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Zeitschrift der Barmherzigen Brüder in Bayern 60. Jahrgang · Oktober 2008 · Internet: www.barmherzige.de

60. Jahrgang · Oktober 2008 · Internet:  · 2010. 3. 29. · Telefonanschluss – damals eine kleine Sensation. Die Empore der Kirche war von den Patientenzimmern aus befahr-bar

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Zeitschrift der Barmherzigen Brüder in Bayern

60. Jahrgang · Oktober 2008 · Internet: www.barmherzige.de

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2 Misericordia 10/08

Thema: Innovation

Eustachius Kugler und Innovation 3

Veränderungen - was geht das mich an? 4

Melanie Huml: Ohne Visionen kein Fortschritt 6

Ambulant Betreutes Wohnen 7

Kooperation mit IMO in Gremsdorf 9 Barmherzige Brüder in Bayern

Reichenbach/WalderbachWohnheim für Menschen mit Autismus 10

StraubingKrankenpflegeschule am Klinikum St. Elisabeth 12

Glückwunsch zum erfolgreichen Examen 13

Reichenbach/Algasing/GremsdorfAktion Rollentausch 14

Algasing/EibachEin Dorf im Ausnahmezustand 16

Wenn es so einfach wäre: Ein Stem-pel - und fertig ist die Innovation! Tatsächlich braucht es viel Kreativi-tät und Ausdauer, um Veränderungs-prozesse in Gang zu setzen und am Laufen zu halten.

RegensburgKrankenhaus fördert Selbsthilfegruppen 18

Bad WörishofenNeues Parkdeck gesegnet 19

Barmherzige Brüder weltweit

Eustachius-Kugler-Altenheim in Kattappana 19

Europäische Regionalkonferenz in Spanien 20

Krankenhaus und Gesundheit

Dr. Adolf Müller operiert Schädelbasis-Tumoren 22

Kirche und Gesellschaft

Straubinger Ärztin in Bangladesch 24

Serie Mitarbeiter und KunstDr. Tobias Lindenmeir und die Makrofotografie 25

Raten und Gewinnen 27

Serie EinrichtungenAltenheim St. Augustin Neuburg 28

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Madeleine Delbrêl hat uns einen bemerkenswerten Satz ge-schenkt: „Wir haben aus dem Leben eine Turnübung gemacht und dabei vergessen, dass es in Gottes Armen getanzt werden will.“

Je älter wir werden, umso mehr wird uns bewusst, was für das ganze Leben gilt: Es ist kurz. Jeder Tag, den wir abschließen, ist für immer abgeschlossen. Keinen einzigen können wir zurückholen und nochmals von vorn beginnen. Alles hat seine bestimmte Stunde, sagt der Prediger im Buch Kohelet, jedes Ding unter dem Himmel hat seine Zeit. Was wir erleben, steht uns nur in der Gegenwart zu, dann ist es endgültig vorbei. Das gilt insbesondere auch für das, was wir genießen können und was wir auch auskosten sollen.

Allzu lange hat man – besonders in der christlichen Tradition – die Freude und den Genuss nicht für besonders wichtig gehalten, ja als gefährlich betrachtet. Zu viel Freude, zu viel Genuss könnten ins Verderben führen. Also freute man sich lieber nur zaghaft oder gar nicht.

Ohne Lebensfreude gibt es keine Innovation und sinkt die Lebensqualität. Sich freuen und genießen ist nicht nur Men-schen vorbehalten, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Menschen mit Behinderung, Kranke und andere, die in unserer Gesellschaft als benachteiligt gelten, wissen oft besser, wie man „Geschmack am Leben“ findet – und wie man schlicht genießen kann, was da ist.

Allzu viel wird uns heute „pfannenfertig“ vorgesetzt – und das gilt nicht nur im kulinarischen Sinn. Was fertig angeboten und geliefert wird, lässt die Kreativität auf der Strecke blei-ben. Mitarbeitern, die nicht mehr experimentieren dürfen und deren Vorschläge im Verwaltungswust untergehen, geht bald die Motivation aus.

Von Eustachius Kugler wissen wir, dass sein Leben von Gott inspiriert war und dass er aus dieser Quelle die Kraft für seine innovativen Ideen gezogen hat. Ob er sein Leben mit Gott im Sinne von Madeleine Delbrêl getanzt hat, wissen wir nicht – aber es ist bekannt, dass er sehr große Freude am Schaf-kopfspiel hatte.

Ihr

Frater Eduard Bauer

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Misericordia 10/08 3Thema: Innovation ·

Frater Eustachius Kugler

Keine Angst vor Innovation – wenn sie dem Menschen dientAls im Dezember 1930 das Frauenkran-kenhaus (anfangs waren die Regensbur-ger Bauten noch in Männer- und Frau-engebäude getrennt) der Barmherzigen Brüder in Regensburg fertig gestellt war, gerieten die Fachleute ins Schwärmen: Es handle sich um eines der modernsten Krankenhäuser Deutschlands und um eine absolut zukunftsweisende Einrich-tung. Licht- und Lufttherapie wurden großgeschrieben: Großflächige Fens-terfronten nach Süden, Balkone und Terrassen sorgten für lichtdurchflutete Zimmer. Schall- und Wärmedämmung waren für den an Walter Gropius und dem Dessauer Bauhaus geschulten Ar-chitekten Albert Boßlet selbstverständ-lich. Und jedes Bett hatte Radio- und Telefonanschluss – damals eine kleine Sensation. Die Empore der Kirche war von den Patientenzimmern aus befahr-bar.

Nur scheinbar altmodisch

Der in seiner Frömmigkeit und seinen Ansichten scheinbar so altmodische Frater Eustachius Kugler, der als Pro-vinzial der Barmherzigen Brüder das Regensburger Millionenprojekt gegen alle Widerstände im Orden und in der Kommunalpolitik durchsetzte, hatte überhaupt keine Scheu, komplett neue Wege zu beschreiten – wenn er von einer Sache überzeugt war.

Die Innovationen nach den Wirren der Nazi-Zeit und des Krieges – damals waren Krankenhäuser und Pflegeheime überall zu Lazaretten umfunktioniert worden – hat er nicht mehr erlebt; Eus-tachius Kugler starb am 10. Juni 1946 im Alter von 79 Jahren. Die letzten noch be-stehenden Krankensäle wurden in Zwei- und Drei-Bett-Zimmer verwandelt. Neueste medizinische Errungenschaften wie Strahlentherapie, Computertomo-graphie, Echokardiographie komplet-

tierten das Angebot, darunter die erste nuklearmedizinische Therapiestation der Oberpfalz. Auch weil hochkompli-zierte und teure neue Fachbereiche wie die Neurochirurgie nicht einfach doppelt angeboten werden konnten, hat man die Trennung in Männer- und Frauenkran-kenhaus längst aufgegeben.

Begeisterter Neuerer

Frater Eustachius hat das nicht mehr erlebt – aber er hätte es bestimmt gut geheißen. Er hatte nichts gegen Inno-vation und war ein begeisterter Neuerer – wenn die Neuerung einen Sinn mach-te. Das heißt, wenn sie dem Menschen diente. Präziser gesagt: Wenn sie dem kranken Menschen diente und seiner Würde. Der ehemalige Generalprior der Barmherzigen Brüder, Pierluigi Marchesi, zitierte vor einigen Jahren in einer Botschaft an den Orden einen afri-kanischen Bischof mit der Forderung: „Wenn es im Krankenhaus einen Herrn gibt, dann muss dies der Kranke sein!“ Was freilich – ernst genommen – das

ganze Geschehen in der Klinik verän-dere: die „unmögliche Zeit der Visiten“ (Marchesi), das Gebaren eines „wie Un-teroffiziere“ auftretenden Pflegeperso-nals, die Aussperrung der Angehörigen, die Arroganz gegenüber dem Kranken, der Aufklärung über seinen Zustand verlange.

Marchesi hätte auch den bayerischen Provinzial Kugler anführen können, der in seiner schlichten Art zu sagen pflegte, man müsse in jedem Kranken Jesus Christus sehen und ihn entsprechend lieben und behandeln. Denn der große Neuerer Eustachius Kugler mit seinem scharfen Blick für notwendige Verände-rungen und lohnende Innovationen blieb dort hartnäckig konservativ, wo es um die geistige Substanz des Ordens ging und um die tiefste Motivation seiner Ar-beit: dem Dienst an den Menschen, weil Gott sie alle als Schwestern und Brüder geschaffen hat und jeden einzelnen un-endlich liebt.

Christian Feldmann

Architektur und Ausstattung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Regensburg galten zum Zeitpunkt der Eröffnung als wegweisend. Diese Aufnahme des „Männerkran-kenhauses“ mit der St. Pius-Kirche (rechts) entstand offenbar 1929 unmittelbar nach der Fertigstellung.

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4 Misericordia 10/08 · Thema: Innovation

Professor Manfred Schlund beleuchtet Innovationsprozesse

Veränderungen – was geht das mich an?

Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen“. Und wie steht es mit Ihrer ganz persönlichen Einstellung zu Veränderung oder Wandel?

Veränderungen können allgemein be-schrieben werden als tiefgreifender Wandel, der als langfristig angelegter Prozess mit vielen Chancen und Ri-siken, das heißt mit Entdeckungs- und Lernprozessen, mit Irrtumsrisiken, mit Widerständen und Hürden verbunden sein kann. Je nachdem, welche Haltung man persönlich zu Veränderungen ein-nimmt, können sie einmal zur Bedro-hung, Belastung oder Überforderung werden, auf der anderen Seite zu einer Ungeduld führen, wenn einem die Ver-änderungen nicht schnell genug voran-schreiten, weil beispielsweise dem ei-genen Veränderungswillen Widerstände entgegengebracht werden.

Alles in allem deutet vieles darauf hin, dass es sich bei der inneren Haltung zu Veränderungen um ein stabiles Persön-lichkeitsmerkmal des Menschen handelt, welches sich im Verlauf der Lebensge-

schichte formt und sich dann in einem sehr stabilen Muster in verschiedenen Situationen des Lebens als Grundgefühl, zum Beispiel in Veränderungsmotivati-on oder in Veränderungsängsten, zeigt.

Wozu hilft uns diese Erkenntnis? Es geht immer darum, seine persönliche Einstel-lung zu Veränderungen bei konkreten Anlässen zu reflektieren, um mit selbst gesetzten oder von außen auferlegten Veränderungen konstruktiv umgehen und die damit verbundenen Herausfor-derungen ohne größere Folgewirkungen für die eigene Person bewältigen zu kön-nen.

Erwartete Vor- und Nachteile

Eng mit der Einstellung verbunden ist die Einschätzung der erwarteten persön-lichen Vor- oder/und Nachteile. Diese

Symbol für Veränderung: Windkraftanlagen

beeinflusst die Einstellung zu einer spe-zifischen Veränderung und damit das je-weilige Verhalten: aktiv und anpackend, abwartend bis ablehnend oder mittels Gegenreaktionen.

Die verschiedenen Reaktionen können aber gleichzeitig unangemessene Ver-haltensweisen darstellen: zum einen, weil schnelles Eingehen auf Verände-rungen zu hastig und unreflektiert sein kann und die Auswirkungen nachher fatale Folgen für die Menschen bein-halten können; zum anderen können unüberlegte Ablehnung bis Widerstand gegen die Veränderung (zum Beispiel aus traditioneller oder konservativer Haltung des Bewahrens heraus) das Versagen möglicher Chancen bedeuten - dass sich etwas zu einem zufriedenstel-lenderen Zustand für mich und andere wenden kann.

Egal woher die persönliche Einstellung und das Verhalten zu einer Verände-rung auch immer resultieren mögen, ich muss im Einzelfall eine Antwort auf die

Dr. Manfred Schlund ist Professor für Sozialmanagement an der Staatlichen Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heidenheim a.d. Brenz.

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Misericordia 10/08 5Thema: Innovation ·

spezifische Situation finden, die mei-nen Standpunkt deutlich werden lässt. Was hinzukommen muss, ist neben der persönlichen Klärung des eigenen Standpunktes dann auch die Auseinan-dersetzung mit anderen noch vorhande-nen Standpunkten, um daraus eine neue gemeinsame Position zum Umgang mit der konkreten Veränderung zu finden.

Frühzeitiges Einbeziehen der Betroffenen

Viele praktische und theoretische Er-kenntnisse zeigen, dass es vor allem die unzureichende Einbeziehung der Menschen in die Veränderungen ist, die sie „vor vollendete Tatsachen und Beschlüsse stellt“ und nur noch zu „Um-setzern“ der beschlossenen Sache degra-diert. Das erklärt auch das Widerstands-potenzial, das in solchen von „oben auferlegten Veränderungen“ liegt. Die Verantwortlichen dieser Veränderungs-umsetzung haben dann alle Hände voll zu tun, der Veränderung mittels Einsatz von „Machtmitteln“ zum Erfolg zu ver-helfen. Hier liegt ein hoher Aufwand im Bearbeiten der „Widerstandsnester“.

