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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 1 V6 Abrundung des ersten Vorlesungsteils Programm heute: Berechnung von Eigenschaften des Systems aus MD- Simulationen Wassermodelle Zustandssumme (Wdh.) Ensembles (Wdh.) Umbrella Potential-Simulationen

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 1

V6 Abrundung des ersten Vorlesungsteils

Programm heute:

• Berechnung von Eigenschaften des Systems aus MD-Simulationen

• Wassermodelle

• Zustandssumme (Wdh.)

• Ensembles (Wdh.)

• Umbrella Potential-Simulationen

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 2

Aufgabe: identifiziere Wassermoleküle in Proteinen (I)

Kristallstrukturen von Proteinen zeigen

oft nicht die Position interner Wasser-

moleküle, da diese zu mobil sind.

Verwende Computersimulationen um

die „wahre“ Hydratation zu berechnen.

Welches ist das beste Ensemble um

Wassermoleküle in ein Protein zu

positionieren?

Das semi-groß-kanonische

Ensemble, da hier das chemische

Potential für das Wasser konstant ist.

Ref. Tashiro, Stuchebrukhov, J. Phys. Chem. B 109 (2005) 1015.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 3

Eigenschaften des Solvens

Im Gegensatz zu der Mehrzahl aller anderen Verbindungen kommt Wasser in

allen drei Aggregatszuständen natürlich vor.

Schmelzpunkt 0° C = 273 K

Siedepunkt 100° C = 373 K (bei Normaldruck)

Wärmekapazität 75.366 J mol-1 K-1

Verdampfungsenthalpie 40.7 kJ mol-1

Schmelzenthalpie 6.01 kJ mol-1

Bildquelle: Wikipedia

sehr hohe Werte !

Anomalie:

größte Dichte bei 4° C

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 4

Eigenschaften des Wassers (I)

Eine ganze Reihe der erwähnten Besonderheiten des Wassers lassen

sich durch das dichte Wasserstoffbrückennetzwerk erklären:

Stärke einer H-Brücke

O–H ... O ca. 21 kJ/mol

→ hoher Siedepunkt

Im festen Zustand gibt es weniger und

längere H-Brücken als im flüssigen.

→ Dichte von Eis geringer als Lösung

Bildquelle: Wikipedia

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 5

Wassermodelle (I)Wieviele H-Brücken bildet ein Wassermolekül im Durchschnitt aus ?

→ MD-Simulation

Wie modelliert man Wasser adäquat ?

Die Modelle müssen viele experimentelle Größen richtig wiedergeben, z.B.

Siedepunkt, Schmelzpunkt, Verdampfungsenthalpie, Dipolmoment, Struktur, ...

Einfache Modelle können nicht allen diesen Anforderungen perfekt gerecht werden.

Im einfachsten Fall stellen wir die Wassermoleküle wie alle anderen Atome in einem

Kraftfeld durch Bindungen, Punktladungen und van der Waals Radien dar.

Die Wechselwirkungen ergeben sich dann aus elektrostatischen und van der Waals-

Kräften.

Estat

ij ij

jivdW

ij r

qq

r

B

r

AE

612

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 6

Wassermodelle (II)

Gebräuchliche Wassermodelle

Bildquelle: Wikipedia

SPC TIP3P BF TIP4P exptl.

r(OH) [Å] 1.0 0.9572 0.96 0.9572

HOH [°] 109.47 104.52 105.7 104.52

q(O) [e] –0.82 –0.834 0.0 0.0

q(H) [e] 0.41 0.417 0.49 0.52

q(M) [e] – – –0.98 –1.04

[Debye] 2.27 2.18 1.8 (Vakuum)

2.3 - 2.6 (Lösung)

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 7

Eigenschaften des Wassers (II)

Wieviele H-Brücken bildet ein Wassermolekül im Durchschnitt aus ?

TIP4P: 3.59 bei 25°C, 3.24 bei 100°C (höhere Mobilität und geringere Dichte)

Abhängig von der Definition von Wasserstoffbrücken (max. Reichweite,

Winkelabhängigkeit) erhält man auch kleinere oder größere Werte.

Übliche Kriterien für H-Bindungen sind eine

maximale Distanz ≤ 0.35 nm zwischen Donor-

und Akzeptoratom und ein D-H-A Winkel ≤ 120°.

