22
7 Mechanische Verbindungen 7.1 Schnappverbindungen 7.1.1 Einleitung Schnappverbindungen sind formschlüssige Verbindungen mit vielfältigen Gestaltungsmög- lichkeiten. Gemeinsam ist allen Schnappverbindungen, dass eine vorstehende Stelle eines Teils, z.B. ein Haken oder ein Wulst, bei der Montage kurzfristig ausgelenkt wird und in eine Vertiefung (Hinterschnitt) des Verbindungspartners einrastet. Je nach Gestaltung der Verbin- dungspartner ist die Verbindung lösbar oder unlösbar. Unlösbare Verbindungen können Dauer- lasten auch bei höheren Temperaturen aufnehmen. Im unbelasteten Zustand unterliegt die Verbindung nur geringen Spannungen. Sie ist daher in der Regel nicht dicht. Für dichte Ver- bindungen sind Dichtelemente erforderlich. Nach dem Prinzip der Schnappverbindung funktionieren auch spezielle Verbindungselemente wie Schnappnieten, Klammern und Clipse. Aufgrund der einfachen Montage ist die Schnapp- verbindung eine der kostengünstigsten Verbindungsmöglichkeiten. 7.1.2 Grundformen der Schnappverbindungen Die mit einem Hinterschnitt versehenen Bauelemente können zylindrisch, kugelig oder haken- förmig sein. Dementsprechend wird unterschieden zwischen: federnden Haken (Schnapphaken) (Bild 7.1), zylindrischen Schnappverbindungen (Bild 7.1), Schnappverbindungen mit kugeligen Überdeckungsflächen (Bild 7.1), Torsionsschnappverbindungen (Bild 7.2). Bild 7.1: Schnappverbindungen f / 2 f / 2 f

7.1 Schnappverbindungen 303 7 Mechanische Verbindungenfiles.hanser.de/Files/Article/ARTK_LPR_9783446227552_0002.pdf · 306 7 Mechanische Verbindungen und dem Sekantenmodul E S. Durch

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7.1 Schnappverbindungen 303

7 Mechanische Verbindungen

7.1 Schnappverbindungen

7.1.1 EinleitungSchnappverbindungen sind formschlüssige Verbindungen mit vielfältigen Gestaltungsmög-lichkeiten. Gemeinsam ist allen Schnappverbindungen, dass eine vorstehende Stelle einesTeils, z.B. ein Haken oder ein Wulst, bei der Montage kurzfristig ausgelenkt wird und in eineVertiefung (Hinterschnitt) des Verbindungspartners einrastet. Je nach Gestaltung der Verbin-dungspartner ist die Verbindung lösbar oder unlösbar. Unlösbare Verbindungen können Dauer-lasten auch bei höheren Temperaturen aufnehmen. Im unbelasteten Zustand unterliegt dieVerbindung nur geringen Spannungen. Sie ist daher in der Regel nicht dicht. Für dichte Ver-bindungen sind Dichtelemente erforderlich.

Nach dem Prinzip der Schnappverbindung funktionieren auch spezielle Verbindungselementewie Schnappnieten, Klammern und Clipse. Aufgrund der einfachen Montage ist die Schnapp-verbindung eine der kostengünstigsten Verbindungsmöglichkeiten.

7.1.2 Grundformen der SchnappverbindungenDie mit einem Hinterschnitt versehenen Bauelemente können zylindrisch, kugelig oder haken-förmig sein. Dementsprechend wird unterschieden zwischen:

• federnden Haken (Schnapphaken) (Bild 7.1),• zylindrischen Schnappverbindungen (Bild 7.1),• Schnappverbindungen mit kugeligen Überdeckungsflächen (Bild 7.1),• Torsionsschnappverbindungen (Bild 7.2).

Bild 7.1: Schnappverbindungen

�E*

�E*

304 7 Mechanische Verbindungen

Bild 7.2: Schnapparm mit Torsionsstab [3]

Federnde Haken werden vorwiegend auf Biegung beansprucht. Bei Ringschnappverbindungenund Verbindungen mit kugeligen Überdeckungen liegt Rotationssymmetrie vor, wobei die Be-anspruchung mehrachsig ist. Torsionsverbindungen werden auf Scherung beansprucht.