Bezieht man allerdings durch umfas-sende und offene Information alle Be-troffenen frühzeitig in die Veränderung ein und macht sie – wie das Sprichwort lautet – zu Beteiligten, dann hat man zwar einen höheren Aufwand zu Beginn des Veränderungsweges, erzielt aber im Ergebnis eine wirkungsvollere Umset-zung. Allerdings geht man hier gemein-same Entwicklungs- und Lernprozesse zwischen Verantwortlichen und Beteilig-ten ein, deren Inhalt und Ausgang offen ist. Man bezieht die Experten direkt in die Veränderungsprozesse ein und hat als Verantwortlicher eine moderierende Funktion.

Keine Selbsläufer

Was folgern wir aus dem Bisherigen? Veränderungen, egal in welche Rich-tung sie gehen und welchen Inhalt sie haben, sind zunächst einmal weder gut noch schlecht. Die Bewertung findet je nach Voreinstellung und Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der von der Veränderung Betroffenen statt und prägt auch deren späteren Umgang mit dieser Veränderung. In dieser Phase muss die

Betreuung am intensivsten sein, was in der Praxis immer wieder verkannt wird, weil viele der irrtümlichen Meinung sind, dass eine einmal beschlossene und verkündete Veränderung sich als Selbstläufer entwickelt.

Die Erfahrung lehrt uns, dass viele Ver-änderungen oft nicht den Erfolg einbrin-gen, den man von ihnen erwartet oder der mit mehr oder weniger seriösen Me-thoden ermittelt worden ist. Hier muss eine realistische Erwartung greifen und die Grenzen des Erreichbaren verdeut-lichen. Außerdem muss der Lern- und Entwicklungs- oder Reifeprozess als sozialer Prozess die Schwankungsdy-namik einer Veränderung als Erkenntnis in das Wissen über Veränderung einbe-ziehen.

Sich als Gestaltende erfahren

Wer aus diesen gedämpften Erfahrungen über Veränderungsverläufe den vorläu-figen Schluss zieht, Veränderungen erst einmal beiseite zu schieben oder ab-zuwarten, der wird von einer anderen Realität eingeholt. Es geht darum, die manchmal sehr undeutlichen Signale der Umwelt oder die inneren, menschlich-instinktiven Vorahnungen aufzugreifen, mit mehr Informationen deutlicher wer-den zu lassen und Möglichkeitsräume

und Gestaltungsspielräume für den Menschen auszuloten. In diesem Fall kommt das sehr wichtige Gefühl auf, sich als Gestalter einer Veränderung zu erleben und so Kontrolle über alte und neue Situationen des persönlichen und beruflichen Lebens auszuüben.

Nicht vergessen werden darf aber auch die Sicherung des persönlichen Grundge-fühls „Vertrauen in die eigene Zukunft“, also Zuversicht in die Fähigkeiten zu ha-ben, das sich verändernde Leben – auch ohne viel eigenes Hinzutun – zu bewäl-tigen und dabei natürlich auch auf ein Quantum Glück und Gottvertrauen zu hoffen, dass mir in Momenten eigener Unsicherheit von dritter Seite eine Brü-cke in die Zukunft gebaut wird.

Eines dürfte klar geworden sein: „Wir wissen nicht immer, ob es besser wird, wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden“ – so ein Ausspruch des Physikers Lichtenberg. Folglich muss uns stets bewusst bleiben, dass Verän-derungen immer eng mit dem eigenen Leben verbunden sind und diese Verän-derungen zu meistern die menschliche Herausforderung schlechthin darstellt. Das scheint zum menschlichen Dasein zu gehören: ob es zur göttlichen Bestim-mung zählt, würde eine neue Debatte erzwingen, die an dieser Stelle nicht geführt werden kann.

Nebenbei bemerkt

Fortschritt zum Wohl der Menschen?

Es gehört zu den Traditionen des Ordens der Barmherzigen Brüder, dem Fortschritt gegenüber aufgeschlossen zu sein. Nämlich dann, wenn er dem Wohl der Menschen dient. Und so hat Johannes von Gott im 16. Jahrhundert einen völlig neuen Umgang mit Kranken etabliert, hat Eustachius Kugler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert in Regensburg ein hochmodernes Krankenhaus bauen lassen und hat Pierluigi Marchesi als Generalprior der Barmherzigen Brüder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Humanisierung, einer Vermenschlichung des Krankenhauses aufgerufen. Heute, in einer noch unübersichtlicher gewordenen Welt, ist es nicht immer einfach zu erkennen, welches denn nun der Fortschritt ist, der den Menschen dient. Viele haben zum Beispiel die menschliche Begleitung Schwerstkranker und Sterbender auf ihre Fahnen geschrieben, aber nicht alle erkennen, dass nur Palliativmedizin und Hospizarbeit dieses Versprechen wirklich einlösen und nicht Sterbehilfe-Organisationen wie „Dignitas“.

Johann Singhartinger

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6 Misericordia 10/08 · Thema: Innovation

„Ohne Visionen gibt es keinen Fortschritt“Ich vertrete die Auffassung, dass wir uns auch heute sehr wohl Visionen leisten können und uns diese auch leisten müs-sen. Denn ohne Visionen gibt es keinen Fortschritt. Aber nur mit Innovationen können wir adäquat auf die Herausforde-rungen im Gesundheitswesen reagieren, mit denen wir momentan konfrontiert sind. Andererseits müssen wir aber auch darauf achten, dass bereits bestehende Strukturen nicht zerstört, sondern viel-mehr sanft an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.

Herausforderungen

Wir stehen derzeit vor wichtigen Wei-chenstellungen im Gesundheitswesen. Insbesondere brauchen wir eine Antwort darauf, dass die Menschen immer älter werden und infolgedessen einen höheren Behandlungsbedarf haben. Zudem muss die Versorgung der ländlichen Gebiete sichergestellt werden, die von Nach-wuchsmangel bei Ärzten und Angehöri-gen anderer Gesundheitsberufe bedroht

Sozial-Staatssekretärin Melanie Huml über die Entwicklung neuer Strukturen im Gesundheitswesen

sind. Und gleichzeitig muss gewährleis-tet sein, dass die Gesundheitsleistungen für alle bezahlbar bleiben. Nicht zuletzt macht die Globalisierung und Europäi-sierung auch vor dem Gesundheitswe-sen nicht halt. Patienten nehmen Ge-sundheitsleistungen zunehmend auch in anderen Staaten in Anspruch, da sich die nationalen Gesundheitssysteme hin-sichtlich der rechtlichen Gegebenheiten, der Qualität und der Kosten teilweise deutlich unterscheiden. All diesen An-forderungen können wir nur gerecht werden, wenn wir innovativ sind. Wir müssen die Anpassung der Strukturen unseres Gesundheitswesens unterstüt-zen und Innovationen vorantreiben.

Bayern investiert deshalb mit dem neuen Technologieförderprogramm BayernFIT in medizinische Forschung (beispiels-weise die Demenz- und Altersforschung, die Erforschung von Tumor- und Stoff-wechselerkrankungen oder die Entwick-lung von Technologien für die Onkolo-gie), bündelt die Vermarktungsstrategien

in den Bereichen Medizin, Technologie und Gesundheit und unterstützt regio-nale Gesundheitscluster.

Zukunftsprojekte

Darüber hinaus haben wir in Bayern – und damit waren wir das erste unter den Bundesländern – erkannt, dass die Tele-medizin ein großes Potential birgt, und investieren seit 1995 in solche Projekte, wie zum Beispiel TEMPiS und STENO zur Verbesserung der Schlaganfallver-sorgung in Südost- bzw. Nordbayern oder RoBIn (Rosenheimer Betreuungs-netz per Internet), die Entwicklung eines einfach zu bedienenden Notrufsystems zur Versorgung kranker und behinderter Menschen im häuslichen Bereich. Mit dem Einsatz modernster Informations- und Kommunikationstechnologie sollen die Ärzte von Dokumentationsaufwand entlastet werden und soll die Qualität ih-rer Leistungen verbessert werden. Auch weiterhin muss darauf gesetzt werden, solche Techniken zu standardisieren und

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Misericordia 10/08 7Thema: Innovation ·

Ambulant Betreutes Wohnen (ABW) – ein innovatives Angebot der Barmherzigen Brüder Reichenbach

Alternative zum Wohnheim oder Elternhaus

Roland Böck, seit 1. Juni Gesamtleiter bei den Barmher-zigen Brüdern in Reichenbach, sieht im Ambulant Betreu-ten Wohnen enorme Möglichkeiten, Menschen mit Behinde-rung zu begleiten. Aspekte wie Selbständigkeit und Selbst-bestimmung ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch seine Argumentation.

dadurch die Qualität der Patientenver-sorgung zu erhöhen.

Vernetzung

Ein gutes Beispiel für die Entwicklung innovativer Strukturen in unserem Ge-sundheitswesen sind meines Erachtens die entstandenen neuen Kooperations-formen zwischen den Leistungserbrin-gern des Gesundheitswesens. Diese ha-ben erkannt, dass sie dem zunehmenden Konkurrenzdruck durch Vernetzung besser standhalten können. Für die Patienten bietet dies den Vorteil, dass die Behandlungsabläufe und somit die Versorgungsqualität optimiert werden können. Sie profitieren von einem ver-besserten Informationsaustausch der Ärzte untereinander und einer intensiven Zusammenarbeit mit Krankenhäusern, Pflegediensten, sozialen Einrichtungen und den Krankenkassen.

Häufig findet im Rahmen der Zusam-

menarbeit auch ein strenges Qualitäts-management Anwendung. Ich denke hier insbesondere an die in letzter Zeit entstandenen Ärztenetze. Jedoch ist darauf zu achten, dass die neuen Ver-sorgungsformen nicht dazu führen, dass medizinische Aspekte durch ökono-mische Aspekte überlagert werden. So sehe ich die Tendenz, dass mittlerweile verstärkt Finanzinvestoren in den am-bulanten Bereich vordringen, kritisch. Meines Erachtens sollte die Regelver-sorgung der bayerischen Patienten nach wie vor durch niedergelassene Ärzte erbracht werden, die im Rahmen ihrer freiberuflichen Tätigkeit verstärkt mit anderen Ärzten und Angehörigen wei-terer Gesundheitsberufe kooperieren.

Visionär ist insbesondere auch die der-zeitige Debatte über die Einbeziehung nichtärztlicher Gesundheitsberufe in die Versorgung der Patienten. Es wird darüber gesprochen, ob es sinnvoll und geboten ist, bestimmte derzeit noch von

Ärzten durchgeführte Tätigkeiten auf nichtärztliches Personal zu delegieren oder zu übertragen und damit die Ärzte zu entlasten. In anderen Bundesländern wurden hierzu bereits Modellprojekte durchgeführt (Stichwort „Gemeinde-schwester“). Ich halte diese Debatte für wichtig und notwendig, warne aber vor Schnellschüssen. Es sollten die sich hieraus ergebenden – zum Beispiel haf-tungsrechtlichen Konsequenzen geprüft und die Diskussion in den Fachkreisen abgewartet werden, bevor die derzei-tige bewährte Aufgabenverteilung zwi-schen den Gesundheitsberufen aufgege-ben wird. Außerdem spreche ich mich nachdrücklich dafür aus, dass originäre ärztliche Tätigkeiten auch weiterhin nur von Ärzten ausgeführt werden.

Die gebürtige Bambergerin und appro-bierte Ärztin Melanie Huml (33) ist seit einem Jahr Staatssekretärin im Baye-rischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.

Ambulante Hilfen ermöglichen es einem Menschen mit Behinderung, in seiner eigenen Wohnung zu bleiben, in eine eigene Wohnung oder selbstgewählte Wohngemeinschaft zu ziehen und dort ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Es geht dabei um Chancen-gleichheit für Menschen mit und ohne Behinderung. Die eigene Wohnung im selbstgewählten Umfeld gehört dazu, die Abnabelung vom Elternhaus wird begleitet und deutlich erleichtert.

Und was man dabei in jedem Fall be-denken muss: Ambulante Leistungen haben auch nach dem Willen des So-zialgesetzes Vorrang vor stationären und teilstationären Angeboten – nicht zuletzt, weil sich die Kostenträger hier auch in dem einen oder anderen Fall ei-ne gewisse Ersparnis im Vergleich zum Wohnheim erhoffen. Unterm Strich heißt das eigentlich, dass dieses inno-vative Angebot mehr als notwenig ist und bleiben wird.

