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7 Strömung und Transport im Grundwasser 7.1 Einführung in die Hydrogeologie Grundwasser ist in vielen Teilen der Erde und besonders in ariden Zonen die wichtigste Quelle für Trinkwasser. Selbst in Ländern denen große Ressourcen an Oberflächenwasser zur Verfügung stehen, wird Trinkwasser oft aus Grund- und Quellwasser gewonnen. In Deutschland sind nur ca. 13 % direkt genutztes Oberflächenwasser (Seen und Flüsse), der Rest ist letztlich alles Grundwasser (Zahlen aus 2010: 73,8 % „echtes“ Grund- und Quellwasser, 6.8 % künstlich angereichertes Grundwasser, 6 % Uferfiltrat, 13.4 % Ober- flächenwasser). Nebst der Nutzung als saubere Trinkwasserquelle spielt Grundwasser eine zentrale Rolle in der Land- und Forstwirtschaft. Unter Grundwasser versteht man das Wasser unterhalb der Bodenoberfläche, das den Porenraum einer Boden- bzw. Gesteinsmatrix vollständig erfüllt. Ist der Porenraum teilweise mit Luft und teilweise mit Wasser gefüllt, spricht man von ungesättigter Zone (vadose zone) und von Bodenwasser. Mit dieser Zone beschäftigt sich die Bodenphy- sik. In der Grundwasserhydrologie beschäftigt man sich dagegen hauptsächlich mit der gesättigten Zone, in der das Grundwasser durch den vollständig mit Wasser gefüllt en Porenraum zirkuliert. Im Einzelnen unterscheidet man im Untergrund die Bodenwasser- zone, den Zwischenbereich, den Kapillarsaum und die Grundwasserzone (Abb. 7.1). Wassertransport kann nur stattfinden, wenn die Poren des Porenraumes miteinander verbunden sind. Ist eine geologischen Formation mit Wasser gefüllt und kann in ihr Wasser gut transportiert werden bezeichnet man sie als Grundwasserleiter oder Aquifer; ist sie mit Wasser gefüllt aber wasserundurchlässig heißt sie Grundwasserstauer oder Aquiclude (auch Aquitard). Es gibt unterschiedliche Arten von porösen Medien, in denen Grundwasser zirkulieren kann (Abb. 7.2). Die für Praxis und Theorie wichtigste Art sind feinkörnige Sedimente, deren Porenraum durch die Zwischenräume zwischen den Körnern gebildet wird. Typische Beispiele sind Kies, Sand, und Sandstein. Der Poren in solchen Medien sind gut verbunden, außerdem ist das System relativ homogen und kann gut durch Mittelung beschrieben werden. In kompakten Gesteinen wie z.B. Granit kann das Wasser nur in (mikroskopischen) Rissen effektiv zirkulieren, man spricht von „fractured rock“ Aquiferen. Diese kommen recht häufig vor, lassen sich aber schlechter behandeln als die sedimentären Aquifere, unter anderem weil die Verbundenheit des Porenraums nicht garantiert ist. Die dritte, eher seltene Art poröser Medien sind Karstaquifere, wo das Wasser in größeren Hohlräumen (Kavitäten) fließen kann. Dies kommt vor allem in Kalkgesteinen vor, die vom Wasser teilweise aufgelöst werden können. Nur in diesem 121

7 StrömungundTransportim Grundwasser · die Druckverteilung im Aquifer wieder. Bei ungespannten Aquiferen ist die potentio- Bei ungespannten Aquiferen ist die potentio- metrische

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7 Strömung und Transport im

Grundwasser

7.1 Einführung in die Hydrogeologie

Grundwasser ist in vielen Teilen der Erde und besonders in ariden Zonen die wichtigsteQuelle für Trinkwasser. Selbst in Ländern denen große Ressourcen an Oberflächenwasserzur Verfügung stehen, wird Trinkwasser oft aus Grund- und Quellwasser gewonnen. InDeutschland sind nur ca. 13 % direkt genutztes Oberflächenwasser (Seen und Flüsse),der Rest ist letztlich alles Grundwasser (Zahlen aus 2010: 73,8 % „echtes“ Grund- undQuellwasser, 6.8 % künstlich angereichertes Grundwasser, 6 % Uferfiltrat, 13.4 % Ober-flächenwasser). Nebst der Nutzung als saubere Trinkwasserquelle spielt Grundwassereine zentrale Rolle in der Land- und Forstwirtschaft.Unter Grundwasser versteht man das Wasser unterhalb der Bodenoberfläche, das den

Porenraum einer Boden- bzw. Gesteinsmatrix vollständig erfüllt. Ist der Porenraumteilweise mit Luft und teilweise mit Wasser gefüllt, spricht man von ungesättigter Zone(vadose zone) und von Bodenwasser. Mit dieser Zone beschäftigt sich die Bodenphy-sik. In der Grundwasserhydrologie beschäftigt man sich dagegen hauptsächlich mit dergesättigten Zone, in der das Grundwasser durch den vollständig mit Wasser gefüllt enPorenraum zirkuliert. Im Einzelnen unterscheidet man im Untergrund die Bodenwasser-zone, den Zwischenbereich, den Kapillarsaum und die Grundwasserzone (Abb. 7.1).Wassertransport kann nur stattfinden, wenn die Poren des Porenraumes miteinander

verbunden sind. Ist eine geologischen Formation mit Wasser gefüllt und kann in ihrWasser gut transportiert werden bezeichnet man sie als Grundwasserleiter oder Aquifer;ist sie mit Wasser gefüllt aber wasserundurchlässig heißt sie Grundwasserstauer oderAquiclude (auch Aquitard). Es gibt unterschiedliche Arten von porösen Medien, in denenGrundwasser zirkulieren kann (Abb. 7.2). Die für Praxis und Theorie wichtigste Art sindfeinkörnige Sedimente, deren Porenraum durch die Zwischenräume zwischen den Körnerngebildet wird. Typische Beispiele sind Kies, Sand, und Sandstein. Der Poren in solchenMedien sind gut verbunden, außerdem ist das System relativ homogen und kann gutdurch Mittelung beschrieben werden. In kompakten Gesteinen wie z.B. Granit kann dasWasser nur in (mikroskopischen) Rissen effektiv zirkulieren, man spricht von „fracturedrock“ Aquiferen. Diese kommen recht häufig vor, lassen sich aber schlechter behandelnals die sedimentären Aquifere, unter anderem weil die Verbundenheit des Porenraumsnicht garantiert ist. Die dritte, eher seltene Art poröser Medien sind Karstaquifere, wodas Wasser in größeren Hohlräumen (Kavitäten) fließen kann. Dies kommt vor allemin Kalkgesteinen vor, die vom Wasser teilweise aufgelöst werden können. Nur in diesem

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Abb. 7.1: Zonen im Grundwasserbereich (aus Bear, 1979). 1. Die Bodenwasserzone (soil

water zone) erstreckt sich über die Wurzelzone. Der Wassergehalt ist starkentäglichen und saisonalen Schwankungen unterworfen. In Zeiten starker Infil-tration kann der Wassergehalt Sättigung erreichen. Bei Infiltration bewegtsich Wasser nach unten, dominiert Verdunstung und Transpiration bewegtsich Wasser nach oben. 2. Der Zwischenbereich (vadose zone) liegt zwischenBodenwasserzone und dem Kapillarsaum. In dieser Zone wird unbeweglichesWasser durch Kapillarkräfte gehalten. Bei Infiltration bewegt sich Wasser aufGrund der Gravitationskraft durch diese Zone nach unten. 3. Der Kapillar-saum (capillary fringe) erstreckt sich vom Grundwasserspiegel der gesättigtenZone aufwärts bis zur maximalen Kapillarsteighöhe. Letztere hängt von derBodenbeschaffenheit ab und kann in feinem Material bis zu 3 m erreichen. IngrobemMaterial ist sie dagegen sehr klein. Innerhalb des Kapillarsaums nimmtdie Feuchtigkeit mit zunehmender Höhe über dem Grundwasserspiegel ab, dadie erforderliche Steighöhe nur in immer kleineren verbundenen Poren erreichtwerden kann. Um eine klar definierte Obergrenze für den Kapillarsaum zu er-halten legt man fest, dass im Kapillarsaum der Boden eine Sättigung von 75 %haben muss. Im Kapillarsaum liegt der Druck unter Atmosphärendruck. 4. DieGrundwasserzone ist die gesättigte Zone unterhalb des Grundwasserspiegels.Der Grundwasserspiegel ist definiert als dasjenige Niveau in der gesättigtenZone, auf dem der hydrostatische Druck gleich dem Atmosphärendruck ist.

