inmöglichster Vollendung“.Laut Annoncen erfolgen dieAufnahmen im Freien unter

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Pfaffengässchen liegendenrückwärtigen Grundstücks-und Gartenteil richtete derVerein die „Gastwirtschaftzur Goldenen Glocke“ ein.Der ausgedehnte Garten, indem ehedem Dompröpstewandelten und in dem schonzu Kaiser Maximilians ZeitenBäume standen, eignete sichideal zum Sommerbetrieb: Er wurde zu einem der wohlschönsten WirtschaftsgärtenAugsburgs.

Das Umwandeln eines Privat-anwesens in eine Gaststättewar anno 1872 schon eineschwierige Angelegenheit.Damals bestanden nochenge Gewerbebeschrän-kungen. Das heißt: Niemanddurfte nach Belieben einGasthaus eröffnen. NeueKonzessionen wurdenweder für Wirtschaften nochfür Brauereien erteilt. Doches gab natürlich Möglichkei-

ten, diese Beschränkung zuumgehen.

Man kaufte die Betriebs-lizenz einer bestehendenoder gerade stillgelegtenGastwirtschaft – eine „Tafern-gerechtsame“ – und über-trug sie auf ein anderes Ge-bäude. Dieses legalen Tricksbediente man sich bei derNeueröffnung der „GoldenenGlocke“. Eine Brauerei „ZurGoldenen Glocke“ ist schonim Jahr 1647 im HauseLitera C 274 (Sterngasse 1,Eckhaus zum Metzgplatz)

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1872: „KatholischesCasino“ kauft alte Propstei

Die Stadt wollte 1856 offen-bar nicht „tüchtig blechen“,also blieb das Frauentor (wiein den Versen prophezeit)noch fast 30 Jahre erhalten.

Am 27. August 1869 gingdas Anwesen an Sohn GeorgSachsenberger über. Schonbald danach, am 28. März1872, folgte der nächsteEigentumswechsel: Die ein-getragene Genossenschaft„Katholisches Casino“ (abetwa 1900 wird Casino mit„K“ geschrieben) erwarb diefrühere Propstei. Das Vorder-haus an der Frauentorstraßeblieb Wohn- und Geschäfts-haus, in dem am Mittleren

Im Jahr 1872 wurde die vor-malige Dompropstei vom„Katholischen Casino“, einereingetragenen Genossen-schaft, erworben.

Die alte Streichholzschachtelbelegt: Ab etwa 1900 firmier-te das „Katholische Casino“als „Kasino“ mit „K“.

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kurz darauf begann das Ab-tragen der Anliegergebäude.Für den sofort folgendenNeubau wurde die Baulinienach Osten zurückgenom-men – „zwecks Erweiterungder Passage“, wie es heißt. Dadurch verschwand die aufStichen und Fotos dokumen-tierte Engstelle in der wich-tigen Nord-Süd-Magistrale,auf der seit 1881 auch diePferde-Trambahn verkehrte.An der Eingangstüre undder Glocke an der Frauen-torstraße verweist nochheute die Jahreszahl 1886auf das Neubaujahr.

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nachweisbar. 1843 gehörtesie der Bierbrauer-Zunft.

Diese verkaufte sie an denHändler Martin Rast. Er warnicht mehr als Wirt tätig undnannte sich 1869 „Huckerzur goldenen Glocke“. 1872veräußerte er diesen Haus-namen und die nach wie vor

mit dem Anwesen verbun-dene Gaststättenkonzessionan den Verein „KatholischesCasino“. Dieser durfte nundie einstige Dompropstei„Goldene Glocke“ nennen.

Mit den Vereinsvorständenkonnte sich die Stadt 1884über den Abbruch desFrauentors und des damitverbundenen Traktes deralten Dompropstei einigen.Das Tor fiel im Frühjahr 1885,

Einen Gruß der „GoldenenGlocke“ trug diese Postkarteim Jahr 1912 in die Welt.

Im Garten der „GoldenenGlocke“. Das alte Frauentorneben der Gaststätte wurde1885 abgebrochen.

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kam auch Glück dazu: Dochdas hilft dem Sprichwort zu-folge eh nur dem Tüchtigen.

Am 12. Juli 1910 erhieltJosef Dietrich „die Erlaubniszur pachtweisen Ausübungder Schankwirtschaft im An-wesen Nr. 26 an d. Frölich-str. mit der Befugnis zumAusschank v. Bier, Wein,Branntwein u. Likör, Kaffee,Mineralwasser u. Limonadesowie zur Verabreichungwarmer u. kalter Speisen“.So ist es in seinem amtlichenFamilienbogen nachlesbar.