Lit: W. L. Jorgensen and J. D. Madura (1985). "Temperature and size dependence for Monte Carlo simulations

of TIP4P water". Mol. Phys. 56 (6): 1381.

Jan Zielkiewicz (2005). "Structural properties of water: Comparison of the SPC, SPCE, TIP4P, and TIP5P

models of water". J. Chem. Phys. 123: 104501.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 8

Radiale Verteilungsfunktion (I)

Wie berechnet man bequem, wieviele H-Bindungen ein Wassermolekül im Wasser

ausbildet ?

Dazu betrachten wir, wieviele Wassermoleküle sich in der Entfernung r um ein

Molekül befinden und berechnen die radiale Verteilungsfunktion:

rr

rrN

N

Vrrg M

22 2

,,

Aus der Simulation mit M Stützpunkten suchen wir die Anzahl an Teilchen N

aus dem Gesamtvolumen V, die sich in der Kugelschale der Dicke r befinden.

In der Praxis weisen wir die Teilchen in jeder Kugelschale einem bin für den

jeweiligen Abstand r zu.

r

r

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 9

Radiale Verteilungsfunktion von Wasser

O-H Bindung

Bildquelle: http://ptcl.chem.ox.ac.uk

Aufgrund der geordneten Struktur

im Eiskristall sieht hier die

Verteilung anders aus als im

flüssigen Wasser. z.B. sind die H-

Brücken schärfer definiert.

O-H H-Brücke

g(r) für flüssiges Wasser.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 10

Radiale Verteilungsfunktion (II)

Die graphische Auftragung einer solchen radialen Verteilungsfunktion bietet sich

natürlich für den Vergleich von Simulationsdaten mit experimentellen Daten

(soweit diese verfügbar sind) an.

z.B. Kalibrierung der Wassermodelle am Experiment

Wassermoleküle über hydrophoben Proteinbereichen sind weniger mobil und

bilden vorwiegend gegenseitige H-Brücken aus.

→ „mikroskopische Eiskristalle“

Weitere Anwendungen:

Solvatationshülle von Ionen, Aminosäuren in Bindungstaschen

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 11

Radiale Verteilungsfunktion (II)

Beobachtung:

Da Na+ einen kleineren Ionenradius als K+ aufweist, befinden sich weniger

Wassermoleküle in der 1. Solvatationshülle, jedoch ist die Fernordnung

größer. → Selektivitätsfilter in Ionenkanälen bilden diese Hydrationshülle nach.

B. Roux, Ann. Rev. Biophys. Biomol. Struct. 34, 153 (2005)

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 12

Radiale Verteilungsfunktion in der Thermodynamik

Die radiale Verteilungsfunktion spielt in der Thermodynamik eine fundamentale

Rolle, da sie in einer Reihe von fundamentalen Gleichungen auftaucht.

Die Virial-Gleichung für den Druck lautet:

Die Energie-Gleichung lautet

Die Kompressibilitätsgleichung lautet:

u(r) ist die Wechselwirkungsenergie zwischen den Teilchen, u´(r) ist die Ableitung

nach dem Abstand (also die Kraft). www.wikipedia.org

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 13

Umbrella sampling

ro und k in der Gewichtungsfunktion W(r) werden so gewählt, daß die

Energie an der gewünschten Position günstiger wird.

Da nun aber keine echte Boltzmannverteilung mehr vorliegt, muß man

den Erwartungswert anschließend korrigieren:

Problem: Wie kann ich energetisch ungünstige Zustände adäquat samplen,

zumal diese selten vorkommen ?

Dazu kann man die Energiefunktion so modifizieren, daß diese Zustände in

der Simulation öfter besucht werden, d.h. „wahrscheinlicher“ werden.

rWrErE '

2orrkrW

kTrW

kTrW

e

erAA

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4. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 14

Die Energie eines Moleküls ergibt sich als Summe seiner (temperatur-

abhängigen) Energieterme aufgrund seiner Freiheitsgrade für die Translation,

Rotation und Vibration. Folglich muss diese Summe Q der Nenner in der

Gleichung für die Boltzmannverteilung sein

Zustandssumme

Die Summe Q der inneren Energie wird auch als Zustandssumme

(partition function) bezeichnet.

