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9. November 2009

9. November 2009. + Ergänzungen Substrat Adstrat Superstrat Unter Berücksichtigung wissenschaftsgeschichtlicher Aspekte

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+ Ergänzungen

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Substrat Adstrat SuperstratUnte

r Ber

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Wissenschaftsgeschichtlicher Exkurs über die Diskussion sprachhistorischer Fragestellungen in Italien

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Ausgangsfrage: Wie sprachen die alten Römer und wie ist das Volgare entstanden?

Der situative Kontext des wissenschaftlichen DisputesIm März 1435 diskutiertenLeonardo Bruni und Flavio Biondo im Vorzimmer des Papstes

Eugen IV. (im Florentiner Exil)über die Beschaffenheit der

lateinischen Sprache in der Antike und Spätantike und ihr Verhältnis zum Volgare.

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Leonardo BruniDie Zwei-Sprachen-These

BrunisArgumentation

Das Volgare ist ebenfalls antiken Ursprungs und hat daher das Recht, mit dem Lateinischen als Kultursprache zu konkurrieren

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Latein Volgare

Antike

Mittelalter

Neuzeit

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Flavio Biondo[um 1435]

Die Korruptionsthese Biondosdas Volgare ist aus einer

Mischung zwischen Latein und Gotisch/Langobardisch entstanden

und daher minderwertig sowie als Kultursprache

unbrauchbarLangobarden haben mehr zur

Korrumpierung des Lateinischen beigetragen als die Goten

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Diglossie

Antike

Völkerwanderung

Germanisch

Late

inV

olga

re

Mit

tela

lter

Neuzeit

Korru

mpie

rung

des L

atei

nischen

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Die Frage nach dem Einfluss vorrömischer Sprachen

Bei der Frage nach dem Ursprung der italienischen Sprache rückte sporadisch das Etruskische ins Blickfeld diachroner Sprach-betrachtung, so etwa in Pier Francesco Giambullaris Gello, de l’Origine della lingua fiorentina (1546).

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Die Frage nach dem Einfluss vorrömischer Sprachen

Giambullari ist gemäßigter Anhänger des modernen Florentinischen in der Questione della lingua

Er spricht in Bezug auf das Volgare nicht von lingua mista, sondern von einem componimento di varie lingue (Griechisch, Etruskisch, Lateinisch, Deutsch, Französisch…)

Die Völkerwanderung wird nicht als alleiniges Ereignis bei der Genese des Volgare betrachtet

Vertreter einer Minderheitenposition

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Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh.

• Girolamo Muzio (1496-1576), dessen sprachtheoretische Schriften 1583 posthum unter dem Titel Battaglie in Difesa dell’italica lingua erschienen sind, beispielsweise glaubte nicht an den Einfluss des Etruskischen bei der Herausbildung des Toskanischen.

• Seiner Meinung nach wurde die Sprache der Etrusker vollkommen von der Sprache Roms verdrängt.

• Für ihn spielten die germanischen Eroberer eine entscheidende Rolle. • Er verband die Frage nach dem sprachlichen Einfluss der Germanen vor

allem mit ihrer Siedlungsgeschichte.

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Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh.

Nach Muzio war der Einfluss der Germanen in bestimmten Regionen stärker als in anderen

Wenn das volgare durch die Barbaren entstanden ist, muss seine Wiege im Norden gewesen sein, wo die größte Siedlungsdichte herrschte

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Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh.

Claudio Tolomei (1492-1556) führt im Cesano de la lingua toscana (1555) das volgare auf das Lateinische zurück, verweist aber auch auf Einflüsse aus dem Etruskischen und Germanischen.

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Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. Jh.

Benedetto Varchi (1503-1565) betont im Ercolano (1564/1570) weniger die durch die Barbaren herbeigeführte sprachliche Korrumpierung, sondern vielmehr die Geburt einer neuen Sprache.

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Der sprachhistorische Diskurs im Italien des 18. Jahrhunderts

• Die sprachhistorische Forschung des 18. Jahrhunderts entwickelte erneut ein starkes Interesse für das Etruskische, das von vielen Autoren mit dem Hebräischen in Verbindung gebracht wurde, so z.B. von Scipione Maffei (Degli itali primitivi, 1727) und Marco Guarnacci (Origini italiche, 1767). Scipione Maffei

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Vorrömische Völker in Italien

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- Externe Sprachgeschichte -

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Der Substrat-Begriff

Zur BegriffsgeschichteEingeführt im Jahre 1876

von dem italienischen Dialektologen Graziadio Isaia Ascoli

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Der SubstratbegriffWas versteht man unter einem Substrat?

