7
Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie für den Weiterbau der WKA Rogun in Tadschikistan Results of a Feasibility Study for Construction Completion of Rogun HEP in Tajikistan Roland Schmidt Abstract The article outlines the results of the bankable feasibility study for the construction completion of the outstanding Rogun scheme in Tajikistan. The study was ordered by Russian Aluminium (RUSAL) and prepared during 2005 and 2006 by German consultant Lahmeyer International. Special challenges for the project’s design constitute the prevailing geological setting, in combination with high seismicity and the presence of active faults partly filled with salt, and also the energy dissipation from floods spilled into the tailwater at some 300 m head. Another relevant task was the determination of the scope of existing construction works, which will be used in the construction completion project. Zusammenfassung Der Entwurf dieses außergewöhnlichen Projektes stellt den Planer vor zwei besondere Herausforderungen, zum einen die Kombination aus schwierigen geologischen Verhältnissen, hoher Seismizität und den die Dammstelle kreuzenden aktiven Verwerfungen, zum anderen die Energieumwandlung bei der Hochwasserableitung aus ca. 300 m Höhe. Die Machbarkeitsstudie wurde von Lahmeyer International 2005 und 2006 im Auftrag von Russian Aluminium (RUSAL) erstellt. 1 Projekthintergrund 1.1 Geographie Rogun liegt in der Republik Tadschikistan, etwa 110 km östlich der Hauptstadt Duschanbe, am Flusse Vakhsh, 340 km oberstrom des Zusammenflusses mit dem Grenzfluss zu Afghanistan, Pyanj, der ab dort Amu-Darya heißt. Die Sperrstelle Rogun liegt am Kopf einer Kaskade von derzeit fünf existierenden Wasserkraftanlagen am Vakhsh, ungefähr 70 km oberhalb der WKA Nurek mit ihrem 300 m hohen und damit welthöchsten Staudamm; der Nurek-Stausee wurde bereits Anfang der 1970er Jahre eingestaut. Tadschikistan ist ein Hochgebirgsland mit ausgedehnten glazialen Flusssystemen und besitzt fast 4% der weltweiten Wasserkraft-Ressourcen; es liegt damit an achter Stelle bzw. sogar an erster Stelle auf Pro-Kopf Basis. Mehr als 95% der elektrischen Energie Tadschikistans wird durch Wasserkraftanlagen erzeugt, hauptsächlich durch die der Vakhsh-Kaskade, insbesondere der WKA Nurek (10.5 TWh/Jahr).

66_Schmidt Roland

Embed Size (px)

Citation preview

420

Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie für den Weiterbau der WKA Rogun in Tadschikistan

Results of a Feasibility Study for Construction Completion of Rogun HEP in Tajikistan

Roland Schmidt

Abstract The article outlines the results of the bankable feasibility study for the construction completion of the outstanding Rogun scheme in Tajikistan. The study was ordered by Russian Aluminium (RUSAL) and prepared during 2005 and 2006 by German consultant Lahmeyer International. Special challenges for the project’s design constitute the prevailing geological setting, in combination with high seismicity and the presence of active faults partly filled with salt, and also the energy dissipation from floods spilled into the tailwater at some 300 m head. Another relevant task was the determination of the scope of existing construction works, which will be used in the construction completion project.

Zusammenfassung Der Entwurf dieses außergewöhnlichen Projektes stellt den Planer vor zwei besondere Herausforderungen, zum einen die Kombination aus schwierigen geologischen Verhältnissen, hoher Seismizität und den die Dammstelle kreuzenden aktiven Verwerfungen, zum anderen die Energieumwandlung bei der Hochwasserableitung aus ca. 300 m Höhe. Die Machbarkeitsstudie wurde von Lahmeyer International 2005 und 2006 im Auftrag von Russian Aluminium (RUSAL) erstellt.

1 Projekthintergrund

1.1 Geographie

Rogun liegt in der Republik Tadschikistan, etwa 110 km östlich der Hauptstadt Duschanbe, am Flusse Vakhsh, 340 km oberstrom des Zusammenflusses mit dem Grenzfluss zu Afghanistan, Pyanj, der ab dort Amu-Darya heißt. Die Sperrstelle Rogun liegt am Kopf einer Kaskade von derzeit fünf existierenden Wasserkraftanlagen am Vakhsh, ungefähr 70 km oberhalb der WKA Nurek mit ihrem 300 m hohen und damit welthöchsten Staudamm; der Nurek-Stausee wurde bereits Anfang der 1970er Jahre eingestaut.

