10
Schutz und von Was 98 UFZ-MAGAZIN

98 UFZ-MAGAZIN Schutz und von Was · 101 W asser effizient und ökologisch akzeptabel zu reinigen, ist eine naturwissenschaftliche und technologische Herausforderung, denn ein universell

  • Upload
    doanh

  • View
    214

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Schutz und von Was

98 UFZ-MAGAZIN

Verunreinigtes Wasser zählt zu den größten Gefahren für die natürlichen Ressourcender Menschheit. Wissenschaftler des UFZ entwickeln deshalb Reinigungs- undSanierungstechnologien. Um die Verfahren weltweit einsetzen zu können, müssen sie standortgerecht sein und neben Hightech auch Einfachtechnologien umfassen.Die intelligente Kombination von chemischen und biologischen Vorgängen ermög-licht es, in der Natur ablaufende Prozesse für die neuen Umwelttechnologien zunutzen.

Sprecher des Forschungsthemas „Schutz und Regenerierung von Wasserressourcen“:Prof. Frank-Dieter Kopinke, Leiter des Departments Umwelttechnologie

Regenerierungserressourcen

99UFZ-MAGAZIN

�Wasser schützen, Wasser heilen S. 100

Lizenz zur Bodenerwärmung S. 104

Anpassen und Maßschneidern S. 106

100 UFZ-MAGAZIN

Wasser und Boden sind unentbehrliche Ressourcen für unser Leben. Sie unterliegen einemnatürlichen Kreislauf. Bei nachhaltiger Bewirtschaftung werden sie nicht verbraucht, sondernnur gebraucht. Vom Menschen verursachte Stoffströme – insbesondere Emissionen ausIndustrie und Landwirtschaft – sorgen jedoch dafür, dass Oberflächen- und Grundwässer ineinem ständigen, teils punktuellen teils schleichenden Prozess kontaminiert werden. Trotzaller Bemühungen um nachhaltige Nutzungsformen und effiziente Technologien lässt sichdiese Beeinflussung der Umwelt nur reduzieren, nicht aber gänzlich vermeiden. Luft, Wasserund Boden haben zwar ein natürliches Selbstreinigungspotenzial, aber dieses ist begrenzt.Insbesondere im Grundwasser verlaufen viele chemische und mikrobiologische Prozesse sehrlangsam. Eine allmähliche Anreicherung von Schadstoffen bedroht die extrem empfindlichenund nur langsam erneuerbaren Grundwasserressourcen zukünftiger Generationen. Vorbeugenderund nachsorgender Grundwasserschutz haben deshalb eine strategische Bedeutung am UFZund in der Helmholtz-Gemeinschaft.

101

Wasser effizient und ökologischakzeptabel zu reinigen, ist einenaturwissenschaftliche und

technologische Herausforderung, dennein universell einsetzbares Verfahrengibt es nicht angesichts der mit einerVielzahl und in unterschiedlichenKonzentrationen von Schadstoffen be-lasteten Wässer. UFZ-Wissenschaftlerarbeiten an innovativen Technologien,die – sollen sie global anwendbar sein –standortgerecht sein müssen und die Spanne von Einfachtechnologien bis zum Hightech-Niveau umfassen.Sie reichen von naturnahen in-situ-Methoden bis zu technisch unterstütz-ten ex-situ-Verfahren zur Behandlunghoch kontaminierter Grund- undAbwässer. Entwicklungsbedarf besteht

besonders in der intelligenten Kom-bination von biotischen und abiotischenProzessen sowie bei der gezieltenNutzung biogeochemischer Prozesse inUmwelttechnologien.

Von der Grundlagenforschung biszur Anwendung

Die Entwicklung von Technologienwird im UFZ als komplexe Aufgabebetrachtet, die – in Zusammenarbeit mit den Helmholtz-ForschungszentrenKarlsruhe und Jülich – von derProblemanalyse über die Ideenfindungund Grundlagenforschung bis hin zurUmsetzung in den Pilotmaßstab odergegebenenfalls zur praktischen Er-probung im Feldversuch reicht. Beteiligtsind Wissenschaftler aus den Diszi-plinen Chemie, Physik, Biologie undMikrobiologie, Geologie, Ingenieurwis-senschaften und Systemanalyse. Ihr Zielsind Erkenntnisgewinn und Handlungs-wissen, wobei das eine ohne das anderein der Regel nicht als befriedigende

UFZ-MAGAZIN

Wasser heilen

Wasserschützen,

Frank-Dieter Kopinke, Doris Böhme und Tilo Arnhold

Biogeochemie ist eine interdis-ziplinäre Systemwissenschaft,die sich mit chemischen, biologi-schen und physikalischen Pro-zessen – im Wesentlichen Stoff-flüssen und Stoffumsätzen inÖkosystemen und Landschaften –befasst. Dazu gehören zum Bei-spiel der Kohlenstoff-, Stickstoff-oder Phosphatkreislauf.

