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7 Präzedenzfälle für kostenlose Reisestornierungen Durch Abschluss einer Reisekostenrücktrittsversicherung kann das Zahlen von Stornie- rungskosten vermieden werden. Dies gilt jedoch nur bei sogenannten versicherten Gründen: Unerwartete und den Reisenden selbst betreffende Ereignisse. Doch welche Rechte haben Sie, wenn externe Gründe der geplanten Reise im Weg stehen? Im Falle eines Terroranschlags, einer Epidemie oder einer Unwetterkatastrophe? Da hier die Frage nach einer kostenfreien Stornierung oft strittig ist, haben wir 7 Präzedenzfälle zusammengetra- gen, die Ihnen in einem ähnlichen Fall behilflich sein können.

7 Präzedenzfälle für kostenlose Reisestornierungen€¦ · Amtsgericht München, 07. Januar 2013: Az 55 C 30273/02 Reisewarnungen für Gebiete, in denen eine hohe Gesundheitsgefährdung

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Page 1: 7 Präzedenzfälle für kostenlose Reisestornierungen€¦ · Amtsgericht München, 07. Januar 2013: Az 55 C 30273/02 Reisewarnungen für Gebiete, in denen eine hohe Gesundheitsgefährdung

7 Präzedenzfälle für kostenlose Reisestornierungen

Durch Abschluss einer Reisekostenrücktrittsversicherung kann das Zahlen von Stornie-

rungskosten vermieden werden. Dies gilt jedoch nur bei sogenannten versicherten

Gründen: Unerwartete und den Reisenden selbst betreffende Ereignisse. Doch welche

Rechte haben Sie, wenn externe Gründe der geplanten Reise im Weg stehen? Im Falle eines

Terroranschlags, einer Epidemie oder einer Unwetterkatastrophe? Da hier die Frage nach

einer kostenfreien Stornierung oft strittig ist, haben wir 7 Präzedenzfälle zusammengetra-

gen, die Ihnen in einem ähnlichen Fall behilflich sein können.

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Fall 1

» Vorzeitige Wehen rechtfertigen Reiserücktritt

Fall 2

» Stornogebühren bei Unwetter

Fall 3

» Kostenlose Stornierung bei Städtereisen wegen Terrorangst

Fall 4

» Kostenlose Storno bei hoher Gesundheitsgefährdung

Fall 5

» Kostenlose Storno bei mangelhaften Reiseunterlagen

Fall 6

» Fluglinie darf keine Stornierungsgebühr erheben

Fall 7

» Angabe von Flugpreisen ohne Endpreis unzulässig

Storno bei versicherten Gründen

Sogenannte versicherte Gründe befreien den Reisenden unter Voraussetzung einer abge-

schlossenen Reisekostenrücktrittsversicherung von Zahlung der Stornokosten bei

Rücktritt einer Reise. Dazu zählen unvorhersehbare Ereignisse, die den Reisenden selbst

betreffen (z.B. ein Unfall, plötzliche Krankheit, Tod eines Angehörigen). Der Reiseabbruchs-

grund wird individuell vom Reiseveranstalter geprüft und muss diesem umgehend gemel-

det werden, um anfallende Stornokosten zu vermeiden.

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Fall 1

Vorzeitige Wehen rechtfertigen Reiserücktritt

Der Fall: Ein Ehepaar hatte im Februar eine Reise nach Griechenland für Mai gebucht - inklusive

Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung. Zum Zeitpunkt der Buchung war die Frau

zwar bereits schwanger, die Schwangerschaft war jedoch bisher problemlos verlaufen.

Ende April kam es zu vorzeitigen Wehen, die behandelnde Ärztin riet von der Reise ab. Das

Ehepaar stornierte die Reise und forderte von der Versicherung die Stornokosten. Diese

lehnte ab, weil die Schwangerschaft bei der Buchung bekannt gewesen sei. Nur eine uner-

wartet schwere Erkrankung würde ein Versicherungsfall darstellen.

