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Stiftung niedersächsische Gedenkstätten 75. Jahrestag der Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz Veranstaltungen und Projekte in Niedersachsen und Bremen

75. Jahrestag der Deportation der Sinti und Roma nach ... · Hans Hesse lebt in Köln. ... Veranstaltungen Georg Frank und seine Tochter ... Eine Tagung der Abteilung Gedenkstättenförderung

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StiftungniedersächsischeGedenkstätten

75. Jahrestag der Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz

Veranstaltungen und Projekte in Niedersachsen und Bremen

Veranstaltungen ........................................................................................................................... 2

TagungSinti und Roma in Niedersachsen: Geschichte und Gegenwart ........................................... 8

Veranstaltungsreihe 75 Jahre Auschwitz-Erlass. Kontinuitäten des Rassismus gegen Sinti und Roma ............ 10

Projekte ....................................................................................................................................... 22

„Kompetent gegen Antiziganismus (KogA) – in Geschichte und Gegenwart“Ein Projekt der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten .............................................. 22

Die Verfolgung der Sinti und Roma im NationalsozialismusBildungsmaterialien aus Niedersachsen ........................................................................... 24

Ausstellung „Von Niedersachsen nach Auschwitz“ ........................................................ 26

Deportationen aus Nordwestdeutschland Biografien auf dem Bildungsportal geschichte-bewusst-sein.de .................................. 27

Neupublikation Als „Zigeuner“ verfolgt. Sinti und Roma im KZ Bergen-Belsen .................................... 29

HerausgeberStiftung niedersächsische GedenkstättenIm Güldenen Winkel 829223 CelleTel.: +49 (0) 5141 – 933 55-11Fax: +49 (0) 5141 – 933 [email protected] Celle 2018

KonzeptJens-Christian Wagner RedaktionJens Binner Graphische Gestaltungermisch | Büro für Gestaltung

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Im März 2018 jährt sich zum 75. Mal die Deportation der Sinti und Roma aus Nord-westdeutschland. Am 16. Dezember 1942 hatte Heinrich Himmler mit dem sogenann-ten Auschwitz-Erlass die reichsweite De-portation der Sinti und Roma in das Kon-zentrationslager Auschwitz angeordnet. In Nordwestdeutschland wurde diese Anwei-sung im März 1943 flächendeckend umge-setzt. Damit ging die nationalsozialistische Politik der Ausgrenzung und Entrechtung der Sinti und Roma in die unterschiedslose Ermordung von Frauen, Kindern und Män-nern jeden Alters über. Nur wenige sollten diesen Genozid überleben.

Die Deportationen waren der Endpunkt einer gezielten Politik der Diskriminierung und Entwürdigung. Seit 1933 waren große Anstrengungen unternommen worden, um die nach den scheinwissenschaftlichen Kri-terien der Rassenlehre als „Zigeuner“ ein-gestuften Menschen zu bestimmen und aus dem gesellschaftlichen Leben auszuschlie-ßen. Die Nationalsozialisten konnten dabei an eine jahrhundertealte Tradition von Vor-urteilen und Benachteiligungen anknüpfen. Ihre Maßnahmen trafen daher auf eine breite Zustimmung in der Mehrheitsgesellschaft.

Die Stiftung niedersächsische Gedenk-stätten erinnert mit einer Reihe von Veran-staltungen und Projekten an den 75. Jah-restag der Deportation der Sinti und Roma aus Nordwestdeutschland. Sie sind in die-sem Programmheft zusammengefasst und werden durch Veranstaltungen anderer Organisa tionen ergänzt.

Einen besonderen Höhepunkt bildet die Gedenkveranstaltung am 4. März 2018 in der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Dabei wird Romeo Franz von der Hildegard- Lagrenne-Stiftung die Hauptansprache halten.

Zahlreiche Vorträge, Tagungen und Film-vorführungen beleuchten die verschiede-nen Aspekte der Verfolgung der Sinti und Roma. Daneben werden in diesem Heft aber auch nachhaltige Projekte vorgestellt, die eine vertiefte Betrachtung und Einord-nung ermöglichen. Dazu zählen zum Bei-spiel die webbasierten Bildungsmaterialien und Biografien sowie die Wanderausstel-lung „Von Niedersachsen nach Auschwitz“.

Die Stiftung niedersächsische Gedenk-stätten hofft, dass künftig das Schicksal der Sinti und Roma im Nationalsozialismus stärker in das öffentliche Bewusstsein rückt. Im Sinne der Herausbildung eines kritischen Geschichtsbewusstseins kann die differenzierte Beschäftigung mit den damaligen Vorgängen wichtige Erkenntnisse für unsere Gegenwart und Zukunft liefern.

Dr. Jens-Christian Wagner Geschäftsführer der Stiftung nieder­sächsische Gedenkstätten

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Donnerstag, 14. Dezember 2017, 18 Uhr

Vortrag von Dr. Hans Hesse„Zigeunerverfolgung“ in Nordwest - deutschlandStadtbibliothek Bremen (Krimibibliothek), Am Wall 201, 28195 Bremen

Am 16. Dezember 2017 jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem der „Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei“, Hein-rich Himmler, den so genannten Auschwitz-Erlass verfügte. Dieser Erlass leitete die letzte Phase des Völkermords an den Sinti und Roma ein. In Bremen befand sich im Polizeihaus am Wall, dem heutigen Sitz der Stadtbibliothek, die Zentrale der „Zigeuner-verfolgung“ in Nordwestdeutschland. Von hier aus wurde die Vernichtung der Sinti und Roma geplant und durchgeführt. Auf dem Bremer Schlachthof war im März 1943

für mehrere Tage ein Sammellager einge-richtet, aus dem mehrere hundert Menschen in das Vernichtungs lager Auschwitz depor-tiert wurden.

Bis heute erinnern nur wenige Gedenk-zeichen an die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Nordwestdeutschland. Der His-toriker Hans Hesse erforscht seit 1993 die NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Nord-westdeutschland, zeitweise als Projekt mit dem Bremer Sinti-Verein. 2005 legte er mit „Konstruktionen der Unschuld“ das Stan-dardwerk über die Entnazifizierung in Bremen und Bremerhaven vor und hat aktuell die erste große Monographie über das Projekt der STOLPERSTEINE heraus-gebracht. Hans Hesse lebt in Köln.