WISSENSWERTES

102

Lösung angesehen werden kann.Adressaten ihrer Forschungsergebnissesind die internationale Fachwelt ebensowie die europäische Umweltindustrieoder die verantwortlichen Behörden inDeutschland. Die Technologien sollensowohl den Anforderungen von dichtbesiedelten Ballungsräumen als auchvon ländlichen Siedlungen mit dezen-traler Infrastruktur genügen. Die inter-nationalen Erfahrungen der Wissen-schaftler aus Kooperationen mit China,Taiwan, Brasilien, Mexiko oder derTürkei helfen dabei, auch biologischeVerfahren an andere klimatische Ver-hältnisse anzupassen.

Am UFZ konzentrieren sich dieWissenschaftler auf vier Themenfelderbei der Wasserbehandlung: Umwelt-katalyse, Rhizosphärenprozesse, dieNutzung von Radio- und Mikrowellensowie Herstellung und Anwendung re-aktiver Kolloide. Zwei dieser Themen –Umweltkatalyse und Radiowellen-anwendung – werden in den nachfol-genden Beiträgen ausführlicher dar-gestellt. Deshalb sollen hier dieGrundgedanken der beiden anderenThemen skizziert werden.

Zurück zu den WurzelnChemiker, Biologen und Verfahrens-

ingenieure des UFZ wollen Rhizo-sphärenprozesse – Wurzelraumprozesse –intelligent zur Reinigung kontaminierterWässer nutzen. Dazu ist es zunächst notwendig, die biologischen Auf- undAbbauprozesse, die sich in der Boden-schicht zwischen Pflanzenwurzeln undMikroorganismen abspielen, zu erkennenund zu verstehen. Mit diesem Wissen ist esmöglich, Prozesse gezielt zu steuern, sinn-voll zu kombinieren und in die Praxisumzusetzen. Eine wichtige Steuergröße fürdas Zusammenspiel Lebensgemeinschaft„Pflanze-Mikroorganismen“ und Stoff-

umsatz ist das Angebot an Sauerstoff undanderen Oxidationsmitteln wie Nitrat undSulfat als so genannte Elektronen-akzeptoren. Die Wissenschaftler schaffenalso reduzierende oder oxidierende

Bedingungen im durchwurzelten Boden-bereich und untersuchen, wie diese denAbbau von Schadstoffen beeinflussen.

Wasser- und Abwasserprobleme tretenhäufig in ländlichen Regionen auf odersolchen, die von Wassermangel geprägtsind. Gerade dort wäre es sinnvoll, kom-munale und industrielle Abwässer als„neue“ Wasserressource zu erschließen –doch dazu müssen sie gereinigt werden.Deshalb sollen vor allem an Standortenmit dezentraler Infrastruktur und inLändern der Dritten Welt unterschiedlichbepflanzte Bodenfilter – also einfachePflanzenkläranlagen – getestet und ein-gesetzt werden.

UFZ-MAGAZIN

Bei Kolloiden (im Bild: fein gemahlene Aktivkohle) handelt es sich um mikroskopisch kleine Teilchen in der Größenordnung von 1 bis1000 Nanometer. Sie spielen bei vielen biologischen und techni-schen Prozessen eine große Rolle, weil sie im Verhältnis zur Masseeine große Oberfläche besitzen. Aufgrund der geringen Größe wirdfür Kolloide meist eine Flüssigkeit als Trägermedium (Suspension)benutzt.

Huminstoffe sind natürliche or-ganische Makromoleküle, die sichbeim Abbau von Pflanzenresten imBoden bilden (Humus). Quellenfür die Gewinnung von Humin-stoffen sind Torf und jungeBraunkohlen.