eher untypischen Fall ist die naive Vorstellung von „unterirdischen Flüssen“ einigermaßenzutreffend.Eine wichtige geometrische Größe zur Charakterisierung poröser Medien ist die Poro-

sität n, d.h. das Verhältnis von Porenvolumen zu Gesamtvolumen:

n ≡VP oren

Vtot

(7.1)

Bei dieser Definition stellt sich ein Problem: Wie groß soll das betrachtete Volumen sein?Auf kleinen Skalen sind poröse Medien sehr heterogen, so dass zum Beispiel der Wert der

122

Abb. 7.2: Unterschiedliche Arten poröser Medien.

Porosität extrem schwankt (auf mikroskopischer Ebene zwischen 0 in einem Korn und 1in einer Pore). Bei der Behandlung von porösen Medien nimmt man daher gewöhnlicheine Mittelung über ein makroskopisches Volumen vor, um definierte Eigenschaften zuerhalten. Wir definieren das „repräsentative Elementarvolumen“ (REV) als das mini-male Mittelungsvolumen, dass benötigt wird um für die Porosität n einen (praktisch)konstanten Wert zu erhalten.Wenn der Porenraum nicht durchgehend zusammenhängend ist oder mikroskopische

Poren existieren, deren Wasser nicht an der allgemeinen Grundwasserströmung teil-nimmt, ist es sinnvoll die so genannte effektive Porosität neff zu definieren, welchesich nur auf den bezüglich Wasserströmung aktiven Porenraum bezieht. Es gilt natürlichimmer neff ≤ n.Treibt man eine Bohrung in den Untergrund und trifft dabei auf eine wasserführende

Schicht (Aquifer), so sind zwei Situationen zu unterscheiden (Abb. 7.3). Einerseits istes möglich, dass sich das Bohrloch bis zu der Tiefe mit Wasser füllt, in der zum erstenMal Wasser auftrat (Oberkante des Aquifers). Der Wasserstand im Bohrloch und imAquifer selber ist also derselbe. Ein solcher Aquifer heißt ungespannt oder phreatisch(engl. unconfined, phreatic). Er hat eine freie, d.h. mit der Bodenluft kommunizierendeWasseroberfläche, an der Atmosphärendruck herrscht.Andererseits ist es möglich, dass das Wasser im Bohrloch hochsteigt auf ein Niveau,

das höher liegt als im Aquifer selber. Ein solcher Aquifer heißt gespannt (engl. confined).Im Spezialfall, dass das Wasser bis zur Geländeoberfläche aufsteigt, also „von alleine“ausfließt, spricht man von artesischen (engl. artesian) Brunnen oder Aquiferen. Offen-sichtlich steht das Wasser in solchen Aquiferen unter einem Druck, der höher ist als derAtmosphärendruck. Dies rührt daher, dass der Aquifer durch undurchlässige Schichtenbegrenzt wird, wodurch das Wasser nicht frei aufsteigen kann.Die (potentielle) Höhe h des Wasserspiegels in einem Aquifer ist eine zentrale Größe

in der Hydrogeologie. Offensichtlich hängt sie mit dem Druck im Aquifer zusammen.Gemessen wird sie im Allgemeinen durch Höhenmessung des Wasserspiegels oder (fürkontinuierliche Messungen) durch direkte Druckmessung in Beobachtungsbohrlöchern,welche Piezometer genannt werden. Man spricht daher von der „Piezometerhöhe“. Sehrverbreitet sind auch die englischen Ausdrücke piezometric head, potentiometric head

oder hydraulic head. Zur physikalischen Definition des „Heads“ betrachten wir die totaleEnergie eines Wasserpaketes auf dem Niveau z (wiederum zeigt die z-Achse nach oben,

123

Abb. 7.3: Typische Schichtung in sedimentären Becken mit Grundwasserleitern (aqui-

fers) und Grundwasserstauern (aquitards), sowie unterschiedlichen Typen vonAquiferen: ungespannt (unconfined) und gespannt (confined).

und das Referenzniveau z = 0 wird zumeist unterhalb des Aquifers gewählt).

Etot = Eint + Epot + Ekin = pV + mgz +1

2mv2 (7.2)

Durch Division durch das Gewicht mg = ρV g des Paketes erhalten wir eine Größe derDimension Länge. Die Piezometerhöhe ist also die Energie pro Gewicht (nicht Masse!):

h =Etot

mg=

p

ρg+ z +

v2

2g(7.3)

Im Grundwasser sind die Geschwindigkeiten sehr klein, so dass die kinetische Energieim Allgemeinen vernachlässigt werden kann. Der hydraulische Head ist dann:

h =p

ρg+ z (7.4)

Die Piezometerhöhe h ist also jene Höhe, bis zu der das Wasser aufgrund seiner in-neren Energie (Druck) über sein aktuelles Niveau z ansteigen könnte. In Piezo-meternwird dieser Anstieg effektiv realisiert und gemessen. Die hypothetische Fläche der Pie-zometerhöhen in jedem Punkt des Aquifers heißt potentiometrische Oberfläche. Sie gibtdie Druckverteilung im Aquifer wieder. Bei ungespannten Aquiferen ist die potentio-metrische Oberfläche identisch mit dem Grundwasserspiegel (groundwater table), beigespannten Aquiferen liegt sie höher (Abb. 7.4).

124

Abb. 7.4: Zur Definition und Messung der Piezometerhöhe (hydraulic head) h in unge-spannten bzw. gespannten Aquiferen.

Schon die Griechen beschäftigten sich mit der Frage, woher das Wasser in Quellenund Flüssen stammt. Sie gingen von Wasservorkommen im Untergrund aus, die aus denOzeanen gespeist werden müssen. Dabei stellte sich unter anderem das Problem, wieaus salzigem Ozeanwasser Süßwasser entsteht und woher die Energie für den Transportdes Wassers stammt. Heute wissen wir, dass das Grundwasser durch Versickerung vonRegenwasser (so genannt meteorisches Wasser) gespiesen wird. Zumindest in den für dieNutzung wichtigen obersten ≈ 500 m der Erdkruste ist praktisch alles Grundwasser Teildes hydrologischen Kreislaufs. Eine Ausnahme bildet Wasser, das bei der Bildung vongeologischen Formationen z.B. in Sedimentationsbecken eingeschlossen wurde (Formati-onswasser). Formationswasser findet man allerdings nur selten und es ist normalerweisesehr alt (etwa so alt wie die Sedimente selbst). Die Frage der Aufenthaltszeit und Ankopp-lung an den Kreislauf wird allerdings bei tiefen Grundwasserleitern zum Teil kontroversdiskutiert.