Eine Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung Bremen in Kooperation mit der Stadtbibliothek Bremen.

Veranstaltungen

Georg Frank und seine Tochter Frieda bei einer artistischen Übung, ca. 1938. Die Familie betrieb einen kleinen Wander-zirkus in Ostfriesland. Alle zehn Mitglieder der Familie sind in Auschwitz gestorben • Familienarchiv Frank

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Donnerstag, 14. Dezember 2017, 18 Uhr

Filmveranstaltung „Ferner Traum“ – Junge Romnja in NiedersachsenHochschule Hannover, Campus Kleefeld (Theatersaal der Fakultät V), Blumhardt-straße 2, 30625 Hannover

Die Filmemacherin Franziska Wenzel hat die jungen Aktivist_innen von „Ternengo Drom e Romengo – Roma Jugendliche in Niedersachsen“ und der „Roma-Jugend Initiative Northeim“ zwei Jahre lang begleitet und ihr Leben und ihre politische Arbeit fil-misch dokumentiert. Dabei wirft die Regis-seurin einen Blick auf den Alltag, das politi-sche Engagement und die Zukunftsträume der Heranwachsenden. Diese berichten,

welche Erfahrungen sie mit Rassismus ge-gen Rom_nja erlebt haben und was sie sich für ihre Zukunft wünschen. Auf der Basis von Migrationsgeschichte, also ihren eige-nen Familiengeschichten von Flucht und Vertreibung, stellen sie persönliche Reflexi-onen zur eigenen Identität und der Suche danach an.

Anschließend an den Film gibt es die Möglichkeit, mit Protagonist_innen und der Filmemacherin ins Gespräch zu kommen.

Montag, 12. Februar 2018, 10 bis 16 Uhr

Fortbildung Verfolgung von Sinti und Roma in der Zeit des NationalsozialismusGedenkstätte Ahlem, Heisterbergallee 10,30453 Hannover

Zielgruppe: schulische Multiplikator_innen und Studienreferendar_innen. Eine Kooperation der Gedenkstätten Bergen-Belsen und Ahlem

Sinti und Roma sind eine in Deutschland anerkannte nationale Minderheit, über die viele Bilder, Stereotype und (Vor-)Urteile bestehen. Etlichen Menschen ist jedoch nicht viel über deren Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus, ihre Ausgrenzung und Entrechtung in der Zeit davor und da-nach sowie von ihrem Leben und Kampf

um Anerkennung bekannt. In aktuellen Schulbüchern werden Sinti und Roma zu-meist als eine von den Nationalsozialisten aus rassistischen Gründen verfolgte Gruppe erwähnt, zum Gegenstand der unterricht-lichen Thematisierung von Verfolgung und Rassismus werden sie jedoch selten.

Die Fortbildungsveranstaltung zur Ge-schichte der Verfolgung von Sinti und Roma will Lehrerinnen und Lehrer anhand von Lernmaterialien auf dieses Thema auf-merksam machen und für das Thema sensibilisieren.

Der aktuelle Anlass für diese Fortbil-dungsveranstaltung ist die 75. Wiederkehr des Datums der Deportation von etwa 23.000 Sinti und Roma auch aus Nord-deutschland in das sogenannte Zigeuner-Familienlager in Auschwitz-Birkenau. Die allermeisten Sinti und Roma wurden bis zur Auflösung dieses Lagerteils Anfang August

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1944 in den Gaskammern ermordet, wur-den Opfer der Lebens- und Arbeitsverhält-nisse oder von pseudomedizinischen Menschenversuchen.

Die Ausgrenzung und Verfolgung der Sinti und Roma begann aber schon viel früher. Sie bestand aus einer Vielzahl von das Le-ben einschränkenden und gesellschaftlich ausgrenzenden Maßnahmen – auch schon vor 1933 … und nach 1945 erging es ihnen nicht viel besser.

Ihre Anmeldungen senden Sie bitte bis Donnerstag, den 5. Februar 2018 unter An-gabe Ihres Namens, Ihrer Anschrift und ggf. der Institution, für die Sie tätig sind oder ihrer Fächerkombinationen, verbind-lich an veranstaltung.bergen-belsen@ stiftung-ng.de.

Referenten: Reinhold Baaske, Andreas Mischok, Christian Wolpers

Programm

10 bis 10.30 Uhr Begrüßung, Programmvorstellung

10.30 bis 11.30 Uhr Einführung in die Ausgrenzung und Verfolgung von Sinti und Roma in der VergangenheitGespräch mit einer Sintizza zu Leben und Kultur von Sinti in der Gegenwart

11.30 bis 12.45 Uhr Vorstellung der Bildungsmaterialien • Formen der Geschichtsvermittlung• Bestandteile des Materials• Vorstellung von Einsatzmöglichkeiten

12.45 bis 13.30 Uhr Individuelle Mittagspause

13.30 bis 15.30 Uhr Kennenlernen der Gedenkstätte Ahlem nebst Bildungsangeboten

15.30 bis 16 Uhr Abschluss und Ausblick

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Freitag, 2. März 2018, 12 Uhr bis 13.30 Uhr

75. Gedenktag zur Erinnerung an die Deportation der Sinti aus Niedersachsen am 3. März 1943Gedenkstätte Ahlem, Heisterbergallee 10, 30453 Hannover.(Der Parkplatz liegt nebenan auf dem Ge-lände der Justus von Liebig-Schule, eine Straßenbahnhaltestelle der Linie 10 ist direkt vor der Tür)

Die Gedenkstätte Ahlem ist heute ein zentraler Gedenk- und Erinnerungsort der niedersächsischen Sinti und steht im regel-mäßigen und herzlichen Kontakt mit wichti-gen Selbstorganisationen der Gruppen der Sinti und der Roma in Niedersachsen. Auch das Programm der heutigen Gedenkveran-staltung wurde in enger Absprache aufgestellt.

In der Dauerausstellung der Gedenkstätte sind Tatbestände der NS-Verfolgung und biografische Skizzen von Verfolgten und Er-mordeten aus der Gruppe der Sinti enthal-ten. Vor und nach der Veranstaltung kann die Ausstellung gerne besucht werden, das Haus ist von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.