WISSENSWERTES

Besonders in wasserarmen Regionen der Weltmuss nach Möglichkeiten gesucht werden,Wasser effektiver zu nutzen oder neue Quellenzu erschließen. UFZ-Wissenschaftler wollen des-halb Pflanzenkläranlagen so optimieren, dassAbwasser wieder genutzt werden kann, umFelder zu bewässern. Die Forschung beginnt mitGrundlagenuntersuchungen und reicht bis zuPilotanlagen, um die Verfahren zu testen.

Foto

: Ro

bert

Köh

ler,

UFZ

103

Kleine Teilchen, große WirkungSoll kontaminiertes Grundwasser

direkt im Grundwasserleiter gereinigtwerden, müssen verschiedene Stoffe sovermischt werden, dass sie miteinanderreagieren können. Eine schwierigeAufgabe, die die Wissenschaftler mit sogenannten Kolloiden lösen wollen. Mitdiesen mikroskopisch kleinen Teilchen,die in Form von kolloidalen Suspen-sionen in den Grundwasserleiter einge-tragen werden, sollen die Schadstoffeund Reaktionspartner „gesammelt“werden. Denn je nach Beschaffenheitund Umgebungsbedingungen könnensich Kolloide an die natürlichen

An die Luft gesetztEin völlig neuer Ansatz mit Schad-

stoffen umzugehen, basiert auf derTatsache, dass das Selbstreinigungs-potenzial unterschiedlicher Umwelt-bereiche für verschiedene Schadstoffenicht gleich ist. Ein Beispiel: Methyl-tertiär-Butylether (MTBE) – ein Ben-zinzusatzstoff (siehe Beitrag Seite 23) –ist im Grundwasser nur sehr schwerabbaubar. Die Halbwertszeit liegt imBereich von Jahren. In der Atmosphäredagegen wird MTBE infolge fotoche-mischer Prozesse sehr schnell zersetzt.Die Halbwertszeit beträgt hier nur etwafünf Tage. Bläst man also MTBE ausdem Grundwasser – in diesem Fall demwenig reaktiven Bereich – mit ver-gleichsweise geringem technischenAufwand in die Atmosphäre – den reak-tiveren Bereich – aus, hat man zwar denNachteil einer zusätzlichen Luftver-schmutzung. Diese ist jedoch zeitlichbegrenzt. Der Vorteil ist: Man spart mitdiesem einfachen Verfahren Ressourcen,Geld und Zeit und verhindert die schleichende Gefahr, die von MTBE imGrundwasser ausgeht. Was simpelklingt, ist im Einzelfall eine komplexeAufgabe, denn die Abwägung und Be-wertung der Vor- und Nachteile erforderteine enge Zusammenarbeit zwischenNaturwissenschaften, Ökonomie undUmweltrecht. Gerade das ist eine Stärke der Forschung im UFZ und in derHelmholtz-Gemeinschaft.

Der Chemiker Prof. Frank-Dieter Kopinke

leitet das Department Umwelttechnologie am

UFZ.

UFZ-MAGAZIN

Benzin enthält Zusatzstoffe,die – gelangen sie ins Grund-wasser – dort nur sehr schwerabbaubar sind.

Ein Grundwasserleiter ist ein Gesteinskörper mit Hohlräumen,der zur Speicherung und Leitungvon Grundwasser geeignet ist.Es gibt drei Arten von Grundwas-serleitern: Porengrundwasserlei-ter bestehen aus Locker- oderFestgestein, dessen Porenraumvon Grundwasser durchflossenwird; Kluftgrundwasserleiter be-stehen aus Festgestein, durchdessen Klüfte und GesteinsfugenGrundwasser fließen kann;Karstgrundwasserleiter bestehenaus verwitterten wasserdurchläs-sigen Karbonatgesteinen. EinGrundwasserleiter wird geolo-gisch durch wasserundurchläs-sige Schichten (z.B. Tone)begrenzt.Die Erkundung von Grundwasser-leitern ist wichtig für die Trink-wassergewinnung und die berg-bauliche Grundwasserbeeinflus-sung.

WISSENSWERTES

Foto

: Ph

otod

isc

Envi

ronm

enta

l Con

cern

s

Materialien des Grundwasserleitersanlagern und eine Barriere bilden, diewie ein Filter wirkt. Beim Passierendieser Barriere werden die Grund-wasserschadstoffe adsorbiert – alsoangelagert – oder abgebaut. Das UFZkonzentriert sich auf Kolloide aus drei ökologisch unbedenklichen Stoff-gruppen: Aktivkohle, Eisen und Humin-stoffe.