Eines ist klar: Nicht jeder Mensch, der mit einer Behinderung lebt, wird es schaffen oder wollen, allein oder in einer kleinen Wohngemeinschaft mit geringen ambulanten Hilfen zu leben, mit der logischen Konsequenz, dass die stationären Angebote auch in Zukunft notwendig bleiben. Es geht hier um kein „entweder / oder“, sondern um ein „so-wohl / als auch“. Träger von großen Ein-richtungen sind deswegen gefordert, ihr Angebot um ambulant betreute Wohn-formen zu ergänzen, um eine individu-ell notwendige, flexible und passgenaue Betreuung anbieten zu können. Für uns muss es selbstverständlich sein, dass die Interessen und das Wohl der Betroffenen an erster Stelle stehen.

Fortsetzung auf Seite 8

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8 Misericordia 10/08 · Thema: Innovation

Die Einrichtung der Barmherzigen Brü-der in Reichenbach hat diesen Weg früh-zeitig beschritten und kann in den Land-kreisen Cham, Regensburg und Schwan-dorf seit Anfang 2008 mit dem Konzept Ambulant Betreutes Wohnen (ABW) ein zusätzliches und interessantes Angebot machen. Dabei ist es unerheblich, an welchem Ort die betroffenen Menschen leben bzw. leben wollen und ob sie nun bei uns in Reichenbach oder bei einem anderen Träger die Werkstatt für behin-derte Menschen besuchen oder gegebe-nenfalls auch schon in Rente sind.

Bisher sechs Betreute

Vier Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtung ist es in den vergan-genen sechs Monaten bereits gelungen, aus der stationären Betreuung in Rei-chenbach in eine eigene Wohnung zu ziehen. Zwei weitere Personen aus der Region, die bei anderen Werkstätten be-schäftigt sind, werden ebenfalls bereits im ABW betreut.

In den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten soll bei fünf weiteren Heim-bewohnern überprüft werden, ob das Ambulant Betreute Wohnen eine Alter-native zur stationären Heimversorgung sein kann. Hinzu kommen aktuell zwei weitere Personen, die bisher nicht von den „Reichenbachern“ betreut wurden, für die Anträge auf Leistungen des ABW gestellt sind.

Kurz gesagt: Hier ist ein Wachstums-feld, das es aus pädagogischen und öko-nomischen Gründen zu besetzen gilt. Mit derzeit sechs betreuten Personen ist das ABW zwar noch ein Randbereich unserer Leistungen, trotzdem sind die Barmherzigen Brüder in Reichenbach damit aktuell der größte Träger dieses Angebots für geistig behinderte Men-schen in der Oberpfalz.

Weitere potentielle Kunden ansprechen

Unser Ziel ist klar: Wir sind in jedem Fall bemüht, in den kommenden Mo-naten und Jahren weitere potentielle externe Kunden anzusprechen, für die das Ambulant Betreute Wohnen eine

Alternative zum Wohnheim oder eben auch zum Wohnen bei den Eltern sein kann.

Bestätigt sehen wir uns in den Reakti-onen einer Betroffenen wie Rita Bauer, die sagt: „Vieles ist anders, vieles ist

Wir gratulierenzum 75. Geburtstag am 1. OktoberFrater Wenzeslaus Mages, Reichenbach

Ambulant Betreutes Wohnen: ein Schlüssel zu mehr Selbständigkeit.

Fortsetzung von Seite 7

neu, aber den Schritt zu mehr Selbststän-digkeit bereue ich nicht.“ Anfängliche Schwierigkeiten – etwa: Wie bediene ich den Bankautomaten? – lassen sich schnell lösen und man merkt, wie wich-tig die „persönliche Assistenz“ ist.

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Misericordia 10/08 9Thema: Innovation ·

Zukunftsweisende Kooperation in Gremsdorf

Die Firma IMO ist einer der welt-weit führenden Hersteller von Großwälzlagern und einbaufer-

tigen Getriebesystembaugruppen. Die Firma hat ihren Sitz in Gremsdorf. Und so entstand eine zukunftsweisende Zu-sammenarbeit mit der Benedikt Men-ni-Werkstatt der Barmherzigen Brüder. Seit 1. April fertigen Beschäftigte der Behindertenwerkstatt Paletten bis zu einer Größe von zwanzig Quadratme-tern in einer 100 mal 25 Meter großen Fertigungshalle, die von den Barmher-zigen Brüdern erworben wurde. 2300 Kubikmeter Holz und 500.000 Schrau-ben werden pro Jahr verarbeitet.

Die Gremsdorfer haben damit einen in ganz Bayern bisher einmaligen Weg ein-geschlagen. Möglich wurde dies, weil der Bezirk Mittelfranken zum einen den Kauf einer weiteren Produktionshalle förderte und zum anderen der Aufsto-ckung der Beschäftigten auf 200 zu-stimmte. So entstehen 50 neue Arbeits-plätze für behinderte Menschen. Für die Firma IMO ist von Vorteil, dass keine Transportwege anfallen und der eigene Lagerbestand stark verringert und da-durch besser „just in time“ produziert werden kann.

Johannes Salomon/js

IMO-Geschäftsführer Erich Ruß im Gespräch mit dem Gremsdorfer

Gesamtleiter Günther Allinger

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10 Misericordia 10/08 · Barmherzige Brüder in Bayern

Geborgenheit und Vertrautheit in einem„Darauf haben wir uns schon so ge-freut“, strahlt Ernestine Namislo von der Elternver einigung autismus Re-gensburg e.V., Regionalverband zur Förderung von Menschen mit Autismus

Am 7. Oktober erhält in Walderbach das Wohnheim für Menschen mit Autismus mit Platz für 18 junge Menschen den kirchlichen Segen

(siehe Kasten auf Seite 11). Ihr Sohn Philipp ist einer der neuen Bewohner im Walderbacher Wohnheim für Men-schen mit Autismus. Umzugskartons in allen Größen trafen in den Augusttagen

in Walderbach ein und stapelten sich in den verschiedenen Räumen.

„Die Plätze haben hier in der Region einfach gefehlt“, verdeutlicht Erich Höcherl, Pädagogischer Leiter in der Reichenbacher Einrichtung für Men-schen mit Behinderung. Darauf hat nach seinen Worten der Orden der Barmher-zigen Brüder prompt reagiert: Nur mit Eigenmitteln und einer Unterstützung von 350.000 Euro durch Aktion Mensch wurde das rund 2,5 Millionen Euro teure Projekt umgesetzt. 18 Wohnplätze, aufgeteilt in zwei Haushälften, sind so entstanden, vorgesehen für erwachsene Menschen mit Autismus. „Die Betrof-fenen benötigen ganz besonders eine räumliche, zeitliche und handlungsbe-zogene Strukturierung“, erläutert Hö-cherl und deswegen habe man bei der Gestaltung der Gemeinschaftsräume und der Einzelzimmer den spezifischen Grundbedürfnissen der neuen Bewohner Rechnung getragen.

Flexibel und orientiert an der Nachfra-ge der Angehörigen gestaltet sich die Platzvergabe: Zwölf stehen für eine voll stationäre Wohnform zur Verfügung, vier für das Fünf-Tage-Wohnheim sowie zwei Plätze für Kurzzeitunterbrin gung. Freundlich und hell sind die Räume, ei-ne Terrasse und ein großer Garten mit Südlage bieten einen herrlichen Blick ins Regental. „Es ist uns wichtig, dass wir zum einen ein Gefühl von Gebor-genheit und Zuhause vermitteln, zum anderen aber auch unbedingt Ruhe und vor allem Rückzug zulassen“, ergänzt der Pädagogische Leiter. Groß zügige Ge-meinschafts räume, stabile Holzmöbel und warme Erdfar ben tragen dazu bei, weil sie erkennbare Struktu ren zulassen und Sicherheit sowie ein wohliges Wohn-ge fühl schaffen.

Der Einweihung am 7. Oktober steht also nichts im Wege. Und die neuen Bewoh-ner, die bereits Mitte August und Anfang September eingezogen sind, haben sich bis dahin sicher schon eingelebt.

Michaela Matejka

Blick in einen Gemeinschaftsraum (links) und in ein Bewohnerzimmer (rechts, Seite 11)

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Misericordia 10/08 11Barmherzige Brüder in Bayern ·

Eine Mutter erzählt

„Wir atmen auf und sind dankbar“Die Wohnheimfertigstellung bedeutet für mich: Aufatmen, Dankbarkeit, Vertrauen und Loslassen. Ein Abschied ist natürlich auch immer mit Wehmut verbunden. Dieser hält sich jedoch in Grenzen, da wir überzeugt sind, dass es Philipp im neuen Wohnheim gefallen wird. Als wir beim Sommerfest mit ihm in die neue Wohnung gingen, ihm sein Zimmer zeigten, legte er sich gleich mit voller Länge ins Bett und räkelte sich. Schöner konnte er es uns nicht zeigen. Auch als er im Wohnzimmer gleich seinen Platz auf der Couch fand und zufrieden und freudig dasaß, da wussten wir: Es ist die Zeit gekommen, die „Kinder“ ein Leben außerhalb der geschützten Familie neu beginnen zu lassen.

Durch die Familie geht erst mal ein großer Erleichterungsseufzer, waren doch die 27 Jahre alles andere als leicht – für jeden. Jeder seiner Brüder, die an den Wochenenden nach Hause kommen, muss sich mit den Gegebenheiten erst wieder vertraut machen, sich daran gewöhnen. Sein Lautieren, sein Klopfen, sein „Kruscheln“, wie wir es nennen, kann einen schon nerven. Andererseits sind sie gerne bereit, Philipp für einige Zeit zu betreuen. Und irgendwie wird er uns anfangs mit Sicherheit fehlen ...

Die Wochenenden lassen uns hoffen, nicht allzu sehr unter „Entzugserschei-nungen“ zu leiden. Das kann ich mir allerdings nicht mehr vorstellen, die Zeit ist einfach reif und wir haben hoffentlich noch eine ruhige und auf uns besonnene Zeit vor uns.

Ernestine Namislo

ZuversichtlichesTeam Die letzten Monate waren für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wohngruppe Christophorus eine große Herausforderung: Schließlich galt es, vielerlei Überlegungen hinsichtlich des neuen Wohnheimes in Walderbach anzu-stellen, um den individuellen Anforde-rungen der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner gerecht zu werden. Bau-liche Gegebenheiten, die pädagogische Konzeption und natürlich auch ganz praktische hauswirtschaftliche Grund-gedanken sollen ja möglichst Hand in Hand gehen. Dass dabei oft kritisch dis-kutiert wurde und nicht immer gleich Konsens zwischen den Mitarbeitern herrschte, ist bei so einem Projekt durchaus als positiv anzusehen, denn es zeigt ja, dass sich jeder Gedanken macht. Trotz der oft unterschiedlichen Meinungen sind sich doch alle darüber einig: Nur gemeinsam lässt sich so ein Projekt bewältigen. Doch unterm Strich ist wichtig hervorzuheben, dass bei allen der gleiche Enthusiasmus herrscht.

Ganz unterschiedliche Wege mussten wir bei den Vorbereitungen der zukünf-tigen Bewohnerinnen und Bewohner ge-hen. Natürlich immer in enger Abspra-che zwischen Eltern, Förderstätte und Wohngruppe, denn schließlich ist der be-vorstehende Umzug ein entscheidender Schritt für diese jungen Menschen. Es war uns freilich klar, dass nicht jeder die Nachricht in gleicher Weise aufnimmt. Langsame Anbahnung und vorsichtiges Herantasten waren dabei meist am hilf-

reichsten, um eine positive Assoziation mit dem neuen Wohnheim in Gang zu setzen. - Im September begann nun also für Bewohner, Eltern und Mitarbeiter ein neuer Abschnitt im Leben. Da jedoch al-le an einem Strang ziehen und die letzten

fünf Jahre auf Wohngruppe Christopho-rus einen sehr großen Erfahrungsschatz bieten, können wir alle zuversichtlich in die gemeinsame Zukunft blicken.

Josef Schmid, Teamleiter

Ernestine Namislo mit ihrem Sohn Philipp in

dessen neuem Zimmer

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12 Misericordia 10/08 · Barmherzige Brüder in Bayern

Schulleiter Eduard Kriegl über die Krankenpflegeausbildung am Klinikum St. Elisabeth Straubing

Fit in Theorie und PraxisHistorisch betrachtet hat die Berufsfach-schule für Krankenpflege am Klinikum St. Elisabeth Straubing zwei starke Wurzeln, die den Baum der Pflegeaus-bildung bis in die heutigen Tage ernährt und maßgeblich geprägt haben. Da war zum einen der Orden der Elisabethinen mit dem früheren „Frauenkrankenhaus“ und zum anderen der Orden der Barm-herzigen Brüder mit dem „Männer-krankenhaus“. In beiden Häusern wur-den bis in die 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts an der jeweiligen Schule Krankenschwestern oder Krankenpfle-ger ausgebildet.

