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9 9 Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen Andrej Hasilik 9.1 Biosynthese von Proteinen – 287 9.1.1 Überblick – 287 9.1.2 Der genetische Code – 288 9.1.3 Transfer-RNA: Struktur und Funktion – 289 9.1.4 Ribosomen und die Synthese der Peptidbindung – 293 9.1.5 Einzelschritte der Proteinbiosynthese – 293 9.1.6 Hemmstoffe der Proteinbiosynthese – 299 9.1.7 Regulation der Proteinbiosynthese – 300 9.1.8 Pathobiochemie – 301 9.2 Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen – 301 9.2.1 Faltung der Polypeptide – 301 9.2.2 Cotranslationaler Transport von Polypeptiden und Proteinen durch Membranen – 304 9.2.3 Posttranslationaler Transport von Polypeptiden und Proteinen durch Membranen – 306 9.2.4 Covalente Modifikationen von Proteinen – 307 9.2.5 Pathobiochemie – 313 9.3 Proteinolyse und Abbau von Proteinen – 314 9.3.1 Klassifizierung der Proteinasen – 315 9.3.2 Spezifität der Proteinasen – 315 9.3.3 Kompartimentierung der Proteinasen und ihre Wirkung im Extrazellulärraum und der Plasmamembran – 316 9.3.4 Abbau von Proteinen in Lysosomen – 318 9.3.5 Proteinolyse in nichtlysosomalen Kompartimenten – 319 9.3.6 Pathobiochemie – 322 Literatur – 324

9 - Biosynthese Modifikation Und Abbau Von Proteinen

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9 Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

Andrej Hasilik

9.1 Biosynthese von Proteinen – 2879.1.1 Überblick – 2879.1.2 Der genetische Code – 2889.1.3 Transfer-RNA: Struktur und Funktion – 2899.1.4 Ribosomen und die Synthese der Peptidbindung – 2939.1.5 Einzelschritte der Proteinbiosynthese – 2939.1.6 Hemmstoffe der Proteinbiosynthese – 2999.1.7 Regulation der Proteinbiosynthese – 3009.1.8 Pathobiochemie – 301

9.2 Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen – 3019.2.1 Faltung der Polypeptide – 3019.2.2 Cotranslationaler Transport von Polypeptiden und Proteinen

durch Membranen – 3049.2.3 Posttranslationaler Transport von Polypeptiden und Proteinen

durch Membranen – 3069.2.4 Covalente Modifikationen von Proteinen – 3079.2.5 Pathobiochemie – 313

9.3 Proteinolyse und Abbau von Proteinen – 3149.3.1 Klassifizierung der Proteinasen – 3159.3.2 Spezifität der Proteinasen – 3159.3.3 Kompartimentierung der Proteinasen und ihre Wirkung im Extrazellulärraum

und der Plasmamembran – 3169.3.4 Abbau von Proteinen in Lysosomen – 3189.3.5 Proteinolyse in nichtlysosomalen Kompartimenten – 3199.3.6 Pathobiochemie – 322

Literatur – 324

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286 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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>> Einleitung

Proteine erfüllen mannigfaltige katalytische, regulatorische sowie strukturelle Aufgaben. Ihren Funktionen und ihrer Differen-zierung entsprechend verfügt jede Zelle über ein charakteristisches Muster von Proteinen, das Proteom (. Abb. 9.1). Der Spie-gel jedes einzelnen Proteins ist veränderlich und ergibt sich aus dem Verhältnis der Synthese- und Abbaugeschwindigkeiten. Zudem können viele Proteine in unterschiedlich modifizierten Formen vorkommen, wobei einige der Modifikationen physiolo-gisch reversibel sind und als Interkonversion bezeichnet werden.

Proteine enthalten eine oder mehrere Polypeptidketten, die aus über Peptidbindungen linear verknüpften Aminosäuren bestehen. Die Sequenz der Aminosäuren (d.h. die Primärstruktur des Proteins) ist genetisch determiniert. Als Bauplan der Prote-insynthese dient mRNA, in der jeweils drei aufeinander folgende Nucleotide (Tripletts) den Anfang, die einzelnen Aminosäuren und das Ende der Polypeptidkette definieren. Die Synthese erfolgt in den Ribosomen und benötigt an tRNA gebundene Ami-nosäuren, verschiedene Faktoren, die den Beginn, die Verlängerung sowie das Ende der Polymerisierung steuern und schließ-lich GTP. Von den tRNA’s werden 21 verschiedene Aminosäuren übertragen. Diese werden als proteinogen bezeichnet. Energe-tisch begünstigt werden diese Reaktionen durch eine gekoppelte Hydrolyse des GTP.

Die Synthese der Peptidbindungen wird vom Ribosom, genauer durch eine Peptidyltransferase-Aktivität des Ribosoms katalysiert. Die naszierende Proteinkette gelangt aus dem Ribosom in das Cytoplasma bzw. in das Lumen des rauen endoplas-matischen Retikulums (ER). Unter Mitwirkung mehrerer Proteine, die z.T. als molekulare Chaperone bezeichnet werden, ent-steht die einzigartige 3D-Struktur jedes Proteins, die durch seine Primärstruktur definiert ist. Einige Modifikationen erfolgen noch vor bzw. während der Faltung und des Transports der Proteine zu ihrem Wirkungsort.

Die Lebensdauer der Proteine im menschlichen Körper variiert zwischen Minuten und Jahren. Ein Teil dieser Polymere wird unmittelbar nach ihrer Synthese abgebaut. Im Cytosol werden die Proteine zu Oligopeptiden aus ca. 10 Aminosäuren abgebaut und später in ihre Einzelteile zerlegt. Die Oligopeptide können dem Immunsystem von Histokompatibilitätsproteinen präsen-tiert werden. So kann festgestellt werden, ob die Zellen nicht zur Synthese fremder Proteine gezwungen werden. In den Lyso-somen werden Proteine und andere Makromoleküle in ihre Bausteine hydrolysiert. Störungen im Abbau von Proteinen können letal sein und tragen zur Pathologie verschiedener Krankheiten bei, vermutlich auch zu einigen Krebserkrankungen und der Alzheimer’schen Krankheit.

. Abb. 9.1. Proteomanalyse von menschlicher Leber und einer Monozyten-Zelllinie. Die Proteomanalyse erfolgte durch 2D-Gel-elektrophoresen. Die Methode wurde in 7 Kap. 3 beschrieben. Die Proteinmuster dieser und anderer Gewebe können in der SwissProt Datenbank aufgerufen werden. Einige Gemeinsamkeiten in der Aus-stattung der Zellen wurden mit Zahlen hervorgehoben: Enzyme des

Aminosäurestoffwechsels ①, der Gly colyse ②, ATP-Synthese ③, das Cytoskelettprotein Aktin ④, ein Chaperon ⑤, und zwei am Proteinab-bau beteiligte Proteine, eine Proteasom-Untereinheit ⑥ bzw. Ubiquitin ⑦. M = Molekulargewicht; IEP = Isoelektrischer Punkt (Aufnahmen von Denis F. Hoch strasser)

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9.1 · Biosynthese von Proteinen9287

9.1 Biosynthese von Proteinen

9.1.1 Überblick

Proteine bestehen aus einer oder mehreren Polypeptidket-ten, die als Polymere von Aminosäuren bezeichnet werden können. Ihre Struktur wird in 7 Kapitel 3 beschrieben. Die Synthese und subzelluläre Verteilung funktionsfähiger Proteine sowie ihr Abbau lassen sich wie folgt kurz be-schreiben:4 Die Polypeptide werden nach einem Bauplan syntheti-

siert, der durch die lineare Nucleotidsequenz der Pro-teinstrukturgene auf DNA-Ebene festgelegt ist und in Form von mRNA (messenger-RNA, 7 Kap. 5.5) an den Ort der Synthese transportiert wird. Der Bauplan der Proteine ist verschlüsselt. Der genetische Code ordnet Basentripletts der mRNA-Sequenz, die als Codons be-zeichnet werden, die Aminosäuren zu. Diese Bausteine werden vom Stoffwechsel bereitgestellt

4 Die Proteinsynthese, die den als mRNA vorliegenden Bauplan umsetzt, wird als Translation bezeichnet. Sie erfolgt an den Ribosomen. In ihnen wird die Nucleo-tidsequenz der mRNA »gelesen« und den Codierungs-

. Abb. 9.2. Elektronenmikroskopische Aufnahme von rauem endoplasmatischen Retikulum im exokrinen Teil des Pankreas. Z = Zymogengranulum; M = Mitochondrium (Querschnitt); ZM = Zell-membran; ER = raues endoplasmatisches Retikulum. (Aufnahme: Elmar Sieß)

regeln entsprechend in die Sequenz der Aminosäuren »übersetzt«. Zellen des exokrinen Pankreas, in denen eine sehr intensive Proteinsynthese stattfindet, sind außerordentlich reich an Ribosomen (. Abb. 9.2)

Die Translation beginnt am sog. Start-Codon, das die N-terminale Aminosäure (Nr. 1 in . Abb. 9.3) bestimmt. Die Übersetzung der folgenden Codons führt zur Elongation des C-Terminus der wachsenden Polypeptidkette.4 Das »Wörterbuch« der Übersetzungsmaschinerie be-

steht aus spezifischen Transfer-RNAs (tRNAs). Jede tRNA erkennt mit ihrem Anticodon die für eine spezi-fische Aminosäure codierenden Codons auf der mRNA. Außerdem trägt sie die entsprechende »cognate« Ami-nosäure. . Abbildung 9.3 gibt in schematischer Form einen Ausschnitt der Proteinbiosynthese während der Elongationsphase wieder. Auf das Codon n+1 hat mit Hilfe ihres Anticodons n+1 eine mit der entsprechenden Aminosäure beladene tRNA gebunden. Die Bindung erfolgt dabei über das α-C-Atom der Aminosäure. Auf dem Codon n ist über das Anticodon n eine tRNA ge-bunden, die das bisher synthetisierte Peptid trägt. Durch den Angriff der freien Aminogruppe der Ami-

. Abb. 9.3. Schematische Darstellung der ribosomalen Protein-biosynthese. tRNA-Moleküle wirken als Adaptoren, welche die benö-tigten Aminosäuren entsprechend der Reihenfolge der Codons auf der mRNA bereitstellen. Die Erkennung der Codons erfolgt in einem Decodierungszentrum der Ribosomen. In den mit den Aminosäuren beladenen tRNA-Adaptoren liegen die -Aminogruppen ( -N) frei vor, während die -Carboxylgruppen ( -C) mit dem 3'-Ende der tRNA verestert sind. Die Carboxylgruppe des Aminosäurerests, das in das wachsende Peptid zuletzt eingebaut wurde (n), wird im Peptidyltrans-ferasezentrum von seiner tRNA abgelöst und mit der -Aminogruppe des aktuell angedockten Aminosäure-tRNA-Derivats (n+1) verknüpft. Der aktuell eingebaute Aminosäurerest befindet sich am C-Terminus des verlängerten Peptids und dieses infolge der Verknüpfung an der zuletzt angedockten (n+1) tRNA. Der Mechanismus der Reaktion wird in 7 Abb. 9.13c gezeigt

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288 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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nosäure n+1 auf die Esterbindung, mit der die Amino-säure n mit ihrer tRNA verknüpft ist, wird die Peptid-bindung gebildet. Die Kettenverlängerung erfolgt dabei also am C-Terminus

4 Bei jeder derartigen Übertragung wird im Peptidyl-transferase-Zentrum (PTZ) des Ribosoms eine neue Peptidbindung hergestellt. Der chemische Mechanis-mus der Elongation wird im 7 Kap. 9.1.5 erklärt

4 An der Assemblierung von Ribosomen mit der mRNA, der Anbindung der Aminoacyl-tRNAs sowie der schrittweisen Decodierung, bzw. Durchschleusung der mRNA durch das Ribosom, sind mehrere als Trans-kriptionsfaktoren (TF) bezeichnete Proteine beteiligt. Sie gewährleisten die Spezifität und die Mechanik der Übersetzung. Einige dieser Faktoren binden und hy-drolysieren GTP in Abhängigkeit von der Durchschleu-sung der mRNA – tRNA Komplexe durch die Überset-zungsmaschine

4 Die Proteine werden gefaltet und co- oder post-trans-lational modifiziert. Eine weitere Maschinerie erkennt verschiedene Sortierungs- und Transportsignale in-nerhalb der Primärstruktur der neuen Proteine und sorgt für ihre Verteilung auf verschiedene zelluläre Kompartminente

4 Der Erfolg der Proteinbiosynthese sowie die Funktions-tüchtigkeit und der Bedarf an den jeweiligen Proteinen unterliegen einer ständigen Kontrolle. Fehlerhafte Pro-dukte, nicht mehr benötigte sowie geschädigte Proteine werden durch Proteinasen schrittweise in einzelne Aminosäuren hydrolysiert

4 Mitochondrien und in pflanzlichen Zellen auch Chlo-roplasten besitzen jeweils eigene DNA sowie komplette Proteinsynthesesysteme. Sie ermöglichen die lokale Synthese stark hydrophober Proteine

9.1.2 Der genetische Code

! Der genetische Code ist universal, konservativ und degeneriert.

Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden erstma-lig in vitro-Systeme zur Proteinsynthese beschrieben. Mit synthetischen Polyribonucleotiden war es möglich, die er-sten Codons, die den Einbau einzelner Aminosäuren be-stimmen, zu identifizieren. Es wurde erkannt, dass Codons aus drei Nucleotiden bestehen. In der mRNA beginnt die Codierung nahe des 5 -Terminus der mRNA mit dem Trip-lett AUG, das in einem besonderen Kontext als Start-codon dient und bei eukaryoten Zellen den Einbau von Methionin bestimmt. Eine Überlappung der Tripletts tritt nicht auf. Die Codierung endet vor dem 3 -Ende mit einem von drei Stopp-Codons, UAA, UAG oder UGA. Jedes Stopp-Codon kann die Synthese zum Abschluss bringen. Die Zuordnung der Codons zu einzelnen Aminosäuren

und dem Stopp-Signal wird als genetischer Code bezeich-net (. Abb. 9.4).

Die Codierung der Aminosäuresequenz der Proteine in Form von Tripletts bedeutet, dass Insertionen oder Dele-tionen dreier Nucleotide auf DNA-Ebene zu einer Verlän-gerung bzw. Verkürzung der Polypeptidkette um eine Ami-nosäure führen. Wenn die Zahl zusätzlicher oder fehlender Nucleotide nicht durch drei teilbar ist, verschiebt sich das Leseraster und die Sequenz wird ab der mutierten Stelle vollständig verändert. Ist ein einzelnes Nucleotid und die Bedeutung des Codons betroffen, handelt es sich um eine »missense«-Mutation. Ändert sich mit dem Nucleotidtausch die Codonbedeutung nicht, wird die Mutation als still (si-lent) bezeichnet. Entsteht ein neues Stopp-Codon spricht

. Abb. 9.4. Der genetische Code. Die angegebenen Basen des Codons entsprechen der mRNA-Sequenz. Die Aminosäurenamen sind in der Kurzform angegeben. Die Codonfamilien und die Codon-Dub-letten mit Pyrimidin- und Purinbasen in der wobble-Position sind durch die gelben, orangefarbigen bzw. blauen Beschriftungsfelder markiert. Die singulären Codons für Methionin und Tryptophan sind durch ein grünes und die Stoppcodons durch ein weißes Beschrif-tungsfeld hervorgehoben. Die Isoleucin-codierende Codon-Triade ist durch rosafarbene Schriftfelder markiert. Die Aminosäuren mit stark hydrophoben Seitenketten (Cystein in oxidierter Form) sind blauumrahmt. Der Stern markiert das zum Einbau von Selenocystein genutzte Stopp-Codon

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9.1 · Biosynthese von Proteinen9289

man von einer »nonsense«-Mutation. Ob eine DNA-Se-quenz ein Protein codiert, muss in allen drei Leserastern in beiden Richtungen überprüft werden. Potentiell codieren-de Sequenzen werden als offene Leserahmen (open reading frame, ORF) bezeichnet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass an ihrem Anfang das DNA-Triplett ATG als Start-Co-don steht und über weite Strecken kein Stopp-Codon vor-kommt. Die Identifizierung der ORFs im Genom wird durch ein gehäuftes Vorkommen von Stopp-Codons in den Introns erschwert.

Mit den vier Basen der DNA können 43 = 64 verschie-dene Tripletts gebildet werden. Dem genetischen Code ste-hen neben den drei Stopp-Codons weitere 61 zur Codie-rung von Aminosäuren zur Verfügung. Diese bestimmen 20 direkt einbaubare, sog. proteinogene Aminosäuren. Eines der drei Stopp-Codons, das TGA-Codon (opal), be-stimmt in Kombination mit der sog. SECIS (Selenocystein-Insertions)-Sequenz den Einbau einer »21sten Aminosäu-re«, des Selenocysteins. Dessen Synthese erfolgt aus Serin nach Verbindung mit einer spezifischen tRNA (7 weiter unten). Beim Menschen wird es zur Biosynthese von 25 Selenoproteinen benötigt.

Degeneriertheit. Weil mit 61 Tripletts nur 20 Aminosäuren codiert werden, wird der Code als degeneriert bezeichnet. Dies bedeutet, dass die meisten Aminosäuren durch mehr als ein Codon codiert werden. Die mit ca. 2% am seltensten vorkommenden Aminosäuren Trypthophan und Methio-nin sowie Cystein und Histidin besitzen nur ein bzw. zwei Codons. Das mit 9% am häufigsten vertretene Leucin und zwei weitere Aminosäuren (Arginin und Serin) weisen so-gar je sechs zugehörige Codons auf. Die jeweils vier Co-dons, die unabhängig von der Art der Base in der dritten Position die gleiche Aminosäure codieren (. Abb. 9.4) wer-den als Codon-Familien bezeichnet. Die Codons einer Fa-milie werden nicht gleichmäßig, sondern je nach Organis-mus unterschiedlich häufig benutzt. Die Häufigkeit ihres Vorkommens wird als Codonnutzung (codon usage) be-zeichnet.

Universalität. Von wenigen Abweichungen abgesehen wird der gleiche genetische Code von allen Organismen benutzt. Daher wird er als universal bezeichnet. Demnach können bakterielle Systeme auch eukaryote mRNAs translatieren. Größere Unterschiede gibt es bei den post-translationalen Modifikationen der Proteine verschiedener Organismen. Der genetische Code der mitochondrialen DNA weicht in mehrfacher Weise von dem der nucleären DNA ab.

Konservierung. Mit der Entwicklung komplexer Genome ist eine Barriere gegen Änderungen der Codierungsregeln entstanden. Dies führte zu einer Konservierung der Struk-tur des Codes und seiner Verschlüsselungsregeln. Es ist möglich, dass der Code von Anfang an aus Tripletts be-stand, dass jedoch die Codierung ursprünglich nur von den

ersten zwei Nucleotiden festgelegt wurde. Bis auf zwei Aus-nahmen gilt die Regel, dass in der dritten Position des Co-dons beide Purin- bzw. Pyrimidinbasen jeweils eine Ami-nosäure codieren. Ein Blick in die . Abb. 9.4 zeigt, dass bei acht der Aminosäuren in der dritten Position eine beliebige Base vorliegen kann. Mutationen in der dritten Position dieser Codons haben also keinen Einfluss auf den Einbau der Aminosäuren. In der ersten Spalte befinden sich Co-dons, die ausschließlich die relativ großen hydrophoben Aminosäuren codieren. Wenn also in der mittleren Posi-tion eines Codons Uracil steht, können die Basen in der ersten und der dritten Position beliebig ausgetauscht wer-den, ohne den hydrophoben Charakter oder die Größe der Seitenkette radikal zu ändern. Eine Mutation an jeder dieser Positionen führt, wenn überhaupt, zum Austausch ähn-licher Aminosäuren. Solche Mutationen bzw. der Austausch werden als konservativ bezeichnet.

9.1.3 Transfer-RNA: Struktur und Funktion

! tRNAs sind L-förmige Moleküle, deren Enden die ent-scheidenden Aufgaben der Translation genetisch co-dierter Aminosäurensequenz übernehmen.

tRNAs sind die bereits erwähnten »übersetzenden« Adap-tormoleküle der Translation. Sie wurden vor einem halben Jahrhundert entdeckt. Jeder tRNA ist eine spezifische Ami-nosäure zugeordnet. Dagegen kann eine Aminosäure an unterschiedliche tRNAs gebunden werden, die als cognate (engl. verwandt) oder isoakzeptierend bezeichnet wer-den.

Primärstruktur. Die tRNAs bestehen aus 74 bis 95 z.T. mo-difizierten Ribonucleotiden. Am häufigsten findet sich eine Länge von 76 Ribonucleotiden. Von dieser leitet sich die Nummerierung der Ribonucleotide ab. Sie variiert am stärks ten durch Verlängerungen zwischen den Positionen 47 und 48 (. Abb. 9.5).

Sekundärstruktur. In der Sequenz finden sich immer vier komplementäre Bereiche mit intramolekularer Basenpaa-rung. Dadurch entsteht eine Sekundärstruktur mit antipar-allel-doppelhelicalen Stielen und Schleifen, die in der zwei-dimensionalen Darstellung (. Abb. 9.5) an ein Kleeblatt erinnert. Eine dieser Schleifen (Anticodon-Schleife) mit ungepaarten Basen enthält das Anticodon, das zum Codon der mRNA passende Gegenstück. Zwei weitere werden nach den in ihnen enthaltenen modifizierten Basen als D- (Dihydrouridin) und (Pseudouridin) -Schleifen bezeich-net. Zwischen den - und Anticodonarmen befindet ein variabler Teil, der einen zusätzlichen Arm (Extra-Arm) bilden kann. Der Akzeptorarm der tRNAs präsentiert ein einzelsträngiges CCA-3 -Ende, an das die zum Anticodon

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290 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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passende (cognate) Aminosäure covalent gebunden wird. Der endständige Adenylrest wird als A76 bezeichnet.

Synthese und Modifizierungen. Das humane Genom ent-hält über 600 tRNA-Gene. Dies ermöglicht Zellen mit in-tensiver Proteinbiosynthese alle tRNAs in ausreichender Zahl bereitzustellen. Die primären Transkripte der tRNA-Gene werden durch Nucleasen, basenmodifizierende En-zyme und Transferasen in reife tRNAs umgesetzt (7 Kap. 8.3). In bestimmten Positionen werden Basen methyliert, reduziert und desaminiert (so Adenosin zu Inosin in der ersten Position der Anticodons der Isoleucin-tRNAs, die drei Codons zu lesen vermögen) oder im Ring einer Base wird die Position der Verknüpfung zum Riboserest (z.B. bei Pseudouridin) verändert. Aus dem Kern werden nur voll-ständig modifizierte tRNAs exportiert.

Anticodon-Codon-Wechselwirkung. Der Mechanismus, mit dem das Anticodon auf der tRNA das Codon auf der mRNA erkennt, beruht auf der klassischen, bereits für die DNA beschriebenen Ausbildung von Wasserstoffbrücken-bindungen zwischen komplementären Basenpaaren (7 Kap. 5.3.1), wobei die Sequenz in den jeweiligen Triplets anti-parallel verlaufen muss. Aus dieser Überlegung ließe sich folgern, dass die Zahl der tRNA-Moleküle und Codons, nämlich 61, gleich sein müsste. Tatsächlich ist die Zahl der tRNAs deutlich geringer. Eine genaue Analyse der in den Anticodons vorliegenden Basensequenzen lieferte die Er-klärung für dieses Phänomen. Es zeigte sich, dass die Paa-

rung der ersten Base am 5 -Ende des Anticodons mit der entsprechenden dritten Base des Codons häufig nicht sehr fest und darüber hinaus nicht spezifisch ist (. Tabelle 9.1):4 In der Regel wird A in der 1. Position des Anticodons

nicht benutzt4 Ist die erste Base im Anticodon ein (meist modifiziertes)

U, so kann dieses mit beiden Purinbasen (A oder G) Wasserstoffbrücken ausbilden

4 Wenn in der Position 1 des Anticodons ein C vorliegt, ist die Position im Codon mit G eindeutig festgelegt. Diese Kombination ermöglicht für die Codierung von Methionin und Tryptophan jeweils ein einziges Codon zu benutzen

4 Ist die erste Base im Anticodon ein G, so erfolgt die Basenpaarung im Codon mit den Pyrimidinbasen C oder U

4 In einigen tRNAs findet sich in der ersten Position des Anticodons das durch Desaminierung von Adenosin entstandene Nucleosid Inosin. Dieses kann sogar mit drei unterschiedlichen Basen auf dem Codon (A, U oder C) in Wechselwirkung treten

Francis Crick hat dieses Phänomen als Wackeln (engl. to wobble) der Codon-Anticodon-Wechselwirkung bezeichnet und die sich daraus ergebenden Konsequenzen als wobble-Hypothese formuliert. Ihre wichtigsten Aussagen sind:4 Die Minimalzahl der für die Übersetzung von 61 Co-

dons benötigten tRNA-Moleküle liegt bei 31. Durch eine weitere Vereinfachung kommen Mitochondrien mit 22 tRNA’s aus. (Es sind 8 Familien und 14 Dubletten mit je 4 bzw. 2 Codons; die übrigen 4 Codons bestim-men den Synthesestopp.)