104

Temperaturbereich, um Schadstoffe zueliminieren. Eine etablierte verfahrens-technische Methode ist es, Festbetten mitHeißluft oder Dampf aufzuheizen. Siehat jedoch den Nachteil, dass die starreVerknüpfung von Gasfluss und zu über-tragender Wärmemenge es oft nichterlaubt, gewünschte Stoffkonzentra-tionen einzustellen.

Über kurz oder lang?In den letzten Jahren sind als viel

versprechende Alternative direkteHeizverfahren entwickelt worden, dienicht an einen Stoffstrom gebundensind. Im Alltag hat sich beispielsweisedie Mikrowellenerwärmung durchge-setzt. Sie beruht auf der Wechsel-wirkung eines elektrischen Wechsel-

feldes mit im Medium vorhandenenmolekularen Dipolen wie Wasser.Entsprechende Mikrowellengeräte ste-hen mittlerweile in fast jedem Haushalt.Für viele technische Prozesse besitzt dieMikrowellenheizung jedoch entschei-dende Nachteile. Einerseits kann dieStrahlung nur wenige Zentimeter in daszu erwärmende Material eindringen, sodass sich größere Mengen nicht gleich-mäßig erwärmen. Andererseits ist fürviele Stoffe der Energieeintrag nicht effi-zient, da ein großer Teil der eingestrahl-ten Energie reflektiert wird. Physiker,Chemiker und Ingenieure des UFZhaben ein alternatives Erwärmungsver-fahren entwickelt, das auf der An-wendung von Radiowellen beruht, undin unterschiedlichen Bereichen erprobt

UFZ-MAGAZIN

Lizenz zur Boden-

erwärmung

Ulf Roland und Tilo Arnhold

Die Temperatur spielt in praktischallen Bereichen des Lebens eine entscheidende Rolle – sowohl für

natürliche Vorgänge als auch für techni-sche Prozesse. Während die Aufheizungflüssiger Medien technisch sehr gutgelöst ist, besteht ein Bedarf an in-situ-Verfahren, die eine gleichmäßige und gutsteuerbare Erwärmung von Feststoffenermöglichen. Das Problem: Feststoffewie Boden lassen sich nur schwer durch-mischen, und ihre effektive Wärmeleit-fähigkeit ist häufig sehr gering. Aberdurch eine Temperaturerhöhung imBoden können Schadstoffe in wesentlichkürzerer Zeit abgebaut und über dieBodenluft abgesaugt werden. AuchMikroorganismen lieben es warm: 30 bis40° Celsius sind für sie der optimale

105

wird. Es kombiniert die Vorteile derMikrowellenerwärmung wie den direk-ten Energieeintrag in das Medium mitder Möglichkeit, bei deutlich größerenEindringtiefen homogener aufzuheizen.Außerdem ist der Energieeintrag inunterschiedlichste Medien nahezu ver-lustfrei. Es kann deshalb unter anderembei trockenen und feuchten Böden,Aktivkohlen oder Katalysatoren einge-setzt werden. Die Lösung liegt in einerVerschiebung des Frequenzbereichesvom GHz- in den MHz-Bereich – alsovon relativ kurzen zu langen Wellen hin.

Erfolg im FeldAufgrund der großen Relevanz für die

Umwelt- und Verfahrenstechnik wurdedie Technologie an Aktivkohlen, Silikat-mineralen sowie unterschiedlichenBöden im Labor-, Technikums- undFeldmaßstab erprobt. Darunter waren

mehrere erfolgreiche Feldversuche zurRealisierung der thermisch unterstütz-ten Bodenluftabsaugung, der thermischunterstützten mikrobiellen Bodenrei-nigung sowie zur gezielten Erwärmungvon Schadstoffquellen an unterschied-lichen Referenzstandorten. Für An-wendungen im technischen Maßstabsteht mittlerweile ein containerbasier-tes, modulares System zur Verfügung, indem alle Komponenten für eine thermi-sche Behandlung von Böden und ande-ren Feststoffen integriert sind. Ein ersterLizenzvertrag zur Verwertung derTechnologie wurde abgeschlossen. Abernicht nur im Bereich der Sanierungs-verfahren besteht ein erhebliches An-wendungspotenzial der Radiowellen-technologie. Sie ist auch für die chemi-sche Prozesstechnik interessant. Radio-wellen gestatten prinzipiell die selektiveErwärmung einzelner Komponenten ineinem Festbett, was völlig neue Perspek-tiven für etablierte technische Prozesseeröffnet.

