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PANORAMA _ 70 > DAS PTA MAGAZIN --- Ausgabe 07-2018 < er schnellste Weg, etwas über sich zu erfahren, ist, den eigenen Partner zu fragen. Der gibt wahrscheinlich mit großer Freude eine präzise Analyse dessen, was er an einem mag – und was nicht. Und gerade in Beziehungen kann es sehr wertvoll sein, mehr über sich zu wissen, um zu verstehen, worüber sich der andere gerade aufregt. Psychoanalytiker C.G. Jung sagt da- rüber: „Im Spiegel des Anderen erkenne ich mich selber.“ Diese Erfahrungen mache ich in allen unseren Gruppen zur Persön- D lichkeitsentwicklung. Mein Gegenüber hilft mir dabei, meine Schattenseiten zu erkennen. Schatten sind nach Jung die Teile unserer Persönlichkeit, die wir verdrängen, verstecken – nicht wahr haben wollen. Die Psychologin und Buchautorin Prof. Verena Kast hat die Be- deutung der Schatten – und deren Auswirkungen auf unsere Persönlichkeit – tiefenpsychologisch untersucht. Die Schwei- zer Professorin stellt die These auf: „Wer seine Schatten kennt und annimmt, kann in seinem Charakter reifen.“ Doch die Rea- lität sieht oft anders aus. Viele Menschen sind nicht in der Lage, Verstehe Dich selbst PTA HABEN ALS DIENSTLEISTER STÄNDIG MIT KUNDEN UND DEREN BELANGEN ZU TUN. WER DABEI SOUVERÄN UND VERBINDLICH AUFTRITT, WIRD DEN JOB MIT ERFOLG ERLEDI- GEN. VORAUSSETZUNG DAFÜR IST, SICH SELBER BESSER ZU VERSTEHEN. [ von Michael Sudahl ] © g-stockstudio / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell(en))

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> DAS PTA MAGAZIN --- Ausgabe 07-2018 < 70 70 > DAS PTA MAGAZIN --- Ausgabe 07-2018 <

er schnellste Weg, etwas übersich zu erfahren, ist, den eigenenPartner zu fragen. Der gibtwahrscheinlich mit großer

Freude eine präzise Analyse dessen, was er an einem mag – undwas nicht. Und gerade in Beziehungen kann es sehr wertvollsein, mehr über sich zu wissen, um zu verstehen, worüber sichder andere gerade aufregt. Psychoanalytiker C.G. Jung sagt da-rüber: „Im Spiegel des Anderen erkenne ich mich selber.“ DieseErfahrungen mache ich in allen unseren Gruppen zur Persön-

D lichkeitsentwicklung. Mein Gegenüber hilft mir dabei, meineSchattenseiten zu erkennen. Schatten sind nach Jung die Teileunserer Persönlichkeit, die wir verdrängen, verstecken – nichtwahr haben wollen.Die Psychologin und Buchautorin Prof. Verena Kast hat die Be-deutung der Schatten – und deren Auswirkungen auf unserePersönlichkeit – tiefenpsychologisch untersucht. Die Schwei-zer Professorin stellt die These auf: „Wer seine Schatten kenntund annimmt, kann in seinem Charakter reifen.“ Doch die Rea-lität sieht oft anders aus. Viele Menschen sind nicht in der Lage,

VersteheDich selbst

PTA HABEN ALS DIENSTLEISTER STÄNDIG MIT KUNDEN UND DEREN BELANGEN ZU TUN.WER DABEI SOUVERÄN UND VERBINDLICH AUFTRITT, WIRD DEN JOB MIT ERFOLG ERLEDI-GEN. VORAUSSETZUNG DAFÜR IST, SICH SELBER BESSER ZU VERSTEHEN.

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einen anderen Standpunkt einzunehmen als den eigenen. Polit-diskussionen im Fernsehen zeugen jeden Sonntagabend davon.Eine Langzeitstudie der Universität Otago kommt zudem zumErgebnis: Der Mensch ist schon mit drei Jahren charakterlichfestgelegt. Seine Lebenskurve folgt einer Art innerem Pro-gramm.