Im Unterschied zu Studien in Seen und Flüssen ist ein Grundwasserleiter viel weni-ger zugänglich. In Grundwasserstudien ist man auf Wasserproben aus Bohrlöchern undQuellen angewiesen. Da Bohrungen in der Regel sehr kostspielig sind, stehen häufignur wenige Messstellen für die Beschreibung eines Grundwassersystems zur Verfügung.Im Vergleich zur Heterogenität der Boden- bzw der Gesteinsmatrix durch welche dasGrundwasser fließt, besitzen solche Datensätze häufig nur eine geringe räumliche Auf-lösung. Dieser Schwierigkeit begegnet man zum einen durch Tracerstudien. Mit Hilfeverschiedener Wasserinhaltsstoffe (z.B. radioaktive und stabile Isotope, konservative ge-

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löste Gase) versucht man die verschiedenen im Untergrund ablaufenden Transportpro-zesse zu unterscheiden und so ein besseres Verständnis für den Transport im speziellenGrundwasserleiter zu entwickeln. Zum anderen entwirft man hydraulische Transportmo-delle. Mit Hilfe numerischer Methoden lassen sich aus diesen Modellen Strömungen undKonzentrationsverteilungen im Untergrund berechnen, die mit den gemessenen Datenverglichen werden können. Um zuverlässige Prognosen für die zukünftige Entwicklungeines Grundwassersystems erstellen zu können wird versucht, aus der Kombination vonTracermethoden und numerischer Modellierung ein bestmögliches Systemverständnis zugewinnen. Das Thema Tracer- und Isotopenmethoden sowie ihre Kombination mit Mo-dellen wird im zweiten Teil der Vorlesung behandelt. Hier besprechen wir im Folgendendie Grundlagen zur Beschreibung von Strömung und Transport im Grundwasser.

7.2 Grundwasserströmung

Im Prinzip könnten Grundwasserströmungen genauso wie Strömungen in Oberflächenge-wässern mit den allgemeinen Gleichungen für Strömungen in Fluiden beschrieben werden(siehe Kap. 3). Betrachten wir zum Beispiel die Navier-Stokes Gleichung (Gl. 3.31):

dv

dt=

∂v

∂t+ (v · ∇)v = −gz −

1

ρ∇p + ν∆v − 2 (Ω × v) (7.5)

Mittels einer Skalenanalyse können wir uns überlegen, welche Terme im Grundwasservon Bedeutung sind. Zunächst halten wir fest, dass die Schwerkraft durch den hydro-statischen Druckgradienten kompensiert wird, und dass analoge Argumente wie bei denOberflächengewässern zeigen, dass die Strömungen auch im Grundwasser überwiegendhorizontal verlaufen. Nehmen wir weiter z. B. für die Strömung durch die Poren ei-nes sandigen Aquifers eine charakteristische Länge L = 100 µm (Porengröße) und einetypische horizontale Geschwindigkeit V = 10−5 m s−1 (ca. 1 m d−1) an. Die beidenTerme auf der linken Seite sind von der Größenordnung V 2L−1 = 10−6 m s−2. DerCoriolisterm ist von der Größe fV ≈ 10−9 m s−2 und somit sicher vernachlässigbar,was angesichts der geringen Geschwindigkeiten nicht überrascht. Hingegen wird der Rei-bungsterm ν∇2v ≈ νV L−2 ≈ 10−3 m s−2 dominant.Somit reduziert sich die Navier-Stokes Gleichung für Grundwasser für stationäre Strö-

mungen auf zwei Terme: Die Druckgradientenkraft, welche die Strömung antreibt, unddie Reibung, welche sie bremst:

1

ρ∇p = ν∆v (7.6)

Mit den oben gewählten typischen Skalen folgt, dass der Druckgradient von der Größen-ordnung 1 Pa m−1 = 10−4 dbar m−1 ist, was einem Druckgefälle (Neigung des Grund-wasserspiegels) von 10−4 entspricht (1 m Druckhöhenunterschied auf eine Distanz von10 km). Natürlich variiert das Druckgefälle (ausgedrückt als Gradient der Piezometer-höhe h) in realen Aquiferen stark, je nach Wasserdurchfluss und Durchlässigkeit (bzw.Reibung) des Matrixmaterials. Aber die hier berechnete Größenordnung ist nicht un-realistisch. Weiter können wir die Reynoldszahl Re = V L/ν berechnen, die in unserem

126

Beispiel ≈ 10−3 wird. Re ist also sehr klein, die Strömung ist nicht turbulent sondernlaminar.Eine weitere Beschreibung der Strömungen auf mikroskopischer Ebene ist jedoch auch

mit der vereinfachten Gl. 7.6 praktisch unmöglich, da die detaillierte mikroskopischeStruktur des Untergrundes durch den das Wasser fließt als Randbedingung zur Lösungder Gleichungen bekannt sein müsste. Daher macht die direkte Anwendung der allgemei-nen Gleichungen der Hydrodynamik zur Berechnung von Grundwasserströmungen wenigSinn. Statt der effektiven Strömung in den mikroskopischen Poren betrachtet man diemittlere Strömung durch ein repräsentatives Elementarvolumen (REV). In einem gewis-sen Sinne ist dieses Vorgehen analog zu der Auftrennung zwischen großräumiger advek-tiver Strömung und kleinskaliger Turbulenz in Oberflächengewässern. Immerhin zeigtuns Gl. 7.6 wie eine einfache Beschreibung der Grundwasserströmung aussehen muss.Einerseits wird der Druckgradient vorkommen, welcher offensichtlich die Strömung er-zeugt. Andererseits wird der Strömungswiderstand durch Reibung an den Porenwänden(Randbedingung) und innere Reibung vorkommen müssen, wobei wir hier die unbe-kannten mikroskopischen Verhältnisse durch eine mittlere Größe auf der Skala des REVersetzen müssen. Eine Gleichung, welche diese Form hat, wurde schon 1856 von Darcyempirisch gefunden. Sie stellt bis heute das Fundament der Grundwasserhydraulik dar.

7.2.1 Das Darcy-Gesetz

Darcy betrachtete den mittleren Wasserdurchfluss durch homogene Sandsäulen, wie inAbb. 7.5 gezeigt. Die Säulen sind vollständig mit Wasser gefüllt und der hydrostatischeDruck an beiden Seiten ergibt sich aus der Höhe h der Wassersäule in den Zu- bzw. Ab-flussrohren (durch überfließende Behälter lassen sich leicht konstante Höhen einstellen).Nach Darcy ist das pro Zeiteinheit transportierte Wasservolumen Q proportional zumQuerschnitt A der Sandsäule und zum Höhenunterschied (∆h = h1 −h2) und umgekehrtproportional zur Länge L der durchflossenen Säule:

Q = KAh1 − h2

L= KA

∆h

L[m3 s−1] (7.7)

Definieren wir weiter den spezifischen Durchfluss pro Querschnittsfläche q = Q/A undden Gradienten der Piezometerhöhe in Längsrichtung der Säule dh/dl = ∆h/L, so kanndas Darcy-Gesetz wie folgt geschrieben werden:

q = Kdh

dl[m s−1] (7.8)

Die Proportionalitätskonstante K [m s−1] heißt hydraulische Leitfähigkeit (hydrau-

lic conductivity) oder auch Durchlässigkeitsbeiwert. K ist eine Eigenschaft des durch-strömten Sandes und der Flüssigkeit. Diese Größe (bzw. ihr Kehrwert) beschreibt denStrömungswiderstand des Mediums und die innere Reibung des Fluids.Die Höhen h1 und h2 sind Piezometerhöhen, wie in Gl. 7.4 definiert. Der dimensions-

lose Gradient der Piezometerhöhen, dh/dl, beschreibt den die Strömung antreibenden

127

Abb. 7.5: Zwei Versuchsanordnungen zum Darcy Experiment (aus Bear 1979). In derrechten Figur wurden die Piezometerhöhen mit φ1 und φ2 bezeichnet. DerDurchfluss ist Q.