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Das Urteil:Das Amtsgericht München gab dem Ehepaar Recht, weil die vorzeitigen Wehen zum Zeit-

punkt der Buchung nicht abzusehen waren. Die Schwangerschaft an sich werde nicht als

Erkrankung gewertet, das unerwartete Auftreten von Komplikationen jedoch schon.

Das Fazit:Treten während einer Schwangerschaft massive Komplikationen auf, muss eine Reiserück-

trittsversicherung die Kosten für die Stornierung einer Reise übernehmen. Das Amtsge-

richt München entschied, dass dies auch dann gelte, wenn die Schwangerschaft bei der Reise-

buchung bereits bekannt war. In welcher Verfassung eine Schwangere bei Reiseantritt sein

wird, könne diese nicht voraussehen.

Quellen und weiterführende Informationen, die in so einem Fall helfen können:

Amtsgericht München, Urteil vom 3. April 2012: Az. 224 C 32365/11

Wichtig:Um in diesem Fall keine Stornogebühren zahlen zu müssen, ist der Abschluss

einer Reisekostenrücktrittsversicherung notwendig.

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Fall 2

Stornogebühren bei Unwetter

Der Fall: Im Januar 2011 wies das Auswärtige Amt – 12 Tage vor Reisebeginn einer Urlauber-

in – auf “dauerhafte starke Regenfälle” in Sri Lanka hin. Diese schnitten Ortschaf-

ten ab, machten Straßen unpassierbar und forderten dutzende Todesopfer. Die Kun-

din rief das Reiseunternehmen umgehend an, um den Reisevertrag zu kündigen. Dafür

wurden ihr 60 Prozent Stornokosten berechnet. Die Reise sollte aus einer fünftägigen

Rundfahrt und einem darauffolgenden Strandurlaub bestehen. Der Veranstalter argu-

mentierte, dass die Urlauberin Letzteren problemlos antreten könne. Bei den Über-

schwemmungen im Januar 2011 waren mehr als 40 Menschen ums Leben gekommen.

Das Urteil:Das Oberlandesgericht München gab der Urlauberin im Oktober 2012 Recht. Aufgrund des

Hinweises des Auswärtigen Amtes und Berichten über Tote im Überschwemmungsgebiet

stünde es der Kundin zu, entsprechend zu reagieren. Der Veranstalter habe seine Behaup-

tung, die Reise sei ungefährlich, hingegen nicht ausreichend begründen können.

Nach dem Urteil war der Reiseveranstalter dazu verpflichtet, den kompletten Urlaubspreis

inklusive Stornokosten in Höhe von 5.332 Euro zurückzuerstatten.

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Das Fazit:Wenn es bereits vor einer Stornierung Meldungen des Auswärtigen Amtes gibt, die von

einer dramatischen Situation (im Fall Sri-Lanka: zahlreiche Tote, rund eine halbe Million

Obdachlose) infolge einer unvorhergesehenen Unwetterkatastrophe (Hurrikans, Erdbe-

ben oder Überschwemmungen) berichteten, so besteht laut Gericht das Recht, eine Reise

kurzfristig und kostenfrei zu stornieren.

Quellen und weiterführende Informationen, die in so einem Fall helfen können:

Oberlandesgericht München, Urteil vom 8. Oktober 2012: Az. 21 U 519/12

Ähnliches Urteil im Fall eines Hurrikans:

Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Urteil vom 15. Oktober 2002: Az. X ZR 147/01

Bundesgerichtshof: “Droht im Zielgebiet Gefahr durch einen Hurrikan, dürfen

Reiseveranstalter für die Kündigung der Pauschalreise durch den Reisenden keine

“Stornokosten” oder “Stornierungsgebühren” verlangen. Die Kündigung des Rei-

severtrages ist für den Reisenden kostenfrei.”

Paragraphen, die in so einem Fall helfen können:

§ 651j Abs. 2 BGB, § 651j Abs. 1 BGB, § 347 Abs. 1 HGB

Wichtig:Der Abschluss einer Reisekostenrücktrittsversicherung spielt bei Gründen

von höherer Gewalt keine Rolle. Ob ein ausreichender Grund für eine kosten-

freie Stornierung besteht, muss ein Gericht individuell klären. Generell hän-

gen Urteile solcher Art davon ab, wie stark das jeweilige Reiseziel von der

Naturkatastrophe betroffen ist. Würden Aufräumarbeiten den Urlaub stark

beeinträchtigen oder ist der Urlaubsort aufgrund von Verwüstungen nicht er-

reichbar, kann ein kostenloser Rücktritt geltend gemacht werden.