Bei der Gestaltung von Schnappverbindungen sind folgende Punkte zu beachten:

• mechanische Beanspruchung beim Fügevorgang,• Kraftaufwand bei der Montage (Fügevorgang),• Belastbarkeit.

Entsprechende Literatur ist unter [1 bis 6] zu finden.

7.1.3 Berechnungsgrundlagen

7.1.3.1 Fügekraft

Bei der Montage treten eine Fügekraft F und eine Querkraft Q auf (Bild 7.3). Aus dem darge-stellten Kräftegleichgewicht erhält man für die Fügekraft:

(7.1)

Mit

(7.2)

ergibt sich dann:

(7.3)

In dieser Gleichung ist die Querkraft Q unbekannt.

( )ρ+α= tanQF

µ=ρ= tanR

N

η=αµ−α+µ= QQF

tan1

tan

7.1 Schnappverbindungen 305

Bild 7.3: Kräftegleichgewicht beim Fügen einer Schnappverbindung

7.1.3.2 Querkraft

Federnde Haken

Für die Durchbiegung f (Bild 7.1) des federnden Hakens (Bild 7.4) gilt:

(7.4)

mit dem Flächenträgheitsmoment

(7.5)

D

D G

G &

&

&

D

D

& G

� � � � � � � � � � � � �

H

D G

&

� �

I & I A I & G I

I D I A I D G I

& A D � � � 8 � J � 7

��

H

K

K

JE

lQf

S3

3⋅=

12

3bhJ =

306 7 Mechanische Verbindungen

und dem Sekantenmodul ES. Durch Umstellen erhält man:

(7.6)

Für f gilt nach Bild 7.5:

(7.7)

Die Durchbiegung f wird durch die zulässige Dehnung εzul festgelegt. Mit der Spannung

(7.8)

und dem Widerstandsmoment

(7.9)

erhält man für die Querkraft:

(7.10)

und damit für die Durchbiegung über Gl. (7.6):

(7.11)

wobei für ε gilt:

(1.12)

Für die maximale Auslenkkraft Qmax erhält man dann:

(7.13)

Widerstandsmoment und Durchbiegungen sind für einige Querschnitte in Tabelle 7.1 aufgelis-tet. Hierzu einige Erläuterungen:

• Die Formeln gelten für den Fall, dass die kritische Beanspruchung (Zugspannung) in derschmalen Fläche b liegt. Tritt sie jedoch in der breiteren Fläche a auf, so sind a und b zuvertauschen.

• Tritt die kritische Beanspruchung (Zugspannung) in der konvexen Oberfläche auf, so ist C2aus Bild 7.6 zu verwenden. Tritt sie in der konkaven Oberfläche auf, ist entsprechend C1aus dem gleichen Bild zu benutzen.

• Es ist der Randfaserabstand vom Schwerpunkt (neutrale Faser) derjenigen Oberfläche zubenutzen, die Zugspannung aufweist.

fl

JEQ S

3

3=

21 LLf −=

W

lQ ⋅=σ

h

JW

2=

hl

JQ

σ= 2

ε=h

lf

2

3

2

zulε≤ε

zulS

l

WEQ ε=max

7.1 Schnappverbindungen 307

• Das Widerstandsmoment ist für diejenige Oberfläche zu bestimmen, die unter Zugspan-nung steht. Widerstandsmomente für Grundkörper findet man in Grundlagenbüchern desMaschinenbaus.

• Das Symbol e ist der Randfaserabstand von der neutralen Faser (Bild 7.4).• Die Dehnung ε entspricht der zulässigen Dehnung εzul.

Die Geometriefaktoren sind Bild 7.6 und 7.7 zu entnehmen.

Bild 7.4: Einfacher Schnapphaken und Dehnung im Querschnitt A-A [3]

Bild 7.5: Doppelter Schnapphaken und Montagebohrung [3]

l

h

Q

F

A

A

A

A +e

-eneutrale Faser

–ε

L 2

r

r

L 1f

308 7 Mechanische Verbindungen

Ringschnappverbindungen

Bei der Ringschnappverbindung weitet z.B. der Schnappwulst der Welle das Rohr (Bild 7.8)auf. Die Spannungsverteilung erstreckt sich daher über einen größeren Bereich der Wulstum-gebung.

