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91 6 Lambertz, Lethen, Transösophageale Echokardiographie (ISBN 9783131245724), 2007 Georg Thieme Verlag KG 6 Infektiöse Endokarditis H. Lethen Trotz der Fortschritte der modernen Medizin in Diagnostik und Therapie ist die infektiöse Endokarditis (IE) noch immer eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die unbehandelt in mehr als 90% der Fälle einen fatalen Verlauf nimmt, die aber auch bei kombiniert medikamentös-chirurgischer Behandlung eine Mortalität von 15 – 20% aufweist. Für die echokardiogra- phische Diagnostik stellt die IE in besonderem Maße eine He- rausforderung dar. Dies liegt einerseits an ihrer für eine früh- zeitige Diagnosestellung oftmals entscheidenden Bedeutung und zum anderen daran, dass die allein echokardiographische Differenzierung einer entzündlichen Vegetation von einer de- generativen Veränderung, einem Klappentumor, einer älteren endokarditischen Vegetation oder sogar einer thrombotischen Auflagerung schwierig oder im Einzelfall unmöglich sein kann. 6.1 Definition Die IE ist eine durch Bakterien oder Pilze hervorgerufene ent- zündliche Erkrankung der endokardialen Strukturen des Her- zens. In mehr als 90 % der Fälle manifestiert sich die IE direkt an den Herzklappen; es können aber auch die Chordae tendineae, das murale Endokard, die herznahen Abschnitte der großen in- trathorakalen Gefäße oder intrakardiale Fremdkörper betrof- fen sein. Die charakteristische Läsion der IE ist die Klappenve- getation, die schon im Frühstadium der Erkrankung beoabach- tet werden kann. In Abhängigkeit von der Virulenz des Erregers bzw. der Immunkompetenz des Erkrankten kann die Erkran- kung schon frühzeitig durch Abszessbildung, Ulzeration oder destruierende Veränderungen komplikationsbehaftet sein. 6.2 Inzidenz der IE Die Häufigkeit des Auftretens einer IE wird sehr deutlich durch begleitende prädisponierende Faktoren beeinflusst. Während die IE in der Normalbevölkerung eine seltene Erkrankung dar- stellt, kann das Risiko an einer IE zu erkranken bei rheumati- scher Vorschädigung der Herzklappen, nach bereits stattge- habter IE oder nach Implantation von Klappenprothesen um mehr als das 100-Fache ansteigen. Zunehmendes Alter oder Einschränkungen der Immunkompetenz sind weitere Fakto- ren, die das Auftreten einer IE begünstigen (Tab. 6.1). Tabelle 6.1 Inzidenz der infektiösen Endokarditis (IE) Risikofaktoren Inzidenz [pro 100.000 Perso- nen/Jahr] Normalpopulation 1,7 – 4,9 Mittelklappenprolaps ohne Mitralinsuffizienz 4,6 mit Mitralinsuffizienz 52 rheumatische Herzkrankheit 380 – 440 Klappenprothese 300 – 630 frühere IE 300 – 740 6.3 Pathogenese der infektiösen Endokarditis In der Regel manifestiert sich die Entzündung primär an einer Herzklappe. Die Pathogenese der IE beginnt mit einer transien- ten Bakteriämie und dem daraus resultierenden Kontakt und der Adhäsion des Mikroorganismus an dem endokardialen Ge- webe. Es folgt die Gewebebesiedlung mit Erregerreplikation, wodurch eine lokale Entzündungsreaktion ausgelöst wird. In der weiteren Krankheitsentwicklung breitet sich der Entzün- dungsprozess in das benachbarte Gewebe aus. Schließlich kann es zu einer hämatogenen Streuung des infektiösen Prozesses kommen. Vorbestehendes Vitium. Das gesunde Endothel besitzt eine na- türliche Infektionsresistenz, die eine Besiedlung und Entzün- dung des Endothels durch mikrobiologische Organismen ver- hindert. Bei den meisten Patienten, bei denen sich eine IE entwi- ckelt, besteht daher auch ein die bakterielle Adhäsion begünsti- gendes Vitium cordis oder eine Herzklappenschädigung. Die beispielsweise durch einen Ventrikelseptumdefekt bedingten hohen intrakavitären Blutflussgeschwindigkeiten können eine Endothelläsion ebenso generieren wie die Flussturbulenzen, die im Bereich der Herzklappen durch Skerosierung, Klappensteno- se oder Regurgitation entstehen. Jede Endothelläsion führt zur

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Lambertz, Lethen, Transösophageale Echokardiographie (ISBN 9783131245724), � 2007 Georg Thieme Verlag KG

6 Infektiöse EndokarditisH. Lethen

Trotz der Fortschritte der modernen Medizin in Diagnostik undTherapie ist die infektiöse Endokarditis (IE) noch immer einepotenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die unbehandelt inmehr als 90% der Fälle einen fatalen Verlauf nimmt, die aberauch bei kombiniert medikamentös-chirurgischer Behandlungeine Mortalität von 15 – 20% aufweist. Für die echokardiogra-phische Diagnostik stellt die IE in besonderem Maße eine He-

rausforderung dar. Dies liegt einerseits an ihrer für eine früh-zeitige Diagnosestellung oftmals entscheidenden Bedeutungund zum anderen daran, dass die allein echokardiographischeDifferenzierung einer entzündlichen Vegetation von einer de-generativen Veränderung, einem Klappentumor, einer älterenendokarditischen Vegetation oder sogar einer thrombotischenAuflagerung schwierig oder im Einzelfall unmöglich sein kann.

6.1 Definition

Die IE ist eine durch Bakterien oder Pilze hervorgerufene ent-zündliche Erkrankung der endokardialen Strukturen des Her-zens. In mehr als 90% der Fälle manifestiert sich die IE direkt anden Herzklappen; es können aber auch die Chordae tendineae,das murale Endokard, die herznahen Abschnitte der großen in-trathorakalen Gefäße oder intrakardiale Fremdkörper betrof-

fen sein. Die charakteristische Läsion der IE ist die Klappenve-getation, die schon im Frühstadium der Erkrankung beoabach-tet werden kann. In Abhängigkeit von der Virulenz des Erregersbzw. der Immunkompetenz des Erkrankten kann die Erkran-kung schon frühzeitig durch Abszessbildung, Ulzeration oderdestruierende Veränderungen komplikationsbehaftet sein.

6.2 Inzidenz der IE

Die Häufigkeit des Auftretens einer IE wird sehr deutlich durchbegleitende prädisponierende Faktoren beeinflusst. Währenddie IE in der Normalbevölkerung eine seltene Erkrankung dar-stellt, kann das Risiko an einer IE zu erkranken bei rheumati-scher Vorschädigung der Herzklappen, nach bereits stattge-habter IE oder nach Implantation von Klappenprothesen ummehr als das 100-Fache ansteigen. Zunehmendes Alter oderEinschränkungen der Immunkompetenz sind weitere Fakto-ren, die das Auftreten einer IE begünstigen (Tab. 6.1).

Tabelle 6.1 Inzidenz der infektiösen Endokarditis (IE)

Risikofaktoren Inzidenz [pro 100.000 Perso-nen/Jahr]

Normalpopulation 1,7 – 4,9

Mittelklappenprolaps

� ohne Mitralinsuffizienz 4,6

� mit Mitralinsuffizienz 52

rheumatische Herzkrankheit 380 – 440

Klappenprothese 300 – 630

frühere IE 300 – 740

6.3 Pathogenese der infektiösen Endokarditis

In der Regel manifestiert sich die Entzündung primär an einerHerzklappe. Die Pathogenese der IE beginnt mit einer transien-ten Bakteriämie und dem daraus resultierenden Kontakt undder Adhäsion des Mikroorganismus an dem endokardialen Ge-webe. Es folgt die Gewebebesiedlung mit Erregerreplikation,wodurch eine lokale Entzündungsreaktion ausgelöst wird. Inder weiteren Krankheitsentwicklung breitet sich der Entzün-dungsprozess in das benachbarte Gewebe aus. Schließlich kannes zu einer hämatogenen Streuung des infektiösen Prozesseskommen.

Vorbestehendes Vitium. Das gesunde Endothel besitzt eine na-türliche Infektionsresistenz, die eine Besiedlung und Entzün-dung des Endothels durch mikrobiologische Organismen ver-hindert. Bei den meisten Patienten, bei denen sich eine IE entwi-ckelt, besteht daher auch ein die bakterielle Adhäsion begünsti-gendes Vitium cordis oder eine Herzklappenschädigung. Diebeispielsweise durch einen Ventrikelseptumdefekt bedingtenhohen intrakavitären Blutflussgeschwindigkeiten können eineEndothelläsion ebenso generieren wie die Flussturbulenzen, dieim Bereich der Herzklappen durch Skerosierung, Klappensteno-se oder Regurgitation entstehen. Jede Endothelläsion führt zur

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Freisetzung von Proteinen und Gewebemediatoren der extra-zellulären Matrix und zur Initiierung des Heilungsprozesses, beidem die Fibrin- und Plättchenbindung wesentlich ist. Durch die-sen Reparationsmechanismus entsteht die nichtbakteriellethrombotische Endokarditis (NBTE), die einen idealen Nährbo-den für eine Besiedlung durch Mikroorganismen während einertransienten Bakteriämie mit nachfolgender Ausbildung einerendokarditischen Vegetation darstellt. Die durch weitere Fibrin-und Detritusabscheidung sowie bakterielle Replikation wach-sende endokarditische Vegetation hüllt auch die Mikroorganis-men vollständig ein, wodurch diese vor der körpereigenen Ab-wehr geschützt werden (Abb. 6.1 und 6.2).

IE ohne prädisponierendes Vitium. Eine IE kann sich aber auchohne eine vorbestehende Klappenschädigung oder ein ander-weitiges kardiales Vitium entwickeln, sofern der Erreger in derLage ist, an intakten Endothelzellen zu binden und diese zu in-filtrieren. Dieser Krankheitsmechanismus konnte für virulenteund invasive Staphylococcus-aureus-Stämme und bspw. auchfür Coxiella burnetii, den Erreger des Q-Fiebers, belegt werden(Abb. 6.2).