Unter einem Substrat versteht man eine besondere Form historischen Sprachkontakts

Dieser besteht darin, dass in einer bestimmten Gegend die eingesessene Bevölkerung die Sprache eines Eroberervolkes annimmt

und nach einer Epoche der Zweisprachigkeit die eigene Sprache aufgibt

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Der SubstratbegriffWas versteht man unter einem Substrat?

Im Munde der einheimischen Sprecher wirkt sich deren alte Sprache (das Substrat) nun so aus,

dass sie Sprechgewohnheiten in die neue Sprache übernehmen

und diese auf diese Art langfristig verändern

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Der SubstratbegriffWas versteht man unter einem Substrat?

Betroffene BereicheHäufig

AusspracheWortschatzOrts- und Flussnamen

SeltenerMorphologieSyntax

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Der SubstratbegriffBevor sich Sprachen zu Substraten entwickeln,

fungieren sie zunächst als AdstrateDies führt zu einem weiteren historiolinguistischen

Begriff…

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- Externe Sprachgeschichte -

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Der AdstratbegriffDer Adstratbegriff wurde erst 1932 von dem

niederländischen Linguisten Marius L. Valkhoff in die Sprachwissenschaft eingeführt

Er wurde in der Romanistik allerdings nur zögerlich akzeptiert

Er bezeichnet den Kontakt von zwei Sprachen aus synchroner Perspektive (d.h. vor der Aufgabe einer der beiden Sprachen in Kontakt)

Keine Sprache wird sofort aufgegeben

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Der SubstratbegriffModell Latein

= weiterlebende Sprache

Oskisch, Etruskisch…, Keltisch, SUBSTRAT-Sprachen des Lateinischen (in Italien)

Phase der Zweisprachigkeit= ADSTRAT-Sprachen

Aufgabe der Zweisprachigkeitder gesamten Bevölkerung

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Der SubstratbegriffItalische Substrate des Lateinischen

Die Nachbarsprachen Oskisch-Umbrisch 1. Phase:

Oskisch / Umbrisch als Adstrate des Lateinischen

Oskisch-Umbrisch Lateinisch

Gegenseitige Beeinflussung, z.B. Entlehnung

Krieg

und

Hande

l

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Der SubstratbegriffSubstrate des Lateinischen

Die Nachbarsprachen z.B. Oskisch-Umbrisch 2. Phase:

Zunehmende Dominanz des Lateinischen

Oskisch-Umbrisch

LateinischFremdsprache

Latein

Handel, Militär, Sprache,Kultur etc.

Interferenzen zwischen Lat. und der Muttersprache28

noch

AD

ST

RA

TE

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Der SubstratbegriffSubstrate des Lateinischen

Die Nachbarsprachen z.B. Oskisch-Umbrisch 3. Phase:

Übrig bleibt im ehemals oskisch-umbrischen Sprachgebiet allein eine regionale Varietät des Lateinischen (mit besonderen Aussprachemerkmalen und einigen oskischen Wörtern, die im römischen Latein nicht üblich sind)

Lateinisch (diatopische und diastratische

Varietät)

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Osk

isch

-Um

bris

ch s

ind

tot

S

UB

ST

RA

T-S

prac

hen

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Der Substrat-BegriffEinige phonetische Merkmale des Umbrischen

Vokalismus [au] wird zu [oː]

lat. taurus vs. umbr. toru (vgl. it./sp. toro) [ai] wird zu [ɛː]

lat. quaestor vs. umbr. kvestur (vgl. klat. CAESAREM > it. Cesare)

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VBI ORV MEV EST?

VICINVS MEVS

OSCVS EST

AVRVM !!!

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Der Substrat-BegriffEinige phonetische Merkmale des Umbrischen

Konsonantismus [m] und [n] sind vor Konsonanten und am Wortende sehr

schwach klat. AMICUM > *amicu > it. amico, sp. amigo

Das ursprüngliche velare [k] wird vor [e] und [i] palatalisiert klat. CENAM > [tʃena] > it. cena

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*[sumus amitʃi]

AMICVS MEVS

VMBRVS EST

[amiki] !!!

http://www.kidsnet.at/sachunterricht/roemer_fr.htm

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*AMO BALNEV

BALNEVM !!!