Bereits 1920 wird die Krankenpflege-schule am damaligen Krankenhaus der Elisabethinen in Azlburg in einem Re-gister der Regierung von Niederbayern als „staatlich anerkannte Krankenpfle-

geschule“ genannt. In den Gründer-jahren bis etwa 1945 wurde nur Or-densnachwuchs in der Krankenpflege ausgebildet. Die Öffnung für „freie“ Schwesternschülerinnen in den 50iger Jahren, war für viele junge Frauen die Chance, einen ordentlichen Beruf in der Pflege zu erlernen.

Nach Aufgabe des Männerkranken-hauses durch die Barmherzigen Brüder wurden beide Krankenhäuser unter der Leitung des Ordens der Elisabethinen zusammengeführt und die Ausbildung der Pflegekräfte unter dem Dach der 1975 gegründeten Elisabeth Kranken-haus GmbH weiterentwickelt, übrigens die erste GmbH dieser Art deutschland-weit.

Junge Frauen und Männer lernten fort-an gemeinsam den Beruf der Kranken-schwester und des Krankenpflegers; eine Bereicherung nicht nur hinsichtlich der notwendigen Erweiterung der Pflege-fachlichkeit über Geschlechtergrenzen hinweg. Bis 1992 lag die Leitung der

Krankenpflegeschule in der Hand von Ordensschwestern. Viele Pflegekräfte können sich noch an die damalige Schul-leiterin Schwester Walburga erinnern zusammen mit der heute noch an der Schule tätigen Schwester Rita.

Aktuelle Ausbildungssituation

Die Mehrzahl der ausgewählten Schü-lerinnen und Schüler kommen aus der Stadt Straubing und dem Landkreis Straubing-Bogen. Gute Erfahrungen machte die Schule auch mit Bewerbern aus anderen Bundesländern, insbesonde-re aus Ostdeutschland oder aus Ländern mit muslimischer Religionszugehörig-keit. Insbesondere letztere waren und sind eine Bereicherung für die Schule und den Klinikbetrieb, da diese Schüler häufig sprachlich und kulturell Brücken zu Patienten mit Migrationshintergrund schlagen können - gerade in der medi-zinischen Versorgung und pflegerischen Betreuung ein wertvoller Beitrag un-serer Schüler.

Das Kollegium (von rechts): Raphaela Wild, Lothar Guggenthaler, Eduard Kriegl (Schulleiter), Gerhard Grader, Schwester M. Rita Hammermüller und Emmi Schmid-gunst (Sekretariat)

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Misericordia 10/08 13Barmherzige Brüder in Bayern ·

Herzlichen Glückwunsch zum bestandenen Examen!Ende Juli haben an den Fachschulen für Heilerziehungspflege der Barmher-zigen Brüder in Bayern 82 Studierende die dreijährige Ausbildung zum/zur Heilerziehungspfleger/in mit Erfolg abgeschlossen (das sind sechs mehr als im Vorjahr): in Gremsdorf 29 (8 externe), in Reichenbach 24 (6 externe), in Straubing 29 (10 externe). In Gremsdorf werden 8, in Reichenbach 13 und in Straubing 8 Absolventen weiter beschäftigt. – 8 Schülerinnen und Schüler aus Algasing haben ebenfalls die dreijährige Ausbildung in Altenhohenau mit Erfolg beendet und werden von der Einrichtung übernommen.

Die einjährige Ausbildung - Heilerziehungspflegehilfe – wurde in diesem Jahr in Straubing wieder angeboten: 23 (fünf externe) haben die Ausbildung erfolgreich absolviert. Aus Gremsdorf haben 3 Schüler an einer benachbarten Fachschule die einjährige Ausbildung geschafft, aus Algasing 4.

Bereits im Frühjahr konnten sich 20 Schülerinnen und 5 Schüler der Be-rufsfachschule für Krankenpflege am Klinikum St. Elisabeth in Straubing nach drei Jahren über einen erfolgreichen Abschluss als Gesundheits- und Krankenpfleger/innen freuen, 5 von ihnen arbeiten weiter im Haus. Erstmals konnten in Straubing dann Anfang September auch 24 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihr Abschlusszeugnis in Händen halten – damit ist eine besondere Herausforderung für das gesamte Krankenhauspersonal mit Bravour bewältigt worden.

Ebenfalls Anfang September war es an den Berufsfachschulen in München und Regensburg so weit: An der „Berufsfachschule für Krankenpflege Drit-ter Orden und Barmherzige Brüder“ haben 32 Schülerinnen und 6 Schüler die Prüfungen bestanden, 10 von ihnen werden künftig im Krankenhaus Barmherzige Brüder, elf im Klinikum Dritter Orden beschäftigt sein. In Regensburg freuten sich 20 Schülerinnen und 5 Schüler (darunter ein Barm-herziger Bruder) über ihren Krankenpflege-Abschluss, 23 von ihnen werden im Haus bleiben. In der Kinderkrankenpflege, die ebenfalls in Regensburg gelehrt wird, haben 14 Frauen und 1 Mann das Examen bestanden – 6 werden übernommen, 1 Schülerin in München. js

Heute werden durchschnittlich 74 bis 78 Schülerinnen und Schüler in mo-dernen, mit allen notwendigen Medien ausgestatteten Schulräumen ausgebil-det. So verfügt die Schule über zwei Klassenräume, einen gut ausgestatte-ten Übungsraum, einen EDV-Raum mit Laptops und Internet-Zugang, eine gut sortierte Fachbibliothek und einen Gruppenraum.

Das Klinikum gehört mit der Berufs-fachschule für Krankenpflege zu den großen Berufsausbildern weit über die Stadtgrenzen hinaus und hat ent-sprechend Bedeutung für die gesamte Region hinsichtlich der Qualifizierung von Pflegekräften, auch für umliegende Krankenhäuser, ambulante Pflegediens-te und Altenheime.

Ausbildungsstruktur

Die theoretische Ausbildung wird in Form von Schulblockphasen und Stu-dientagen durchgeführt. Diese Misch-form hat sich sehr bewährt. Die Auszu-bildenden werden nicht durch zu lange Schulblöcke mit theoretischen Inhalten überfrachtet und einmal ausgefallener Unterricht während dieser Zeit kann zum Beispiel an Studientagen nachge-holt werden.

An der Schule unterrichten sechs haupt-berufliche Lehrkräfte, wobei zwei davon Teilzeitkräfte sind. Ärzte aus allen Fach-bereichen unterstützen und begleiten die Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler. Dabei finden die neuen Denk-ansätze der Bayerischen Lehrplan-richtlinie für die Berufsfachschule für Krankenpflege Eingang, soweit es die Rahmenbedingungen der Schule und des Klinikums zulassen.

Ein wichtiger Baustein der Ausbildung ist die Ausgestaltung der praktischen Ausbildung. Laut Krankenpflegegesetz von 2004 müssen entsprechend ausge-bildete Praxisanleiterinnen und –anleiter vorgehalten werden. Im ersten Durch-gang wurden über die Innerbetriebliche Fortbildung des Klinikums 16 Praxis-anleiter entsprechend der Vorgaben qualifiziert. Ein weiterer Kurs läuft zur Zeit.

Gemeinsam mit der Geschäftsführung,

der Pflegedirektion und der Schullei-tung wurde eine Struktur für die prak-tische Ausbildung geschaffen, die sich im Nachhinein als wichtig und richtig erwiesen hat. Aufgrund immer knapper werdender Personalressourcen ist ein klar strukturierter Ausbildungsrahmen wichtiger denn je. So hat jeder Praxis-anleiter die Möglichkeit, einmal pro Woche ganztägig außerhalb der Pati-entenversorgung eine Schülergruppe anzuleiten.

Hierbei spielen in der Regel komplexere Lernsituationen eine wichtige Rolle mit dem Ziel, zum Beispiel Pflege im Kontext medizinisch-therapeutischer oder physiotherapeutischer Ansätze zu planen und durchzuführen. Diese soge-

nannten PX-Tage bieten Zeit und Raum für Fragen, Übungen und Reflexionen, die sich beim „learning by doing”-Kon-zept aufgrund von Zeitdruck nicht ent-falten können.

Ausblick

Orientiert man sich an der demogra-phischen Entwicklung, ist dem Beruf „Gesundheits- und Krankenschwester“ eine gute Zukunft beschieden und eine qualifizierte Ausbildung von Pflegekräf-ten wichtiger denn je. Dabei werden die Krankenpflegeschulen zunehmend mitvielen attraktiven Ausbildungsange-boten aus der Wirtschaft um geeignete Auszubildende konkurrieren müssen, bei immer weniger Schulabgängern.

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14 Misericordia 10/08 · Barmherzige Brüder in Bayern

Wirtschaftsministerin Emilia Müller bei der Aktion Rollentausch in Reichenbach

„Alle sind Teil der Gesellschaft“

ganz anderen Eindruck. Es ist vor allem gut, vor Ort Kontakte und einen persön-lichen Zugang zu haben, wenn es spezi-fische Fragen in der Behindertenpolitik zu klären gibt.“

Bezirksrat Joachim Hanisch:„Ich bin beeindruckt von der Vielfalt und den ausgesprochen sinnvollen Be-schäftigungen hier in der Johann von Gott-Werkstatt. Für mich als Bezirksrat ist es auch von Vorteil zu sehen, was vor Ort passiert. Nur so weiß man dann schließlich auch, wovon man spricht.“

MdB Klaus Hofbauer:„Ich bin tief beeindruckt, was hier für die benachteiligten Menschen alles geleistet wird. Man spürt die Zufriedenheit der betreuten Mitarbeiter. Deswegen mein Dank an alle Menschen, die sich hier in dieser Einrichtung einsetzen.“

Bezirksrat Franz Löffler:„Ich muss dieser Einrichtung meinen Respekt zollen. Vor allem was sie für junge Menschen und Menschen mit sehr schweren Behinderungen leistet. Sie trägt so ganz entschieden dazu bei, dass die Gesellschaft hier ein mensch-liches Gesicht erfährt, und das ist sehr wichtig.“

Michaela Matejka

Nicht nur in eine andere Rolle, son-dern auch gleich in eine weiße Schürze schlüpfte die bayerische Wirtschafts-ministerin Emilia Müller am 26. Juli, um den Kuchen im Cafe Grande für BewohnerInnen und MitarbeiterInnen in der Einrichtung für Menschen mit Behinderung zu verkaufen. Neben ihr waren am 23. und 24. Juli auch noch die Bundestagsmitglieder Marianne Schieder (SPD) und Klaus Hofbauer (CSU) sowie die Bezirksräte Franz Löff-ler (CSU) und Joachim Hanisch (FW) im Haus, um sich an der Aktion zu be-teiligen. Sie wiederum unterstützten die betreuten MitarbeiterInnen an verschie-denen Arbeitsplätzen in der Johann von Gott Werkstatt.

Der Reichenbacher Gesamtleiter Ro-land Böck hat die Idee von Sozialmi-nisterin Christa Stewens aufgegriffen. Sie hatte die Rollentausch-Aktion als Teil des Forums Soziales Bayern 2005 ins Leben gerufen. Ziel des Forums ist es, im offenen Dialog zwischen Wohl-fahrtsverbänden, Politik und Wirtschaft

die Strukturen für ein soziales Bayern weiterzuentwickeln. Die angenehme Nebenwirkung: Die Notwendigkeit der sozialen Arbeit und Pflege wird wieder mehr in die öffentliche und politische Wahrnehmung gerückt. Genauso sieht Böck das: „Wir haben unseren Gästen auf diesem Weg nicht nur die Möglich-keit gegeben, soziale Arbeit in der Praxis kennenzulernen, sondern sie gleichzeitig direkt vor Ort auf personelle, finanzielle und wirtschaftliche Aspekte aufmerk-sam gemacht.“

Und das ist gelungen, wie die Bilanz der Rollentauschaktiven zeigt:

Wirtschaftministerin Emilia Müller: „Die Integration der Betroffenen ist sehr wichtig. Alle Menschen müssen die Ge-wissheit haben, dass sie ein Teil unserer Gesellschaft sind.“

MdB Marianne Schieder:„Ich fand den Tag sehr informativ. Und wenn man selbst aktiv wird und dabei sein kann, bekommt man einfach einen

Manfred Hecht-bauer bedankt sich auf seine Art bei Wirt-

schaftsministerin Emilia Müller.

Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder (oben) und Bezirksrat Franz Löff-ler bei ihrem Einsatz in Reichenbach

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Misericordia 10/08 15Barmherzige Brüder in Bayern ·

Aktion Rollentausch

Aktion Rollentausch

Franz Maget in Gremsdorf

MdB Stefan Müller in GremsdorfAm 24. Juli kam in die Einrichtung der Barmherzigen Brü-der Gremsdorf der Bundestagsabgeordnete Stefan Müller und verbrachte einen Vormittag in der Seniorentagesstätte. Nach einer kurzen Begrüßung durch Gesamtleiter Günther Allinger und einer Führung durch die Räumlichkeiten nahm der Politiker am Tagesprogramm teil, das diesmal aus Ge-dächtnistraining bestand. Außerdem unterstützte er tatkräftig die Mitarbeiter bei der Essensausgabe und nutzte das schöne Wetter, um mit einigen Bewohnern der Barmherzigen Brüder Gremsdorf einen Spaziergang über das Einrichtungsgelände zu unternehmen. Müller, der seit November 2005 Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales ist, betonte die Wichtigkeit von Maßnahmen bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung im Seniorenalter. Gerade in diesem Bereich fände schon seit einiger Zeit ein demografischer Wandel statt, dem man sich auch politisch anpassen müsse.

Katrin Heinz

MdB Ewald Schurer in Algasing

Ewald Schurer (rechts) erzählt den Algasinger Senioren von sei-nem Alltag als Bundestagspolitiker.

Anlässlich seiner Wahlkampftour durch Bayern besuchte der Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat der bayerischen SPD Franz Maget mit einer Gruppe von Mitstreitern die Barm-herzigen Brüder in Gremsdorf. Nach einer Einführung mach-ten sich die Besucher auf den Weg in Richtung Wohnbereich und Werkstatt für behinderte Menschen. Die Besucher waren beeindruckt von der Vielseitigkeit der Eigenproduktion und zeigten sich besonders interessiert am Kickerbau. Die Einrich-tung der Barmherzigen Brüder Gremsdorf wurde von Franz Maget als „hervorragend“ bewertet. Er betonte, wie wichtig es sei, individuelle und an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Behindertenarbeit zu leisten und fand diesen An-spruch in Gremsdorf absolut erfüllt.

Die Barmherzigen Brüder Algasing haben schon mehrmals Politiker eingeladen, sich in der Einrichtung für Menschen mit Behinderung umzuschauen. Für die Algasinger Bewohne-rinnen und Bewohner war es dennoch etwas ganz Besonderes, einen Bundestagspolitiker in ihrer Mitte zu begrüßen. Einen Vormittag lang begleitete Ewald Schurer, der für die SPD die Landkreise Erding und Ebersberg in Berlin vertritt, am 23. Juli die Männer und Frauen in der Seniorentagesstätte. Dort beteiligte er sich an dem tagesstrukturierenden Angebot. Von dem Besuch profitierten wie immer alle Seiten. Für Schurer ist es nach eigener Aussage wichtig zu hören, was die Leute denken: „Ich will kein Papiertiger sein.“ Gesamtleiter Günter Ducke schätzt besonders an der „Aktion Rollentausch“, dass Heimbeiräte, Werkstatträte und die Einrichtungsleitung da-bei Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit einem Entscheidungsträger bekommen, das weit über ein unverbind-liches Statement hinausgeht.

Susanne GrundnerStefan Müller gut gelaunt bei den Gremsdorfer Senioren

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16 Misericordia 10/08 · Barmherzige Brüder in Bayern

1200 Jahre Eibach

Ein Dorf im Ausnahmezustand

„Gratulation der Eibacher Dorf-gemeinschaft zu zehn tollen Ta-gen und Nächten. Das zeigt, was alles möglich ist, wenn man zusammenhält und super Ideen hat. Große Klasse!“

Horst Dötschel, Gruppe Maximilian, Barmher-zige Brüder Algasing

Zehn Tage lang war der 176-Seelen-Ort Eibach, das Nachbardorf der Barmher-zigen Brüder Algasing, außer Rand und Band: Es feierte seinen 1200. Geburts-tag. Die Ansammlung an Höhepunkten gipfelte gleich am ersten Wochenende im Einzug ins Guinnessbuch der Re-korde mit einem riesigen Oldtimertref-fen. Doch damit nicht genug: Mit einem Schülertreffen aller ehemaligen Algasin-ger und Eibacher Schüler, mit einem eigens inszenierten historischen Thea-terstück, mit einem umjubelten Auftritt der legendären „Biermösl Blosn“ und Gerhard Polt, mit einem historischen Dorfleben mit Handwerkern, Rittern und Verkaufsständen, mit Zeltpartys und allerlei politischer Prominenz wie beispielsweise Kultusminister Siegfried Schneider und nicht zuletzt mit einem 700-seitigen Heimatbuch setzten sich die Eibacher selbst ein Denkmal.

Dass sich die Barmherzigen Brüder Algasing an dem ehrgeizigen Festpro-gramm sehr engagiert beteiligten, liegt an der direkten Nachbarschaft: Gerade einmal fünf Gehminuten trennen die Einrichtung für Menschen mit Behinde-rung von dem kleinen Dorf Eibach, das im Jahr 808 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Als die Eibacher das gesamte Jahr 2008 zum Festjahr ausriefen, war den Algasinger Mitarbeitern und Be-wohnern sehr schnell klar: Da machen wir mit! Angefangen vom Neujahrsemp-fang über das Maifest bis hin zur Eröff-nung des neuen Algasinger Sportplatzes standen schon alle Veranstaltungen unter dem gemeinschaftlichen Motto „1200 Jahre Eibach“.

Die eigentlichen Festwochen vom 24. Juli bis 3. August hatten die Eibacher in

jahrelanger Vorarbeit sorgsam geplant. Der Arbeitseinsatz war enorm. Hunderte von Mitstreitern aus Eibach, Algasing und Umgebung opferten bereits im Vor-feld ihre Freizeit, um beim Aufbau des Festzelts und des historischen Dorfs zu helfen. Gemeinsam wurden sie von einer Welle der Euphorie getragen: So etwas, da waren sie sich sicher, hatte die Welt noch nicht gesehen. Die Lokalpresse ti-telte sogar - in Anlehnung an den Asterix & Obelix-Klassiker, also voller Hoch-achtung: „Die spinnen, die Eibacher!“

Nüchtern betrachtet steht das Ausmaß der Festlichkeiten freilich in keinerlei Verhältnis zur Bedeutung des kleinen Ortes. Zwar war Eibach bis zur Gebiets-

Überall dabei: der Algasinger Hausgeist-liche, Pater Augustine Annikkattu (rechts), hier bei der Auszählung der Oldtimer-Traktoren für den Guinnessbuch-Rekord.

Die Algasinger Haustechniker Markus Eberl (links) und seine Familie verstärkten mit ihren

alten Traktoren den Rekord-Corso.

Die alte Kunst des Webens konnte man am Stand der Algasinger Sankt Josefs-Werk-statt bewundern.

reform 1971 eine eigene Gemeinde, im Grunde jedoch ist es ein verschlafenes Nest, das außer einem Wirtshaus, einer Grundschule und einem Kindergarten nicht viel zu bieten hat. Dennoch zeich-

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Misericordia 10/08 17Barmherzige Brüder weltweit ·

Elli in Algasing

net die Dorfgemeinschaft und auch die Nachbarschaft mit Algasing etwas ganz Besonderes aus, das weit über den Umstand hinaus geht, dass in Algasing eben die Kirche steht und in Eibach der Wirt, wie es der Algasinger Gesamtleiter Günter Ducke in seinem Grußwort für die Festschrift formuliert hat. In Eibach

„Der Schüler könnte wesentlich Besseres leisten, wenn er die Zeit ernster ausnützen würde“. Heute lacht Hans Hofherr über sein Zeugnis, das er zum Schülertreffen in Eibach mitgebracht hat. Damals muss es in dem Algasinger Knabeninternat, das bis 1965 bestand, allerdings sehr streng zuge-gangen sein. Der älteste Ehemalige, der der Einladung zum Treffen aller Eibacher und Algasinger Schüler gefolgt ist, war Rudolf Rechl, Jahrgang 1921.

Die Eibacher können es nicht fassen: Ihre Kirche soll einer Schule weichen! 35 Laien-darsteller spielten in dem vom Wolfgang Lanzinger verfassten Stück „Eibacher Kirch-sturm“ die turbulenten Ereignisse im Jahr 1806 nach.

gibt es Menschen, die es verstehen, sich und andere für eine Sache zu begeis-tern.

Und es war ja auch sensationell, was es alles zu sehen und erleben gab. Bunt ge-wandete Ritter zogen mit ihrem Gefolge aus Hexen, Wachleuten und Henkern durch das Dorf, das sich in einen mit-telalterlichen Markt verwandelt hatte. Auch die Algasinger Einrichtung hat-te hier ihren Stand, bot Waren aus der Sankt Josefs-Werkstatt feil und zeigte die Kunst des Webens, Besenbindens und Klöppelns. Rudi Kerscher, Gärtner in Algasing, war der Hirte im Streichelzoo mit Eseln und Ziegen aus seinem Wohn-ort Giglberg. Algasinger Mitarbeiter wirkten beim Freilichttheater mit oder verstärkten den Oldtimer-Rekordcorso mit ihren eigenen alten Traktoren. Die Algasinger Musikgruppe „Die Weber´s“ glänzte gar als Vorband zu „DJ Crazy Kurti“, der bei einer absolut verrückten Après-Ski-Party das Festzelt zum Ko-chen brachte.

Jetzt, nach dem riesigen Erfolg des Fests, sind alle traurig, dass es vorbei ist. Aber das Feiern geht weiter: Bis Jahresende finden noch weitere Veranstaltungen unter dem Motto „1200 Jahre Eibach“ statt. Mehr Infos dazu sowie Fotos von den Festwochen gibt’s im Internet unter www.eibach2008.de.

Susanne Grundner

Weihbischof Engelbert Siebler zelebrierte den abschließenden Festgottesdienst auf der Freilichtbühne.

Eine Superparty war das Rockkonzert mit Elli Erl beim Herbstfest der Barm-herzigen Brüder Algasing. Zur Erin-nerung: Elli, das war die rothaarige Rockröhre, die 2004 die zweite Staffel der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ mit Musikpädagogen-schreck Dieter Bohlen gewonnen hat. Inzwischen ist Elli blond, 28 Jahre alt und dank ihrer unverwechselbaren, schnörkellosen Stimme unabhängig von der Gunst zweifelhafter Musikexperten. Der sympathischen Niederbayerin ist auf der Herbstfestbühne in Algasing gelun-gen, wovon jeder Musiker nur träumen kann: Vom ersten Song an stürmten die Fans die Tanzfläche – und verließen sie bis zur letzten von fünf Zugaben nicht. Die Algasinger und ihre Gäste waren schlichtweg begeistert. „Es hätte ruhig noch lauter sein dürfen“, sagt Mitarbei-ter Klaus Schröer, „aber Elli war total locker und auch musikalisch richtig super – es würde mich nicht wundern, wenn es in Algasing bald einen eigenen Elli-Fanclub geben würde.“ sg

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18 Misericordia 10/08 · Barmherzige Brüder in Bayern

Ausstellung „Ich und Du“ in Agatharied

Wieder Küche in MünchenKrankenhaus Regensburg fördert Selbst-hilfegruppen

Noch bis 31. Oktober ist im Kranken-haus Agatharied in Hausham (Landkreis Miesbach) die Ausstellung „Ich und Du“ mit Bildern von Isabella Krobisch, Pe-ter Pietrus, Alois Pribil und vielen an-deren zu sehen. Sie stellt das Leben und Arbeiten behinderter Menschen in den Mittelpunkt und zeigt auch Aufnahmen aus Einrichtungen der Barmherzigen Brüder in Algasing, Reichenbach und Walderbach. Diese bemerkenswerte Bilder- und Textschau wurde von der Miesbacher Grafikerin Sylvia Kauf-mann initiiert und in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von sozialen Einrich-

tungen, Organisationen und Privatper-sonen verwirklicht.

Täglich geöffnet von 9 bis 21 UhrFreitag, 3. Oktober, 13 bis 19 Uhr: Tag der BegegnungFreitag, 10. Oktober, 19 Uhr: „Lebens-Wert“ – Betrachtungen zur Ausstellung „Ich und Du“ von Frater Eduard BauerWeitere Informationen unter www.kul-turvision.de .

Das Foto (unten) von Isabella Krobisch entstand in der Reichenbacher Johann von Gott-Werkstatt.

