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Das Fachmagazin für kindzentrierte Pädagogik PRAXIS Ausgabe 49 September 2017 Bestell-Nr. 12549 PRAXIS EXTRA: Der Mutmachfilm “Vom kleinen Spatz, der nicht fliegen wollte” auf DVD für Sie, die Kinder und die Eltern RESILIENZ RESILIENZ Warum sie trotzdem gedeihen

a achmagazin fr kindzentrierte dagogik er …...(REGINE SCHIERLE-WENGER) GUT ANGEKOMMEN Eingewöhnung in der Peergroup (MICHAEL PFREUNDNER) „DU KANNST DAS!“ Wie Kinder in der Kita

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Das Fachmagazin für kindzentrierte Pädagogik

PRAXIS Ausgabe 49

September 2017

Bestell-Nr. 12549

PRAXIS

EXTRA:Der Mutmachfilm “Vom kleinen Spatz,

der nicht fliegen wollte” auf DVD für Sie, die Kinder und die Eltern

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RESILIENZ

Warum sie trotzdem gedeihen

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„Gut Ding muss Weile haben“ hat meine Oma immer gesagt. Und so haben wir uns

in den letzten Monaten viel Zeit genommen, um die Zeitschrift weiterzuentwickeln.

PRAXIS heißt sie ab dieser Ausgabe. Und weiter: Das Fachmagazin für kindzen-

trierte Pädagogik.

Damit drücken wir aus, wofür wir uns seit 2005 mit Leidenschaft einsetzen: Für

eine Pädagogik, die Kinder und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Unsere

Stärke ist, gut gelebte Praxis in Kitas vorzustellen und Erzieherinnen in ihrer päda-

gogischen Arbeit zu unterstützen. Deshalb werden Sie hier auch zukünftig Berichte

Ihrer Kolleginnen über Ideen, Projekte und Konzepte finden. Außerdem versorgen

wir Sie in den Fachartikeln weiterhin mit dem nötigen Hintergrundwissen. Was

sich in der Vergangenheit bewährt hat, soll in Zukunft auch so bleiben. Dafür, und

für die hohe Qualität der PRAXIS , stehe ich als Herausgeberin der Zeitschrift

mit meinem Namen.

Die erste PRAXIS geht mit dem aktuell viel diskutierten Thema Resilienz

an den Start. Dafür haben wir Erzieherinnen getroffen, die uns berichten, was die

Kinder in ihrer Einrichtung stark und selbstbewusst macht. Wir haben Psycholo-

ginnen befragt, was man heute über die Widerstandsfähigkeit von Kindern weiß.

Und schließlich sind auch die Kinder zu Wort gekommen. Sie dürfen also gespannt

sein …

Ich möchte mich sehr herzlich bei Christina Adler-Schäfer bedanken, die uns

beim Erstellen der Heftkonzeption so kompetent und tatkräftig unterstützt hat. Sie

ist auch die Autorin des wunderbaren Kinderbuches „Vom kleinen Spatz, der nicht

fliegen wollte“. Ich freue mich sehr, dass es möglich wurde, Ihnen mit beiliegender

DVD einen animierten Kurzfilm dieser Geschichte über das Großwerden, Hinfallen

und Aufstehen an die Hand zu geben.

Margit Franz, Herausgeberin

RESILIENZ EDITORIAL

PS: Viel Freude beim Schmökern in der neuen PRAXIS . Wir freuen

uns über Ihre kritischen Rückmeldungen! Bitte mailen Sie uns diese an

[email protected].

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INDER GLEICHZEITIG EINGEW

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AS GEHT, LESEN SIE AB SEITE 50.

EDITORIAL

EIN BILD – EIN THEMA

(CHRISTINE BETZ)

IM GESPRÄCH: „WENIGER IST MEHR!“ Die Leiterin der Kita „die buntspechte“ in Gründau

und ihre Mitarbeiterinnen sprechen über Stressfakto-

ren bei der Arbeit

(SIGRID DIEBOLD)

MEIN ERLEBNIS: ICH UMARME SIE JEDEN TAG ...Ein besonderes Geburtstagsgeschenk

IDEENSchnell umgesetzt im Kita-Alltag

MEDIENLesenswertes zum Heftthema

VORSCHAU / IMPRESSUMEin Vorgeschmack auf das nächste Heft

RESILIENZINHALT

1

4

23

12

28

54

56

12

14

Starke Kinder wissen und können viel! Lesen

Sie auf Seite 12, was die 4-Jährige Ricarda

von ihrem unendlichen Können berichtet ...

„Zum Äpfel ernten brauchen wir keinen

Erwachsenen!“ Was die Kinder in der Kita

„die buntspechte“ noch so alles alleine

schaffen, sehen Sie auf den Bildern auf

den Seiten 14 bis 17.

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— P R A X I S —

(ANNE FREY)

JAAAA! – ICH HAB’S GESCHAFFT!Selbstwirksamkeit im Spiel fördert Resilienz

(CHARMAINE LIEBERTZ)

LACHEN … UND ALLES WIRD GUTEine Erziehung mit Herz und Humor schenkt

Kindern Zuversicht

(REGINE SCHIERLE-WENGER)

GUT ANGEKOMMENEingewöhnung in der Peergroup

(MICHAEL PFREUNDNER)

„DU KANNST DAS!“ Wie Kinder in der Kita lernen, Herausforderungen

mutig zu begegnen

HEFT 3/17 INHALT

6

18

30

43

Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalte

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hrung, Sendung!

Ein BilderbuchfilmDVD zur PRAXIS Nr. 49

“RESILIENZ”

Ein BilderbuchfilmDVD zur PRAXIS Nr. 49

“RESILIENZ”

Der kleine Spatz ist neugierig und fröhlich, aber fliegen mag er nicht. Da helfen kein Flug-o-mat und keine Blattlaussuppe. Erst wenn seine Zeit gekommen ist, kann der Piepmatz richtig abheben ...Die Geschichte zeigt uns, dass Entwicklung nicht „machbar“ ist. Eltern und Erzieherinnen können Kinder nicht schneller machen. Was Kind-er wirklich brauchen, sind einfühlsame Bezugspersonen, die der En-twicklungsfähigkeit von Kindern Vertrauen entgegen bringen. Nur auf diesem Nährboden können die Schutzfaktoren gedeihen, die Kinder zu resilienten Persönlichkeiten werden lassen.Eine Mutmach-Geschichte für Erzieherinnen – aber auch für Eltern und Kinder ab vier Jahren.

SPRECHER: Joachim WagenthalSOUND: SoundbizzANIMATION: Inga LiebegottLAUFZEIT: 3:44 min

VOM KLEINEN SPATZ, DER NICHT FLIEGEN WOLLTE ist auch als großformatiges Bilderbuch beim Robert-Schäfer-Verlag erhältlich.

Best.-Nr. 12649Diese DVD ist ausschließlich für

nichtgewerbliche öffentliche Vorführungen in Kindergarten,

Schule und Jugendarbeit bestimmt.

Herausgegeben von

www.klett-kita.de

in Zusammenmarbeit mit dem

www.goloseo-verlag.de

Für bewegende Kinderbücher und mehr...

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EIN

BIL

DER

BUCH

FILM

PRAXIS

— W I S S E N —

(MIRIAM LEITHERER, ANNA SPINDLER)

RESI-WAS?So werden Kinder stark

(CHRISTINA ADLER-SCHÄFER)

FEINFÜHLIGKEIT IST GEFRAGT Welche Haltung braucht die Fachkraft?

(CHRISTIANE WIESLER, BARBARA VON KALCKREUTH)

STRESS LASS NACH!Was macht Stress mit Kindern und wie machen wir

sie resistent dagegen?