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Fall 3

Kostenlose Stornierung bei Städtereisen wegen Terrorangst

Der Fall: Einige beliebte Urlaubsorte waren in jüngster Zeit von Terroranschlägen betroffen. Viele

Urlauber fühlen sich dadurch verunsichert und möchten ihre geplante Reise kostenfrei

umbuchen oder stornieren. Ein Urlauber kann seine Pauschalreise aufgrund höherer

Gewalt kostenlos kündigen, wenn Gefahren oder erhebliche Beeinträchtigungen konkret

bestehen oder drohen. Massive Terroranschläge stellen einen solchen Fall dar.

Belgien - Nach den Terroranschlägen vom 22. März waren Reisende gezwungen umzupla-

nen, denn Flüge nach Brüssel wurden umgeleitet und der Zugverkehr unterbrochen. Ent-

sprechende Reisen konnten hier aufgrund höherer Gewalt gekündigt werden. Thomas

Cook gewährte kostenfreie Stornierungen von Städtereisen nach Brüssel oder Istanbul

sogar bis zum 29. März.

Istanbul - Bei den meisten Reiseveranstaltern konnten Istanbul-Reisen bis Ende Januar

2016 kostenlos umgebucht oder storniert werden. Das damalige bestehende Kündigungs-

recht wegen Gefährdung durch höhere Gewalt des Bundesgerichtshofs gilt aktuell nicht

mehr, da sich die Lage wieder beruhigt hat und derzeit keine Reisewarnungen des Auswär-

tigen Amtes vorliegen. Das Kündigungsrecht galt nicht für Badeurlaube in anderen Teilen

der Türkei. Eine kostenlose Stornierung von Pauschalreisen ist weitaus schwieriger.

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Das Fazit: In diesem Fall lässt sich kein allgemeiner Rückschluss ziehen. Als Faktor für einen kos-

tenfreien Reiserücktritt zählt die vom Bundesgerichtshof (BGH) festgelegte Gefährdungs-

schwelle von über 25%. Zudem spielt es eine entscheidende Rolle, ob eine konkrete

Gefährdung für Touristen besteht (die Anschläge im Fall Brüssel und Istanbul waren ziel-

gerichtet gegen Touristen). Hier gilt die aktuelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes.

Lesen Sie dazu mehr in unserem Themenspecial zu Reisestornierungen.

Quellen und weiterführende Informationen, die in so einem Fall helfen können:

Amtsgericht München, Urteil vom 12. August 2015: Az. 231 C 9637/15

Paragraphen, die in so einem Fall helfen können:

u.a. § 651j Abs. 1 BGB, § 651j Abs. 2 S. 1 BGB

Amtsgericht Leverkusen, Urteil vom 13. August 1996: 25 C 96/96

Storno bei höherer Gewalt

Der Begriff „höhere Gewalt“ ist nicht klar definiert. Daher muss im Streitfall ein Gericht

klären, ob ein ausreichender Grund für eine kostenfreie Stornierung besteht. Um zu klä-

ren, inwiefern die Situation für Reisende tatsächlich gefährlich ist, stützen sich die Richter

dabei meist auf die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes. Diese sind unterteilt in Rei-

sehinweise, Sicherheitshinweise und Reisewarnungen. Bei einem Fall von höherer Gewalt

kann es Ihnen helfen, sich auf einen ähnlichen Fall oder einen Präzedenzfall zu beziehen.

Eine kompakte Übersicht von deutschen Fällen zu höherer Gewalt finden Sie im Reiserecht

unter § 651j BGB.

Wichtig:Die allgemein bekannte Terrorgefahr in den Ländern des arabischen Frühlings

rechtfertigt in der Regel nicht eine Kündigung des Reisevertrages wegen höhe-

rer Gewalt. Der Reisende, der trotz einer bereits bestehenden Gefahrenlage

bucht, muss im Fall eines Reiserücktritts die vereinbarten Stornoentschädigun-

gen zahlen.