Abb. 6.1 Infektiöse Endokarditis: Pathogenese. NBTE = Nichtbakteriel-le thrombotische Endokarditis.

6 Infektiöse Endokarditis

Vorbestehendes Vitium

Turbulenzen

Endothelläsion

Freisetzung von GewebsmediatorenFibronektinPlättchenadhäsionFibrinbildung

NBTE

Bakteriämie

Bakterienadhärenz, BakterienreplikationFreisetzung von EntzündungsmediatorenFibrin- und ThrombozytenaggregationLeukozyteneinwanderung

Endokarditische Vegetation

a1 b1

Streptokokken/Staphylokokken Monozyt Gewebs- und Entzündungs-mediatoren

Fibrin- und Thrombozytenaggregation Endothelzelle aktivierter Thrombozyt

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� Abb. 6.2 Mögliche Unterschiede des Pathomechanismus bei der Ent-stehung einer durch Streptokokkus viridans (A1 bis A3) und S. aureus (B1

bis B3) hervorgerufenen infektiösen Endokarditis.a Bindung und Replikation von Viridans-Streptokokken an vorgeschä-

digtem Endothel. a1: Die Verletzung der Integrität des Endothelsführt zur Freilegung von extrazellulären Matrixproteinen, die in Kon-takt mit dem zirkulierenden Blut treten. Dies löst die Anlagerung vonFibrin- und Thrombozytenaggregaten aus (nichtbakterielle thrombo-tische Endokarditis, NBTE), an denen Streptokokken binden. Die bak-terielle Präsenz zieht Monozyten an. a2: Die von den Monozyten ex-primierten Entzündungsmediatoren aktivieren die Gerinnungskaska-de, führen zu weiteren Anlagerungen von aktivierten Thrombozytenund zur Bildung von Entzündungsmediatoren in benachbarten En-dothelzellen. a3: Der fortschreitende Entzündungsprozess mediiertdie Ausbildung und Größenzunahme der endokarditischen Vegetati-on, wobei die Vegetation die Bakterien auch vor der körpereigenenAbwehr schützt.

b Bindung, Invasion und Replikation von S. aureus an intaktem Endo-thel. b1: Die Expression von Gewebsmediatoren durch intakte Endo-thelzellen (die bspw. im Rahmen der Genese einer Arterioskleroseoder bei umschriebener Klappensklerose auftritt) kann eine Adhäsionvon Fibronektin an der Endothelzelloberfläche bewirken. S. aureusbildet mit dem an der Zelle angelagerten Fibronektin einen Komplex,der für die bakterielle Penetration der Endothelzelle mit ursächlichist. Als Reaktion auf den lokalen Entzündungsprozess kommt es zurInvasion von Monozyten. b2: Die Entzündungsmediatoren der Mono-zyten und Endothelzellen aktivieren die Ausbildung der endokarditi-schen Vegetation (vgl. a2). b3: Die bakterielle Sekretion von Toxinenund lytischen Enzymen kann zur Schädigung der benachbarten zellu-lären Strukturen und zur Ausbreitung des Entzündungsgeschehensführen (modifiziert nach Moreillon et al. 2002).

6.4 Diagnostik der infektiösen Endokarditis

Obwohl die IE als eigenständiges Krankheitsbild seit mehr als100 Jahren bekannt ist, macht die Variabilität und Komplexitätder Erkrankung und die Fülle der Differenzialdiagnosen einefortwährende Modifikation und Optimierung der diagnosti-schen Kriterien notwendig. Dies erlaubt, die tatsächlich Er-krankten frühstmöglich zu therapieren, während den nicht aneiner Endokarditis Leidenden die Auswirkungen einer Behand-lung auf Grund einer diagnostischen Fehleinschätzung erspartbleiben.

6.4.1 Diagnostische Kriterien

Die ersten Versuche, diagnostische Kriterien zur Diagnose einerIE zu etablieren, stammen von Pelletier und Petersdorf aus denSiebzigerjahren. Die zweifelsfreie Diagnose einer IE basiertehierbei ausschließlich auf histopathologischen Befunden(Nachweis infizierter endokarditischer Vegetationen aus em-bolischem, kardiochirurgischem oder autoptischem Material)und war daher in der klinischen Routinediagnostik nicht prak-tikabel einsetzbar.

Von-Reyn-Klassifikation. Von Reyn stellte 1981 eine überarbei-te Klassifikation vor, mit dem Ziel einer höheren Spezifität undeiner verbesserten klinische Anwendbarkeit bei der Erkennungeiner IE. Die klinische Symptomatik wurde in vier Kategorieneingeordnet: Sichere, wahrscheinliche oder mögliche IE bzw.

Ausschluss einer IE. Für die definitive Diagnose einer IE ist auchin dieser Klassifikation der histopathologische Vegetations-oder Abszessnachweis erforderlich. Dies limitiert ihre klinischeAnwendbarkeit erheblich, da die meisten Patienten in der frü-hen Erkrankungsphase einer IE keiner chirurgischen bzw. kar-diochirurgischen Intervention bedürfen. Als wahrscheinlichwurde eine IE erachtet, wenn neben dem kulturellen Nachweiseiner persistierenden Bakteriämie eine akute endokardiale Er-krankung, z.B. in Form eines neu beobachteten Herzgeräuschesgesichert werden konnte, oder bei zeitgleichem Auftreten vas-kulärer Phänomene in Form embolischer Ereignisse oder peri-pherer Hämorrhagien. Auch diese Einordnung war nur von be-grenztem klinischem Nutzen, da auf Grund der Notwendigkeitpositiver Blutkulturen die Patienten mit kulturnegativer IE derDiagnostik leicht entgehen konnten.

Duke-Klassifikation. Erst die Erweiterung der Von-Reyn-Krite-rien um echokardiographische Parameter in der 1994 erstmalsvorgestellten Duke-Klassifikation führte zu einer verbessertenklinischen Diagnostik der IE. Neu ist, dass die definitive Diagno-se „infektiöse Endokarditis“ nicht mehr nur auf mikrobiologi-schen Befunden basiert, sondern auch über ausschließlich kli-nisch diagnostische Kriterien gestellt werden kann. Hierzuwird die klinische Symptomatik in Haupt- und Nebenkriterienunterteilt. Das Vorliegen von zwei Hauptkriterien, einemHaupt- und drei Nebenkriterien oder fünf Nebenkriterien istdemnach ebenso beweisend für eine IE wie die substanziell un-verändert von Pelletier und Petersdorf übernommenen histo-pathologischen Kriterien. Die Hauptkriterien umfassen persis-tierend positive Blutkulturen, eine neu aufgetretene valvuläreoder paravalvuläre Klappeninsuffizienz und den echokardio-graphischen Nachweis einer mutmaßlich endokarditisch be-dingten intrakardialen Zusatzstruktur oder eines Abszesses.Die einzelnen Haupt- und Nebenkriterien und die Empfehlun-gen zur Annahme oder zum Ausschluss einer IE sind in den Ta-bellen 6.2 und 6.3 wiedergegeben.

Modifizierte Duke-Klassifikation. Im Jahre 2000 wurden dieDuke-Kriterien noch einmal von einer Arbeitsgruppe an derDuke Universität modifiziert. Insbesondere wurde der schon inder ursprünglichen Klassifikationen verwendete Begriff der„möglichen IE“ wieder aufgegriffen, der bei Vorliegen von 1Haupt- und 1 Nebenkriterium oder 3 Nebenkriterien verwen-det werden sollte; zudem wurde ein einziger kultureller Nach-weis von Coxiella burnetii oder ein entsprechender serologi-scher Nachweis als weiteres Hauptkriterium aufgenommen.

Wertigkeit der Duke-Klassifikation. In zahlreichen klinischenStudien wurde die hohe klinische Relevanz der Duke-Haupt-und Nebenkriterien dokumentiert. Auf Patienten mit histopa-thologisch nachgewiesener Endokarditis wurden vergleichenddie Duke-Kriterien für „gesicherte IE“ und die Von-Reyn-Krite-rien für „wahrscheinliche Endokarditis“ angewandt. Die Ver-wendung der Duke-Klassifikation führte zu einer überlegenendiagnostischen Sensitivität von � 80% im Vergleich zu � 50%bei Nutzung der Von-Reyn-Klassifikation. Werden die beidenDuke-Kategorien „gesicherte“ und „mögliche“ infektöse Endo-karditis zur Diagnosefindung herangezogen, beträgt die Treff-sicherheit annähernd 100%. Auch der negative Vorhersagewert(die Wahrscheinlichkeit bei Endokarditisausschluss, nicht an

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Tabelle 6.2 Duke-Klassifikation: Diagnose oder Ausschluss einer in-fektiösen Endokarditis an Hand der vorliegenden Kriterien

Eine Endokarditis ist gesichert bei Nachweis� pathologischer Kriterien:

– kultureller oder histologischer Erregernachweis in einer kar-dialen oder embolisierten Vegetation, oder in einem intrakar-dialen Abszess

� klinischer Kriterien – es müssen erfüllt sein:– 2 Hauptkriterien, oder– 1 Hauptkriterium und 3 Nebenkriterien, oder– 5 Nebenkriterien

Eine Endokarditis ist möglich bei Nachweis*� klinischer Kriterien – es müssen erfüllt sein

– 1 Haupt- und 1 Nebenkriterium, oder– 3 Nebenkriterien

Eine Endokarditis ist ausgeschlossen, wenn� eine andere Diagnose als Ursache der angenommenen endokar-

ditischen Manifestationen nachgewiesen wurde, oder� die Rückbildung der angenommenen endokarditischen Manifes-

tationen unter � 4-tägiger antibiotischer Therapie erfolgt, oder� sich bei chirurgischer Intervention oder Autopsie nach � 4-tägi-

ger antibiotischer Therapie kein pathologischer Hinweis auf eineIE findet, oder

� die Kriterien einer „möglichen IE“ nicht erfüllt sind.