(SEBASTIAN MÜLLER)

WIR SPIELEN STÄRKEN-DETEKTIV!Ressourcen von Kindern wahrnehmen, dokumentie-

ren und aktivieren

14

35

50

38

MATERIALPAKET: DER BILDERBUCHFILM VOM KLEINEN SPATZ, DER NICHT FLIEGEN WOLLTE

Die Geschichte vom kleinen Spatz ist eine

Geschichte über das Großwerden, das

Hinfallen und das Aufstehen. Sehen Sie

sich den Mut machenden Animationsfilm

gemeinsam im Team, beim Elternabend

oder mit den Kindern an und kommen Sie

miteinander ins Gespräch. Impulse dazu

finden Sie im beiliegenden Booklet.

Für den „Ressourcenwurm“ denken die Kinder

gemeinsam mit der Erzieherin über ihre „stärks-

ten Stärken“ nach. Weitere Methoden, wie sie

mit den Kindern ihre „Schätze heben“ können,

stellt Sebastian Müller ab Seite 43 vor.

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EXTRA:

Der Mutmachfilm

“Vom kleinen Spatz,

der nicht fliegen wollte”

auf DVD für Sie, die Kinder

und die Eltern

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EIN BILD

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„Bewahre mich vor dem naiven Glauben,

es müsste im Leben alles gelingen.

Schenke mir die nüchterne Erkenntnis,

dass Schwierigkeiten, Niederlagen,

Misserfolge, Rückschläge eine selbst-

verständliche Zugabe zum Leben sind,

durch die wir wachsen und reifen.“

Antoine de Saint Exupéry

(frz. Schriftsteller *1900 †1944)

EIN THEMA

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SO WERDEN KINDER STARK

RESI-WAS?

Es gibt Kinder, die haben denkbar schlechte Startbedingungen und kommen

trotzdem gut durchs Leben. Resilienz heißt das Zauberwort, wenn Menschen

über eine große seelische Widerstandsfähigkeit verfügen. Auch pädagogische

Konzepte können die Resilienz von Kindern stärken.

WISSEN

Resi-was?

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Geburt an mitbringt, und zum anderen

Merkmale, die sich in der Interaktion

mit der Umwelt ausbilden. Vulnerabili-

tätsfaktoren bestehen unter anderem in

• genetischen Dispositionen

• Komplikationen vor, während oder

nach der Geburt

• geringen kognitiven Fertigkeiten und

• unsicherer Bindung zu Bezugsperso-

nen.

as Mädchen ist 10 Jahre alt und

Halbwaise. Weil ihr Vater beruf-

lich meistens im Ausland weilt,

lebt sie schon seit Längerem alleine

in einem verwahrlosten Haus. Ein-

mal wurde sogar in dieses Haus ein-

gebrochen, als sie zu Hause war. Sie

schwänzt die Schule und hat deshalb

nur rudimentäre Lese- und Schreib-

kompetenzen. Das Jugendamt wurde

viel zu spät auf sie aufmerksam und hat

es versäumt, sie rechtzeitig in eine ent-

sprechende Jugendhilfeeinrichtung zu

bringen.

Sie hat rote Zöpfe, einen Affen und

ein Pferd. Sie heißt Pippi Langstrumpf –

und ist ein Paradebeispiel für das Kon-

zept der Resilienz. Denn obwohl sie

massiven Risiken ausgesetzt ist, gelingt

es ihr, ihre Ressourcen und Kompeten-

zen so einzusetzen, dass sie im Grunde

genommen ein sehr glückliches Kin-

derleben führt. Ihre Kompetenzen sind

zum Beispiel ihr unerschütterlicher Op-

timismus, ihr Mut und ihre blühende

Fantasie, ihre engen und treuen Freun-

de aber natürlich auch ihr unerschöpf-

licher Goldschatz. Sie hat zudem eine

sichere Bindung an ihren abwesenden

Vater und eine hohe Alltagskompetenz.

Risikofaktoren können die kind-liche Entwicklung beeinflussen – aber sie müssen es nicht

Das Risiko- und Schutzfaktorenkonzept

stellt ein zentrales Konzept in der Re-

silienzforschung dar. Dieses Konzept

befasst sich mit den Auswirkungen

von Risikofaktoren, die im Zusammen-

spiel mit der Verletzbarkeit (Vulnera-

bilität) des Kindes dessen Entwicklung

beeinträchtigen können, es aber nicht

zwangsläufig müssen.

Sogenannte Risikofaktoren beziehen

sich auf psychosoziale Merkmale der

Umwelt des Kindes und können die Fa-

milie oder auch das weitere soziale Um-

feld des Kindes betreffen. Dazu gehören

• geringe familiäre Ressourcen (nied-

riger sozio-ökonomischer Status, Ar-

mut, Arbeitslosigkeit, niedriges Bil-

dungsniveau der Eltern),

• Instabilität in der Familienkonstella-

tion (Trennung, Scheidung, Wieder-

heirat, wechselnde Partnerschaften),

• anhaltende familiäre Konflikte,

• Alkohol- und Drogenmissbrauch der

Eltern,

• psychische Erkrankungen,

• ungünstige Erziehungsprakti-

ken,

• fehlende Anbindung an das so-

ziale Umfeld (häufige Umzüge,

häufiger Schulwechsel, soziale

Isolation der Familie, Migrati-

onshintergrund, Mobbing/Ab-

lehnung durch Gleichaltrige,

aversives Wohnumfeld),

• ein Verlust in der Familie oder

im Freundeskreis oder auch

• Kriegserlebnisse und Fluch-

terfahrungen (diese besonders

extremen Formen von Risiko-

faktoren stehen in der päda-

gogischen Diskussion derzeit

besonders im Fokus).

Unter Vulnerabilität werden

psychologische und biologische

Merkmale des Kindes verstan-

den. Zum einen können das

Merkmale sein, die das Kind von

TEXT: MIRIAM LEITHERER UND ANNA SPINDLER WISSEN

DResi-was?

Alkoholmissbrauch der Eltern – einer von

möglichen Risikofaktoren, welche die kindliche

Entwicklung beeinträchtigen können

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DEFINITION „RESILIENZ“

„Resilienz ist ein Prozess der Anpassung im

Angesicht von Widrigkeiten, von Trauma-

ta, Tragödien, Bedrohung oder anderen

wesentlichen Quellen von Stress. Resilienz

bedeutet, nach schwierigen Erfahrungen

zurückzukommen. Resilienz ist durchaus

„normal“ und viele Menschen sind in der Lage,

auch schwere Krisen zu meistern.“ (American

Psychological Association)

„Unter Resilienz wird die Fähigkeit verstanden,

Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf

persönliche und sozial vermittelte Ressourcen

zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu

nutzen.“ (Rosmarie Welter-Enderlin).

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Wenn es um die Stärkung der Resilienz

von Kindern geht, nehmen im Gegenzug

zu den Risiko- und Vulnerabilitätsfak-

toren die Schutzfaktoren einen hohen

Stellenwert ein. Die Schutzfaktoren las-

sen sich auf der Ebene des Kindes, der

Familie und des außerfamiliären sozia-

len Umfeldes verorten. Es wird deutlich,

dass die gesamte Lebenswelt gleicher-

maßen Einfluss auf die positive Entwick-

lung eines Kindes nimmt und auch dem

sozialen Umfeld des Kindes außerhalb

der Familie eine hohe Bedeutung zu-

kommt. Dabei spielt nicht nur die kör-

perliche Gesundheit eine Rolle, sondern

maßgeblich die personalen Ressourcen,

ein positives Selbstbild sowie soziale

und emotionale Kompetenzen auszubil-

den. Wenn das Kind stabile Beziehun-

gen zu Bezugspersonen aufbauen kann,

es sich als selbstwirksam erlebt, an sich

glauben kann und Problemlösefertigkei-

ten erwirbt, bildet das Kind Ressourcen

aus, die es ihm erlauben, schwierige Le-

benssituationen in der Gegenwart und

in der Zukunft zu meistern.