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Fall 4

Kostenlose Storno bei hoher Gesundheitsgefährdung

Der Fall: Aufgrund einer ausgebrochenen Epidemie während seiner China-Reise stornierte ein Ur-

lauber seinen Reisevertrag. Gegen die darauf erhobenen Stornogebühren klagte der Mann.

Das Urteil:Das Amtsgericht Augsburg entschied im November 2004, dass die Lungenseuche SARS als

Epidemie und damit als höhere Gewalt zu bewerten sei. Dies berechtige den Urlauber bei

Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 651 j Abs. 1 BGB zur Kündigung des Rei-

severtrages. Der Reiseveranstalter wurde verurteilt, an Kläger und Klägerin jeweils einen

Betrag in Höhe von 1.679 Euro zu zahlen.

Das Fazit: Eine Epidemie, wie die Lungenkrankheit SARS, kann einen kostenlosen Reiserücktritt er-

lauben. Die gesundheitsgefährdenden Indizien müssen sich dabei nicht unbedingt auf

Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes stützen. Aber Vorsicht, bei einer hohen Gesund-

heitsgefährdung gilt keine allgemeine Regelung:

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Amtsgericht Augsburg: “Ein Kündigungsrecht wegen nicht voraussehbarer höhe-

rer Gewalt besteht dann, wenn mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses mit

erheblicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist. Im Falle einer Epidemie verbie-

tet sich jedoch eine schematische Betrachtung dahingehend, dass eine bestim-

mte Eintreffwahrscheinlichkeit gegeben sein muss.”

Diese Regelung gilt für das 2016 grassierende Zika-Virus in Südamerika, das für Schwan-

gere gefährlich ist. Viele Reiseveranstalter, wie TUI oder Thomas Cook, bieten daher die

Möglichkeit zur kostenlosen Umbuchung oder Stornierung an (bei Tui bis zum 31. Juli 2016,

bei Thomas Cook und DER Touristik galt sie bis zum 31. März 2016). Voraussetzung dafür

ist der Nachweis der Schwangerschaft. Das Auswärtige Amt aktualisiert ständig die Liste

betroffener Länder.

Quellen und weiterführende Informationen, die in so einem Fall helfen können:

Amtsgericht Augsburg, Urteil vom 9. November 2004: Az. 14 C 4608/03

Paragraphen, die in so einem Fall helfen können:

§ 651j Abs. 1 BGB, § 651j Abs. 2 S. 1 BGB, § 651e Abs. 3 S. 1 BGB

Amtsgericht Augsburg: “Eine erhebliche Gefährdung im Sinne des § 651 j Abs. 1

BGB [Kündigung wegen höherer Gewalt] liegt vor, wenn die Reise mit unzumut-

baren Risiken für die Sicherheit des Reisenden belastet ist, wobei hierzu auch das

Risiko der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben des Reisenden zählen.”

§ 651e - Kündigung wegen Mangels: “(3) Wird der Vertrag gekündigt, so verliert der

Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann jedoch

für die bereits erbrachten oder zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden

Reiseleistungen eine nach § 638 Abs. 3 zu bemessende Entschädigung verlangen.”

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Landgericht Darmstadt, 02. Juni 2004: Az 2 O 615/03

Amtsgericht München, 07. Januar 2013: Az 55 C 30273/02

Reisewarnungen für Gebiete, in denen eine hohe Gesundheitsgefährdung besteht, gibt die

Weltgesundheitsorganisation (WHO) heraus. Solche Hinweise bieten zwar einen Anhalts-

punkt für die Einschätzung höherer Gewalt, jedoch wird vor Gericht immer der konkrete

Einzelfall bewertet.