Druckgradienten. Der spezifische Durchfluss q [m s−1] hat die Dimension einer Geschwin-digkeit und heißt Darcy-Geschwindigkeit, oft auch Filtergeschwindigkeit genannt.Das Darcy-Gesetz hat also die aus der Betrachtung der Navier-Stokes Gleichung er-

wartete Form, in dem es die mittlere Strömung (q) mit dem Druckgradienten (dh/dl)und dem Strömungswiderstand (1/K) verknüpft. Die Bodenmatrix wirkt auf die Was-serströmung wie ein Widerstand. Der durch ∆h gegebene Energieverlust geht in Wärmeüber. Das Darcy-Gesetz ist ganz analog zum Ohm’schen Gesetz für den Fluss von La-dungen durch einen Leiter, z.B. in der in Kap. 2 verwendeten eindimensionalen Form(vgl. Gl. 2.14):

j = κE [Ω−1 m−1] (7.9)

Die Analogie zu 7.8 ist offensichtlich mit folgenden Entsprechungen:

Spezifischer Durchfluss q ↔ Stromdichte j

Hydraulische Leitfähigkeit K ↔ Elektrische Leitfähigkeit κ

Hydraulischer Gradient dh/dl ↔ Elektrische Feldstärke E (Potentialgradient)

Die Darcy- oder Filtergeschwindigkeit ist eine hypothetische Geschwindigkeit, da janicht der gesamte Querschnitt A durchströmt ist. Effektiv steht nur die Querschnitts-fläche A · neff zur Verfügung, weshalb die mittlere lineare Geschwindigkeit u = q/neff

größer ist als die Darcy-Geschwindigkeit. Dies ist die Geschwindigkeit, mit der ein Was-serpaket im Mittel eine gegebene Strecke zurücklegt, weshalb sie auch Abstandsgeschwin-

digkeit genannt wird. Jedoch ist auch die Abstandsgeschwindigkeit u nicht die wahrelokale Geschwindigkeit der Strömung, da ja der Weg eines Wasserpaketes zwischen zweiPunkten im Aquifer (z.B. Brunnen) nicht geradlinig ist.

128

Das Darcy-Gesetz kann auf die Strömung in einem dreidimensionalen porösen Mediumverallgemeinert werden, wobei die hydraulische Leitfähigkeit K durch einen Tensors Kersetzt wird:

q = K∇h (7.10)

Im Allgemeinen sind poröse Medien anisotrop, wobei die Anisotropie von der Schich-tung der Sedimentablagerungen herrührt. Im Normalfall liegen die Schichten mehr oderweniger horizontal, so dass die horizontale Leitfähigkeit größer ist als die Vertikale. Wähltman die Koordinatenachsen x und y in einer Schicht, und z senkrecht dazu, so kann an-genommen werden, dass K diagonal ist, d. h. nur die diagonalen Elemente Kx(= Kxx),Ky, und Kz enthält. Für den seltenen Fall eines isotropen Mediums gilt Kx = Ky = Kz,realistischer ist ein horizontal isotrop poröses Medium, d.h. es gilt: Kx = Ky ≡ Kh Ó= Kz.In diesem Fall ist Kz normalerweise deutlich kleiner als Kx und Ky, typischerweise wirdKz = 0.1 Kh angenommen.Im isotropen Medium ist die hydraulische Leitfähigkeit in allen Raumrichtungen gleich

groß und der Wassertransport ist immer parallel zum Gradienten der Piezometerhöhen,bzw. senkrecht zu den Isolinien der Piezometerhöhe. Im anisotropen Medium ist diesnicht mehr der Fall. Oftmals betrachtet man jedoch nur die horizontale Strömung, wodie Annahme der Isotropie wieder gilt. Daher gilt als wichtige Grundregel der Grundwas-serströmung, dass die Stromlinien die Höhenlinien des hydraulischen Potentials (Head)senkrecht schneiden.

7.2.2 Die hydraulische Leitfähigkeit

Die zentrale Größe im Darcy-Gesetz, welche die Strömungseigenschaften des porösen Me-diums bestimmt, ist die hydraulische Leitfähigkeit K. Sie beinhaltet, wie oben erwähnt,die Eigenschaften der Matrix und des Fluids. Um Aquifereigenschaft von Flüssigkeitsei-genschaft zu trennen, betrachtet man manchmal auch die (intrinsische) Permeabilität kdes Mediums, die wie folgt definiert ist:

k ≡Kµ

ρg=

g[m2] (7.11)

wobei µ die dynamische, ν die kinematische Viskosität und ρ die Dichte der Flüssigkeitbezeichnet. Für Wasser beträgt der Umrechnungsfaktor ν/g etwa 10−7 m s (ν = 10−6 m2

s−1, g = 9.81 m s2). Die Permeabilität k ist nur eine Eigenschaft des porösen Mediumsund kann als k = Cd2 angesetzt werden, wobei d die Korngröße (≈ Porengröße) undC eine Eigenschaft der Gesteinsmatrix beschreibt. Zu beachten ist, dass die Permeabi-lität bzw. Leitfähigkeit zwar stark (≈ quadratisch) von der Korn- bzw. Porengröße dabhängt, jedoch nicht direkt von der Porosität n. Die Porosität hängt nämlich kaumvon der Korngröße ab, so ist z.B. für runde Körner einheitlicher Größe d in dichtes-ter Packung (dichteste Kugelpackung) n konstant und unabhängig von d. Grob- undfeinkörnige Medien (z.B. Kies und Sand) können dieselbe Porosität aber eine wesentlichunterschiedliche Permeabilität haben. Einige typische Werte für die Korngröße d, die Po-rosität n und die Leitfähigkeit K in verschiedenen Boden- und Gesteinsmaterialien sind

129

Tab. 7.1: Korngröße, Porosität und hydraulische Leitfähigkeit für einige typische Aquiferbzw. Aquitardmaterialien. Die Lockersedimente Kies, Sand, Schluff und Tonsind durch die angegebenen Korngrößen definiert.

[1ex]

Sediment, Korngröße Porosität Hydraulische Durchlässig-Gestein d [mm] n [%] Leitfähigkeit keit

K [m s−1] (qualitativ)[0.5ex] Kies (gravel) > 2 25 - 40 10−2 − 102 durchlässigSand 0.05 - 2 25 - 50 10−5 − 10−2 durchlässigSchluff (silt) 0.002 - 0.05 35 - 50 10−9 − 10−5 halbdurchlässigTon (clay) < 0.002 40 - 70 10−12 − 10−9 undurchlässigSandstein - 5 - 30 10−10 − 10−5 halbdurchlässigKristallingestein - 0 - 10 10−13 − 10−11 undurchlässig

in Tabelle 7.1 zusammengestellt. Man kann die hydraulische Leitfähigkeit durch Labor-experimente an Bohrkernen bestimmen. Dies liefert eine sehr punktuelle Information fürK. Etwas aussagekräftiger, aber immer noch lokal, ist die Information die man durchso genannte Pumptests an Brunnen erhalten kann (s. unten). Dies ist problematischangesichts der großen Variabilität der Leitfähigkeit, welche Tab. 7.1 demonstriert.

Die räumliche Inhomogenität der hydraulischen Leitfähigkeit bzw. des porösen Medi-ums ist in der Tat eines der zentralen Probleme der Hydrogeologie und der Modellierungder Grundwasserströmung. Da ein natürliches poröses Medium eine bunte Mischung ausMaterial mit unterschiedlichsten Korngrößen ist, variiert die Permeabilität bzw. die hy-draulische Leitfähigkeit von Ort zu Ort sehr stark. Diese Variabilität kann auch durchMittelung über größere Gebiete nicht unbedingt reduziert werden, da oftmals auch ma-kroskopische Inhomogenitäten des Aquifermaterials (z. B. eingelagerte Linsen aus an-derem Material) vorliegen. Ein wichtiger empirischer Befund ist, dass die hydraulischeLeitfähigkeit K meist näherungsweise log-normal verteilt ist (Abb. 7.6). Das bedeutet,dass nicht K selber, sondern log(K) einer Normalverteilung folgt. Entsprechend variiertK meist über mehrere Größenordnungen, was die größte Schwierigkeit bei der Beschrei-bung der Grundwasserströmung darstellt.