698 Kinder wurden bei einer Studie auf Hawaii beobachtet

Ab 1955 führten Emmy Werner und

Ruth Smith die bislang größte und be-

kannteste Längsschnittstudie zu Re-

silienz auf der Hawaiianischen Insel

Kauai durch. An der Studie nahmen alle

698 Kinder des Geburtsjahrganges 1955

nach der Geburt und im Alter von 1, 2,

10, 18, 32 und 40 Jahren teil.

Diese breit angelegte Untersuchung ist

zwar auch die älteste Untersuchung zu

Resilienz, die Erkenntnisse über die Re-

silienz- und Schutzfaktoren haben aber

bis heute ihre Aktualität behalten. 201

Kinder wurden aufgrund der familiären

Lebenslagen und sozio-ökonomischen

Ressourcen, wie z.B. chronische Armut,

geringes Bildungsniveau der Eltern,

Komplikationen bei der Geburt, psy-

chische Erkrankungen der Eltern und

anhaltende familiäre Konflikte als risi-

kobelastet eingestuft.

RESI-WAS?

Die Untersuchungen ergaben, dass

129 Kinder von diesen 201 Kindern im

Laufe ihres Lebens schwere Lern- und

Verhaltensauffälligkeiten entwickelten.

Diesen Kindern fiel es unter anderem

schwerer, Aggressionen zu kontrollie-

ren und sie zeigten vermehrt Abhän-

gigkeitsprobleme sowie Lernschwie-

rigkeiten. Zudem war die Rate an

Straffälligkeiten und frühen Schwan-

gerschaften erhöht. 72 der 201 Kinder,

die einem hohen Entwicklungsrisiko

ausgesetzt waren, entwickelten sich je-

doch trotz ungünstiger Lebensumstän-

de zu kompetenten und selbstsicheren

Erwachsenen, die ihr Leben selbstbe-

stimmt gestalten konnten – sie zeigten

somit eine gut ausgebildete Resilienz.

Im Alter von 40 Jahren waren sie we-

niger von Todesfällen betroffen, erfreu-

ten sich einer besseren Gesundheit und

konnten beständigere Beziehungen zu

einem Partner aufbauen.

Wie konnten sich die Kinder aus risi-

koreichen Lebensumständen so unter-

schiedlich entwickeln? Die Autorinnen

Emmy Werner und Ruth Smith fanden

die Antwort darauf in bestimmten Res-

sourcen in den Familien und dem so-

zialen Umfeld, die das Kind nachhaltig

in seiner Entwicklung stärken konnten

und somit als Schutzfaktoren fungier-

ten: Die meisten dieser resilienten

Kinder konnten zu mindestens einer

Bezugsperson in ihrem familiären Um-

feld eine enge und stabile Beziehung

aufbauen. War diese Bindung mit der

Bezugsperson geprägt durch eine kon-

stante und positiv-emotionale Zuwen-

dung und konnte das Kind durch den

Erziehungsstil einen wertschätzenden

und respektvollen Umgang erfahren,

unterstützte das die Resilienz des Kin-

des nachhaltig.

Weitere schützende Faktoren können

positive Geschwisterbeziehungen, Zu-

sammenhalt in der Familie, angemes-

sene Kommunikation und soziale Ein-

bindung der Familie in Gemeinschaften

oder auch religiöser Glaube sein. Kin-

Durch die Kauei-Studie wissen wir,

dass Kinder in erster Linie durch stabile

Beziehungen resilient werden

Kinder mit Fluchterfahrung möchten sich

einer Gemeinschaft zugehörig fühlen und

positive Perspektiven entwickeln

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TEXT: SEBASTIAN MÜLLER

der, die sich trotz Entwicklungsrisiko zu

resilienten Erwachsenen entwickelten,

konnten von mindestens einem dieser

Faktoren profitieren und/oder fanden

in ihrem weiteren sozialen Umfeld Be-

zugspersonen, zu denen sie eine enge

Bindung pflegen konnten und durch

die sie emotional und sozial unterstützt

wurden. Diese Bezugspersonen außer-

halb der belasteten Familie können in

der Lage sein, fehlende Unterstützung

in der Familie zu kompensieren und

dem Kind ein konstruktives Bewälti-

gungs- und Sozialverhalten vorzuleben.

Aber auch gute Kontakte zu Gleichalt-

rigen und positive Freundschaftsbe-

ziehungen, klare und wertschätzende

Strukturen in Bildungseinrichtungen

sowie Zugang zu Hilfs- und Unterstüt-

zungsangeboten auf kommunaler Ebe-

ne zählen zu den Schutzfaktoren, die

die Kinder in ihrer Resilienz stärken

können.

Dass sich Kinder aus risikobelasteten

familiären Lebensumständen wie nicht

belastete Kinder zu resilienten Men-

schen entwickeln können, wenn sie

bestimmte protektive Bedingungen in

ihrem weiteren sozialen Umfeld erfah-

ren, wird durch die Bielefelder Invulne-

rabilitätsstudie von Friedrich Lösel und

Doris Bender aufgezeigt.

Klare Regeln und Strukturen stärken Kinder

Im Rahmen dieser Studie untersuch-

ten sie 146 Jugendliche aus Institutio-

nen der Heimbetreuung, die eine hohe

Risikobelastung aufwiesen, d.h. von

mehreren belasteten Lebensumstän-

den wie Armut, Alkoholmissbrauch,

Gewalttätigkeit und zerrüttenden Fa-

milien betroffen waren. Ziel war es,

Resilienz im Hinblick auf mögliche

Schutzfaktoren außerhalb der Familie

zu erfassen. Mittels Befragungen der

Betreuer der Jugendlichen wurden 66

der 146 Jugendlichen als „resilient“ und

80 Jugendliche als weniger resilient

und mit Erlebens- sowie Verhaltensstö-

rungen eingestuft.

Die resilienten Jugendlichen wiesen

ähnliche personale Ressourcen auf,

wie Werner und Emmy bereits in ih-

rer Studie erfassen konnten. Sie waren

anpassungsfähiger und zugleich selbst-

bewusster sowie vertrauend in ihre

eigenen Kompetenzen, sodass sie über

ein aktiveres Bewältigungsverhalten

verfügten als die Jugendlichen mit Ver-

haltensauffälligkeiten. Die Ergebnisse

zeigen zudem, dass eine feste Bezugs-

person außerhalb der Familie und ein

empathischer autoritativer Erziehungs-

stil in den Heimen, geprägt von Zuwen-

dung aber auch klaren Strukturen und

Regeln, die Jugendlichen in ihrer Resi-

lienzentwicklung bestärkt haben.

Fach- und Lehrkräfte sehen sich der-

zeit vermehrt mit der Verantwortung

konfrontiert, Kinder und ihre Familien

mit Fluchterfahrung in ihren Bildungs-

einrichtungen zu begleiten. So stellt Foto

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sich damit auch die Frage, was im

Rahmen von Bildungseinrichtungen ge-

leistet werden kann. Nicht zuletzt des-

halb ist Resilienz als Basiskompetenz

noch einmal stärker in den Fokus der

pädagogischen Arbeit gerückt. Bislang

befasste sich bereits eine ganze Reihe

an Forschungsarbeiten mit der Resili-

enz von Kindern und Jugendlichen, die

aus ihrer Heimat flüchten mussten und

potenziell traumatische Erlebnisse ver-

arbeiten müssen.