* = die Kategorie der „möglichen Endokarditis“ stellt eine Modifikation der ur-sprünglichen Duke-Kriterien dar (Li et al. 2000).

Tabelle 6.3 Duke-Klassifikation: Haupt- und Nebenkriterien zur Diag-nose einer infektiösen Endokarditis

Hauptkriterien1. Positive Blutkultur*:� Nachweis typischer Endokarditiserreger** aus zwei getrennt ab-

genommenen Blutkulturen bei fehlendem anderen Focus, oder� persistierend positive Blutkulturen von potenziellen Endokar-

ditiserregern bei separater Abnahme in einem zeitlichen Ab-stand von mindestens 12 Stunden, oder

� 3/3 oder 3/4 positive Blutkulturen von potenziellen Endokar-ditiserregern bei separater Abnahme in einem zeitlichen Ab-stand von mindestens 1 Stunde, oder

� Nachweis einer einzelnen positiven Blutkultur von Coxiella bur-netii oder einem positiven IgG-Antikörper-Titer � 1 : 800***

2. Echokardiographischer Nachweis einer endokardialen Beteili-gung:

� flottierende Vegetationen an Herzklappen, valvulärem Halteap-parat, im Verlauf eines Regurgitationsjets oder an implantiertenMaterialien (unter der Voraussetzung fehlender anderweitigerUrsachen), oder

� Abszessbildung, oder� neu aufgetretene Kunstklappendehiszenz, oder� neu aufgetretene Herzklappeninsuffizienz (eine Veränderung ei-

nes vorbestehenden Herzgeräusches ist zur Erfüllung dieses Kriteri-ums unzureichend)

Nebenkriterien***� prädisponierende Faktoren: Herzfehler, i. v.-Drogenkonsum� Temperaturerhöhung � 38,0�C� vaskuläre Veränderungen: arterielle Embolisation, mykotisches

Aneurysma, septische Lungeninfarkte, intrakranielle Blutung,konjunktivale Einblutung, Janeway-Läsion1

� immunologische Pathologien: Mikrohämaturie/Glomeruloneph-ritis, Roth Spots2, Osler-Knötchen3 , positiver Rheumafaktor

� mikrobiologischer Hinweis: Nachweis einer positiven Blutkultur,ohne den o. g. Hauptkriterien zu entsprechen; serologischerNachweis einer aktuellen Infektion mit einem der typischen En-dokarditiserreger

* Bei V. a. eine IE besteht die Empfehlung zur Abnahme von 3 oder mehr Blutkul-turen in den ersten 24 Stunden, unabhängig von der Körpertemperatur. JedeBlutkultur besteht aus einem Medium zur Anzüchtung von aeroben und an-aeroben Mikroorganismen. Nach Kurzzeitantibiose ist eine Latenz von mindes-tens 3 Tagen, nach Langzeitantibiose von mindestens 1 Woche vor Abnahmeder Blutkulturen ratsam. Ist eine sofortige antibiotische Therapie unvermeid-lich, sollten zuvor wenigstens 3 Blutkulturen im Abstand von einer Stunde ab-genommen werden.

** Typische Erreger einer IE sind: Viridans-Streptokokken, Streptococcus bovis,Staphylococcus aureus und koagulasenegative Staphylokokken, ambulant er-worbene Enterokokken sowie Mikroorganismen der HACEK-Gruppe (Haemo-philus spp., Actinobacillus actinomycete concomitans, Cardiobacterium ho-minis, Eikenella spp., Klingella kingae).

*** Der kulturelle oder serologische Nachweis von Coxiella burnetii als Hauptkri-terium für eine IE stellt eine Modifikation gegenüber den ursprünglichenDuke-Kriterien dar. Das Nebenkriterium „Echokardiographischer V. a. Vege-tation oder Abszess“ wird auf Grund des regelhaften Einsatzes der TEE nachder Modifikation der Kriterien nicht mehr berücksichtigt (Li et al. 2000).

1 Janeway-Läsionen bezeichnen kleine erythematöse Makulae im Bereich derHandinnenflächen oder Fußsohlen. Sie sind für die IE pathognomonisch undwerden durch eine Typ-III-Hypersensitivitätsreaktion hervorgerufen.

2 Roth-Spots bezeichnen durch Mikroembolisationen verursachte retinale Hä-morrhagien mit abgeblasstem Zentrum.

3 Osler-Knötchen sind rötlich-livide, leicht erhabene, schmerzhafte noduläreHautveränderungen, die an den Fingerkuppen und Fußsohlen beobachtetwerden können; sie sind Ausdruck einer Immunvaskulitis, durch Bildung vonImmunkomplexen bedingt und werden bei bis zu 25% der Patienten mit IE ge-funden.

einer IE erkrankt zu sein) beträgt bei Anwendung der Duke-Kri-terien mehr als 90%. Die Duke-Kriterien können auch bei Pa-tienten nach Herzklappenersatz eingesetzt werden, wenn-gleich hier eine geringfügig geringere diagnostische Genauig-keit angenommen werden muss.

6.4.2 EchokardiographischeDiagnostik

Die TTE und TEE sind die klinisch entscheidenden Verfahrenzur definitiven diagnostischen Klärung bei allen Patienten, beidenen der Verdacht auf eine IE besteht. Dies trifft in besonde-rem Maße für die Darstellung der häufig hochmobilen, flottie-renden Klappenvegetationen zu, die mit dem Blutstrom undder Klappenbewegung sehr schnell ihre Bewegungsrichtungund -geschwindigkeit ändern. Echokardiographisch könnenHerzklappenauflagerungen erkannt und deren Größe, Mobili-tät und räumliche Zuordnung beurteilt werden. Das Ausmaßder pathologischen Veränderungen kann erfasst werden unddie Frage nach funktionellen und hämodynamischen Kompli-kationen lassen sich beantworten. Die Beurteilung der Lokali-sation und Ausdehnung einer entzündlichen Umgebungsreak-tion und das Erkennen einer muralen Endokarditis sind eben-falls die Domäne der echokardiographischen Untersuchung.Bei Befunden, die nicht zweifelsfrei zugeordnet werden kön-nen, liefert die Echokardiographie die richtungsweisendenHinweise für die sich anschließenden differenzialdiagnosti-schen Überlegungen. Die jederzeit mögliche und für den Pa-tienten in der Regel nicht (TTE) oder nur wenig belastende(TEE) Kontrolluntersuchung dient nicht nur der definitiven kli-nischen Einordnung eines Befundes im Verlauf der Erkrankung,

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sondern auch der Beurteilung der Effizienz der eingeleitetentherapeutischen Maßnahmen. Aus der echokardiographischenDiagnostik ergeben sich gerade bei der IE regelhaft unmittelba-re Schlussfolgerungen für die weitere Behandlungsstrategie,die sowohl für das weitere konservativ-medikamentöse Vorge-hen als auch die Klärung der Frage, ob und wann eine chirurgi-sche Intervention erfolgen soll, richtungsweisend sind.

Indikation zur TTEBesteht der Verdacht auf eine IE der nativen Herzklappen, sosollte ohne zeitliche Verzögerung eine TTE durchgeführt wer-den. Hierbei müssen die Aorten-, Mitral- und Trikuspidalklap-pe (eine Pulmonalklappenendokarditis ist eine Rarität) beson-ders sorgfältig auf mobile oder sessile angelagerte Strukturensowie auf Regurgitationen untersucht werden. Zeigt die TTE beiguter Bildqualität keinerlei Hinweise für eine derartige Patho-logie und besteht gleichzeitig nur ein schwacher klinischer Ver-dacht, ist das Vorliegen einer IE unwahrscheinlich und vorerstkeine weitere echokardiographische Diagnostik erforderlich.Andererseits kann bei transthorakal echokardiographischemNachweis einer endokarditischen Vegetation und guter Be-schallbarkeit des Patienten auf eine ergänzende TEE verzichtetwerden, solange zweifelsfrei begleitende valvuläre, paravalvu-läre oder murale Komplikationen ausgeschlossen werden kön-nen und kein kardiochirurgisches Vorgehen geplant ist(Abb. 6.3).

Indikation zur TEEBesteht jedoch trotz negativem TTE-Befund ein weiterhin be-gründeter klinischer Verdacht auf eine IE oder ist die diagnosti-sche Genauigkeit der TTE unzureichend, ist die Durchführungeiner TEE zeitnah indiziert.

Abb. 6.3 Indikationen der transthorakalen(TTE) und transösophagealen (TEE) Echokardio-graphie in der Diagnostik der infektiösen Endo-karditis. IE = infektiöse Endokarditis, Op = Ope-ration.

Sensitivität. Für den Vegetationsnachweis bei Patienten mit IEwerden für die hochauflösende TEE übereinstimmend Sensiti-vitäten zwischen 90 und 100% angegeben, für die vergleichenddurchgeführte TTE ist die Sensitivität signifikant geringer (zwi-schen 60 und 80%). Insbesondere die Darstellung kleinerer Ve-getationen sowie die Beurteilung der paravalvuläre Ausdeh-nung des entzündlichen Prozesses gelingt mit der TEE wesent-lich zuverlässiger als mit der TTE.

Der positive Vorhersagewert der TEE für eine IE der nativenund prothetischen Herzklappen beträgt 90% und mehr, der ne-gative Vorhersagewert für eine IE der nativen Herzklappenwird in einzelnen Untersuchungen sogar mit 100% angegeben,während auch bei negativer TEE eine Prothesenendokarditisnicht immer sicher ausgeschlossen werden kann.

Nach biologischem oder mechanischem Herzklappenersatz,Implantation von Anuloplastiering oder Schrittmacherelektro-de ist die TEE die Methode der Wahl, die bei entsprechendenklinischen Verdachtsmomenten immer und unverzüglich ein-gesetzt werden sollte.