Wie gesagt bieten so genannte Pumpversuche eine Möglichkeit, die mittlere hydrau-lische Leitfähigkeit in der Nähe eines Brunnens zu bestimmen. Dabei wird Wasser miteiner definierten Rate aus dem Brunnen entnommen und die resultierende Absenkungder Piezometerhöhen in der Umgebung vermessen. Zur Beschreibung machen wir die inder Hydrogeologie sehr typische Annahme, der Aquifer sie vertikal über die Mächtigkeit

(Dicke) m homogen, und es gäbe nur horizontale Strömungen. Dadurch reduziert sichdas Problem auf zwei Dimensionen (x und y). Zunächst betrachten wir einen gespann-ten Aquifer mit isotroper hydraulischer Leitfähigkeit. Pumpt man an einem Brunnenmit konstanter Pumprate Q [m3 s−1] und wartet bis sich stationäre Bedingungen ein-gestellt haben, dann muss das gesamte Wasservolumen, welches im Abstand r durcheinen Zylinder mit Höhe m(r) (Mächtigkeit des Aquifers im Abstand r) pro Zeiteinheit

130

Abb. 7.6: Verteilung der an einzelnen Punkten eines Aquifers gemessenen hydraulischenLeitfähigkeit K. Man beachte die logarithmische Achse für K (log-normalVerteilung).

in Richtung Pumpe fließt, der Pumprate Q entsprechen.

Q = K · A ·dh

dr; A = m · 2πr ⇒ Q = K · m · 2πr ·

dh

dr(7.12)

Die Lösung von Gl. 7.12 kann man berechnen:∫

dh =Q

2π · m · K

∫ dr

r⇒ h(r) =

Q

2π · m · Kln(r) + const. (7.13)

Dies ist die so genannte Thiem-Gleichung. Allerdings kann es für den unendlich großenAquifer keine stationäre Lösung geben, da h mit zunehmendem r immer weiter wächst.In einem begrenzten Aquifer mit der Randbedingung h(R) = h0 lässt sich aber dieKonstante in Gl. 7.13 bestimmen und es ergibt sich:

h(r) = h0 +Q

2π · m · Kln

(

r

R

)

(7.14)

Mit Hilfe von Gl. 7.13 bzw. 7.14 lässt sich K bestimmen, wenn die piezometrischenHöhen bei zwei verschiedenen Radien gemessen werden:

K =Q

2π · m · (h1 − h2)ln

(

r1

r2

)

(7.15)

Für den ungespannten Aquifer kann man ganz analog den Absenktrichter berechnen. Al-lerdings entspricht die Aquifermächtigkeit beim ungespannten Aquifer der Piezometer-höhe (die Referenzhöhe z = 0 sei am Boden des Aquifers gewählt). In Gl. 7.12 muss also

131

m durch h ersetzt werden,

Q = h · 2πr · kdh

dr(7.16)

und die Lösung für die Piezometerhöhe im Abstand r als Funktion der Pumprate imGleichgewichtszustand ist

h2(r) =Q

π · Kln(r) + const. (7.17)

Wiederum gibt es keine stationäre Lösung für den unbegrenzten Aquifer. In einem be-grenzten Aquifer mit der Randbedingung h(R) = h0 ergibt sich als stationäre Lösung:

h2(r) = h2

0+

Q

π · Kln

(

r

R

)

(7.18)

Aus zwei Piezometerhöhen lässt sich K berechnen:

K =Q

2π · m · (h21 − h2

2)ln

(

r1

r2

)

(7.19)

Man beachte, dass Gleichungen 7.18 und 7.19 nur unter der Annahme gelten, dass eskeine Vertikalgeschwindigkeiten gibt (Dupuit-Annahme). Daher beschreiben diese Glei-chungen die Absenkung der Piezometerhöhen in der Nähe des Brunnens nicht korrekt.

7.2.3 Kontinuitäts- und Strömungsgleichung

Ganz analog zum Vorgehen in Kap. 3.2 können wir mit Hilfe der Massenerhaltung dieKontinuitätsgleichung für Grundwasser herleiten. Für eine inkompressible Flüssigkeit,ein inkompressibles Medium, und ohne Quellen oder Senken führt die Massenbilanzüber ein Kontrollvolumen des Aquifers hier auf (vgl. 3.10):

divq = 0 (7.20)

Es ist zu beachten, dass in Gl. 7.20 die Filtergeschwindigkeit q und nicht die Abstandsge-schwindigkeit u steht, denn q gibt ja den Fluss durch die Flächen des Kontrollvolumensan (nur bei konstanter Porosität gilt auch divu = 0). Wie wir schon in Kap. 3.2 angedeu-tet hatten, sind jedoch die gemachten Annahmen für Grundwasser oft nicht zutreffend.In diesem Fall befindet sich im Kontrollvolumen außer Wasser auch ein festes Kornge-rüst, welches unter Druck deformiert werden kann. Die Speicherfähigkeit des Mediumsin Abhängigkeit des hydraulischen Druckes (ausgedrückt durch die Piezometerhöhe h)wird beschrieben durch den Speicherkoeffizienten S:

S =1

Vtot

dVW

dh[m−1] (7.21)

wobei Vtot das totale Volumen und VW das Wasservolumen bezeichnen. Außerdem spieltfür Grundwasser in der Praxis die externe Entnahme (oder Zugabe) von Wasser aus dem

132

Kontrollvolumen durch Brunnen eine große Rolle. Diese kann durch eine Wasserzuga-berate JW beschrieben werden, welche das relativ zum Kontrollvolumen pro Zeiteinheitzugegebene Wasservolumen angibt. Der typischere Fall der Wasserentnahme wird natür-lich einfach durch einen negativen Wert von JW beschrieben. Mit Speicherkoeffizient Sund Wasserzugabe JW wird Gl. 7.20 zu:

divq = −S∂h

∂t+ JW [s−1] (7.22)

Dies ist die Kontinuitätsgleichung für ein Kontrollvolumen in einem Aquifer in allge-meiner Form. Die linke Seite von Gl. 7.22 gibt den Ausstrom von Wasser aus demKontrollvolumen pro Zeit an, die rechte Seite beschreibt die Änderung der gespeichertenMenge Wasser und die externe Zugabe (alles relativ zur Größe des Kontrollvolumens).In der Praxis sehr wichtig ist der Spezialfall der rein horizontalen Strömung in einem

vertikal homogenen Aquifer mit Mächtigkeit m, den wir schon bei der Diskussion vonPumpversuchen betrachtet haben. In diesem Fall verwendet man als Kontrollvoluminavertikale Säulen und integriert über die (variable) Mächtigkeit m. Das Problem reduziertsich auf ein 2-D Strömungsfeld in x- und y-Richtung. Die Kontinuitätsgleichung kanndann geschrieben werden als:

∇h · (mq) ≡∂(mqx)

∂x+

∂(mqy)

∂y= −S ′

∂h

∂t+ J ′

W [m s−1] (7.23)

Hierbei bezeichnet der dimensionslose Speicherkoeffizient S ′ nun die Änderung des ge-speicherten Wasservolumens pro Fläche des Aquifers und pro Head-Änderung, und J ′