4 Durch das »wobble-Phänomen« sind alle Codon-Anti-codon-Wechselwirkungen etwa gleich stark, und insge-samt etwas schwächer als bei klassischen Basenpaa-rungen zu erwarten wäre

Für alle acht in . Abb. 9.4 gezeigten Codon-Familien und für die Codon-Triade des Isoleucin liegen jeweils zwei tRNAs vor. Die 12 Codon-Dubletten sowie die Einzel-Co-dons von Tryptophan und Methionin benötigen jeweils eine tRNA. Im Einklang mit der wobble-Hypothese liegt die gesamte Zahl bei 32 verschiedenen cytosolischen tRNA’s. Aufgrund des hohen Bedarfs finden sich im menschlichen

. Abb. 9.5. Sekundärstruktur und Erkennungsbereiche von tRNA-Molekülen. Die Nucleotide in den lila hervorgehobenen Posi-tionen sind bei fast allen bisher analysierten tRNA-Molekülen iden-tisch, weswegen sie immer mit derselben Nummer bezeichnet wer-den. Noch zusätzlich vorkommende Nucleotide (gelb) erhalten eine Zusatznummer, z. B. Nr. 17 wird von 17:1 gefolgt. Die Sekundärstruktur ergibt sich aus der Basenpaarung antiparallel angeordneter helicaler Bereiche, die 3–4 Arme mit Stielen (Stämmen) und Schleifen sowie einen Stiel mit einem überstehenden 3‘-Endstück ausbilden. Die roten Striche entsprechen den Basenpaarungen. Das Anticodon befindet sich in Position 34–36 (grün)

. Tabelle 9.1. Basenpaarungen zwischen Anticodon der tRNA und Codon der mRNA (wobble-Hypothese)

1. Base des Anticodons 3. Base des Codons

A (ungenutzt) U

C G

U (modifiziert) A oder G

G U oder C

I U, C oder A

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9.1 · Biosynthese von Proteinen9291

Genom jedoch bis zu 20 Kopien der einzelnen tRNA-Gene. Die Zahl der Mitochondrialen tRNA’s ist noch geringer. Sie liegt bei 22. Unter den humanen mitochondrialen tRNA’s finden sich dem entsprechend nur zwei isoakzeptierende tRNA Paare (für Leucin und Serin).

Die relative Abschwächung bzw. eine Nivellisierung der Bindungskraft der Codon-Anticodon Wechselwirkungen ist für die Aufrechterhaltung einer hohen Geschwindigkeit der Proteinbiosynthese bedeutsam. Diese hängt nicht nur von der Erkennung von Anticodon und Codon, sondern auch von der raschen Lösung der Wasserstoffbrückenbin-dungen während der Proteinbiosynthese ab.

Tertiärstruktur. Nach der erfolgreichen Kristallisation meh-rerer tRNAs konnte vor etwa 25 Jahren ihre 3D-Struktur gelöst werden. Es zeigte sich, dass allen tRNAs die gleiche L-förmige Tertiärstruktur gemeinsam ist (. Abb. 9.6). Der Anticodon- und der D-Stiel bilden den einen und der Ak-zeptorarm mit dem variablen Stiel den zweiten gestreckten Teil des abgewinkelten Moleküls. Diese Gestalt der tRNA-Moleküle wird durch Wasserstoffbrücken, an denen ver-schiedene, nicht in den helicalen Bereichen liegende Nuc-leotide beteiligt sind, sowie durch mehrere Mg2+-Ionen und in ihrem Winkel durch Spermin stabilisiert. An den Enden

des »L« befinden sich die entscheidenden Funktionsträger des Adaptormoleküls: Die Erkennungsstelle des Codons (die Anticodonschleife) sowie die Bindungsstelle für die zu übertragende Aminosäure (. Abb. 9.6). Diese Teile sind elastischer, als der Winkelteil. Der Abstand zwischen bei-den Enden ist in fast allen tRNAs gleich.

! Die Beladung der tRNAs mit cognaten Aminosäuren ist ATP-abhängig und ihre Präzision wird mehrfach kon-trolliert.

Beladung. Die 20 proteinogene Aminosäuren werden durch zwanzig äußerst spezifische Aminoacyl-tRNA-Syn-thetasen aktiviert und mit dem 3 -OH-Ende der cognaten tRNAs verestert. Jede Synthetase ist in der Lage alle isoak-zeptierenden tRNAs mit der cognaten Aminosäure zu be-laden. Beispielsweise lädt die Methionyl-tRNA-Synthetase das Methionin auf zwei tRNAs, von denen eine (tRNAi

Met) bei der Initiation und die andere (tRNAMet) bei der Elonga-tion benötigt wird.

In . Abbildung 9.7 ist der Reaktionsmechanismus der Aminoacyl-tRNA-Synthetasen dargestellt. In der ersten

. Abb. 9.6. 3D-Struktur der tRNA. Am Beispiel der tRNAPhe der Bäckerhefe wurde eine Röntgenstrukturanalyse durchgeführt. Mar-kiert ist das 3´-Ende und das Anticodon sowie die Dihydrouridin (D) und Pseudouridin-Schleifen ( ). Außer der RNA wurden die in der Nähe einiger Phosphodiestergruppen vorliegenden Mg2+-Ionen (Kugeln) sowie das Spermin (Stern) dargestellt. Die Farben entsprechen sog. Temperaturfaktoren, die auf die Flexibilität einzelner Molekülbau-steine hinweisen: Der Übergang von blau über grün und gelb zu rot symbolisiert die Zunahme des Temperaturfaktors. Am flexibelsten ist demnach das 5‘-Ende des Akzeptorarms und das 3‘-CCA-Ende sowie die Anticodon-Schleife. (Aufnahme: Luca Jovine)

. Abb. 9.7. Mechanismus der Aminoacylierung einer tRNA durch eine Klasse II Aminoacyl-tRNA-Synthetase. In der ersten Teilreaktion erfolgt die Bildung des energiereichen Aminoacyl-Ade-nylates. Anschließend wird eine tRNA gebunden und die Identität der Aminosäure überprüft. Im zweiten Teilschritt erfolgt die Über-tragung des Aminoacylrests auf die tRNA

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292 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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Teilreaktion katalysieren diese Enzyme die Bildung eines gemischten Carbonsäure-Phosphorsäureanhydrids zwi-schen der Carboxylgruppe der jeweiligen Aminosäure und dem -Phosphat eines ATP-Moleküls. Die Produkte der Reaktion sind ein Aminoacyladenylat und anorganisches Pyrophosphat. Dessen anschließende Hydrolyse verschiebt das Gleichgewicht der Reaktion auf die Seite des ener-giereichen Carbonsäure-Phosphorsäure-Anhydrids. In der zweiten Teilreaktion reagiert Aminoacyladenylat mit der cognaten tRNA. Die Reaktionsprodukte dieses Transfers sind die entsprechende Aminoacyl-tRNA und AMP.

Ihrer Struktur, dem Reaktionsmechanismus sowie ihrer Entwicklung entsprechend lassen sich die Synthetasen in zwei Klassen mit jeweils 10 Enzymen aufteilen. Die Enzyme der Klasse I übertragen den aktivierten Aminoacylrest vom Adenylat zunächst auf die 2 -Hydroxylgruppe, die der Klas-se II direkt auf die 3 -Hydroxylgruppe des 3 -terminalen Adenosins der tRNA. Wie das Beispiel (. Abb. 9.7) der Be-ladung durch eine der Klasse II Synthetasen zeigt, entsteht im ersten Schritt das Pyrophosphat. Seine sofortige Hydro-lyse begünstigt die Bildung der »energiereichen« beladenen tRNAs. Das recht hohe Gruppenübertragungspotential der Aminoacyl-tRNAs mit einem G0’ von beinahe 30 kJ/mol wirkt als Triebkraft der späteren Synthese der Peptidbin-dungen.

Spezifität der Beladung. Die Synthetasen erkennen »ihre« tRNAs aufgrund zahlreicher Kontakte mit den jeweiligen Anticodon- und Akzeptor-Stielen nahezu fehlerfrei. Die Genauigkeit der initialen Bindung der Aminosäuren kann jedoch aufgrund der Ähnlichkeit mancher Aminosäuresei-tenketten den hohen Anforderungen an die Präzision der Proteinsynthese nur in seltenen Fällen unmittelbar genü-gen. So unterscheidet die Tyrosyl-tRNA-Synthetase sehr spezifisch zwischen Tyrosin und Phenylalanin und aktiviert Phenylalamin 105 mal seltener als Tyrosin. Viele andere tRNA-Synthetasen können die Aktivierung nicht cognater Aminosäuren jedoch nicht unmittelbar ausschließen. Da-für verfügen sie über Mechanismen um »fremde« Amino-säuren nach der Bildung gemischter Säureanhydride vor oder nach dem Transfer auf die tRNA zu erkennen und zu hydrolysieren. Diese Kontrollen werden als prä- und post-transfer Editierung bezeichnet. Zu diesem Zweck besitzen viele Synthetasen ein zweiteiliges aktives Zentrum (. Abb. 9.8) mit einer Aminoacylierungsstelle und einer Editierungs-stelle. Bildhaft können die Kontrollen mit einem Vor- und einem Feinfilter verglichen werden, mit denen die ver-gleichsweise sperrigeren bzw. kleineren Aminosäuren ab-gesondert werden. Nach der Hydrolyse nicht cognater Ami-noacyladenylate kann ein neuer Aktivierungsversuch un-ternommen werden. Bei einem Fehlversuch gehen zwar zwei »energiereiche« Bindungen des ATP verloren, dafür kann die Gefahr ein funktionsuntüchtiges Protein zu pro-duzieren entscheidend verringert werden. Die Beladung der cognaten tRNA erfolgt mit einer sehr niedrigen Ge-

samtfehlerrate von ca. einer auf 104 bis 105 Reaktionen. Diese Genauigkeit ist eine Voraussetzung dafür, dass Pro-teine, die meistens 102 bis 103 Aminosäurereste enthalten zu gut 99% fehlerfrei synthetisiert werden.

Die Editierung sei am Beispiel der Unterscheidung zwi-schen Valin, dem isosterischen Threonin und dem etwas größeren Isoleucin bei den der Klasse I zugehörigen Valyl- und Isoleucyl-tRNA Synthetasen erläutert. Die größte die-ser Aminosäuren, Isoleucin, passt nicht in die Adenylie-rungsstelle der Valyl-tRNA Synthetase und wird entweder nicht aktiviert oder aber noch vor dem Transfer wieder de adenyliert. Valyl-AMP und auch Threonyl-AMP sind als Zwischenprodukte relativ stabil und ermöglichen dieser Synthetase die cognate tRNAVal zu binden und die Amino-säuren von dem Adenylrest auf das 3 -Ende der tRNA zu transferieren. Die aminoacylierte tRNA verbleibt ausrei-chend lange am Enzym gebunden, um die posttransfer Edi-tierung zu ermöglichen. Dabei kann der einzelsträngige Teil des 3 -Endes in das mit einer Hydrolaseaktivität ausge-stattete Editierungszentrum geschwenkt werden. Nur der Threonylrest passt in dieses Zentrum und kann hydroly-siert werden. Die Isoleucyl-tRNA Synthetase kann außer der cognaten Aminosäure Isoleucin auch Valin aktivieren und transferieren. Im Unterschied zu Isoleucin passt jedoch das kleinere Valin in das Editierungszentrum, sodass seine Esterbindung vor der Ablösung der tRNA von dem aktiven Zentrum hydrolysiert wird.

. Abb. 9.8. Qualitätskontrolle bei der Beladung einer Klasse I Aminoacyl-tRNA-Synthetase. Eine Hydrolaseaktivität (Symbol: rot umrandetes Oval) hydrolysiert fehlerhaft gebildetes Aminoacyl-Ade-nylat, falls die Seitenkette der Aminosäure nicht optimal von der Aminoacyl-tRNA-Synthetase gebunden werden kann (Prätransfer-Editierung). Wenn das Aminoacyl-Adenylat die Kontrolle überstan-den hat, wird die cognate tRNA gebunden. Danach erfolgt ein Transfer der aktivierten Aminosäure auf das CCA-Ende der tRNA und die Post-transfer-Editierung. Der Einzelstrang wird in einen Teil (grünes Oval) des aktiven Zentrums geschwenkt, in dem die Posttransfer-Editierung erfolgt, die einer Tasche mit Hydrolaseaktivität entspricht. Passt hier eine Aminosäure gut hinein, erfolgt die Hydrolyse der Esterbindung. So kann die Isoleucyl-tRNAIle Valin statt Isoleucin mit dem Adenylrest in ca. einer von 103 Prätransferreaktionen verknüpfen. Jedoch nur etwa 1% der Valyl-tRNAIle übersteht die Posttransfer-Editierung. Dabei passt der kleinere Valyl-Rest in die Posttransfer-Bindungsstelle und seine Esterbindung wird hydrolysiert, während der größere Isoleucyl-Rest nicht gebunden bzw. abgespalten werden kann. An beiden Editierungsstellen ist eine Esterase-Aktivität (rote Elipse) be-teiligt

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9.1 · Biosynthese von Proteinen9293

9.1.4 Ribosomen und die Synthese der Peptidbindung

! Ribosomen sind Ribonucleoproteinpartikel, die in einer Initialphase der Proteinbiosynthese aus Untereinheiten zusammengesetzt werden.

Im Cytosol und in Mitochondrien gibt es jeweils spezifische pools von kleinen und großen ribosomalen Untereinheiten. Diese bestehen aus ribosomalen rRNAs und den riboso-malen Proteinen (. Tabelle 9.2). In Bakterien lässt sich le-diglich ein Ribosomentyp (70S-Ribosomen) nachweisen, der dem mitochondrialen ähnelt. Die im Cytosol frei vor-liegenden und an das endoplasmatische Retikulum gebun-denen Ribosomen sind mit einer Sedimentationskonstante von 80S größer als die mitochondrialen bzw. bakteriellen (70S). Eine weitere Ähnlichkeit zwischen den bakteriellen und mitochondrialen Ribosomen besteht in der Empfind-lichkeit gegenüber verschiedenen Giften der Proteinbio-synthese (7 u.). Die cytosolischen Untereinheiten werden im Nucleolus hergestellt und aus dem Kern exportiert (7 Kap. 6.2.1). Die mitochondrialen Untereinheiten werden in der mitochondrialen Matrix aus mitochondrialen rRNA Transkripten (12S und 16S) und im Cytosol synthetisierten und importierten Proteinen hergestellt.

In vitro können die ribosomalen Untereinheiten aus ge-reinigten Protein- und RNA-Komponenten in funktionsfä-higer Form rekonstituiert werden. Die rRNAs besitzen eine komplexe Sekundärstruktur mit vielen antiparallel ange-ordneten doppelhelicalen Arealen und Schleifen, die teil-weise mit den ribosomalen Proteinen verbunden sind.

Während der Proteinbiosynthese bilden die ribosoma-len Untereinheiten mit der mRNA und den tRNAs Kom-plexe, in denen die tRNAs die benötigten Aminosäuren bereitstellen und die mRNA die Reihenfolge der zu ver-

knüpfenden Aminosäuren bestimmt. Die mRNA liegt in einem Kanal auf der Seite der kleinen ribosomalen Unter-einheit, die der großen zugewandt ist. Über diesem Kanal befindet sich ein Hohlraum, der von den tRNAs in drei Stationen durchwandert wird. Diese werden als A- (Ami-noacyl-), P- (Peptidyl-) und E- (Exit-) Stellen bezeichnet. Sie sind teils in die kleine und teils in die große ribosomale Untereinheit (als sog. half-sites) eingebettet. Die Bindungs-energiewerte in den drei Stationen sind untereinander ver-gleichbar, sodass ein Transport durch die »Stellen« nicht behindert wird.

Die (den Synthesestart ausgenommen) erste Station, in die eine Aminoacyl-tRNA gebracht wird, ist die A-Stelle. Der aminoacylierte Arm der tRNA befindet sich in der A-Halbstelle der großen ribosomalen Untereinheit, während der Anticodonarm aus der großen ribosomalen Unterein-heit herausragt und von der Seite der tRNA Eintrittsstelle beobachtet werden kann (. Abb. 9.9a).

Durch die A-Halbstelle der kleinen ribosomalen Unter-einheit hindurch reicht der Anticodon-Arm bis an die mRNA heran, sein Anticodon (. Abb. 9.9b) tastet das Co-don ab. Das vorausgehende Codon liegt unterhalb der zwei-ten Station (P-Stelle). In dieser befindet sich die vorher eingewanderte tRNA und ihr Akzeptorarm (. Abb. 9.9c, der orangerote Einzelstrang in der Mitte) trägt das bis dahin fertig gestellte Peptid. Die in der A-Stelle befindliche tRNA positioniert ihren aminoacylierten Akzeptorarm unmittel-bar neben das vorgefertigte Peptid, das mit der benachbar-ten tRNA in der P-Stelle verestert ist. Der diese Gruppen umgebende Raum wird als Peptidyltransferasezentrum (PTZ) bezeichnet. In ihm findet die Peptidsynthese statt. Dabei greift der Aminostickstoff der in der A-Stelle be-findlichen Aminosäure nucleophil die Carbonylgruppe des mit der tRNA in der P-Stelle veresterten Peptidylrests an. Der Reaktionsraum ist von Basen umgeben, die nicht direkt in die Katalyse eingreifen, sondern eine optimale Positionierung der beiden Substrate ermöglichen. Die Katalyse der Verknüpfung des Peptidylrests mit der Amino-gruppe der zuletzt gebundenen aktivierten Aminosäure wird als positional bezeichnet. Da im Peptidyltransferase-Zentrum keine katalytisch wirkende proteinständige Gruppe vorliegt, wird das Ribosom als Ribozym bezeich-net. Auf eine noch nicht näher aufgeklärte Weise ist der Peptidyltransfer von der Präsenz der 2 -Hydroxylgruppe am A76 der tRNA in der P-Stelle abhängig. Der detaillierte Ablauf der Proteinsynthese wird im folgenden Abschnitt beschrieben.

9.1.5 Einzelschritte der Proteinbiosynthese

An der Biosynthese von Proteinen sind neben den Riboso-men und Aminoacyl-tRNAs GTP und ATP sowie etwa 30 Proteinfaktoren beteiligt, von denen an dieser Stelle nur wenige beschrieben werden. Die Synthese der Proteine lässt

. Tabelle 9.2. Eigenschaften pro- bzw. eukaryoter Ribosomen und ihrer Untereinheiten

ProkaryoteRibosomen

EukaryoteRibosomen

Gesamtes Ribosom

Sedimentationskonstante 70S 80S

Masse (kDa) 2500 4200

Proteinanteil (Gewichts%) 34 40

Große Untereinheit

Sedimentationskonstante 50S 60S

RNAs 23S; 5S 28S; 5,8S; 5S

Zahl der Proteine 31 49

Kleine Untereinheit

Sedimentationskonstante 30S 40S

RNAs 16S 18S

Zahl der Proteine 21 33

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294 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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sich in drei Phasen, Initiation, Elongation und Termina-tion, aufteilen. Die in eukaryoten Zellen während der Ini-tiation, Elongation und Termination benötigten Protein-faktoren werden mit den Kürzeln eIF, eEF bzw. eTF be-zeichnet. Die Synthese eines Proteins dauert i.d.R. wenige Minuten. In Bakterien erfolgt die Synthese nach dem glei-chen Prinzip, sie kommt jedoch mit weniger Faktoren aus und verläuft schneller.

! Proteinbiosynthese eukaryoter Zellen beginnt mit Methionin-abhängiger Assemblierung von Ribosomen.

Initiation. Der komplexe Ablauf der Initiation wird hier in fünf Schritten zusammengefasst. (. Abb. 9.10):1. Bildung eines ternären Komplexes aus dem Initiations-

faktor eIF-2, GTP und der beladenen Initiator-tRNA,Methionyl-tRNAi

Met

2. Bildung eines sog. 43S-Komplexes aus dem ternären Komplex und der mit eIF-1 und -3 komplexierten klei-nen ribosomalen Untereinheit

3. Bindung der Kappe (cap) und des Poly(A)-Endes der mRNA an eIF3, Entspiralisierung des untranslatierten 5 -Bereichs der mRNA und Anlegung des Einzel-stranges in einen von den eIFs und der Anticodonschlei-fe der Initiator-tRNA gesäumten Kanal an der Ober-fläche der kleinen ribosomalen Untereinheit

4. Suchen der für eukaryote mRNA charakteristischen Kozak-Konsensussequenz (GCCRCCAUGG, in der das R einen Purinrest, also entweder A oder G symbo-lisiert) und des in ihr enthaltenen Start-Codons AUG (scanning der mRNA). Nach diesem Schritt befindet sich die Methionyl-tRNAi

Met in der P-Halbstelle der kleinen ribosomalen Untereinheit und das Anticodon ist mit dem Startcodon verbunden

5. Dissoziation der an der Bindung und Positionierung der Initiator-tRNA beteiligten eIFs von der kleinen ribosomalen Untereinheit und Vervollständigung des

. Abb. 9.9a–c. Struktur von 70S-Ribosomen aus Thermus thermo-philus. Für die Röntgen-Strukturanalyse wurden Kristalle von Komple-xen der Ribosomen mit tRNAs benutzt. In den Darstellungen sind die Proteine und die 23S rRNA der großen ribosomalen Untereinheit violett bzw. grau und die der kleinen ribosomalen Untereinheit dunkel-blau bzw. türkis dargestellt. Die 5S rRNA (blau) befindet sich an der oberen Seite der großen ribosomalen Untereinheit. Die tRNAs in den E-, P- und A-Stellen sind rot, orange und goldgelb gefärbt. a Ansicht des Ribosoms von der Eintrittsseite der tRNA. Die orangenfarbenen Teile stellen den Anticodon-Arm der tRNA in der A-Stelle dar. b Große ribosomale Untereinheit und die Anticodon-Schleifen der tRNAs in den (von rechts nach links) A-, P- und E-Stellen. Dies ist die übliche von der Seite der kleinen ribosomalen Untereinheit en face Betrachtung der großen ribosomalen Untereinheit (im Vergleich zur Abb. 9a um 90° nach rechts gedreht). c Die der großen ribosomalen Untereinheit zugewandte Kontaktseite der kleinen ribosomalen Untereinheit. Man erkennt die 3 -Enden der tRNAs in den links und mittig stehenden A- bzw. P-Halbstellen der kleinen ribosomalen Untereinheit. (Aufnahmen: Marat M. Yusupov und Harry F. Noller)

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9.1 · Biosynthese von Proteinen9295

80S Ribosoms durch Anlagerung der großen riboso-malen Untereinheit. Die Initiator-tRNA, Methionyl-tRNAi

Met wird dabei mit Hilfe des eIF-5B GTP-Kom-plexes an die P-Stelle der großen ribosomalen Unterein-heit gebunden

Während der Initiation und der nachfolgenden Elongation entfernt sich die Kappe vom Ribosom, wobei sie unter Be-

teiligung von eIF-4 und PABP mit dem Poly(A)-Ende im-mer wieder verbunden und einer weiteren Initiation zu-gänglich gemacht werden kann. Eine Verkürzung des Poly-(A)-Endes behindert die Initiation und beschleunigt den Abbau der mRNA. Bleibt das Poly(A)-Ende bestehen, kön-nen an eine mRNA im Abstand von jeweils ca. 30 Nucleo-tiden weitere Ribosomen an die mRNA gebunden werden und Polysomen (. Abb. 9.11) bilden. Durch die Bildung

. Abb. 9.10. Der eukaryote Initiationszyklus und Reinitiation. ① Der mit GTP aktivierte Initiationsfaktor eIF-2 (hellgrün) bildet mit der Initiations-Methionyl-tRNAi

Met einen ternären Komplex. ② Dieser wird über die Initiator-tRNA an die P-Halbstelle der kleinen ribosoma-len Untereinheit (K) gebunden. Die tRNA passt in eine Nische zwi-schen den an der kleinen ribosomalen Untereinheit gebundenen eIF-1 und -3, die weiterhin die Anbindung der großen ribosomalen Unter-einheit behindern. ③ Nun kann die mRNA mit Hilfe ihrer cap-Struktur sowie des Poly(A)-Schwanzes unter Beteiligung von Teilen eines oligomeren eIF-4 (hellblau) und eines Poly(A)-bindenden Proteins (PABP) an den eIF-3 binden. Eine der Untereinheiten des eIF-4 löst eine am 5‘-Ende der mRNA eventuell vorhandene Sekundärstruktur auf und die »ausgebügelte« mRNA wird von einem RNA-bindenden Kanal auf der Oberfläche der kleinen ribosomalen Untereinheit aufgenom-men. ④ Danach kann die mRNA mit Hilfe des oligomeren eIF-4 unter ATP-Verbrauch durch den Kanal geschoben werden bis das Start-Codon dem Anticodon gegenüber liegt. Die exakte Basenpaarung

wird vom eIF-5 erkannt, der daraufhin die GTPase des eIF-2 aktiviert. Die anschließende Hydrolyse des eIF-2-gebundenen GTP führt zur Ablösung des eIF-2 GDP Komplexes und der anderen Faktoren von der kleinen ribosomalen Untereinheit. Jetzt ist diese für die Anlage-rung der großen ribosomalen Untereinheit bereit. ⑤ Der eIF-5B GTP Komplex (5B GTP) vermittelt die Anbindung der Methionyl-tRNAi

Met an die P-Halbstelle der großen ribosomalen Untereinheit. Nach dieser Anbindung wirkt die große ribosomale Untereinheit auf den eIF-5B als ein GTPase-aktivierender Faktor. Das GTP wird hydrolysiert, der Faktor (5B GDP) verändert seine Form und dissoziiert von dem vervollstän-digten Ribosom ab. Vor einer Reinitiation (③) müssen zwischenzeit-lich abgelöste Untereinheiten des eIF-4 und des PABP an die cap-Gruppe gebunden werden, um ihre Initiationskompetenz zu gewähr-leisten. Aus dem im Laufe der Initiation gebildeten eIF-2 GDP (hell-grünes Rechteck) und GTP wird mit Hilfe des Guanosinnucleotid-Austauschfaktors eIF-2B der eIF-2 GTP-Komplex regeneriert

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296 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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der Polysomen wird eine parallele Fertigung von mehreren Proteinmolekülen ermöglicht und die Produktivität der Translation erhöht.