Der Physiker Dr. Ulf Roland ist wissenschaft-

licher Mitarbeiter im Department Umwelt-

technologie und leitet die Arbeitsgruppe Radio-

wellentechnologien.

UFZ-MAGAZIN

Physiker und Ingenieure entwickelnunter Nutzung des MikrowellenprinzipsUmwelttechnologien, um mit Schad-stoffen verunreinigte Böden zu reinigen.Die Technologie wird nicht nur im Labor,sondern insbesondere im Technikums-und Feldmaßstab erprobt. Im techni-schen Maßstab steht ein containerba-siertes, modulares System zur Verfügung.

Radiowellen sind elektromagne-tische Wellen, wie sie imRundfunk eingesetzt werden.Physikalisch betrachtet handeltes sich bei elektromagnetischenWellen um sich ausbreitendeSchwingungen eines elektromag-netischen Feldes, das aus einerelektrischen und einer magneti-schen Komponente besteht. DieseEigenschaften werden genutzt,um Daten oder Energie zu übertragen. ElektromagnetischeWellen werden in verschiedeneWellenbereiche unterteilt. Je kür-zer die Wellenlänge ist, destohöher wird die Frequenz, also derTakt, in dem die Welle schwingt.

WISSENSWERTES

106

Häufig war es „die Chemie“, die bei-spielsweise Grundwässer unterIndustriestandorten verunreinigt

hat – Chemie kann sie auch wieder hei-len. Die Reaktionsbedingungen für dieWasserreinigung werden allerdings vonder Natur vorgegeben und sind für einechemische Behandlung eher ungünstig.Die Erwärmung großer Wasserströme istökonomisch nicht vertretbar. Deshalbsteht die Temperatur als Parameter zur Steuerung der Reaktionsgeschwin-digkeit nicht zur Verfügung. Eine weitereHürde sind die Schadstoffkonzentra-tionen. Für den Menschen können schongeringe Konzentrationen von wenigenMilli- oder Mikrogramm pro Litergefährlich sein. Auch für chemischeReaktionen sind solche Konzentrationenein Problem. Dazu kommt noch, dassdas Stoffspektrum eines Schadensfallsmeist komplex ist. Die Behand-lungsmethode soll deshalb für verschie-dene Substanzklassen gleichzeitig an-wendbar sein. In der Umweltchemiegehören Katalysatoren daher zum unver-zichtbaren Handwerkszeug, um chemi-sche Reaktionen schnell und selektivablaufen zu lassen.

Die richtige Strategie verant-wortungsbewusst auswählen

Welche chemischen Reaktionen ste-hen zur Verfügung und wo stellen sichProbleme in den Weg? OrganischeSchadstoffe lassen sich oxidieren – vor-zugsweise zu Kohlendioxid und Wasser.Bei einigen Schadstoffklassen wie denchlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW)kommt zusätzlich auch die Reduktion

zur Entgiftung der Wässer in Betracht.Beide Reaktionswege haben Vor-, aberauch Nachteile. Eine unvollständigechemische Umwandlung der Schad-stoffe kann die Toxizität des Wasserssogar erhöhen, statt vermindern.Beispielsweise entstehen bei einerunvollständigen Oxidation aus chlorier-ten Phenolen auch die bekannten chlo-rierten Dibenzodioxine und -furane(Verwandte des Seveso-Gifts). Deshalb

wird für CKW-Kontaminationen deroxidative Behandlungsweg als kritischeingeschätzt. Es muss also je nachSchadensfall die geeignete Behand-lungsstrategie verantwortungsbewusstausgewählt werden.