Tabelle 7.1: Berechnungsgleichungen für Schnapphaken [3]

Bild 7.6: Nomogramme zur Bestimmung von C1 und C2 für Querschnittsform C nach Tabelle 7.1 [3];C1: Konkavseite unter Zugbeanspruchung, C2: Konvexseite unter Zugbeanspruchung

Querschnittsform

Ausführung

1

2

3

1,2,3

Querschnitt überLänge konstant

Alle Maße in y-Richtung,z.B. h oder Dr , nehmenauf die Hälfte ab.

Alle Maße in z-Richtung,z.B. b und a, nehmenauf ein Viertel ab.

yh/2h

Q

l

h

zb/4b

A B C D

he

e

b

Rechteck

e1

e2

a

b

Trapez

h

r1

r2

Dr e2

e1

j

e2

e1

h

b

Kreisbogensegment belieb. Querschnitt

hl

67,0f2⋅ε⋅=

hl

09,1f2⋅ε⋅=

hl

86,0f2⋅ε⋅=

hl

ba2ba

f2)1 ⋅ε⋅

++=

hl

ba2ba

64,1f2)1 ⋅ε⋅

++=

hl

ba2ba

28,1f2)1 ⋅ε⋅

++=

2

2)2

rl

Cf⋅ε⋅=

2

2)2

rl

C64,1f⋅ε⋅⋅=

2

2)2

rl

C28,1f⋅ε⋅⋅=

)3

2

el

31

f⋅ε⋅=

)32/1

2

el

55,0f⋅ε⋅=

)32/1

2

el

43,0f⋅ε⋅=

lEs

WQ )4 ε⋅⋅=l

EsWQ )4 ε⋅⋅=

lE

6hb

Q s

W

2 ε⋅⋅⋅=

876

lE

ba2baba

12h

Q

s

W

2)122

ε⋅⋅

+++⋅=

444 8444 76

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0

/

.

*

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0

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0

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.

*

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- +

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- + )

- / +

- 0 )

- + = )

. +

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, +

@ )

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- + )

- / +

- 0 )

� � � 5� � � 5

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���� �

) � 0 , +

* � / ,

3*

3-

7.1 Schnappverbindungen 309

Bild 7.7: Nomogramme zur Ermittlung des Widerstandsmoments für Querschnittsform C nach Tabelle7.1 [3] W1: Konkavseite unter Zugbeanspruchung, W2: Konvexseite unter Zugbeanspruchung

Bild 7.8: Spannungsverteilung beim Fügevorgang einer Ringschnappverbindung

Für dünnwandige Schnappverbindungen gilt nach Delpy [2] für die axiale Kraft:

(7.14)

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� �

� �

� �

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� �

��

( � � � � � � � � � � � � � � � � �

D :

&&

C

D

( )41

2

23

1

2597,0

ν−

η= E

D

sDfFA

310 7 Mechanische Verbindungen

Aus den in Bild 7.9 dargestellten Geometrien erhält man für die in Gl. (7.14) auftretendenGrößen die folgenden Ausdrücke:

(7.15)

ν ist die Querkontraktionszahl.

Für dickwandige Schnappverbindungen wird in der Regel angesetzt:

(7.16)

wobei nach der Theorie für Pressverbindungen der Druck p durch die Beziehung

(7.17)

mit

(7.18)

beschrieben wird.