Tadschikistan ist ein Hochgebirgsland mit ausgedehnten glazialen Flusssystemen und besitzt fast 4% der weltweiten Wasserkraft-Ressourcen; es liegt damit an achter Stelle bzw. sogar an erster Stelle auf Pro-Kopf Basis. Mehr als 95% der elektrischen Energie Tadschikistans wird durch Wasserkraftanlagen erzeugt, hauptsächlich durch die der Vakhsh-Kaskade, insbesondere der WKA Nurek (10.5 TWh/Jahr).

421

Das Einzugsgebiet des Vakhsh umfasst 39.000 km² und ist das höchstgelegene Flusssystem Zentralasiens; es liegt inmitten des Pamir-Altai-Gebirges. Etwa 30% der Fläche des Einzugsgebiet liegen höher als 4000 m ü. NN und sind von Schneefeldern und Gletschern bedeckt. Aufgrund seines Gebirgsregimes transportiert der Vakhsh eine hohe Sedimentfracht, insbesondere in seinem oberen Abschnitt, wo Rogun liegt. Der mittlere Jahresabfluss des Vakhsh bei Rogun liegt bei ungefähr 20 km³, was einem mittleren Abfluss von 635 m³/s entspricht.

An der Dammstelle Rogun (Bild 1), fließt der Vakhsh durch ein enges V-Tal mit ca. 50° steilen und 400 bis 500 m hohen Tal-Flanken. Die Sperrstelle ist geprägt durch schwierige tektonische und geologische Verhältnisse. Tektonische Störungen, z.T. salzführend und mit Verschiebun-gen von 1-2 mm pro Jahr, kreuzen die Dammstelle. Für den Dammentwurf wurden ungewöhnlich hohe Erdbebenbeschleunigungen von 0.56 g (in horizontaler Richtung) berücksichtigt. Der anstehende Fels besteht aus Wechsellagerungen von standfestem Sand-stein und schwächerem Ton- und Schluffstein.

Bild 1: Blick in das enge V-Tal des Vakhsh an der Dammstelle der WKA Rogun [3]

1.2 Geschichte

Gemäß ursprünglicher Planung sollte Rogun vorrangig der Abfluss-Regulierung von Vakhsh und Amu-Darya dienen, um die Bewässerung riesiger Baumwollfelder in Usbekistan zu ermöglichen. Gemäß dem Entwurf aus dem Jahre 1978 sollte die WKA Rogun mit 335 m Dammhöhe Nurek um gut 10% übertreffen und damit die höchste Talsperre der Welt werden. Neben dem Steinschüttdamm mit Kerndichtung umfasst der Entwurf von 1978 ein

422

Kavernenkrafthaus mit sechs Francis-Turbinen (6 x 600 MW) sowie die zugehörigen Hochwasserentlastungs- und Betriebsanlagen. Das entsprechende Reservoir-Volumen betrug ca. 13,3 km³, bei rund 8,6 km³ nutzbarem Speicherinhalt, womit der Rogun-Stausee als Jahresspeicher betrieben werden konnte.

Mit den Erschließungsarbeiten der Dammstelle wurde bereits 1976 begonnen; die eigentlichen Bauarbeiten wurden 1982 aufgenommen. Bis 1990, als der Zusammenbruch der Sowjetunion zum Erlahmen der Bautätigkeiten führte, war ein bedeutender Teil der Untertage-Bauten fertiggestellt (Bild 2). 1993 wurden die Bauarbeiten vollständig eingestellt, nachdem während eines Hochwassers beide Kofferdämme überflutet und zerstört wurden.

Bild 2: Vorhandene Untertage-Bauten der WKA Rogun [4]

1.3 Planungen für den Weiterbau

Seither gibt es unterschiedliche Ansätze für den Weiterbau dieses außergewöhnlichen Projektes. Anfang 2005 wurde Lahmeyer International GmbH (LI) mit der Durchführung einer Machbarkeitsstudie für Stufe 1 des Weiterbaus der WKA Rogun beauftragt. Auftraggeber ist der russische Konzern RUSAL, seit dem jüngst erfolgten Zusammenschluss mit SUAL der weltgrößte Aluminium-Produzent. Die Planungen RUSALs sahen vor, dass bestehende und neue Aluminiumfabriken in Tadschikistan mit Elektrizität aus der WKA Rogun versorgt werden.

Um das anfängliche Investitionsvolumen niedrig zu halten, wurde von einer Projektdurchführung in mindestens zwei Stufen ausgegangen. Die Parameter für den stufenweisen Ausbau sind aus Tabelle 1 ersichtlich.

423

Tabelle 1: Die Parameter für den stufenweisen Ausbau der WKA Rogun [2]

Die Machbarkeitsstudie wurde von LI Ende 2006 fertiggestellt und beinhaltet die Beurteilung verschiedener Projektkonzepte sowie die Ausarbeitung des ausgewählten Weiterbaukonzeptes, unter Berücksichtigung der Endausbauhöhe des Dammes. Zudem wurde untersucht, in welchem Umfang die vorhandenen Bauwerke in den Entwurf integriert werden können.