Je nachdem, welche Größen beim betrachtetem Ensemble (an

Molekülen) konstant sind (z.B. Druck, Volumen, Temperatur,

Teilchenzahl) verändert sich auch die Zustandssumme Q.

Q

kTE

kTE

kTE

N

Ni

i

i

i

exp

exp

exp

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 15

Sampling (I)

Simulationen beinhalten eine statistische Komponente.

Deshalb können Fehler auch von der zeitlich begrenzten Simulationsdauer

stammen, da wir über diesen Zeitabschnitt das Sampling durchführen.

Jede makroskopische Größe/Observable X (z.B. Enthalpie, Entropie,

Wärmekapazität) läßt sich aus der Zustandssumme Q ableiten.

TV V

QVTk

T

QTkH

lnln2

TV

QVTkQTkG

ln

ln

Enthalpie H

Freie Enthalpie G

Entropie S QkT

QkS

V

lnln

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 16

Sampling (II)

Für ein einzelnes Molekül können wir die Zustandssumme Q für die einzelnen

translatorischen, rotatorischen und vibronischen Terme explizit formulieren.

In einem Ensemble mit vielen Teilchen werden die einzelnen Energieniveaus

jedoch so dicht beieinander sein, daß wir von einer kontinuierlichen Verteilung

ausgehen können.

Deshalb ersetzen wir die Summation diskreter Energieterme durch die

Integration über alle Koordinaten r und Impulse p, den sog. Phasenraum.

dpdreeQ kTprEZustände

i

kTEi ,

Weiterhin nehmen wir an, daß die N Teilchen unseres Ensembles

miteinander wechselwirken.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 17

Sampling (III)

...

1cos22

612

20

20

Estat

ij ij

jivdW

ij

Torsionen

n

WinkelBindungen

potentiell

r

qq

r

B

r

A

nCk

rrk

E

TQ

Q

T

Q

ln

Im Falle eines idealen Gases brauchen wir nur die kinetische Energie

betrachten, für alle anderen Systeme auch die potentielle Energie, die wir z.B.

mit einem Kraftfeld berechnen können.

Zusammengenommen ergeben diese Energie die innere Energie U

VT

QTkU

ln2

Da erhält man

kTEZustände

i

i ieQ

E

TQ

QTkU

2

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 18

Sampling (IV)

dpdrprPprEU ,,

kTEi

ieQEP 1

kTprEeQprP ,1,

Da alle Energiezustände Ei der Boltzmannverteilung unterliegen,

erhalten wir dafür eine sog. Boltzmannsche Verteilungsfunktion P

Setzen wir P in die Gleichungen für die innere Energie U ein, so

erhalten wir

im diskreten bzw.

kontinuierlichen Fall

Zustände

iii EPEU

Damit ist die innere Energie U also die Summe aller Energien

gewichtet mit der Wahrscheinlichkeit in diesem Zustand vorzu-

kommen, d.h. U ist die durchschnittliche Energie des Systems.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 19

Sampling (V)

M

iiiMprX

MX ,

1

Generell kann jede makroskopische Observable X als Erwartungswert

(Durchschnitt) <X> der entsprechenden mikroskopischen Größe X(r,p)

gewichtet mit der Boltzmannverteilung berechnet werden.

Dazu brauchen wir eine ausreichende (repräsentative) Menge an

samples (Stützpunkten) M.

Eine Ansammlung entsprechender Konfigurationen wird in der Regel

aus MD-Simulationen erhalten.

Bsp. Innere Energie U

M

M

iiM

EEM

U 1

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 20

Sampling (VI)

M

X1

Der so berechnete Erwartungswert einer Größe X weist einen statistischen

Fehler (X) auf, der umgekehrt proportional zur Anzahl M der Stützpunkte ist

Neben einer ausreichenden Anzahl von Stützpunkten (= lange

Simulationszeiten) muß darüberhinaus auch noch das betrachtete Ensemble

repräsentativ sein, ansonsten wird der systematische Fehler groß.

Da Größen wie die Freie Energie G und die Entropie S direkt von der

Zustandssumme Q abhängen (und deshalb von der Boltzmann-gewichteten

Energie), werden sie v.a. durch energiereiche Zustände bestimmt, die

entsprechend selten vorkommen.