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Die rückwärtigen Wirtschafts-gebäude mussten mehrmalsmodernisiert und nutzungs-gerecht umgebaut werden.

Ab etwa 1895 belegen Post-karten und Fotos die bau-lichen Veränderungen. DieBilder deuten auf ein regesgesellschaftliches Leben indem prächtigen Kastanien-garten mit Kegelbahn undMusikerpodium hin. Dieschon seit Kaiser Maximilianbestehende Haustraditionals gediegene Übernach-tungsmöglichkeit lebte nachdem Kauf durch den Verein„Katholisches Casino“ wiederauf: Es wurden Gästezimmereingerichtet.

Der Ära der Familie Illigbeginnt im Jahr 1919

Als Gastwirte und Hotelierswurden Pächter eingesetzt.Ihre Namen finden sich in

den Adressbüchern (1895Karl Neher, 1902 Josef Ernst,1910 Johann Franz). 1919taucht erstmals Josef Diet-rich (geboren 1882, verstor-ben 1951) auf. Mit ihm be-ginnt die Ära der heutigenBesitzerfamilie Illig: Er ist der Groß- beziehungsweiseUrgroßvater der nunmehrigenBesitzer Gerd und Josef Illig.Dietrichs Leben war sehrfacettenreich.

Josef Dietrich begann seineberufliche Laufbahn alsSchankkellner und Metzger,wurde Gaststättenpächterund brachte es schließlichzum Hotelbesitzer. SeineLebensgeschichte ist dieeines Aufsteigers in derersten Hälfte des 20. Jahr-hunderts, dem nichts in denSchoß fiel. Ihn zeichnetenoffensichtlich die TugendenFleiß, Sparsamkeit und Ge-schäftstüchtigkeit aus. Sicher

Der Eingang zur Gaststätte„Goldene Glocke“ (oben).Mit ihrem Pächter JosefDietrich begann hier im Jahr1919 die Ära der heutigenBesitzerfamilie.

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eine Generalsanierung undModernisierung. Eine 1931aufgelegte Postkarte zeigtdie Eingangsseite und denFestsaal mit sechs endloslangen Tischreihen. „Moder-ne Fremdenzimmer“ ließRestaurateur Josef Dietrichauf die Rückseite drucken.„Bürgerliches Restaurant,besteingerichtete Fremden-zimmer, schattiger Garten,gute Küche, Bier, Wein,Kaffee – mäßige Preise“ hatte er schon im Jahr 1927in einem Inserat beworben.

Er durfte das „Riegele-Bräu-stübl“ beim Hauptbahnhofübernehmen. Nur wenigeWochen zuvor hatte er ge-heiratet. Seine Ehefrau Bettygebar ihm drei Kinder.

Am 1. Juli 1919 nahm dasinzwischen erfahrene Wirts-ehepaar eine Chance zumsozialen und finanziellen Auf-stieg wahr: Josef und BettyDietrich wurden Pächter der„Goldenen Glocke“ am Mitt-leren Pfaffengässchen. 1929erfuhr die „Goldene Glocke“

Hochzeiten, sonstige Fami-lien- und Vereinsfeiern, einguter sommerlicher Garten-betrieb und Gästezimmerwaren die Einnahmequellen.Für zahlreiche Vereine vor-nehmlich katholischer Aus-richtung ist das „KatholischeKasino“ bzw. die „GoldeneGlocke“ Stammlokal. 1932beispielsweise nennen laut

Unter der Herrschaft derNationalsozialisten mussteder eingetragene Verein„Katholisches Kasino“ seineImmobilien abgeben. Die„Goldene Glocke“ bestandjedoch als Gaststätte undPension weiter.

1932 wurde eine Postkarteversandt, die die Ansicht desFestsaals des „KatholischenKasinos“ zeigt und auf ihrerRückseite den Namen des„Restaurateurs“ Josef Diet-rich erwähnt.

Der Blick in die holzgetäfelteGaststube der „GoldenenGlocke“. Eine Postkarte mitdem Biergartenfoto warb für„Bekannte Küche, Fremden-zimmer, Garten“.

