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A. Garth: Warum ich kein Atheist bin 1 Alexander Garth; „Warum ich kein Atheist bin“; GerthMedien 2008; 222 Seiten. Vorwort Was will das Buch erreichen? Es beschreibt in verständlicher und weltlicher Sprache, was a- theistisch und postmodern geprägten Menschen daran hindert zu glauben, und es zeigt Wege zu einer erlebten christlichen Spiritualität. Es möchte eine Brücke zwischen Atheismus und christlichem Glauben schlagen. Menschen sind zunehmend unglücklich über ihren Unglauben und unzufrie- den damit. Sie ahnen, dass ihnen der Glaube in schwierigen Zeiten helfen würde, Halt, Lebens- mut und Orientierung zu finden. Das Buch will eine Gesprächsanregung und ein Wegbegleiter sein, um mit Menschen von heute ins Gespräch zu kommen. 1. Weil Glaube möglich ist Wenn ich glaube, habe ich nichts zu verlieren. Wenn ich nicht glaube, habe ich nichts zu erhof- fen. Johannes Gross (1932-1999) deutscher Pub- lizist. Ca. 2,4% der Weltbevölkerung sind Atheisten; in China hat das Christentum ca. 10% der Bevölke- rung erreicht. Heute, wo der Atheismus von den geistigen Hö- hen genialer Denker in die Niederungen alltägli- cher Durchschnittlichkeit und Spiessigkeit herab- gestiegen ist, verbreitet er Ungeborgenheit und Existenzangst. Glaube gibt nun mal Halt, Orien- tierung und Trost. Mitten im Krieg schrieb Barth einem Freund den trostreichen Satz: „Es wird regiert.“ Was würde ein Atheist schreiben? M. Horx schreibt in seinen „Megatrends: „Gelas- senheit, diesen Mega-Wert in einer Zeit der Unru- he, des Lebens-Stresses und der Verunsicherung, hat man eben, wenn man seinen Jesus hat – und er ist auch im spirituellen Supermarkt ringsherum kaum zu haben.“ Horx sagte in Bezug auf die dumpfe Diesseitigkeit der Moderne: „Die Bastionen der Aufklärung werden nicht geschleift. Sie verwittern einfach.“ Für die Postmoderne bilden Wissenschaft und Mystik keine Gegensätze mehr. Heinz Zahrnt: „Remythisierung der Gesellschaft.“ Es sieht danach aus, als würden viele Menschen, die auf der Suche nach Wegweisung und innerer Stärke an die Tür des Glaubens klopfen. Allens- bacher Umfrage: in den letzten 10 Jahren ist der Anteil der an Glaubensfragen Interessierten von 24 auf 33% gestiegen. Ich frage mich, ob nicht die Zukunftsfähigkeit unserer abendländischen Kultur davon abhängt, inwiefern sie eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des christlichen Glaubens mit seinen Kraftquellen, seiner Spiritualität und seinem Humanismus voll- zieht. Habermas: „Das Theorem, dass einer zer- knirschten Moderne nur noch die religiöse Aus- richtung auf einen transzendenten Bezugspunkt aus der Sackgasse verhelfen kann, trifft heute wieder auf Resonanz.“ Auch den Postsozialisten Gregor Gysi packt bei der Aussicht auf eine Ge- sellschaft ohne Gottvertrauen das Grauen: „Eine gottlose Gesellschaft, das heisst, eine Gesellschaft ohne jede Orientierung, eine Gesellschaft des reinen Pragmatismus’, wo man heute das denkt und morgen jenes denkt und überhaupt keine mo- ralisch einigermassen verbindlichen Massstäbe mehr hätte.“ Andererseits geraten, angesichts der sich anbah- nenden religiösen Renaissance, eingefleischte Atheisten in Panik. Richard Dawkins verkündet: „Gott ist ein perverser, schädlicher Gedanke. Er gehört ausgerottet.“ Dabei scheint ihm jedes Mit- tel recht zu sein: Demagogie, einseitige Wissen- schaftsgläubigkeit, Diffamierung, Halbwahrhei- ten, Verallgemeinerungen. Hauptsache, die Reli- gion wird als etwas abgrundtief Dummes und Böses denunziert. Allen Ernstes behauptet er, dass nur eine atheistische Menschheit glücklich sein könne. Vergessen und verschwiegen wird, dass gerade dem Atheismus Abermillionen von Men- schen geopfert wurden. Man muss schon einen gründlich verstellten Zugang zur Wirklichkeit haben, um zu ignorieren, dass atheistische Ideen unendlich mehr Elend und Leid über diese Welt gebracht haben als alle Religionen zusammen. Der neue Atheismus ist nichts weiter als die fun- damentalistische Variante des alten Atheismus. Trotz aller individuellen Verschiedenheiten lassen sich vier Grundkategorien bestimmen, die es Menschen schwer, wenn nicht sogar unmöglich machen, an Gott zu glauben. 1. Einstöckiges Weltbild: Das Wirklichkeitsver- ständnis ist auf das reduziert, was man messen und nachweisen kann. „Ich glaube nur, was ich sehe!“ Die Welt ist ein geschlossenes System von Ursache und Wirkung. Alles läuft nach strengen Kausalzusammenhängen ab. Jedes Phänomen hat eine innerweltliche Ursache, für die es eine wis- senschaftliche Erklärung geben muss. Menschen, die in diesem Weltbild leben finden nur schwer Zugang zum Glauben.