D.h. die genaue Bestimmung von G oder S ist sehr zeitaufwendig.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 21

Monte Carlo (MC)

Wie generiert man repräsentative Ensembles ?

Im sog. Monte Carlo Verfahren fügt man dem System eine zufällige

Änderung zu, und akzeptiert diese, falls die neue Energie günstiger

oder eine höhere Energie entsprechend der Boltzmann-Verteilung der

Energie zufällig angenommen werden kann.

→ Metropolis Algorithmus

In der Praxis braucht man hier einige Millionen Schritte um die

Energiehyperfläche um die Startkonfiguration herum angemessen zu

samplen.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 22

Wdh: mikroskopische Reversibilität (“detailed balance”)Lege Übergangsmatrix fest durch Definition einer Übergangswahrscheinlichkeit kij für jeden

Übergang von Xi nach Xj, so dass die mikroskopische Umkehrbarkeit erfüllt ist:

jijiji kk

i und j sind die Besetzungswahrscheinlichkeiten der beiden Zustände i und j.

Im kanonischen Ensemble sind dies die Wahrscheinlichkeiten aus der Boltzmann-

Verteilung. Damit hängt das Verhältnis der Übergangswahrscheinlichkeiten nur vom

Energieunterschied zwischen den Zuständen i und j ab:

jiij

ijij

ji

j

i

XEXEE

Ek

k

exp

Durch die Erfüllung dieser Bedingung ist das Gleichgewicht stationär.

Es gilt die detailed balance.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 23

Wdh: Metropolis AlgorithmusDie am häufigsten verwendete Technik zur Auswahl von Konformeren („importance

sampling“) mittels Monte-Carlo-Methoden ist der Metropolis Algorithmus:

(1) konstruiere Anfangskonfiguration des Moleküls

(2) führe zufällige Änderung eines Freiheitsgrades (z.B. eines Torsionswinkel)

durch.

(3) berechne Änderung der Energie E aufgrund dieser Änderung der

Konformation.

(4) falls E < 0 akzeptiere die neue Konfiguration

falls E > 0 berechne die Wahrscheinlichkeit

erzeuge Zufallszahl r im Intervall [0,1]

akzeptiere die neue Konfiguration, falls w r, sonst verwerfe sie.

Da die Boltzmann-gewichtete Energiedifferenz mit einer Zufallszahl verglichen

wird, werden auch vereinzelt Konformere hoher Energie akzeptiert. Daher erhält

man ein Ensemble von Konformationen mit einer Energieverteilung entsprechend

einer Boltzmann-Verteilung.

Tk

Ew

B

exp

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 24

Wdh: Moleküldynamik-Simulation

Basiert auf Newtonscher Bewegungsgleichung für ein Atom i eines Moleküls:

wobei Fi die Kraft, mi seine Masse und

die Beschleunigung ist, die auf Atom i wirkt.

Die Kräfte lassen sich aus den Ableitungen der Energie nach den kartesischen

Koordinaten ausrechnen.

• Die Trajektorie eines Systems ist die Aneinanderreihung der einzelnen

Koordinaten und Geschwindigkeiten, also ein Film, der die Dynamik des Systems

zeigt.

2

2i imt

r

F

2

2i

it

r

a

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 25

Ensembles

Bei MD-Simulationen sorgt man zunächst dafür, dass sich das System in einem

Gleichgewichtszustand befindet, bevor man mit dem sampling beginnt.

104 – 105 Schritte Equilibrierung gefolgt vom Produktionslauf mit

103 – 105 Stützpunkten.

Ensembles werden charakterisiert durch die Systemvariablen, die konstant sind

und diejenigen, die durch die Simulation berechnet werden sollen.

In MC verwendet man üblicherweise eine konstante Anzahl Teilchen N, Volumen

V und Temperatur T. → Kanonisches Ensemble

Energie fluktuiert aufgrund des Metropolis-Algorithmus.

Die einfachste MD, die nur die Newtonschen Bewegungsgleichungen löst, nimmt

eine konstante Anzahl Teilchen N, Volumen V und Energie E an. →

Mikrokanonisches Ensemble, wobei die Entropie S ein Maximum annimmt und

die Energie aufgrund der Newtonschen Bewegungsgleichungen konstant bleibt.

Bei Bedarf lassen sich auch andere Ensembles generieren (Thermostat und

Barostat).