Findet sich bei einer ersten TEE kein Anhalt für eine IE undbesteht der Krankheitsverdacht unverändert fort, wird zur de-finitiven diagnostischen Klärung eine zweite TEE mit einemzeitlichen Abstand von mehr als 48 Stunden, aber innerhalbvon 7 Tagen durchgeführt. Diese zweite Untersuchung ist not-wendig, da im Frühstadium einer IE das Untersuchungsergeb-nis auf Grund einer noch sehr geringen Vegetationsgröße mög-licherweise falsch negativ sein kann. Aus diesem Grund führenwir die Kontroll-TEE in diesem Zusammenhang in der Regelerst nach 6 bis 7 Tagen durch. Bleibt das Untersuchungsergeb-nis im Sinne der Fragestellung auch bei der nachfolgenden TEE-Untersuchung unauffällig, ist eine IE als Krankheitsursachenicht anzunehmen (Abb. 6.3 und 6.4, Tab. 6.4).

Spezifität. Die hohe Sensitivität der TEE bei der Erfassung vonZusatzstrukturen im Bereich der Herzklappen sowie paraanu-lärer Veränderungen bedingt eine deutlich geringere Spezifität,da die allein echokardiographische Differenzierung endokardi-

6.4 Diagnostik der infektiösen Endokarditis

vorerst keine weitereTTE- oder TEE-Untersuchung

notwendig

kein Anhalt fürKomplikation,

keine OPwegen IE geplant

Pat. mit nativen Herz-klappen, kein prothetisches

Material intrakardial

V. a. Komplikation,oder

vor OP wegen IE

TTE

gute TTE-Bildqualität

TTE positiv für IE niedriger klinischerV. a. IE

hoher klinischerV. a. IE TEE **

Pat. mitprothetischem Material

intrakardial *

unzureichende Bildqualität

TTE negativ für IE

EchokardiographischeDiagnostik bei klinischem V. a.

infektiöse Endokarditis

* prothetisches Material = bioprothetische oder mechanische Herzklappe, Schrittmacherelektrode** Bei negativer TEE und persistierendem V. a. IE ist eine erneute TEE nach dem 2. und vor dem 8. Tag

erforderlich.

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Abb. 6.4 Diagnostisches und therapeutischesVorgehen bei klinischem Verdacht auf infektiö-se Endokarditis (DKD Wiesbaden, angelehnt andie Leitlinien der European Society of Cardiol-ogy [Horstkotte et al. 2004]).1 insbesondere bei immungeschwächten Pa-

tienten auch eine Pilzendokarditis ausschlie-ßen.

2 vgl. Tab. 6.2 und 6.3.3 vgl. Abb. 6.3.4 Antibiotikatherapie vor bzw. nach Erregeriso-

lierung entsprechend den Leitlinien undEmpfehlungen der Fachgesellschaften im OP-Material oder Rückbildung der Vegetation.

Tabelle 6.4 Infektiöse Endokarditis: Indikation zur TEE

� negative TTE, aber persistierender klinischer V. a. infektiöse En-dokarditis

� TTE mit unzureichender Bildqualität� Patient mit intrakardialer prothetischer Versorgung (Herzklappe,

Schrittmacher- oder ICD*-Elektrode)� Nachweis oder V. a. Endokarditis-Komplikation (Abszess, Fistel

etc.)� vor geplanter chirurgischer Intervention

* ICD = Kardioverter-Defibrillator

Tabelle 6.5 Häufigkeit einer transitorischen Bakteriämie und Endokar-ditisrisiko

Art der Behandlung Inzidenz Bakteri-ämie (%)

Endokarditis

Zahnextraktion 18 – 85% � 0,2%

Prostataresektion 11% (steriler Urin)57% (unsteriler Urin)

Einzelbeobachtung

Gastroskopie 4% Einzelbeobachtung

Koloskopie 5% Einzelbeobachtung

Tonsillektomie 35% Einzelbeobachtung

tischer Klappenvegetationen von nicht infektiösen Zusatz-strukturen nicht immer zuverlässig möglich ist (Tab. 6.6, S. 98).Dies ist auch in den Duke-Kriterien berücksichtigt, die festle-gen, dass ein echokardiographischer Vegetationsnachweis al-leine zur Diagnose einer IE nicht ausreicht. Die Interpretationdes TTE- und TEE-Befundes im Sinne einer IE sollte daher im-mer auch den klinischen Kontext (den Untersuchungsbefund,das Labor und mikrobiologisch-serologische Ergebnisse) be-rücksichtigen und in diesen eingebunden sein.

6.4.3 TEE undEndokarditisprophylaxe

Die Häufigkeit einer durch die TEE selbst verursachten transien-ten Bakteriämie ist mit der Inzidenz nach einer Gastroskopievergleichbar und beträgt etwa 4%. Nur in Einzelfällen wurde einZusammenhang zwischen einer TEE-Untersuchung und einernachfolgendenEndokarditisbeschrieben,weshalbeineroutine-mäßige Endokarditisprophylaxe auch nicht empfohlen wird(Tab. 6.5). Insbesondere wenn die Indikation für die TEE der Ver-dachtaufeineIEist,sollteunterBerücksichtigungdergroßenBe-deutung einer Keimisolierung für den Krankheitsverlauf der IEauf eine Endokarditisprophylaxe verzichtet werden.

6 Infektiöse Endokarditis

Klinischer Verdacht auf infektiöse Endokarditis

weitere Duke-Kriterienfür IE evaluieren2

≥ 3 Blutkulturen1 TTE/TEE3

Anzahl erfüllterDuke-Kriterien für IE

1 Haupt- und1 Nebenkriterium oder3 Nebenkriterien erfüllt

2 Hauptkriterien oder1 Haupt- und3 Nebenkriterien oder5 Nebenkriterien erfüllt

sichere Alternativdiagnosekeine hinreichenden Kriterien für mögliche IEkein pathologischer Hinweis auf IE in OP-Material nach Antibiose ≤ 4 Tage

mögliche IE sichere IE Diagnose IE ausgeschlossen

Patient instabil oder IEmit Komplikationen ?

wenn klinisch ver-tretbar, antibiotische

Therapie erst nachErregernachweis4

sofortigeAntibiotikatherapie

Operationsindikationüberdenken4

erneute TEE/TTE nurbei neuen klinischenAspekten für eine IE

Suche nach weiterenHinweisen für IE oderanderen Ursachen fürdie Erkrankung

nein ja

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6.4.4 Echokardiographische(Verlaufs-) Beurteilung derendokarditischen Vegetation

Die für die Diagnose einer IE charakteristische Vegetation derHerzklappe, die im Wesentlichen aus Thrombozyten, Fibrin,Detritus, Bakterien und Leukozyten besteht, ist in ihrer Größe,Form und Mobilität äußerst variabel. Durch wiederholte echo-kardiographische Verlaufsbeobachtungen, die in der initialenBehandlungsphase z.B. wöchentlich oder bei Änderung des kli-nischen Bildes jederzeit durchgeführt werden sollten, könnenneben einer etwaigen Ausdehnung des entzündlichen Gesche-hens auch die Veränderungen von Vegetationsgröße oder -an-zahl beurteilt werden. Die hierdurch gewonnene Informationerlaubt Rückschlüsse auf den Behandlungs- und Heilungsver-lauf und führt nicht selten zu einer Modifikation oder Neube-wertung des aktuellen Behandlungskonzeptes. Wachsende, inihrer Anzahl zunehmende und sich ausbreitende Vegetationenweisen auf eine ineffektive Antibiose hin und sind mit einer an-steigenden Häufigkeit embolischer Ereignisse und paraanulä-rer Komplikationen korreliert. Eine Größenabnahme und einesich verdichtende Echotextur sprechen hingegen für ein effi-zientes Behandlungsregime mit reduzierter Komplikationsge-fährdung. Während mit der TTE eine zuverlässige Beurteilungder hämodynamischen Relevanz von etwaigen begleitendenKlappenvitien sowie der linksventrikulären Pumpfunktionmöglich ist, ist die TEE bei der Beurteilung paraanulärer Kom-plikationen das überlegene Untersuchungsverfahren. Die TEEsollte daher bei entsprechendem klinischem Verdacht auch imBehandlungsverlauf eingesetzt werden.

Ausdehnung. Die darstellbare Mindestgröße einer mobilenendokarditischen Vegetation liegt im Auflösungsbereich derTEE, die axial etwa 0,5 mm bei 7 MHz Beschallungsfrequenz be-trägt. Die Länge einer flottierenden Vegetation kann bei vari-abler Breite mehrere Zentimeter betragen. Die Beurteilung ih-rer Breite bzw. Ausdehnung ist insbesondere bei rasenförmigerAusbildung oder komplexen, zu Konglomeraten zusammenge-lagerten Vegetationen schwierig.

Mobilität. Nicht alle endokarditischen Vegetationen sind er-kennbar beweglich oder besitzen mobile Anteile. Insbesonderekleine und nicht mobile oder flache endokarditische Zusatz-strukturen können auch bei der TEE unerkannt bleiben. Größe-re Vegetationen flottieren mit dem Blutstrom und können bei-spielsweise bei Anheftung an der Mitralklappe systolisch vor-hofseitig beobachtet werden, während diastolisch ein Prolabie-ren in den linken Ventrikel erkennbar ist.

Emboliegefährdung. Die höchste Emboliegefährdung des Pa-tienten besteht vor dem Beginn der antibiotischen Therapie.Obwohl auch kleine Vegetationen embolisieren können, steigtdie Embolisationsgefährdung mit der Länge der Vegetation. Ei-

ne „kritische“ Vegetationsgröße kann aber auf Grund der sehrheterogenen Datenlage nicht angegeben werden. In einzelnenUntersuchungen wurde im Rahmen einer akuten IE schon beieiner Vegetationslänge von mehr als 10 mm ein relevant erhöh-tes Embolisationsrisiko beobachtet, in anderen bei Vegetati-onslängen von 15 mm und mehr. Bei sehr echoarmen, nahezutransparent erscheinenden Vegetationen und bei zunehmen-der Mobilität der Vegetation ist ebenfalls eine gesteigerte Em-boliegefährdung anzunehmen. Ältere abgeheilte Vegetationenembolisieren nur noch selten.