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A. Garth: Warum ich kein Atheist bin 1

Alexander Garth; „Warum ich kein Atheistbin“; GerthMedien 2008; 222 Seiten.

VorwortWas will das Buch erreichen? Es beschreibt inverständlicher und weltlicher Sprache, was a-theistisch und postmodern geprägten Menschendaran hindert zu glauben, und es zeigt Wege zueiner erlebten christlichen Spiritualität. Es möchteeine Brücke zwischen Atheismus und christlichemGlauben schlagen. Menschen sind zunehmendunglücklich über ihren Unglauben und unzufrie-den damit. Sie ahnen, dass ihnen der Glaube inschwierigen Zeiten helfen würde, Halt, Lebens-mut und Orientierung zu finden.Das Buch will eine Gesprächsanregung und einWegbegleiter sein, um mit Menschen von heuteins Gespräch zu kommen.

1. Weil Glaube möglich istWenn ich glaube, habe ich nichts zu verlieren.Wenn ich nicht glaube, habe ich nichts zu erhof-fen. Johannes Gross (1932-1999) deutscher Pub-lizist.

Ca. 2,4% der Weltbevölkerung sind Atheisten; inChina hat das Christentum ca. 10% der Bevölke-rung erreicht.Heute, wo der Atheismus von den geistigen Hö-hen genialer Denker in die Niederungen alltägli-cher Durchschnittlichkeit und Spiessigkeit herab-gestiegen ist, verbreitet er Ungeborgenheit undExistenzangst. Glaube gibt nun mal Halt, Orien-tierung und Trost.Mitten im Krieg schrieb Barth einem Freund dentrostreichen Satz: „Es wird regiert.“ Was würdeein Atheist schreiben?M. Horx schreibt in seinen „Megatrends: „Gelas-senheit, diesen Mega-Wert in einer Zeit der Unru-he, des Lebens-Stresses und der Verunsicherung,hat man eben, wenn man seinen Jesus hat – und erist auch im spirituellen Supermarkt ringsherumkaum zu haben.“Horx sagte in Bezug auf die dumpfe Diesseitigkeitder Moderne: „Die Bastionen der Aufklärungwerden nicht geschleift. Sie verwittern einfach.“Für die Postmoderne bilden Wissenschaft undMystik keine Gegensätze mehr. Heinz Zahrnt:„Remythisierung der Gesellschaft.“Es sieht danach aus, als würden viele Menschen,die auf der Suche nach Wegweisung und innererStärke an die Tür des Glaubens klopfen. Allens-bacher Umfrage: in den letzten 10 Jahren ist der