Bild 7.9: Geomerien von Ringschnappverbindungen, a) Außenwulst, b) Innenwulst

Bei gleichen Materialien für Außen- und Innenteil (E = Ea = Ei, νa = νi) erhält man:

(7.19)

mit

(7.20)

( )

( )

,tan1

tan

,

,21

,21

1

αµ−α+µ=η

−=

+=

−=

DDf

DDD

DDs

a

a

ηπ= LDpFa

K

E

D

fp a=

ν+−++ν−

−+= ai

i

a

w

w

u

u

E

EK

1

1

1

12

2

2

2

� �� �

��

�E*

�* A �

L

��

�% A �

-

L

�E*

�� �

1

1

1

12

2

2

2

−++

−+=

w

w

u

uK

D

Dw

D

Du a

i

== ;

7.1 Schnappverbindungen 311

Daraus ergibt sich für den Druck p der Ausdruck:

(7.21)

Für die Ermittlung der wirksamen Länge L gehen wir von der Kesselformel aus:

(7.22)

und erhalten mit

(7.23)

den Ausdruck:

(7.24)

Damit erhält man für die Axialkraft (Gl. 7.16):

(7.25)

Durch Gleichsetzen mit Gl. (7.14) erhält man:

(7.26)

Damit ergibt sich für die Axialkraft mit E = Es:

(7.27)

mit den folgenden Geometriefaktoren:

Innenteil voll/Außenteil nachgiebig:

(7.28)

−++

−+

=

1

1

1

12

2

2

2

w

w

u

u

E

D

fp

ps

DE

2=ε=σ

ps

DE

2=ε=σ

ED

s

D

fp 2=

ηπ= LEsD

fFA 2

( ) D

sDL

2

1

19,0

4

12ν−

=

( )XfDEF sA η

ν−=

4

121

597,0

+−+

+−

=1

1

1

11

2

2

2

w

w

ww

X N

312 7 Mechanische Verbindungen

Innenteil nachgiebig/Außenteil unnachgiebig:

(7.29)

Die Delpy-Beziehungen lauten dagegen:

(7.30)

(7.31)

Die Querkontraktionszahl in den Delpy-Beziehungen taucht deshalb auf, weil nicht die An-nahme gleiches Material für Außen- und Innenteil gemacht wurde, sondern das Innenteil bzw.Außenteil als starr angenommen wurden (z.B. Stahl), d.h. nach Gl. (7.18).

bzw. (7.32)

Das Fehlen des Faktors kann nicht nachvollzogen werden. Die korrekte Herleitung in derOriginalveröffentlichung [2] müsste ihn ergeben. Diese Gleichungen gelten für endnaheSchnappverbindungen. Als endferne Schnappverbindungen werden angesehen, wenn der Ab-stand δ vom Bohrungsanfang (Bild 7.8) mindestens

(7.33)

beträgt. Hier gilt:

(7.34)

Befindet sich die Fügestelle im Bereich 0 bis δmin, so nimmt der Faktor Werte zwischen 1 und3 an.

Bei den bisher besprochenen Fällen war der steifere von beiden Fügepartnern näherungsweiseals starr angenommen worden. Demzufolge wurde der nachgiebigere hypothetisch um denvollen Betrag des Hinterschnitts verformt. Können sich jedoch beide Fügepartner verformen,

+−+

+−

=

11

1

1

12

2

2

u

u

u

u

XW

ν+−+

+−

=

1

1

11

2

2

w

w

ww

X N

ν−−+

+−

=

1

1

11

2

2

u

u

u

u

XW

0i

a

E

E0

a

i

E

E

2

Ds8,1min ≈δ

.3F

,3Q

endfern

endfern

endnah

endnah

F

Q

≈≈

7.1 Schnappverbindungen 313

so ist die Summe beider Verformungen gleich dem Hinterschnitt, jede einzelne Verformungalso geringer. Nach Bild 7.10 gilt dann für die tatsächliche Querkraft:

(7.35)

(7.36)

mit

(7.37)

Mit

(7.38)

erhält man dann:

(7.39)

und damit für die Auslenk- und Fügekraft:

(7.40)

(7.41)

Es bleibt kritisch anzumerken, dass die Gleichung für dünnwandige Schnappverbindungen(Gl. 7.14) größere Axialkräfte liefert als die für dickwandige, wenn das Wanddickenverhältnisgrößer 1 wird.

Schnappverbindungen mit kugeliger Überdeckung

Für Schnappverbindungen mit kugeliger Überdeckung (Bild 7.1) nehmen wir in erster Nähe-rung an, dass die gleichen Beziehungen gelten wie für Ringschnappverbindungen unter denBedingungen:

• endnah,• Welle starr, Außenrohr nachgiebig.

