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Biodiversität & Naturschutz 7. Eingeführte Arten, Krankheiten und Übernutzung

7. Eingeführte Arten, Krankheiten und Übernutzung

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Biodiversität & Naturschutz

7. Eingeführte Arten, Krankheiten und Übernutzung

Neobiota

• Neophyten: nicht heimische Pflanzenarten, die nach der Entdeckung von Nordamerika (1492) nach Europa eingeführt wurden

• Neozoen: nicht heimische Tierarten, die nach der Entdeckung von Nordamerika (1492) nach Europa eingeführt wurden

• Archaeobiota: usprprünglich nicht heimische Arten, die bereits vor 1492 eingeschleppt wurden und sich etablierten

Neobiota

BfN 2005

Besiedlung eines neuen Habitats

Ankunft Etablierung Populationswachstum

Ausbreitung

Störung des Ökosystems

Integration in das neue Ökosystem

Genetische Anpassung

Invasive Art

Nichtinvasive

exotische Art

Koevolution - Koexistenz

Nischenanpassung, lokales Aussterben,...

Verändert nach Bazzaz (1986)

Natürliche Lebensraumerweiterung• Überwindung einer geographischen Barriere

• Auflösung einer geographischen Barriere

• Entwicklung neuer Arteigenschaften

Besiedlung von Landlebensräumen durch Gefäßpflanzen

Verstärkte Bodenbildung

Erhöhter Nährstofffluss

Verstärkte CO2-Aufnahme

Eutrophierung

Anoxia

Aussterben

Verringerte athmosphärische & ozeanische CO2-Konzentration

Global Abkühlung

Vergletscherung

Verändert nach Algeo and Scheckler (1998)

Welche Rolle spielt dabei der Mensch?

Besiedelung der Hawaii Inseln

Zeitperiode Dauer Immigrationsrate

Entstehung der Inseln –Ankunft der Polynesier

70 Mill. Jahre 2.9×10-5 Arten/Jahr

Ankunft der Polynesier –Ankunft der Europäer

1.400 Jahre 3.5×10-2 Arten/Jahr

Ankunft der Europäer –heute

225 Jahre 60 Arten/Jahr

USGS (1999)

Absichtliche Freisetzung

• Nutztiere & Nutzpflanzen• Zierpflanzen & Haustiere• Biologische Schädlingsbekämpfung• Fische & Jagdwild• Vertreter der alten Heimat

Unbeabsichtigte Freisetzung

• „Blinde Passagiere“– Landwirtschaftl. Produkte– Verpackungen– Ballastwasser– …

• „Ausreißer“– Haustiere, Gartenpflanzen– Zoos, botanische Gärten– Versuchstiere

• Parasiten, Pathogene

Unbeabsichtigte Erleichterung

• Aufhebung physischer Barrieren• Bereitstellung von Ressourcen• Störung• Landschaftsveränderung• Klimaveränderung

Eigenschaften invasiver Arten

• Gutes Ausbreitungsvermögen• Hohe Reproduktionsrate, hohes

Populationswachstum • Fähigkeit zur ungeschlechtlichen

Fortpflanzung oder Selbstbefruchtung• “Genetische Fitness” • Breiter ökologischer Toleranzbereich • Klimatische Passung

Anfälligkeit einer Artengemeinschaft für Invasion • Abwesenheit starker Konkurrenten• Abwesenheit natürlicher Feinde• Vorhergehende Störung• Besiedlungsdruck• Biotische “Förderung”

Source: Pics4Learning

Source: NOAA Photo Library

Ökologische Konsequenzen von Invasionen

Population

Gemeinschaft

Ökosystem

Mechanismen• Vertikale Prozesse in der Nahrungskette

• Horizontal Prozesse in der Nahrungskette

• Änderung der Umwelteigenschaften

Populationsebene• Populationsrückgang

• Aussterben

• Hybridisierung

oder

Gemeinschaftsebene

Aus Townsend, Harper, Begon 2003

Auswirkungen auf die Artenvielfalt

• Rückgang der Vielfalt

• Zunahme der Vielfalt

Prevention and Control of Invasions

• Prävention– Vorhersagen– Regulation

• Bekämpfung • Kontrolle• Restoration

Neobiota

Verbreitung von Organismen im aquatischen Bereich:

• natürliche Ausbreitung: Strömungen, Wanderungen, Aufwuchs auf Meerestieren, im Gefieder von Vögeln

• Schiffsverkehr: mit dem Ballast, mit der Ladung, im Aufwuchs der Schiffsaußenhaut

• Aquakultur• Aquarienhandel• Kanäle

Neobiota

Ballastwasser:• seit ca. 1880 wird Ballastwasser zur Stabilisierung von

nicht voll beladenen Schiffen verwendet• transportiertes Ballastwasser weltweit ca. 10 Milliarden t

jährlich (Rigby & Taylor 1995), in deutschen Häfen werden jährlich 10 Mill. t Ballastwasser abgelassen

• nach Schätzungen werden mit der Welthandelsflotte täglich 4.000-7.000 Arten transportiert (bisher > 1000 Arten in Ballasttanks festgestellt)

S. Gollasch

Neobiota

Beispiel Sandklaffmuschel (Mya arenaria)

• Herkunft: Ostküste Nordamerikas

• eine der häufigsten Arten im Wattenmeer der Nordsee

• vermutlich als Schiffsaufwuchs durch Wikinger eingeschleppt

www.nationalpark-hamburgisches-wattenmeer.de

NeobiotaBeispiel Zebramuschel

(Dreissena polymorpha)• Herkunft: ponto-kaspische

Region• seit Mitte des 19.

Jahrhunderts in Nordeuropa, seit 1986 in den Großen Seen

• erreicht Dichten bis 700.000 Ind./m²

• Verdrängung heimischer Muschelarten, Verstopfung industrieller Rohrleitungen (Kosten: mehrere 100 Mil. USD jährlich)

L. Peters

USGS Noindigenous Aquatic Species Program

NeobiotaBeispiel Rote Königskrabbe (Paralithodes

camtschaticus)• Größe bis 1,6 m, Alter bis 25 a• Herkunft: Nordpazifik• 1961-69 zur Erhöhung der

Fischereifangerträge an der russischen Barentsseeküste angesiedelt, zunehmende Ausbreitung westwärts (seit 1992 in N-Norwegen)

• Reduktion von Muschelbänken und Plattfischbeständen (eine Krabbe frisst täglich 400-700 g Muscheln)

NeobiotaBeispiel Mnemiopsis leydii• Größe: 100-120 mm• Herkunft Nordamerika• in den 1980er Jahre mit

Ballastwasser in das Schwarze Meer gelangt

• starke Reduktion des Zooplanktons, tägliche Nahrungsaufnahme bis zum 10fachen des eigenen Körpergewichts, führte bis 1994 zum Zusammenbruch der Anchovi-Fischerei

R. Harbison, Woods Hole Oceanographic Institution

NIMPIS (2002)

NeobiotaAnzahl gebietsfremder aquatischer Arten in Europa.

Gollasch (2003)

Neobiota

Anzahl der neu registrierten gebietsfremden Arten im Bereich der Ostsee in Intervallen von 25 Jahren mit Angabe ihrer Herkunft.

Andere Herkunft oder Herkunft unbekannt

Südostasien und Indopazifische Region

Nordamerika

Ponto-Kaspische Region

Leppäkoski et al. (2002)

Neobiota: Etablierung

100 eingebrachte Arten

90 nicht überlebens- bzw.vermehrungsfähig

10 unbeständig

1-2 dauerhaft etabliert

0,2 haben invasiven Charakter

„10er-Regel“

Neobiota

Gruppe Gesamt etabliert noch nicht etabliert Status fraglich

Säugetiere 22 8 14 0Vögel 163 15 138 10Reptilien 14 0 13 1Amphibien 8 1 7 0Knochenfische 54 8 21 25Sinnentiere 35 10 2 23Insekten 553 115 185 253Krebse 62 26 9 27Ringelwürmer 33 10 4 19Weichtiere 83 40 7 36Sonstige Arten 122 31 43 48Summe 1149 264 443 442

Verteilung der 1149 in Deutschland nachgewiesenen Neozoenarten nach Artengruppen, Stand 2003 (BfN 2005).