Programm

Beginn um 12 Uhr im Gerson-Saal

Grußwort der Stadt Hannover

Grußwort der Region Hannover

Redebeitrag einer Selbstorganisation der niedersächsischen Sinti

Aufführung eines Theaterstücks zum Leben und Schicksal der Sintezza Erna Lauen-burger, genannt Unku – Eine Kooperation zwischen dem Verein Maro Dromm Sui- Generis e.V. und der AG Antirassismus der Alexanderschule Wallenhorst in Osnabrück.

Ca. 13 UhrEinweihung einer neuen Skulptur auf dem Gelände der Gedenkstätte Ahlem zur Auf-wertung der Erinnerung und des Geden-kens an die Verfolgung und Deportation der Sinti im Rahmen des nationalsozialisti-schen Völkermordes an den Gruppen der Sinti und der Roma in Europa.

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Sonntag, 4. März 2018, 11 Uhr

Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz

Gedenkstätte Bergen-Belsen, Anne-Frank-Platz, 29303 Lohheide

Eine Kooperation der Gedenkstätte Bergen-Belsen mit dem Niedersächsischen Ver-band Deutscher Sinti e.V. sowie mit dem Forum für Sinti und Roma e.V.

Begrüßung: Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung nieder-sächsische Gedenkstätten

Grußworte: Niedersächsischer Verband deutscher Sinti e.V. und Forum für Sinti und Roma e.V.

Ansprache: Romeo Franz, Hildegard Lagrenne Stiftung, Berlin

Musikalische Umrahmung: Ramon Rose Trio

anschließend

Eröffnung der Sonderausstellung „Von Niedersachsen nach Auschwitz“Eine Ausstellung des Vereins für Geschichte und Leben der Sinti und Roma in Nieder-sachsen e.V.Gedenkstätte Bergen-Belsen, Forum

Weitere Informationen zu der Ausstellung auf S. 26

Zeitungsbericht über die Gedenkkundgebung in der Gedenk-stätte Bergen-Belsen, DIE ZEIT, 2. November 1979. Bei der Gedenkfeier hielt Simone Veil, Präsidentin des Europaparla-ments, eine Ansprache. • Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

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Mittwoch, 7. März 2018, 19 Uhr

Vortrag von Dr. Hans Hesse„... durch die Polizei abgeholt“Schulmuseum Bremen, Auf der Hohwisch 61 – 63, 28207 Bremen

Dr. Hans Hesse berichtet von seinen aktu-ellen Recherchen über die Verhaftung von Schüler_innen aus Bremischen Sinti- und Romafamilien und deren Deportation nach Auschwitz.

Im März 2018 jähren sich zum 75. Mal die Tage, an denen aus Nordwestdeutschland und Bremen Sinti und Roma vom Bremer Schlachthof aus in drei Transporten in das Vernichtungslager Auschwitz depor-tiert wurden. Unter ihnen waren zahlreiche schulpflichtige Kinder, die in den Morgen-stunden aus den Schulen und den Unter-richt „durch die Polizei abgeholt“ – wie die

Schulleitungen nach 1945 bescheinigten – und in das provisorische Sammellager auf dem Schlachthof am Hauptbahnhof ge-bracht wurden. Am Beispiel einer Sinti- Familie zeichnet der Vortrag diese bislang wenig bekannten Informationen nach.

Der Historiker Hans Hesse erforscht seit 1993 die NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Nordwestdeutschland, zeitweise als Pro-jekt mit dem Bremer Sinti-Verein. 2005 legte er mit „Konstruktionen der Unschuld“ das Standardwerk über die Entnazifizierung in Bremen und Bremerhaven vor und hat ak-tuell die erste große Monographie über das Projekt der STOLPERSTEINE herausge-bracht. Hans Hesse lebt in Köln.

Ausschließungsschein für Christian Weiß aus Göttingen. Im Februar 1941 hatte das Oberkommando der Wehrmacht den Ausschluss aller Sinti und Roma aus dem Militär aus „rassen-politischen“ Gründen angeordnet. • Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg

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Sinti und Roma in Niedersachsen: Geschichte und Gegenwart

Eine Tagung der Abteilung Gedenkstättenförderung Niedersachsen der Stiftung nieder-sächsische Gedenkstätten in Kooperation mit der Gedenkstätte Ahlem der Region Hannover und dem Projekt „Kompetent gegen Antiziganismus“ der Stiftung niedersäch-sische Gedenkstätten

Fortbildungsveranstaltung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dokumentations- und Gedenkstätten in Niedersachsen, Mitglieder von Vereinen, Initiativen und Geschichtswerkstätten, Personen, die in der Erforschung und Vermittlung der Geschichte von Widerstand und Verfolgung 1933–1945 und den Folgen engagiert sind.

Die Einführungsvorträge und die Filmdokumentation am Freitag, 9. März sind öffentlich und können ohne Anmeldung besucht werden.

Kontakt: [email protected]

Freitag, 9. März 2018

Haus der Region, Hildesheimer Straße 18, 30169 Hannover

Öffentliche Veranstaltung

15 Uhr Begrüßung und Einführung

15.15 Uhr Dr. Karola Fings, Köln: Die (Verfolgungs-)Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland

16.45 Uhr Dr. Frank Reuter, Heidelberg: Kontinuitäten – „Zigeunerbilder“ und Antiziganismus

20 Uhr Dokumentarfilm „Fremd im eigenen Land“ mit Diskussion Moderation: Christian Wolpers, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

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Samstag, 10. März 2018

9 Uhr Haus der Region, Hildesheimer Straße 18, 30169 Hannover

nicht-öffentliche Veranstaltung

Lokale/regionale Befunde: Sinti und Roma in Norddeutschland 1933–1945

Vorträge zu Einzelaspekten, z.B. Aktion „Arbeitsscheu Reich“, Zwangssterilisierungen, Rolle der Behörden und der Polizei, Hilfe und Protest, kommunale Sammel lager, Deportation und Konzentrationslager, Familienschicksale

Referenten: Dr. Hans-Dieter Schmid, Hannover; Dr. Hans Hesse, Bremen; Dr. Duncan Cooper, Bremen; Dr. Thomas Rahe, Gedenkstätte Bergen-Belsen