CENTVRIO MEUS OSCVS EST

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Der Substrat-BegriffKonsonantismus

[mb] wird zu [mm] assimiliert [nd] wird zu [nn] assimiliert [kt] wird zu [tt] assimiliert

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Der Substrat-Begriff

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*QVANNO FINIT

LETTIO?

DISCIPVLUS MEUS OSCVS EST

QVANDO FINIT

LECTIO !!!

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Die Substrate und der Wandel des LateinischenHalten wir Folgendes fest:

Nach Abschluss der Unterwerfung, Romanisierung und Latinisierung der Apenninenhalbinsel hatte die lateinische Sprache eine Reihe von Einflüssen durch benachbarte Sprachen bzw. durch die Sprachen der unterworfenen Völker erfahren.

Von Italien aus verbreitete sich das Lateinische in Westeuropa, in Teilen Südosteuropas sowie in Nordafrika und erfuhr hierbei weitere Veränderungen.

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Die Substrate und der Wandel des LateinischenFerner…

In der mündlichen Kommunikation bestand das Lateinische aus unterschiedlichen diatopischen Varietäten, in denen Einflüsse der vormals in der Region gesprochenen Sprachen geblieben sind,

insbesondere im Bereich der Ausspracheaber auch auf dem Gebiet des WortschatzesDie schriftliche Sprache hingegen war bis zum Beginn

des Mittelalters relativ einheitlich

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Die Substrate und der Wandel des (gesprochenen) LateinischenVon besonderem Interesse ist folgende Tatsache:

Die diatopische Variation des Lateinischen hat die Entwicklung der aus dieser hervorgegangenen romanischen Sprachen nachhaltig beeinflusst.

Mehr hierzu später…

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2. Sprachkontakt durch die Völkerwanderung

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- Externe Sprachgeschichte -

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Der Superstratbegriff

Germanisch-lateinischer Kontakt zur Zeit der Völkerwanderung

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Der Superstratbegriff Der Begriff Superstrat wurde 1932 von Walther v.

Wartburg entwickelt und bezeichnet eine Sprache oder

Varietät, die sich anfänglich (noch) aus machtpolitischen

Gründen über eine eroberte Sprache legt, später jedoch

nach einer gewissen Zeit der Zweisprachigkeit von den

Eroberern aufgegeben wird. Die Eroberer gehen ethnisch und sprachlich in den

Einheimischen auf, wobei sie einige lexikalische

Elemente in die neue Sprache einbringen.

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Die Ostgoten

Germanische Herrscher in Italien

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Die Langobarden (seit 568)

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Das LangobardenreichEdictus Rothari (643)

[…] Et si provare non potuerit et cognuscitur dolusae adcusassit, tunc ipse, qui accusavit et provare non potuit, wergild suo conponat, medietatem regi, et medietatem cui crimen iniectum fuerit. […]

[…] Si hominis liberi inter se in morte alterius consiliaverint sine regis consilio et ex ipso tractato mortuus non fuerit, conponat unusquisque, ut supra, solidos viginti; et si ex ipso consilio mortuus fuerit, tunc ille, qui homicida est, conponat ipsum mortuum, sicut adpraetiatus fuerit, id est wergild. […]

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Der Superstratbegriff◦ Der ostgotische Einfluss im Italienischen ist

insgesamt geringer als der langobardische, wobei

beide Spendersprachen nicht immer klar

unterschieden werden können…

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Der Superstratbegriff◦ Germanische Lehnwörter im Italienischen

◦ balcone (vgl. dt. Balken)◦ gruccia (vgl. dt. Krücke)◦ panca (vgl. dt. Bank)◦ stamberga (vgl. dt. „Steinberge“)◦ stecca (vgl. dt. Stecken)◦ guancia (vgl. dt. Wange)◦ stinco (vgl. dt. Schinken)

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Hilms!QVID EST?

GALEA EST

410 n.Chr.

…AVT *HELMVS?