Neobiota

Gegenmaßnahmen in der Schifffahrt:• keine Aufnahme von Ballastwasser in seichten und

verschmutzten Buchten und nicht während der Nacht • „Reballasting“: Austausch des Ballastwassers auf der

Hochsee• Behandlung des Ballastwassers (Filtern, Erhitzen,

ultraviolettes Licht, Ultraschall, Ozon, Gift, Veränderung des Salzgehaltes, Sauerstoffentzug oder Entsorgung in spezifischen Abwasseranlagen)

• Australien führte 1990 eine Richtlinie für den Umgang mit Ballastwasser ein, Initiative der Internationalen Schifffahrtsorganisation zur Behandlung des Ballastwassers ab 2009 (IMO A.868(20)

Ökonomische KostenStudie des UBA (Rheinhardt et al. 2003) zu den ökonomischen Folgen von Neobiota in Deutschland. Zusammen-fassung der Kosten, die durch ausge-wählte Neobiota jährlich in Deutschland ent-stehen.

Neobiota

Studie des UBA (Rheinhardt et al. 2003) zu den öko-nomischen Folgen von Neobiota in Deutschland. Zusammenfassungder Kosten, die durch die bearbeiteten Neobiota (20 Arten) jährlich in den jeweiligen Problemfeldern entstehen.

Übernutzung

www.wikipedia.de

Dobson 1997

Aufzeichnung der zwischen 1920 und 1980 in den südlichen Meeren gefangenen Wale.

Beispiel Walfang

ÜbernutzungGeschichte des Walfangs I:• Beginn des 18. Jahrhunderts: Entdeckung von Pottwalen als Quelle

für Schmieröl, Kerzenwachs, Lampenöl, Beginn des goldenen Zeitalters des Walfangs der amerikanischen Nordstaaten

• 18. und 19. Jahrhundert: Ausdehnung des Walfangs auf weitere Walarten (Glatt-, Buckel- und Grauwal)

• 1860: Norwegen nimmt erstes dampfgetriebenes Walfangschiff mit Harpunengeschütz in Betrieb, Fang von Blau-, Finn- und Buckelwalen

• Beginn des 20. Jahrhunderts: Walbestände im gesamten Atlantik reduziert, Walfänge konzentrieren sich auf die südlichen Ozeane, Einrichtung von Walfangstationen auf der Insel Südgeorgien und den Falklandinseln

ÜbernutzungGeschichte des Walfangs II:• 1908: britische Behörden belegen Walöl der Fangstationen mit

Steuern, Norweger entwickeln schwimmende Walverarbeitungsstationen und später Fabrikschiffe

• 1932: nach Übersättigung des Walölmarktes (1930 wurden 30.000 Blauwale gefangen) werden erste Walfangquoten für die südlichen Meere vereinbart

• 1946: Gründung der Internationale Walfangkommission (IWC), offizielles Fangquotensystem wird eingerichtet (Gesamtgewicht der pro Jahr gefangenen Wale wird begrenzt)

• 1961: IWC legt Fangquoten für jede der 17 Walfangnation fest• 1986: IWC beschließt weltweites Moratorium des kommerziellen

Walfangs

Übernutzung

Die Bestände einiger Walarten nach Daten von National Geographic 1988. Die Angaben zum Walbestand vor Beginn des Walfangs sind spekulativ.