! Die für die Elongation benötigten Aminoacyl-tRNAs werden als Komplexe mit dem Elongationsfaktor eEF-1A bereitgestellt.

Elongation. Die Elongation erfolgt in fünf Schritten, die für den Einbau jeder nachfolgenden Aminosäure wiederholt werden. Die Schritte sind schematisch in der . Abb. 9.12a dargestellt und in der Legende genau beschrieben. Abhän-gig ist die Elongation von der Bereitstellung von ternären Elongationskomplexen, die in einer Vorbereitungsphase aus allen beladenen tRNAs und dem mit GTP aktivierten Elongationsfaktor eEF-1A auf gleiche Weise hergestellt werden.

Im ersten Schritt der Elongation wird an die A-Stelle eine Aminoacyl-tRNA gebunden, die zu dem vorliegenden Codon komplementär ist (. Abb. 9.12b). Der zentrale Vor-gang der Elongation ist die nun folgende Ausbildung der Peptidbindung. Wenn eine neue tRNA in der A-Stelle ge-bunden wird, kommt es im Peptidyltransferase-Zentrum zu einer Rotationsbewegung, durch die die aktivierte Ami-nosäure in die unmittelbare Nähe des Estercarbonyls am 3 -Ende der in der P-Stelle befindlichen tRNA vorgescho-ben wird. Wie in . Abb. 9.12c gezeigt, kommt es zu einem

nucleophilen Angriff der -Aminogruppe der in der A-Stelle befindlichen Aminosäure auf das C-Atom der Carbo-nylgruppe in der P-Stelle. In der A-Stelle entsteht ein Me-thionyl-Aminoacyl- bzw. ein verlängertes Peptidyl-tRNA Produkt. Die erste Aminosäure bzw. ein Peptid wird da-durch auf die zweite bzw. nachfolgende Aminosäure in der A-Stelle übertragen. Dabei entsteht eine neue Peptidbin-dung ohne einen unmittelbaren Verbrauch von ATP oder GTP. Vor der nächsten Runde müssen die tRNAs in deren jeweils nächste Station und gleichzeitig die mRNA durch ihren Kanal um etwa 2 nm verschoben werden. Die Energie für diese chemomechanische Leistung wird durch Hydro-lyse von GTP bereitgestellt. Es ist wahrscheinlich, dass an der Bewegung sowohl die Ribosomen, als auch die tRNAs, vermutlich in Teilschritten, beteiligt sind. Die deacylierte tRNA wandert aus der P-Halbstelle der großen ribosomalen Untereinheit in die E-Halbstelle, während der den verlän-gerten Peptidylrest tragende Akzeptorarm der nächsten tRNA aus der A- in die P-Halbstelle vorrückt, die eine hö-here Affinität zu dem Peptid besitzt als die Erstere. Die tRNAs befinden sich zwischenzeitlich in »hybriden« E/P und P/A Stellen, wie in . Abb. 9.12a im Schritt 4 angedeu-tet. Während die Codon-Anticodon-Paarung besteht, wird die Positionierung der tRNAs in den kompletten P- und A-Stellen vervollständigt; die Anticodonarme werden erst unter der Einwirkung des eEF-2 GTP-Komplexes aus den A- und P- in die P- und E-Halbstellen der kleinen riboso-malen Untereinheit verschoben. Der Elongationsfaktor enthält eine atypische Aminosäure, das Diphtamid (. Abb. 9.13), die durch posttranslationale Modifikation eines His-tidinrests gebildet wird. Das Diphtamid ist der Angriffs-punkt des Diphterietoxins (7 Kap. 9.1.8).

Vom Peptidyltransferase-Zentrum wandert die wach-sende Polypeptidkette durch einen Tunnel (. Abb. 9.14) in der großen ribosomalen Untereinheit. An der Austrittstel-le wird die naszierende Kette von Proteinen gebunden, die die Ausbildung einer nativen 3D-Struktur oder die Bindung des Ribosoms an das ER ermöglichen (7 Kap. 9.2.1, 9.2.2).

. Abb. 9.11. Elektronenmikroskopische Aufnahme von Polyso-men während der Globinsynthese in Retikulozyten. Durch eine spezielle Färbung erkennt man die mRNA als einen schwarzen Faden: (Aufnahme: Alexander Rich)

. Abb. 9.12a–c. Cytosolischer Elongationszyklus eukaryoter Zellen. a Schema der Elongation. ① In einem Vorbereitungsschritt werden aus Aminoacyl-tRNAs und aktiviertem eEF-1A GTP (grünesRechteck mit GTP) ternäre Elongationskomplexe gebildet. Diese wer-den für die Bindung der Aminoacyl-tRNAs an die Akzeptor (A)-Stelle benötigt. ② In dem eigentlichen Elongationszyklus bindet der ternäre Elongationskomplex nahe der Aminoacyl-tRNA- bzw. Akzeptorstelle (A) an das Ribosom, damit zunächst die Codon-Anticodon Paarung überprüft werden kann. Bei Übereinstimmung bleibt die tRNA gebun-den. ③ Der am eEF-1A gebundene Anticodonarm ist verbogen und kann sich nach optimaler Bindung an das Codon wie eine Feder stre-cken. Damit passt sich die tRNA der A-Stelle an. Das besetzte Ribosom wirkt auf den eIF-1A GTP Komplex wie ein GTPase-aktivierender Faktor: das GTP wird hydrolysiert, der Faktor kann die Eintrittstelle verlassen. ④ Die Peptidsynthese erfolgt im Peptidyltransferasezen-trum (PTZ) durch eine genaue Positionierung der Peptidyl- und Amino-acyl-tRNAs. Der verlängerte Peptidylrest befindet sich an der jeweils

letzten tRNA. ⑤ Beide tRNAs werden zusammen mit der über die Codon-Anticodon-Wechselwirkungen verbundenen mRNA in dem ribosomalen Hohlraum um etwa 2 nm, von den P- und A- in die E- und P-Stellen, vorgeschoben (s. Lage der Pfeile entlang der mRNA). Der Schritt wird durch den eEF-2 gesteuert. Dieser wird entweder mit GDP oder mit GTP komplexiert und in der Nähe der A-Stelle gebunden. Im Laufe der Translokation erhält der eEF-2 (wahrscheinlich vom Ribo-som) ein GTPase-aktivierendes Signal, um das Anbinden der Peptidyl-tRNA in der P-Stelle und die Ablösung des Faktors auszulösen. An-schließend kann die Elongation durch Lesen des nächsten Codons fortgesetzt werden. Notwendig ist die von Guanosin-Nucleotid-Austauschfaktoren abhängige Regeneration der eEF-1A- und eEF-2·GTP-Komplexe. Der Faktor eEF-1B ist für das Recycling des eEF-1A zuständig. b Anticodon Basenpaarung. Peptidyl- und Aminoacyl tRNAs in den P- und A-Stellen bilden Wasserstoffbrückenkontakte zu den Codons der mRNA c Reaktionsmechanismus der Knüpfung der Peptidbindung. (Aufnahme: Harry F. Noller und Marat M. Yusupov (b))

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298 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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! Drei Stopp-Codons signalisieren das Ende der Protein-biosynthese, eines kann in einem bestimmten mRNA-Sequenzkontext den Einbau von Selenocystein signali-sieren.

Termination. Sobald eines der drei Stopp-Codons UAG, UAA und UGA gegenüber der A-Stelle positioniert wird, kommt es zur Freisetzung des Polypeptids und damit zum Ablösen der mRNA sowie dem Zerfall des Ribosoms in seine Untereinheiten (. Abb. 9.15). Die kleine ribosomale Untereinheit wird bis zur nächsten Initiation von eIF-3 komplexiert. Die Freisetzung des Polypeptids bei der Ter-mination entspricht einer Übertragung auf Wasser. Die Hy-drolyse wird im Peptidyltransferase-Zentrum unter Einwir-kung von Freisetzungsfaktoren RF (release factors) kataly-siert. Die RFs erkennen die Stopp-Codons, besetzen die A-Stelle und erstrecken sich bis zu A76 der Peptidyl-tRNA (. Abb. 9.15).

Suppression. Die Stopp-Codons erzeugenden sog. non-sense-Mutationen können die Bildung oder Funktionsfä-higkeit eventuell lebensnotwendiger Proteine durch Unter-brechung der Synthese vernichten. Kommt es neben einer

nonsense-Mutation zusätzlich zur Veränderung einer tRNA, sodass mit ihrer Hilfe das Stopp-Codon zumindest gele-gentlich als codierend gelesen wird und genügend funk-tionstüchtiges Protein gebildet werden kann, spricht man von einer Suppression. Die mutierte tRNA wird als Sup-pressor-tRNA bezeichnet.

. Abb. 9.14. Querschnitt durch die große ribosomale Untereinheit entlang des Polypeptidtunnels eines bakteriellen Ribosoms. Im Ver-gleich zur Abb. 9.9b wurde die große ribosomale Untereinheit um ca. 120° nach vorne (»kopfüber«) rotiert und angeschnitten. Die kleine ribosomale Untereinheit befindet sich an der Unterseite. Der untere Pfeil markiert den mRNA-Tunnel (mRNA), der mittlere das Peptidyl-transferasezentrum (PTZ) und der obere den Polypeptidtunnel (PT). Auffälligerweise ist das PTZ ausschließlich von der rRNA umgeben. Gebunden an die tRNA in der P-Stelle zieht das naszierende Polypep-tid (hellblau) vom PTZ zur Austrittstelle des Polypeptidtunnels (AU). (Aufnahme: Harry F. Noller und Marat M. Yusupov)

. Abb. 9.13. Beispiele seltener Aminosäuren in Proteinen. Das N-Formylmethionin (f-Met) und das Selenocystein sind proteinogene Aminosäuren, die als tRNA-Derivate synthetisiert werden (s. Text). Das Diphtamid entsteht durch eine posttranslationale Modifikation eines Histidinrests im eEF-2. Es ist der Angriffspunkt des Diphterie-Toxins. Bei Inaktivierung des eEF-2 wird auf das Diphtamid ein ADP-Ribose-rest (blaue Schrift) übertragen. In freier Form kommen die veränderten Aminosäuren nach proteinolytischem Abbau modifizierter Proteine vor

. Abb. 9.15. Termination der Proteinbiosynthese. Erscheinen eines Stopp-Codons in der Aminoacyl-Stelle fördert die Bindung des release-Faktor eRF anstatt einer Aminoacyl-tRNA. Der eRF ahmt die Gesamtstruktur sowie die Oberflächenladungsverteilung der tRNAs nach. Er induziert die Hydrolyse der Esterbindung der Peptidyl-tRNA in der P-Stelle, wodurch die Synthese des Proteins beendet wird. Der Komplex zerfällt, während die kleine ribosomale Untereinheit vom eIF-3 gebunden wird

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9.1 · Biosynthese von Proteinen9299

Auch die Insertion eines Nucleotids kann durch tRNA-Mutationen kompensiert werden, wenn beispielsweise die Anticodon-Schleife, ebenfalls durch eine Insertion, um ein Nucleotid verlängert wird.

In humanen Zellen ist die Biosynthese eines als Regula-torprotein dienenden »Antizyms« von einer Verschiebung des Leserahmens abhängig, die auf einem anderen Prinzip beruht. Dieses Regulatorprotein wird zum Abschalten der Aktivität der Ornithindecarboxylase, des Schrittmacheren-zyms der Polyaminsynthese (7 Kap. 13.6.3), am Ende der S-Phase des Zell-Zyklus (7 Kap. 7.1) benötigt. In der Anti-zym-mRNA befindet sich ein überzähliges Nucleotid zwi-schen zwei Tripletts und verhindert die distale Übersetzung. Diese kann jedoch bei erhöhtem Polyaminspiegel erfolgen: das überzählige Nucleotid wird dann zusammen mit einem der benachbarten Tripletts als ein »Tetraplett« gelesen. Da-raus resultiert eine Leserasterverschiebung (frame-shift), die die Synthese des »Antizyms« und somit eine Hemmung der Polyaminsynthese ermöglicht.

Selenocystein. In einigen wenigen humanen Proteinen da-runter der Glutathionperoxidase kommt die sog. 21. pro-teinogene Aminosäure Selenocystein (Sec) (. Abb. 9.13) vor. Das Enzym trägt zum Schutz vor oxidativem Stress bei, in dem es Hydroperoxide und reduziertes Glutathion zu Wasser bzw. Alkohol und oxidiertem Glutathion umsetzt. In vitro verhindert es die Initiation und Propagierung von Radikalkettenreaktionen.

Selenocystein wird allerdings nicht durch eine entspre-chende Modifikation von Cysteinylresten der Selenproteine gebildet. Es entsteht vielmehr aus der Aminosäure Serin, allerdings erst nachdem diese durch die Seryl-tRNA-Syn-thetase auf eine spezifische tRNASec übertragen wurde. Die gebildete Seryl-tRNAsec wird in einem enzymatischen Pro-zess in Selenocysteinyl-tRNASec umgewandelt.

Auch der Einbau des an seine spezifische tRNA gebun-denen Selenocysteins in die wachsende Peptidkette erfolgt nach einem besonderen Mechanismus. Bei der Analyse der mRNA von Selenproteinen verblüffte, dass innerhalb der Sequenz ein UGA-Stopp-Codon genau an der Stelle auf-tritt, auf der im Protein das Selenocystein vorliegt. Daraus folgt, dass dieses Stopp-Codon in definierten mRNAs den Einbau des Selenocysteins bestimmen kann.

In der mRNA der Glutathionperoxidase sowie in der anderer Selenocysteinproteine folgt dem Stopp-Codon eine Nucleotidsequenz (SECIS), die zur Ausbildung einer Haar-nadelschleife (hairpin) führt. Diese wird von einem SECIS-bindenden Protein (SBP2) erfasst. Der mit GTP aktivierte Transkriptionsfaktor eEFsec (sec = Selenocystein) bindet eine Selenocystein-tragende tRNA sowie das an der mRNA gebundene SBP2-Protein. Zusätzlich wird es von dem in der Nähe des Eintritts zur A-Stelle befindlichen Protein L30 (. Abb. 9.9a) der großen ribosomalen Untereinheit gebun-den. Dadurch wird das Selenocysteinyl-tRNASec–Molekül an die A-Stelle gebracht. Nach einer durch das L30-Protein

induzierten Strukturumwandlung im SECIS-Element er-folgt das eEFsec-abhängige Andocken des Anticodons 5 -UCA an das Stoppcodon 5 -UGA. Das dabei aktivierte eEFsec spaltet GTP und kann sich danach von der bela-denen tRNA bzw. der A-Stelle entfernen.

9.1.6 Hemmstoffe der Proteinbiosynthese

! Viele Hemmstoffe der Proteinbiosynthese werden als Antibiotika benutzt.

Antibiotika wirken z.T. sehr spezifisch auf die bakterielle Proteinbiosynthese und erweisen sich für die Aufklärung des Synthesemechanismus und insbesondere für Therapie bakterieller Infektionskrankheiten als unentbehrlich. Ver-schiedene Antibiotika hemmen unterschiedliche Schritte der Proteinbiosynthese:4 Tetracycline binden die kleine Untereinheit prokaryo-

ter Ribosomen und verhindern die Bindung der Ami-noacyl-tRNA. In hohen Konzentrationen blockieren sie auch die eukaryote Proteinbiosynthese

4 Streptomycin und andere Aminoglycosid-Antibioti-ka intercalieren in die 16S rRNA der prokaryoten klei-nen ribosomalen Untereinheit. Dadurch wird die A-Halbstelle modifiziert, in der die Wechselwirkung zwi-schen Codon und Anticodon stattfindet. Die Folge sind Ablesefehler bei der Elongation

4 Macrolid-Antibiotika, z.B. Erythromycin, binden die 23S rRNA der prokaryoten großen ribosomalen Unter-einheit und »verstopfen« dadurch den Polypeptid-tunnel

4 Das Breitband-Antibiotikum Chloramphenicol kon-kurriert mit den tRNAs um die A- und P-Stellen im Bereich des Peptidyltransferase-Zentrums prokaryoter Ribosomen

4 Fusidinsäure hemmt den Elongationszyklus. Sie greift nach der Hydrolyse von GTP und der Translokation der Peptidyl-tRNA ein und verhindert die Ablösung des GDP-Komplexes des eEF-2 von den Ribosomen

4 Cycloheximid hemmt die Translokaseaktivität eukaryo-ter Ribosomen und wird experimentell für wissen-schaftliche Studien eingesetzt

4 Puromycin wirkt sowohl an pro- als auch an eukaryo-ten Ribosomen. Es bindet an die A-Stelle des Ribosoms. Da es strukturell dem Aminoacyl-Ende der Aminoacyl-tRNA ähnelt, kann es den Peptidylrest von der in der P-Stelle befindlichen Peptidyl-tRNA übernehmen. Dies führt zum vorzeitigen Abbruch der Proteinbiosynthese (. Abb. 9.16)

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300 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

9.1.7 Regulation der Proteinbiosynthese

! Die Proteinbiosynthese kann auf der Ebene der Initia-tion reguliert werden.

Die in 7 Kap. 8.5 beschriebenen Möglichkeiten der Trans-kriptionsregulation sind für die Proteinbiosynthese von größter Bedeutung. Darüber hinaus kann die Translation auf der Ebene der Initiation reguliert werden.

Regulation der Initiation durch Modifikation des Initia-tionsfaktors eIF-2. Dieses GTP-bindende Protein ist für die Initiation der Proteinbiosynthese essentiell, da es die Me-thionyl-tRNAi

Met an die Startposition der mRNA dirigiert (7 o.). Die Aktivierung von eIF-2 erfolgt durch den als GEF (guanosine nucleotide exchange factor) wirkenden eIF-2B (. Abb. 9.10). eIF-2 wird durch Phosphorylierung-Dephos-phorylierung reguliert. In phosphorylierter Form wird er von eIF-2B besonders fest gebunden und somit aus dem Reaktionszyklus entfernt (. Abb. 9.17). Erst durch eine spe-zifische Phosphatase kann dieser Vorgang rückgängig ge-macht werden. In das Verhältnis von phosphoryliertem und nicht-phosphoryliertem eIF-2 greift eine Reihe von Faktoren ein:4 Häm hemmt eine eIF-2-Kinase und erleichtert auf

diese Weise die Reaktivierung von eIF-2. Dies erlaubt v.a. eine Steigerung der Globinbiosynthese in Retikulo-zyten, wenn ausreichend Häm vorhanden ist (7 Kap. 20.1.3)

4 Interferone, die als Antwort auf virale Infekte von ver-schiedenen Zellen produziert werden, hemmen die Translation in Virus-infizierten Zellen durch Aktivie-rung von eIF-2-Kinasen und verhindern damit die Ver-mehrung der Viren

4 Über die Phosphorylierung von eIF-2 wird die Protein-synthese infolge von Stress wie Hitzeschock oder Mangel an Wachstumsfaktoren und Aminosäuren ge-hemmt

Cap-abhängige Initiation. Die Funktion der cap-Gruppe wird durch eIF-4-bindende phosphorylierbare Proteine re-guliert. Diese greifen in die Proteinbiosynthese auf verschie-denen Stadien der embryonalen Entwicklung, synaptischer Plastizität und bei Wachstumsregulation. Die E-Un tereinheit (eIF-4E) besitzt onkogenes Potential. Die Erhöhung der Konzentration verschiedener eIF-4-Untereinheiten steigert die Translation einer Gruppe der mRNAs mit besonders starker Sekundärstruktur am untranslatierten 5 -Ende. Sie findet beispielsweise in Mamma-Karzinomzellen statt. Bei der langfristigen Festigung und Abschwächung (long term potentiation und long term depression) neuronaler Verbin-dungen wird die Translation bestimmter mRNAs in dendri-tischen Fortsätzen durch Phosphorylierung und Dephos-phorylierung des Polyadenylat-bindenden Proteins PABP stimuliert bzw. gehemmt, wobei die Initiation von einer Wechselwirkung des eIF-4G mit dem PABP abhängig ist. Eine Aktivierung von N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Re-zeptoren führt zu einer Aktivierung der Rezeptor-assoziier-ten Calcium-abhängigen Proteinkinasen, zur Phosphorylie-rung von PABP und einer lokalen Beschleunigung der Pro-teinsynthese selektiver mRNAs.

tRNA-Beladungszustand. Fehlt eine der Aminosäuren, kommt die gesamte Proteinsynthese zum Erliegen. Sie wird schon auf der Stufe der Initiation gehemmt.

. Abb. 9.16. Strukturelle Ähnlichkeit von Puromycin mit dem Aminoacyl-Adenylat-Ende von tRNA-Molekülen. Links: Puromycin; rechts: Aminoacyl-Ende einer tRNA. Unterschiede zwischen beiden Molekülen sind rot hervorgehoben

. Abb. 9.17. Regulation der Initiation. Der mit G-Proteinen ver-wandte Initiationsfaktor eIF-2 wird durch Phosphorylierung/Dephos-phorylierung reguliert. Nach der Anlagerung der Starter-Aminoacyl-tRNA an die P-Stelle wird das gebundene GTP zu GDP hydrolysiert. Der Initiationsfaktor eIF-2B wirkt als Guaninnucleotid-Austausch-Faktor. Durch spezifische Proteinkinasen kann eIF-2 phosphoryliert werden. Phosphorylierter eIF-2 bindet wesentlich stärker an eIF-2B, sodass eine GTP-Anlagerung und somit die Reaktivierung von eIF-2 unmöglich wird

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9301

9.1.8 Pathobiochemie

Virale Initiation. Einige Viren, u.a. das Poliovirus, benutzen einen besonderen Initiationsmechanismus. Sie produzieren ein Protein, das die Kopfgruppen (cap)-abhängige Bindung eukaryoter mRNA an die kleine ribosomale Untereinheit im Initiationskomplex behindert. Dadurch wird die Trans-lation der wirtseigenen mRNA infizierter Zellen unterdrü-ckt und die der viralen mRNA begünstigt.

Beschleunigte Initiation bei Tumoren. Eine Überproduk-tion des eIF4E wurde bei Brustkrebs-, Harnblasen- u.a. Tu-moren festgestellt und ist mit einer schlechten Prognose assoziiert. Es zeigt sich eine inverse Korrelation zwischen der Überproduktion und der Überlebensdauer. Dies kann auf eine Steigerung der Produktion von Wachstumsfakto-ren, z.B. VEGF, und/oder der Chemotherapie-Resistenz zurückgeführt werden.

CACH. Defekte der Untereinheiten des eIF-2B führen zur Hypomyeliniserung und einer Atrophie der weißen Sub-stanz. Die Folge des Weisssubstanzschwundes ist eine pro-

gressive, fatale infantile Ataxie (CACH, childhood ataxia with central hypomyelinisation), eine der häufigsten Leuko-dystrophie. Scheinbar gesund geborene Kinder sterben vor dem Erreichen des Schulalters.

Diphterietoxin. Dieses vom Bakteriophagen codierte To-xin wird von einigen Stämmen des Corynebacterium Diph-theriae gebildet. Bei nicht geimpften Personen wirkt es schon in μg-Mengen letal. Es besteht aus A- und B-Unter-einheiten. Die Letztere ist für die Aufnahme des Toxins in die Zelle verantwortlich: Bei saurem pH kann sie in die en-dosomale oder lysosomale Membran eindringen und Poren bilden, durch die die A-Untereinheit geschleust wird. Im Cytosol wird diese wieder gefaltet. Im aktiven Zustand ka-talysiert sie die ADP-Ribosylierung (7 Kap. 23.3.4) des Elongationsfaktors eEF2. Diese Modifikation erfolgt an einem Diphtamid-Rest, der im eEF-2 posttranslational aus einer Histidinseitenkette gebildet wird (. Abb. 9.13) und führt zur Inaktivierung des Faktors. Da das Toxin enzyma-tisch wirksam ist, kann die Proteinbiosynthese einer Zelle durch ein einziges Molekül des Diphtherietoxins vollstän-dig zum Erliegen gebracht werden.