Lokalisation und Anzahl. Auf Grund der in Richtung des Blut-stroms insbesondere bei vorbestehenden Klappenvitien auf-tretenden Verwirbelungen mit der Gefahr einer dadurch her-vorgerufenen Endothelläsion, treten endokarditische Vegeta-tionen im Bereich der Mitralklappe häufiger atrialseitig als ven-trikelseitig auf. Im Bereich der Aortenklappe ist bei assoziierterAortenklappenregurgitation die Vegetation vorwiegend aus-flusstraktseitig lokalisiert. Größere und kleinere endokarditi-sche Zusatzstrukturen können singulär oder multipel an einerHerzklappe oder bei einer Doppelklappenendokarditis an Aor-ten- und Mitralklappe beobachtet werden.

Frische vs. abgeheilte endokarditische Vegetation. Im Frühsta-dium der IE imponiert die endokarditische Vegetation in derRegel als eine echoarme, gelegentlich echoinhomogene Zusatz-struktur, die besonders mittels TEE gut vom umgebenden Herz-klappengewebe abgrenzbar ist. Bei ulzerierend-destruieren-den entzündlichen Klappenveränderungen können die Klap-penstrukturen derart zerstört sein, dass die Abrenzung der Ve-getation zum Klappengewebe unmöglich wird. In diesen Fällendominiert die im Verlauf oftmals dramatisch fortschreitendeund in dieser Form für die IE pathognomonische funktionelleund morphologische Destruktion des Ventilkörpers.

Unter effektiver antibiotischer Therapie kann oftmals eineGrößenabnahme der „abheilenden“ Vegetation beobachtetwerden. Ältere oder abgeheilte Vegetationen weisen durch Fi-brosierung, Kollageneinlagerung und Verkalkung eine zuneh-mende Echogenität bis hin zu erkennbarer Kalzifikation beiverminderter Mobilität der Vegetation auf.

Abgrenzung von Zusatzstrukturen nicht endokarditischer Ge-nese. Das vielgestaltige Erscheinungsbild der Herzklappenve-getation verhindert eine eindeutige echokardiographischeCharakterisierung. Dies bedingt eine Fülle von Differenzialdi-agnosen, die je nach Einzelfall berücksichtigt werden müssenund die Notwendigkeit, den echokardiographischen Befund inden klinischen Kontext einzuarbeiten. In Tabelle 6.6 sind diewesentlichen Differenzialdiagnosen gelistet. Die angegebenenMerkmale zur Differenzierung einer nichtendokarditischenZusatzstruktur von einer endokarditischen Klappenvegetationmittels TEE dürfen aber nur als Anhaltspunkte im Rahmen derauf den Duke-Kriterien basierenden Diagnostik gewertet wer-den.

6.4 Diagnostik der infektiösen Endokarditis

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Tabelle 6.6 Endokarditische Vegetation: Differenzialdiagnostische Aspekte

Echokardiographischer Befund Merkmale zur Abgrenzung des Befundes von einer frischen endokarditischen Klappenvegeta-tion mittels TEE

degenerative, sklerosierendeHerzklappenveränderung

i.d.R. echodichtere Strukturen; assoziierte mobile Auflagerungen sind i.d.R. klein und im Verlaufgleichbleibend

residuale Vegetation nach statt-gehabter Endokarditis

sklerosierte, echogleiche oder häufiger echodichte Struktur; im Vergleich mit Vorbefunden ohne Be-fundänderung

rheumatische Herzklappen-veränderung

an Mitral- und/oder Aortenklappe, regelhaft als kombiniertes Vitium auftretend; an der Mitralklappehäufig mit Beteiligung des subvalvulären Halteapparats; bei ausgeprägter Klappensklerosierung mitmobilen Auflagerungen Differenzierung häufig erst nach Kontrolluntersuchung möglich

Lambl-Exkreszenz fadenförmige, meist � 0,5 mm dicke hochmobile Struktur an Aorten- und Mitralklappe von variablerLänge

Mitralsegelprolaps (klassisch) myxomatöse Segelveränderung, die beide Mitralsegel erfassen kann

Mitralsegelteilausriss („flail leaflet“) relevante exzentrische Mitralinsuffizienz, durch Abriss eines oder mehrerer Chordafäden bedingt, dieals stark flottierende, dünne ventrikelseitig angeheftete Zusatzstrukturen erkennbar sind; systolischist ein vorhofseitiger Nachweis der Zusatzstruktur möglich; oftmals assoziierte myxomatöse Segel-struktur ohne weitere Mitralpathologie

Papillarmuskelteilruptur akute, schwerste Mitralinsuffizienz; hochmobile, fadenförmige Zusatzstruktur der Mitralklappe mitverdicktem Ende (einem Chordafaden mit anhaftendem Papillarmuskelgewebe entsprechend); in-farktbedingte assoziierte Wandbewegungstörung

thrombotische Klappenauflagerung häufig breitbasig angelagert oder von rundlich-kompakter Struktur; im Falle mobiler Thromben keindefinierbarer Unterschied zur endokarditischen Vegetation; frische Thromben sind echoarm, älterezeigen zunehmende Echogenität und Sklerosierung

nichtbakterielle thrombotischeEndokarditis

regelhaft kleinere Vegetationen mit mobilen Anteilen; die Endocarditis marantica ist echokardiogra-phisch nicht von einer infektiösen Vegetation zu unterscheiden

Libman-Sacks-Endokarditis rasenförmige, wenig erhabene und disseminiert angeordnete Klappenauflagerungen, die zu einer dif-fusen Verdickung der Klappensegel bzw. -taschen führen; im Bereich der Mitralklappe assoziierte Ver-änderungen des Halteapparates; begleitende Klappenregurgitation

Tumor � Fibroelastom: häufig gestielte, echoinhomogene, mobile, der Klappe aufgelagerte Struktur mitEmbolisationspotenzial

� Myxom: von ovalärer bis kugeliger Form; bei villösem Myxom mobile kleinere Oberflächenstruktu-ren, Lokalisation an einer Herzklappe aber eine Rarität

Bei fortbestehendem Endokarditisverdacht trotz nichtdiagnostischer TEE sollte zeitnah eine zweite TEE erfolgen (frühestens nach 48 Stunden,aber innerhalb von 7 Tagen).

Bei unklaren Befunden kann ein Vergleich mit Vorbefunden oftmals wertvolle Informationen liefern.

6.5 Verlaufsformen der infektiösen Endokarditis

Die klinische Unterscheidung in eine akute und eine subakuteVerlaufsform der IE stammt noch aus der Zeit vor der Antibioti-kabehandlung, in der kausale Therapiemöglichkeiten fehlten.Die akute Form der IE bezeichnete den natürlichen Krankheits-verlauf, der innerhalb kurzer Zeit (etwa 6 Wochen) zum Todeführte, während bei der subakuten Form das Krankheitsge-schehen protrahiert-schleichend verlief, wobei Erkrankungenim Einzelfall von dieser Systematik abweichen konnten. Durchdie verbesserte Frühdiagnostik der IE, gepaart mit den aktuel-len therapeutischen Optionen, insbesondere der Möglichkeit,die Infektion durch eine spezifische antibiotische Behandlungzu beherrschen, ist die einstmals klare Trennung zwischen sub-akuter und akuter Verlaufsform zunehmend verwischt.

Subakute Verlaufsform der IE. Bei der subakuten Verlaufsfomder IE sind die Erreger wie z.B. die vergrünend wachsenden Vi-ridans-Streptokokken regelhaft weniger virulent. Die erkrank-

ten Herzklappen weisen häufig eine Vorschädigung auf (Abb.6.2 a, S. 92 – 93). Auf Grund der häufig unspezifischen Allge-meinsymptomatik ist eine verzögerte Diagnosestellung nichtungewöhnlich.

Akute Verlaufsform der IE. Verursacher der akuten Verlaufs-form sind klassischerweise hochpathogene Erreger (z.B. Sta-phylococcus aureus oder gramnegative Bakterien). Befallenwerden sowohl vorerkrankte als auch bislang unauffälligeHerzklappen (Abb. 6.2 a, b). Die akute Form der IE wird häufigerbei Befall der Aorten- als der Mitralklappe beobachtet. EineProthesenendokarditis begünstigt ebenfalls die akute Verlaufs-form, für die ein rascher, bisweilen dramatischer Krankheits-verlauf charakteristisch ist.

Klinisches Bild der IE. Besteht die typische Symptomkonstella-tion aus Fieber, positiver Blutkultur und neu aufgetretenem

6 Infektiöse Endokarditis

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Tabelle 6.7 Infektiöse Endokarditis: klinische Verdachtdiagnose undtypische Befundkonstellation

Für eine IE richtungsweisendeSymptome

Für eine IE typische Befund-konstellation

neu diagnostizierter Herzklap-penfehler

Fieber bei einem Pat. mit Herz-klappenprothese

neu aufgetretenes Herzgeräusch Fieber und neu aufgetretenerAV- oder Schenkelblock

Hämaturie, Glomerulonephritis Fieber und positive Blutkulturmit typischem IE-Erreger

unklare Sepsis Fieber und Abszessbildung inperipheren Organen

unklares Fieber Fieber und typische Haut- (Os-ler- oder Janeway-) oder okuläreLäsionen (Roth-Spots)

Fieber kurzzeitig nach einembakteriämiegefährdenden Ein-griff, besonders bei entspre-chender Prädiposition*

Fieber mit multiplen und wech-selnden pulmonalen Infiltraten(bei IE des rechten Herzens)

embolisches Ereignis unklarerUrsache (insbesondere Hirn-,Nieren- oder Milzinfarkt)

Fieber und unklare Lungenem-bolien (bei IE des rechten Her-zens)

* kardiale und nichtkardiale Risikofaktoren für das Auftreten einer IE (vgl.Tab. 6.8)

Tabelle 6.8 Infektiöse Endokarditis: prädisponierende Faktoren

Prädisponierende kardialeFaktoren mit hohem Endo-karditisrisiko

Prädisponierende kardialeFaktoren mit mittlerem Endo-karditisrisiko

vorangegangene IE erworbener Herzklappenfehler

Herzklappenprothese nichtzyanotisches kongenitalesVitium*

komplexes kongenitales zyanoti-sches Vitium

hypertrophe Kardiomyopathie

Status nach systemischer oderpulmonaler Konduit-Operation

Mitralklappenprolaps mit deutli-cher Segelverdickung oder Re-gurgitation

* hierzu gehört die Aortenklappenbikuspidie, aber nicht der ASD II

Herzgeräusch, und ist zudem der klinische Verdacht auf ein ar-teriell-embolisches Ereignis vergesellschaftet oder finden sichvaskuläre immunologische Phänomene, bereitet das Krank-heitsbild nur wenige diagnostische Schwierigkeiten (Tab. 6.7).