Schnapparm mit Torsionsstab

Bei Torsionsverbindungen tritt eine Drehverformung auf, d.h. der Torsionsstab (Bild 7.2) wirdauf Schub beansprucht. Für die Drehmomente gilt dann für einarmige Torsionsschnappverbin-dungen:

(7.42)

1 Ns XEDfQ α=

2 Ws XEDfQ α=

( ) 25021

595,0,−

21 ffDf zul +=ε=

W

N

zul

X

XD

f+

ε=

11

Szul

W

N

N ED

X

X

XQ 2

1

ε+

α=

QFa η=

33

22

11 aa

WG

lQ

lQ pγ==

314 7 Mechanische Verbindungen

und für zweiarmige, wie in Bild 2 dargestellt:

(7.43)

mit

(7.44)

(7.45)

(7.46)

(7.47)

wobei l1 und l2 die Längen des Schnapphebels sind, l die Länge eines Torsionsarms und Wpdas polare Widerstandsmoment. Die Geometriegrößen können Tabelle 7.2 entnommen wer-den.

33

22

11 2 aa

WG

lQ

lQ pγ==

( )ν+=

12SE

G

2

2

1

1sinl

f

l

f==β

la

K γ=β

zulzul ε=γ 35,1

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& � � � � � � �

���� ���? ������������ D

������D

� � � �

7.1 Schnappverbindungen 315

Bild 7.10: Tatsächliche Auslenkkraft Q bei zwei federnden FügepartnernTabelle 7.2: Konstanten zur Berechnung von Torsionsstäben

7.1.3.3 Belastbarkeit der Schnappverbindungen

Bei der Belastbarkeit der Schnappverbindung ist zwischen lösbaren und unlösbaren zu unter-scheiden. Bei den lösbaren Verbindungen gelten die gleichen Gleichungen wie beim Fügen.Statt des Fügewinkels α ist lediglich der Haltewinkel αH einzusetzen. Bei den nicht lösbarenVerbindungen ist αH = 90°. Unter Einbeziehung der Streckgrenze σS bzw. der ReißfestigkeitσR gilt:

(7.48)

und damit für die Kraft, die zum Versagen führt:

wobei A die Scherfläche ist.

7.1.4 StoffwerteKunststoffe haben einen dehnungsabhängigen Elastizitätsmodul. In den Gleichungen wird da-her der sog. Sekantenmodul ES benutzt (Bild 7.11). Bei der zulässigen Dehnung εzul musszwischen Thermoplasten mit einer ausgeprägten Streckgrenze und Thermoplasten ohneStreckgrenze unterschieden werden (Bild 7.12). Für die zulässige Dehnung gilt dann:

Bild 7.11: Elastizitätsmodul E0 und Sekantenmodul ES

Torsionsarm-querschnitt

1 2 3 4

a

a

aa

a

a a

b

K 57,3

1,57

132

0,05

84,8

0,208

b/a

K

1 1.5 2 3 4 6 8 10

84.8 67,0 61,9 58.4 57,8 57,5 57,3 57,3

0,209 0,354 0,494 0,808 1,130 1,790 2,460 3,1203P

aW

3P

aW

σσ

=τR

S

6,0

6,0

,τ= AF

�) �

;

�-

�-

316 7 Mechanische Verbindungen

Bild 7.12: Spannungs-Dehnungs-Diagramme für Werkstoffe mit (A) und ohne (B) ausgeprägte Streck-grenze σS

Bei der zulässigen Dehnung εzul muss zwischen Thermoplasten mit einer ausgeprägtenStreckgrenze und Thermoplasten ohne Streckgrenze unterschieden werden (Bild 7.12). Fürdie zulässige Dehnung gilt dann:

(7.49)

(7.50)

wobei in der Literatur Werte angegeben werden, die in den Grenzen

(7.51)

(7.52)

liegen. In Tabelle 7.3 sind einige Werkstoffkennwerte aufgelistet.