Allgemeine Regelungen bei höherer Gewalt

Ob eine Reise kostenlos storniert werden kann, hängt in den meisten Fällen von der Ku-

lanz der Reiseveranstalter ab. Nur selten wird eine kostenlose Stornierung gestattet. Wenn

keine explizite Warnung des Auswärtigen Amtes vorliegt und der Veranstalter nach ein-

schlägiger Prüfung davon überzeugt ist, dass für den Kunden im Zielgebiet keine konkrete

Gefahr besteht, ist dieser in der Regel dazu berechtigt, Stornogebühren zu verlangen.

Tritt eine massive Gefährdung während einer Reise ein (z.B. Terroranschlag, Ausbruch ei-

ner Epidemie), ist der Reisende zu einer Stornierung befähigt. Der Veranstalter kann aber

für die erbrachten Reiseleistungen Entschädigung verlangen. Der Wert der erbrachten Rei-

seleistungen, der Gesamtreisepreis sowie der Wert der vertraglich vereinbarten Reiseleis-

tungen sind für die Höhe der Entschädigung maßgeblich (vgl. § 471 BGB). Der Reisende hat

das Recht, an seinen Ausgangsort zurückbefördert zu werden, wobei jedoch die Mehrkos-

ten der Rückbeförderung von beiden Parteien je zur Hälfte zu tragen sind.

Der Reiseveranstalter kann aufgrund offizieller Reisewarnungen die Reise eines Kunden

auf ein anderes Ziel umbuchen. Der Urlauber muss diese Umbuchung allerdings nicht an-

nehmen, sondern kann dann die Reise kostenfrei kündigen.

Wichtig:Bei chronischer Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten besteht bei einer ge-

planten Reise (z. B. nach China zur Zeit der SARS-Epidemie) zwar das Risiko der

erleichterten Ansteckung, dies begründet jedoch nicht den Eintritt eines Ver-

sicherungsfalls. Auch die bloße Angst vor einer Erkrankung stellt versicherungs-

technisch keinen Grund für einen Reiserücktritt dar. Ein erhöhtes Ansteckungs-

risiko stellt noch keine Erkrankung dar. Der Versicherungsschutz greift nur,

wenn konkrete Symptome einer Erkrankung gegeben sind.

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Fall 5

Kostenlose Storno bei mangelhaf-ten Reiseunterlagen

Der Fall: Ein Ehepaar buchte im Dezember 2010 eine Pauschalreise nach Ägypten, doch noch am

Abreiseort waren die Angaben in den Unterlagen zum wiederholten Male fehlerhaft, einige

Vouchers für gebuchte Angebote fehlten ganz. Da die Kunden den Reiseveranstalter tele-

fonisch nicht erreichen konnten, traten sie die Reise nicht an.

Das Urteil:Das Landgericht Wuppertal urteilte im August 2012, dass der Versicherer die Reisekosten

zurückerstatten muss. Das Reiseunternehmen musste einem Schadensersatz in Höhe von

2.010 Euro nachkommen.

Das Fazit:Auch mangelhaft ausgestellte oder fehlende Reiseunterlagen können eine kostenfreie

Stornierung rechtfertigen. Lässt der Reiseveranstalter die vom Reisenden gesetzte Frist

verstreichen, kann dieser Ersatz verlangen. Beruht der Reisemangel auf einem Umstand,

den der Reiseveranstalter zu vertreten hat, kann der Reisende auch Schadensersatz ver-

langen.

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Quellen und weiterführende Informationen, die in so einem Fall helfen können:

Landgericht Wuppertal, Urteil vom 30. August 2012: Az. 9 S 294/11

Paragraphen, die in so einem Fall helfen können:

§ 651f Abs. 1 BGB, § 651e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 Var. 3 BG

§ 651f - Schadensersatz: “(1) Der Reisende kann unbeschadet der Minderung oder

der Kündigung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, es sei denn, der

Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu

vertreten hat.”

§ 651e Abs. 1 - Kündigung wegen Mangels: “(1) Wird die Reise infolge eines Mangels

[...] erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende den Vertrag kündigen. Dasselbe

gilt, wenn ihm die Reise infolge eines solchen Mangels aus wichtigem, dem Rei-

severanstalter erkennbaren Grund nicht zuzumuten ist.”