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 26

Beziehung zwischen den Ensembles

Die Zustandssumme kann als Summe über die Zustände fester Energie

dargestellt werden: E

EVNETVNQ ,,exp,,

Die Anzahl der Zustände (N,V,E) nimmt sehr rasch mit E zu, wogegen die

Boltzmann-Verteilung sehr rasch mit E abnimmt.

Das Produkt der beiden Funktionen hat daher ein scharfes Maximum bei einem

Wert und das System wird meist eine Energie sehr eng bei diesem Wert haben.

Daher besteht in der Praxis meist kein großer Unterschied zwischen dem

kanonischen und dem mikrokanonischen System.

Aufgrund des Gesetzes der großen Zahlen haben messbare physikalische

Größen sehr kleine Fluktuationen.

Die Abweichungen zwischen den Ensembles werden jedoch größer, je kleiner die

Systeme werden Vorsicht also bei Simulationssystemen!

E

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 27

gebräuchliche statistische Ensembles

Das mikrokanonische Ensemble NVE = konstant

Das kanonische Ensemble NVT = konstant

Das isotherme-isobare Ensemble NPT = konstant

Das großkanonische Ensemble VT = konstant

Das chemische Potenital geht in die Freie Enthalpie ein.

Dies führt dazu, daß ein spontaner Übergang von einer Phase in die

andere nur dann erfolgt, wenn die chemischen Potentiale dieser beiden

Phasen unterschiedlich sind. Im Gleichgewichtsfall sind dann auch die

chemischen Potentiale der beiden Phasen gleich.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 28

Anwendungen

Das mikrokanonische Ensemble NVE = konstant

überprüfe Stabilität von Integrationsalgorithmen,

Erzeugung von „wahrer“ Dynamik (nur in MD-Simulationen möglich)

Das kanonische Ensemble NVT = konstant simuliere Vorgänge unter Druckschwankungen (Monte Carlo Simulationen)

Bei MD-Simulationen im NVT-Ensemble werden Geschwindigkeiten skaliert um

die richtige Temperatur zu erhalten.

Das isotherme-isobare Ensemble NPT = konstant

übliches Ensemble für Simulationen von Biomolekülen (MD-Simuationen)

Das großkanonische Ensemble VT = konstant

Stuchebrukhov-Paper über Zahl der Wassermoleküle in Cytochrome c Oxidase

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 29

Anwendung: identifiziere Wassermoleküle in Proteinen (I)

Kristallstrukturen von Proteinen zeigen

oft nicht die Position interner Wasser-

moleküle, da diese zu mobil sind.

Verwende Computersimulationen um

die „wahre“ Hydratation zu berechnen.

Welches ist das beste Ensemble um

Wassermoleküle in ein Protein zu

positionieren?

Das groß-kanonische Ensemble, da

hier das chemische Potential

konstant ist.

Ref. Tashiro, Stuchebrukhov, J. Phys. Chem. B 109 (2005) 1015.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 30

Anwendung: identifiziere Wassermoleküle in Proteinen (II)

Betrachte Transfer aus dem Lösungsmittel

Wasser ins Proteininnere.

In Lösung besitzt ein Wassermolekül eine

freie Lösungsenthalpie von -12.3 kcal/mol.

Wenn es im Proteininneren eine günstigere

Position findet, dann wird diese im zeitlichen

Mittel mit einem Wasser besetzt sein.

Führe Simulation im semi-großkanonischen

Ensemble durch, wobei während der

Simulation Wassermoleüle in das Protein

hinzugefügt bzw. daraus entfernt werden.

In diesem Fall ist es günstig, die Kavität mit 2

Wassermolekülen zu füllen.

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6. Vorlesung SS 2011 Computational Chemistry 31

Zusammenfassung

Molekülmechanik-Kraftfelder liefern eine sehr effiziente (aber grobe) Darstellung

für die relativen Energien von Molekülen im Konformationsraum.

Das Absuchen des Konformationsraums kann systematisch oder stochastisch

(MC) geschehen.

Die Erfüllung der Detailed balance-Bedingung ist hinreichend und notwendig für

MC- und MD-Simulationen im Gleichgewicht.

In Simulationen können Zwangsbedingungen angewendet werden um das

Sampling zu verbessern bzw. in die gewünschte Richtung zu lenken (umbrella

potential).