In Kürze

Die Sequenz der Aminosäuren eines Proteins ist in seiner mRNA codiert.

Für die Übersetzung der codierten Sequenz ist eine aus Ribosomen, je etwa dreißig tRNAs und Translationsfak-toren sowie zwanzig Aminoacyl-tRNA-Synthetasen beste-hende Maschinerie zuständig. Ihre Fehlerrate ist geringer als 1 auf 104 eingebaute Aminosäuren.

Als Substrate werden zwanzig Aminosäuren, als Ener-giequellen GTP und ATP benötigt.

Die Proteinbiosynthese erfolgt in den drei Phasen Ini tiation, Elongation und Termination.

Die bei der Elongation entstehende Peptidbindung wird durch Positionierung der Substrate in einer Cavität des Ribosoms, dem Peptidyltransferasezentrum, katalysiert.

Trotz der Universalität des genetischen Codes gibt es Unterschiede zwischen der Proteinsynthese in Bakterien, in eukaryoten Zellen und in deren Mitochondrien.

Fortschritte der Molekular- und Strukturbiologie er-möglichen die Erkennung von Antibiotika-empfindlichen »Schwachstellen« der Proteinsynthese in pathogenen Or-ganismen.

9.2 Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

9.2.1 Faltung der Polypeptide

! Die korrekte Faltung einer Polypeptidkette wird i.d.R. durch Chaperone und Isomerasen abgesichert.

Naszierende Polypeptidketten. Wie entsteht aus einer wachsenden Polypeptidkette ein funktionsfähiges Pro-tein? Ab einer Länge von ca. 40 Aminosäuren beginnt ein naszierendes Protein, den Tunnel in der großen ribosoma-len Untereinheit zu verlassen und muss zu seiner typischen dreidimensionalen Struktur gefaltet werden. Die Faltung der Polypeptidkette ergibt sich aus der Primärstruktur und folgt den Gesetzen der Thermodynamik (7 Kap. 3.3.1 – 3.3.4). Während eines mehrstufigen Faltungsprozesses

werden zahlreiche nicht-ionische, ionische, van der Waals’sche und sogar covalente intramolekulare Bin-dungen getestet und schließlich festgelegt. Die Wege zur finalen nativen Struktur sind vielfältig, die Zahl der theo-retisch möglichen Zwischenstufen sehr groß. Das Gleiche gilt vermutlich auch für die Zahl der thermodynamisch stabilen, jedoch falschen Alternativstrukturen. Dass die Faltung dennoch in Sekunden bis Minuten gelingt, ist das Ergebnis einer konzertierten Aktion verschiedener Hilfs-systeme, die die Faltung unterstützen, »nicht erlaubte« Bindungen auflösen, selbst wenn diese stabil sind und wie thermodynamische »Fallen« mit niedrigem Energiegehalt und hoher Aktivierungsenergie wirken. Zu diesem Zweck besitzen die Zellen mehrere Enzyme und Bindeproteine, die z.B. eine unspezifische Verklumpung von hydropho-ben Polypeptidabschnitten verhindern und den Faltungs-prozess beschleunigen. Etwa 1/4 der neu synthetisierten

9.2 · Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

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302 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

Proteine verfehlt die korrekte Faltung und wird abge-baut.

Hitzeschock-Proteine. Eine Erhöhung der Umgebungstem-peratur stört die Faltung der Polypeptide und zerstört u.U. einen Teil der fertigen Proteine. Auf diesen »Stress« reagie-ren Zellen mit einer verstärkten Synthese sog. Hitzeschock-Proteine (heat-shock proteins, Hsp). Ihnen werden mehrere Funktionen zugeordnet. Die wichtigsten sind Faltungshilfe, Reparatur, Assistenz bei der Bildung von Proteinkomple-xen, beim Proteintransfer zwischen Kompartimenten und beim Proteinabbau. Als molekulare Chaperone (engl. cha-perone, Anstandsdame) verhindern sie falsche und fördern korrekte Faltungsschritte.

Hsp-Familien. Es gibt mehrere Gruppen von heat-shock-Proteinen, die nach der Molekülmasse ihrer häufigsten Ver-treter benannt werden. Sie kommen ubiquitär vor. Als Fal-tungshelfer können die heat-shock-Proteine sowohl gleich-zeitig kooperieren als auch nach einander wirken.

Eine solche Hilfsfunktion besteht im Schutz vor der Ag-gregation hydrophober Abschnitte. Dies wird in Bakterien durch das DNA-J Protein und in eukaryoten Zellen durch HDJ1 (Hsp40) und HDJ2 Chaperone gewährleistet. Zu die-ser Familie gehört das Mpp11 Protein, das am Rande des ribosomalen Proteintunnels lokalisiert ist. Hier bilden mehrere Hsp Proteine einen Ribosomen-assoziierten Kom-plex (RAC, ribosome associated complex), in dem struktur-mäßig unreife Proteine abgefangen werden (. Abb. 9.18a).

Für einen erfolgreichen Abschluss der Proteinfaltung in menschlichen Zellen werden in der Regel größere ATP-ab-hängige, miteinander kooperierende, Chaperone der Hsc70 (heat shock cognate) und Hsp90-Familien benötigt (. Abb. 9.18a). Sie bilden Komplexe, an denen sog. Co-Chaperone sowie Peptidyl-Prolyl-Peptidisomerasen (7 wei ter unten) beteiligt sind. Beide Proteinfamilien enthalten jeweils eine oder mehrere konservierte Domänen von etwa 34 Amino-säuren -Länge (tetratricopeptide repeats), die sie zur Bildung von Komplexen mit den Hsc70- und Hsp90-Proteinen be-fähigen. Die Komplexe wirken nicht nur als kleine Fal-tungsmaschinen, sondern auch als Regulatoren oder Koor-dinatoren lebenswichtiger Prozesse wie der Proliferation und Apoptose. Die Klientel von Hsp90 ist sehr umfang-reich. Es umfasst zahlreiche Proteinkinasen, Protoonkoge-ne und cytosolische Rezeptoren, die als Transkriptionsfak-toren wirken können. Des Weiteren zählen die Struktur-proteine Aktin und Tubulin dazu, die zusätzlich vom Chaperonin TRiC (7 weiter unten) bearbeitet werden. Ste-roidhormonrezeptoren erlangen die Fähigkeit Steroide zu binden erst unter Mitwirkung von Hsc70 und Hsp90 (7 Kap. 25.3.1). Für die Bildung tripelhelicaler Domänen in Kollagenmolekülen wird das induzierbare Hsp47 benötigt. Hsc70 ist für die Depolymerisierung der Clathrinbeschich-tung und Freisetzung von Triskelions (7 Kap. 6.2.5) erfor-derlich.

. Abb. 9.18a, b. Chaperone, Chaperonine und Faltung. a Koope-ration von Chaperonen und Chaperoninen bei der Faltung naszieren-der Polypeptidketten. Es können nur einige Chaperone gezeigt wer-den. Mehrere befinden sich an der Oberfläche der Ribosomen in der Nähe des Ausgangs des Polypeptidtunnels. Sie bilden den sog. RAC-Komplex, der in der Abbildung als Aufnahmetasche dargestellt ist. Sie binden die naszierenden Polypeptidketten und verhindern die Aggre-gation ihrer hydrophoben Sequenzen. Die teils gefalteten Proteine werden (von links nach rechts) an den TOM Transporter der Mitochon-drien oder an das mit Peptidyl-Prolyl-Isomerasen kooperierende homodimere Hitzeschock-Protein Hsp90 und/oder an die Chape-ronine (TRiC) geleitet. Hop verbindet temporär Hsc70 und Hsp90. PPI = Peptidyl-Prolyl-cis-trans-Isomerase; Mpp11 = Ribosomen-assozi-iertes Chaperon b Kristallographische Struktur eines Archäen-Chape-ronins (TRiC-Prototyp). Das symmetrische Partikel wird als Raum-füllendes Modell in geschlossener (links) und geöffneter (rechts) Form gezeigt. Die oberen und unteren Hälften sind identisch und hohl. Sie bestehen aus je vier abwechselnd ringförmig verknüpften - und -Untereinheiten. Die Basis-nahen Domänen besitzen ATPase-Aktivität (magenta). Die an den Außenrändern lokalisierten (orange und schwarz) können durch ATP-abhängige Streckung der intermediären Domäne (blau) zwischen offener und geschlossener Konformation wechseln. Ihre Innenseite bindet die nicht oder fehlerhaft gefalteten Proteine. Durch Binden bzw. Hydrolyse von ATP werden diese »Nano-maschinen« in Bewegung gesetzt. Dabei können sie ihren Inhalt und ihre Domänenorganisation verändern sowie aggregierte Proteine voneinander trennen. (Aufnahme: Lars-Oliver Essen (b))

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9303

Chaperonine. In einer besonderen Proteinfamilie finden sich multimere Faltungskatalysatoren, die als Chapero-nine bezeichnet werden. Ringförmig angeordnete Unter-einheiten der Chaperonine bilden kleine Reaktionskam-mern, in die Substratproteine aufgenommen werden. Die Aufnahme in die Kammern erfolgt abwechselnd wie bei einem Zweitakt-Motor. Durch eine ATP-abhängige Ver-formung der Kammer kommt es zur mechanischen Ver-zerrung des eingeschlossenen Proteins. Die alternativen Strukturen wurden durch kristallographische Untersu-chungen eines Archäen-Chaperonins aufgeklärt (. Abb. 9.18b). Auf Kosten von ATP können fehlerhaft gefaltete Proteine bzw. Proteindomänen aus den oben erwähnten thermodynamischen »Fallen« befreit werden. Im Cytosol menschlicher Zellen finden sich ähnliche, aus acht ver-schiedenen Untereinheiten aufgebaute Partikel (TRiC = TCP1 ring complex).

Peptidyl-Prolyl-cis-trans-Isomerasen (PPIasen). Die mei-sten Peptidbindungen liegen zu 100% in einer gestreckten (trans)-Konformation (7 Kap. 3.3.1) vor. Eine Ausnahme machen Peptidyl-Prolyl-Peptidbindungen, die zu etwa 10% in cis-Konformation vorliegen (. Abb. 9.19). PPIasen sind ubiquitäre Enzyme, die diese Konformationen umwandeln können. Ihre Ausschaltung mittels Mutagenese zieht eine Reihe schwerwiegender Störungen nach sich. Sie besitzen jeweils eine katalytische (die PPIase) und eine regulato-rische Domäne. Die regulatorischen Domänen einiger PPIasen können kleine Signalstoffe binden und hiervon abhängig andere Proteine regulieren. Cyclophiline, die bekanntesten PPIasen, binden Cyclosporin A, das zur Im-munsuppression eingesetzt wird. Vertreter einer anderen PPIasen-Familie, die FKBPs (FK506 bindenden Pro teine) binden verschiedene Makrolid-Antibiotika. Die Cyclo-philine und die FKBPs werden als Immunophiline be-zeichnet. Den Immunophilinen gemeinsam ist ihre Fähig-keit, in Anwesenheit ihrer Liganden die als Calcineurin bezeichnete Ca2+-Calmodulin-abhängige Protein-Phos-phatase 2B (7 Kap.30.4) zu binden und zu hemmen.

Für die Immunsuppression ist die Hemmung des Cal-cineurins, nicht die der PPIase-Aktivität, entscheidend. In Lymphozyten vermittelt Calcineurin mitogene Signale, die bei einer Immunreaktion die klonale Expansion er-möglichen. So kann die Abstoßung von Transplantaten durch eine Dauerbehandlung mit Cyclosporin A verhin-dert werden, da diese Substanz an die Cyclophilindomä-nen der PPIasen bindet und über die Hemmung des Cal-cineurins eine Hemmung der Immunreaktion bedingt. Die einer dritten Familie zugehörige PPIase, Pin1, isome-risiert spezifisch Threonin-Prolin- und Serin-Prolin-Bin-dungen, jedoch nur in den Substratproteinen, in denen die dem Prolin benachbarten Reste in phosphorylierter Form vorliegen. Die Pin1 Isomerase wird für die Duplikation von Centromeren benötigt und beeinflusst das Zellwachs-tum, die Onkogenese sowie die Apoptose (7 Kap. 7.1.5).

Die Isomerase selbst wird durch Phosphorylierung und Dephosphorylierung inaktiviert bzw. aktiviert. In eosino-philen Leukozyten, die bei Asthma das pulmonale Binde-gewebe infiltrieren, ist die Pin1-Aktivität infolge einer Interaktion der Zellen mit Matrixmolekülen erhöht. Da-durch wird der exosomale Abbau spezifischer mRNAs verhindert und folglich die Synthese und Sekretion der Wachstumsfaktoren erhöht, die die inflammatorischen Zellen vor Apoptose schützen.

Chaperone finden sich vor allem im Cytosol, ER und Mitochondrien. Die kleinsten binden an die naszierenden Polypeptidketten als Erste, die großen Chaperonine wirken in späteren Stadien der Faltung und ändern die tertiäre und quartäre Struktur. Charakteristisch für das chaperoning ist eine kontinuierliche Kooperation zwischen den Faltungs-katalysatoren und mit Co-Chaperonen (. Abb. 9.18a), bei-spielsweise dem Hop (Hsp70/Hsp90 organizing protein). Dieses interagiert mit den Hitzeschock-Proteinen Hsp70 und Hsp90. Es verbindet sie, wenn das Hsp90 ATP-frei ist. Wird Hsp90 mit ATP aktiviert, so löst es sich vom dem Co-Chaperon und bindet ein anderes.

. Abb. 9.19a, b. Cis-trans-Isomerie bei Peptidyl-Prolyl-Peptid-bindungen. a Das -Kohlenstoffatom eines Prolinrests ( n) kann in Bezug auf die am -Kohlenstoffatom des auf seiner N-terminalen Seite gebundenen Aminosäurerests ( n–1) sowohl in trans – (braune gepunktete Linie) als auch in cis-Konfiguration vorliegen (Vereinfach-te Darstellung ohne H-Atome; N-Atome = lila; O-Atome = rot). b Im humanen Kathepsin D beispielsweise kommt die cis- und trans-Konfi-guration bei zwei benachbarten Prolinresten (Nr. 24 bzw. 25) vor. Der Peptidylrest wird hier durch die Aminosäuren Glycin-22 und Threonin-23 repräsentiert. In der Projektion ist die cis- am Prolin-24, und die trans-Konfiguration am Prolin-25 dargestellt. Die normale Orientie-rung der Polypeptidkette an jedem Prolin-Rest wird bei der Biosynthe-se bei einem Teil der Moleküle spontan erzeugt, bei den restlichen erfordert sie eine Isomerisierung der initial trans-konfigurierten Bin-dung. Die Prolinreste übernehmen die Funktion von molekularen Scharnieren

9.2 · Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

a

b

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304 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

9.2.2 Cotranslationaler Transport von Polypeptiden und Proteinen durch Membranen

! Zellen verfügen über Mechanismen zum cotranslatio-nalen Einbau von Proteinen in Membranen sowie zum co- und posttranslationalen Einschleusen von Protei-nen durch Membranen.

Eine beträchtliche Zahl von Proteinen muss entweder in Membranen eingebaut oder in das Lumen membranum-schlossener Organellen transportiert werden. Als Mecha-nismen stehen hierfür im Wesentlichen der cotranslatio-nale und der posttranslationale Transport zur Verfügung. Der erstere Fall ist auf den Transport in die Membranen des endoplasmatischen Retikulums oder in sein Lumen be-schränkt, der letztere Fall gilt beispielsweise für den Prote-inimport in Mitochondrien oder Peroxisomen.

Cotranslationaler Transport. Der Transport in das Lu-men des RER erfolgt cotranslational, d.h. synchron mit der Synthese. Aktuelle Befunde sprechen dafür, dass die am Ribosom wachsende Kette ohne zusätzlichen ATP-Ver-brauch in das ER-Lumen transloziert wird. Proteine, die in die ER-Membran eingebaut oder in das Lumen einge-

schleust werden, besitzen eine besondere Aminosäurese-quenz, deren Kernstück etwa 20 Reste umfasst und über-wiegend aus Aminosäuren mit hydrophoben Seitenketten besteht. Diese sog. Signalsequenz befindet sich nahe des N-Terminus und wird direkt nach dem Verlassen der groß-en ribosomalen Untereinheit von einem Ribonucleoprote-inpartikel (SRP, signal recognition particle, 7 Kap. 6.2.11) erkannt und gebunden. Dieser Vorgang und die nachfol-genden Schritte der Translokation sind in . Abb. 9.20 dar-gestellt. Das SRP bindet die Signalsequenz und das Ribo-som nahe der Austrittsstelle des Polypeptidkanals sowie am Eintrittskanal der tRNAs. Damit wird die Polypeptid-synthese abgebremst, bis es das Ribosom und das Signal-peptid über einen Rezeptor (SRP-Rezeptor, docking prote-in) an das Translocon in der ER-Membran abgibt. Dieses besteht aus drei Untereinheiten (Sec61 ), die einen Ka-nal formen. Es bildet Komplexe mit den Hilfsproteinen TRAP (translocon associated protein) und TRAM (trans-locating chain associating membrane protein) sowie Enzy-men, die die naszierende Polypeptidkette modifizieren können. Sein Innendurchmesser beträgt bis zu 15 Å. Die Fortsetzung der Proteinbiosynthese ist davon abhängig, dass die Signalsequenz vom SRP an den SRP-Rezeptor übertragen wird.

. Abb. 9.20. Synthese sekretorischer und integraler Transmem-bran-Proteine im rauen ER. Die Synthese lässt sich in folgende Schritte unterteilen. ① Sobald das Signalpeptid (SP) die große riboso-male Untereinheit verlässt, wird es von einem mit GTP aktivierten Signal-Erkennungspartikel (signal recognition particle, SRP-GTP) ge-bunden. Das SRP blockiert die Bindungsstelle von eEF-1A und die Proteinsynthese kommt zum Stillstand bis das SRP-GTP mittels eines ebenfalls mit GTP aktivierten SRP-Rezeptors (docking-protein DP-GTP) an das ER gebunden wird (② und ③). Dabei wird das Ribosom mit dem Signalpeptid über dem Translokationskanal (Translocon, Sec61p) positioniert. Das SRP und das DP aktivieren gegenseitig ihre GTPasen und verlassen ihre Bindungsstellen am Ribosom bzw. Translocon. Das Signalpeptid befindet sich nun im Translocon und die Proteinsynthese ist enthemmt. ④ Im Lumen des ER wird das naszierende Protein vom

Chaperon BiP gebunden und die Signalsequenz wird von der Signal-Peptidase (SPase) gespalten. Befinden sich in der Sequenz Glycosylie-rungssignale wird die Kette durch den Oligosaccharyltransferasekom-plex (OT) gebunden und glycosyliert. ⑤ Die Faltung wird von Calne-xin (Clx) und Calretikulin (Clr), die Bildung von Disulfidbrücken wird von der Proteindisulfidisomerase (PDI) katalysiert. Werden in dem Protein hydrophobe Transmembransegmente (grüne Linie) syntheti-siert, können diese den Translocon-Kanal seitlich verlassen. In der Lipiddoppelschicht können Transmembrandomänen aus mehreren vom Kanal abgegebenen Segmenten aufgebaut werden. Die cyto-solischen Domänen werden mit Hilfe verschiedener Hitzeschock-Proteine (Hsp40, Hsp70) gefaltet. Korrekt gefaltete, export-kompe-tente Proteine werden in COPII Vesikel (7 Kap. 6.2.4) geleitet und aus dem ER exportiert (7 Abb. 9.31)

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9305

Bei den meisten Proteinen spaltet eine spezifische Pro-teinase (Signal-Peptidase) die Signalsequenz kurz nach dem Erscheinen eines Proteinteils auf der luminalen Seite des ER ab. Die Signalsequenzen tragenden Proteine werden als Präproteine und, falls sie einer weiteren proteolytischen Reifung unterworfen sind, als Präproproteine bezeichnet. In Säugerzellen werden diese durch die Signal-Peptidase meist cotranslational in Proproteine umgewandelt. Daher können tierische Präproteine in vitro nur unter besonderen Bedingungen hergestellt werden.

Bildung von Transmembrandomänen. An der korrekten Orientierung der Signalsequenz mit ihrem N-Terminus zum Cytosol, der Integration eventueller weiterer hydropho-ber Sequenzen der neuen Polypeptidkette in die Membran einschließlich des Verlassens des Kanals durch eine Pforte zwischen den Untereinheiten des Translocons und ihrer In-korporation in die Lipiddoppelschicht sind wahrscheinlich die mit dem Translocon assoziierten Proteine beteiligt.

Die hydrophoben Transmembransegmente (TM-Seg-mente) nehmen in der Membran i.d.R. die Form einer -Helix an (7 Kap. 3.3.2). Proteine mit mehreren TM-Sequen-zen, z.B. heptahelicale Proteine wie der adrenerge 2-Re-zeptor (7 Kap. 26.3.4), werden schrittweise in die Membran integriert. Weitere Beispiele sind das Chlorid/Hydrogen-

carbonat-Kanalprotein und die »passiven« Glucosetrans-porter der GLUT-Familie mit 12 TM-Segmenten. Die mit einem einzigen TM-Segment integrierten Proteine werden als Typ I und II bezeichnet, wenn der N-Terminus luminal bzw. cytosolisch liegt. Beispiele für Typ I-TM-Proteine sind die Mannose-6-phosphat-Rezeptoren (7 Kap. 6.2.7), die Prohormon-Convertasen, verschiedene Zuckertransfera-sen im Golgi-Apparat und die HLA-I-Histokompatibili-tätsantigene.

Bakterien besitzen einen mit dem Translocon verwand-ten Komplex aus Membranproteinen (SecYEG). Mit Hilfe verschiedener Systeme können sie Proteine in den periplas-matischen Raum, die äußere Membran und ihre Umgebung oder Toxine sogar direkt in eukaryote Wirtszellen trans-portieren.

Faltung im ER. Im Lumen des ER wird die Proteinkette un-mittelbar nach dem Import von BiP, einem Hsp40-ähn-lichen Chaperon, gebunden und vor einer Verklumpung geschützt. Nach einer sequenzabhängigen Glycosylierung (7 u.) spielen zwei Lectin-artige Chaperone, Calnexin (ein Typ I TM-Protein) und Calretikulin (luminal), eine wich-tige Rolle. Sie erkennen terminale Glucosereste, halten Gly-coproteine, deren Faltung nicht abgeschlossen ist, im ER fest und fördern den Faltungsprozess (. Abb. 9.21). Nach

. Abb. 9.21. Faltung und Exportkompetenz glycosylierter Prote-ine und der HLA-I-Komplexe im ER. Glycoproteine (GP) werden im nicht-gefalteten Zustand (uGP) mit UDP-Glucose (Glc) glucosyliert und von den Lectinen Calnexin (Clx) und Calretikulin (Clr) im ER fest-gehalten. ① Gelungene Faltung: Es kommt zu permanenter Degluco-sylierung. Das normal gefaltete Glycoprotein (GP) wird nicht mehr gebunden und kann zum ERGIC-53 (ER-Golgi intermediate compart-ment-53) transportiert werden. ②–⑥ Misslungene Faltung: ② Retro-translokation: Nicht-gefaltete Glycoproteine werden mit Hilfe der cytosolisch lokalisierten AAA-ATPase p97 durch das Translocon oder einen ähnlichen Membran-Kanal ins Cytosol transportiert. ③ Nach Polyubiquitinierung werden diese wie cytosolische Proteine in Pro-teasomen hydrolysiert. ④ Die gebildeten Peptide werden mehrheit-

lich zu Aminosäuren abgebaut. ⑤ Ein Teil wird jedoch durch den Tap1/Tap2-ABC-Transporter in das ER transportiert. ⑥ Die HLA-I-Moleküle werden im ER unter Hsp70-Hitzeschock-Protein BiP-, Calne-xin (Clx)- und Calretikulin (Clr)-Assistenz gefaltet, mit β2-Mikroglobulin (β2) heterooligomerisiert. An der Beladung mit passenden Peptiden sind das Transmembranprotein Tapasin sowie Calretikulin und eine Proteindisulfidisomerase (ERp57) beteiligt. Nach einer Beladung mit einem hochaffinen Peptid wird das HLA-I definitiv deglucosyliert und dadurch transportkompetent. ⑦ Das transportkompetente HLA-I und andere Glycoproteine werden durch das Lectin ERGIC-53 in COPII Vesikel (7 Kap. 6.2.4) geleitet. Diese verlassen das ER in Richtung ERGIC-Kompartiment

9.2 · Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

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306 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

Entfernung des terminalen Glucoserests durch die Gluco-sidasen I und II können Glycoproteine mit mannosereichen Seitenketten in COPII Vesikel verpackt und zum ERGIC (ER -Golgi intermediary compartment, 7 Kap. 6.2.2) trans-portiert werden. Daran beteiligt ist das zwischen ER und Golgi rezyklierende Lectin ERGIC-53, das deglucosylierte mannosereiche Oligosaccharid-Seitenketten von Glyco-proteinen bindet. Eventuelle Faltungsdefizite können von einer spezifischen Glucosyltransferase erkannt werden, die eine Reglucosylierung katalysiert. Dadurch kann der Auf-enthalt im ER und folglich der Faltungsprozess verlängert werden. Den Oligosaccharidseitenketten wird eine intra-molekulare Co-Chaperon-Funktion zugeschrieben. Muta-tionen eines Glycosylierungssignals führen häufig zu man-gelhafter Faltung und Abbau des Proteins. Störungen der Faltung durch Mutationen und ausbleibende Glycosylie-rung lösen Aggregatbildung und Aktivitätsmangel aus.