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ca. 500 Jahre später….

elmo

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Stratum: Latein Romanisch

Substratsprache

Superstratsprache

Sprache, die vor der römischen Eroberung gesprochen wurde

Sprache späterer Eroberer

wird

au

fgeg

eb

en

wird

au

fgeg

eb

en

Beide hinterlassen ihre Spurenim Lateinischen bzw. Protoromanischen

AD

ST

RA

T-P

has

en

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Die STRATA-Theorie im Überblick

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Diastratisch Diatopisch Diaphasisch

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Wissenschaftsgeschichtlicher Exkurs über die Diskussion sprachhistorischer Fragestellungen in Italien

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Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.

Ludovico Castelvetro (1505-1571) entwickelte in seiner Correzione d’alcune cose del Dialogo delle lingue di Benedetto Varchi (1563/1572) eine sehr ausgeglichene Theorie zum Ursprung des volgare.

Er verwirft die These von der Existenz eines italienischen volgare im antiken Rom, die von Leonardo Bruni ins Gespräch gebracht worden war, und verweist implizit auf die Existenz einer vulgärlateinischen Sprache.

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Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.

Drei Entwicklungsstufen nach Castelvetro• Die zunehmende Wichtigkeit

der vulgärlateinischen Varietät in Rom.

• Die Dominanz des Vulgärlateinischen während der Gotenherrschaft.

• Der Übergang vom korrumpierten Latein zum volgare während der Herrschaft der Langobarden nach mehreren Generationen.

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Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.1. Phase

410: Plünderung Roms durch die VandalenAusweitung des vulgärlateinischen ElementsZunehmender Einfluss der Ungebildeten bzw.

HalbgebildetenDie Entwicklung wurde durch Kaiser fremder Herkunft

gefördertDiejenigen, die noch über eine ausreichende Bildung

verfügten, übten Selbstzensur, um nicht in Ungnade zu fallen (Anpassung an die vulgärlateinische Leitkultur)

= DIGLOSSIE des Lateinischen

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Die Frage nach der Variation des Lateinischen im 16. und 17. Jh.2. Phase

Radikaler Wandel nach dem Beginn der Gotenherrschaft

Sie konnten ihre eigene Sprache nicht durchsetzen, machten aber hemmungslosen Gebrauch vom VULGÄRLATEINISCHEN

3. PhaseVerstärkung dieser Praxis unter den LangobardenSprachmischung und Entstehung des Volgare

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Die Frage nach dem Einfluss der Germanen bei der Herausbildung romanischer Sprachen im 16. und 17. Jh.

• Mit Celso Cittadinis Schriften Trattato della vera origine e del processo e nome della nostra lingua (1601) und Origini della volgar toscana favella (1604) setzte eine philologische Wende in der diachronen Sprachforschung auf der Grundlage intensiver antiker und spätantiker Quellenstudien ein.

• Cittadini setzt den Sprachwandel bereits vor der Barbarenherrschaft beim Vulgärlatein der Antike an.

• Er geht in Übereinstimmung mit Varchi von einer diglossischen Zweiteilung des Lateinischen aus.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsWelches Latein entwickelte sich zum Romanischen?

◦ Es ist das gesprochene Latein, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde und das sich dabei unmerklich in die Sprachen umwandelte, die schließlich “romanisch” heißen würden.

◦ Die Sprache, die zur Zeit Caesars in Rom gesprochen wurde, hat man bis heute rund 70 mal an die nächste Generation weitergegeben.

◦ Jede Generation glaubte (natürlich), die Sprache der Eltern zu übernehmen.

◦ Und doch bezeichnen wir die Sprache der ersten Generation als Lateinisch und die der 70. Generation als Italienisch, Spanisch, Französisch usw.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsKlassisches Latein vs. VulgärlateinDie lateinische Sprache war kein monolithischer Block wie der Kanon klassischer Texte suggeriert, die im schulischen Lateinunterricht behandelt werden. Die Sprache, die sich - wie letzte Woche dargestellt - allmählich durch das ganze Imperium ausbreitete, war nicht das klassische Latein Ciceros. Es war das Latein, wie es vom gewöhnlichen Volk ausgesprochen wurde.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsWas versteht man unter klassischem Latein?

◦ Die Bedeutung von ‚klassisch’ Das lateinische Adjektiv CLASSICUS (eine Ableitung von

CLASSIS ‘servianische Bürger- oder Vermögensklasse’) bezog sich zunächst auf die hohen Gesellschaftsschichten, insbesondere auf die der ersten von insgesamt sechs.