Neurowissenschaften belegen TheseDas bestätigt auch die moderne Neurowissenschaft: Das Ge-rüst, die neuronalen Bahnen im Gehirn, verzweigen sich imKindesalter. Weil das Gehirn einen entspannten Zustand an-strebt, gehen wir immer wieder diesel-ben, ausgetretenen Pfade. Die guteNachricht: Das Gehirn ist ein perma-nent lernendes System. Jede markanteErfahrung verändert die synaptischenVerschaltungen. Neue Erfahrungenführen also zum Ausbau der Neurona-len Netzwerke. „Neuronale Plastizi-tät“ nennen das Hirnforscher. Und die geht ein Leben lang wei-ter. Der Mensch kann also durch Erfahrungen und Lernen anseiner neuronalen Architektur permanent bauen.„Schattenakzeptanz bringt einen Zuwachs an Selbsterkenntnis,Vitalität, Toleranz sich selber und den anderen gegenüber“,

fasst Kast zusammen und belegt letztlich die Ergebnisse derHirnforschung. Ein Beispiel aus unserem Trainingsalltag: EinTeilnehmer ist verärgert darüber, dass ein anderer die Leitungdes Abends übernommen hatte. Er stellt sich damit in den Mit-telpunkt, so die Projektion des Verärgerten. In der folgendenProzessarbeit erkennt er, dass er sich oft bescheiden gibt. Darinliegt für ihn der Erkenntnisgewinn. Er lehnt den Leiter desAbends ab, weil sein Bedürfnis nach mehr Aufmerksamkeit einSchattendasein fristet.Hinter seiner Verachtung steckt also das Begehren nach Beach-tung. Menschen mögen sich verändern, wenn zwei große Kräfte

das Spielfeld betreten.Liebe und Leid. Wird einMensch immer wiedervon Partnern ausgenutztund verlassen, fragt ersich: Wieso ich? Aber vielwichtiger ist die Frage:Was sind meine Anteile

daran? Krisen ermöglichen Reifungsprozesse. Wenn wir derEntwicklung trotzen, verkalkt unsere Persönlichkeit. UnserenCharakter formen in der ersten Lebensphase Eltern, Geschwis-ter, Freunde und Lehrer. Die zweite Erziehung geht von unsselbst aus. Sie macht uns reif und souverän.

> WER DER EIGENEN ENTWICK-LUNG TROTZT, LÄSST SEINE PER-SÖNLICHKEIT VERKALKEN <

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einen anderen Standpunkt einzunehmen als den eigenen. Polit-diskussionen im Fernsehen zeugen jeden Sonntagabend davon.Eine Langzeitstudie der Universität Otago kommt zudem zumErgebnis: Der Mensch ist schon mit drei Jahren charakterlichfestgelegt. Seine Lebenskurve folgt einer Art innerem Pro-gramm.

Neurowissenschaften belegen TheseDas bestätigt auch die moderne Neurowissenschaft: Das Ge-rüst, die neuronalen Bahnen im Gehirn, verzweigen sich imKindesalter. Weil das Gehirn einen entspannten Zustand an-strebt, gehen wir immer wieder diesel-ben, ausgetretenen Pfade. Die guteNachricht: Das Gehirn ist ein perma-nent lernendes System. Jede markanteErfahrung verändert die synaptischenVerschaltungen. Neue Erfahrungenführen also zum Ausbau der Neurona-len Netzwerke. „Neuronale Plastizi-tät“ nennen das Hirnforscher. Und die geht ein Leben lang wei-ter. Der Mensch kann also durch Erfahrungen und Lernen anseiner neuronalen Architektur permanent bauen.„Schattenakzeptanz bringt einen Zuwachs an Selbsterkenntnis,Vitalität, Toleranz sich selber und den anderen gegenüber“,

fasst Kast zusammen und belegt letztlich die Ergebnisse derHirnforschung. Ein Beispiel aus unserem Trainingsalltag: EinTeilnehmer ist verärgert darüber, dass ein anderer die Leitungdes Abends übernommen hatte. Er stellt sich damit in den Mit-telpunkt, so die Projektion des Verärgerten. In der folgendenProzessarbeit erkennt er, dass er sich oft bescheiden gibt. Darinliegt für ihn der Erkenntnisgewinn. Er lehnt den Leiter desAbends ab, weil sein Bedürfnis nach mehr Aufmerksamkeit einSchattendasein fristet.Hinter seiner Verachtung steckt also das Begehren nach Beach-tung. Menschen mögen sich verändern, wenn zwei große Kräfte