Wichtig:Treten Mängel während der Reise auf, so müssen diese vom Kunden umgehend

dem entsprechenden Reiseleiter gemeldet bzw. bei dem Reiseveranstalter di-

rekt angezeigt werden. Unterlässt er die Mängelanzeige, so stehen ihm keine

Ansprüche auf Ersatz oder Herabsetzung des Reisepreises zu. Weitere allge-

meine Reisebedingungen zum Nachlesen finden Sie hier aufgelistet.

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Fall 6

Fluglinie darf keine Stornierungsgebühr erheben

Der Fall: In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangte die Fluggesellschaft (Air Berlin) ein

Bearbeitungsentgelt von 25,00 Euro für die Abwicklung stornierter oder nicht angetreten-

er Flüge, die zum Spartarif gebucht worden waren. Dagegen klagte die Verbraucherzen-

trale Bundesverband (vzbv).

Das Urteil:Das Berliner Kammergericht entschied im August 2014, dass eine solche Gebühr den Ver-

braucher unangemessen benachteilige. Da diesem grundsätzlich ein gesetzliches Kündi-

gungsrecht zustehe, sei eine Airline ohnehin verpflichtet, eine Stornierung abzuwickeln.

Daher sei eine Stornierung keine Leistung, für die der Kunde extra zahlen müsse.

Das Fazit:Eine Airline darf keine Bearbeitungsgebühr für eine Flugstornierung erheben. Entspre-

chende Regelungen im Kleingedruckten sind unwirksam.

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Quellen und weiterführende Informationen, die in so einem Fall helfen können:

Kammergericht Berlin, Urteil vom 12. August 2014: Az. 5 U 2/12

Landgericht Berlin, Urteil vom 29. November 2011: Az. 15 O 395/10

Paragraphen, die in so einem Fall helfen können:

§ 4 Nr. 11 UWG, Art. 23 Abs. 1 S.3 Luftverkehrsdienste-VO, § 307 Abs. 1 BGB,

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 307 Abs. 3 S.1 BGB, § 649 S.1 BGB

§ 307 - Inhaltskontrolle: “(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Ge-

boten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen [...]”

Wichtig:Achtung! Eine Flugstornierung ist nicht mit einer Reisestornierung gleichzu-

setzen. Auch die Regelungen bezüglich anfallender Stornierungskosten fallen

demnach anders aus.

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Fall 7

Angabe von Flugpreisen ohne Endpreis unzulässig

Der Fall: Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

und der Fluggesellschaft Air Berlin. Beanstandet wurde die Art der Darstellung von Flugprei-

sen im elektronischen Buchungssystem der Airline, das im Hinblick auf Anforderungen an

die Transparenz der Preise von Luftverkehrsdiensten nicht ausreichend sei.

Das Urteil:Der Europäische Gerichtshof hat im Januar 2015 entschieden, dass der zu zahlende End-

preis in Online-Buchnungsportalen von Beginn an vollständig angegeben werden muss.

Dies sei notwendig, damit die Kunden die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für

Flugdienste effektiv vergleichen könnten.

Das Fazit:Steuern, Gebühren und sonstige Entgelte müssen gesondert neben dem eigentlichen Flug-

preis von Beginn an kenntlich gemacht werden.

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Quellen und weiterführende Informationen, die in so einem Fall helfen können:

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 15. Januar 2015: Az. C-573/13

Paragraphen, die in so einem Fall helfen können:

Art. 23 Abs. 1 S. 2 Verordnung (EG) Nr. 1008/2008

Art. 23 Abs. 1: „Die der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreise und Luftfrachtraten,

die in jedweder Form – auch im Internet – für Flugdienste von einem Flughafen [...]

angeboten oder veröffentlicht werden, schließen die anwendbaren Tarifbedin-

gungen ein. Der zu zahlende Endpreis ist stets auszuweisen und muss den

anwendbaren Flugpreis [...] sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zus-

chläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

vorhersehbar sind, einschließen. [...]”

Wichtig:Das Urteil gilt primär nur für Flüge von einem Flughafen in Europa.

Mehr zum Thema Reisestornierungen, Ansprüchen und Stornierungskosten lesen Sie in unserem Themenspecial.

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