W

das pro Zeiteinheit und Fläche zugegebene Wasservolumen.Anhand von Gl. 7.23 lässt sich ein wichtiger Unterschied zwischen gespannten und

ungespannten Aquiferen im Bezug auf die Speicherfähigkeit diskutieren. Der Speicher-koeffizient S ′ ist eine empirische Größe, die angibt, wie viel mehr Wasservolumen imAquifer mit Mächtigkeit m bei einer Änderung der Piezometerhöhe h zusätzlich proQuerschnittsfläche gespeichert werden kann. Im gespannten Aquifer ist diese zusätzlicheSpeicherung nur möglich, da sowohl das Wasser als auch die Gesteinsmatrix kompres-sibel sind. Die Deformation der Gesteinsmatrix ist dabei gewöhnlich der dominierendeEffekt, aber dennoch ist die Druckabhängigkeit der Speicherfähigkeit eines gespanntenAquifers natürlich relativ gering. Im Gegensatz dazu bedeutet beim ungespannten Aqui-fer ein Anstieg der Piezometerhöhe einen realen Anstieg des Wasserspiegels und damitder Mächtigkeit der gesättigten Schicht (wird die Höhe des Aquiferbodens als Referenz-höhe gewählt, so gilt m = h). Bei Piezometerhöhenschwankungen wird also Porenraumtrocken fallen oder trockener Porenraum mit Wasser gefüllt werden. Somit verändert sichdas verfügbare Volumen um den gesamten (oder zumindest den effektiven) Porenraumder von der Wasserspiegelschwankung betroffenen Zone. Der Speicherkoeffizient S ′ einesungespannten Aquifers entspricht daher praktisch der effektiven Porosität neff und istwesentlich größer als beim gespannten Aquifer.Durch Kombination der Kontinuitätsgleichung mit dem Darcy-Gesetz erhalten wir nun

leicht die Strömungsgleichungen für Grundwasser. Dazu setzt man das Darcy-Gesetz 7.10

133

in die Kontinuitätsgleichung 7.22 ein und erhält:

div(K∇h) = −S∂h

∂t+ JW [s−1] (7.24)

Gleichung 7.24 entspricht einer Diffusionsgleichung für die Piezometerhöhe (s. z.B. Tab. 4.1).Analog kann man für den horizontalen 2D-Aquifer mit Mächtigkeit m Gl. 7.23 anstellevon 7.22 verwenden und erhält dann:

∇h · (mK∇hh) = −S ′∂h

∂t+ J ′

W [m s−1] (7.25)

wobei natürlich K nur noch die horizontalen Komponenten enthält. Bei konstanter Mäch-tigkeit des Aquifers und horizontal isotroper hydraulischer Leitfähigkeit lässt sich 7.25weiter vereinfachen. Häufig definiert man in diesem Fall die Transmissivität T als Pro-dukt von Leitfähigkeit K und Mächtigkeit m:

T ≡ mK [m2 s−1] (7.26)

womit sich 7.25 schreiben lässt als:

T∆hh = −S ′∂h

∂t+ J ′

W [m s−1] (7.27)

Unter Vernachlässigung des Speichertermes und ohne Entnahme oder Zugabe vonWassererhält man im stationären Fall die Laplace-Gleichung für h.Die Strömungsgleichungen 7.24 oder 7.25 lassen sich nur in einfachen Spezialfällen

analytisch lösen. In der Praxis erfolgt meist eine numerische Lösung in so genanntenGrundwasser-Strömungsmodellen. Auch die numerische Lösung der Strömungsgleichun-gen erfordert aber Anfangs- und Randbedingungen. Als Anfangsbedingung kann maneine auf Messungen beruhende oder bei der Suche nach der stationären Strömung auchnur eine vernünftig angenommen initiale Piezometerhöhenverteilung h0(x) wählen.Man unterscheidet drei Arten von Randbedingungen:

• Typ 1 (Dirichlet): vorgegebener head h(t) auf dem Rand. Spezialfall: h = const.(constant head boundary), z. B. See oder Fluss mit hydraulischer Verbindung zumAquifer.

• Typ 2 (Neumann): vorgegebener Fluss, d.h. ∂h/∂n, auf dem Rand. Spezialfall:∂h/∂n = 0 (no flow boundary) z. B. undurchlässige Schicht, Wasserscheide, ange-nommene Fließlinie.

• Typ 3 (Cauchy): Kombination von Typ 1 und 2.

Zu den Randbedingungen zählt insbesondere auch der Zustrom von Wasser in denAquifer, die so genannte Grundwassererneuerung (recharge). In einem ungespanntenAquifer kann diese Erneuerung durch flächenhafte Versickerung des Niederschlages er-folgen. Meist weiß man jedoch nicht, wo wie viel versickert. Kennt man alle Randbedin-gungen, den Tensor K der hydraulischen Leitfähigkeit, den Speicherkoeffizienten S, sowie

134

allfällige Entnahmen oder Zugaben JW , so liefert die numerische Lösung der Strömungs-gleichung 7.24 eine Verteilung der Piezometerhöhe h, woraus sich mit dem Darcy-Gesetzdie Strömung q ergibt.

Während S und JW meist gut abgeschätzt werden können, stellen die korrekte Wahlder (Verteilung der) hydraulischen Leitfähigkeit sowie der Randbedingungen die größ-ten Schwierigkeiten der Grundwassermodellierung dar. In der Praxis ist es viel leich-ter, die Piezometerhöhen zu messen als die hydraulische Leitfähigkeit. Daher variiertman oftmals die K-Werte im Modell, bis eine gute Übereinstimmung mit den gemesse-nen Höhen erzielt wird (Modellkalibration). Dabei muss man natürlich vereinfachendeAnnahmen machen, um die im Prinzip unendliche Zahl der unbekannten K-Werte zureduzieren. Auch dann bleibt jedoch ein prinzipielles Problem in Verbindung mit denRandbedingungen bestehen. Meist gibt es nämlich viele unterschiedliche Kombinatio-nen von Erneuerungsraten (Zu- und Abstrom aus dem Modellgebiet) und hydraulischenLeitfähigkeiten, die zu ähnlichen Piezometerhöhenverteilungen führen.

Abb. 7.7 zeigt als Beispiel für eine Lösung der Strömungsgleichung die Piezometer-höhenverteilung und die Stromlinien in der Umgebung eines Entnahmebrunnens beihomogener Leitfähigkeit.

Abb. 7.7: Strömung zu einem Brunnen bei homogener Leitfähigkeit. Ausgezogene Li-nien mit Pfeilen sind Stromlinien, gestrichelte Linien sind Höhenlinien deshydraulischen Potentials. S bezeichnet einen strömungsfreien Sattelpunkt desPotentials. Aus Fitts (2002).

135

7.3 Transport im Grundwasser

Genau wie bei Oberflächengewässern wird auch im Grundwasser advektiver und dif-fusiver Stofftransport unterschieden. Da die Strömung laminar ist, kommt turbulenteDiffusion natürlich nicht vor, sie wird jedoch durch einen analogen Prozess, die so ge-nannte Dispersion, ersetzt. Die Dispersion ist letztlich ein Resultat der Tatsache, dassdas Grundwasser nicht frei strömen kann, sondern nur entlang offener Poren. Schließlichkann im Grundwasser auch die Reaktion des gelösten Stoffes mit der Matrix, meistensin Form von Adsorption, eine Rolle spielen.