Disulfidbrücken. Proteine, die nicht im Cytosol, sondern z.B. im endoplasmatischen Retikulum, an der Plasmamem-bran und in Sekreten sowie im Intermembranraum der Mitochondrien vorkommen, enthalten häufig Disulfidbrü-cken. Diese werden durch Oxidation zweier Cysteinseiten-ketten gebildet und stabilisieren die Tertiärstruktur (7 Kap. 3.3.3). Die verhältnismäßig schnelle Faltung und Oxidation in vivo im ER wird durch etwa ein Dutzend Pro-teindisulfidisomerasen unterstützt, deren aktive Zentren sich in sog. Thioredoxindomänen befinden. Die Zentren beinhalten jeweils ein Paar Cysteinreste in einem konser-vierten Sequenzmotiv (Cys-Xaa-Xaa-Cys), in dem sich in den zwei mittleren Positionen zwei beliebige Aminosäure-reste befinden können. Die wichtigste Proteindisulfidiso-merase (PDI) kann4 Thiole anderer Proteine oxidieren sowie4 Disulfide isomerisieren

Diese PDI besteht aus vier sog. Thioredoxindomänen, wo-bei die erste zur Oxidation und Isomerisierung der Thiole bzw. Disulfide und die vierte nur zur Isomerisierung befä-higt ist. Die mittleren Domänen der PDI sind nicht enzy-matisch aktiv. Die erste Domäne kann abwechselnd von einer FAD – abhängigen ER-Oxidase (ERO-1L) oxidiert werden und Thiolpaare anderer Proteine oxidieren (. Abb. 9.22, Schritte ① und ②). Eine Disulfidisomerisierung kön-nen beide Domänen katalysieren, wenn ihre Cysteinreste reduziert sind. Dabei wird eine Disulfidbrücke im Substrat-protein von einer dissoziierten Thiolgruppe (Thiolat) einer Thioredoxindomäne angegriffen (. Abb. 9.22, Schritt ③). Es entsteht zunächst ein gemischtes Disulfid sowie je eine Thiolgruppe am Enzym und am Substrat. Letztere kann in dissoziertem Zustand eine weitere Cystinbrücke angreifen und folglich eine neue Brücke erzeugen. In der reduzierten Form kann praktisch jede Thioredoxindomänen-Protein-disulfidisomerase falsch geknüpfte Disulfidbrücken auflö-sen, und die Bildung neuer Kombina tionen von Cystein-

brücken ermöglichen. Da diese Reaktionen reversibel sind, können nacheinander mehrere Brücken aufgelöst und ge-schlossen werden, bis die stabilste und thermodynamisch günstigste 3D-Struktur mit der dazugehörenden Kombina-tion von Cystinbrücken entsteht.

9.2.3 Posttranslationaler Transport von Polypeptiden und Proteinen durch Membranen

! Mitochondriale Proteine werden ungefaltet von den Ribosomen in die Mitochondrien transportiert und erlangen erst dort ihre endgültige Struktur.

Mitochondriale Proteine. Von den über 1000 mitochondri-alen Proteinen werden die meisten von den cytosolischen

. Abb. 9.22. Oxidation von Cysteinseitenketten zu Disulfiden und Reorganisierung der Proteindomänen durch Isomerisierung der Disulfidbrücken. ① Im ER liegen die Thiole neu synthetisierter Proteine partiell deprotoniert als Thiolate vor. Diese können die Disul-fide der residenten Enzyme, z.B. der Proteindisulfidisomerase (PDI), attackieren. Der rote Pfeil symbolisiert den nucleophilen Angriff durch das Thiolat. Dadurch wird ein gemischtes Disulfid gebildet. ② Wenn das Enzym auch an einem zweiten Cysteinrest reduziert wird, entsteht in dem neu synthetisierten Protein eine Disulfidbrücke. (Stern) Das Gleichgewicht zwischen der anfangs oxidierten und der nach dem Austausch reduzierten Form der PDI kann durch Reoxidation mittels eines durch Sauerstoff oxidierbaren Flavoproteins (ERO-1L) wieder hergestellt werden. ③ Sofern zugänglich werden die Disulfidbrücken der oxidierten Proteine durch Thiolate der reduzierten Form der PDI angegriffen und es werden neue gemischte Disulfide gebildet. ④ Das dabei entstandene interne Thiolat kann mit einer benachbarten Disulfidbrücke reagieren und die Isomerisierung einleiten. ⑤ Falls dies zu einer stabileren Struktur führt, kann die PDI durch das zuletzt entstandene Thiolat abgelöst werden

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9307

Polysomen synthetisiert. Matrixproteine werden als Vor-läufer synthetisiert, die ein N-terminales basisches mito-chondriales Lokalisierungssignal besitzen.

Auch die Membranproteine, deren Lokalisierungssi-gnale noch nicht bekannt sind, müssen für den Transport in nicht gefalteter Form bereitgestellt werden. Dies wird durch Bindung an cytosolische heat shock-Proteine sicher-gestellt. Der Transport vom Cytosol in den Matrixraum erfolgt durch Porenkomplexe der mitochondrialen Außen- und Innenmembran, die einen sequentiellen Transport ei-ner Polypeptidkette durch beide Membranen ermöglichen und als TOM und TIM (transport complex of the outer bzw. inner membrane) bezeichnet werden (. Abb. 9.23 a). Im Matrixraum kommt es zur Abspaltung der Signalsequenz durch die mitochondriale »prozessierende« Metallopro-teinase MPP und zu einer Chaperon (Hsp10 und Hsp60)-assistierten Faltung. Die TOM-Translocase wird für den Transport aller mitochondrialen Proteine benötigt. Mit dem SAM-Komplex sorgt sie für den Import bzw. die As-semblierung der Proteine der äußeren Membran, darunter der -barrel Proteine (7 Kap. 6.1.2). Es ist bemerkenswert, dass die kanalartigen Untereinheiten der TOM-, SAM- und TIM-Komplexe, die eine den bakteriellen Porinen ver-wandte -barrel-Struktur aufweisen, an ihrer eigenen Her-stellung beteiligt sind. Die Transportproteine der inneren Membran besitzen jeweils 6 -helicale Transmembranseg-mente. Die von TOM importierten Membranproteine wer-den durch kleine Tim-Proteine übernommen und zu den TIM- und SAM-Komplexen begleitet, die für ihren Einbau in die Innen- bzw. Außenmembran zuständig sind. Das Tim9·10 ist ein körbchenartiges oligomeres Protein (. Abb. 9.23b), das die importierten, nicht vollständig gefalteten Proteine domänenweise bindet und den Einbau der Domä-nen in die Membran unterstützt.

! Der Import peroxisomaler Proteine erfolgt nach ihrer Faltung.

Peroxisomale Transportsignale (PTS). Das PTS1 ist C-ter-minal lokalisiert und besteht aus nur drei Aminosäuren: Serinyl-Lysyl-Leucin (Konsensus S/A-K/R-L/M). Ein an-deres peroxisomales targeting-Signal, PTS2, ist eine N-ter-minal lokalisierte basisch-amphipatische Sequenz. Die cy-tosolischen Rezeptorproteine Pex5p und Pex7p binden die PTS-Signale und vermitteln ihren Transport über den mem-branständigen PEX-Importkomplex, an den sie binden und ihre Fracht abgeben können. Das Importsystem koope-riert mit AAA-ATPasen (7 Kap. 6.1.5) und ist auch am Ein-bau peroxisomaler integraler Membranproteine beteiligt. Bekannt sind 32 am Import und am Einbau in die Membran beteiligte, als Peroxine bezeichnete Proteine. Zwei der Per-oxine. Pex3 und Pex19, scheinen an der Knospung der per-oxisomalen Membran vom ER beteiligt zu sein. Unter den importierten peroxisomalen Matrixproteinen finden sich die am Abbau von Glycin beteiligten D-Aminosäureoxidase und Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase.

In der Membran dieser Organellen kommen neben dem erwähnten PEX-Komplex mehrere Transportproteine vor. Ihre Aufgabe ist der Transport aktivierter Fettsäuren sowie anderer Substrate und Produkte des peroxisomalen Stoffwechsels. In die Membran wird z.B. der ABC-Trans-porter D1 eingebaut, der für den Transport besonders lan-ger Fettsäuren zuständig ist. Diese Fettsäuren werden vor dem weiteren Abbau in Mitochondrien in Peroxisomen verkürzt.

9.2.4 Covalente Modifikationen von Proteinen

Während der Biosynthese stattfindende Proteinmodifikati-onen werden als cotranslational, spätere als posttransla-tional bezeichnet. Sind diese Veränderungen physiologi-scherweise reversibel, nennt man sie auch als Interkonver-sion oder Interkonvertierung. Interkonversionen dienen regulatorischen Zwecken und werden in Zusammenhang mit dem jeweiligen Stoffwechsel erörtert.

! Prä- und Präpro-Proteine werden proteinolytisch zu reifen Proteinen umgesetzt.

Eine weitere Modifikation ist die limitierte Proteinolyse. Diese führt zum Anstieg oder Verlust der enzymatischen Aktivität, der Ligandenbindung-, Stabilität oder Mobilität (7 Kap. 9.3).

Abspaltung des Signalpeptids. In sekretorischen und Membranproteinen kommen N-terminale Signal-sequenzen vor, die diese Proteine ins ER lotsen und nach dem Import durch eine Signal-Peptidase abgespalten wer-den (. Abb. 9.20). In der mitochondrialen Matrix wird diese Aufgabe von der Metalloproteinase MPP (7 o.) über-nommen.

Aktivierung. Manche Enzyme, z.B. lysosomale Kathepsine und verschiedene Verdauungsenzyme, werden als inaktive Vorläufer, sog. Proenzyme, synthetisiert. Das Prokathepsin D wird wie Pepsinogen in saurem Milieu durch Abspaltung einer N-terminalen Prosequenz aktiviert. Die Prosequenz liegt in gefalteter Form vor, und blockiert die Substrat-bindungsstelle des aktiven Zentrums. Nach Ansäuerung kommt es zur Protonierung schwach saurer Gruppen und Auflockerung der Kontakte zwischen der Prosequenz und dem Enzym. Auf diese Weise erfolgt eine Teilaktivierung des Prokathepsin D. Dieses kann im Weiteren autokataly-tisch oder von anderen Proteinasen gespalten werden. Die Expression einer Kathepsin D-cDNA mit deletierter Prose-quenz führt zur Synthese eines inaktiven fehlerhaft gefal-teten Proteins. Dieser Befund deutet an, dass diese Prose-quenz an der Proteinfaltung beteiligt ist und die Eigen-schaften eines intramolekularen Chaperons haben könnte. Weitere Beispiele einer Aktivierung durch limitierte Prote-

9.2 · Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

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308 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

. Abb. 9.23a, b. Import von im Cytosol synthetisierten Proteinen in die Mitochondrien. a Für den Import sowie den Einbau in die mitochondriale Außen- und Innenmembran (AM bzw. IM) sind je zwei große Komplexe zuständig: Der Außenmembran-Transporter TOM und die Sortierungs- und Assemblierungsmaschine SAM sowie TIM23. Sie enthalten jeweils ein bis zwei Kanäle, die aus -barrel-Untereinhei-ten bestehen. Die mitochondrialen Matrixproteine werden vom TOM direkt an den TIM23 abgegeben. Der mit TIM23 assoziierte PAM-Kom-plex enthält das mitochondriale ATP-abhängige Chaperon Hsp70, das die Faltung katalysiert. Die Proteine der mitochondrialen Außen- bzw. Innenmembran werden durch kleinere Chaperonproteine (Tims) zu den SAM- und TIM22-Komplexen begleitet. Durch diese molekularen Maschinen werden u.a. die Porin-ähnlichen -barrel-Proteine der AM (rot) und die hexahelicalen Transporter der IM (blaugrün), z.B. die Adenylattranslocase und die Thermogenine, gebildet. Letztere enthal-ten drei homologe Paare von -Helices, die eine Pore umschließen (das Molekül ist übersichtlichkeitshalber je zur Hälfte grün und blau dargestellt). TOM = translocase of the outer membrane, TIM = trans-

locase of the inner membrane, PAM = presequence translocase-asso-ciated motor, SAM = sorting and assembling machinery, MPP = mito-chondrial processing peptidase. b Molekulare Architektur der kleinen Tim9 10-Translokase. Dieser Komplex ist hohl (s. Aufsicht auf der linken Seite im Bild). Er besteht aus drei Paaren von Tim9 und Tim10 Unterein-heiten, die eine -Propeller-Domäne bilden. Jede Untereinheit be-steht aus zwei -Helices und einer Verbindungsschleife. Jede Helix enthält ein Cystein-Zwillingsmotiv, das über Disulfidbrücken (gelb-grün) die zwei Helices einer Untereinheit räumlich fixiert. Die Unter-einheiten bilden einen doppelten Ring. Sie interagieren über hydro-phobe Seitenketten und aus Lysin- und Glutaminsäureresten beste-hende Ionenpaare. Im rechten Teil der Abbildung wird die in der Nachbarschaft eines oxidierten Cysteinrests (schwarzer Stern) von der C-terminalen Helix der Tim9-Untereinheit gebildete ionische Brücke zu Lysin-57 der C-terminalen Helix von Tim10 gezeigt. (Aufnahmen: Nils Wiedemann und Nikolaus Pfanner (a) Chaille T. Webb und Jac-queline M. Gulbis (b))

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9309

inolyse finden sich in der Gerinnungskaskade und dem Komplementsystem. (7 Kap. 29.5.3, 34.4)

Hormonreifung. Peptidhormone, z.B. Insulin, werden durch limitierte Proteinolyse aus Prohormonen gebildet. I.d.R. werden Vorläuferformen von Polypeptidhormonen nach Entfernung der Signal-Sequenz in Sekretionsvesikeln, deren Exozytose regulierbar ist, gespeichert. Während und nach der Segregation von anderen Proteinen im trans-Gol-gi-Apparat kommen sie mit Proteinasen in Kontakt (Pro-hormon-Convertasen, z.B. PC1, Furin). Diese Enzyme erkennen kurze Signale mit basischen Aminosäuren (als Konsensus zwei Lysin- oder Argininreste, zwischen denen 0, 2, 4, oder 6 andere Reste vorkommen können) und spal-ten die Prohormone in charakteristische Fragmente. Das Proinsulin wird in -Zellen durch PC2, eine lösliche Pro-hormon-Convertase, die im trans-Golgi aktiviert und zu-sammen mit dem Prohormon in Vesikel des regulierten sekretorischen Wegs verpackt wird, zu Insulin umgewan-delt (7 Kap. 26.1). Verschiedene Areale des Hypophysen-vorderlappens enthalten unterschiedliche Convertasen. Dies erklärt die lokalen Unterschiede im Spaltungsmuster des Prohormons Proopiomelanocortin. Einige Converta-sen wirken ausschließlich in den Vesikeln des regulierten, andere auch im TGN und in Vesikeln des constitutiven sekretorischen Wegs (7 Kap. 6.2.4).

Entfernung bzw. Addition terminaler Aminosäuren. Ami-nopeptidasen oder Carboxypeptidasen und Transferasen können eine oder mehrere Aminosäuren entfernen bzw. anheften. Die Präsenz bestimmter Aminosäuren am N-Ter-minus von Proteinen entscheidet über die Geschwindigkeit ihres Abbaus (7 Kap. 9.3.5).

C-terminale Amidbildung. Ein bifunktionelles Enzym, das eine Peptidylglycin-Monooxygenase-Aktivität besitzt, hydroxyliert bestimmte interne Glycinreste und spaltet den Hydroxyglycinrest. Das -Stickstoffatom verbleibt als Ami-dogruppe am Carboxylende des N-terminalen Fragments. Auf diese Weise wird das TRH (pyro-Glutamyl-Histidyl-Prolinamid) gebildet.

Pyroglutamatreste. N-terminale Glutaminylreste können unter Freisetzung von Ammoniak von einer Glutaminylcy-clase zu sog. Pyroglutamatresten umgewandelt werden. Durch diese seltene Reaktion werden einige releasing Hor-mone (z.B. TRH) und Immunglobuline modifiziert. Bei der Hormonsynthese kommt es zu einer intramolekularen Transamidierung, bei der das Amid der Seitenkette eines N-terminalen Glutaminylrests gelöst und seine Carbonyl-gruppe auf die -Aminogruppe des gleichen Rests übertra-gen wird.

Proteinspleißen. In seltenen Fällen kommt es zu einem au-tokatalytischen intramolekularen Peptidyltransfer. Dabei

wird ein mittleres Segment der Polypeptidkette, das als Intein bezeichnet wird, herausgespalten, während die ter-minalen Segmente, Exteine, miteinander verschmelzen (. Abb. 9.24). In Antigen-präsentierenden Zellen wurde ein Spleißen von Peptidfragmenten in Proteasomen (7 Kap. 9.3.4) beobachtet. Ein Peptidylrest kann von dem Katalyseintermediat (Peptidyl-Enzym) auf die Aminogrup-pe eines vorher freigesetzten Peptids übertragen werden. Dabei wird ein neues immunogenes Peptid gebildet.

Isopeptidylkopplung. Mehrere Proteine, Ubiquitin, small ubiquitin-like modifier SUMO und ähnliche kleine Proteine werden zur Markierung anderer Proteine mittels Isopep-tidbindungen benutzt. Auf unterschiedliche Weise greifen sowohl das Ubiqutin, als auch das SUMO-Protein in wich-tige und eventuell existentielle Vorgänge der zellulären Ent-wicklung ein:4 Ubiquitin ist ein ubiquitär vorkommendes kleines Pro-

tein (. Abb. 9.1, Nr. 7), dessen Bedeutung für die zellu-läre Physiologie durch seine bei Mensch, Frosch,

. Abb. 9.24. Autokatalytische Reifung selbstspleißender Pro-teine. Die Übertragung des N-terminalen auf das C-terminale (Extein-) Peptid erfolgt über ein Thioesterintermediat. Nach einem Thioester-transfer befindet sich das N- in der Nähe des C-Exteins. Die Carboxyl-gruppe des Thioesters wird von dem N-terminalen Stickstoffatom des C-Exteins angegriffen. Folge ist die Erzeugung einer Peptidbindung zwischen beiden Exteinen sowie die Freisetzung des Inteins

9.2 · Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

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310 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

Fruchtfliege und Hefe stark konservierte Sequenz un-terstrichen wird. Mittels Lysin-48 und -63 geknüpfter Polyubiquitin-Ketten ist es an Regulation der Proteino-lyse (7 Kap. 9.3.5) bzw. DNA-Reparatur und Transkrip-tion beteiligt.

4 SUMO-Proteine werden an Seitenketten anderer Prote-ine ähnlich wie das Ubiquitin über Isopeptidbindungen gekoppelt. Alle Sumoylierungen und Polysumoylie-rungen gelten als Interkonversion, weil sie reversibel sind. Chromatin-Organisation, DNA-Reparatur (p53) und Zellzyklus-Steuerung gehören zu den wichtigsten durch Sumoylierung gesteuerten Prozessen

Vernetzung von Polypeptidketten. Im extrazellulären Raum können supramolekulare Komplexe mit Hilfe einer Transglutaminase gebildet werden. An der Transglutami-nasereaktion sind Seitenketten von Glutamin- und Lysin-resten beteiligt. Unter Abspaltung von Ammoniak entste-hen Isopeptidbindungen. Eine weitere Vernetzungsmög-lichkeit besteht in einer oxidativen Desaminierung von Lysinseitenketten, bei der Aldehydgruppen gebildet wer-den. Diese werden mit Lysinresten benachbarter Polypep-tide kondensiert. Im Elastin und an den Tripelhelices des Kollagens werden auf diese Weise durch eine Lysyloxidase einige Lysinseitenketten zu Allysin oxidiert. Anschließend werden die Allysinreste mit Aminogruppen gegenüberlie-gender Lysinreste vernetzt (7 Kap. 24.2.1, 24.3).

Peptidylcholesterin. Das an der embryonalen Entwicklung beteiligte sezernierte Signalmolekül hedgehog-Protein ist wie die Inteine zu einer autokatalytischen Modifikation be-fähigt. Die kleinere autokatalytische Domäne liegt C-termi-nal und beginnt mit einem Cysteinrest. Dessen Thiolat-gruppe greift die Carbonylgruppe der vorhergehenden Peptidbindung an und wird mit dem größeren N-termi-nalen Proteinteil verestert. Vom Thioester wird dieser Pro-teinteil auf Cholesterin übertragen. Dabei wird die C-ter-minale autokatalytische Domäne frei. Am N-Terminus kommt es zu einer Palmitoylierung. Das modifizierte Pro-tein findet sich bevorzugt in lipid rafts und wird unter Ein-wirkung des dispatched-Proteins sezerniert. Das freigesetz-te hedgehog-Protein moduliert die Genexpression entfernter Zellen. Im embryonalen Gewebe steuert es die Musterbil-dung (die Nomenklatur der erwähnten Proteine bezieht sich auf die Fruchtfliege; beim Menschen gibt es homologe Genprodukte mit vergleichbaren Aufgaben).

! Covalent gebundene Fettsäuren, Glycosylphosphatidy-linositol, Prenylreste und im Einzelfall Cholesterin kön-nen zur Verankerung von Proteinen in Membranen genutzt werden.

Membran-Anker. Weitere Möglichkeiten Proteine an die cytosolische oder extrazelluläre Seite der Plasmamembran zu binden bestehen in Modifikationen von Seitenketten mit lipidartigen Membran-Ankern. Zur Verankerung werden

verschiedene Kombinationen von Prenyl- und gesättigten Acylresten sowie glycosylierte Phosphatidylinositolderivate verwendet.

Acylierungen. Die N-terminale Aminosäure der meisten cytosolischen Proteine wird cotranslational acetyliert. In ausgewählten Proteinen können die –Aminogruppe eines Glycinrests oder Thiolgruppen benachbarter Cystein-reste mit Myristin- (14 C-Atome) bzw. Palmitinsäure (16 C-Atome) modifiziert werden (. Abb. 9.25). Die entspre-chenden Transferasen sind im ERGIC- und Golgi-Kompar-timenten (7 Kap. 6.2.2) lokalisiert und nutzen die CoA-De-rivate der Fettsäuren als Substrate. Dabei erstaunt, dass diese Enzyme die sehr ähnlichen Myristoyl-CoA und Pal-mitoyl-CoA voneinander unterscheiden können.4 Eine besondere Abfolge von Aminosäuren am N-Ter-

minus (Met-Gly-X-X-X-Ser/Thr) führt zu N-termi-naler Myristoylierung. Neusynthetisierte Proteine im Cytosol mit dieser Sequenz werden cotranslational von einer Methionin-Aminopeptidase hydrolysiert und an der -Aminogruppe des Glycins myristoyliert

4 In einigen Proteinen kann der Myristoylrest exponiert oder »versteckt« werden. Durch eine Regulation der Konformation ändert sich die Tendenz zur Assoziation mit der Plasmamembran. Beispielsweise funktioniert das Arf-Protein (ADP-Ribosylierungsfaktor, 7 Kap. 6.2.4), das die Bildung von intrazellulären Transportve-sikeln reguliert, wie ein Myristoylschalter: Der Myri-stoylrest wird durch Erhöhung der Ca2+-Konzentration aus dem Inneren des Moleküls nach außen verlagert. Anschließend kann das Protein an eine Membran ge-bunden werden

4 Zu den myristoylierten Proteinen zählt man die meisten -Untereinheiten von G-Proteinen, Onkogene der src-

Familie, die für die Reifung von Lentiviruspartikeln (einschließlich HIV-I) benötigten gag-Proteine und die an der Regulation der Durchblutung beteiligte endothe-liale NO-Synthase (eNOS)

4 Die meisten myristoylierten Proteine können durch Acylierung bestimmter Cysteinreste zusätzlich palmi-toyliert werden. Erst eine Modifikation mit zwei lipo-philen Resten führt zu einer festen Verankerung in den intrazellulären Membranen. Die Palmitoylierung ist ein Beispiel für eine Interkonversion. An der Plasmamem-bran können die Proteine depalmitoyliert und in das Cytosol freigesetzt werden

4 Die Acylierung mit gesättigen Fettsäuren begünstigt eine Verankerung der Proteine in spezifischen »Floß-bereichen« (rafts) der Plasmamembran (7 Kap. 2.2.6, 6.2.5)

Prenylierungen. Unter Prenylierung versteht man die Anheftung von Farnesyl- und Geranylgeranylresten (7 Kap. 6.2.4, 18.3.1) an Proteine. Prenyliert werden ver-schiedene Ras-Onkoproteine, die meisten -Untereinheiten

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9311

der G-Proteine, eine Reihe von Proteinkinasen, die in der Kernmembran verankerten Lamine sowie die am vesiku-lären Transport beteiligten Rab-Proteine. Verschiedene Bei-spiele einer stabilen Membranverankerung werden in . Abb. 9.25 dargestellt. Farnesyl- und Geranylgeranyltransferasen erkennen cysteinhaltige C-terminale Sequenzen. Variatio-nen eines Sequenzkonsensus CAAX am C-Terminus bilden Signale für einfache Geranylgeranyl- und Farnesylierungen. Die dem Cystein (C) benachbarten Aminosäuren müssen hydrophobe (A) bzw. neutrale (X) Seitenketten tragen, von denen letztere die Art des Prenylrests bestimmen. Eine am ER lokalisierte Proteinase kann nach erfolgtem Transfer das Tripeptid AAX abspalten, wonach i.d.R. die Carboxylgrup-pe des verkürzten Terminus methyliert wird.