das Spielfeld betreten.Liebe und Leid. Wird einMensch immer wiedervon Partnern ausgenutztund verlassen, fragt ersich: Wieso ich? Aber vielwichtiger ist die Frage:Was sind meine Anteile

daran? Krisen ermöglichen Reifungsprozesse. Wenn wir derEntwicklung trotzen, verkalkt unsere Persönlichkeit. UnserenCharakter formen in der ersten Lebensphase Eltern, Geschwis-ter, Freunde und Lehrer. Die zweite Erziehung geht von unsselbst aus. Sie macht uns reif und souverän.

> WER DER EIGENEN ENTWICK-LUNG TROTZT, LÄSST SEINE PER-SÖNLICHKEIT VERKALKEN <

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Die hat doch keine AhnungEine bekannte Situation: EineKundin möchte zu Nahrungs-ergänzungsmitteln beratenwerden. Im Gespräch wirddeutlich: Die junge Frau hatsich ein Halbwissen angelesenund referierte nun über Kohle-hydrate, Aminosäuren und Zu-ckerersatz. Noch während dasGespräch läuft, hören wir nichtmehr richtig zu und sammelnbereits im Hinterkopf Gegen-argumente. Die wir dann ge-zielt auf die Kunden abfeuernkönnen. Bereits nach wenigen Sekunden haben wir unser Urteilgefällt: Die Gute hat keine Ahnung. Und wir regen uns auf.Dieses Beispiel zeigt, dass uns unsere Schatten steuern. Je nachpersönlicher Prägung und Biografie projizieren wir auf dieKundin: Sie ist ungebildet, sie will mir meinen Job erklären, esist gefährlich, mit so wenig Wissen die Ernährung zu ergänzen.Vielleicht lautete das Urteil auch: Stiel mir nicht meine Zeit, dawarten schon andere Kunden. Letztlich werden wir wütendoder haben vielleicht Angst, weil der Chef erwartet, dass wir dieKundin freundlich bedienen und ihr etwas verkaufen. DieseMischung aus Urteil und Gefühl ist aber gefährlich. Und zwarfür uns. Denn wir geraten dadurch in einen Strudel aus Vorur-teilen, der uns davon abhält, wirklich in Kontakt mit der jungenFrau zu treten.

Raus aus der UrteilsfalleWem das klar wird, und wer Gefühl und Urteil trennen kann,kann im nächsten Schritt die Projektion auf die Kundin zurück-nehmen. Also anerkennen, dass das Teile der eigenen Biografieund Prägung sind. Dieser Schritt ist elementar. Denn er löst dienegativen Gefühle auf und lässt uns mehr und besser das Ge-genüber verstehen. Das geht am besten, indem wir die Urteileumdrehen und uns fragen: Wann bin ich dumm, in welchen Si-tuationen hatte ich keine Ahnung und habe versucht, mich bes-ser darzustellen? Oder wann habe ich gefährliche oder unge-sunde Dinge gegessen?Mit etwas Übung gelingt diese Art der inneren Klärung rechtschnell. Der Vorteil: Wer merkt, dass sich Gefühle wie Wutoder Angst anschleichen, kann impulsverzögert reagieren.Denn er weiß: Möglicherweise reagiere ich im Moment auf ei-nen Auslöser – die unwissende Kundin. Die Ursache für meinUrteil liegt aber in mir. Und hat nichts mit meinem Gegenüberzu tun. Aus dieser neuen Klarheit heraus kann ich mich gelassenentscheiden: Will ich die Kundin abwiegeln oder ihr mit offe-nem Herzen zuhören, um herauszufinden, was sie wirklich fürein Bedürfnis hat? Um dann eventuell zu hören, dass sie viel-leicht an ihrem Übergewicht oder an Akne leidet. Und sie da-hingehend beraten.NÄHERES UNTER: www.der-lebensberater.net

> Neue Erfahrungen bauen die NeuronalenNetzwerke aus. „Neuronale Plastizität“ nen-nen das Hirnforscher. Sie geht ein Leben langweiter. Der Mensch kann also durch Erfah-rungen und Lernen permanent an seiner neu-ronalen Architektur bauen.

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