Erhard [6] gibt die folgenden Werte an:

teilkristalline Thermoplaste:

amorphe Thermoplaste: (7.53)

verstärkte Thermoplaste:

�;

�;

�C;�;

�K

�;A �

K

�C;�K

� �

� �

SSzul X ε=ε

RRzul X ε=ε

9,03,0 ≤≤ SX

5,03,0 ≤≤ RX

Szul ε=ε 9,0

Szul ε=ε 7,0

Szul ε=ε 5,0

7.1 Schnappverbindungen 317

Diese Werte gelten für einen einmaligen Fügevorgang. Bei häufigen Fügevorgängen wird vonErhard die Dehnung bei σ0,5% angegeben (Bild 7.13).

Tabelle 7.3: Richtwerte für die zulässige Dehnung für Schnappverbindungen (kurzzeitig bei einmaligemFügevorgang; bei häufiger Betätigung ca. 60% der Werte)

Bild 7.13: Bestimmung der zulässigen Dehnung εzul bei der Spannung σ0,5%

Teilkristall. Thermoplaste, ungefülltPE 8,0%PP 6,0%PA kond. (Durethan ) 6,0%PA trocken (Durethan ) 4,0%POM 6,0%PBT (Pocan ) 5,0%

Reibungskoeffizient µ*)

PTFE 0,12 ÷ 0,22 (x 1)PE-HD 0,20 ÷ 0,25 (x 2)PP 0,25 ÷ 0,30 (x 1,5) POM 0,20 ÷ 0,35 (x 1,5)PA 0,30 ÷ 0,40 (x 1,5) PBT 0,35 ÷ 0,40PS 0,40 ÷ 0,50 (x 1,2) SAN 0,45 ÷ 0,55PC 0,45 ÷ 0,55 (x 1,2)PMMA 0,50 ÷ 0,60 (x 1,2)ABS 0,50 ÷ 0,65 (x 1,2)PE/LD 0,55 ÷ 0,60 (x 1,2) PVC 0,55 ÷ 0,60 (x 1,0)

*) Anhaltswerte aus der Literatur für Kunststoff ge-genüber Stahl. Die Werte hängen auch von der Gleitgeschwin-digkeit, dem Pressdruck und der Oberflächen-beschaffenheit ab. Bei einer Paarung Kunst-stoff/anderer Kunststoff kann nach VDI-Richtlinie 2541 mit gleichen oder etwas niedri-geren Werten wie oben gerechnet werden. Beieiner Paarung gleicher Kunststoff ist der Rei-bungskoeffizient meist höher. Soweit der Faktorbekannt ist, ist er in Klammern angegeben.

Amorphe Thermoplaste, ungefülltPC (Makrolon ) 4,0%(PC+ABS) (Bayblend ) 3,0%ABS (Novodur ) 2,5%CAB 2,5%PVC 2,0%PS 1,8%

Glasfasergefüllte ThermoplastePA-GF30 kond. (Durethan ) 2,0%PA-GF30 trocken (Durethan ) 1,5%30% GF-PC (Makrolon ) 1,8%30% GF-PBT (Pocan ) 1,5%30% GF-ABS (Novodur ) 1,2%45% GF-PPS (Tedur ) 1,0%

�� � �

�) ? + M

�) � + M

� � � � � � � � � � � �� � � � �

318 7 Mechanische Verbindungen

7.2 Pressverbindungen

7.2.1 EinleitungDie Pressverbindung oder Presspassung ist eine kraftschlüssige Verbindung für unterschied-liche Funktionselemente. Diese Technologie findet insbesondere in der Feinwerktechnik fürWelle-Nabe-Verbindungen, aber auch zur Befestigung von Lüfterrädern, Pumpenlaufrädernusw. Verwendung.

Pressverbindungen sollen äußere Kräfte und/oder Drehmomente zwischen verspannten Berüh-rungsflächen durch Reibung schlupffrei bis zur Grenze des Durchrutschens übertragen. Hier-zu ist eine Vorspannung notwendig. Sie wird durch Zusammenfügen der zu verbindenden Tei-le mit Übermaß durch deren elastische Werkstoffeigenschaften erzeugt.