Aus Primack 1995

Übernutzung

Aus Gaston & Spicer 2004

a) Schätzungen zum weltweiten Fischfang im Zeitraum 1950 – 99;

b) Anteil wichtiger mariner Fischressourcen in den verschiedenen Entwicklungsphasen der Fischerei.

a)

b)

Beispiel Fischfang

Übernutzung

Pauly et al. 2005

Biomass of Table Fish (tons per km2)

Source: Millennium Ecosystem Assessment; Christensen et al. 2003

19002000

Übernutzung

Smith & Smith 2009

Übernutzung• Fischerei hat einen Anteil von ca. 1 % am weltweiten

GNP• in Asien dient Fisch ca. 1 Milliarde Menschen als

Hauptquelle für tierische Proteine• weltweit sind ca. 200 Mill. Menschen vom Fischfang

abhängig• die Kapazität der Fischereiflotte reicht aus um zweimal

die Jahresproduktion der Meere zu fischen (Weber 1994)

• die jährlichen Kosten in der Fischereiwirtschaft betragen 124 Milliarden USD; die jährlichen Fangerträge haben eine Wert von 70 Milliarden USD (FAO 1992)

• der Beifang wird auf jährlich 27 Mill. t geschätzt (1/4 –1/3 des Gesamtfangs)

Übernutzung

Beispiel illegaler Handel mit Pflanzen und Tieren aus Wildbeständen:

• Schätzungen zu den jährlich gehandelten Pflanzen und Tieren aus Wildbeständen (Hunter, 1996):– 25.000-30.000 Affen– 2-5 Mill. Vögel– 500-600 Mill. Aquarienfische– 9-10 Mill. Orchideen– 7-8 Mill. Kakteen

Übernutzung

• in 2004 wurden ca. 10.000 Tiere oder Teile von Tieren vom Zoll Frankfurt beschlagnahmt (1000 Beschlagnahmungen in Deutschland pro Jahr)

• Strafen– Hornschnitzereien von einer Waldziegenantilope:

bis zu 2.000 Euro– Jaguarfell aus Paraguay: bis zu 1.000 Euro– artgeschützte Muschel: Verwarnungsgeld von bis

zu 40 Euro

IFAW

Übernutzung

Gegenmaßnahmen:• Stabilisierung der Weltbevölkerung• Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhaltes

ohne Zerstörung der Umwelt schaffen• durch Strafen und Anreize, die der Erhaltung von

Umwelt eine höhere Bedeutung verleihen (z.B. durch angemessene Preise für nachhaltig erzeugte Produkte)

• Beschränkung des internationalen Handels von Produkten, deren Gewinnung die Umwelt schädigt

• Ressourcenverbrauch senken

Zusammenfassung

1. Durch Schaffung von Transport- und Ausbreitungswegen sowie einer absichtlichen Freisetzung (z.B. in der Aquakultur) kommt es zur Verbreitung von gebietsfremden Arten.

2. Durch gebietsfremde Arten kann es zur Verdrängung heimischer Arten kommen. Mechanismen sind die Konkurrenz um Ressourcen, die Verbreitung von Krankheiten, der Prädations- bzw. Parasitierungsdruck, Hybridisierung und Änderung der Umweltbedingungen.

3. Viele Arten sind durch Übernutzung und illegalen Handel bedroht. Die kommerzielle Ausbeutung folgt häufig auf eine gesteigerte Abhängigkeit von Technik, Verkehr und neuen Märkten.

Diskussion

• Warum ist die Verschleppung oder Freisetzung von gebietsfremden Arten im Gegensatz zur natürlichen Ausbreitung von Arten kritisch zu betrachten?

• Durch welche Faktoren wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine gebietsfremde Art etabliert, erhöht?

• Warum sind Inseln besonders anfällig für eingeführte Arten und Krankheiten?

• Wie beeinflusst der Mensch die Verbreitung und Häufigkeit von Krankheiten in Tier- und Pflanzenpopulationen?

Literaturempfehlung

• Kegel, B. (2001): Die Ameise als Tramp: Von biologischen Invasionen. Heyne Verlag, 447 S.

• Millenium Ecosystem Assessment: http://www.millenniumassessment.org/en/Index.aspx