12.30 Uhr Mittagsimbiss

14 Uhr Gedenkstätte Ahlem, Heisterbergallee 10, 30453 Hannover

Bildung und Vermittlung

Besuch des Geländes und der Ausstellung in Gruppen, anschließend Vorstellung von pädagogischen Projekten, u. a.: Mario Franz: Zur Arbeit einer Sinti-Selbstorganisation an einer Schule in OsnabrückAndreas Mischok, Gedenkstätte Ahlem: Vorstellung eines Workshop-Angebotes zu „Antiziganismus gestern und heute“ Yvonne Robel: Darstellung und Deutung der Biografie von Johann Trollmann

19 Uhr Abendessen

Sonntag 11. März 2018

9.30 Uhr Haus der Region, Hildesheimer Straße 18, 30169 Hannover

Folgen der Verfolgung, Bürgerrechts bewegung, Geschichtspolitik und Erinnerungskultur

Vorträge und Kurzberichte

12.30 Uhr Mittagsimbiss

Ende der Veranstaltung

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Veranstaltungsreihe75 Jahre Auschwitz-Erlass. Kontinuitäten des Rassismus gegen Sinti und Roma

Die Auseinandersetzung mit dem NS- Genozid an den Sinti und Roma war über Jahrzehnte von einer spezifischen Schuld-abwehr geprägt. So wurde beispielsweise in einem höchstrichterlichen Beschluss durch den Bundesgerichtshof 1956 die Verfolgung bis zum Auschwitz-Erlass als sicherheitspolizeiliche Ordnungsmaßnah-me verharmlost und damit letztlich sogar legitimiert. Bis zur politischen Anerken-nung des rassistischen Charakters des Ge-nozids durch die deutsche Bundesregie-rung vergingen fast 40 Jahre. Und dass es 1982 hierzu kam, ist ausschließlich dem laut-starken Protest der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma zu verdanken.

Das 2012 eingeweihte Denkmal für die er-mordeten Sinti und Roma in Berlin steht symbolhaft für die neue bundesdeutsche Geschichtspolitik. Doch diese neue Schuld-anerkennung ist eng mit einer neuen Schuldabwehr verknüpft. Diese Dialektik aus Anerkennung und Abwehr artikuliert sich in jüngster Vergangenheit am Beispiel

geflüchteter Roma. Denn wie insbesondere die Festlegung der Westbalkanstaaten als si-chere Herkunftsstaaten zeigt, haben wir es heute mit einer paradoxen Gleichzeitigkeit zu tun: Anerkennung vergangener rassistischer Verfolgung und Verweigerung der Anerken-nung aktueller rassistischer Verfolgung.

Die Veranstaltungsreihe „75 Jahre Auschwitz- Erlass. Kontinuitäten des Rassis-mus gegen Sinti und Roma“ ist ein Koope-rationsprojekt der Rosa Luxemburg-Stif-tung Niedersachsen und dem Modellprojekt „Kompetent gegen Antiziganismus (KogA) – in Geschichte und Gegenwart“ der Stif-tung niedersächsische Gedenkstätten in Zusammenarbeit mit dem AStA der Univer-sität Hannover, der Gedenkstätte Ahlem, der Hochschule Hannover, dem Netzwerk Erinnerung Zukunft, dem Roma Antidiscri-mination Network, dem Roma Center Göt-tingen, Romane Aglonipe e.V., der Volks-hochschule Celle und der Volkshochschule Hannover.

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Montag, 11. Dezember 2017, 19 Uhr

Vortrag von Dr. Frank Reuter75 Jahre Auschwitz-Erlass. Der national-sozialistische Völkermord an den Sinti und Roma – Voraussetzungen, Verlauf, ErinnerungKulturzentrum Pavillon, Lister Meile 4, 30161 Hannover

Am 16. Dezember 2017 jährt sich mit dem sog. Auschwitz-Erlass der zentrale Erlass des nationalsozialistischen Völkermords an den Sinti und Roma zum 75. Mal. Der Refe-rent zeichnet die wichtigsten Entwicklungs-linien des NS-Völkermords an den Sinti und Roma anhand zentraler Dokumente und historischer Fotografien nach: von der ge-sellschaftlichen Ausgrenzung bis zur staat-lich organisierten Vernichtung. Dabei geht er auch auf die antiziganistischen Vorstel-

lungsmuster ein, die tief in der europäi-schen Kulturgeschichte verwurzelt sind und die zu den Voraussetzungen des Genozids gehören. Am Ende wird der Frage nachgegangen, warum die Verbrechen an den Sinti und Roma erst so spät Eingang in die Erinnerungskultur fanden.

Dr. Frank Reuter ist Historiker, langjähriger Mitarbeiter des Dokumentations- und Kulturzentrum Deut-scher Sinti und Roma und ab 2018 wissen-schaftlicher Geschäftsführer der Forschungs-stelle Antiziganismus an der Universität Heidelberg.

Lily Franz 1946 im Alter von 22 Jahren • Privatbesitz Familie Franz

Waltraud Franz, geboren am 29. November 1929, Foto von 1946 • Privatbesitz Familie Franz

Julius Franz, Passbild aus der Nachkriegszeit • Privatbesitz Familie Franz

Lily, Waltraud und Julius Franz aus Hildesheim haben als einzige der acht Familien-mitglieder den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma überlebt.

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Donnerstag, 25. Januar 2018, 19 Uhr

VortragAntiziganistische Ermittlungsansätze der Polizei- und SicherheitsbehördenVHS Hannover, Burgstraße 14, Hannover

Deutsche Polizeibehörden haben spätes-tens Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen, antiziganistische Ermittlungsansätze zu etab lieren. Von der Einrichtung des soge-nannten „Zigeunernachrichtendienstes“ 1899 lassen sich personelle und materielle Verbindungslinien bis in die Bundesrepublik ziehen. Im Nationalsozialismus waren Poli-zeibehörden maßgeblich an der Organisation des Völkermordes beteiligt. Im Vortrag wer-den nach einer kurzen historischen und theoretischen Einbettung vielfältige Bei-

spiele gegenwärtiger antiziganistischer polizeilicher Ermittlungsansätze vorgestellt, analytisch eingeordnet und kritisiert.