7.2.2 Berechnungsgrundlagen

7.2.2.1 Drehmoment, Axialkraft, Fügedruck, Spannungen

Die Entwurfsberechnung erfolgt für das höchste zu übertragende Drehmoment oder die höchs-te sicher zu übertragende Axialkraft. Durch die Berechnung soll sichergestellt werden, dassder durch das kleinste wirksame Übermaß (U) zwischen Welldurchmesser und Nabenbohrungerzeugte niedrigste Fügedruck (p) die erforderliche Haftkraft (Reibkraft) aufbringt. Anderer-seits darf der Fügedruck nicht die zulässige Bauteilbeanspruchung bzw. -dehnung überschrei-ten. Damit gilt:

(7.54)

Für den Mindestfügedruck erhält man:

Drehmoment:

(7.55)

Axialkraft:

(7.56)

mit Mt maximal zu übertragendes Drehmoment, SR Sicherheitsbeiwert, D1 Fügedurchmessernach dem Fügen (Bild 7.14), lF Fügelänge (Bild 7.14), µ Haftreibungskoeffizient.

Der Haftreibungskoeffizient ist der Grenzwert des Gleitreibungskoeffizienten (Gleitgeschwin-digkeit v 0).

Bild 7.15 zeigt schematisch die Spannungsverteilung in einer Pressverbindung. Der Füge-druck entspricht der Radialspannung in der Fügefläche:

(7.57)

min zulppp ≤≤

µπ=

F

Rt

lD

SMp

21

min2

µπ=

F

Rax

lD

SFp

1min

.pr −=σ

7.2 Pressverbindungen 319

Bild 7.14: Nicht gefügte Pressverbindung

Bild 7.15: Schematische Darstellung der Spannungsverteilung in einer Pressverbindung

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N E *

�-H

O&

?"

+s

-s sr

sj

p

|p|

sj A

srs

j

sj I

σ

σ

–σ

σ

σ

σ

σ

γ

γ

γ

γ

320 7 Mechanische Verbindungen

Die höchste Umfangsspannung tritt im Außenring wieder in der Fuge auf und beträgt:

(7.58)

Die höchste Tangentialspannung am Innenring beträgt:

(7.59)

für

(7.60)

und

(7.61)

für

(7.62)

d.h. eine Vollwelle.

7.2.3 Übermaß

7.2.3.1 Allgemeine Formulierung

Das Übermaß wird als die Differenz zwischen dem größten Wellenmaß und dem kleinstenBohrungsmaß der Nabe definiert (Bild 7.14).

(7.63)

Das bezogene bzw. relative Übermaß ist definiert als

(7.64)

mit

(7.65)

(7.66)

p

D

D

D

D

N 2

2

1

2

2

1

1

1

+=σϕ

2

1

01

2

−=σϕ

D

D

pW

01

0 >D

D

pw 2=σϕ

01

0 =D

D

Nw DDU 11 −=

NE

pK

D

U ==ξ1

ν+ζ−ζ+

+ν−ζ−ζ+

= NN

NW

W

W

W

N

E

EK

2

2

2

2

1

1

1

1

2

1

1

0 ;D

D

D

DNW =ζ=ζ

7.2 Pressverbindungen 321

wobei EN der Elastizitätsmodul der Nabe (Außenteil) und EW (Innenteil) ist, νN und νW sinddie Querkontraktionszahlen. Auf die Stoffwerte wird gesondert eingegangen.

Das wirksame Übermaß (U) ist infolge der Glättung von Rauhigkeitsspitzen beim Fügen klei-ner als die vor dem Fügen messbare Istpassung (Ui), die aufgrund der Zeichnungsabmaße vonWellendurchmesser und Nabenbohrung zwischen den Grenzen

(7.67)

liegt.

Sofern keine experimentellen Werte vorliegen, gilt für Pressverbindungen [7]:

(7.68)

mit den gemittelten Rautiefen RZA und RZI der beiden Fügeflächen.

7.2.3.2 Metallwelle/Kunststoffnabe

Für die Metallwelle-Kunststoffnabe-Verbindung (Bild 7.16) erhält man aus der allgemeinenFormulierung für K den Ausdruck:

(7.69)

Für

(7.70)

erhält man

(7.71)

In Bild 7.17 ist der reziproke Wert von K dargestellt. Er strebt gegen den Wert (1 + νN)–1.