Studien deuten darauf hin, dass der

größere Teil der Kinder mit Kriegs- und/

oder Fluchterfahrungen nicht nachhal-

tig traumatisiert ist und Umweltfak-

toren dabei eine entscheidende Rolle

spielen können. Weitere Studienergeb-

nisse zeigen, dass die Stärkung der Re-

silienz von Kindern und Jugendlichen

mit Fluchterfahrung zunächst die Stär-

kung ganz grundsätzlicher Ressourcen

bedeutet. In erster Linie haben diese

Kinder und Jugendlichen das Bedürfnis,

in ihrer Autonomie bestärkt zu werden,

eine positive Perspektive zu entwickeln

und sich einer Gemeinschaft zugehörig

fühlen zu können. Der Rückhalt in der

Familie bzw. die enge Bindung zu min-

destens einer Bezugsperson sowie das

Aufrechterhalten des eigenen Bezugs

zum Herkunftsland und damit auch der

religiöse Glaube sind weitere wichtige

stabilisierende Faktoren.

Die Stärkung der kindlichen Basis-

kompetenzen und explizit auch die

Stärkung von Resilienz sind mittler-

weile in vielen Bildungsplänen für den

Elementar- und Primarbereich vorge-

sehen (so z.B. im Hessischen Bildungs-

und Erziehungsplan für Kinder von 0

bis 10 Jahren oder dem Bayerischen

Bildungs- und Erziehungsplan).

Dieses Bildungsziel beinhaltet zwei

Strategien:

• Die Stärkung der Resilienz von allen

Kindern im pädagogischen Alltag

• Bei Kindern, die Risiken ausgesetzt

sind, gezielte Interventionen zur Stär-

kung der Resilienz

Resilienz-Förderung ist auch ohne Mehrarbeit möglich

Die Umsetzung dieser beiden Ziele im

pädagogischen Alltag erfordert mögli-

cherweise auch ein Umdenken und eine

kontinuierliche Reflexion von pädagogi-

schem Konzept und Rolle der Fachkraft.

Wichtig ist: In der Regel braucht es kei-

ne „Mehrarbeit“, um Resilienz zu stär-

Kinder, deren Stärken in der Kita

gesehen und gefördert werden,

erleben sich als kompetent

ken, sondern einen ganzheitlichen und

alltagsorientierten Ansatz. Vieles, was

der Resilienzstärkung dient, tun Kinder-

tageseinrichtungen sowieso schon (z.B.

positive Interaktionen fördern, soziale

und emotionale Kompetenzen der Kin-

der stärken).

Diese – oft als selbstverständlich oder

nebensächlich angesehenen – Schlüssel-

prozesse, um die Resilienz auszubauen,

können auch als sehr bereichernd für

die pädagogische Arbeit erlebt werden.

Diese Schlüsselprozesse sind:

1. Fachkräfte sind wichtige Bezugs-personen für die KinderSichere Beziehungserfahrungen spie-

len eine große Rolle für die Resilienz.

Deshalb ist es wichtig, dass Kinder auch

außerhalb der Familie positive und sta-

bile Beziehungen erfahren – besonders

Kinder mit hohen Belastungen. Dazu ge-

hört, dass sich Fachkräfte genügend Zeit

für jedes Kind nehmen, feinfühlig mit

den Kindern umgehen oder vorherseh-

bar agieren.

2. Einen ressourcenorientierten Blick auf das Kind entwickeln und die Stärken des Kindes stärkenWenn Kinder im Einrichtungsalltag er-

leben, dass ihre Stärken gesehen und

gefördert werden, ist das ein wichtiger

Beitrag zur Resilienzstärkung. Kinder

erleben sich dann als kompetent und

selbstwirksam und können diese Stär-

ken auch in belastenden Situationen

besser einsetzen.

3. Die sozial-emotionalen Kompe-tenzen der Kinder stärkenSozial und emotional kompetente Kin-

der sind resilienter. Zu den sozialen und

emotionalen Kompetenzen gehören bei-

spielsweise die Fähigkeiten, Emotionen

bei sich und anderen zu erkennen sowie

die eigenen Emotionen zu regulieren,

die Fähigkeit mit anderen Kindern zu

kooperieren, Konflikte positiv auszutra-

gen oder Freundschaften zu schließen.

Das emotionale und soziale Lernen der

Kinder findet in der Einrichtung im All-

tag statt. Sie können es unterstützen,

wenn Sie eine kooperative und positive

RESI-WAS?

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emotionale Atmosphäre herstellen und

Kinder feinfühlig bei der Regulation von

negativen Emotionen oder Konflikten

unterstützen.

Sozial-emotionale Kompetenzen

haben darüber hinaus viele positive

Wirkungen auf die Entwicklung von

Kindern, z.B. auf den Übergang in die

Schule (vgl. Spindler 2014) oder auch

den Schulerfolg (Durlak u.a. 2011).

4. Mit Kindern resilientes Verhalten reflektieren – z.B. anhand von Kin-derbüchernBestimmte Kinderbücher eignen sich

besonders für eine kindgerechte Ausein-

andersetzung mit dem Thema Resilienz:

Empfehlen können wir beispielsweise

die Bände zu Pippi Langstrumpf oder

Michel von Lönneberga; beliebte bebil-

derte Bücher sind auch „Swimmy“ von

Leo Lionni oder die Grüffelo-Bände von

Scheffler & Donaldson.

Gezielte Interventionen bei Kin-dern in Belastungssituationen

Zusätzlich können Sie in der Einrich-

tung bei Kindern, die einer hohen Be-

lastungssituation ausgesetzt sind, ge-

zielt intervenieren. Grundsätzlich muss

hier natürlich das Vorgehen individuell

und einzelfallorientiert sein und eine

sehr gute Vernetzung im Sozialraum

bestehen (z.B. mit dem Jugendamt, mit

Sozialdiensten, Therapeuten etc.). Das

Ziel ist es, zusammen mit der Familie

des Kindes und anderen Partnern die

Ressourcen des Kindes zu stärken und

Risikofaktoren zu minimieren. Zudem

kann die Kindertageseinrichtung als „si-

cherer“ Ort mit einer entspannten und

positiven Atmosphäre und positiven

Beziehungserfahrungen eine wichtige

Konstante und ein sicherer Ort für Kin-

der in Belastungssituationen sein.

ANZEIGE BGW FORUM_CALL FOR PAPERS

TEXT: ANNA SPINDLER UND MIRIAM LEITHERER

Miriam LeithererPädagogin, Psychologin; arbeitet als wissen-

schaftliche Mitarbeiterin am Staatsinstitut für

Frühpädagogik in München

[email protected]

Anna SpindlerDipl. Psychologin; arbeitet als wiss. Referentin

am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München

[email protected]

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WISSEN

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30

STRESS LASS NACH!WISSEN

Stress lass nach!

Was macht Stress mit Kindern und wie

machen wir sie resistent dagegen?

Finn streitet sich um die Schaufel in der Sandkiste.

Merle kann sich morgens nur schwer von ihrer

Mama verabschieden. Paul ist überfordert

beim Ausschneiden der Sterne für die

Fenster-Deko. Finn, Merle und Paul

haben Stress. Kinder erleben täglich

Stress in der Kita. Doch während sich

die einen hilflos ausgeliefert fühlen,

versuchen die anderen, sich dem Stress

zu stellen und die Probleme aktiv anzugehen.

Letztere haben etwas, das sie

widerstandsfähig macht: Resilienz.

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TEXT: BARBARA VON KALCKREUTH UND CHRISTIANE WIESLER WISSEN

W

Fotos: hasselblad15/photocase.de, inkje/photocase.de

WISSEN

Die Bewältigung von Stress ist vom

Alter, von persönlichen Eigenschaften

und vom Temperament sowie den kog-

nitiven Fähigkeiten der jeweiligen Per-

son abhängig.

Es gibt auch positiven Stress

Als positiver Stress (Eustress) werden

diejenigen Reaktionen bezeichnet, die

den Organismus zwar beanspruchen,

sich aber positiv auswirken. Positiver

Stress erhöht die Aufmerksamkeit, för-

dert die Leistungsfähigkeit des Körpers,

ohne ihm zu schaden, führt zu Befrie-

digung und Lernerfahrungen. Man

könnte ihn also als Entwicklungsmotor

bezeichnen.