Dr. Markus End ist Politikwissenschaftler mit den Arbeits-schwerpunkten Theorie und Empirie des Antiziganismus, antiziganismuskritische Bildungsarbeit und vergleichende Vorurteilsforschung

Deportation von Sinti und Roma aus Remscheid nach Auschwitz-Birkenau im März 1943 • Stadtarchiv Remscheid

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Freitag, 2. Februar 2018, 19 Uhr

Vortrag von Anja ReussAntiziganismus in der deutschen Nachkriegszeit und der Kampf um AnerkennungVHS Hannover, Burgstraße 14, 30159 Hannover

Die gesellschaftliche Atmosphäre gegen-über den überlebenden Sinti und Roma war geprägt von Missgunst und Feindseligkeit. Auch in der deutschen Nachkriegszeit blie-ben die ideologisch-rassistischen Deutungs-muster nahezu ungebrochen erhalten und bestimmten den Diskurs über und Umgang mit der Minderheit. Die überlebenden Sinti und Roma mussten sich nicht nur eine neue Existenz aufbauen und einen Umgang

mit dem Verlust ihrer Angehörigen und ihren eigenen traumatischen Erfahrungen finden, sondern auch dem allgegenwärtigen offe-nen Rassismus und den gesellschaftlichen und politischen Ausgrenzungsmechanis-men in deutschen Behörden und in der Mehrheitsgesellschaft entgegentreten.

Anja Reuss ist Historikerin und Mitarbeiterin im Zentralrat Deutscher Sinti und Roma.

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Montag, 5. Februar 2018, 10.30 bis 16 Uhr

Tagesseminar für Multiplikator_innen der historisch-politischen Bildungsarbeit und ErwachsenenbildungDiskriminierung von Sinti und Roma. Geschichte und Gegenwart des AntiziganismusAgentur für Erwachsenen- und Weiterbil-dung, Bödekerstraße 11, 30161 Hannover

Sinti und Roma leben seit Jahrhunderten in Europa. Vertreibungen, Entrechtung und Versklavung kennzeichnen die Geschichte des Antiziganismus. Hunderttausende Sinti und Roma wurden Opfer des nationalsozia-listischen Rassenwahns, in Konzentrations- und Vernichtungslagern und durch Massen erschießungen ermordet. Erst in der jüngeren Vergangenheit rückte der Völ-kermord an dieser Bevölkerungsgruppe in

den Fokus der Erinnerungspolitik. Doch weiterhin werden Sinti und Roma, auch in Deutschland, mit offener Ablehnung und subtiler Diskriminierung konfrontiert. Das Seminar des Modellprojekts „Kompetent gegen Diskriminierung von Sinti und Roma – in Geschichte und Gegenwart“ der Stif-tung niedersächsische Gedenkstätten in Kooperation mit der Agentur für Erwachse-nen- und Weiterbildung vermittelt Basis-wissen über die (Verfolgungs-)Geschichte der Sinti und Roma, sensibilisiert für aktu-elle Formen antiziganistischer Diskriminie-rung und diskutiert Handlungsstrategien für mehr gesellschaftliche Teilhabe von Sinti und Roma.

Anmeldung unter http://www.aewb-nds.de/fortbildung/fortbildungsprogramm/

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Donnerstag, 8. Februar 2018, 19 Uhr

Vortrag von Behar HeinemannAnerkennung, Gleichberechtigung und Bleiberecht. Die Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma und die Bleibe-rechtskämpfe geflüchteter Roma seit den 1990er Jahrenver.di-Höfe, Goseriede 10, 30159 Hannover

Seit Ihren Anfängen bis zum heutigen Tag streitet die Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma um Wiedergut-machung für im Nationalsozialismus erlitte-nes Unrecht, angemessene Formen des Gedenkens, Anerkennung und Teilhabe. Die Vortragende zeichnet die Geschichte, Ent-wicklung und wichtigen Meilensteine der Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma bis zum heutigen Tage nach. Ihr Vor-trag verdeutlicht die Schwierigkeiten im

Kampf um Recht und Gerechtigkeit, um Toleranz und gegenseitigen Respekt. Sie eröffnet damit Einblicke in ein wenig be-kanntes Gebiet der jüngeren und jüngsten deutschen Geschichte.

Behar Heinemann ist Bürgerrechtlerin, Autorin und Fotogra-fin. Sie war an der Realisation der ersten Ausstellung zur Geschichte der Bürger-rechtsbewegung beteiligt, die bis Ende Februar 2018 im Heidelberger Dokumenta-tions- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma gezeigt wird.

Johann Trollmann als junger Amateurboxer, ca. 1928 • Privatbesitz Manuel Trollmann

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Werner Fahrenholz wurde 1944 zwangssterilisiert. Das Foto entstand in den 1960er Jahren. • Privatbesitz Fahrenholz

Mittwoch, 14. Februar 2018, 19 Uhr

Vortrag von Prof. Dr. Elizabeta JonuzInstitutioneller Rassismus gegen Roma in Europakargah – Verein für interkutlturelle Kommu-nikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit, Zur Bettfedernfabrik 1, 30451 Hannover

Die 2016 von der Grundrechteagentur der Europäischen Union durchgeführte Er-hebung zu Minderheiten und Diskriminie-rung (EU-MIDIS II) offenbart einen europa-weit ausgeprägten institutionellen Rassismus gegen Roma. Institutionelle Diskriminierung und Rassismus zeigen sich im Bildungs- und Ausbildungssektor, dem Arbeitsmarkt, der Wohnungs- und Stadt-entwicklungspolitik, dem Gesundheitswe-sen, der Polizei und weiteren Behörden. Die zentralen Ergebnisse stellen rechtlich wie

politisch ein schweres Versagen in der EU und ihren Mitgliedstaaten dar.

Prof. Dr. Elizabeta Jonuz ist Sozialwissenschaftlerin mit den Schwer-punkten Soziale Arbeit, Migration und In-ternationales an der Hochschule Hannover.Publikationen (Auswahl): Koautorin von Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Bildungs-und Berufswege von Sintezza und Romnja in Deutschland (in Be-arbeitung); Stigma Ethnizität. Wie zugewan-derte Romafamilien der Ethnisierungsfalle begegnen“, Opladen 2009.