Atypische klinische Verläufe, bei denen die richtungswei-senden Befunde nur andeutungsweise vorliegen oder über-haupt nicht präsent sind, persistierend negative Blutkulturenund nicht zuletzt eine bereits eingeleitete Antibiotikatherapievor der Diagnosestellung, können zu einer verzögerten Klärungdes Krankheitsbildes führen. Diese atypischen Verläufe werdenbei älteren Patienten, Dialysepatienten, bei Imunsupprimier-ten, bei Rechtsherzendokarditis, bei nosokomialen Infektionenoder bei einigen typischen Endokarditiserregern (z.B. HACEK-Gruppe, vgl. Legende zur Tab. 6.3, S. 94) beobachtet. Bei diesenPatienten liefern nicht selten die klinisch anamnestischen An-

gaben die richtungsweisenden Hinweise für die korrekte späte-re Diagnosestellung (Tab. 6.8).

Kulturnegative IE. Bei etwa 5 – 25% der Patienten entwickeltsich eine kulturnegative IE. Die Mortalität ist bei diesen Patien-ten nicht nur wegen der fehlenden Möglichkeit zur spezifi-schen antibiotischen Behandlung erhöht, sondern auch aufGrund der vielfach erst verzögert gestellten Diagnose und nichtrechtzeitig eingeleiteten Therapie. Die häufigste Ursache einerkulturnegativen IE ist eine der Diagnosestellung unmittelbarvorangegangene Antibiotikatherapie. Bei spezifischen Erregern(z.B. denen der HACEK-Gruppe, Neisseria spp., Brucella spp.,Propionibacterium spp., Abiotrophia spp., Campylobacter spp.)kann eine verlängerte Bebrütungszeit zur Erregeridentifikationbeitragen. Sofern dies klinisch vertretbar ist, sollten wegen dererheblichen Bedeutung der Keimisolierung und -identifikationfür den Behandlungsverlauf Blutkulturen auch nach einem an-tibiotikafreien Intervall abgenommen werden. Werden bei Pa-tienten mit kulturnegativer IE Resektionsmaterialien z.B. imRahmen eines kardiochirurgischen Eingriffs gewonnen, solltendiese zur kulturellen Erregeranzüchtung herangezogen wer-den. Die Bedeutung einer serologischen Diagnostik konnte fürCoxiella burnetii, Legionellen, Chlamydien, Brucella und Barto-nella nachgewiesen werden. Die Relevanz der Polymerasenket-tenreaktion (PCR) für die Diagnostik der kulturnegativen IEkann noch nicht abschließend beurteilt werden.

6.6 Komplikationen der infektiösen Endokarditis,Operationsindikationen

Komplikationen der IE sind häufig; neben der Herzinsuffizienz,die in klinischen Studien bei 30 – 35% der Patienten beobachtetwird, werden embolische Ereignisse bei bis zu 25% und Abs-zessbildungen bei etwa 15% (in pathologischen Studien in biszu über 30%) der Erkrankten beschrieben. In vielen Fällen istauf Grund eintretender Komplikationen ein kardiochirurgisch-operatives Vorgehen notwendig. Bis zu 15% der Patienten müs-sen sich einem entsprechendem Eingriff innerhalb der ersten48 Stunden nach Krankenhausaufnahme unterziehen, bei ins-gesamt 35 – 55% der Patienten wird eine Operation zur Thera-

pie der IE innerhalb der ersten 2 Monate nach dem Beginn derErkrankung notwendig. Trotz aller medizinisch-operativenFortschritte lassen sich die genannten Komplikationen nichtimmer beherrschen. Die resultierende peri- und postoperativeMortalität ist dementsprechend mit etwa 12 – 22% hoch. Unab-hängige Prediktoren für einen fatalen Krankheitsverlauf sindzusätzlich bestehende schwere Allgemeinerkrankungen, Dia-betes mellitus, Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Abszessbildungund eine Infektion mit Staphylococcus aureus.

6.6 Komplikationen der infektiösen Endokarditis, Operationsindikationen

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Auch im Langzeitverlauf nach prothetischem Herzklappen-ersatz ist die Wahrscheinlichkeit für eine operationsbezogeneFolgeerkrankung (Reoperation, Prothesenendokarditis, throm-boembolisches oder hämorrhagisches Ereignis) hoch. Um dieMortalität der IE zu senken, ist es wesentlich, Komplikationendurch eine frühzeitige Diagnosesicherung und adäquate Anti-biotikatherapie zu verhüten bzw. die Operation in den Fällen, indenen eine klare Indikation besteht, rechtzeitig zu planen unddurchzuführen.

Herzinsuffizienz. Die valvulär bedingte Herzinsuffizienz mitsekundärem myokardialem Pumpversagen ist die häufigsteKomplikation und Todesursache der IE. Die akute und raschprogrediente Herzinsuffizienz, die insbesondere im Zusam-menhang mit einer progressiven Aorten- oder Mitralklappen-destruktion auftritt, stellt eine zwingende und dringliche Ope-rationsindikation dar. Auch profitieren jene Patienten von ei-nem rechtzeitigen operativen Vorgehen, bei denen eine Herz-insuffizienz schon vor dem Auftreten der IE bekannt war(Tab. 6.9). Nach aktuellen, auf den verschiedenen Kontinentenerhobenen Daten der „International Collaboration on Endocar-ditis“, steigt die Operationsletalität bei Patienten mit Herzin-suffizienz im Vergleich zu den Patienten ohne Herzversagenvon 6 – 11% auf 17 – 33% an.

Embolische Ereignisse. Etwa 20 – 25% aller an einer IE erkrank-ten Patienten erleiden eine sich klinisch manifestierende em-bolische Komplikation. Bei annähernd der Hälfte der Patienten,bei denen sich eine Embolie im Verlauf der Erkrankung ereig-net, führt diese zur Krankenhausaufnahme oder wird erstmalsim Rahmen der initialen Kontaktaufnahme im Krankenhaus di-agnostiziert. Mit Beginn der Antibiotikatherapie sinkt die Em-boliegefährdung rapide; weniger als 5% der embolischen Ereig-nisse treten ab dem 4. Tag oder später nach Einleitung einer ef-fektiven Antibiotikatherapie auf.

Die Empfehlungen zur operativen Therapie von Herzklap-penvegetationen basieren auf einer uneinheitlichen Datenlageund berücksichtigen die zeitliche Häufung embolischer Ereig-nisse bis zum Beginn der Antibiose. Bei großen mobilen Vegeta-tionen und begleitender hämodynamisch relevanter Klappen-dysfunktion besteht eine klare Indikation zum frühzeitigenoperativen Vorgehen. Weitere mögliche Indikationen sind Ve-getationen von mehr als 10 – 15 mm Länge vor oder zu Beginnder Antibiose, insbesondere wenn sie am anterioren Mitralse-gel lokalisiert sind und wenn eine rekonstruktive Herzklappen-chirurgie erfolgen kann. Fortbestehende flottierende Vegeta-tionen von � 10 mm Länge nach systemischer Embolie oder ei-ne Größenzunahme der Vegetation trotz adäquater antibioti-scher Behandlung stellen weitere Operationsempfehlungendar (Tab. 6.9).

Neurologische Komplikationen. Die Wahrscheinlichkeit fürein neurologisches Ereignis beträgt im Krankheitsverlauf zwi-schen 15 – 40%. Transiente ischämische Ereignisse und emboli-sche Schlaganfälle überwiegen, während intrazerebrale Hä-morrhagien weniger als 10% der neurologischen Komplikatio-nen ausmachen. Eine operative Therapie der IE nach stattge-habtem neurologischem Ereignis ist mit dem Risiko der Ver-schlechterung des neurologischen Krankheitsbildes verbun-den. Ursächlich sind sekundäre, heparininduzierte Einblutun-gen oder eine hypotoniebedingte Aggravation der vorbeste-henden zerebralen Ischämie. Die perioperative Mortalität istdaher bei Patienten mit vorausgegangenem embolischem In-

Tabelle 6.9 Endokarditis: Indikationen zur chirurgischen Interventionbei nativen Herzklappen

Gesicherte Indikationen

� schwerste Aorteninsuffizienz mit vorzeitigem Mitralklappen-schluss1

� Ruptur eines Sinus-Valsalva-Aneurysmas in die rechtsseitigenHerzhöhlen oder ins Perikard1

� Herzinsuffizienz III� und IV� bei akuter Aorteninsuffizienz2

� Herzinsuffizienz III� und IV� bei akuter Mitralinsuffizienz2

� Hinweise für lokale Ausbreitung der Infektion2

– Klappenperforation, Sinus-Valsalva-Aneurysma, AV-Block/Schenkelblock, Myokarditis

– paraanuläre Komplikationen (Abszess, Aneurysma/Pseudo-aneurysma, Fistelbildung)

� Endokarditis mit aggressiv-destruierendem Erreger (z. B. Staphy-lococcus lugdunensis, Pseudomonas aeruginosa)2

� Herzklappendysfunktion und fortbestehende Infektion mit Fie-ber und persistierender Bakteriämie trotz � 7-tägiger adäquaterAntibiotikatherapie3

� Zunahme der Vegetationsgröße trotz adäquater Antibiose vonmehr als 7 Tagen3

� Endokarditis durch Problemkeime, die oftmals durch die anti-mikrobielle Therapie nicht ausheilen (z. B. Brucella, Coxiella,Pseudomonas, Pilzendokarditis)3

Chirurgischen Intervention im Einzelfall erwägen

� hochmobile Herzklappenvegetation � 10 bis 15 mm vor/wäh-rend der initialen Antibiotikatherapie, insbesondere bei Lokalisa-tion am anterioren Mitralsegel und Möglichkeit der klappener-haltenden Chirurgie

� fortbestehende hochmobile Herzklappenvegetation � 10 mmnach systemischer Embolie

� sehr früh nach Beginn der Antibiose bei Patienten, bei denen ei-ne rekonstruktive Klappenchirurgie möglich ist

� Gefahr der Ausbildung einer „Kontaktläsion“� bekannte Herzinsuffizienz schon vor der Neuerkrankung an ei-

ner IE� Rechtsherzendokarditis mit einer Vegetationsgröße von �

20 mm nach Lungenembolien

Die invasiv-destruierende und die abszedierende Infektionsformstellen immer eine Operationsindikation dar.