Alle Menschen, vor allem aber Babys

und kleine Kinder brauchen die

Erfahrung von Selbstwirksam-

keit. Sie suchen gern selbst nach

Lösungen. Die Aufgabe der Be-

zugspersonen besteht darin, die

Eigenaktivität und die vorüber-

gehende Frustration des Kindes

feinfühlig zu begleiten und

Wasser marsch! Positiver Stress

beim Wassergraben-Bau … Solche

Situationen führen zu Befriedigung

und Lernerfahrungen

as erzeugt Stress? Was macht

er mit Kindern? Wann ist er

eine Entwicklungskraft – und

wann ein Entwicklungshindernis?

Das Leben besteht aus einer Folge von

Stresssituationen, deren Bewältigung

im Normalfall ausreichend gut gelingt.

Die Bewältigung wird als Selbstwirk-

samkeit erlebt und als Handlungser-

fahrung oder auch als kreative Leistung

gespeichert. Die Fähigkeit, eine grund-

sätzlich positive und aktive Haltung

den Alltagsanforderungen gegenüber

einzunehmen, wird als Resilienz be-

zeichnet. Diese wird aus persönlichen

und sozial vermittelten Ressourcen ge-

speist, die ihre Wurzeln pränatal und in

der frühen Kindheit haben. Kinder sind

wegen ihrer emotionalen Unreife in ih-

rer Entwicklung auf die empathische

Begleitung ihrer Eltern und Erzieherin-

nen angewiesen.

Alle sprechen vom Stress, doch was

ist Stress eigentlich? Stress ist die Bean-

spruchung des Menschen durch innere

und äußere Reize. Die Reize lösen im

Körper und in der Psyche Reaktionen

aus, die dem raschen und effektiven

Schutz und der Problemlösung dienen.

Genetisch verankert sind drei Reaktio-

nen, die sich als Flucht, Kampf oder Er-

starrung zeigen. Man spricht auch von

den drei drei F.: fight, flight und freeze.

In der Beobachtung von Kindern und

Erwachsenen sehen wir entsprechend

körperliche Unruhe und Aggression,

Abwendung und Einfrieren. Letzteres

wird oft als Akzeptieren der Situation

missverstanden.

Drei Reaktionsmuster auf Stress:

1. Kampf (fight) – ich werde aggressiv

2. Abwendung (flight) – ich wende mich ab

3. Erstarrung (freeze) – ich friere ein

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auszuhalten. Ein Ergebnis einer po-

sitiven Auseinandersetzung mit Stress

wäre zum Beispiel die Akzeptanz der

Anforderung oder die Reflexion.

Als Dysstress werden diejenigen Re-

aktionen bezeichnet, die keine Lösung

herbeiführen, die die Aufmerksamkeit

und Leistungsfähigkeit vermindern, bei

denen der Adrenalin- und Noradrena-

linspiegel hoch bleibt und schließlich

Körper und Seele leiden.

Wer Stress als negativ empfin-det, fühlt sich ohnmächtig

Stress wird erst dann negativ emp-

funden, wenn er häufig oder dauer-

haft auftritt und körperlich und/oder

psychisch nicht kompensiert werden

kann und deshalb als unangenehm, be-

drohlich oder überfordernd gewertet

wird. Negative Auswirkungen können

insbesondere dann auftreten, wenn die

Person keine Möglichkeit zur Verände-

rung der Situation sieht und sich ohn-

mächtig fühlt.

Babys und Kinder sind angewiesen

auf Bezugspersonen, die sich einfüh-

len können und Lösungswege ermögli-

chen. Dadurch können auch schwierige

Situationen in positive Erfahrungen

umgewandelt werden. Das Kind erlebt

dadurch wiederkehrend Sicherheit, Er-

mutigung und die Erfahrung, Situatio-

nen bewältigen zu können.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird

Stress im Sinne von Dystress verstanden.

Stress ist eine Entwicklungs-kraft, aber auch ein Entwick-lungshindernis

Das ungeborene Kind ist während der

Schwangerschaft über die Plazenta mit

dem mütterlichen Organismus verbun-

den. Nähr- und Immunstoffe, aber auch

Stresshormone können über diesen

Weg direkt in den kindlichen Kreislauf

gelangen.

Aufgrund der körperlichen und seeli-

schen Unreife des Kindes ist es vollstän-

dig auf empathische Personen angewie-

sen, die seine Bedürfnisse wahrnehmen,

entschlüsseln und angemessen befriedi-

gen können. Das Kind bringt dazu eine

biologisch begründete Bindungsbereit-

schaft mit. Auf Seiten der Eltern ent-

wickelt sich während der Schwanger-

schaft ein Bild vom kommenden Baby

und eine zunehmende Bereitschaft, für

das Kind zu sorgen. Äußere Merkmale

des Babys, Kindchenschema, Geruch

und Stimme lösen normalerweise bei

den Eltern Bindungsimpulse und Pfle-

gebereitschaft aus.

Eine hohe Stressbelastung der Mut-

ter in der Schwangerschaft kann die

Adaptation des Kindes an die Welt au-

ßerhalb der Gebärmutter erschweren.

Auch das Geburtserlebnis von Mutter

und Kind kann eine lang anhaltende,

erhebliche Belastung für die Bezie-

hungsentwicklung darstellen. Das Kind

reagiert beispielsweise mit vermehr-

tem bis unstillbarem Schreien, unru-

higen und kurzen Schlafphasen oder

auch mit Trinkschwierigkeiten. So ent-

steht ein Teufelskreis aus nicht mehr

zu regulierendem Stress, allgemeiner

Erschöpfung und dem Gefühl von Ohn-

macht, das in Aggression umschlagen

kann. Kurzdauernde Trennungen, laute

Geräusche, Wahrnehmen von fremden

Personen und ungewohnter Umgebung

können bereits zu heftigen Reaktionen

führen. Die wiederkehrenden Interakti-

onen von Eltern und Kind sowie seine

genetisch angelegten Reifungsschritte

ermöglichen allmählich das Aushalten

alltäglicher Eindrücke.

Aufgabe der Bezugspersonen: Kindlichen Stress regulieren

Alle, die mit Kindern umgehen, möch-

ten aus den verschiedenen Belastungen

des Alltags erträgliche Erfahrungen für

das Kind machen. Dabei geht es um das

Aushalten der Spannung, ohne in ag-

gressiver Weise zu intervenieren. Eine

wichtige Aufgabe von Bezugspersonen

besteht darin, die oft heftigen Gefühle

STRESS LASS NACH!WISSEN

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VIER FRAGEN AN DIE AUTORINNEN

Sind Kinder Ihrer Erfahrung nach heute gestresster als früher? Wenn ja, warum?Ja, weil sich das Lebenstempo und die Aufga-

benvielfalt der Eltern erweitert hat. Eine nach

der Elternzeit zu frühe Rückkehr in den Beruf

kann einen Schatten auf die ersten Lebensjahre

legen. Es hängt von der Persönlichkeit des

Kindes, der häuslichen und außerhäuslichen

Betreuungssituation ab, ob ein Kind gestresst ist.

Welchen Stress-Symptomen begegnen Ihnen am häufigsten in Ihrer Praxis?Ein- und Durchschlafstörungen, Fütter- und

Gedeihstörungen, Unruhe, aggressives Ver-

halten und Rückzug.

Wie können Erzieherinnen Kindern am ehesten helfen, um mit den Herausfor-derung Ihres Kita- und Familienalltags zurechtzukommen?Indem sie sich ausreichend Zeit nehmen,

um die Bedürfnisse der einzelnen Kinder zu

erkennen und darauf reagieren zu können.