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Sonntag, 18. Februar 2018, 12 bis 17 Uhr

WorkshopMinderheiten unter Druck Gedenkstätte Ahlem, Heisterbergallee 10, 30453 Hannover

Menschenfeindliche Einstellungen Ges-tern und Heute – am Beispiel der histori-schen Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus und der aktuellen Situation geflüchteter Roma in Deutschland. Im Workshop setzen sich die Teilnehmenden mit der Geschichte und Ge-genwart, mit Kontinuitäten und Wandlun-gen des Rassismus gegen Sinti und Roma auseinander. Angesichts der fortgesetzten Ausgrenzung und Stigmatisierung in der deutschen Nachkriegsgeschichte stellt sich auch im Kontext heutiger Fluchtbewegun-gen von Roma aus Südosteuropa die Frage

nach einer historischen Verantwortung Deutschlands. Hier möchte der Workshop der Gedenkstätte Ahlem in Kooperation mit dem Roma Antidiscrimination Network Denkanstöße geben und die Teilnehmen-den für prekäre Lebenssituationen von Menschen aus Minderheitengruppen sensibilisieren.

Die Teilnahme ist kostenlos, die Anzahl der Teilnehmenden begrenzt. Voranmeldung unter [email protected] oder Tel. +49 (0) 511-616 – 23745

Hilda Stolte bei ihrer Kommunion (mit Kerze), 1938. Hilda Stolte wurde 1931 als Hulda Franz geboren. Wegen einer schweren Erkrankung lebte sie bei der Pflegefamilie Stolte in Hildesheim. Hilda Stolte wurde 1943 nach Auschwitz depor-tiert und dort ermordet. • Privatbesitz Edith Nawroth

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Freitag, 23. Februar 2018, 19 Uhr

Film und Diskussion„The Awakening“ – Film und Diskussion mit dem Regisseur Kenan EminiVHS Celle, Trift 20, 29221 Celle

Der Film „The Awakening“ des Regisseurs Kenan Emini (Roma Antidiscrimination Network) beleuchtet in Momentaufnahmen die politische und die soziale Lage von Roma in Europa. Er zeigt den Kampf um das Bleiberecht, schildert die Folgen von Abschiebungen und macht deutlich, wie Roma als „Wirtschaftsflüchtlinge“ stigmati-siert und rechtlich ausgegrenzt werden. Wir sehen, wie die Entwicklungen nach dem Zerfall Jugoslawiens, wie die Kriege der 1990er Jahre und der Kosovokrieg, wie rassistische Verfolgung und Ausgrenzung zu einer Situation geführt haben, in der die

Roma in den Ländern Ex-Jugoslawiens keine Zukunft mehr haben. Ein wichtiger Film in einer Zeit, in der die Diskriminierung von Roma durch das Erstarken von nationa-listischen und völkischen Bewegungen in Europa und durch die Abschottung inner-halb der EU noch weiter zuzunehmen droht.

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Freitag, 23. Februar bis Dienstag, 13. März 2018

Ausstellung: Zur Situation abgeschobener Roma in den WestbalkanstaatenVHS Celle, Trift 20, 29221 Celle

Seit die „Westbalkanstaaten“ zu „siche-ren Herkunftsstaaten“ erklärt wurden, ist der Aufenthaltsstatus vieler in Deutschland lebender Roma gefährdet. Es kommt mas-senhaft zu Abschiebungen, Asylgesuche werden in Schnellverfahren als „offensicht-lich unbegründet“ abgelehnt. Roma aus osteuropäischen Ländern gelten in Deutschland als Wirtschaftsflüchtlinge bzw. Asylbetrüger_innen. Dabei wird weder berücksichtigt, dass gerade die Vertreibun-gen und Enteignungen von Roma während des Kosovokrieges, der mit deutscher Un-terstützung geführt wurde, zu ihrer Flucht

geführt haben, noch, dass es sich bei diesen Personen häufig um die Nachkommen von Holocaust-Opfern handelt. Die Folgen des Krieges und der Nationalismus der Mehr-heitsbevölkerung machen es Roma unmög-lich, in den Ländern Ex-Jugoslawiens ein sicheres Leben aufzubauen.

Die Ausstellung des Roma Antidiscrimi-nation Network zeigt, was für die hiesige Öffentlichkeit in der Regel unsichtbar bleibt: die Bleiberechtskämpfe von in Deutschland lebenden Roma und die Situa-tion von aus Deutschland abgeschobenen Roma in den vermeintlich sicheren Westbalkanstaaten.

Öffnungszeiten der Ausstellung: Montag bis Freitag 9 bis 13 Uhr und Dienstag und Donnerstag 15 bis 18 Uhr

Ingrid Bügler, die kleinste Artistin der Welt • Privatbesitz Familie Bügler

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Verlegung eines Stolpersteins für Wolfgang Mirosch vor seiner ehemaligen Schule in Adendorf (Landkreis Lüneburg), 2010 • Ruthild Raykowski

Montag, 5. März 2018, 10 bis 16 Uhr

Workshop und Rundgang mit Daniel Tonn und Katja SeyboldRoma und Sinti in Bergen-Belsen – Geschichten von Verfolgung, Erinnerung und AufarbeitungGedenkstätte Bergen-Belsen, Anne-Frank-Platz, 29303 Lohheide

Im Workshop setzen sich die Teilnehmen-den mit der Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma während des Nationalsozialis-mus sowie mit Kontinuitäten der Aus-grenzung nach 1945 bis heute auseinander: Wie kamen Angehörige dieser Verfolgten-gruppe nach Bergen-Belsen? Wie gestalte-te sich ihr Leben unter den extremen Be-dingungen im Konzentrationslager? Wie sind Überlebende von Bergen-Belsen mit ihren Lagererfahrungen umgegangen? Die

Teilnehmer_innen besuchen die Daueraus-stellung und das historische Lagergelände und nähern sich anhand verschiedener Quellen dem Leben und Schicksal der Be-troffenen. Ein Blick soll dabei auch auf die gegenwärtige Situation von Roma und Sinti gerichtet werden.

Die Teilnahme ist kostenlos, die Anzahl der Teilnehmenden begrenzt. Anmeldungen bis Mittwoch, 26. Februar 2018 unter [email protected] oder Tel. +49 (0) 5051 – 47 59-0

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Dienstag, 13. März 2018, 18.30 Uhr

Vortrag von Tobias NeuburgerVon der religiösen Stigmatisierung zum Anti-Roma-Rassismus. Geschichte und Gegenwart des AntiziganismusVHS Celle, Trift 20, 29221 Celle

Bereits im ausgehenden Spätmittelalter, an der Schwelle zur frühbürgerlichen Ge-sellschaft bildete sich der Antiziganismus, das Ressentiment gegen Sinti, Roma und andere als „Zigeuner“ stigmatisierte Bevöl-kerungsgruppen aus. Damit verweist der Antiziganismus zwar einerseits auf eine jahrhundertelange Geschichte, doch dies sollte andererseits nicht dazu verleiten, ihn als ahistorischen oder „ewigen“ Hass zu begreifen. Die antiziganistischen Seman-tiken waren im Verlauf der Geschichte ebenso vielfältigen Metamorphosen und

Wandlungen unterworfen. Der Vortrag ver-sucht einige dieser Transformationen zu identifizieren und bietet auf diese Weise eine Einführung in die Geschichte des Antiziganismus.