Die Anpassung von bekanntenReaktionen und Katalysatoren an dieUmweltbedingungen stellt die eigentli-che Herausforderung für die Ent-wicklung praxistauglicher katalytischerVerfahren dar. Am UFZ werden imRahmen des Projektes "Umweltkata-lyse" mehrere Wege verfolgt, um diesesZiel zu erreichen: Schadstoffe sollendurch Adsorption an Katalysatorträ-gern wie Aktivkohlen angereichert und

ihre chemische Umwandlung im adsor-bierten Zustand durchgeführt werden.Durch Adsorption werden die Schad-stoffe am Katalysatorträger – also nahedem Ort der Reaktion – „gesammelt“und so das Wasser gereinigt. Am

UFZ-MAGAZIN

Anpassen undMaßschneidern

Katrin Mackenzie und Tilo Arnhold

107

katalytisch aktiven Zentrum soll nun diechemische Umwandlung zu unschäd-lichen Produkten erfolgen. Adsorptionund chemische Reaktion sollen alsozusammenarbeiten. Die adsorbiertenSubstanzen dürfen aber nicht nur ausdem Wasser entfernt werden, sondernmüssen auch der chemischen Reaktionzur Verfügung stehen. Deshalb müssendie Wissenschaftler Adsorptions-

Reaktions-Systeme für reduktive undoxidative katalytische Verfahren findenoder neu entwickeln.

Sowohl neue als auch bewährteMethoden

Eine ganz neue Richtung in derUmwelttechnologie ist der Einsatz vonNanoreagenzien und Nanokatalysa-toren. Die Nanotechnologie hat alsoauch im Umweltbereich Einzug gehal-ten. Nanopartikel aus metallischemEisen – so genannte Eisenkolloide –wurden beispielsweise schon erfolg-reich zur Grundwasserreinigung ein-gesetzt. Chemiker und Verfahrens-ingenieure testen verschiedene Nano-katalysatoren: Zum einen Adsorptions-Reaktions-Systeme, die für den in-situ-Einsatz bei der Grundwasserreinigungverwendet werden sollen. Zum anderenwerden für spezielle Anwendungen inder Abwasserreinigung extrem aktivePalladium-Katalysatoren auf ferromag-

netischen Trägerkolloiden untersucht,die mithilfe von Permanentmagnetenelegant aus dem gereinigten Wasserwieder abgetrennt werden können. Hierspielt auch das Studium ihrer Risikenwie das potenzielle Durchdringen vonZellwänden und mögliche unerwünsch-te Effekte dieser Kleinstteilchen inlebenden Zellen eine Rolle. DieseFragestellung wird in enger Koopera-tion mit Zelltoxikologen des UFZbehandelt.

UFZ-MAGAZIN

Aber auch altbewährte Technologie-ansätze sind unverzichtbar bei derSuche nach geeigneten Behandlungs-methoden für kontaminiertes Wasser.Ein möglicher Weg, die Reaktions-bedingungen für die Umweltkatalyse zu verbessern, besteht in der Überfüh-rung der hoch verdünnten flüchtigenSchadstoffe aus der „ungünstigen“Wasserphase in die „günstige“ Gas-phase. Viele organische Verbindungenwerden beim Ausblasen mit Luft, demso genannten Strippen, in der Gasphasestark angereichert, wodurch eine Be-handlung der beladenen Gasströme beierhöhten Temperaturen ökonomischvertretbar wird. Kombiniert manStrippen mit der heterogen katalysiertenGasphasenreaktion, dann erweitert sichder Anwendungsbereich der Katalysefür die Wasserreinigung beträchtlich.

Anpassen und Maßschneidern – dassind die Wege zu wirksamen chemi-schen Verfahren in der Umwelttech-nologie.

Die Chemikerin Dr. Katrin Mackenzie ist wis-

senschaftliche Mitarbeiterin im Department

Umwelttechnologie und leitet die Arbeitsgruppe

Umweltkatalyse.

Chlorierte Kohlenwasserstoffe(CKW) sind eine Sammelbezeich-nung für organische Verbindun-gen, die Chlor enthalten. Chlor-kohlenwasserstoffe werden alsGrundstoffe in der chemischenIndustrie eingesetzt.

WISSENSWERTES

Durchflussreaktor mit Magnetit-Nanopartikeln zur Wasserreinigung

ElektronenmikroskopischeAufnahmen von Aktivkohlepar-tikelnIm linken Bild sind größere Eisen-kristallite (schwarz) und kleine Nano-partikel auf Aktivkohle (Bildmitte) zusehen. Das rechte Bild zeigt einen Schnittdurch einen Aktivkohlepartikel mit abge-schiedenem metallischen Eisen.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen: G. Wagner, Universität Leipzig