Konkret erfordert dies eine gute Ausbildung,

persönliche kreative Fähigkeiten, einen ausrei-

chenden Personalschlüssel sowie genügend

Erholungszeiten.

Wie wichtig ist unverplante Zeit und selbst-bestimmtes Spielen für Kinder?Sehr wichtig! Selbstbestimmtes Spiel des

Kindes bedeutet für die Erzieherin aber immer

auch: genau beobachten und bei Bedarf zur

Verfügung stehen.

Dr. med. Barbara von Kalckreuth

Christiane Wiesler

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TEXT: BARBARA VON KALCKREUTH UND CHRISTIANE WIESLER

STRESS FÜR DAS KIND

• keine konstante Bezugsperson oder häufiger

Wechsel von Bezugspersonen

• nicht immer eine verfügbare Bindungsper-

son, die bei Frustration entlastet bzw. sie

zusammen mit dem Kind aushält

• zu wenig individuelle, auch körperliche, eins

zu eins Zuwendung

• wenig Möglichkeiten zur Erfahrung von

Selbstwirksamkeit und Teilhabe

• zu wenig ruhige Zeit

• lange Aufenthaltsdauer in der Kita in

Abhängigkeit von Alter und Konstitution

des Kindes

• Trennungsangst

• Verselbstständigungsbestrebungen kontra

Trennungsangst

• heftige körperliche Auseinandersetzungen

• Rivalitätskämpfe

• Aushalten von Frustrationen

• Überforderung der kognitiven, emotionalen

und sozialen Fähigkeiten

• Streben nach Verselbstständigung kontra

Trennungsangst

STRESS FÜR DIE ERZIEHERIN

• knapp bemessener Personalschlüssel

• knapp bemessene Zeit für den Austausch

mit den Eltern

• knapp bemessene Zeit für den fachlichen

Austausch

• Qualität der Teamarbeit

• Kinder mit schwierigem Temperament und

schwer zu integrierenden Verhaltensweisen

• Alterszusammensetzung der Kinder

• kranke Kinder

• Kinder mit Zeichen von Vernachlässigung

• unangemessen kritische und fordernde Eltern

• wenig kooperative Eltern

• Autoritätskonflikte

• Verletzungsgefahren

• Erziehungskooperation mit den Eltern

• Schulreife

• Bildungserwartung

STRESS FÜR DIE ELTERN

• schwierige Eingewöhnung mit Trennungs-

angst der Eltern

• Schuldgefühle

• Zeitdruck

• nicht ausreichende Information über den

Tagesverlauf des Kindes

• Ängste um ausreichende Zuwendung

fürs Kind

• Umgang mit Informationen der Erzieherin,

die als Kritik aufgefasst werden

• Verweigerung des Kindes

• Angst um die Sicherheit des Kindes

• Gruppenzusammensetzung

• Akzeptanz des Kindes durch die Erzieherin

und in der Gruppe

• Bildungsanspruch

In den ersten 3 LebensjahrenIn den ersten 3 Lebensjahren In den ersten 3 Lebensjahren

Vom 4. - 6. LebensjahrVom 4. - 6. Lebensjahr Vom 4. - 6. Lebensjahr

Kindliche Entwicklung ist angewiesen auf ausrei-

chend einfühlsame Begleitung. Auch in der Kita ist

eine indivuduelle eins zu eins-Zuwendung wichtig.

des Kindes aufzunehmen und auszuhal-

ten. Dadurch fühlt sich das Kind gehal-

ten und macht eine positive Erfahrung.

Daraus kann allmählich die Fähigkeit

zur Selbstregulation entstehen.

Dystress kann auch entstehen, wenn

Eltern aus den verschiedensten Grün-

den nicht adäquat auf die Signale des

Kindes reagieren können. Hierbei spie-

len die emotionalen, unbewussten Er-

fahrungen aus der eigenen Lebensge-

schichte, insbesondere der frühen Zeit,

eine Rolle. Diese Erfahrungen werden

beim Übergang in die Elternschaft akti-

viert. Sie können die Einschätzung der

Bedürfnisse des Kindes verzerren und

das angemessene Eingehen auf die Be-

dürfnisse des Kindes erschweren. Die

Spannung des Kindes wäre in diesem

Fall nicht reguliert.

FAZIT: Die wiederkehrenden Erfahrun-

gen von Eltern und Kind können auch

als wiederkehrender Stress und dessen

Entlastung gesehen werden. Stress ist

also eine wichtige und unvermeidliche

Grundlage für die körperliche, emoti-

onale und kognitive Entwicklung des

Kindes.

Was macht typischerweise zu viel Stress

im Kita-Umfeld? Was stresst insbesondere

die Kinder? Was die Erzieherinnen? Was die

Eltern? In unten stehender Tabelle haben wir

typische Stress-Faktoren aufgelistet.

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STRESS LASS NACH!WISSEN

gemeinsame Spiel-, Ruhe- und Essens-

zeiten eine oft unterschätzte Rolle. Die

kulturell üblichen Jahresfeste stellen

darin Höhepunkte dar, die mit den Kin-

dern vorbereitet und erlebt werden und

wichtige Erinnerungen von Gemein-

samkeit und Zugehörigkeit darstellen.

Die Vielfalt der Kulturen kann auf diese

Weise wertschätzend erlebt und integ-

riert werden.

Struktur und Rhythmus im Alltag

werden normalerweise durch über-

raschende Situationen unterbrochen.

Kurze oder längere Trennungen, uner-

wartete Erkrankungen, kleinere oder

größere Verletzungen und Missgeschi-

cke brauchen den Halt durch die Erzie-

herin, die ausreichend Erfahrung und

emotionale Ressourcen hat, diese An-

forderungen auszuhalten, ohne krank

zu werden oder emotional zu ermüden.

… für den Stress der ErzieherinnenBezogen auf die Kita ist es wünschens-

wert und notwendig, dass neben der gu-

ten Ausbildung die Gelegenheit besteht,

Erfahrungen des Alltags zu reflektieren.

Dazu sind regelmäßige Fachgespräche

geeignet. Grundsätzlich gilt, dass im Um-

gang mit Kindern ganz persönliche bio-

grafische Erfahrungen aktiviert werden

und daher Selbsterfahrung und Selbstre-

flexion eine Voraussetzung für den emo-

LiteraturLIESELOTTE AHNERT (Hrsg): Frühe Bindung, Entstehung und Entwicklung. München: Ernst Reinhardt Verlag 2006Karl Heinz Brisch (Hrsg.): Bindung und frühe Störungen der Entwicklung. Stuttgart: Klett-Cotta 2011

GERHARD ROTH, NICOLE STRÜBER: Wie das Gehirn die Seele macht. Stuttgart: Klett-Cotta 2014NICOLE STRÜBER: Die erste Bindung. Wie Eltern die Entwicklung des kindlichen Gehirns prägen. Stuttgart: Klett-Cotta 2017

SUSANNE VIERNICKEL, ANJA VOSS, ELVIRA MAUZ: Ar-beitsplatz Kita. Belastungen erkennen, Gesundheit fördern. Mit Online-Materialien. Weinheim: Beltz Juventa Verlag 2017

tional herausfordernden Beruf der Er-

zieherin sein sollte. Diese verarbeitende

Entlastung entspricht der Haltung im

Umgang mit Kindern und Eltern.

Die Fähigkeit, den inneren Spiel- und

Verarbeitungsraum zu entdecken und

zu nutzen, dient der Zufriedenheit und

der Erhaltung der körperlichen und see-

lischen Gesundheit (Arbeit gegen burn

out). Auf dieser Grundlage können Erzie-

herinnen den Kindern, die sich in Alter,

Temperament und Stresstoleranz sehr

unterscheiden, einen ausreichenden

inneren Spiel- und Verarbeitungsraum

bieten und so deren Entwicklung un-

terstützen (s. dazu auch den Artikel von

Christine Betz in diesem Heft, Seite 23ff).