Tobias Neuburger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stif-tung niedersächsische Gedenkstätten und Doktorand an der Universität Innsbruck.

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Seit Jahrhunderten leben Sinti und Roma in Europa und sind Teil der europäischen Gesellschaften. Trotz vielfältiger politischer Anstrengungen ist diese größte Minderheit des Kontinents auch heute mit vielfältiger Diskriminierung konfrontiert. Die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten führt daher bis 2019 das Bildungsprojekt „Kompetent gegen Antiziganismus (KogA) – in Geschichte und Gegenwart“ durch.

Ansatz und ZieleUnsere Bildungsangebote zielen sowohl

auf die kritische Reflexion individueller Hal-tungen als auch auf die Sensibilisierung für strukturelle Barrieren und institutionelle Diskriminierung. Deren Abbau kann maß-geblich zu einer gleichberechtigteren ge-sellschaftlichen Teilhabe von Sinti und Roma beitragen. Daher vermitteln unsere Seminare neben Grundlagenwissen über

historische und gegenwärtige Formen von Antiziganismus insbesondere auch praxis-bezogene Handlungskompetenzen gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma.

Bildungsprogramm 2018Im Rahmen des Projekts bieten wir jähr-

lich das Bildungsprogramm „Kompetent gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma“ für wechselnde Berufs- und Ziel-gruppen an. 2018 richten wir uns mit ziel-gruppenspezifischen Inhalten an Multiplika-tor_innen aus folgenden Berufsfeldern: Polizei, Justiz und Justizvollzug, Rechtsbe-ratung, Kommunale Behörden und Einrich-tungen sowie Öffentliche Verwaltung.

Informationen zum Projekt KogA, unse-rem Bildungsprogramm und weiteren An-geboten finden Sie unter: www.geschichte-bewusst-sein.de/koga

Projekte

„Kompetent gegen Antiziganismus (KogA) – in Geschichte und Gegenwart“Ein Projekt der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

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Themenspezifischer Rundgang zum Thema Sinti und Roma in der Gedenkstätte Bergen-Belsen. • Marion Seibel

Die Teilnehmenden des Bildungsprogramms diskutieren zum Thema „Antiziganismus als systemisches Unrecht“. • Marion Seibel

Vortrag von Manja Schuecker-Weiss und Boris Erchenbre-cher von der Niedersächsischen Beratungsstelle für Sinti und Roma zum Thema „Good Practices und Gelingensfakto-ren der Beratung und Begleitung durch Selbstorganisatio-nen bei Behörden und Verwaltungen“. • Marion Seibel

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Seit über 600 Jahren leben Sinti und Roma in Deutschland. Die meiste Zeit wa-ren sie als Minderheit ausgegrenzt und wurden häufig auch verfolgt. Im 20. Jahr-hundert, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus, waren sie Opfer rassistischer Verfolgung, mit dem Ziel der Ausrottung des gesamten Volkes. Aber auch in unserer heutigen Gesellschaft begegnen viele Menschen Sinti und Roma mit Vorurteilen und Feindschaft.

Daher hat die Abteilung Gedenkstätten-förderung der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten eine Materialsammlung für die Bildungsarbeit zusammengestellt. Sie soll dazu anregen, über die Verfolgung der Sinti und Roma in Niedersachsen in Schu-len und anderen Einrichtungen zu lehren und zu lernen. Elf Themenmodule bieten einen biografischen und regionalgeschicht-lichen Zugang. Zusätzlich stehen Vorschläge

für die Bearbeitung von fünf zentralen historischen Dokumenten bereit.

Alle Dateien sind im pdf-Format unter http://geschichte-bewusst-sein.de/ zum kostenlosen Download bereitgestellt und können als Kopiervorlagen vervielfältigt werden.

Die Verfolgung der Sinti und Roma im NationalsozialismusBildungsmaterialien aus Niedersachsen

Familie Franz – Vater Julius, Mutter Anna und die Kinder Lily, Hanu, Waltraud, Schelein und Neke (das jüngste Kind Gimpel liegt im Wagen) ca. 1934 vor ihrem Wohnwagen, mit dem sie damals in der Regel im Sommer auf „Reisen“ gingen. Julius Franz arbeitete als Musiker, betrieb aber auch Pferdehandel und – zusammen mit seiner Frau – Handel mit Spitzen, Das Foto befindet sich im Besitz des Sohnes von Julius Franz, der mit seiner Familie in Hildesheim wohnt. Er stammt aus der zweiten Ehe seines Vaters, die dieser nach dem Krieg mit einer Überlebenden des Holocaust eingegan-gen war. Seine erste Familie war mit Ausnahme der beiden ältesten Kinder, Lily und Waltraud, in Auschwitz ermordet worden. • Privatbesitz Julius Franz

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Die Themen der elf Module:

Modul 1 | Zigeuner – Sinti – Roma: drei Begriffe – ein Volk?

Modul 2 | 600 Jahre Sinti und Roma in Niedersachsen

Modul 3 | Zwangssterilisation

Modul 4 | Auschwitzdeportation 1943

Modul 5 | Zigeunerfamilienlager Auschwitz-Birkenau

Modul 6 | Täter

Modul 7 | Hilfe und Protest

Modul 8 | … von der Polizei einfach weggeholt

Modul 9 | Aktion „Arbeitsscheu Reich“ 1938

Modul 10 | Johann „Rukeli“ Trollmann

Modul 11 | Die „Rassenhygienische Forschungsstelle“

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Die Ausstellung „Von Niedersachsen nach Auschwitz“ wurde anlässlich des 60. Jahrestages der Deportation vieler Sinti und Roma aus dem Gebiet des heutigen Niedersachsen erarbeitet und im März 2003 im Niedersächsischen Landtag eröffnet. Seitdem ist sie als Wanderausstellung an vielen Orten des Landes – in Schulen, Rat-häusern und anderen öffentlichen Stätten – gezeigt und von Tausenden von Besucher_innen besucht worden.