Zur Geranylgeranylierung von Rab-Proteinen wird ein Rab-eskortierendes Protein benötigt, das die neusyntheti-sierten und die von Membranen abgelösten Rab-GDP-Komplexe (7 Kap. 6.2.4) bindet. Zweifach geranylgerany-lierte Rabs können von GEF-Proteinen zum Binden von GTP, Ablösen des Eskortproteins und Einbau in einen knospenden Membranbereich angeregt werden.

Das H-Ras-Proto-Onkoprotein wird in zwei Schritten modifiziert:4 durch eine cytosolische Transferase farnesyliert und4 durch eine andere an benachbarten Cysteinresten pal-

mitoyliert

Dadurch erlangen die Membrananker des H-Ras-Onko-protein (. Abb. 9.25c) einen stark hydrophoben Charakter. Dies führt zu einer deutlichen Verlagerung des modifi-zierten Proteins in die Plasmamembran (von ca. 10% auf >90%). Sowohl die Lokalisation als auch die Aktivität des doppelt modifizierten H-Ras werden durch Ein- und Ab-bau der Palmitoylreste reguliert. Die Palmitoylreste ermög-lichen eine Anreicherung von H-Ras in lipid raft-Bereichen (7 Kap. 2.2.6, 6.1.2) der Plasmamembran.

Die Farnesylierung wird für die Aktivierung aller drei bekannten Ras-Onkoproteine benötigt. Daher sind Hemm-stoffe der Farnesyltransferasen und der AAX-Proteinase medizinisch interessant.

Glycosylphosphatidylinositolanker (GPI-Anker). Eine sta-bile Verankerung in dem Außenblatt der Plasmamembran besteht aus einem acylierten und mannosylierten Phosha-tidylinositolrest.

Die Phosphatidylinositol-verankerten Proteine werden als Vorläufer mit einer C-terminalen Signalsequenz synthe-tisiert, die u.a. zwei kleine und mehrere hydrophobe Ami-nosäurereste beinhaltet (. Abb. 9.26). Im Lumen des ER wird dieses Signal von einer Transamidase erkannt, die die Peptidbindung zwischen den kleinen Resten, die sog. -Stelle, einerseits und ein aus der Membran ragendes Glyco-sylphosphatidylinositol andererseits umsetzt. Das hydro-phobe zur -Stelle C-terminal (distal) gelegene Peptid wird frei, während die Aminogruppe des Anker-Lipids (7 Kap.

. Abb. 9.25a–d. Verankerung von Proteinen in der Plasmamem-bran mit Beteiligung von Prenylresten. Durch die covalente Anhef-tung von Farnesyl- und Geranylgeranylgruppen an Cysteinylreste erhalten Proteine große hydrophobe Seitenketten, deren Verankerung in der Membran moduliert und durch Protein-Acylierungen unter-stützt werden kann. a In den heterotrimeren G-Proteinen ( , , ) sind die -Untereinheiten meistens N-terminal myristoyliert (alternativ an einem Cysteinrest palmitoyliert), während die -Untereinheiten über-wiegend C-terminal geranylgeranyliert sind. Im Transducin ist der C-terminale Cysteinrest farnesyliert und an der Carboxylgruppe methy-liert. b Beispiel eines Rab-Proteins. Diese Proteine regulieren den vesikulären Transport. Sie tragen Geranylgeranylreste am C-termina-len und dem nächsten oder übernächsten Cysteinrest. c Das C-termi-nal farnesylierte H-Ras-Onkogen muss palmitoyliert werden, um fest an die Plasmamembran zu binden. d Im K-Ras-4B-Onkogen ist die Bindung an die Plasmamembran von der Interaktion der terminalen Lysin-reichen Sequenz mit negativ beladenen Phospholipiden abhän-gig. Nach Phosphorylierung der Serin- und Threonin-Reste wird das Protein von der Plasmamembran abgelöst, da die vom Farnesylrest vermittelte Interaktion mit der Membran für die Bindung nicht aus-reicht

9.2 · Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

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312 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

92.2.3) auf die C-terminale Carbonylgruppe des großen Pro-teinfragments übertragen wird.

In der Plasmamembran werden die auf diese Weise ver-ankerten Proteine überwiegend in den Cholesterin-rei-chen Mikrodomänen (lipid rafts) gesammelt.

Die Verankerung mit Phosphatidylinositol ist für die dimere erythrozytäre Form der Acetylcholinesterase, für die alkalische Phosphatase und für zwei in den Erythro-zyten zum Schutz vor spontaner Aktivierung des Komple-ments benötigten complement decay accelerator-Proteine charakteristisch (7 Kap. 29.2.1, 34.4).

Modifikation mit prosthetischen Gruppen und Cofak-toren. Covalente Verbindungen dieser Art gibt es in einigen Holoenzymen, z.B. in den Phosphorylasen (7 Kap. 11.2) und -Ketosäuredehydrogenasen, in deren aktiven Zentren Pyridoxalphosphat- bzw. Lipoylreste mit Lysinseitenketten verbunden sind.4 In einigen Hämoproteinen ist die Hämgruppe mit

dem Protein covalent verbunden. Im Cytochrom c (7 Kap. 15.1.1) bestehen zwei Thioätherbindungen zwi-schen dem Häm- und dem Globinteil

4 Apocarboxylasen werden über bestimmte Lysinreste covalent mit Biotin verbunden, wodurch Holocarboxy-lasen entstehen. Die Amidbindung zwischen den En-zymen und dem Coenzym wird durch die Holocarbo-xylase-Synthetase katalysiert. Das nach dem Abbau der Biotinenzyme gebildete Biotinyllysin, das Biocytin, wird durch eine Biotinidase gespalten. Auf diese Weise wird das Biotin für den Stoffwechsel wieder verfügbar. Defekte der Holocarboxylase-Synthetase und der Bioti-

nidase verursachen eine Ketolactat-Azidose und orga-nische Acidurie, die sehr häufig von einer Hyperammo-nämie und Hyperventilation begleitet wird

γ-Carboxylierung. Bestimmte Glutamylseitenketten der Blutgerinnungsfaktoren II, VII, IX und X und des an der Mineralisierung beteiligten Osteocalcins werden im Golgi-Apparat Vitamin K-abhängig carboxyliert (7 Kap. 23.2.4). Über die -Carboxyglutamylreste und Calcium-Ionen werden die modifizierten Proteine an Membran-Phospho-lipide gebunden.

Methylierung. In Muskelzellen wird Aktin am Histidin-73 posttranslational methyliert (7 Kap. 30.2). Diese Methylie-rung scheint für den optimalen Ablauf der ATP-abhängigen Polymerisierung des G-Aktin von Bedeutung zu sein. Das aus dem Abbau des Muskelproteins stammende 3-Methyl-histidin wird mit dem Urin ausgeschieden. Demzufolge kann durch Bestimmung des Methylhistidinspiegels im Urin der Proteinumsatz der Muskulatur überprüft werden. Ein Anstieg deutet auf eine Erhöhung des katabolen Stoff-wechsels in diesem Organ hin.

Glycosylierungen. Glycosylierungen finden im ER, Golgi-Apparat und Cytosol statt. Der Verknüpfungsart entspre-chend lassen sich N- und O-glycosidische Modifikationen unterscheiden, die an den Seitenketten des Asparagins bzw. verschiedener hydroxylierter Aminosäuren erfolgen kön-nen. Donatoren der Zucker bei diesen Modifikationen sind Zuckernucleotide und Dolicholpyrophosphoryloligo-saccharide. Am häufigsten findet sich in Glycoproteinen die N-glycosidische Verknüpfung (. Abb. 9.20, 7 Kap. 17.3.2).4 Die im RER hergestellten sekretorischen und Membra-

nproteine werden i.d.R. N-glycosyliert. Eine promi-nente Ausnahme ist das unglycosylierte Serumalbumin. Die Synthese der N-glycosidisch verknüpften Oligosac-charide und deren Modifikationen im Golgi-Apparat werden im 7 Kapitel 17.3.2 beschrieben. Die Oligosac-charidseitenketten tragen zur Stabilisierung der Ober-fläche, Faltung und Faltungskontrolle der Proteine bei (7 o.)

4 Die im ER gebildeten O-glycosidischen Verknüpfungen kommen meistens an Serin- und Threoninseitenketten vor. Diese Verknüpfungsart ist für die langen Glycosa-minoglykanketten der Proteoglykane (7 Kap. 17.3.5) charakteristisch. Als Signale für diese Modifikationen dienen kurze Glycin-/Serin-reiche Sequenzen. In Mu-cinen (7 Kap. 32.1) und zahlreichen Glycoproteinen kommen kürzere O-glycosidisch gebundene Oligosac-charide vor. Im Kollagen wird Hydroxylysin glycosy-liert (7 Kap. 24.2)

4 Glycosylierungen von neu synthetisierten Proteinen sind auch im Cytosol möglich. Im Glycogenin (7 Kap. 11.2.1) wird ein Tyrosinrest glucosyliert, bevor die

. Abb. 9.26. Bildung eines C-terminalen Glycosyl-Phosphatidyl-Inositol-Membranankers. Das Substratprotein wird cotranslational in das Lumen des rauen ER transloziert. Der N-terminale Bereich be findet sich in einem von Chaperonen unterstützten Faltungsstadi-um. Ein nahe des C-Terminus befindlichen Sequenzsignal der Amino-säurekette um die zu modifizierende -Peptidbindung sowie ein Glycosyl-Phosphatidyl-Inositol-Molekül (GPI) werden von zwei Arealen des aktiven Zentrums der Transpeptidase gebunden. Das in einer Ethanolamingruppe des GPI vorliegende nucleophile Stickstoffatom wird in die Nähe des elektrophilen C-Atoms (Carbonylgruppe) der

-Peptidbindung positioniert. Das auf der C-terminalen Seite der -Bindung liegende Peptid wird freigesetzt, während die Carbonyl-

gruppe des großen N-terminalen Fragments mit der Ethanolamin-gruppe des GPI-Moleküls verbunden wird

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9313

Zuckerkette durch die Glycogensynthase verlängert werden kann. Eine Modifikation von Tyrosinresten in verschiedenen cytosolischen Proteinen mit N-Acetyl-glucosamin führt zur Tanslokation der Proteine in den Kern. Dieser Zuckerrest kann auch auf Serin- und Threoninseitenketten übertragen werden. Da in Prote-inen die hydroxylierten Aminosäuren phosphoryliert werden können (7 Kap. 4), ist bei einigen Proteinen die Bildung drei alternativer Formen möglich. Be-stimmte hydroxylierte Seitenketten können unverän-dert, phosphoryliert oder N-acetylglucosaminyliert werden. Durch die letztgenannte Modifikation wird die Möglichkeit zur Regulation der Aktivität der Proteine durch Phosphorylierung und Dephosphorylierung unterdrückt

Acetylcholinesterase als Beispiel für die Synthese alterna-tiver Proteinformen. Durch alternatives Spleißen wird das Protein in drei Varianten mit verschiedenen C-terminalen Sequenzen (R = read through; T = tailed; H = hydrophob) synthetisiert.4 Die R-Form, AcChER, ist löslich. Sie kommt als mono-,

di- und tetrameres Protein im Blut vor4 Im neuralen Gewebe findet sich die Membran-assozi-

ierte Form AcChET. Ihre C-terminale Sequenz enthält einen Cysteinrest. Sie bildet Tetramere, in denen über Disulfidbrücken zwei Moleküle miteinander und zwei mit Untereinheiten eines Membran-assoziierten Prote-ins (P) verbunden sind. Das Protein P verankert die Acetylcholinesterase in Synapsen

4 In der neuromuskulären Endplatte bildet die tetramere AcChET-Form ein Heteromer mit einem Kollagen-ähnlichen Protein (COLQ). Das COLQ bindet die Te-tramere an der gleichen Stelle wie das Protein P und verankert sie in der Basallamina. Die Endplatten-Ace-tylcholinesterase-Defizienz beruht auf Mutationen des COLQ-Proteins

4 Die H-Form, AcChEH, wird mit einer C-terminalen Signalsequenz synthetisiert, die die Bildung eines Phos-phatidylinositolankers ermöglicht und abgespalten wird (7 o.). Diese Form tritt an der Oberfläche der Ery-throzyten auf.

9.2.5 Pathobiochemie

Faltungs- und Transportdefekte. Die so genannte Prion-Erkrankung wird durch eine Änderung der Faltung des Prionproteins PrPc ausgelöst. Das Prionprotein kommt im Zentralnervensystem, aber auch in verschiedenen visze-ralen Geweben vor. Seine Funktion ist noch unbekannt. Bei der Prion-Erkrankung wandeln sich -helicale Strukturen des Proteins in -Faltblätter um. Das auf diese Weise gebil-dete, anders strukturierte Prionprotein wird als PrPsc be-zeichnet und hat eine hohe Tendenz zur Selbstaggregation.

Es bildet die für die Prion-Erkrankung typischen Plaques im Zentralnervensystem, die zu dessen Zerstörung führen. Für die Umwandlung des normalen Prionproteins PrPc in das unlösliche und proteinaseresistente PrPsc sind i. Allg. Mutationen verantwortlich. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Umwandlung auch durch exogen zugeführtes PrPsc ausgelöst werden kann. Dabei wird die Umfaltung des nor-malen Prionproteins zur -Faltblattstruktur mit steigender Menge an zugeführtem PrPsc beschleunigt. Prionproteine besitzen folglich eine gewisse Chaperonaktivität und wir-ken wie infektiöse Agentien.

Primäre Hyperoxalurie I. Diese Erkrankung wird durch De-fekte der Alanin-Glyoxylat-Aminotransferase verursacht. Eine der bekannten Mutationen geht mit einer nahezu nor-malen Aktivität des Enzyms einher. Gestört ist die Nutzung des peroxisomalen Transportsignals 1, was zu einer Fehllo-kalisierung des Enzyms führt. Statt in Peroxisomen, gelangt das geringfügig veränderte Protein in die Mitochondrien. Obwohl das Enzym aktiv ist, werden die typischen Oxalo-sesymptome (Urolithiasis, Nephrocalcinose und evtl. syste-mische Oxalose) manifest.

Zellweger-Syndrom. Bei diesem Syndrom ist die peroxiso-male Transportmaschinerie defekt. Betroffen ist i.d.R.eine ganze Gruppe von Enzymen, deren Transport von einem der peroxisomalen Transportsysteme abhängig ist. Das au-tosomal-rezessiv vererbte Syndrom ist durch craniofaciale Dysmorphie, Neurodegeneration, Hepatomegalie sowie fakultativ Nierenzysten charakterisiert und frühzeitig le-tal.

Der Mukoviszidose (cystische Fibrose) liegt eine Mu-tation ( F508: Deletion des 508. Codons) im CFTR-Gen (7 Kap. 32.2.4) zugrunde. Diese verursacht eine mangel-hafte Faltung, Verbleib im ER und Abbau des Proteins durch das ERAD-System (7 Kap.9.3.5). Das Gen codiert ein Chlorid-Transporterprotein aus der ABC-Transporterfa-milie, dessen Mangel Störungen des Chlorid- und sekundär des Wassertransports in Atemwegs-, Intestinum-, Pank-reas-, Testes- und Schweißdrüsen-Epithel verursacht. Die Funktion dieser Organe ist bei dieser Krankheit am stärk-sten beeinträchtigt.

Sequenzveränderungen in tripelhelicalen Abschnitten der Kollagen I-Gene verursachen die Osteogenesis imperfec-ta und wirken häufig dominant. Sie behindern die Faltung bereits dann, wenn nur eine der drei Ketten defekt ist.

Chaperonopathien. Die Aufgaben von Chaperonen und Chaperoninen lassen sich vereinfacht mit Kontrolle, Erzeu-gung nativ und Entsorgung abnormal strukturierter Prote-ine beschreiben. Durch Mutationen, endogene und exo-gene Einwirkungen z.B. Hypoxie oder oxidativen Stress kann das System der Chaperone akut oder chronisch über-fordert werden. Bekannte Folgen sind Entwicklungsstö-rungen, Apoptose und Seneszenz von Zellen, degenerative

9.2 · Faltung, Transport und Modifikation von Proteinen

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314 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

Prozesse und beschleunigtes Altern. Im humanen Genom befinden sich drei Gene für das Hitzeschock-Protein Hsp70. Mutationen in Promotoregionen dieser Gene, die zur Min-derung der intrazellulären Konzentration des Proteins füh-ren, prädisponieren zur Parkinsonschen Krankheit. Es wird angenommen, dass in diesem Fall Kontrolle und Abbau fi-brillogener Proteinaggregate vermindert sind. Bei einem der drei Gene wurde ein Polymorphismus gefunden bei dem in der Peptid-Bindungsregion des Chaperons alterna-tiv Methionin oder Threonin codiert wird. Bei den älteren Menschen, im Vergleich zu den jüngeren, kommt die Threo-nin-Variante mit verminderter Chaperon-Aktivität mit einer signifikant geringeren Häufigkeit vor. Die Methionin-variante wird daher als ein Longevitätsgen bezeichnet. In Tiermodellen wurde gezeigt, dass eine genetisch bedingte Überexpression von Chaperonen, z.B. des Hitzeschock-Proteins Hsp70 die pathologischen Folgen akuter und chro-nisch neurologischer Störungen bei Ischämie bzw. die Par-kinsonsche Erkrankung verursachenden Defekten signifi-kant mildern.

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH). In häma-topoetischen Zellen entsteht gelegenheitlich ein (erwor-bener) Defekt der Glycosyl-Phosphatidyl-Inositol (GPI)-Anker-Synthese. In betroffenen klonal gebildeten Erythro-zyten resultiert ein Mangel am decay accelerating factor DAF (CD55) und an Membran-Inhibitor reaktiver Lyse

MIRL (CD59), die die C3 und C5-Konvertase-Komplexe des Komplementsystems destabilisieren bzw. die Ausbil-dung der C9-lytischen Komplexe behindern. (Die Proteine werden synthetisiert, jedoch nicht verankert und daher se-zerniert). Die Patienten leiden an intravaskulärer Hämoly-se, Hämoglobinurie und langfristig eventuell Eisenmangel. Durch intermittierende vaskuläre Hämolyseereignisse be-steht ein erhöhtes Thromboserisiko. Hämolytische Episo-den sind sporadisch und treten bevorzugt nachts auf, sodass die Hämoglobinurie meist im Morgenurin beobachtet wird.

Smith-Lemli-Opitz-Syndrom. Die Patienten leiden an Miss-bildungen im Bereich der Mittellinie verbunden mit einer Dysplasie des Corpus callosum und mentaler Retardierung. Das autosomal-rezessiv vererbte Syndrom wird durch De-fekte der 7-Dehydrocholesterin- -7-Reduktase, des letzten Enzyms des Cholesterin-Biosynthesewegs verursacht. Der Spiegel des Cholesterins ist vermindert, der der Biosynther-seintermediate erhöht. Die Intermediate können das Cho-lesterin bei der posttranslationalen Modifikation des hedge-hog-Proteins nicht ersetzen. Folglich sind seine Interakti-onen mit Membranen und Beteiligung an der embryonalen Entwicklung gestört. Im Tiermodell mit dem gleichen Gen-defekt konnte gezeigt werden, dass bei niedrigem endo-genen Cholesterinspiegel auch die regulierte Sekretion bzw. Bildung sekretorischer Granula vermindert sind.

In Kürze

Nach der Biosynthese erhalten die Proteine ihre native Konformation durch eine assistierte Faltung.

Die Assistenz wird von Chaperonen der Hitzeschock-Proteinfamilie und Peptidyl-Prolyl-cis-trans-Isomerasen geleistet.

Viele Proteine werden während oder unmittelbar nach der Synthese (co- bzw. posttranslational) covalent modifiziert. Die Informationen für die Modifikationen sind in der Primärstruktur der Proteine enthalten. Diese ent-scheidet sowohl direkt als auch mittels cotranslationaler Modifikationen über die Faltung.

Posttranslationale Modifikationen erfolgen entweder an primären Bindungen innerhalb der Polypeptidkette oder peripher auf den Seitenketten der Aminosäuren.

Proteine, die eine N-terminale Signalsequenz enthal-ten, werden cotranslational in das Lumen des ER transpor-tiert. Im ER finden i.d.R. andere Modifikationen als im Cyto-sol statt, z.B. die Disulfidbrückenbildung sowie N- und O-Glycosylierungen.

Die meisten mitochondrialen Proteine werden heatshock protein-abhängig vor ihrer Faltung transportiert, die peroxisomalen gelangen mit Hilfe von Peroxinen nach der Faltung in ihre Zielorganellen.

Die co- und posttranslationalen Modifikationen tragen maßgeblich zur Komplexität der in verschiedenen Zellen präsenten Proteinstrukturen und damit ihres Proteoms bei.

9.3 Proteinolyse und Abbau von Proteinen

Täglich werden mehr als 300 g des körpereigenen Proteins umgesetzt. Bei einer negativen Stickstoffbilanz, z.B. bei Hunger, Hypercortisolismus, einer Muskeldystrophie oder postoperativ kann die Abbaurate beträchtlich höher sein. Der normale Umsatz (turnover) eines Proteins hängt von den Geschwindigkeiten der Synthese und des Abbaus ab.

Die sehr verschieden ausfallende Lebensdauer ist durch die Halbwertszeit (t1/2) charakterisiert. Diese kann je nach Protein wenige Minuten bis mehrere Jahre betragen. Ein Beispiel stellt die zirkulierende Acetylcholinesterase dar, deren Halbwertszeit von der Kohlenhydratstruktur und dem Oligomerisierungszustand abhängig ist. Bei der lang-lebigsten tetrameren Form liegt die Halbwertszeit bei 12 Stunden. Wenn die Oligosaccharide ihre terminalen Sialin-säurereste verlieren, wird das Enzym von Hepatozyten auf-

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9315

genommen (7 Kap. 17.3.4) und die Halbwertszeit verkürzt sich auf 5 Minuten.

Für den Proteinabbau, die Proteinolyse (Proteolyse), stehen Hunderte von Proteinasen (Proteasen) zur Verfü-gung. Diese Enzyme spalten Peptidbindungen in Protei-nen und/oder Peptiden und werden allgemeiner als Pepti-dasen bezeichnet.

Manche Proteinasen sind für die weitgehende Zerle-gung von Proteinen in kleine Bruchstücke verantwortlich, z.B. die Proteinasen des Verdauungstrakts. Andere außer-ordentlich spezifische Proteinasen hydrolysieren nur eine spezifische Bindung in einem oder wenigen Proteinen zu. Durch diese partielle Spaltung, d.h. limitierte Proteinoly-se, können neue Strukturen, Eigenschaften oder eine Um-verteilung der Proteine manifest werden.

9.3.1 Klassifizierung der Proteinasen

! Für die Benennung verschiedener Proteinasengruppen ist die Zusammensetzung ihrer katalytischen nucleo-philen Gruppen maßgeblich.

Proteinasen spalten Peptidbindungen, in denen Carbonyl-gruppen mit schwach elektrophilen Kohlenstoffatomen vorliegen. Nach der Art der beteiligten Wirkgruppe des ak-tiven Zentrums wird der Katalysetyp in sechs Enzymgrup-pen klassifiziert und entsprechend benannt. Die siebte Gruppe umfasst Proteinasen unbekannten Reaktionstyps und wird nicht näher diskutiert. In der Datenbank Merops(http://merops.sanger.ac.uk) finden sich alle bisher in die-sen Gruppen beschriebenen Proteinasen, wobei sie dort unter dem Oberbegriff Peptidase geführt werden.

Aspartatpeptidasen zeichnen sich durch zwei Aspara-ginsäurereste im aktiven Zentrum aus. Viele Mitglieder der Gruppe, wie das lysosomale Kathepsin D und das im Ma-gensaft wirkende Pepsin arbeiten bei saurem pH optimal. Von anderen sauren Peptidasen lassen sich diese Enzyme durch Hemmung mit Pepstatin A unterscheiden. Renin (7 Kap. 28.1.10) und die HIV-1 Proteinase sind bei neu-tralem pH aktiv. Hemmstoffe dieser Aspartatproteinase finden therapeutische Anwendung bei der Kombinations-therapie von AIDS-Patienten.