… für den Stress der ElternEine wichtige Stressminderung für El-

tern ist der persönliche, wertschätzen-

de, vertrauensvolle und informative

Kontakt zur Bezugsbetreuerin. Dabei

können die täglichen Erfahrungen, Sor-

gen und Fragen ausgetauscht werden.

Auf dieser sicheren Basis können Eltern

eigene, neue Perspektiven entwickeln.

Davon profitiert auch das Kind, da die

Verantwortlichen als Halt gebende Ein-

heit erlebt werden. Die so gewonnene

Sicherheit ist für Eltern und Kind mehr

wert, als die oft verunsichernde Infor-

mationsflut aus dem unpersönlichen

Internet. Die Erzieherin ist mit dieser

Haltung in der Rolle einer psychischen

Hebamme.

Dr. med. Barbara von KalckreuthFachärztin für Kinderheilkunde und für Psy-

chotherapeutische Medizin mit eigener Praxis

in Freiburg i.Br., Dozentin und Supervisorin

Chistiane WieslerAnalytische und tiefenpsychologisch fundierte

Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche

mit eigener Praxis in Freiburg i.Br., Dozentin

und Supervisorin

Lösungsmöglichkeiten ... für den Stress der KinderKindliche Entwicklung ist angewiesen

auf ausreichend einfühlsame Beglei-

tung, die körperliche und seelische Be-

dürfnisse im Blick hat und verkörpert.

Körperliches Können ermöglicht zuneh-

mend kognitive Erfahrungen, die wie-

derum von der Bezugsperson wahrge-

nommen und geteilt werden. Erst durch

emotionale Beteiligung werden Erfah-

rungen im Gedächtnis gespeichert. Die

sichere Bindung des Kindes ermöglicht

ihm, die Umwelt zu erkunden und Be-

ziehungen zu anderen Kindern aufzu-

bauen. Die dabei auftretenden Stress-

situationen können von der Erzieherin

zunächst beobachtet und gegebenen-

falls entschärft werden, sodass für das

Kind eine Erfahrung von Bewältigung

entsteht.

Unser Gehirn ist prädestiniert für den

Austausch und das Entschlüsseln von

Signalen, die dem Aufbau und Erhalt

von Beziehungen dient.

Kinder brauchen in Kita und zu Hau-

se rhythmische und strukturierte Ab-

läufe, die sie integrieren und weitge-

hend vorhersehen können. Das betrifft

Tagesabläufe, Wochenstruktur und

Jahreszeiten. Im Tagesablauf spielen

Ein kleines Kind ist auf

empathische Personen

angewiesen, die seine

Bedürfnisse wahrnehmen

und befriedigen.

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und alles wird gutWenn ein Kind anfängt zu lachen, ist bald der ganze Raum von

Fröhlichkeit erfüllt. Und das ist gut so: Denn wo viel gelacht

wird, da lebt und lernt es sich leichter. Auch Erzieher sollten

öfter herzhaft lachen. Ein Plädoyer für einen Erziehungsstil mit

Herz und Humor.

TEXT: CHARMAINE LIEBERTZ

EINE ERZIEHUNG MIT HERZ UND HUMOR SCHENKT KINDERN ZUVERSICHT

Lachen …

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• Keine Sorge: Wenn Sie humorvoll

reagieren, bedeutet dies noch lange

nicht, dass sich Kinder alles bei Ihnen

erlauben dürfen. Sie werden feststel-

len, dass sich Kinder gerne an Regeln

halten, wenn Sie als humorvoll-sou-

veräne Autoritätsperson auftreten.

• Eine humorvolle Erziehung steht auf

folgenden Grundpfeilern: Vertrauen,

Güte, Mitgefühl und Wertschätzung.

Ein kleines Augenzwinkern und ein

verstohlenes Lächeln hinter der Hand

stärken die Verbundenheit zum Kind

und geben Zuversicht.

• Schärfen Sie Ihren Sinn für das We-

sentliche. Lernen Sie auch Kleinig-

keiten wertzuschätzen, den Augen-

blick zu genießen und über Neues zu

staunen. So erhalten Sie Ihre eigene

Freude und stärken zugleich die der

Kinder. Richten Sie, sooft es geht, Ih-

ren Blick auf das Unbeschwerte und

Komische im Leben.

• Erleben Sie, wie wertvoll ein freudi-

ges Miteinander ist. Spielen, Kitzeln

und Lachen lockern den Zusammen-

halt einer Gruppe.

• Gehen Sie mit humorvollem Beispiel

voran und lassen Sie sich gerne mal

ür einen humorvollen Erzie-

hungsstil ist unsere positive

Einstellung zu Fehlern ent-

scheidend. Kein Mensch ist fehlerfrei!

Wichtig ist, dass wir aus Fehlern ler-

nen und dies am besten mit liebevol-

ler Nachsicht und einem humorvollen

Augenzwinkern. Bitte vermeiden Sie,

über ein Kind zu lachen, das vermeint-

lich etwas falsch gemacht hat oder dem

ein Missgeschick passiert ist, denn es

könnte Ihr Verhalten als Verachtung

empfinden, sich ausgelacht und bloßge-

stellt fühlen. Besser ist es, gemeinsam

und miteinander über einen „Fehler“

zu lachen. Und vergessen Sie nicht, hin

und wieder über sich selbst zu lachen,

denn Sie sind ja ein wichtiges Vorbild

für Kinder.

Humor lässt sich nicht verordnen

Leider können wir nicht per Knopf-

druck von einer ernsten zu einer hu-

morvollen Person werden. Aber Ler-

nen ist ja bekanntlich ein lebenslanger

Prozess! Gerne gebe ich Ihnen ein paar

Wegweiser für Ihren „Humorweg“.

• Fassen Sie humorvolle Bemerkungen

oder kleine Frechheiten nicht sofort

als Angriffe auf Ihre Person und Au-

torität auf.

• Mit einer heiteren Aussprache errei-

chen Sie erfahrungsgemäß mehr als

in hartem Befehlston. Ein herzliches

Lächeln bringt so manches Eis zum

Schmelzen.

• Humor wirkt befreiend und herzhaf-

tes Lachen führt einen Perspektiven-

wechsel herbei. Eine witzige Bemer-

kung kann ausreichen, um aus einer

angespannten eine entspannte Situa-

tion werden zu lassen.

FÜR SIE HERAUSGELESEN

• Lernen und Lachen bilden ein Traumpaar!

• Ein wichtiges Erziehungsziel ist es, die Lebensfreude von Kindern

zu fördern.

• Lachen wirkt befreiend, weil es den Druck und die Schwere von

der Seele nimmt.

• Humor kann eine Bewältigungsstrategie von Krisen sein, die

Kinder erfahren haben.

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Dr. Charmaine LiebertzErziehungswissenschaftlerin, ausgebildete

Lehrerin; wiss. Mitarbeiterin an der Universität

Köln. Seit 1996 leitet sie die Gesellschaft für

ganzheitliches Lernen e.V. (www.ganzheit-

lichlernen.de) und hält europaweit Vorträge.

Autorin zahlreicher Fachbücher.

[email protected]

LACHEN ... UND ALLES WIRD GUTPRAXIS

kitzeln. Kann man sich mit Ihnen vor

Lachen biegen?

• Betrachten Sie das Leben nicht nur

durch eine ernste Brille, denn so scha-

den Sie nicht nur sich, sondern auch

anderen.

• Vermeiden Sie bei Kindern unter

sechs Jahren jegliche Form von Ironie

oder Sarkasmus, denn damit können

sie noch nicht umgehen.

• Lachen ist ansteckend! Wenn Sie

selbst nicht gerne und oft lachen, wie

sollen es dann die Kinder lernen?