Die Ausstellung stellt die Ausgrenzung und Verfolgung der Sinti und Roma vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert dar – mit dem Schwerpunkt in der Zeit des National-sozialismus. Nach nunmehr fünfzehn Jah-ren wurde die Ausstellung einer komplet-ten Überarbeitung unterzogen. Neben einer neuen grafischen Gestaltung wurden neue Forschungsergebnisse eingearbeitet und einige thematische Tafeln hinzugefügt.

Darin wird u.a. der Weg von Sinti und Roma, die Auschwitz überlebten, in die Zwangsarbeit, Sterilisation und Tod in den Konzentrationslagern Buchenwald, Mittel-bau-Dora und Ravensbrück dargestellt. Die Ausstellung endet mit einer thematischen Tafel zum letzten Ort des Deportationswe-ges vieler Sinti und Roma, dem Konzentra-tionslager Bergen-Belsen.

Kontakt: [email protected]

Ausstellung „Von Niedersachsen nach Auschwitz“

Ausstellungstafel, 2018

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Wer waren die Menschen, die aus Nord-westdeutschland als „Zigeuner“ in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert worden sind? Was wissen wir über ihre Familien und ihr Leben vor der Verschlep-pung? Wie verlief die schrittweise Ausgren-zung aus der deutschen Gesellschaft? Wer war daran beteiligt?

Auf diese Fragen geben die Lebensge-schichten der Deportierten Antworten. Es wird deutlich, dass die Deportationen flä-chendeckend in ganz Nordwestdeutschland durchgeführt wurden und nur die letzte Stufe einer langen Geschichte von Diskri-minierung und Entrechtung waren. Die Durchsetzung des Rassismus als Leitlinie der Politik seit 1933 hatte eine lange Vorge-schichte und endete mit dem Völkermord in Auschwitz.

Anhand der Lebensläufe lassen sich ge-meinsame Erfahrungen und unterschied-liche Schicksale der Sinti und Roma im Deutschen Reich aufzeigen. Allgegenwärtige tiefsitzende Vorurteile und eine lange Tradi-tion der systematischen Benachteiligung führten in der Regel dazu, dass die Sinti und Roma zu einem ungesicherten Leben am Rande der bürgerlichen Gesellschaft gezwungen waren. Dennoch ergibt sich durch die unterschiedlichen Reaktionen auf diese Situation eine breite Vielfalt an kon-kreten Lebensentwürfen.

Die Darstellung der Biografien der Deportierten bietet somit vielfältige didak-tische Anknüpfungspunkte: Individuelle Verläufe und Gemeinsamkeiten können erkannt und mit ihren Voraussetzungen und Mitwirkenden benannt werden. Daher präsentiert die Stiftung niedersächsische Gedenkstätte unter Beteiligung zahlreicher

Deportationen aus Nordwestdeutschland Biografien auf dem Bildungsportal geschichte-bewusst-sein.de

Foto • Christoph Ermisch, ermisch | Büro für Gestaltung, Hannover

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Gedenkstätten, Initiativen und Einzelakteure in Niedersachsen und Bremen exemplari-sche Biografien auf der Homepage ge-schichte.bewusst.sein.de. Die Lebensläufe bieten mit ihrer prägnanten Darstellung zahlreiche Ansatzpunkte und Anregungen für forschendes Lernen im lokalen Umfeld. So können über eine entsprechende Filter-funktion die Biografien eines Ortes gesam-melt angezeigt werden.

Auf dem Portal geschichte-bewusst-sein.de finden sich bereits Biografien jüdischer Opfer der Deportationen des Herbstes 1941. Somit wird deutlich, dass für bestimmte, rassistisch definierte Gruppen im national-sozialistischen Deutschland die Deportation die letzte Etappe vor der Vernichtung war.

Barackensiedlung „Papenhütte“ in Osnabrück. Auf dem Bildungsportal „geschichte-bewusst-sein.de“ werden die Biografien mehrerer Sinti aus Osnabrück vorgestellt, die vor der Deportation in die Baracken an der Papenhütte umgesiedelt worden waren. • Medienzentrum Osnabrück

Wolfgang Mirosch (rechts, ca. 1940) starb 1944 in Auschwitz. Sein Schicksal wird auf dem Bildungsportal „geschichte-bewusst-sein.de“ vorgestellt. • Privatbesitz

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Neupublikation

Thomas Rahe und Jens-Christian Wagner

Als „Zigeuner“ verfolgt. Sinti und Roma im KZ Bergen-Belsen

Celle: Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, 2018

Etwa 800 Männer sowie rund 1000 Frauen und Kinder brachte die SS 1944/45 als „Zigeuner“ in das KZ Bergen-Belsen. Die meisten dieser Sinti und Roma waren zuvor in das KZ Auschwitz deportiert worden. Ih-rem Schicksal widmet sich eine Publikati-on, die anlässlich des 75. Jahrestages der Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz Anfang März 2018 neu erscheint. Sie zeichnet die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus nach und beschreibt auf der Grundlage his-torischer Quellen die Existenzbedingungen der Sinti und Roma im KZ Bergen-Belsen. Auch die lange Geschichte des Kampfes der Überlebenden um Entschädigung und An-erkennung als NS-Verfolgte sowie die Konti-nuitäten der Ausgrenzung von Sinti und Roma nach 1945 werden mit zahlreichen Dokumenten und Fotos dargestellt. Exemp-larische Biografien runden die Broschüre ab.

Aufruf zu einer Gedenkkundgebung in der Gedenkstätte Bergen- Belsen, 1979 • Stiftung niedersächsische GedenkstättenDie Kundgebung in Bergen-Belsen war der erste große öffentliche Protest der internationalen Sinti- und Roma- Verbände gegen Diskriminierung und ausbleibende Entschä-digung. In Deutschland schlossen sich zahlreiche Initiativen im Jahr 1982 zum „Zentralrat Deutscher Sinti und Roma“ zusammen.

StiftungniedersächsischeGedenkstätten

Im Güldenen Winkel 829223 Celle

Tel.: +49 (0) 5141 – 933 55-11 Fax: +49 (0) 5141 – 933 55-33

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