Daher entwickelte sich die Bedeutung ‘erstklassig’, ‘mustergültig’ in Bezug auf Sprache und Literatur.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsKlassisches Latein vs. VulgärlateinDie lateinische Sprache war kein monolithischer Block wie der Kanon klassischer Texte suggeriert, die im schulischen Lateinunterricht behandelt werden.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsDie Bedeutung ‚klassisch’

◦ Das lateinische Adjektiv CLASSICUS (eine Ableitung von CLASSIS ‘servianische Bürger- oder Vermögensklasse’) bezog sich zunächst auf die hohen Gesellschaftsschichten, insbesondere auf die der ersten von insgesamt sechs.

◦ Daher entwickelte sich die Bedeutung ‘erstklassig’, ‘mustergültig’ in Bezug auf Sprache und Literatur.

◦ Am besten durch Quellen dokumentiert ist zweifelsohne die klassische Periode, deren Schriftsprache allerdings eine zunehmende Distanz zur lebendigen Sprechsprache entwickelte.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels

Das klassische LateinDie Entstehung der

klassischen Schriftsprache, die auch in nachklassischer Zeit für die gebildeten Schreiber weiterhin Modellcharakter besaß, ist das Ergebnis eines sprachgestalterischen Eingriffs durch die intellektuelle Elite.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsWir haben es in erster Linie mit dem Phänomen

der Diglossie zu tun, denn das klassische Latein und die

Umgangssprache mehr oder minder vulgären Charakters bleiben jedoch Varietäten eines grundsätzlich als einheitlich zu denkenden Lateins,

das wie jede entwickelte Verkehrssprache mehrere verschiedene Soziolekte aufweist.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsWas versteht man unter „Vulgärlatein“?

Der Terminus Vulgärlatein ist nicht unumstritten, hat sich aber mangels Alternativen in der Wissenschaft durchgesetzt.

Er dient in der Regel zur Abgrenzung vom klassischen Latein.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels

Vulgärlatein…… ist die

Alltagssprache des Volkes,

also die gesprochene Sprache,

ohne dass damit eine Stigmatisierung,

wie sie dem Wörtchen „vulgär“ innewohnt, verbunden sein muss!

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MERDA!!!

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsWir können folgenden Punkt festhalten:

◦ Der Begriff Vulgär- hat in historiolinguistischen Hinsicht nicht den negativen Beigeschmack wie in der heutigen Umgangssprache (= ordinär, unanständig),

◦ sondern bezeichnet - völlig wertneutral - die allgemeine Alltagssprache (von lat. VULGVS = Volk),

◦ also auch die übliche Sprache der mittleren und gehobenen Schichten und nicht nur den Jargon der untersten Schichten.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

◦ Anhand archaischer lateinischer Inschriften kann gezeigt werden, dass das Lateinische wie jede andere lebendige Sprache einem Wandlungsprozess unterworfen war.

◦ Der Gesichtspunkt, dass es in jeder Sprache große Unterschiede zwischen der geschriebenen und der gesprochenen Sprache gibt, ist von überragender Bedeutung für das Verständnis von Sprachentwicklung und Sprachwandel überhaupt.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

Nicht nur die Bezeichnung Vulgärlatein ist missverständlich, sondern auch dessen zeitliche Eingrenzung ist umstritten.

Es wird in der Forschung zwischen drei Grundpositionen unterschieden…

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

◦ Maximalistische Position: Das Vulgärlatein existierte zu allen Zeiten (ca. 200 v.Chr. bis

900 n.Chr.). ◦ Mittlere Position:

Das Vulgärlatein wurde von ca. 200 v.Chr. bis ca. 600 n.Chr. gesprochen.

◦ Minimalistische Position: Das Vulgärlatein wurde von ca. 100 v.Chr. bis ca. 400

n.Chr. gesprochen und ging dann in eine vorromanische Phase über, die bis ca. 700 n.Chr. andauerte.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

Die klassische Sprache, die uns in einer Vielzahl von Texten überliefert ist, war in der Regel bestimmten literarischen oder rhetorisch geprägten Textsorten und formelhaften mündlichen Kommunikationskontexten vorbehalten.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

Doch auch die Umgangssprache der Gebildeten wich von der uns überlieferten Schriftsprache ab.