Bild 7.16: Verbindung von Metallwelle und Kunststoffnabe

zuli UUU ≤≤min

( )ZIZAi RRUU +−= 8,0

( ) ν+ζ−ζ+

+ν−= NN

NW

W

N

E

EK

2

2

1

11

1<<W

N

E

E

ν+ζ−ζ+

= NN

NK2

2

1

1

�- �

*

322 7 Mechanische Verbindungen

Bild 7.17: Geometriefaktor 1/K in Abhängigkeit vom Durchmesserverhältnis D2/D1

7.2.3.3 Kunststoffbuchse/Metallgehäuse

Für den Faktor K gilt im Falle einer Kunststoffbuchse-Metallgehäuseverbindung (Bild 7.18):

(7.72)

Für

(7.73)

kann in guter Näherung

(7.74)

geschrieben werden. Für den reziproken Wert von strebt der Klammerausdruck ge-gen den Wert (1–νW) (Bild 7.19).

Bei dieser Paarung wird die gesamte dem Übermaß U entsprechende Verformung von derKunststoffbuchse aufgenommen. Dadurch verringert sich das Lagerspiel der Buchse (Bild7.20). In [4] wird für die Durchmesseränderung folgende Beziehung angegeben:

(7.75)

0,714

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0

νN = 0,4 D2/D1 = ∞

1

K

D2/D1

[ ]NWW

W

W

N

E

EK ν++ν+

ζ−ζ+

= 11

12

2

1>>W

N

E

E

ν−ζ−ζ+

= NW

W

W

N

E

EK

2

2

1

1

N

w

E

EK ·

( ) ( )ν+ν−

=∆

11

2

2

0

1

0

1

0

D

D

D

D

UD

7.2 Pressverbindungen 323

Bild 7.18: Verbindung von Kunststoffbuchse und Metallgehäuse

Bild 7.19: Geometriefaktor K·(EW/EN ) in Abhängigkeit vom Durchmesserverhältnis D1/D0

Bild 7.20: Änderung des Innen-Durchmessers der Buchse bei einer Pressverbindung

�-

�)

1,67

0,0

0,4

0,8

1,2

1,6

2,0

1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0

D1/D0

νW = 0,4 D1/D2 = ∞

N

W

E

E

K

1 ⋅

�)$ � �

)�-

�)

324 7 Mechanische Verbindungen

In Bild 7.21 ist diese Abhängigkeit graphisch dargestellt.

Bild 7.21: Änderung des Innen-Durchmessers einer Lagerbuchse bei einer Presspassung Kunststoff-buchse-Metallgehäuse in Abhängigkeit vom Durchmesser-Verhältnis bei unterschiedlichem Übermaß U

7.2.4 StoffwerteInfolge des viskoelastischen Verhaltens der Kunststoffe nimmt die Fügepressung in Abhängig-keit von der Beanspruchungsdauer durch Spannungsrelaxation ab. Dieses wird durch den zeit-und temperaturabhängigen Relaxationsmodul Er berücksichtigt. In Bild 7.22 ist dieser für einPolypropylen in Abhängigkeit von der Belastungsdauer mit der Dehnung als Parameter darge-stellt.

Bild 7.22: Relaxationsmodul Er für PP (Hostalen PPN VP 7180 TV 20) nach DIN 53 441

Die Querkontraktionszahl liegt bei Kunststoffen im Bereich von ν = 0,4. Für die Haftreibungs-koeffizienten gelten die im Tabelle 7.3 aufgelisteten Anhaltswerte.

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

1 2 3 4

D1/D0

Du

rch

mes

ser-

Än

der

un

g

U = 0,90 mm

U = 0,30 mm

U = 0,45 mm

U = 0,60 mm

U = 0,75 mm

U = 0,15 mm

∆∆ ∆∆D0

[m

m]

0

1000

2000

3000

4000

0,1 1 10 100 1000 10000 100000

Beanspruchungsdauer [h]

Rela

xati

on

sm

od

ul

Er [

N/m

m²]

εεεε = 0,5%

εεεε = 1%

εεεε = 0,75%

Material: PP

Prüfung nach: DIN 53 441