1 Indikation zur notfallmäßigen Operation2 Indikation zur raschen Operation (innerhalb von 1 – 2 Tagen)3 Indikation zur elektiven Operation (ein unnötiges Aufschieben der Operation

sollte aber vermieden werden, da dies die Prognose des Patienten tendenziellverschlechtert)

sult höher als bei Patienten ohne präoperatives neurologischesEreignis. Vor allem in den ersten 14 postoperativen Tagen mussmit einer Verschlechterung der neurologischen Krankheits-symptome gerechnet werden. Besteht eine dringliche Operati-onsindikation bei Patienten, die einen kleinen ischämischenSchlaganfall erlitten haben, ist eine Operation innerhalb derersten 72 Stunden nach dem embolischen Ereignis durchführ-bar, sofern keine intrazerebrale Hämorrhagie vorliegt. Nachgroßem ischämischem Schlaganfall oder nach hämorrhagi-schem Insult sollte die Operation um vier Wochen aufgescho-ben werden, sofern dies klinisch vertrebar ist.

6 Infektiöse Endokarditis

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Tabelle 6.10 Endokarditis: Indikationen zur chirurgischen Interventi-on bei prothetischen Herzklappen

� frühe Prothesenendokarditis (innerhalb der ersten Monate nachImplantation)

� Prothesenendokarditis mit begleitender Prothesendysfunktion� Prothesenobstruktion� zunehmende oder hämodynamisch relevante paraprothetische

Leckage� Prothesenteilausriss� Hinweise der lokalen Infektionsausbreitung (Abszess, Aneurys-

ma/Pseudoaneurysma, Fistelbildung, Linksschenkelblock oderAV-Blockierung)

� fortbestehende Infektion mit Fieber und persistierender positi-ver Blutkultur trotz � 7-tägiger adäquater Antibiotikatherapie

� bei größeren Vegetationen, insbesondere bei Infektion mit Sta-phylokokken-Spezies

Nur bei Infektion mit penicillinempfindlichen Streptokokken ist die konservativeTherapie der Prothesenendokarditis Erfolg versprechend.

Paravalvuläre Ausdehnung. Die abszedierende Ausbreitungder infektiösen Endokarditis in benachbarte paravalvuläre, pe-rianuläre und myokardiale Strukturen ist eine zu fürchtendeKomplikation, die mit einer Verschlechterung der Prognoseverbunden ist. Die entzündliche Gewebeinfiltration kann zuFisteln, Pseudoaneurysmen, mykotischen Aneurysmen oderPerforationen führen. Eine entzündliche Infiltration des Sep-tum interventrikulare, die vor allem als Komplikation einerAortenklappenendokarditis auftritt, kann zu AV-Überleitungs-störungen unterschiedlichen Schweregrades (AV-Block I-III�)oder zum Linksschenkelblock führen. Kombiniert man dieechokardiographischen, intraoperativen und histopathologi-schen diagnostischen Möglichkeiten, werden diese Komplika-tionen bei etwa 35 – 40% der Patienten mit IE beobachtet.

Hauptrisikofaktoren für eine paravalvuläre Ausbreitung derIE sind eine Aortenklappen- oder eine Prothesenendokarditissowie die Infektion mit Staphylococcus aureus und Pseudomo-nas aeruginosa. Da eine ausreichende Antibiotikakonzentrati-on im Abszessbereich in der Regel nicht erreicht wird, bestehtdie Gefahr eines sich weiter ausbreitenden Entzündungsge-schehens. Die Sanierung des Entzündungsprozesses gelingt da-her in der Regel nur durch eine operative Therapie, die zügigeingeleitet werden sollte (Tab. 6.9 und 6.10). Die höhere Morta-lität bei konservativer Behandlung paravalvulärer Komplika-tionen ist in der Literatur zweifelsfrei belegt.

Echokardiographische Diagnose. Echokardiographisch impo-nieren abszedierende Formationen als umschriebene echoar-

me Auftreibungen. Im weiteren Erkrankungsverlauf kann sicheine Abszesshöhle entwickeln, die häufig an den zirkulieren-den Blutkreislauf angekoppelt ist. Der Blutfluss in einer Abs-zesshöhle ist turbulent und kann systolisch, diastolisch oderwährend des gesamten Herzzyklus beobachtet werden. Das di-agnostische Verfahren der Wahl ist die TEE, deren Sensitivitätmit 80 – 100 % angegeben wird, während mittels TTE wenigerals 1/3 der paravalvulären Komplikationen erkannt werden.

6.7 Mitralklappenendokarditis

Die isolierte Mitralklappenendokarditis oder der infektiöseMitralklappenbefall in Kombination mit der Aortenklappe, istdie häufigste Form der IE. Vegetationen der Mitralklappe sindbevorzugt vorhofseitig lokalisiert. Die Mitralsegel können ein-zeln oder gemeinsam entzündlich verändert sein. Für große,mobile und sich mit dem Blutstrom bewegende Vegetationender Mitralklappe sind ein Prolabieren in den linksventrikulärenEinflusstrakt während der Diastole und ein darauf folgendessystolisches Zurückschwingen in den linken Vorhof typisch(Abb. 6.5-11). Nicht selten breitet sich die Klappenentzündungrasenförmig auf einem oder beiden Mitralsegeln aus oder be-fällt den subvalvulären Halteapparat und die Papillarmuskula-tur (Abb. 6.6 und 6.7).

6.7.1 Komplikationen

Embolisation und Klappendestruktion. Die höchste Gefähr-dung für systemische oder zerebrale Embolien geht von größe-ren, frischen und mobilen Vegetationen des anterioren Mitral-segels aus.

Die infektiös bedingte Destruktion der Mitralklappe oderdes subvalvulären Halteapparates stellt eine weitere schwer-wiegende Komplikation des Krankheitsgeschehens dar. Durchregelmäßige Verlaufskontrollen während der Therapie kanndie mit einer Klappendestruktion einhergehende, durch Klap-penperforation oder Koaptationsinsuffizienz der Mitralsegelbedingte Mitralinsuffizienz in ihrem Schweregrad beurteiltoder ausgeschlossen werden (Abb. 6.5, 6.8 und 6.9 a, b).

Paravalvuläre Ausdehnung. Eine paravalvuläre Ausdehnungder nativen Mitralklappenendokarditis ist seltener als bei derAortenklappenendokarditis. Mitralringabszesse werden vor al-lem im Bereich der freien linksventrikulären Wand in Proximi-tät zum posterioren Abschnitt des Anulus fibrosus beschrieben,weshalb diese Region echokardiographisch besonders sorgfäl-tig evaluiert werden sollte.

Kontaktläsion und Mitralsegelaneurysma. Trifft eine flottie-rende Vegetation auf endokardiale Strukturen, z.B. auf muralesEndokard, kann sich die IE über die entstehende Endothelläsion(„Kontaktläsion“) ausbreiten (Abb. 6.11). Selten entwickelt sichein Mitralsegelaneurysma mit oder ohne begleitende Perforati-on als Komplikation einer Aortenklappenendokarditis, wenndie Infektion durch den Aortenregurgitationsstrahl auf das vor-dere Mitralsegel übertragen wird („Jetläsion“), oder wenndurch eine Aortenklappenvegetation eine Kontaktläsion amanterioren Segel verursacht wird. Echokardiographisch ist einMitralsegelaneurysma durch eine umschriebene vorhofwärtsgerichtete Vorwölbung charakterisiert (Abb. 6.14 c – f).

6.7.2 Differenzialdiagnosen

Ältere Vegetationen können von frischen, echoarm oder sogartransparent erscheinenden Vegetationen durch ihre stärkereEchogenität und geringere Eigenmobilität unterschieden wer-den (Abb. 6.6 und 6.10). Darüber hinaus können ein Mitraklap-penprolaps, der mit einer ausgeprägten Segelverdickung oder

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Abb. 6.5 Mitralklappenendokarditis mit assoziierter Mitralinsuffizienz.a Transversale Schnittführung. Der Segelspitze des anterioren Mitralse-

gels haften zwei dünne und sehr bewegliche Vegetationen an; eineweitere ist am Schließungsrand des posterioren Mitralsegels sichtbar(Vegetationen mit Pfeilen markiert).

b Farbdopplerechokardiographie: Die große Konvergenzzone (PISA)weist auf eine hämodynamische Relevanz der begleitenden Mitralin-suffizienz hin.

c Transversale Schnittführung wie in a, aber 180 �. Die größte der dar-gestellten Vegetationen misst 2,8 cm, sie ist hochmobil und atrialsei-tig am anterioren Mitralklappensegel lokalisiert; die Auflagerungenam Schließungsrand des posterioren Mitralsegels befinden sich atri-al- und ventrikelseitig.

d Während der Diastole prolabieren die Vegetationen in den linkenVentrikel.