2 Grundzüge des ausgewählten Weiterbaukonzeptes

2.1 Hauptkomponenten

Das zur Ausführung empfohlene Weiterbaukonzept (Bild 3) basiert auf der Nutzung der vorhandenen Umleitungsstollen sowie Maschinen- und Trafokavernen und ist dem Originalentwurf von 1978 in weiten Teilen recht ähnlich.

Bild 3: Weiterbaukonzept der WKA Rogun: Steinschüttdamm (beige), Triebwasserwege (grün), Hochwasserentlastung (blau), Achsen der Umleitungsstollen (orange) [2]

424

Im folgenden werden die Hauptkomponenten in ihren Grundzügen vorgestellt:

Steinschüttdamm mit Innendichtung

Eine große Herausforderung beim Entwurf der WKA Rogun stellt der ca. 300 m hohe Stau-damm dar. Aufgrund der vorhandenen tektonischen Störungen, mit jährlichen Verschiebungen von 1-2 mm, und der hohen Seismizität wurde ein Steinschüttdamm mit zentralem Lehmkern gewählt, wie schon für Nurek mit seinen etwas weniger problematischen aber ansonsten ähnlichen Verhältnissen.

Maschinen- und Trafokaverne

Diese wurden in den 1980ern bereits zu guten Teilen ausgebrochen (175 000 m³ bzw. 57 000 m³). Die gewählte Anordnung auf der linken Fluss-Seite ergibt die kürzesten Triebwasserwege und vermeidet die Notwendigkeit von Wasserschlössern. Die Länge der Maschinenkaverne beträgt ca. 200 m. In dem LI-Entwurf wird auf die Nutzung der westseitigen 50 m verzichtet, da hier Tonsteinlagen anstehen, deren Kriechverformungen auch nach 20 Jahren noch nicht abgeklungen sind. Die verbleibende Länge ist ausreichend für den Einbau von vier Turbinen-sätzen von je 600 MW. Zudem konnte durch den überarbeiteten Entwurf die Kavernenhöhe von ca. 55 m auf rund 45 m reduziert werden.

Flussumleitung

Die zwei vorhandenen, je fast 1,5 km langen Umleitungsstollen (je ca. 1 800 m³/s bei HQ50) kreuzen das Vakhsh-Bett ca. 300 m unterstrom der Dammachse. Das Kreuzungsbauwerk aus Stahlbeton ist in offener Bauweise noch zu erstellen. Die auf beiden Fluss-Seiten vorhandenen Tunnel sind an den Kreuzungsstellen mit den tektonischen Störungen durch Felsstürze blockiert und müssen komplett saniert werden.

Gemäß dem Entwurf von 1978 dienten die Umleitungsstollen gleichzeitig als Turbinenauslass-Tunnel mit Freispiegelabfluss, weshalb hinter den Absperrorganen eine ungünstig steile Rampe angeordnet wurde. Dadurch traten Fließwechsel auf, verbunden mit hohen Erosionsraten. Der LI-Entwurf sieht die maximal mögliche Abflachung dieser Rampe vor, wodurch diese Fließwechsel vermieden werden.

Hochwasserentlastung/Mittelauslass

Die zweite zentrale Herausforderung beim Entwurf der WKA Rogun ist die Energieumwandlung bei der Hochwasserabfuhr von 7 500 m³/s aus ca. 300 m Höhe. Noch während des Baus wurde die ursprüngliche Planung (Tunnel und anschließender offener Schuss-Rinne) verworfen und sowjetische Institute mit Untersuchungen an Fallschächten und Wirbeltunneln beauftragt. Eine solche Lösung wurde in vergleichbarer Dimension erstmals für das WKA Tehri, Indien, verwirklicht. Seit der 2006 erfolgten Inbetriebnahme wird jedoch eher zurückhaltend hierüber berichtet.

Daher greift der LI-Entwurf auf eine Kombination konventioneller Entwurfselemente zurück, bestehend aus einer offenen Schussrinne und zwei Hochwasserentlastungstunneln (50% plus 2 x 25% der Probable Maximum Flood), jeweils mit abschließendem Skisprung. Die

425

Energieumwandlung erfolgt zum größten Teil in einem riesigen Kolk-Becken im unterstrom der Turbinenausläufe.

2.2 Umwelt- und Sozialverträglichkeit

Durch den Stausee der WKA Rogun (Stufe 1) gehen ca. 600 ha Kulturland verloren, wovon ein Drittel Ackerland und zwei Drittel Weideland sind. Zehn Siedlungen werden überflutet, wodurch 1 300 Familien umgesiedelt werden müssen. Zudem muss die auf der rechten Talseite verlaufende Straße über 110 km Länge in höhere Lagen verlegt werden (Kosten ca. 250 Mio. US-Dollar).