Wenn Cicero von sermo plebeius oder vulgaris spricht, so bezeichnet er keineswegs automatisch die Sprache des Pöbels, sondern ebenso eine lockere und lebendige Ausdrucksweise nach Art des Volkes.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

In der vorklassischen Epoche herrschte ein Dualismus zwischen einem ländlichen (rusticitas) und einem städtischen Latein der Metropole Rom (urbanitas).

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

In einem Zeitraum, der von den Komödien des Terentius (166-60 v. Chr.) bis zum Beginn des literarischen Schaffens von Cicero (81 oder 82 v. Chr.) reicht, schritt die innere Variation des (gesprochenen) Lateinischen voran, die nicht mehr nur diatopisch, sondern zunehmend auch diastratisch geprägt war.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels

Vulgärlatein◦ Auf der einen Seite entstand als

high variety eine kodifizierte Standardsprache der Elite,

◦ auf der anderen setzte sich eine volkstümliche Umgangssprache der breiten Volksmassen als low variety fort,

◦ die aufgrund der ethnischen Heterogenität der Sprachgemeinschaft raschen Veränderungen unterworfen war.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

◦ Die diastratische Variation der lateinischen Sprache war den Gebildeten der Antike durchaus bewusst.

◦ So schreibt Gellius Aulus (ca. 130-180 n. Chr.): „CLASSICVS ... SCRIPTOR, NON PROLETARIVUS”

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

Ihre Blüte erlebte die lateinische Sprache in der klassischen Epoche sowohl in der Rhetorik als auch in der Literatur.

Damit war auch eine Kodifizierung verbunden, die eine zunehmende Auseinanderentwicklung von geschriebener und gesprochener Sprache bewirkte.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsInnovationen der gesprochenen Sprache

Die Aufgabe des lateinischen Kasussystems beispielsweise geschah mithilfe von Präpositionen, deren Funktionen ausgeweitet wurden.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsInnovationen der gesprochenen Sprache

Der bestimmte Artikel, den das Lateinische nicht kannte, entstand aus Formen der Demonstrativartikels ILLE und IPSE.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsInnovationen der gesprochenen Sprache

◦ Viele romanische Präpositionen, die keine Entsprechung im Lateinischen haben, sind aus Zusammensetzungen aus klassischen Präpositionen, z.B. ◦ AB + ANTE > it. avanti

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsVulgärlatein

Der Wandlungsprozess vom Lateinischen zum Romanischen muss als Kontinuum gesehen werden.

Wichtig:

Im Prinzip waren alle strukturellen Neuerungen der romanischen Sprachen bereits im gesprochenen Lateinischen angelegt.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsInnovationen der gesprochenen Sprache

Sogar für das ursprünglich analytisch gebildete romanische Futur gibt es erste Belege bereits in klassischer Zeit.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsInnovationen der gesprochenen Sprache

In nachklassischer Zeit öffnet sich die Schere zwischen dem klassischen und dem sich selbständig weiterentwickelnden Vulgärlatein immer weiter, bis am Ende der Antike literarisches und „vulgäres“ Latein gleichsam zu verschiedenen Sprachen auseinanderfallen.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des Wandels Innovationen der gesprochenen Sprache

Eine diglossische Zweiteilung innerhalb des Lateinischen zeichnete sich bereits im ersten vorchristlichen Jahrhundert mit der Etablierung der klassischen Schriftsprache ab.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsSchrift- und Sprechsprache

◦ In der Frühzeit des Lateinischen standen gesprochene und geschriebene Sprache relativ nahe beieinander, wirkten aufeinander ein und entwickelten sich stetig fort, wie es normal und üblich ist.

◦ Die dynamische Entwicklung hat sich in der literarischen Zeit (ab etwa 300 v. Chr., vor allem aber ab etwa 100 v. Chr.) rapide beschleunigt.

◦ In dieser Epoche entfernte sich das gesprochene zunehmend vom geschriebenen Latein.

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Die Variation des Lateinischen als Keimzelle des WandelsSchrift- und Sprechsprache

Ab dem ersten vorchristlichen Jahrhundert (der Epoche der sog. goldenen Latinität in der römischen Literatur) stagnierte jedoch die Entwicklung der geschriebenen Sprache.

Die von Cicero und Caesar sowie die von Vergil und Horaz verwendete Sprache erlangte nun Vorbildcharakter und veränderte sich kaum noch.