Abb. 6.6 Mitralklappenendokarditis: TEE und Resektat nach operativem Mitralklappenersatz.a Intermediäre Schnittführung (35 �). Dem anterioren Mitralsegel ist

eine dünne, filamentäre und mehrere Zentimeter lange Vegetationangelagert, die hochmobil ist. Am basisnahen Übergang zum poste-rioren Mitralsegel ist eine echoinhomogene größere und unregelmä-ßig begrenzte entzündliche Auflagerung abgrenzbar (mit „V“ undkleinen Pfeilen gekennzeichnet).

b Operationsresektat: Auf Grund der Größe der Vegetation am anterio-ren Mitralsegel bestand die Indikation zur kardiochirurgischen Thera-pie. Die Länge der Vegetation betrug 4,5 cm. Am anterioren (AML)und posterioren (PML) Mitralsegel, aber auch am anterolateralen Pa-pillarmuskel (PM) fanden sich multiple Vegetationen (V) (mit freund-licher Genehmigung von Dr. M. Roth, Abteilung für Herzchirurgie,Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim).

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Abb. 6.7 Im transösophagealen Vierkammerblick zeigt sich der dichte(„rasenartige“) Befall mit entzündlichen Vegetationen des anteriorenMitralsegels (AML). Auch das posteriore Segel erscheint inhomogenund verdickt; am freien Segelrand ist eine kleinere mobile Auflagerungsichtbar (Pfeil).

Abb. 6.8 Mitralklappenendokarditis bei myxomatöser Veränderung des anterioren (AML) und posterioren (PML) Mitralsegels.a Transösophagealer Vierkammerblick (0 �). Die Mitralsegel sind ausge-

prägt myxomatös verändert und elongiert. Basisnah am anteriorenMitralsegel befindet sich atrialseitig eine mobile, etwa 1 cm langeKlappenauflagerung (Pfeil).

b Transösophagealer Zweikammerblick. An der Basis des posteriorenMitralsegel ist eine vermehrt echogene Auflagerung lokalisiert. DieKontinuität des Mitralsegels erscheint zu beiden Seiten der Auflage-rung aufgehoben (jeweils mit Pfeil gekennzeichnet), so dass der V.a.Perforation des Mitralsegels besteht. Der Koronarvenensinus (CS)darf nicht mit einem Abszess verwechselt werden.

c Gleiche Schnittführung wie in b: Farbdopplerechokardiographisch istder systolische Farbübertritt in den linken Vorhof beidseits seitlich derbeschriebenen Klappenauflagerung für zwei Mitralsegelperforatio-nen beweisend (jeweils mit Pfeil markiert).

d Die Mundhöhle war die Eintrittspforte für die nachfolgende bakteriel-le Besiedlung der myxomatösen Mitralklappe. Der Zahnstatus istdringend sanierungsbedürftig: Neben kariösen Zähnen finden sichfrei liegende Wurzelreste.

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Abb. 6.10 Große flottierende Vegetation der Mitralklappe mit kom-missuraler Anheftung am posterioren Mitralsegel (Pfeil; Länge:2,38 cm). Es handelt sich um eine abgeheilte endokarditische Vegetati-on; die ausgesprochene Echogenität ist hierfür charakteristisch.

einer Chordafadenruptur einhergeht, ein Herzklappentumor(insb. das papilläre Fibroelastom), eine thrombotische Herz-klappenauflagerung, eine Libman-Sachs-Endokarditis bei sys-temischem Lupus erythematodes oder eine marantische Endo-karditis bei Patienten mit schwerer Allgemeinerkrankung, aufGrund der echokardiographischen Erscheinungsform oftmalsnicht von einer infektiösen Vegetation abgegrenzt werden(Abb. 6.27, 6.28 b und 6.29). Bei diesen Patienten sind der klini-sche Verlauf und die klinische Gesamtkonstellation für die Di-agnose entscheidend.

Abb. 6.9 Doppelklappenendokarditis.a Mitralklappenendokarditis: Atrialseitig finden sich an der Mitralklap-

pe zwei kleine, rundliche, etwas echoreichere Auflagerungen (Pfeile).Die histopathologische Aufarbeitung des Operationsresektates be-stätigte die Verdachtsdiagnose einer endzündlichen Vegetation.

b Die resultierende Mitralinsuffizienz ist stark exzentrisch; daher sindKonvergenzzonen nicht erkennbar. Der Fluss im linksventrikulärenAusflusstrakt durch die Aortenklappe ist turbulent.

c Aortenklappenendokarditis (gleicher Patient): Die gesamte Aorten-klappe kommt unscharf abgegrenzt zur Darstellung und erscheintdiffus verdickt. Zwei kleine, während der Diastole ventrikelseitig lo-kalsierte Klappenauflagerungen sind mit Pfeilen gekennzeichnet. Dieparavalvulären Strukturen zeigen keine Auffälligkeiten.

d Die assoziierte Aortenklappeninsuffizienz ist hochgradig. Im Operati-onsresektat findet sich eine schwer destruierte Aortenklappe.

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Abb. 6.11 Murale Endokarditis – Kontaktläsion.a Transösophagealer Vierkammerblick: Dem anterioren Mitralsegel

haftet eine ältere, echoreiche Vegetation an. Diese trifft in der Diasto-le auf das Kammerseptum und verursacht hierdurch eine Endothellä-sion („Kontaktläsion“, kleiner Pfeil).

b Die Kontaktläsion stellt sich echokardiographisch als umschriebeneAuftreibung von vermehrter Echogenität im Ventrikelseptum dar.

a b

6.8 Aortenklappenendokarditis

Die Aortenklappenendokarditis kommt etwas seltener vor alsdie Mitralklappenendokarditis. Die Vegetationen der Aorten-klappe sind bevorzugt an der dem Ventrikel zugewandten Seiteder Aortenklappentaschen lokalisiert. Große bewegliche Vege-tationen können systolisch mit dem Blutfluss in die Aorta as-cendens flottieren und diastolisch in den linksventrikulärenAusflusstrakt zurückfallen (Abb. 6.9 c, d und 6.12). Durch dieseMobilität können Kontaktläsionen im Bereich des linksventri-kulären Ausflusstrakts oder des anterioren Mitralsegels entste-hen. Den Aortentaschen breitbasig aufsitzende und wenig mo-bile Vegetationen stellen sich nur im Klappenbereich dar(Abb. 6.13). Prädisponierend für eine Aortenklappenendokar-ditis sind eine Aortenklappenbikuspidie, ein rheumatischesAortenklappenvitium oder die degenerativen, atheromatös-kalzifizierenden Aortenklappenveränderungen des älteren Pa-tienten (Abb. 6.14 a, b, 6.15, 6.25 und 6.26).

6.8.1 Komplikationen

Embolisation und Aorteninsuffizienz. Auch bei der infektiösenErkrankung der Aortenklappe sind Komplikationen durch Em-bolisationen häufig, insbesondere bei größeren Klappenvege-tationen. Die Emboliegefährdung ist aber geringer einzuschät-zen als bei der Mitralklappe.

Die mit der Aortenklappenendokarditis einhergehendenVeränderungen führen in nahezu allen Fällen zu einer Aorten-klappeninsuffizienz unterschiedlichen Schweregrades. Ist derRegurgitationsstrahl exzentrisch und z.B. auf das murale Endo-kard oder die Basis des anterioren Mitralsegels gerichtet, kanndies zu einer Endothelläsion („Jetläsion“) mit nachfolgenderAusbreitung der Entzündung führen (Abb. 6.15).

Oftmals finden sich einzelne oder multiple Klappenperfora-tionen oder bei destruierend wachsenden Erregern eine weit-gehende Zerstörung der Klappenstruktur, mit resultierenderhämodynamisch bedeutsamer Aortenklappenregurgitation(Abb. 6.9c,d, 6.12 und 6.13). Für die Beurteilung des hämodyna-mischen Schweregrades der Aorteninsuffizienz und ihrer Aus-

wirkungen auf die linksventrikuläre Herzgröße und Auswurf-fraktion ist die TTE in aller Regel das geeignete Verfahren. EineHilfe zur Erfassung einer akuten schwersten, und wegen derdann fehlenden Kompensationsmöglichkeit des linken Ventri-kels lebensbedrohlichen Aorteninsuffizienz, ist die Beurteilungdes Mitralklappenschlusses: Schließt die Mitralklappe nochvor Beginn der systolischen Kontraktion, deutet dies auf eineschwerste Volumen- und Druckbelastung des linken Ventrikelshin (Tab. 6.9). Die genaue Interpretation der morphologischenVeränderungen im Bereich der Aortenklappe bei der IE gelingtnur mittels der TEE.

Paravalvuläre Ausdehnung. Paraaortale Abszesse wurden beiPatienten, bei denen ein Aortenklappenersatz wegen einer IEdurchgeführt wurde, in bis zu 50% der Fälle gefunden. Abszessekönnen auf den Aortenklappenanulus begrenzt sein oder auchzu einer entzündlichen Beteiligung der angrenzenden Myo-kardanteile führen. Breitet sich die entzündliche Gewebeinfil-tration von der anatomischen Region des nicht bzw. linksko-ronartragenden Aortensinus aus, werden vorzugsweise der Co-nus aortomitralis, die Basis des anterioren Mitralsegels und Ab-schnitte des Septum interventriculare von der Entzündung be-troffen; bei primärem Befall des rechtskoronaren Aortensinusist eine entzündliche Infiltation des Septum interventricularehäufig. Elektrokardiographisch nachweisbare und im Rahmeneiner akuten IE neu auftretende AV-Überleitungsstörungenoder Schenkelblockbilder weisen auf eine entzündliche Mitbe-teiligung des Kammerseptums hin und stellen immer eine Indi-kation zur dringlichen Operation dar (Tab. 6.9).

Diagnostisch ermöglicht nur die hochauflösende TEE diefrühzeitige Erkennung abszedierender Komplikationen, dieechokardiographisch als echofreie- oder echoarme Strukturenoder als umschriebene Auftreibungen unterschiedlicher Echo-genität im Bereich des Klappenrings oder des Myokards impo-nieren. Abszesse erlangen erst Anschluss an den zirkulierendenBlutkreislauf, wenn es als Folge der abszedierenden Entzün-dung zur Ausbildung von Fisteln, Aneurysmen oder Pseudo-aneurysmen kommt (Abb. 6.11, 6.14 und 6.15). Die neu entste-

6.8 Aortenklappenendokarditis