Einen weiteren wichtigen Aspekt stellen die potenziellen Auswirkungen von Einstau und Betrieb der WKA Rogun auf die Unterlieger-Staaten Usbekistan, Turkmenistan and Afghanistan dar. Da hier die Sommerhochwasser für Bewässerung genutzt werden, sind diese Staaten nach internationalem Recht von der Tadschikischen Regierung zu konsultieren, bevor das Flussregime des Vakhsh durch den Bau von Rogun verändert wird.

2.3 Wirtschaftlichkeit

Für Stufe 1 des ausgewählten Projektkonzepts mit Steinschüttdamm und den in Abschnitt 2.1 beschriebenen Hauptkomponenten wurden Investitionskosten, inklusive 15 % für Unvorhergesehenes, in Höhe von 1,94 Mrd. US-Dollar bestimmt (Preisbasis: 2005). Etwa 68% hiervon entfallen auf die baulichen Anlagen, 17% auf die elektromechanische Ausrüstung sowie 11% auf Maßnahmen zur Umwelt- und Sozialverträglichkeit. Die Kosten für den Ausbau von Stufe 1 auf Stufe 2, wodurch sich die Energieausbeute nahezu verdoppelt, betragen hingegen nur eine halbe Milliarde US-Dollar bzw. etwa ein Viertel der Investitionskosten für Stufe 1.

Die diskontierten Stromgestehungskosten für Stufe 1 liegen bei 3,9 US-Cent pro Kilowattstunde (Diskontsatz 8.5%) und reduzieren sich bei Hinzunahme von Stufe 2 auf 2,5 US-Cent pro kWh. Entsprechend erhöht sich der interne Zinssatz von 11 % (Stufe 1) auf 16 % (Stufen 1 und 2). Sofern der steigende regionale Energiebedarf eine Jahresproduktion von zusätzlich 10 bis 12 TWh durch Rogun rechtfertigt, sollte der Weiterbau der WKA Rogun ohne Frage mindestens bis Ausbaustufe 2 erfolgen.

3 Weiteres Vorgehen Höchste Priorität für den Weiterbau der WKA Rogun hat, dass sich die Tadschikische Regierung mit dem Investor und den finanzierenden Banken auf die Endausbauhöhe des Dammes einigt, und zwar unter Beteiligung der Regierungen der Unterlieger-Staaten. Da der Weiterbau der WKA Rogun sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung Tadschikistans auswirkt und durch den Rogun-Damm zudem die fortschreitende Verlandung des Nurek-Stausees aufgehalten wird, sollte diese Einigung baldmöglichst erreicht werden.

In Anbetracht der Einzigartigkeit der Projektmöglichkeit der WKA Rogun sowie dem bei größeren Dammhöhen als den als Optimum identifizierten 285 m nur langsam abnehmenden internen Zinssatz, wäre es verständlich, wenn Banken und Investor auch einer etwas höheren als der optimalen Dammhöhe zustimmen würden. Nach Festlegung der Endausbauhöhe des Dammes sind die von LI erstellte Machbarkeitsstudie für Stufe 1 sowie die zugehörige Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudie entsprechend zu überarbeiten und zu erweitern.

426

Literatur [1] Schmidt, R.; Zambaga-Schulz, S.; Seibitz, M.: Bankable Feasibility Study for Rogun HEP

Stage 1 Construction Completion in Tajikistan. In: Dams and Reservoirs, Societies and Environment in the 21st Century, ICOLD-SPANCOLD (2006), Vol.1, S. 405-413.

[2] Rogun Hydroelectric Plant (HEP) in the Republic of Tadjikistan, Bankable Feasibility Study for Stage 1 Construction Completion. Bad Vilbel: Lahmeyer International, 2006.

[3] Rogun Hydroelectric Plant (HEP) in the Republic of Tadjikistan, Justification of Optimal Parameters of Rogun HEP on Exemplary Basis for Clay Core Earthfill Dam. Bad Vilbel: Lahmeyer International, 2006.

[4] Rogun Hydroelectric Plant (HEP) in the Republic of Tadjikistan, Detailed Evaluation of Existing Construction & Equipment. Bad Vilbel: Lahmeyer International, 2006.

[5] Kramer, K.; Schmidt, R.; Seibitz, M.: Hochwasserentlastungskonzept für die Wasserkraftanlage Rogun in Tadschikistan. In: Schriftenreihe zur Wasserwirtschaft, Technische Universität Graz, Heft 46 (2006), S. 333-348.

Anschrift des Verfassers Dr.-Ing. Roland Schmidt Lahmeyer International GmbH Friedberger Straße 173 61118 Bad Vilbel [email protected]