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Vom Lateinischen zum Romanischen

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Vom Lateinischen zum RomanischenQuellen des sprachlichen Wandels

antike und spätantike Texte objektsprachlich (z.B. literarische Texte, Sachtexte) Metasprachlich (Äußerungen über die Sprache, z.B. in

Traktaten zur Rhetorik, in Briefen etc.)

antike Grammatiken antike Glossare

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Vom Lateinischen zum RomanischenÜbereinstimmung zwischen dem

vorklassischen Latein und den romanischen SprachenIn die altlateinische Epoche fällt das Auftreten erster

literarischer Werke. Insbesondere die Komödiendichter Titus Maccius

Plautus (ca. 250-184) und Publius Terentius (ca. 190-159) gewähren einen kleinen Einblick in die lateinische Umgangssprache ihrer Zeit.

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Vom Lateinischen zum RomanischenMorphosyntax und Phonetik

◦ Die ersten Spuren des künftigen präpositionellen Genitivs (entstanden aus der Präposition DE + Ablativ), der sich erst in spätantiker Zeit endgültig durchgesetzt hat, finden sich bereits bei den vorklassischen Dichtern Plautus („NIL GUSTABIT DE MEO“) und Terentius („EXPERS PATRIS… DE NOSTRIS BONIS“).

◦ Die Belege nehmen in spätantiker Zeit stark zu.

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Vom Lateinischen zum RomanischenMorphosyntax und Phonetik

Es ist ferner interessant, dass einige Neuerungen der klassischen Latinität von der Umgangssprache nicht aufgenommen worden sind, so dass wir punktuelle Übereinstimmungen zwischen dem vorklassischen Latein auf der einen Seite sowie zwischen dem späten Vulgärlatein und den romanischen Sprachen auf der anderen vorfinden.

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Vom Lateinischen zum Romanischen

Morphosyntax und Phonetik◦ So verwendet der

vorklassische Schriftsteller Terentius Afer durchgäng die Pronominalform VOSTER (VOSTRA, VOSTRUM etc.), während die Autoren der klassischen Epoche VESTER (VESTRA, VESTRUM etc.) bevorzugen.

Vgl. die tradierte Form in den romanischen SprachenIt. vostro, -aSp. vuestro, -aFrz. vôtre

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Vom Lateinischen zum Romanischen

◦ P. Terentius Afer, Heauton timorumenos […] arbitrium vostrum, vostra existumatio

valebit. Quare omnis vos oratos volo,ne plus iniquom possit quam aequom oratio.facite aequi siti', date crescendi copiamnovarum qui spectandi faciunt copiam

[…]

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Vom Lateinischen zum RomanischenIn der klassischen Literatur hat sich die Variante

VESTER, -TRA, -TRUM als alleinige Norm durchgesetzt, wir zitieren einen Textausschnitt aus dem Geschichtswerk von *Titus Livius.

◦ "Etsi nihil ultra malorum est, patres conscripti, quam quod passi sumus, ut ad ultimum fidem vobis praetaremus, tamen ea vestra merita imperatorumque vestrorum erga nos fuerunt, ut nos cladium nostrarum non paeniteat.

◦ *Titus Livius (* 59 v. Chr. in Patavium, (Padua); † 17 n. Chr.), römischer Geschichtsschreiber zur Zeit des Augustus.

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[voster], [vostra], [vostrum] … [vostru], [vostra] …

…ARBITRIVM VOSTRVM, VOSTRA EXISTVMATIO VALEBIT…

[TERENTIVS]

Mündliches Kontinuum

Variante: [vester], [vestra], [vestrum] …

Vers

chrift

ung

…TAMEN EA VESTRA MERITA IMPERATORUMQUE VESTRORUM ERGA NOS FUERUNT…

[LIVIVS]

Schriftliche Norm

Wird in der populären Sprechsprache aufgegeben

Wird weiter benutzt

200 v.Chr. 0 200 n.Chr.

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Vom Lateinischen zum Romanischen• Die Grammatiker und die Volkssprache

• Der spätantike Grammatiker Aelius Donatus wollte im späten 4. Jahrhundert (n.Chr.) in seiner Ars minor die klassischen Formen festschreiben:

• […] singularis vester vestri vestro vestrum a vestro, et pluraliter vestri vestro vestrum a vestro, et pluraliter vestri vestrorum […]

• Durchgesetzt hat sich, wie wir gesehen haben, in allen romanischen Sprachen ausschließlich die ältere Form…

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