Cysteinpeptidasen umfassen die lysosomalen Kathep-sine B, K, L und S, die Calciumionen-abhängigen Calpaine, die ebenfalls in Cytosol lokalisierten und an der Apoptose beteiligten Caspasen, die meisten deubiquitierenden En-zyme, sowie die Gingipaine, die von dem Bakterium Por-phyromonas gingivalis gebildet werden und an der Patho-genese der Periodontitis beteiligt sind.

Glutamatpeptidasen bilden eine kleine Familie fun-galer saurer Peptidasen, die sich von den bekannteren Car-boxylatpeptidasen der Aspartatpeptidasefamilien durch ihre Resistenz gegenüber dem Hemmstoff Pepstatin A aus-zeichnen.

Metallopeptidasen. Im aktiven Zentrum dieser Enzyme, die in der Superfamilie von sog. zincins zusammengefasst wer-den, finden sich Zn2+-Ionen. Diesen Enzymen ist eine Histi-din-haltige Aminosäuresequenz (HEXXH, wobei die Abkür-zungen H, E und X Histidin-, Glutaminsäure- bzw. beliebige Aminosäurereste symbolisieren) in ihren aktiven Zentren gemeinsam. Die vielleicht bekanntesten Beispiele dieser En-zymgruppe sind Matrix-Metalloproteinasen (MMP) und das an der Regulation des Blutdrucks beteiligte Angiotensin-I-Conversions-Enzym ACE (7 Kap. 28.1.10). Matrix-Metal-loproteinasen werden im 7 Kapitel 9.3.3 näher beschrieben.

Serinpeptidasen. Hier finden sich verschiedene Prohor-monconvertasen, die pankreatischen Proteinasen Trypsin, Chymotrypsin und Elastase, die in Leukozyten vorkom-menden Granzyme, Elastase, Kathepsin G, verschiedene Gerinnungsfaktoren einschließlich Thrombin und auch das thrombolytische Plasmin. Im Katalysezentrum der meisten Serinpeptidase findet sich die katalytische Triade Asparaginsäure-Histidin-Serin, in der diese Reste räumlich jedoch nicht der Primärsequenz benachbart sind. Der kata-lytische Mechanismus der Serinpeptidasen wird in 7 Kap. 4.3 erklärt. Bemerkenswerterweise konstituierte sich die glei-che Triade bei Vertretern verschiedener Serinpeptidasen-Familien unabhängig voneinander.

Threoninpeptidasen. Diese Enzyme sind insofern einma-lig, als an der Katalyse die -Amino- sowie die Hydroxyl-gruppe eines N-terminalen Threoninrests beteiligt sind. Zu dieser Gruppe gehören die für den Abbau von Glycoprote-inen benötigte Glycoasparaginase und die -Untereinheit in Proteasomen (7 Kap. 9.3.4).

9.3.2 Spezifität der Proteinasen

! Die Analysen der die Bindungsspezifität bestimmenden molekularen Strukturen bilden die Grundlage für eine rationale Entwicklung neuer Medikamente.

Die Spezifität der Protein- oder Peptidhydrolyse wird durch die Bindung des Substrats an das aktive Zentrum der Peptidase bestimmt. Gebunden werden die Seitenketten oder die Peptidbindungen mehrerer Aminosäurereste des Substrats durch entsprechende Substratareale (subsites) des Enzyms. Die Benennung dieser Reste ist der Legende zu . Abb. 9.27a zu entnehmen. Die Summe der Bindungs- und Abstoßungskräfte der Pn–Sn Interaktionen bestimmt die gesamte Bindungskraft zwischen Enzym und Substrat und letztendlich die Bindungskonstante und die Wahrschein-lichkeit der Spaltung. Gespalten wird die Peptidbindung zwischen den Resten P1 und P1.

Die Kenntnis der Bindungsstellen und der 3D-Struktur der Proteinasen ist bei der Erklärung der Spezifität der Pro-teinasen sowie der Wirkung von Medikamenten, die zur

9.3 · Proteinolyse und Abbau von Proteinen

Page 32: 9 - Biosynthese Modifikation Und Abbau Von Proteinen

316 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

Hemmung von Proteinasen eingesetzt werden, wichtig. In . Abb. 9.27b,c wird ein Beispiel der Interaktion eines Blut-druck-senkenden Hemmstoffs (Lisinopril) des angioten-sin-I-converting-Enzyms (7 Kap. 28.1.10) mit einer Metal-loproteinase gezeigt.

Nach der Lage der spaltbaren Peptidbindung unter-scheidet man folgende Typen von Peptidasen:4 Spaltet eine Peptidase eine Aminosäure oder ein Dipep-

tid vom N-Terminus ihres Substrats ab, so wird sie als Aminopeptidase bzw. Dipeptidylpeptidase bezeich-net. An der Bindung der Substrate an diese Enzyme ist ihre -Aminogruppe (der N-Terminus) beteiligt, für die die subsites S1 bzw. S2 zuständig sind

4 Spaltet eine Peptidase die C-terminale Aminosäure von einem Substrat ab, wird sie als Carboxypeptidase be-zeichnet. Sie bindet den C-terminalen Rest mit seiner

-Carboxylgruppe an die subsite S1 und hydrolysiert die benachbarte Peptidbindung

4 Peptidyldipeptidasen binden die letzten zwei Amino-säurereste ihrer Substrate an die subsites S1 und S2 und setzen Dipeptide frei

4 Dipeptide werden von Dipeptidasen gespalten4 Enzyme, die entweder die C- oder die N-terminalen

Reste von Oligopeptiden oder Proteinen hydrolysieren, heißen Exopeptidasen (Exoproteinasen)

4 Werden von den Termini weiter entfernte Peptidbin-dungen gespalten, so spricht man von Endopeptidasen bzw. Endoproteinasen

Die Spezifität der Enzyme ist i.d.R. unabhängig von der Län-ge der gespaltenen Substrate und Produkte. Die Pankrea-tische Carboxypeptidase B hydrolysiert Peptidbindungen C-terminaler basischer Reste. Entscheidend ist die Wechsel-wirkung des Rests P1 mit der subsite S1. Sie bindet basische Reste sowie ihre freie -Carboxylgruppe. Proteinasen unter-scheiden zwischen verschiedenen Konformationszuständen der Substrate. Es können nur solche Peptidbindungen ge-spalten werden, die sterisch zugänglich sind und deren um-liegende Gruppen in das aktive Zentrum der Enzyme passen. Die Zugänglichkeit kann durch Modifikationen, Faltungs-fehler, Denaturierung oder eine enzymatische Veränderung der nativen Struktur des Substrats erhöht werden.

9.3.3 Kompartimentierung der Proteinasen und ihre Wirkung im Extrazellulärraum und der Plasmamembran

Nach Lokalisierung lassen sich Proteinasen in zwei Grup-pen mit mehreren Untergruppen gliedern:4 Extrazelluläre Proteinasen:

Intestinaltraktproteinasen (7 Kap. 32),Blutplasmaproteinasen (7 Kap. 29),Matrixmetalloproteinasen (7 Kap. 24.6)

. Abb. 9.27a–c. Bindung von Substraten und Hemmstoffen im aktiven Zentrum von Peptidasen. a Nomenklatur. Die vom Enzym gebundenen Aminosäurereste (ocker) werden als Pn (n = natürliche Zahl) bezeichnet; die Reste P1–Pn erstrecken sich von der zu spalten-den Peptidbindung zum N-Terminus, die P1’–Pn’ zum C-Terminus. Hydrolysiert wird die Bindung zwischen P1 und P1’. Substratareale der Enzymoberfläche Sn, die die zugehörigen Reste Pn binden, werden als subsites bezeichnet. Die Zahl der involvierten subsites ist für jedes Enzym charakteristisch. Bei der Metallopeptidase Angiotensinogen-I-Conversions-Enzym ACE beispielsweise sind es die S1, S1’ und S2’ subsites. Das Zink-Ion (grüne Kugel) des aktiven Zentrums liegt defini-tionsgemäß zwischen den Substratarealen S1 und S1’. Die im Anschluss an das S2’ subsite eingezeichnete positiv geladene Gruppe ermöglicht die Bindung von Substraten oder Hemmstoffen, die auf der C-termi-nalen Seite des P2’-Rests eine elektronegative Gruppe enthalten. b Struktur von Lisinopril. Dieser ACE-Hemmstoff besitzt eine Peptid-ähnliche Struktur, die der des natürlichen Substrats Angiotensin-I sehr ähnelt. Seine Bausteine passen in die subsites und bilden mehrere hydrophobe und ionische Interaktionen mit dem aktiven Zentrum aus. c Struktur des aktiven Zentrums eines Angiotensinogen-I-Conver-sions-Enzyms, das in Anwesenheit von Lisinopril kristallisiert wurde. Markiert ist das zentrale Zn-Ion (grün), die das Zn-Ion bindenden Histidinreste (His), die hydrophoben Reste ( ) sowie die an ionischen Brücken beteiligten Ladungen (+,–) ausgewählter Lysinseitenketten bzw. Carboxylate. Es werden nur wenige Aminosäurereste des Enzyms gezeigt, die markierten Histidinreste sind Bestandteil eines allen Metallopeptidasen gemeinsamen Sequenzmotivs und befinden sich in der gezeigten –Helix ( , magenta). Der Hemmstoff (ocker) nimmt den als graues Netz dargestellten Raum (Elektronendichte) im akti-ven Zentrum ein; zwischen den S1 und S1’ subsites befindet sich eine Carboxylgruppe des Lisinoprils, die das Zn-Ion bindet und keine Peptidbindung, die gespalten werden könnte. (Aufnahme: K. Ravi Acharya und Edward D. Sturrock (c))

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9317

4 Plasmamembranproteinasen4 Intrazelluläre Proteinasen:

Lysosomale und endosomale Proteinasen (7 Kap. 9.3.4),Proteinasen in nicht-lysosomalen Kompartimenten (7 Kap. 9.3.5)

! Die Aktivität vieler Proteinasen wird durch Inhibitor-Proteine reguliert.

Häufig stellen Proteinasen eine Gefahr für ihre Umgebung dar. Daher unterliegen sie komplexen Kontrollmechanis-men, an denen spezifische Proteinaseinhibitoren beteiligt sind.

Blutplasmaproteinasen. Mehrere Reaktionen der Abwehr-systeme sowie hormoneller Regulationssysteme im Blut (Koagulation, Komplement, Fibrinolyse, Kallikrein- Kinin- sowie Renin-Angiotensinsystem; 7 Kap. 28.1.10) beruhen auf einer präzisen Abstimmung der proteinolytischen Ak-tivität durch aktivierbare Proteinasen und ihre Hemmstoffe. Die meisten Proteinasen im Blutplasma gehören zu den Se-rinproteinasen. Renin dagegen ist eine Aspartatproteinase. Mehrheitlich liegen die Blutplasma-Serinproteinasen als inaktive Proenzyme vor. Ausgelöst durch verschiedene Sig nale, Noxen oder Verletzung werden sie proteinolytisch, z.T. autokatalytisch aktiviert (7 Kap. 29) und durch ver-schiedene Proteinaseinhibitoren gehemmt:

α2-Makroglobulin ist ein genereller Hemmstoff der Blut-plasmaproteinasen. Es liegt im Plasma in einer relativ ho-hen Konzentration vor und zeichnet sich durch eine un-strukturierte über 30 Aminosäurereste lange, durch zahl-reiche Enzyme hydrolysierbare Domäne (bait) sowie eine interne -Glutamyl-Thioesterbindung aus. Eine Spaltung der bait-Sequenz ruft eine Konformationsänderung hervor, die zu einem Einschluss und/oder einer covalenten Bin-dung der angreifenden Proteinase führen kann. Letztere ergibt sich aus einer Aktivierung des Thioesters und Bil-dung von Isopeptidbindungen mit -Aminogruppen von Lysinresten der Proteinasen. Die Konformationsänderung führt zur Endozytose der Komplexe durch Makrophagen und Fibroblasten über Rezeptoren an der Plasmamem-bran.

α1-Antitrypsin hemmt die aus Granulozyten freige-setzte Elastase (sein Mangel führt zum Lungenemphysem, 7 Kap. 29.6.5) sowie das aktivierte (Akutphase-) Protein C (ein hoher Spiegel von 1-Antitrypsin prädisponiert zu Thrombosen, weil es die Inaktivierung von Coagulations-faktoren durch das aktivierte Protein C einschränkt).

C1-Inhibitor ist einer der Hauptregulatoren des Kalli-krein, des intrinsischen Koagulationswegs sowie des Kom-plementsystems (sein Mangel verursacht das hereditäre Angioödem).

Dem überwiegenden Typ der Blutplasmaproteinasen entsprechend wirken die meisten hier erwähnten Hemm-

stoffe als Serinproteinase-Inhibitoren. Sie werden Serpine genannt. Ihre Komplexe mit Thrombin und anderen akti-vierten Proteinasen werden durch einen serpin enzyme-complex SEC-Rezeptor der Hepatozyten-Plasmamembran gebunden, endozytiert, und lysosomal abgebaut.

Peri- und extrazelluläre Matrixmetalloproteinasen. Die weiter oben erwähnte Superfamilie der Metallopeptidasen gliedert sich in 26 MMPs (Matrixine), ähnlich großen Gruppen von ADAM-(adistengrin-like and metalloprotei-nase) und ADAMTS- (ADAM with thrombospondin motifs) Metalloproteinasen, Astacine sowie Meprine. Die letzteren sind überwiegend in der Plasmamembran lokalisiert (7 u.), während alle ADAMTS als lösliche Proteine sezerniert werden.

! Matrixmetalloproteinasen regulieren den Stoffwechsel des Bindegewebes, des Knochens und der Haut.

Einige MMPs sind mittels TM-Domänen, andere durch GPI-Anker in die Plasmamembran integriert, die meisten jedoch werden sezerniert und von Matrixmolekülen ge-bunden. Alle Enzyme dieser Gruppen enthalten eine Pro-sequenz, die das aktive Zentrum bzw. dessen Zink-Ion mit einer Cystein-Seitenkette abschirmt. Bei der Aktivierung wird die Prosequenz abgespalten oder blockiert. Die Spal-tung kann durch Plasmin und andere sezernierte Proteina-sen, durch Prohormon-Convertasen (die entsprechende Spaltstelle ist jedoch nicht bei allen MMPs vorhanden) oder bakterielle Proteinasen (dies ist bei Wundinfektionen, Ka-ries, Periodontitis u.a.m. von Bedeutung) katalysiert wer-den. Die meisten MMPs enthalten eine regulatorische (Hä-mopexin-) Domäne, die an Heparansulfat in der Matrix binden und oligomerisieren kann. Je nach Spezifität kön-nen die aktivierten Enzyme bei neutralem pH verschiedene Matrixbestandteile wie Kollagen, Fibronectin, Amelogenin und Aggrecan sowie E-Cadherin u.a. Zelladhäsionsmole-küle (7 Kap. 6.2.5, 24) spalten. Die MMPs werden aufgrund verschiedener Eigenschaften in mehrere Subgruppen un-terteilt:4 interstitielle Kollagenasen4 Basalmembran- Kollagenasen4 Matrilysine4 Stromelysine4 membrangebundene MMPs

Das bekannteste Mitglied der Astacin-Familie ist BMP-1 (bone morphogenic protein 1) (7 Kap. 24.7.2). Es wirkt als Prokollagen C-Proteinase und spaltet die C-terminale Do-mäne der fibrillären Prokollagene I-III. Die freigesetzte Domäne des Prokollagen I wirkt chemotaktisch auf Endo-thelzellen. Die des Prokollagen II ist identisch mit Chon-drocalcin, sodass das BMP-1 bei der Osteogenese sowohl die Vaskularisierung als auch die Mineralisierung unter-stützt. Nicht minder wichtig erscheint die Aktivierung der Lysyl-Oxidase durch das BMP-1. Das bei dieser Aktivie-

9.3 · Proteinolyse und Abbau von Proteinen

Page 34: 9 - Biosynthese Modifikation Und Abbau Von Proteinen

318 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

rung freigesetzte Propeptid wirkt Tumor-suppressiv; es hemmt die Aktivierung von NF B durch das Ras-Protein. In der Haut fördert das BMP-1 die epidermal-dermale Ver-bindung durch Spaltung der Propeptide von Prolaminin-5 und Prokollagen VII. Schließlich ist das BMP-1 an der Ak-tivierung anderer BMPs beteiligt. Die Metalloproteinasen werden einerseits durch eine selektive Expression und Ak-tivierung und andererseits durch vier kleine TIMP (tissue inhibitors of metalloproteinases)-Proteine gesteuert, die als nichtspaltbare Substratanaloga auf alle MMPs sowie einige ADAM- und ADAMTS-Proteinasen wirken. Die inaktiven Komplexe werden mittels eines LDL-Rezeptor-related Proteins endozytiert, und in Lysosomen abgebaut.

! An der Zelloberfläche finden sich zahlreiche Metallo-proteinasen darunter die extrem spezifischen Conver-sions-Enzyme sowie Sekretasen.

Plasmamembranproteinasen. Ein Teil der schon er-wähnten MMPs zählt zu den extrazellulär wirkenden Plas-mamembranproteinen, den Ectoenzymen.4 Meprine werden hauptsächlich von Darm- und Nie-

renepithelzellen gebildet. Sie spielen eine Rolle bei der Verdauung und Rückresorption sowie bei Abwehrreak-tionen im Urintrakt und Leukozyten

4 Die Neprilysin oder Enkephalinase genannte neutrale Endopeptidase 24.11 ist ein Ectoenzym der Epithelzel-len und Leukozyten, das an der Inaktivierung verschie-dener bioaktiver Peptide z.B. Enkephaline und Substanz P, beteiligt ist

4 Das Endothelin-Conversions-Enzym ECE wird von Endothelzellen gebildet. Seine wichtigste Aufgabe ist die Spaltung von big-endothelin zum Endothelin, einem starken Vasokonstriktor und für Verdickungen der Neointima bei Restenosen verantwortlich gemachtem Mitogen glatter Muskelzellen

4 Das Angiotensin-I-Conversions-Enzym ACE kommt in größeren Mengen in den Lungen und Nieren vor (7 Kap. 28.1.10)

Die Ektodomänen eines Teils dieser Enzyme können mit-tels Sheddasen (shedding-Enzyme) in der gleichen Mem-bran von ihren Transmembransegmenten abgespalten wer-den und finden sich im Blutplasma.

Sekretasen. Andere an Hydrolyse und Freisetzung von Ec-toenzymdomänen beteiligte Enzyme werden Sekretasen genannt. Wichtige Beispiele sind die -Sekretasen, z.B. das beta-amyloid-precursor-converting-enzyme BACE (7 Kap. 31.5.1). Es handelt sich um Aspartatproteinasen. -Sekre-teasen sind ebenfalls an der Bildung der Amyloidfrage-mente beteiligt. Ihre proteinolytisch aktive Untereinheiten, Präsenilin-1 und -2, sind in der Lage, Transmembranseg-mente ihrer Substratproteine im Bereich der Lipiddoppel-schicht zu hydrolysieren. Ihr aktives Zentrum wird von Aspartatseitenketten gebildet, die sich in Transmembran-

segmenten finden. Das Amyloid ist also ein Produkt der - und -Sekretasen. Als α-Sekretasen werden Enzyme

bezeichnet, die das Amyloid-Präkursorprotein nicht amy-loidogen spalten. So wirken u.A. die membranständigen ADAM-10 und -17 Metalloproteinasen. Die letztere ist mit dem TNF-alpha-Conversions-Enzym TACE identisch, das für die Freisetzung des proinflammatorischen und immu-noregulatorischen TNF-α (7 Kap. 26.4.2) verantwortlich ist.

! Ecto- und Intramembranproteinasen kooperieren bei der Freisetzung von Transkriptionsfaktoren.

In der Embryonalentwicklung spielen die -Sekretasen eine wichtige Rolle bei dem sog. notch-signalling. Die Regulation der Entwicklung durch Notch-Gene wurde ursprünglich bei der Taufliege Drosophila und beim Fadenwurm Caenor-habditis entdeckt. Bei Vertebraten kommen vier Notch-Rezeptoren und fünf Notch-Liganden mit überlappender Spezifität vor. Auch in diesen Organismen ist das Notch-System von grundlegender Bedeutung für Differentierung, Proliferation, Apoptose, Cancerogenese und spezialisierte Leistungen wie die Gedächtnisbildung. Die Liganden der Notch-Rezeptoren sind i.d.R. Membranproteine, die sich an benachbarten Zellen befinden. Ihre Bindung verursacht eine Konformationsänderung des Rezeptors mit mehreren Folgen:4 Abspaltung der Ektodomäne durch die α-Skretase

TACE (7 Kap. 25.8.2)4 Intramembran-Hydrolyse des getrimmten Rezeptors

durch -Sekretasen4 Translokation der abgespaltenen intrazellulären Domä-

ne in den Zellkern und Aktivierung der Transkription Notch-regulierter Gene

Die freigesetzte Notch-Ektodomäne wird proteinolytisch entsorgt. Der membranständige Ligand, mit dem sie nach der Spaltung assoziiert bleibt, wird ubiquitiniert (7 Kap. 9.3.5), endozytiert und lysosomal abgebaut.

9.3.4 Abbau von Proteinen in Lysosomen

! In Lysosomen und Endosomen kooperieren verschie-dene Endo- und Exoproteinasen beim Abbau von endo- und autophagozytierten Proteinen, Partikeln und Organellen.

Die meisten der in Lysosomen vorkommenden Proteinasen werden als Kathepsine bezeichnet. Im Lumen der Lyso-somen herrscht ein pH von ca. 4,5, bei dem viele Proteine instabil sind, während die lysosomalen Hydrolasen optimal arbeiten. Zusammen mit Amino- und Carboxypeptidasen sind die Kathepsine in der Lage, sämtliche in die Lysosomen aufgenommenen Proteine zu Aminosäuren abzubauen. Die Produkte werden über die lysosomale Membran in das Cy-tosol abgegeben.

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9319

Mikro- und Makroautophagozytose. Intrazelluläre Protei-ne und Organellen können unter Beteiligung von heat shock-Proteinen nach einer Verknüpfung mit dem sog. Au-tophagozytose (Apg)-Regulatorprotein durch Mikropha-gozytose in die Lysosomen gelangen. Durch Makroauto-phagozytose gelangen größere Areale des Cytoplasmas in Phagosomen. Somit können fast alle Bestandteile des Cyto-plasmas einschließlich der Mitochondrien, Peroxisomen und Glycogenpartikel dem lysosomalen Abbau zugeführt werden (7 Kap. 6.2.7). An der Bildung von Autophago-somen sind ER-Membranen beteiligt (. Abb. 9.28). Diese verschmelzen mit Lysosomen, Endosomen oder kleinen lysosomale Enzyme transportierenden Vesikeln. Bei Hun-ger und erhöhtem Ketonkörperspiegel ist die Autophagozy-tose gesteigert.

Endozytose. Proteinfragmente, die beim Abbau extrazellu-lärer Matrix entstehen, Lipoproteine und veränderte Ma-kromoleküle sind typische lysosomale Substrate, die über spezifische Rezeptoren und rezeptorvermittelte Endozyto-se (7 Kap. 6.2.5) sehr effektiv in die Lysosomen gelangen. Stellvertretend können hier die in den 7 Kapiteln 18.5.2, 11.7.1 und 17.3.4 beschriebenen LDL-, AGE- bzw. Asia-loglycoprotein-Rezeptoren und das am Abbau der MPP-TIMP-Komplexe beteiligte LDL receptor-related protein er-wähnt werden. Im Schilddrüsenepithel werden durch lyso-somale Proteinolyse aus endozytiertem Thyreoglobulin

die Hormone T3 und T4 freigesetzt, die anschließend in den Kreislauf abgegeben werden.

Abbau von Proteinen der Plasmamembran. Die adrener-gen 2-Rezeptoren, Glycin-Rezeptoren oder der ENaC-Ka-nal unterliegen einem als down-regulation bezeichneten Vorgang. An ihm sind mehrere Modifikationen, darunter die Ubiquitinierung (7 Kap. 9.3.5) beteiligt. Letzterer folgt eine beschleunigte Endozytose, eine Konzentrierung der ubiquitinierten Proteine in besonderen Arealen der späten Endosomen (7 Kap. 6.2.6), das Knospen dieser Areale in das Lumen, die Bildung interner Vesikel sowie der Abbau letz-terer, bei dem sowohl die Proteine als auch die Lipide hy-drolysiert werden.