7.3.1 Advektiver Transport

Auch der advektive Stofffluss im Grundwasser wird durch die Bodenmatrix beeinflusst.Der advektive Transport kann nur entlang verbundener Porenräume erfolgen. Für denadvektiven Stofffluss (Masse pro Zeit und Einheitsfläche) durch eine Einheitsfläche senk-recht zur Strömungsrichtung (hier x-Richtung) ergibt sich:

F adx =

Q

AC = qxC = uxneffC (7.28)

Der advektive Fluss wird also genau wie in freien Gewässern beschrieben, nur dass dieGeschwindigkeit v durch die Filtergeschwindigkeit q zu ersetzen ist, und nicht etwa dieAbstandsgeschwindigkeit u. Natürlich kann 7.28 auch in vektorieller Form geschriebenwerden (vgl. Tab. 4.1):

Fad = qC (7.29)

7.3.2 Molekulare Diffusion

Wie der advektive Transport wird auch der Transport durch molekulare Diffusion durchdie Bodenmatrix beeinflusst, da nur die Fläche der Poren zur Diffusion zur Verfügungsteht und nicht der Gesamtquerschnitt des Grundwasserleiters. Zusätzlich spielt hier eineRolle, dass infolge der gewundenen Struktur der Poren für einen diffusiven Transport umdie Strecke ∆x effektiv eine längere Diffusionsstrecke überwunden werden muss. Diesemikroskopische Struktureigenschaft des porösen Mediums wird beschrieben durch dieTortuosität τ . Die Tortuosität ist ein Maß für die Länge der Poren Lp in der Bodenmatrixim Vergleich zum Abstand ∆x: τ = (Lp/∆x)2. Bei der Advektion müsste man dieTortuosität auch berücksichtigen, falls man den Transport durch die lokale mittlereGeschwindigkeit v in den Poren ausdrücken möchte, was aber wenig Sinn macht. Dermolekulare Stofffluss in x-Richtung ist gegeben durch:

F difx = −

n

τDm

∂C

∂x(7.30)

wobei n die Porosität, τ die Tortuosität und Dm den molekularen Diffusionskoeffizientendarstellt. Zu beachten ist, dass die molekulare Diffusion im Unterschied zur Advektionauch in kleinste Poren eindringt, die nicht durchströmt werden. Daher tritt in Gl. 7.30

136

die totale Porosität n auf, in 7.28 aber die effektive Porosität neff . Wiederum ist dieVerallgemeinerung auf drei Dimensionen einfach, zumal Dm ein richtungsunabhängigerSkalar ist (vgl. Tab. 4.1):

Fdif = −n

τDm∇C (7.31)

Wie schon in Seen und Flüssen ist der Stofffluss durch molekulare Diffusion sehr klein.Der diffusive Transport wird durch Porosität und Tortuosität zusätzlich behindert undje um einen Faktor 2 - 5 verringert im Vergleich zur molekularen Diffusion im offenenWasser. Für den großskaligen Stofftransport kann molekulare Diffusion in der Regelvernachlässigt werden, sobald die Abstandsgeschwindigkeit größer als 0.1 m/Tag ist.Auf kleinen Skalen (mm bis cm) und für die irreversible Vermischung bei Dispersion istder Prozess der molekularen Diffusion hingegen ausschlaggebend.

7.3.3 Dispersion

Die Strömung im Untergrund führt nicht nur zum advektiven Transport einer Konzen-trationsverteilung sondern auch zu einer Dispersion, d.h. Verbreiterung der Verteilung,wie sie in Oberflächengewässern durch die turbulente Diffusion verursacht wird. Im Ge-gensatz zu Strömungen in Seen und Flüssen ist der Grundwassertransport aber in derRegel nicht turbulent sondern laminar. Beim Grundwassertransport ist die Boden- bzw.Gesteinsmatrix für die Dispersion verantwortlich. Selbst wenn das Medium sehr homogenist können sich Wasserpakete mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen, da1. das feste Korngerüst die Strömungsrichtung verändern kann, 2. innerhalb einer Poredas Geschwindigkeitsprofil ungleichförmig ist, und 3. die Porengrößen unterschiedlichsein können. Als Konsequenz der unterschiedlichen Geschwindigkeiten verbreitert sicheine Tracer- oder Schadstoffverteilung viel rascher, als man dies auf Grund der mole-kularen Diffusion erwarten würde. Man bezeichnet diese Effekte als korngerüstbedingteDispersion.Bei Stofftransportproblemen über Skalen größer als einige Meter kommt die so genann-

te Makrodispersion hinzu, die durch Inhomogenitäten im Aquifermaterial hervorgerufenwird. Entlang bestimmter Fließwege können große Durchlässigkeiten existieren, entlangdenen Wasser eine viel größere Strömungsgeschwindigkeit erreicht wird als im übrigenUntergrund. Werden gelöste Substanzen entlang der unterschiedlichen Fließwege unter-schiedlich schnell transportiert führt dies wiederum zur Dispersion. Die unterschiedlichenzur Dispersion beitragenden Effekte sind in Abb. 7.8 illustriert.Dispersion hat nicht nur den selben Effekt auf Stoffverteilungen wie molekulare bzw.

turbulente Diffusion, sondern wird auch mathematisch analog beschrieben. Im Gegen-satz zum molekularen Diffusionskoeffizienten Dm ist jedoch der Dispersionskoeffizient Danisotrop. Die Dispersion ist normalerweise stärker entlang der Fließrichtung (longitu-dinal) als quer zu ihr (transversal). Der Stofffluss durch Dispersion wird in Analogie zurmolekularen bzw. turbulenten Diffusion geschrieben als

Fdis = −neffD∇C (7.32)

137

Abb. 7.8: Zur Dispersion beitragende Effekte auf unterschiedlichen Skalen.

wobei die Dispersion als richtungsabhängige Größe durch den Tensor D beschrieben wird.Dieser Tensor wird bestimmt durch zwei skalare Größen, dem longitudinalen Dispersi-onskoeffizienten DL in Strömungsrichtung und dem transversalen Dispersionskoeffizien-ten DT in der dazu senkrechten Richtung. Wie beim turbulenten Diffusionskoeffizientenin Oberflächengewässern ist der Dispersionskoeffizient nicht stoffabhängig, sondern eineEigenschaft der Strömung. Beim Grundwassertransport hängen DL bzw. DT zusätzlichvon der Boden- bzw. Gesteinsmatrix ab. Möchte man den Einfluss der Strömung vomAquifereinfluss auf die Dispersion trennen, kann man näherungsweise schreiben:

DL = αLu und DT = αT u (7.33)

wobei u der Betrag der Abstandsgeschwindigkeit ist und αL bzw. αT die longitudinalebzw. transversale Dispersivität (mit Dimension einer Länge) bezeichnen. In dieser Nähe-rung hängen die Dispersionskoeffizienten linear vom Betrag der Abstandsgeschwindigkeitab. Die beiden Dispersivitäten sind reine Aquifereigenschaften. Die transversale Disper-sivität ist typischerweise eine Größenordnung kleiner als die longitudinale Dispersivität(man setzt meist αT = 0.1αL).Die Dispersivitäten und damit auch die Dispersionskoeffizienten im Grundwasser neh-

men mit der Größenskala der beobachteten Konzentrationsverteilung zu (Abb. 7.9).Dies ist ganz analog zu den turbulenten Diffusionskoeffizienten in Seen oder im Ozean.Beim Grundwassertransport liegt die Ursache in der skalenabhängigen Heterogenität derBoden- bzw. Gesteinsmatrix.

138

Abb. 7.9: Longitudinale Dispersivität in Abhängigkeit der Längenskala über die derTransport betrachtet wird. Mit zunehmender Längenskala nimmt die Disper-sivität zu.

7.3.4 Adsorption

Im Unterschied zum Stofftransport in Oberflächengewässern spielt im Grundwasser ne-ben der Advektion, Diffusion und Dispersion bei vielen Substanzen die Adsorption an dieGesteinsmatrix eine Rolle. Die Adsorption führt im Wesentlichen zu einer Verzögerungder Schadstoffausbreitung. Die Stoffmenge Ma, welche pro Volumenelement ∆V an derGesteinsmatrix adsorbiert ist, lässt sich angeben durch:

Ma = ∆V (1 − n)ρmCa (7.34)

wobei ρm die Dichte der Gesteinsmatrix ist. ∆V (1 − n)ρm entspricht mithin der Ge-samtmasse der Gesteinsmatrix in ∆V und die adsorbierte Stoffkonzentration Ca wirdals Stoffmenge pro kg Gestein angegeben.Besteht Gleichgewicht zwischen gelöster und adsorbierter Stoffkonzentration (schnelle

Adsorption) kann man die adsorbierte Konzentration Ca durch die gelöste KonzentrationC ausdrücken. Der funktionale Zusammenhang zwischen C und Ca hängt vom Gestein,

139

vom Stoff, vom Lösungsmittel und auch von der Temperatur ab. Bei konstanter Tem-peratur spricht man von einer Adsorptionsisotherme, die im einfachsten Fall auch linearsein kann:

Ca = KaC (7.35)

mit einem stoffabhängigen Adsorptionskoeffizienten Ka. Setzt man diese Adsorptionsi-sotherme in Gl. 7.34 ein, erhält man für die gesamte Masse Mtot des Stoffes pro Volu-menelement ∆V (mit Md = gelöste Stoffmenge):

Mtot = Md + Ma = n∆V C +∆V C

(

1 +(1 − n)

nρmKa

)

≡ RMd (7.36)

wobei R = (1 + ρmKa(1 − n)/n) Retardierungsfaktor genannt wird. Die gesamte Stoff-menge ist also R mal größer als die Stoffmenge in Lösung, wobei R für adsorbierendeStoffe immer größer als 1 ist. Wenn wir diesen Zusammenhang in Form von Konzentra-tionen ausdrücken wollen, ist zusätzlich zu berücksichtigen, ob die Stoffmengen auf dasgesamte Volumen (wie für Mtot sinnvoll) oder nur auf das Porenvolumen (wie für Md

sinnvoll) bezogen werden. Der Zusammenhang zwischen totaler Stoffkonzentration imAquifervolumen und gelöster Konzentration im Porenvolumen enthält daher die Retar-dierung R und die Porosität n:

Ctot =Mtot

Vtot

=RMd

Vporen/n= nR

Md

Vporen

= nRC (7.37)

7.3.5 Transportgleichung

Die Transportgleichung für einen Spurenstoff erhält man, indem man die Massenbilanzfür den Spurenstoff in einem Kontrollvolumen berechnet. Die Änderung der gesamtenStoffmenge Mtot pro Volumeneinheit, also Ctot, entspricht der Divergenz der verschiede-nen Stoffflüsse (vgl. Tab. 4.1). Mit Hilfe von Gl. 7.37 können wir diese Bilanz durch dieKonzentration des gelösten Stoffes ausdrücken:

∂Ctot

∂t=

∂(nRC)

∂t= − div(Fad + Fdif + Fdis) (7.38)

Bei konstanter Porosität n und Retardierung R unterscheidet sich also die transportbe-dingte Konzentrationsänderung im Grundwasser von derjenigen in einem freien Gewässer(s. z.B. Gl. 4.14) um den Faktor 1/nR. Insbesondere heißt das, dass der Transport ei-nes adsorbierenden Stoffes gegenüber einem nicht-reaktiven Stoff um den Faktor 1/Rverlangsamt abläuft.Die allgemeine Transportgleichung für gelöste Stoffe im Grundwasser erhalten wir

durch einsetzen der Flüsse in Gl. 7.38, zusätzliche Berücksichtigung möglicher Stoffquel-len oder Senken JC , sowie des Effektes einer möglichen Zugabe JW von Wasser mit derKonzentration Cin.

∂(nRC)

∂t= ∇ ·

(

−qC +n

τDm∇C + neffD∇C

)

+ JC + JW Cin (7.39)

140

Diese Gleichung lässt sich mit einigen Annahmen weiter vereinfachen. Zum einen istder molekular-diffusive Transport gegenüber der Dispersion praktisch meist vernachläs-sigbar. Man kann die beiden Terme aber auch einfach durch Einführung einer totalenDispersion gemäß neffDtot = nτ−1Dm1 + neffD zusammenfassen. Nimmt man weiteran, dass n und R konstant sind, und neff = n sei, so ergibt sich:

R∂C

∂t= −∇ · (uC) + ∇ · (Dtot∇C) +

1

n(JC + JW Cin) (7.40)

Der Advektionsterm kann gemäß ∇ · (uC) = u · ∇C + C∇ · u in zwei Beiträge zerlegtwerden. Aus der Kontinuitätsgleichung 7.22 wissen wir, dass die Divergenz des Strö-mungsfeldes (beschrieben durch die Darcy-Geschwindigkeit q) durch Speicherungsände-rung und Wasserzugabe/-entnahme gegeben ist. Für stationäre Bedingungen (∂h/∂t =0) und konstante Porosität folgt für die Divergenz der Abstandsgeschwindigkeit:

divu =JW

n[s−1] (7.41)

Die Divergenz des Strömungsfeldes wird also nur durch Zugabe oder Entnahme vonWasser erzeugt. Der entsprechende Anteil des advektiven Transportes kann mit dembereits eingeführten Quellterm JW Cin kombiniert werden, und wir erhalten:

∂C

∂t= −

1

R· u · ∇C +

1

R∇ · (Dtot∇C) +

JC

nR+

JW

nR(Cin − C) (7.42)

Diese Grundwasser-Transportgleichung ist ganz analog zur Advektions-Diffusionsgleichungin Oberflächengewässern (z.B. Gl. 4.14).Die Advektion (1. Term auf der rechten Seite) führt zu einer Bewegung des Schwer-

punktes der Tracerverteilung mit der Geschwindigkeit u/R. Je größer das Adsorptions-verhalten des Stoffes ist, desto größer ist R und desto kleiner ist die Geschwindigkeit derSchwerpunktsbewegung (Retardierung).Die Dispersion (2. Term auf der rechten Seite) führt zu einer Ausbreitung der Tra-

cerverteilung relativ zum Schwerpunkt. Sind keine Quellen vorhanden und fällt die lon-gitudinale Richtung mit der x- oder y-Richtung zusammen, so nimmt bei unendlichweit entfernten Rändern die Varianz der Verteilung in longitudinaler bzw. transversalerRichtung mit der Zeit linear zu:

σ2

L =2DLt

Rund σ2

T =2DT t

R(7.43)

Die Verteilungen von Stoffen, die stark adsorbieren, verbreitern sich langsamer als Ver-teilungen nichtsorbierender Stoffe (wie z.B. Edelgase).Der Reaktionsterm (3. Term auf der rechten Seite) beschreibt die Produktion (JC > 0)

oder den Abbau (JC < 0) des Stoffes infolge von physikalischen (radioaktiver Zerfall),chemischen oder biologischen Prozessen.Der Quellterm (4. Term auf der rechten Seite) beschreibt die Zugabe von Wasser

mit der Konzentration Cin, z.B. durch Sickerbrunnen. Im Falle der Wasserentnahme istCin = 0 und JW gleich dem Betrag der Wasserentnahmerate zu setzen.

141

Damit beschreibt die Gleichung 7.42 den Stofftransport beliebiger Substanzen im Un-tergrund. Um diese Gleichung lösen zu können, müssen aber die Abstandsgeschwindig-keiten im Untergrund bekannt sein. Dies ist leider normalerweise nicht der Fall unddie Abstandsgeschwindigkeiten können auch nicht unmittelbar gemessen werden. Daherist es nötig, in Abhängigkeit von leicht messbaren Größen die Abstandsgeschwindigkeitim Untergrund berechnen zu können. Dazu wird zunächst die Strömungsgleichung 7.24gelöst.Analog zu der Diskussion bei der Strömungsgleichung wird auch die Transportglei-

chung oft für den Fall des rein horizontalen Strömungsfeldes geschrieben. Die Annahmevernachlässigbarer vertikaler Strömungsgeschwindigkeiten (Dupuit-Annahme) hat einensehr weiten Anwendungsbereich, da ein Aquifer im Vergleich zu seiner Mächtigkeit ty-pischerweise eine sehr große horizontale Ausdehnung hat. Strömung und Stofftransportverlaufen dann im Wesentlichen horizontal (Aquifer type flow). Um zweidimensionalenhorizontalen Transport zu beschreiben, muss man die dreidimensionalen Transportglei-chungen über die Mächtigkeit des Aquifers integrieren. Zum gleichen Ergebnis führtaber auch, wenn man den zweidimensionalen Transport der über die (im Allgemeinenvariable) Mächtigkeit m des Aquifers gemittelten Konzentration betrachtet.

142

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