Seit 1. September wird im Krankenhaus Barmherzige Brüder München wieder hausintern gekocht. Nachdem die Erfahrungen mit einem externen Essenslieferanten nicht optimal waren, entschlossen sich die Verantwort-lichen, wieder eine Küche einzurichten. Die etwa 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter vier Köche, sind jetzt in der Lage, besser auf die individuellen Wün-sche der fast 400 Patientinnen und Patienten einzuge-hen. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses finden wieder verstärkt den Weg in die haus-eigene Kantine – dort hat sich die Zahl der Essensteil-nehmer im September durchschnittlich auf rund 120 verdoppelt. Die ersten Rückmeldungen von Patienten wie Mitarbeitern über die Qualität der Speisen sind po-sitiv. Organisatorisch ist die neue Küche bei der BBSG (Barmherzige Brüder Servicegesellschaft) angesiedelt, die von Stefan Pollmann geleitet wird. js

Koch Michael Heuwieser bereitet Salat vor.

Die Alzheimer Gesellschaft, die Hörgeschädigten-Gesellschaft und andere Selbsthilfegruppen haben künftig ein festes Standbein direkt im Krankenhaus Barmherzige Brü-der Regensburg. Mit finanzieller Unterstützung des Fördervereines in Höhe von 12.000 Euro stellt das Krankenhaus kostenlos Büro und Seminarräume zur Verfügung und begleitet fachlich das Engagement der Selbsthilfegruppen. Am 16. Juli wurden die neuen Räume im zwei-ten Stock des Hauses St. Wolfgang feierlich von Prior Pater Leodegar Klinger geweiht und ihrer Bestim-mung übergeben.

Die Zusammenarbeit mit Selbst-hilfegruppen unterstützt die Arbeit von Ärzten, Therapeuten und Pfle-gekräften und ermöglicht die Chan-ce auf umfassendere Heilung. Vor diesem Hintergrund versucht das Krankenhaus Barmherzige Brüder, den Kontakt zwischen Patient und Selbsthilfegruppe bereits unmittelbar im Krankenhaus anzubahnen. „Die aktive Unterstützung von Selbst-hilfegruppen zeigt, dass wir deren Arbeit als festen Bestandteil einer integrativen Therapie ansehen“, sagt Dr. Andreas Kestler, Geschäftsführer des Krankenhauses

Rund 400 Selbsthilfegruppen und Initiativen gibt es in Stadt und Landkreis Regensburg, koordiniert und unterstützt werden sie von der Kontakt- und InformationsStelle für Selbsthilfe (KISS). Margot Murr von KISS sieht in der Kooperation mit dem Krankernhaus eine zusätzliche Stärkung des Engagements der Ar-beit der Selbsthilfegruppen in der Region sowie eine Anerkennung der ehrenamtlichen Helfer.

kio

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Misericordia 10/08 19Barmherzige Brüder in Bayern und weltweit ·

Neues Parkdeck gesegnet

Eustachius-Kugler-Altenheim in Kattappana

Ausflug nach Hiroshima

Bad Wörishofen. In sechsmonatiger Bauzeit entstand bei den Kneipp’schen Stiftungen in Bad Wörishofen ein Park-deck mit 120 Stellplätzen (das Foto links zeigt die Zufahrt), das am 18. Juli 2008 gesegnet wurde. Pater Friedhelm Jansohn und Pater Werner Velten hiel-ten den Gottesdienst für die geladenen Gäste und Mitarbeiter. Danach ging’s bei strömendem Regen mit Schirmen bepackt zum Parkdeck. Gesamtleiterin Christiane-Maria Rapp begrüßte alle Anwesenden und bedankte sich herz-

lich bei den Barmherzigen Brüdern, die dieses Projekt ermöglicht haben; Dank ging auch an das Architekturbüro Schmid & Kollegen aus Regensburg und an alle, die an dem Bau beteiligt wa-ren. Zum Schluss segnete Pater Jansohn das Parkdeck. Anschließend kamen al-le geladenen Gäste im Refektorium des Sebastianeums zusammen und ließen sich bei Musik ein spätes Weißwurst-frühstück schmecken.

Susann Florstedt

Vor kurzem wurde von den Barmher-zigen Brüdern in Kattappana/Indien der Grundstein gelegt für ein neues Alten-heim für wohnungslose Menschen (sie-he Foto unten). Die Einrichtung mit 200 Plätzen wird den Namen von Fra-ter Eu stachius Kugler tragen, teilte der indische Generalrat Frater Vincent Koch-amkunnel mit. Baubeginn war im Sep-tember; die bayerische Ordensprovinz der Barmherzigen Brüder unterstützt das Projekt ideell und finanziell.

Vor kurzem unternahmen die Barmherzigen Brüder in Japan einen Ausflug nach Hiroshima. Dort besuchten sie die Gedenkstätten, die an den ersten Atombomben-abwurf am 6. August 1945 erinnern. Neben japanischen Brüdern – dem Provinzdelegaten Frater Franziskus Oka, den Prioren Frater Georg Tokuda und Frater Johannes Iwata sowie Frater Josef Maria Kimura - waren Frater Jobino Mathew aus Indien und Frater Paulus Lee aus Korea, die die japanischen Brüder unterstützen, mit von der Partie; der Provinzdelegat berichtet, die beiden machten gute Fortschritte beim Japanisch-Lernen.

Oben: der Frie-denspark von Hi-roshima; rechts:

Frater Johannes an der Friedensglocke; rechts außen: Frater

Franziskus (links) und Frater Paulus

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20 Misericordia 10/08 · Barmherzige Brüder weltweit

III. Regionalkonferenz Europa in Spanien

Der Orden setzt PrioritätenVom 1. bis 5. September fand in Los Molinos, Spanien, die III. Regional-konferenz der 13 europäischen Provin-zen der Barmherzigen Brüder und der schlesischen Generaldelegatur statt. Sie stand unter dem Motto „Prioritäten des Ordens in Europa heute“ und war von den Generalräten Frater Rudolf Knopp und Pater Jesús Etayo vorbereitet wor-den. Von jeder Provinz nahmen in der Regel zwei Brüder und ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin teil. Die Bay-erische Provinz wurde vertreten durch Provinzial Frater Emerich Steigerwald, Provinzsekretär Frater Eduard Bauer und mir.

Bereits am Samstag, den 30. August, flogen wir von München nach Madrid, wo wir vom Provinzsekretär der Kasti-lischen Provinz, Frater Angel, abgeholt und mit dem Auto in das ca. 50 Kilo-meter entfernte Konferenzzentrum „San Juan de Dios“ der Provinz gebracht wur-den. Es gehört zu Los Molinos, das in einer Senke östlich des Hochtales des Rio Guadarrama ca. 1.100 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Am Sonntag nahmen wir an dem Ausflug nach Sego-via teil, der für die Kongressteilnehmer angeboten wurde. Segovia ist eine wun-derschöne Stadt, deren Baugeschichte von der römischen bis in die gegenwär-tige Zeit reicht.

Am Montag wurde nach einem ge-meinsamen Gottesdienst die Regional-konferenz durch Generalprior Frater

Donatus Forkan eröffnet. Sie dauerte bis Freitagabend und wurde nach der Verabschiedung des Abschlussdoku-ments und der Schlussansprache von Pater General wieder mit einem gemein-samen Gottesdienst abgeschlossen. Es gab jeweils vormittags und nachmittags einen Arbeitsblock, der sich unterteilte in Impulsreferate, Gruppenarbeit nach Sprachen und Mitteilung der Ergebnisse im Plenum. Die Konferenz wurde mo-deriert von Schwester Lourdes Fernán-dez Loeches von der Kongregation der Heiligsten Herzen Jesu und Mariens (SSCC) und von Dolmetschern simul-tan übersetzt.

Folgende Schwerpunktthemen wurden bearbeitet: Schule der Hospitalität, Fi-nanzierung der Ordensmissionen, Rol-le der Brüder und Mitarbeiter(innen) in der Zukunft, Akzente der Pastoral in den Einrichtungen, Überarbeitung der Generalstatuten, Bioethik und ethische Fragen in der praktischen Arbeit, Zu-sammenarbeit in der medizinischen

Forschung und die Notwenigkeit einer Vertretung des Ordens in Brüssel. Über die Inhalte und Ergebnisse der Konfe-renz wird gesondert berichtet.

Der Kongress verlief trotz mancher Sprachschwierigkeiten sehr harmonisch. Die Zugehörigkeit zur „Ordensfamilie“ und die gemeinsamen Ziele stellten sehr schnell eine freundschaftliche Verbun-denheit her. Am Samstag konnten wir noch Einrichtungen des Ordens in Ma-drid besichtigen, am Sonntag, der zu un-serer freien Verfügung stand, erkundeten wir die Stadt Madrid. Vor allem beein-druckte uns das Fußballstadion von Real Madrid, das sich ganz in der Nähe des Provinzialats befindet. Insgesamt durf-ten wir wertvolle Erfahrungen sammeln und Meinungen austauschen. Wir kamen zu guten Arbeitsergebnissen, die meiner Meinung nach für die Zukunft und das Zusammenwachsen des Ordens in Eur-opa wegweisend sein werden.

Karl Fries

Die deutsche Sprachgruppe bei der Arbeit

Gruppenbild mit den Teilnehmern der Europäischen Regionalkonferenz

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Misericordia 10/08 21Barmherzige Brüder weltweit ·

„Abgabe von Macht und Kompetenz setzt Vertrauen voraus“

dieser familiären Struktur heraus eine Weitergabe „von Macht“ an Nichtfa-milienangehörige schwer fällt. Dies hat auch etwas mit kirchlichen Strukturen zu tun, die traditionsgemäß hierarchisch geprägt sind.

Es ist den Brüdern anfangs nicht leicht gefallen, aber sie haben nachhaltige Entscheidungen getroffen und den Mitarbeitern einen großen Vertrauens-

Bei der Europäischen Regionalkonferenz des Ordens in Los Molinos hat Karl Fries, Geschäftsführer der Barmherzige Brüder gemeinnützige Träger GmbH, ein Statement abgegeben zum Thema „Der Weg der Barmherzigen Brüder und ihrer Mitarbeiter in der Zukunft“. Wir dokumentieren es hier in Auszügen.

Als ich 1977 bei den Barmherzigen Brüdern in Reichenbach meinen Dienst antrat, war der Prior nicht nur Oberer des Konvents, sondern auch zugleich Direktor der Einrichtung. Die Brüder arbeiteten in der Betreuung und Pfle-ge mit und hatten meist auch die Sta-tions-/Gruppenleitung inne. Der Prior war praktisch für alles zuständig, sei es Verwaltung, Personalwesen, Hauswirt-schaft, Konzeptentwicklung und derglei-chen. Er war also für alle Abteilungen und Bereiche der Chef, mit Ausnahme der Stations-/Gruppenleitung, die in der Regel von Brüdern wahrgenommen wurde sowie dem technischen Dienst. Bereits damals gab es einen technischen Leiter. Ansonsten bestanden in den Ein-richtungen keine Leitungsstrukturen, zumindest nicht offiziell. Mit der sehr positiven Entwicklung der apostolischen Werke, seinerzeit noch sehr großzügig vom Staat unterstützt, wurden immer mehr Mitarbeiter angestellt.

Die Ordensberufungen gingen bereits in den 80er Jahren deutlich zurück. Die aktiven Brüder wurden älter, so dass es immer notwendiger wurde, Mitarbei-ter in Leitungsfunktionen zu berufen. Leitung bedeutet aber nicht nur Verant-wortung, sondern auch Entscheidungs-kompetenz. Wir reden also letztendlich auch von Machtübertragung. Macht ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes; es ist nur eine Frage, wie man sie ausübt. Macht- und Kompetenzabgabe setzt da-her immer Vertrauen voraus. Ordensge-meinschaften funktionieren im Prinzip wie eine Familie. Das einzelne Mitglied sorgt für den anderen, wird aber auch von den anderen umsorgt und erfährt somit Geborgenheit. Deshalb ist es ganz natürlich zu verstehen, dass aus

vorschuss entgegengebracht. Was auch hinzukam, war die Einbindung und Teil-habe der Mitarbeiter am Ordensauftrag. Dabei ging es anfangs vor allem um die Ordensphilosophie, den Ordensauftrag, aber auch um einen Einblick in das Fa-milienleben der Ordensgemeinschaft. Für mich war das sehr wichtig, denn erst dadurch konnte ich mich mit dem Orden identifizieren, was nach meiner Erfahrung für die Ausübung einer Lei-tungsfunktion bei einer Ordensgemein-schaft unabdingbar ist.

Die neuen Rollen für Brüder und Mitarbeiter

Mitarbeiter▪ Die fachliche Kompetenz der Mitar-

beiter stellt die Grundvoraussetzung dar. Diese gilt es weiter zu entwi-ckeln.