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KINDER BEGEGNEN DEM TODVORSCHAU

Die nächste Ausgabe der PRAXIS erscheint im Dezember 2017.Themenschwerpunkt dieser Ausgabe ist:

KINDER BEGEGNEN DEM TOD

Kinder und Tod – passt das überhaupt zusammen? Steht ein Kind doch

für den Anfang des Lebens, für Perspektiven und Entwicklungsmöglich-

keiten! Und doch: Der Anfang und das Ende des Lebens gehören zusam-

men. Und: Kinder fragen nach dem Ende! Sie möchten wissen, was „tot

sein“ bedeutet. Sie machen ihre ersten Erfahrungen damit, wenn Haus-

tiere, Großeltern oder auch Eltern und Geschwister sterben. Tritt solch

ein Fall bei einem Kind in der Kita ein, löst das oftmals viele Fragen und

Unsicherheiten aus. Neben dem „Warum?“ fragen wir uns, was wir nun

tun können, wie wir das Kind und seine Familie begleiten und in wel-

cher Weise wir mit den Kindern in der Gruppe darüber reden können.

Lesen Sie in der Dezemberausgabe unter anderem:

MARA HAT KREBSEine Erzieherin begleitet ein Mädchen in seinen letzten Lebensmonaten und

beantwortet einfühlsam die Fragen der Kinder

MEINE BIOGRAFIE, MEIN GLAUBE, MEINE HOFFNUNGWie können wir uns im Team mit dem Thema „Sterben“ auseinandersetzen?

„DA LIEGT EINE TOTE AMSEL IM GARTEN!“Welche Anlässe wir im Kita-Alltag für Gespräche über wesentliche Fragen

des Lebens nutzen können − und sollten

EIN KIND IN MEINER GRUPPE TRAUERT Wie ihm jetzt der Kita-Alltag hilft

ACHTUNG BILDERBÜCHER!Eine achtsame Auswahl zum Thema „Abschied, Tod und Trauer“

IMPRESSUM

PraxisKitawird herausgegeben von der Klett Kita GmbH in Verbindung mit Margit Franz

Ständige MitarbeitChristine Betz, Sigrid Diebold, Judith Metz, Astrid Normann, Petra Stellwag, Gaby Virnkaes

RedaktionNicole Zolg, Adresse s. Verlag, E-Mail: [email protected]

RedaktionsassistenzLena RuoppTelefon: 07 11/66 72-5808Telefax: 07 11/66 72-5822E-Mail: [email protected]

VerlagKlett Kita GmbHRotebühlstr. 7770178 StuttgartInternet: www.klett-kita.de

GeschäftsführungSilke Wiest, Malte Kullak-Ublick

AnzeigenkölnerverlagsagenturMarie Berlin (Anzeigenleitung)Kemperbachstr. 5351069 KölnTelefon: 02 21/29 77 08 10Telefax: 02 21/29 77 08 29E-Mail: [email protected]: www.koelnerverlagsagentur.deAnzeigenpreisliste Nr. 3, gültig ab 18.07.2017

KundenserviceTelefon: 07 11/66 72-5800Telefax: 07 11/66 72-5822E-Mail: [email protected]

Satz und GestaltungKai SchmitzerVisuelle [email protected]

TitelKai Schmitzer unter Verwendung eines Fotos von south- northernlights/photocase.de

BezugsbedingungenPraxisKita erscheint 4x jährlich für €73,- zzgl. Versand €13,20 und besteht aus 4 Heften und 4 Materialpaketen. Die Mindestabodauer beträgt ein Jahr. Eine Kündigung ist schriftlich bis vier Wochen nach Erscheinen des letzten Heftes innerhalb des aktuellen Berechnungszeitraums möglich, ansonsten verlängert sich der Bezug um weitere 12 Monate. Es gelten unsere aktuellen Allgemeinen Geschäfts-bedingungen. Auslandspreise auf Anfrage. Bei Umzug bitte Nachricht an den Verlag mit alter und neuer Anschrift sowie Kundennummer (siehe Rechnung).PraxisKita ist zu beziehen durch den Buch- und Zeitschrif-tenhandel oder direkt vom Verlag. Auslieferung in der Schweiz durch Balmer Bücherdienst AG, Kobiboden 12, CH-8840 Einsiedeln. Weiteres Ausland auf Anfrage.Bei Nichtlieferung infolge höherer Gewalt oder Störungen des Arbeitsfriedens bestehen keine Ansprüche gegen den Verlag.

© Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Auch unverlangt eingesandte Beiträge werden sorgfältig geprüft. Unverlangt eingesandte Bücher werden nicht zurückgeschickt.Nicht in allen Fällen war es uns möglich, den Rechteinha-ber ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

BeilagenFriedrich Verlag GmbHVerlag für die Deutsche Wirtschaft

ISSNThemenheft 2510-5779Heft und Materialpaket 2567-546X

Bestell-Nr.Themenheft 12549Materialpaket 12649

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Page 22: a achmagazin fr kindzentrierte dagogik er …...(REGINE SCHIERLE-WENGER) GUT ANGEKOMMEN Eingewöhnung in der Peergroup (MICHAEL PFREUNDNER) „DU KANNST DAS!“ Wie Kinder in der Kita

„Lecker!“

Riechen und SchmeckenBestell-Nr. Heft 12542Materialpaket: 12642

„Erzähl doch mal“!

GeschichtenBestell-Nr. Heft 12544Materialpaket: 12644

„Ich weiß schon, was jetzt

kommt“!

Rituale in der KitaBestell-Nr. Heft 12545Materialpaket: 12644

„„Los wir gehen raus!“

Außenräume in der KitaBestell-Nr. Heft 12548Materialpaket: 12648

„Wie klingt das denn?!“

Musik Bestell-Nr. Heft 12546Materialpaket: 12646

„Hilf mir, es selbst zu tun!“

Montessori-PädagogikBestell-Nr. Heft 12547Materialpaket: 12647

Das Konzept offener

KindergartenBestell-Nr. Heft 12543Materialpaket: 12643

„Hier ist es aber schön“

RaumgestaltungBestell-Nr. Heft 12541 Materialpaket: 12641

Relegionen in der KitaBestell-Nr. Heft: 12540Materialpaket: 12640

“Wie kriegen wir das hin?

Freinet Pädagogik

Bestell-Nr. Heft: 12539Materialpaket: 12639

Fühlen und TastenBestell-Nr. Heft: 12538Materialpaket: 12638

„Wie das leuchtet“ Reggio-

PädagogikBestell-Nr. Heft: 12535Materialpaket: 12635

„Der kommt von ...“

Formen und Bauen:Plastisches GestaltenBestell-Nr. Heft: 12527Materialpaket: 12627

„Was ist uns wichtig“

WerteBestell-Nr. Heft: 12537Materialpaket: 12637

„Lass dir Zeit“

Ruhe und EntspannungBestell-Nr. Heft: 12529Materialpaket: 12629

„Guck mal“Sehen und schauenBestell-Nr. Heft: 12530Materialpaket: 12630

„Die gehören alle zu mir“

Im Dialog mit FamilienBestell-Nr. Heft: 12528Materialpaket:12628

Raus aus der KitaBestell-Nr. Heft: 12536Materialpaket: 12636

„Machst du mit?“

SpielenBestell-Nr. Heft: 12533Materialpaket: 12633

„Wie klingt das?“Hören und LauschenBestell-Nr. Heft: 12526Materialpaket: 12626

„Das funktioniert so“

Tüfteln und Erfi ndenBestell-Nr. Heft: 12525Materialpaket: 12625

„Der malt ja so wie ich“Begegnungen mit KunstBestell-Nr. Heft: 12523Materialpaket: 12623

„Was gibt‘s denn heute?“

Essen und genießenBestell-Nr. Heft: 12522Materialpaket: 12622

„Dann ist alles schön

geschmückt“Bestell-Nr. Heft: 12521Materialpaket: 12621

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