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1941: Josef Dietrich kauftdie „Goldene Glocke“

Am 28. Mai 1941 konnteder bisherige Pächter JosefDietrich das Anwesen er-werben. Mitverkauft wurdeauch das „Realrecht zurGoldenen Glocke“, das zumWirtschaftsbetrieb berechtig-te. Stolz ließ der einstigePächter und nunmehrige

Eigentümer im Adressbuchfür 1943 eintragen: „Hotel-Pension Goldene Glocke(früher Kath. Kasino). Inh.Jos. Dietrich. ModerneFremdenzimmer zu mäßigenPreisen. Fließendes kaltesund warmes Wasser.“

Nur kurz konnte sich JosefDietrich an seinem Eigentumfreuen. Im Februar 1944ließen Bomben den Hotel-und Gaststättentrakt zurBrandruine werden. Das ander Frauentorstraße liegendeGebäude jedoch überstanddas nächtliche Inferno. Schon1946 folgte der Wiederauf-bau eines Hotels in denalten Ausmaßen und unter

Der Eingangsbereich derGaststätte „Goldene Glocke“im Jahr 1932.

Bild rechts: Das Deckblattdes Kaufvertrags, mit demJosef Dietrich 1941 die„Goldene Glocke“ erwarb.Doch schon 1944 wurde dasAnwesen zerstört.

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Mit Gerd Illig setzte die dritteGeneration die Tradition desHauses fort. Er sorgte fürModernisierungen und – imJahr 1977 – die Weiter-ent-wicklung mit einem neuenAnbau und einer Tiefgarage.Mit Frau Ursula hat er zweiKinder. Sohn Josef verkörpertnun die vierte Generation.Tochter Julia ist als gelernteKommunikationsdesignerinmit Ideen vertreten undHobbyhotelier.

Die Historie des Platzes wirdauch von der vierten Gene-

ration nicht als Belastung,sondern als Herausforderungempfunden. Davon zeugenpräsentierte Fundstücke und Alt-Augsburg-Fotos alsBlickfang und Einstimmungfür die Gäste. Vor allem dieBesucher aus Übersee sind„very happy“ über die 2000Jahre Geschichte, auf derenSpuren sie sich bewegen.Die Glocken des nahenDoms werden kaum als

1972 wurde die ehemalige„Goldene Glocke am Dom“in Dom Hotel umbenannt.

Verwendung verbliebenerGemäuer.

Der Mangel an Baumaterialzwang zum „Recycling“ vonAltmaterial jeglicher Art undzu viel Improvisation. So istüberliefert, dass ein Dachmit Blechen gedeckt wurde,die ursprünglich zum Bauvon Messerschmitt-Jagdflug-zeugen vom Typ Me 109bestimmt waren.

1972: „Goldene Glocke amDom“ wird „Dom Hotel“

Am 7. Juli 1951 starb JosefDietrich, der den Wiederauf-bau in schwierigsten Zeitenbewerkstelligt hatte. AnnaDietrich, verheiratete Illig,(die einzige Tochter) über-nahm mit ihrem Mann, derspät aus dem Krieg zurück-kehrte, das Hotel „GoldeneGlocke“. Ihre beiden Brüderfielen den Kriegswirren zumOpfer. Im Jahr 1972 wurdedas „Hotel Goldene Glocke“in Dom Hotel umbenannt.

In den 1950ern – die nach der Zerstörung wiederauf-gebaute „Goldene Glocke“.

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Störung empfunden, manfreut sich über den Ruf derBischofskirche und derenrespektablen Klang. Und imSommer können Gäste – beioffenen Fenstern – Klavier-töne und Knabenstimmender bekannten Domsing-knaben aus aus dem Nach-barhaus Ambrosius hören.Von manchen Zimmern undvom 2008 neu errrichtetenTurmzimmer über dem vier-

ten Stockwerk genießt maneinen herrlichen Blick auf die Türme des romanisch-gotischen Doms – und vomneuen Turm des Dom Hotels(bei passender Wetterlage)sogar bis zu den Alpen.

Wichtig für das Dom Hotelist, dass alle Generationenimmer übergreifend mitein-ander tätig waren und sind.So erhält sich das Traditions-bewusstsein im Dom Hotelauf ganz natürliche Art undWeise – Gäste des Hausesspüren und genießen es…

Zum Jubiläumsjahr 2008schmückt ein neu errichteterTurm das Dom Hotel.

Impressum:

1508 – 2008500 Jahre Geschichte: das Dom Hotel

Herausgeber:Dom HotelFamilie Illig

Text:Franz Häußler

Historische Dokumente und Fotografie:Sammlung Franz HäußlerDom Hotelconcret Werbeagentur

Redaktion, Gestaltung und Produktion:concret Werbeagenturwww.concret-wa.de

Page 17: 500 Jahre Geschichte: Dom Hotel Augsburg

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