▪ Die soziale Kompetenz ist im Um-gang mit Menschen unverzichtbar. Sie ist eng mit der religiösen und ethischen Kompetenz verknüpft, die für einen Mitarbeiter unverzichtbar ist.

▪ Die Beheimatung in der Kirche als gläubiger Christ stellt eine Gegen-komponente zur säkularen Entwick-lung unserer Gesellschaft dar.

▪ Menschen schaffen Werte und nur die „richtigen Menschen“ schaffen die „richtigen Werte“. Es ist Her-zensbildung angesagt. Auch diese lässt sich entwickeln!

Barmherzige Brüder▪ Die Strukturen sind zusammen mit

den Mitarbeitern kontinuierlich wei-ter zu entwickeln.

▪ Auswahl der richtigen Mitarbeiter auf Leitungsebene und ihre Förde-rung; Unterstützung und Begleitung in ihren Aufgaben.

▪ Förderung der fachlichen, sozialen und christlichen Kompetenz.

▪ Teilhabe der Mitarbeiter an „Ordens-familie“ und Ordensauftrag

▪ Notwendigkeit der Brüder vor Ort, um den Orden „sichtbar“ zu machen, besonders in den Einrichtungen, in denen es keinen Konvent mehr gibt. Die Mitarbeiter können den Geist des Johannes von Gott leben und weitergeben, sie können aber nicht die Identität und die Präsenz eines Bruders ersetzten.

▪ Übernahme von pastoraler Arbeit

Karl Fries bei seinem Referat

Die Generalräte Frater Rudolf Knopp (links) und Pater Jesús Etayo haben das

Treffen vorbereitet, Schwester Lourdes Fernández hat es moderiert.

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22 Misericordia 10/08

Die zwölfjährige Arianna wurde nach seltener Schädelbasis-Tumor-Operation am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg nun erfolgreich in Boston, USA, bestrahlt

Kleine Italienerin auf großer Reise

vor Ort und Sensibilisierung der Mit-arbeiter für den Sendungsauftrag

▪ Gezielte Personalentwicklung in Zusammenarbeit mit den leitenden Mitarbeitern

▪ Ausbildung der Mitbrüder im Hin-blick auf Management

Die angesprochenen Punkte waren für uns in der Vergangenheit orientierungs-gebend und werden es auch in Zukunft sein. Wenn es uns gelingt, das Personal-management an den Bedürfnissen der Hospitalität auszurichten, ergibt dieses einen dreifachen Ertrag:

▪ Die Mitarbeiter werden so gefördert, dass sie selbst zu optimaler Arbeits-zufriedenheit und Leistungsfähigkeit finden.

▪ Sie lernen gleichzeitig im ganzheit-lichen Vollzug und an der eigenen Erfahrung, welcher Arbeitsstil den hilfsbedürftigen Menschen gut tut.

▪ Die Einrichtungen des Ordens ge-winnen an christlichem Profil.

Charismatisches Management für Brü-der und Mitarbeiter ist angesagt. Die Enzyklika „Deus caritas est“ und die „Charta der Hospitalität“ geben uns dazu wichtige Hinweise und Hilfestellung.

Der bayerische Provinzial Frater Emerich Steigerwald (links), Pater José Maria Bermejo de Frutos, Provinzial der Kasti-lischen Provinz, und Karl Fries vor der Madrider U-Bahn-Station „Antón Mar-tin“, die nach dem ersten Gefährten des heiligen Johannes von Gott benannt ist.

„Eine Umarmung so groß wie diese Stadt und ein Dank ohne Ende, Küss-chen Arianna“. Der Adressat einer Post-karte mit der Skyline von Boston war unlängst Chefarzt Dr. Adolf Müller am Krankenhaus Barmherzige Brüder Re-gensburg. Im Januar hatte der Leiter der Klinik für Neurochirurgie die kleine Ita-lienerin aus Bellizi, südlich von Salerno, in zwei spektakulären Operationen von ihrem seltenen Hirntumor befreit. Das sogenannte Clivuschordom geht vom Knorpelgewebe an der Schädelbasis am Übergang zur Halswirbelsäule aus.

Das zwölfjähige Mädchen hatte bereits seit 2006 insgesamt fünf Operationen an der Universitätsklinik von Genua hinter sich. Auch wurde ihr zur Stabili-sierung ein Implantat, ein Gestänge im Hals eingesetzt, da die Halswirbelsäule

den Kopf nicht mehr alleine trägt. Der Tumor galt als inoperabel, so hatten die Ärzte aus Genua der Familie nur die Aussicht auf die Therapie durch einen

Arianna wurde in Regensburg einmal 14 Stunden und nochmals sechs Stunden lang unter Vollnarkose im Sitzen operiert.

Glücklich über die gelungenen Operationen: Chefarzt Dr. Adolf Müller, Arianna und ihre Eltern im Januar in Regensburg

· Krankenhaus und Gesundheit

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Misericordia 10/08 23

den mit sieben Zentimeter Durchmes-ser sehr großen Tumor fast vollständig entfernt: „Wir mussten am Gestänge im Hals linksseitig vorbei operieren, durch einen sogenannten transkondylären Zu-gang, das heißt die hintere Hirnschlaga-der verlagern, um vor dem verlängerten Halsmark an den Tumor heran zu kom-men. Dabei konnten wir gut 90 Prozent des Tumors entfernen“, erklärt Dr. Adolf Müller die äußerst schwierige, lebens-wichtige Bereiche des Gehirns tangie-rende Operation.

Die Tumoranteile, die um die hintere Hirnschlagader auf der rechten Seite herumgewachsen waren, konnten von der linken Seite nicht erreicht werden, sodass eine zweite Operation von der rechten Seite aus nötig war. Arianna erholte sich so gut, malte wieder und machte Spaziergänge mit den Eltern, sodass nur zwei Wochen später, am 29. Januar noch einmal in einer sechsstün-digen Operation auch dieser Tumorrest entfernt werden konnte.

Die vollständige Entfernung des Tumors machte nun erst eine adäquate und ef-fektive Protonenbestrahlung möglich. Diese wurde von Juli bis August am Massachusetts General Hospital in

Protonenbeschleuniger in Boston/USA am Massachusetts General Hospital mit auf den Weg gegeben, wo weltweit die meiste Erfahrung in der Bestrahlung speziell für diese Tumorart besteht. Von dort kam wiederum die Anfrage des Strahlentherapeuten an Chefarzt Dr. Adolf Müller, der als Spezialist für die Operation schwierig gelegener Schädel-basistumoren gilt.

Herausforderung gelingt nur im Team

Am 14. Januar hat Dr. Müller, zusam-men mit seinem siebenköpfigen Team, in einer fast 14-stündigen Operation

Boston durchgeführt. „Arianna wurde insgesamt 56 Tage mit hoher Dosis von 78, 0 Cobalt-Gy, unterteilt in 39 Frak-tionen bestrahlt. Sie hat die Bestrahlung gut vertragen, mit geringen Neben-wirkungen.“, erläutert der zuständige Strahlentherapeut aus Boston, Professor Norbert Liebsch den Bestrahlungsplan. „Dank der ausgezeichneten Arbeit der Chirurgen in Genua und der letztendlich umfassenden Tumor-Entfernung durch den Neurochirurgen Dr. Müller und der Bestrahlung, sind wir optimistisch, dass Arianna eine Langzeitkontrolle über ihr Clivuschordom hat und von weiteren behandlungsbedingten Komplikationen befreit ist.“

Mittlerweile ist Arianna wieder zu Hause in Italien und sandte per E-Mail Anfang September beste Grüße und ak-tuelle Fotos mit ihren Ärzten in Boston. Zum Schulanfang kann sie heuer dann wieder regulär dabei sein.

Internationaler Experte für Schädelbasischirurgie

Längst gilt die Neurochirurgie unter der Leitung von Chefarzt Dr. Müller als in-ternationale Anlaufstelle für Schädel-basis-Tumor-Operation: Erst Anfang August hat der Neurochirurg erneut in einer fast zehnstündigen Operation die kleine Russin Irina an einem vier mal vier Zentimeter großen Clivuschordom erfolgreich operiert.

„Als Niemands- und Jedermannsland zwischen den Fächern wird die Schädel-basischirurgie von den verschiedensten chirurgischen Fachdisziplinen behan-delt, von Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, der Augenheilkunde und eben der Neu-rochirurgie – ein Tumor macht jedoch keinen Halt vor chirurgischen Grenzen, sondern überschreitet diese“, sagt Dr. Müller. Da weder eine anerkannte spe-zielle Facharztweiterbildung noch ein universitärer Lehrstuhl für Schädelba-sischirurgie in Deutschland existieren, muss sich ein versierter Schädelbasi-schirurg durch intensive Zusammen-arbeit mit den medizinchirurgischen Nachbardisziplinen das notwendige Wissen und die Erfahrung aneignen.

Kirsten Oberhoff

Arianna in Boston mit dem Strahlentherapeuten Professor Norbert Liebsch (rechts) und einem seiner Ärzte

Ariannas Postkarte aus Boston an Dr. Müller in Regensburg

Krankenhaus und Gesundheit ·

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24 Misericordia 10/08

Dr. Inga Wenzel vom Klinikum St. Elisabeth in Straubing arbeitete fünf Wochen in Bangladesch

Einsatz im Slum

· Kirche und Gesellschaft

Wie viel mit wenig zu erreichen ist, das ist eine Erfahrung, die Dr. Inga Wenzel (33) aus Bangladesch mitgebracht hat. Fünf Wochen lang hat die angehende HNO-Fachärztin aus dem Klinikum St. Elisabeth in Straubing für die Or-ganisation „Ärzte für die Dritte Welt“ gearbeitet.

Täglich warteten bis zu 160 Patienten vor der kleinen Ambulanz, in der zwei deutsche Ärzte vor allem Atemwegsin-fekte, Lungenentzündungen, Würmer, TBC, Durchfall und infizierte Wunden behandelten. Und im dicht bevölkertsten und einem der ärmsten Länder der Welt vor allem unterernährte Kinder, von de-nen ein jedes eine Banane als Dreingabe zur Behandlung bekam.

Angekommen in Chittagong, der zweit-größten Stadt des Landes, hat ihr die feuchte Luft fast den Atem verschlagen, erzählt sie. Mit einem dreirädrigen Fahr-zeug wurde sie an ihren neuen Arbeits-platz gebracht. Auf der Straße waren fast

nur Männer - Bangladesch ist musli-misch. Hier als weiße Frau arbeiten und alleine durch die Straßen ziehen? Inga Wenzel hat es getan. Ihre Erfahrungen sind ausschließlich positiv. Jeder habe seine noch so dürftigen Englischkennt-nisse zusammengenommen und ihr wenigstens ein „Hello“ zugerufen und gefragt, wo sie denn herkomme, denn Touristen gebe es in Bangladesch nicht. Zur Verständigung in der Ambulanz gab es einen Übersetzer.

70 Prozent ihrer täglichen Patienten waren Kinder. Bei manchen hat sich Inga Wenzel gewundert, dass sie über-haupt noch am Leben sind. Eines war zwei Monate alt und wog 1,9 Kilo. Die meisten Buben und Mädchen haben keinerlei Reserven und würden ohne medizinische Versorgung an banalen Infekten sterben. Viele Mütter seien täglich vorbeigekommen. Ihre Kinder hätten im Rahmen eines Ernährungspro-gramms von „Ärzte für die Dritte Welt“ eine ausgewogene Mahlzeit erhalten und

Milchpulver mitnehmen können. „Was für eine Freude, wenn aus den Skeletten langsam Kinder werden, die spielen, la-chen und laufen lernen.“

Der Ambulanz sei eine Apotheke an-gegliedert, die kostenlos Medikamente abgibt. Einmal pro Woche besuchte die Ärztin Menschen in den Slums, erlebte zwei Familien, die auf acht Quadrat-metern hausen, ohne Fenster, in einer Wellblechhütte, die sich unerträglich aufheizt. „Für 100 Menschen gibt es ei-ne Wasserpumpe und eine Latrine. Kein Wunder, dass alle ständig krank sind.“

Monika Schneider-Stranninger

Am 30. September, 19.30 Uhr, berichtet Dr. Inga Wenzel in Regensburg, im Res-taurant „Vitus“, Hinter der Grieb 8, mit Bildern über ihren Auslandseinsatz.