Aktivierung und Abbau von proteinolytisch aktivierten Rezeptoren (PARs). Die PARs bilden eine Gruppe von vier Protein-G-gekoppelten Rezeptoren, die durch proteinoly-tische Spaltung nahe ihres N-Terminus bzw. Bindung des verkürzten Endes (tethered end) in der Agonist-Domäne aktiviert werden. Sie können also nur einmal benutzt wer-den. Danach werden sie in Lysosomen abgebaut. Der Spie-gel nicht-aktivierter PARs wird durch Ubiquitinierung und Endozytose reguliert. PAR-2 findet sich insbesondere in den intestinalen, kardiovaskulären und pulmonalen Sys temen und besitzt protektive sowie Entzündungs- und Schmerz-empfindungsregulatorische Eigenschaften. Es wird an erster Stelle durch Trypsin und Mastzell-Tryptase aktiviert. Auch die anderen drei PARs kommen in verschiedenen Epithelien sowie im Endothel und glatter Muskulatur vor. Sie werden von Thrombin aktiviert. Charakteris tisch für die PARs ist ihre Aktivierung durch Proteinasen, die in ihrer Umgebung durch Entzündung freigesetzt werden.

9.3.5 Proteinolyse in nichtlysosomalen Kompartimenten

Hier werden Gruppen von einigen sehr spezifischen Prote-inasen beschrieben, die ihre Substratproteine aufgrund de-finierter Sequenzsignale (Primärstruktur) oder aufgrund Signal-induzierter Konformationsränderungen in verschie-denen nicht-lysosomalen Kompartimenten erkennen:4 Mitochondriale Signalpeptidasen befinden sich in der

Matrix und gehören zu den Metallopeptidasen. Sie ent-fernen das N-terminale basische Lokalisierungssignal der Matrixproteine unmittelbar nach ihrem Import (. Abb. 9.23). Andere Peptidasen dieser Organellen sind am Abbau mitochondrialer Proteine beteiligt

4 Signalpeptidasen im rauen ER sind an der cotransla-tionalen Spaltung von Signalpeptiden (. Abb. 9.20) be-teiligt. Sie gehören entweder zu den Aspartat- oder den Serinpeptidasen

4 Im Golgi-Apparat können durch limitierte Proteinoly-se Transkriptionsfaktoren ins Cytosol freigesetzt wer-

. Abb. 9.28. Autophagosom. Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Hepatozyten. Gezeigt wird ein frühes Autophagosom (APS), in dem ein Mitochondrium, ER und Ribosomen eingeschlossen sind. Neben dem Autophagosom befindet sich ein Phagophor (PP), ein frühes Stadium der Autophagosomenbildung, in dem eingestülpte ER-Zisternen einen Hohlraum bilden. Durch ein vollständiges Um-schließen des in diesem Raum sequestrierten Materials entsteht ein Autophagosom. Der eingeschlossene Bereich wird zum Inhalt des Autophagosoms. Durch ein Verschmelzen mit Lysosomen oder Vesi-keln, die lysosomale Enzyme transportieren, entsteht aus diesem ein lytisches lysosomales Organell. (Aufnahme: Eeva-Liisa Eskelinen)

9.3 · Proteinolyse und Abbau von Proteinen

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320 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9 den. Bekannt ist dies bei der Steuerung des Choleste-rinstoffwechsels (7 Kap. 18.3.3) und ER-Stress-indu-zierter Entzündungsreaktionen (7 u. ERAD-System). Die Transkriptionsfaktoren sind als cytosolische Do-mänen Bestandteile ER-residenter Proteine. Für ihre Freisetzung müssen zwei Voraussetzungen erfüllt wer-den: Erstens Transport dieser Proteine in den Golgi-Apparat und zweitens proteinolytische Spaltung. Für diesen Schritt sind sog. site-1- und site-2-Proteinasen zuständig. Es sind Serin- bzw. Metalloproteinasen

4 Ubiquitär vorkommend, jedoch für sekretorische Kompartimente neuroendokriner Zellen besonders charakteristisch sind Prohormon-Convertasen. Mit hoher Spezifität erkennen sie jeweils zwei (P1, P2, . Abb. 9.27) oder drei (P1, P2, P4) basische Aminosäu-rereste in der Primärsequenz von Prohormonen oder Proenzymen (z.B. Prorenin) sowie Präkursorformen von sekretorischen und integralen Membranprotei-nen. Die bekanntesten speziell in neuroendokrinen Zellen vorkommenden Prohormon-Convertasen, PC1/3 und PC2 sowie das ubiquitäre Furin und vier weitere bilden eine Familie Subtilisin-ähnlicher Serin-peptidasen. Furin ist an der limitierten Proteinolyse von Präkursoren zahlreicher Proteine, darunter Albu-min, Gerinnungsfaktoren, einige MMPs, Integrine, Hormone), Rezeptoren, Hüllproteine verschiedener Viren, und seiner eigenen beteiligt. Es besitzt ein Transmembransegment und eine kurze cytosolische Domäne.

Eine funktionell herausragende Gruppe cytosolischer Pro-teinasen sind die Caspasen. Sie kontrollieren das normale

Wachstum und können den Zelltod, die Apoptose, herbei-führen. Sie spalten bestimmte native Proteine an der C-Ter-minus-nahen Seite von Aspartylresten, wodurch sie ihren Namen erhalten haben. Ihre Funktion ist in den 7 Kapiteln 7.1.5 und 25.8.2 besprochen

! Der Abbau der Proteine durch Proteasomen wird meist durch ihre Ubiquitinierung reguliert.

Die meisten Proteine werden im Cytosol abgebaut. Der Ab-bau ist streng reguliert. Daran ist eine Gruppe von modifi-zierenden Enzymen beteiligt, die den Abbau durch eine multiple Verknüpfung mit Ubiquitin einleiten. Durch eine lokale Verstärkung dieser Modifikation können Kernprote-ine selektiv abgebaut werden. Eine weitere Möglichkeit, Proteine im Cytosol abzubauen, besteht in einer Calcium-ionen-abhängigen Aktivierung von sog. Calpainen. Die Aktivität der Calpaine wird durch Proteine aus der Familie der Calpastatine reguliert.

Ubiquitinierung. Proteine, die für den Abbau bestimmt sind, werden mit einem aus 76 Aminosäuren bestehenden Protein, dem Ubiquitin (7 Kap. 9.2.3), covalent verbunden. Die Verbindung erfolgt in mehreren Schritten (. Abb. 9.29). Zunächst muss Ubiquitin aktiviert werden. Dies geschieht durch die ATP-abhängige Knüpfung einer Thioesterbin-dung zwischen der C-terminalen Carboxylgruppe des Ubi-quitin und einer Thiolgruppe eines Hilfsproteins (E1). Die Ubiquitin-Reste werden durch Transthioesterifizierung auf weitere Proteine (E2) und mittels spezifischer Ubiquitin-Ligasen (E3) auf Aminogruppen ausgewählter Proteine übertragen. Häufig wird die Ubiquitinierung fortgesetzt bis sog. polyubiquitinierte Proteine entstehen. In menschlichen

. Abb. 9.29. Polyubiquitinierung und Abbau von Proteinen. In dem stark vereinfacht darge-stellten Ubiquitinierungszyklus werden Ubiqui-tin-Reste als Thioester an die Transferproteine E1 und E2 sowie als Amid (Isopeptid) auf das Subs-trat und sich selbst (Lysin-48) übertragen. Dabei werden die dargestellten Polyubiquitin-Ketten gebildet. Die Modifikationssignale werden von Ubiquitin-Ligasen (E3) erkannt. Meist handelt es sich um fehlgefaltete, oxidativ geschädigte oder fehlsynthetisierte Proteine, hier mit einem Schädelsymbol gekennzeichnet. Die Isopeptid-bindungen werden durch die 19S-Untereinheit des Proteasoms hydrolysiert und das Ubiquitin wiederverwendet. Unter ATP-Verbrauch wird das abzubauende Protein durch die 19S-Unter-einheit entfaltet

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9321

Geweben gibt es mehrere E2-Proteine und fast 100 E3-En-zyme. Es entstehen Isopeptidbindungen.

Polyubiquitinierung und eventuell mehrfache Monou-biquitinierung verschiedener Lysin-Reste von Membran-proteinen leitet ihre Endozytose und ihren Abbau in späten Endosomen (7 Kap. 6.2.5), Polyubiquitinierung den prote-asomalen Abbau im Cytosol und Zellkern ein. Signal für den Abbau sind die über das Lysin-48 verlängerten Ubiqu-tinketten).

! Proteasomen befinden sich im Cytosol und im Zellkern und können in besonderen Fällen auch nicht-ubiquiti-nierte Proteine abbauen.

Proteasomen. In diesen Fass-ähnlichen Partikeln (. Abb. 19.30a, b) werden die polyubiquitinierten Proteine endo-proteinolytisch abgebaut. Proteasomen (insgesamt 26S) sind als ein symmetrisches Fass mit abtrennbaren »Deckel-teilen« von je 19S aufgebaut. Der zentrale Teil (20S) besteht aus 2 × 2 siebengliedrigen Proteinringen. Drei der sieben Untereinheiten der inneren Ringe besitzen proteinolytische Aktivität. Ihre aktiven Zentren befinden sich auf der Innen-seite des Partikels. Der Zugang zum zentralen Hohlraum wird beidseits durch Regulationskomplexe (19S) kontrol-liert. Diese besitzen eine AAA-ATPase-Aktivität und nut-zen die Energie der ATP Spaltung zur Entfaltung der Prote-insubstrate. Man spricht von einer unfoldase-Aktivität. Die zu spaltenden Proteine werden von den Regulationskom-plexen mittels der Polyubiquitinierung erkannt. Die 19S Komplexe spalten Isopeptidbindungen und trennen die Ubiquitinketten vom Substratprotein ab. Die entfalteten Proteinketten werden in den Hohlraum der Partikel abge-geben und dort zu Dodekapeptiden oder ähnlich langen Fragmenten hydrolysiert.

Ubiquitinierungssignale. Ubiquitin scheint am Ende einer Reihe von Modifikationen zu stehen, die den Abbau von nicht benötigten Proteinen einleiten. Durch Stress, Hitze, chemische Veränderungen und katabole Stoffwechselsig-nale kann der Abbau beschleunigt werden. Diese Strategie erfordert, dass die Ubiquitinierung durch zahlreiche E3-Enzyme katalysiert wird, die an ihren Substratproteinen charakteristische Signale erkennen. Ubiquitiniert werden4 Proteine mit einer kurzen Halbwertszeit. Ein Beispiel

hierfür ist die Tyrosin-Aminotransferase in der Leber. Dieses Enzym wird für den Abbau der Aminosäuren Phenylalanin und Tyrosin benötigt. Es wird durch Glu-cocorticoide induziert und seine Aktivität ist bei Hunger stark erhöht. Postprandial wird es rasch ubiquitiniert und in Proteasomen abgebaut. Ein weiteres Beispiel ist die Hydroxymethylglutaryl-CoA-Reduktase, die maß-geblich an der Cholesterin-Biosynthese betei ligt ist. Nach einem Anstieg des Spiegels der Mevalonsäure und der Sterole wird das Enzym ubiquitiniert und abgebaut

4 Proteine mit einem N-terminalen Argininrest. Der Ab-bau kann durch Übertragung von Arginin auf Protein durch eine Arginyl-tRNA induziert werden. Die Argi-nylierung erfolgt bevorzugt an N-terminalen Glutamin-säure- und Asparaginsäureresten. Diese Termini wie-derum können durch Desamidierung von terminalen Glutamin- bzw. Asparaginresten erzeugt werden. Die Abhängigkeit der Ubiqutinylierung von der N-termi-nalen Aminosäure ist unter dem Begriff »N-end-rule«, die N-terminalen Abbausignale als N-Degrons bekannt

4 Proteine, die sog. PEST-Sequenzen enthalten. Für die-se Sequenzen sind die Aminosäuren Prolin (P), Gluta-minsäure (E), Serin (S) und Threonin (T) charakte-ristisch. Enthalten sind sie z.B. in Androgen-, Estrogen-

. Abb. 9.30a, b. Elektronenmikroskopische und schematische Darstellung des Aufbaus der 26S-Proteasomen. a Untersuchungen der Elek-tronendichte der Proteasomen-Partikel aus Oozy-ten von Xenopus laevis deuten an, dass sie hohl sind. b Das Modell zeigt den Querschnitt des aus vier Ringen bestehenden Fassteils (20S) mit zwei 19S-Untereinheiten. Jeder Ring setzt sich aus 7 Untereinheiten zusammen. Je 3 Untereinheiten ( 1, 2 und 5) der beiden inneren Ringe besitzen proteinolytische Aktivität: Eine Trypsin-ähnliche, eine Chymotrypsin-ähnliche und eine Peptidyl-glutamyl-Peptid-hydrolysierende (PGPH) Aktivität. Das Substratprotein wird durch eine schwarze Linie symbolisiert. (Aufnahmen: Wolfgang Bau-meister und Zdenka Cejka (a), Wolfgang Hilt und Dieter Wolf (b))

9.3 · Proteinolyse und Abbau von Proteinen

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322 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

9

und Vitamin D-Rezeptoren. Die Aktivität einer PEST-Sequenz und damit der Abbau eines Rezeptors wird durch Phosphorylierung benachbarter Domänen im Rezeptormolekül reguliert

4 Proteine, die im ER aus verschiedenen Gründen nicht korrekt gefaltet oder beschädigt und durch das ERAD-System (ER-assoziierte Proteindegradation) (7 u.) ab-gebaut werden

ER-assoziierte Proteindegradation. Erstreckt sich die De- und Reglucosylierung während der Chaperon-assistierten Faltung eines im rauen ER synthetisierten Proteins (7 Kap 9.1., 9.2.1) über eine längere Periode, erhöht sich die Chance seiner Demannosylierung durch sog. EDEM-Mannosida-sen. Daran können die Glycoproteine mit verzögerter Fal-tung erkannt werden. Diese sowie nichtglycosylierte Pro-teine mit ähnlichen Faltungsproblemen werden durch sog. Retrotranslokation ins Cytosol transportiert und ab gebaut. An diesem Export fehlerhafter Proteine ist das Translocon (Sec61p) beteiligt. Die im Cytosol initial er-scheinende Proteinkette wird von der p97 AAA-ATPase (7 Kap. 6.1.5) erfasst und aus dem ER »herausgezogen«. Im Cytosol wird sie z.B. aufgrund der in diesem Kompartiment atypischen Glycosylierung von einem E3-Enzym polyubi-quitiniert und proteasomal abgebaut (7 u.). Auf diesem Wege können auch nicht-glycosylierte Proteine mit Fal-tungsdefekten entsorgt werden. Die gesamte Maschinerie dieser Entsorgung wird als ERAD-System bezeichnet. Überproduktion nicht gefalteter Proteine oder Störung des ERAD-Systems erzeugt ER-Stress. Im Rahmen einer Gegenregulation, die als unfolded protein response UPR bezeichnet wird, kommt es zu einem Anstieg der Konzen-tration der Chaperone und der Aktivität des ERAD-Sys-tems.

Ubiquitin-unabhängiger Abbau durch Proteasomen. An der Biosynthese von Polyaminen (7 Kap. 13.6.3), die zur Komplexierung der DNA benötigt werden, ist die Orni-thindecarboxylase beteiligt. Das Enzym wird im Zellzy-klus am Ende der S-Phase inaktiviert und abgebaut. Beides wird durch eine Rückkopplung seitens der Polyamine be-wirkt. Mittels einer translationalen Rasterverschiebung (7 Kap. 9.1.2) wird von den Polyaminen die Synthese eines Regulatorproteins (des Antizyms) stimuliert. Das Antizym bindet die Ornithindecarboxylase, hemmt sie und bewirkt ihren proteasomalen Abbau. Dies bedeutet, dass nicht jedes von den Proteasomen abzubauende Protein ubiquitiniert werden muss.

! Ein Teil der von Proteasomen gebildeten Proteinfrag-mente wird für eine immunologische Kontrolle der Zellen benutzt.

Oligopeptidabbau. Die meisten der von den Proteasomen gebildeten Peptidfragmente werden durch Aminopeptida-sen im Cytosol abgebaut.

Antigenpräsentation. Ein Teil der von Proteasomen pro-duzierten Oligopeptide wird mittels eines ABC Transpor-ters (7 Kap. 6.1.5) in das Lumen des ER importiert (. Abb. 9.21). Der hier wirkende ABCB2/3 Transporter ist hetero-dimer und wird als TAP1/TAP2-Transporter bezeichnet. Unter den Produkten der Proteasomen selektiert er 8–10 Aminosäurereste lange Oligopeptide. Im Lumen des ER werden diese unter Katalyse durch das HLA-1-Chaperon Tapasin, zur Beladung von HLA-Molekülen verwendet. Diese werden aus dem ER zur Plasmamembran transpor-tiert und dort präsentiert (7 Kap. 34.2.2).

Calpaine. Die Calpaine sind Calciumionen-abhängige cy-tosolische Serinproteinasen, die am Umsatz der Muskelpro-teine physiologisch bei der Myoblastenfusion und patholo-gisch bei der Muskeldystrophie beteiligt sind. In Neuronen werden sie nach einer Ischämie aktiviert, die zu neuronaler Apoptose führen kann. Eine Erhöhung der Calpainaktivität wird häufig durch eine Inaktivierung von Calpastatinen, cytosolischen Hemmstoffen der Calpaine, erreicht.

Hormonelle Regulation der Proteinolyse. Glucocorticoide verstärken den Proteasom-, Calpain- und Lysosomen-ab-hängigen Abbau von Proteinen. Sie stimulieren die Expres-sion der Ubiquitinierungssysteme, des NF- B Faktors und mehrerer Proteasomen-Untereinheiten sowie der hsp70-Chaperonine Durch Letztere können Mikroautophago-zytose und lysosomaler Abbau cytosolischer Proteine indu-ziert werden. Diese Glucocorticoid-Wirkungen werden durch IGF-1 (insulin-like growth factor-1) antagonisiert.

9.3.6 Pathobiochemie

Überproduktion und Mangel an Kathepsinen. Die Sekre-tion von Kathepsinen durch aktivierte Leukozyten in ent-zündetem Gewebe trägt zum Abbau der interzellulären Substanz bei, weil Kathepsine im Matrixraum bei neutralem pH teilweise aktiv sind. Ihre Sekretion durch Tumorzellen korreliert mit ihrer Invasivität, beispielsweise beim Mam-ma-Karzinom. In mineralisiertem Gewebe kommt es bei einem hohen Parathormonspiegel zu einer parakrinen Ak-tivierung von Osteoklasten und Verschmelzung ihrer lyso-somenähnlichen Vesikel mit der Plasmamembran. Dabei wird Kathepsin K freigesetzt, dessen primäre Funktion der Abbau von Kollagen I ist (7 Kap. 6.2.7, . Tabelle 6.5). Bei Tu-mor-asso ziierter Osteolyse z.B. bei Prostata-Karzinommetas-tasen wird die Sekretion von Matrilysin (MMP7) gesteigert. Dies führt zum Abbau von RANKL (7 Kap. 24.7.3) und zur Osteoklastenaktivierung. Bei jungen Erwachsenen kommen benigne Neoplasmen vor, die als ossäre Riesenzelltumore bekannt sind. In Osteolyseherden dieser benignen meist nahe einer Metaphyse langer Röhrenknochen lokalisierten Tumore finden sich die dem Tumor namens gebenden Rie-senzellen, die Salzsäure und große Mengen von Kathepsin K

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9323

sezernieren. Hereditärer Kathepsin K-Mangel führt in Folge einer Kollagen-Persistenz zur Pycnodysostosis, die durch Osteochondrodysplasie und Osteosklerose charak-terisiert ist. Defekte im Kathepsin D-Gen verursachen eine letale Form der neuronalen Ceroid-Lipofuszinose mit connataler progressiver Neurodegeneration.

Virus-induzierter Proteinabbau. Die Stimulation der Zell-proliferation durch das E6-Protein der »Hochrisiko«-Stäm-me des humanen Papilloma-Virus beruht auf einer Induk-tion des proteasomalen Abbaus des Tumorsuppressor-Gens p53. Es bildet einen ternären Komplex mit einer Ubiquitin-ligase und dem p53 Protein, wodurch dessen Ubiquitinie-rung stark beschleunigt wird. Ein anderes Beispiel wurde bei Cytomegalievirus beobachtet. Das Virus steuert die Synthese von Proteinen, die im ER die schweren Ketten des HLA-I-Komplexes erkennen sowie dessen Retrotransloka-tion einleiten. Dadurch wird die Antigenpräsentation und Abwehr infizierter Zellen abgeschwächt oder unmöglich gemacht. Die Histokompatibiltätsmoleküle werden schließ-lich durch das ERAD-System abgebaut.

Adrenoleukodystrophie. Diese X-chromosomal vererbte Erkrankung (X-ALD) beruht auf einem Gendefekt eines ABC-Transporters (ABCD1), der wahrscheinlich für den Transport sehr langer Fettsäuren (C20 bis C26) in die Per-oxisomen verantwortlich ist. Sie erlangte durch den Film Lorenzo’s Öl allgemeine Bekanntheit. Inzwischen konnte gezeigt werden, dass mit Ölsäure in einer Menge, die etwa 20% der calorischen Versorgung entspricht, die Synthese derartiger besonders langkettiger Fettsäuren gehemmt wird. Im Gehirn und anderen Organen der X-ALD Pa-tienten werden aufgrund des Transportdefekts langkettige Fettsäuren, insbesondere C26:0, die in normalen Peroxi-

somen verkürzt werden, gespeichert. Die Expression des Gens ist durch sog. Peroxisomenproliferatoren induzier-bar. Daher erscheint die Beschleunigung der Synthese des Transportproteins durch Phenylbutyrat bei Patienten, bei denen eine Restaktivität vorliegt, vielversprechend. Phenyl-butyrat beschleunigt darüber hinaus die Synthese zahl-reicher peroxisomaler Proteine, darunter des ABCD2-Pro-teins mit überlappender Spezifität und mag daher auch bei Patienten mit vollständigem ABCD1-Mangel zumindest partiell wirksam sein.

Zellulärer Stress und Apoptose. In Stresssituationen kön-nen zahlreiche Signale zum Zelltod führen. Das folgende Beispiel zeigt wie durch eine lokale Überproduktion von Stickstoffmonoxid (NO) Abbau von Zellkernproteinen und Apoptose ausgelöst werden können. Bei starkem Reiz nach z.B. übermäßiger Freisetzung von Neurotransmittern in Nervenzellen und durch TNF- oder Endotoxin in Ma-krophagen kann es zu einem Anstieg von NO und zur nicht enzymatischen Nitrosylierung verschiedener Proteine kommen. Die in den meisten Zellen stark exprimierte Glycerinaldehyd-3-Phosphatdehydrogenase (. Abb. 9.1, 7 Kap. 11.1.1) wird am Cysteinrest im aktiven Zentrum nitrosyliert. Diese Form bildet einen Komplex mit der Ubi-quitin-Ligase Siah1, der mittels eines NLS-Signals in der Aminosäuresequenz der Ligase in den Zellkern transloziert wird. Normalerweise wird die Ligase im Zellkern abgebaut, im Komplex mit der nitrosylierten Dehydrogenase jedoch ist sie stabil. Von ihr ubiquitinierte Proteine werden durch Proteasomen im Zellkern abgebaut. Es folgt die Apoptose. Störungen der Aktivität von Siah1 und einer weiteren E3-Ubiquitin-Ligase Parkin sowie der Prolyl-Isomerase Pin1 (Kap. 9.2.1) tragen zum Untergang dopaminerger Neurone bei der Parkinson’schen Erkrankung bei.

In Kürze

Die Halbwertszeit von Proteinen ist individuell und in vie-len Fällen regulierbar. Die am Abbau der Proteine beteili-gten Proteinasen lassen sich nach dem Mechanismus der Katalyse und Spezifität in mehrere Gruppen und Familien einteilen. Die Spezifität wird durch die Bindung der Amino-säureseitenketten, die sich in Nachbarschaft der zu spal-tenden Peptidbindung befinden, bestimmt.

Proteinasen spalten entweder endo- oder exoprotein-olytisch und setzen Peptide und Aminosäuren frei.

Fehlgefaltete und beschädigte Proteine werden durch Polyubiquitinierung markiert und von Proteasomen abge-baut. Ein Teil der von Proteasomen gebildeten Oligopep-tide werden mittels HLA-I-Molekülen für eine Kontrolle durch das Immunsystem an der Zelloberfläche präsentiert.

Durch Autophagozytose können Cytoplasmabestand-teile und ganze Organellen, durch Endozytose Plas-mamembran- sowie extrazelluläre Makromoleküle für den Abbau in die Lysosomen transportiert werden.

Durch limitierte Proteinolyse können die Struktur und Eigenschaften spezifisch ausgewählter Proteine modifiziert werden. Durch eine gezielte Spaltung können Proteine akti-viert, inaktiviert oder aus einer Verankerung gelöst werden. Limitierte Proteinolyse ist ein wichtiges Mittel der Signal-verarbeitung und ist an vielfältigen Formen der intra- und interzellulärer Kommunikation, Differenzierung, Zellprolife-ration und Zelltod beteiligt.

9.3 · Proteinolyse und Abbau von Proteinen

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324 Kapitel 9 · Biosynthese, Modifikation und Abbau von Proteinen

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Links im Netz7 www.lehrbuch-medizin.de/biochemie