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Misericordia 10/08 25Kirche und Gesellschaft ·

Das dritte Auge des Arztes Dr. Tobias Lindenmeir, Urologe am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg, begeistert sich für Natur- und Makrofotografie

Serie Mitarbeiter und Kunst

Erdmännchen, Eichhörnchen und Luchs tummeln sich im Büro von Dr. Tobias Lindenmeir. Das kleine Erdmännchen scheint just aus der Tasche herauszu-springen, die Nuss des Eichhörnchens ist zum Greifen nah und der Luchs lauert auf Beute. Der Urologe teilt sein Büro natürlich nicht mit den possierlichen Gesellen in natura, die Knopfaugen von Eichhörnchen und Co blicken dem Be-sucher aus drei schön gerahmten Fotos entgegen und faszinieren sofort durch die Präsenz. Der Fotograf heißt hier Dr. Lindenmeir, Spezialität: Makro- und Naturaufnahmen. Die Foto-Begeisterung fing früh an: „Mit 16 hab ich mir mei-ne erste eigene Spiegelreflex-Minolta samt Objektiv für damals stolze 800 DM gekauft, selbst erspart durch Zeitungs-Austragen“, erzählt der gebürtige Augs-burger, der im dortigen Botanischen Garten die ersten Motive fand. Ange-

steckt hatte ihn damals der Onkel mit seinen schönen Pflanzen-Fotografien; auch der Vater war leidenschaftlicher Hobbyfotograf und ließ sich im Ruhe-stand erneut vom Sohn anstecken.

Gut gerüstet

Heute nennt Dr. Lindenmeir zwei digi-tale Spiegelreflex-Minoltas und sieben Objektive sein eigen, ist Mitglied im Deutschen Verband für Fotografie und Herr über eine Sammlung alter Kame-ras, die im Laufe der Jahre, „anfangs noch erbettelt bei Omas und Tanten“, auf eine stattliche Sammlung von 15 Exponaten anwuchs, schön anzusehen in einer Vitrine im heimischen Arbeits-zimmer – und darunter solche Schätze aufweist wie die „Pilot 6“ aus den 30er Jahren, eine Spiegelreflexkamera für das Rollfilmformat 6 x 6.

Seine Tiere bekommt der passionierte Fotograf am liebsten in Zoos und Na-tionalparks vor die Linse, denn da hal-

Geht seit mehr als 20 Jahren auf Foto-Pirsch: Dr. Tobias Lindenmeir

Aug in Aug mit dem Flusspferd - dank Makroobjektiv und viel Geduld

Fortsetzung auf Seite 27

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26 Misericordia 10/08 · Rätsel

Raten und Gewinnen In diesem Jahr können Sie auch in der „misericordia“ die mittlerweile sehr beliebten Sudokus lösen (siehe unten). Die Lösungszahl besteht aus den vier Ziffern in den grauen Feldern (Hinweis: Uhrzeigersinn!) - es handelt sich um eine Jahres-zahl, die eine Bedeutung im Leben von Frater Eustachius Kugler hat.

Die Frage in diesem Monat lautet: In welchem Jahr erfolgte der schwere Luftangriff auf die Messerschmitt-Flugzeugwerke in unmittelbarer Nachbar-schaft der Regensburger Krankenhäuser der Barmher-zigen Brüder?Bitte schicken Sie eine Postkarte mit der Lösung und Ihrer Adresse an Barmherzige Brüder Bayerische OrdensprovinzPostfach 20 03 6280003 München

Einsendeschluss ist der 15. Oktober 2008.

Zu gewinnen gibt es einen Büchergutschein im Wert von 25 Euro.

Zweite Chance: Bei der Jahresziehung wird unter allen Ein-sendern des Jahrgangs 2008 ein fünftägiger Aufenthalt in den Kneipp‘schen Stiftungen (Kneippianum) in Bad Wö-rishofen verlost - inclusive Vollpension, Kneipp-Güssen usw. - Beschreibung siehe „misericordia“ 11/07, Seite 12.

Sudoku: In jedem der neun Felder dürfen die Zahlen 1 bis 9 nur einmal vorkommen, ebenso dürfen in jeder Zeile und in jeder Spalte die Zahlen 1 bis 9 nur einmal erscheinen.

Die Lösung aus dem letzten Heft lautet: 1929 wurde das Regensburger Männerkrankenhaus der Barmherzigen Brüder eingeweiht.

Gewonnen hat:Martha Heim, NeutraublingHerzlichen Glückwunsch!

Die Ziehung der /des Gewinnerin/ers hat diesmal die Straub-inger Hauszeitungsredakteurin Kerstin Laumer vorgenom-men. Nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin und der Tätigkeit als Gruppenleiterin in einer Förderstätte schloss die 29-jäh-rige in diesem Sommer das Sozialpädagogik-Studium an der Fachhochschule Regensburg ab. Seit September 2007 ist sie in Straubing für die Öffentlichkeitsarbeit und Organisa-tion von Fortbildungen zuständig. Am besten gefällt ihr die abwechslungsreiche Tätigkeit in beiden Aufgabenbereichen, denn neben vielen organisatorischen Aufgaben ist ihr der persönliche Kontakt zu den Bewohnern, Beschäftigten und Mitarbeitern sehr wichtig.

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Misericordia 10/08 27Kirche und Gesellschaft ·

ImpressumHerausgeber und Verlagsinhaber: Barmherzige Brüder® Bayerische Ordensprovinz KdöR Südliches Schloßrondell 5 80638 München Postfach 200362, 80003 MünchenTelefon: 089/1793-100 Telefax: 089/1793-120 E-Mail: [email protected] Internet: www.barmherzige.de

Redaktion: Frater Eduard Bauer (verantwortlich)[email protected] Johann [email protected] Anschrift wie Herausgeber

Redaktion der Hauszeitschriften: Die Mise-ricordia erscheint zum Teil mit den Haus-zeitschriften unserer Einrichtungen, die für deren Inhalt selbst verantwortlich sind.

Grund-Layout: Astrid Riege - grafica

Fotos: Archiv Barmherzige Brüder (3), Bauer (26), Bayerisches Sozialministerium (6), Bilderbox (Titel, 4), Florstedt (19 oben), FotoComp (12), Grundner (15 oben, 16-17), Harrer (2), Heinz (15 unten), Kasti-lische Provinz (20-21, 22 links), Klein (18 oben), Krobisch (18 unten), Lindenmeir (25, 27), Matejka (8, 10-11, 14), Möller (28), Oberhoff (22 rechts), Salomon (9), Wenzel (24).

Verlag: Johann von Gott Verlag Anschrift wie Herausgeber Bayerische Hypo- und VereinsbankKonto Nr. 3 960 071 831Bankleitzahl 700 202 70

Druck: Marquardt Prinzenweg 11 a, 93047 Regensburg

Erscheint zehn Mal jährlich. Jahresabonnement: 14,00 Euro

ten die Motive still. Wölfe im Winter und Luchse mit ihren Jungen aus dem Bayerischen Wald, Kängurus, Affen oder seltene Flugenten aus den Zoos von Nürnberg, Rheine und Magdeburg, der vorherigen beruflichen Station des Tumorspezialisten. Und doch braucht es einiges an Geduld, manchmal einen ganzen Tag, bis solch prächtige Aufnah-men entstehen, wie sie unter „Lindi´s Photoseite“ auf der eigenen Homepage unter www.naturphoto.net zu bewun-dern sind.

Seine Beute, vom Wildschwein, dem putzigen Eichhörnchen - Lieblingsbild und „Zufallstreffer aus dem Harz“ - bis hin zum knallblauen Männertreu, er-legt er am liebsten mit einem starken Tele- oder dem Makroobjektiv und mit

Hilfe eines Stativs, welches „dankens-werterweise meine Frau im wahrsten Sinne geduldig mitträgt“, lächelt Dr. Lindenmeir verschmitzt und schwärmt von der Makrofotografie: „Mit einem normalen Objektiv erzielen Sie einen maximalen Abbildungsmaßstab im Be-reich von 1:7 bis 1:10. Verwende ich jedoch ein spezielles Makro-Objektiv, dann kann ich Pflanzen und kleine In-sekten im Maßstab 1:1 abbilden, also genauso groß. Aug in Aug quasi mit den Wölfen, oder ich kann die kleine Welt der Insekten beispielsweise ganz groß abbilden und Dinge sehen, die dem Au-ge normalerweise beim ersten flüchtigen Hinschauen verborgen bleiben“ – so wie die türkis-irisierenden Libellenflügel, die dem Betrachter geradewegs von der Homepage entgegenflattern.

Kein Urlaub ohne Kamera

Egal ob in Island oder auf USA-Reise Ende der 80er-Jahre durch Kalifornien, die Foto-Kamera ist stets mit von der Partie. Kristallklare Wasserfälle, damp-fende Geysire oder das gewaltige und ursprüngliche Panorama am Mammoth Lake - selbst oder gerade in Schwarz-Weiß wirken die Landschaftsaufnahmen wie Gemälde, erinnern in ihrer Poesie ein wenig an den amerikanischen Pio-nier der Naturfotografie, Ansel Adams, und laden ein zum Verweilen und Träu-men.

Auch Dr. Tobias Lindenmeir hat einen großen Traum: auf Foto-Safari gehen mit der ganzen Familie irgendwo in Afrika oder am anderen Ende der Welt, Eisbären mit der Kamera aufspüren an der Hudson Bay in Kanada ... Kirsten Oberhoff

Fortsetzung von Seite 25

Das Männertreu leuchtet betörend blau.Unten: Lieblingsbild und Zufallstreffer: Das Eichhörnchen lief dem Fotografen beim Spaziergang vor die Linse.

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28 Misericordia 10/08 · Arbeits- und Lebenswelt Heime

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Regelmäßiges geselliges Beisammensein trägt zur Lebensqualität im Altenheim St. Augustin in Neuburg an der Donau bei.

Altenheim St. Augustin in Neuburg a.d. Donau Im Jahre 1854 erwarb der Orden der Barmherzigen Brüder das ehemalige Franziskanerkloster in Neuburg an der Donau. In seinen Räumen richtete er das Priesterhospiz St. Augustin für al-te und hilfsbedürftige Priester ein. Ab Mitte des letzten Jahrhunderts wurde das Haus auch für betreuungssuchen-de Frauen und Männer aus Stadt und Region Neuburg geöffnet. Das Alten- und Pflegeheim St. Augustin liegt sehr günstig. Alle notwendigen Geschäfte und wichtige Einrichtungen sind in un-mittelbarer Nähe. An das Haus gliedert sich eine ausgedehnte und gepflegte Gartenanlage an, in der die Heimbewoh-ner Ruhe und Erholung finden.

Die Gesamtleitung dieser Einrichtung obliegt derzeit Prior Frater Donatus Wiedenmann. Vier weitere Barmherzige Brüder und 52 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es sich zum Ziel ge-setzt, dem Altenheim einen wohnlichen Charakter zu verleihen, und bemühen sich, den Heimbewohnern im Alter ein Zuhause zu schaffen. Wir unterstützen das selbstständige Handeln unserer Heimbewohnerinnen und Heimbewoh-ner und fördern ihre persönliche Lebens-entfaltung und -gestaltung.

Für rüstige wie für pflegebedürftige Menschen stehen derzeit 81 Plätze in Appartements, Ein- und Zweibettzim-mern zur Verfügung. Eine fachgerechte Pflege und Betreuung in allen Pflege-

stufen garantieren unsere motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Pfle-gequalität bedeutet auch immer Lebens-qualität. Das heißt, wir ermöglichen dem alten Menschen, dass er trotz und mit seiner Pflegebedürftigkeit sein Leben im Alter sinnvoll gestalten kann. Bei „Pfle-gebedürftigkeit“ suchen wir einen Weg, die Gebrechlichkeiten des Alters positiv zu bewältigen. Unsere Pflege ist deshalb ganzheitlich und sieht den Menschen als Einheit von Körper, Geist und Seele.

Innerbetriebliche Projekte, Veranstal-tungen und Feste im Jahreskreis sind für unsere Seniorinnen und Senioren Weg-begleiter durch das ganze Jahr. Regel-mäßig finden statt: Basteln, Spielen, Sin-gen, Gymnastik, Dia- und Videovorträge und Meditationen. In die Klosterkirche kommen viele Besucher aus der Stadt und - damit ist unser Haus ein wichtiger Treffpunkt für die Heimbewohner und die Neuburger Bevölkerung.

Zur Zeit entsteht ein Neubau mit 67 Bet-ten, der bis Anfang 2010 fertiggestellt sein wird. Nach der Gesamtsanierung stehen künftig 100 Altenheimplätze zur Verfügung. Davon werden 20 Betten für geronto-psychiatrische Pflege (Demenz-kranke) bereitgestellt. In diesem Bereich sehen wir einen großen Bedarf, da im Umfeld von Neuburg keine entspre-chenden Plätze angeboten werden. Frater Donatus Wiedenmann