Anteil der an Glaubensfragen Interessierten von24 auf 33% gestiegen.Ich frage mich, ob nicht die Zukunftsfähigkeitunserer abendländischen Kultur davon abhängt,inwiefern sie eine Rückbesinnung auf die Wurzelndes christlichen Glaubens mit seinen Kraftquellen,seiner Spiritualität und seinem Humanismus voll-zieht. Habermas: „Das Theorem, dass einer zer-knirschten Moderne nur noch die religiöse Aus-richtung auf einen transzendenten Bezugspunktaus der Sackgasse verhelfen kann, trifft heutewieder auf Resonanz.“ Auch den PostsozialistenGregor Gysi packt bei der Aussicht auf eine Ge-sellschaft ohne Gottvertrauen das Grauen: „Einegottlose Gesellschaft, das heisst, eine Gesellschaftohne jede Orientierung, eine Gesellschaft desreinen Pragmatismus’, wo man heute das denktund morgen jenes denkt und überhaupt keine mo-ralisch einigermassen verbindlichen Massstäbemehr hätte.“Andererseits geraten, angesichts der sich anbah-nenden religiösen Renaissance, eingefleischteAtheisten in Panik. Richard Dawkins verkündet:„Gott ist ein perverser, schädlicher Gedanke. Ergehört ausgerottet.“ Dabei scheint ihm jedes Mit-tel recht zu sein: Demagogie, einseitige Wissen-schaftsgläubigkeit, Diffamierung, Halbwahrhei-ten, Verallgemeinerungen. Hauptsache, die Reli-gion wird als etwas abgrundtief Dummes undBöses denunziert. Allen Ernstes behauptet er, dassnur eine atheistische Menschheit glücklich seinkönne. Vergessen und verschwiegen wird, dassgerade dem Atheismus Abermillionen von Men-schen geopfert wurden. Man muss schon einengründlich verstellten Zugang zur Wirklichkeithaben, um zu ignorieren, dass atheistische Ideenunendlich mehr Elend und Leid über diese Weltgebracht haben als alle Religionen zusammen.Der neue Atheismus ist nichts weiter als die fun-damentalistische Variante des alten Atheismus.

Trotz aller individuellen Verschiedenheiten lassensich vier Grundkategorien bestimmen, die esMenschen schwer, wenn nicht sogar unmöglichmachen, an Gott zu glauben.1. Einstöckiges Weltbild: Das Wirklichkeitsver-ständnis ist auf das reduziert, was man messenund nachweisen kann. „Ich glaube nur, was ichsehe!“ Die Welt ist ein geschlossenes System vonUrsache und Wirkung. Alles läuft nach strengenKausalzusammenhängen ab. Jedes Phänomen hateine innerweltliche Ursache, für die es eine wis-senschaftliche Erklärung geben muss. Menschen,die in diesem Weltbild leben finden nur schwerZugang zum Glauben.

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2. Der schweigende Gott: Andere können nichtglauben, weil die Erfahrung der Abwesenheit unddes Schweigens Gottes in ihren Augen keine an-dere Schlussfolgerung zulässt. „Ich habe gebetet,aber nichts ist geschehen!“ Es besteht aber dieMöglichkeit, dass wir uns so sehr von Gott ent-fremdet haben, dass wir für sein Wirken blind undtaub geworden sind.3. Unermessliches Leid: Die Erfahrung persönli-chen Leids kann zum Schluss führen: „Es gibtkeinen Gott!“ Georg Büchner (1813-1837): „Wa-rum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus.“4. Kirche zwischen Verbrechertum und Lange-weile: Wenn man die Kirchengeschichte betrach-tet, ist man geneigt, Atheist zu werden (man mussnicht erst Deschner gelesen haben). Heute findetman in der Kirche oft nicht Gott, sondern Be-langlosigkeiten und Langeweile.

Glaube ist möglich: A. Garth berichtet, dass diemeisten Atheisten seiner Gemeinde drei Phasendurchschritten haben- Erste Begegnung: Oft steht am Anfang desGlaubensweges eine Begegnung mit einem Men-schen, der seinen Glauben überzeugend lebt.Wenn Atheisten beobachten können, wie sich dasLeben gläubiger Freunde radikal verändert, dannsuchen sie nach einer Erklärung.- Auf der Suche: Ist die Neugier geweckt, fangenMenschen an, sich ernsthaft mit dem Glaubenauseinanderzusetzen. Sie lesen die Bibel und an-dere Bücher. Wenn sie zu verstehen beginnen,wer Jesus ist und was er für uns getan hat, dannwächst eine Sehnsucht, diesen Gott kennen zuler-nen.- Vertrauen lernen: erst jetzt können sie nach undnach ihr Leben Gott anvertrauen. Ob ein Menschin dieser Phase angekommen ist, erkennt mandaran, dass er beginnt zu beten.

Exkurs: Andere Religionen: Religionen sindganzheitliche Lebensentwürfe. Es sind Wege, diedie Menschen gehen. Ich kann nicht wirklich et-was tief Greifendes über andere Wege sagen, weilich sie nicht gegangen bin.Nur wer Religionen sehr oberflächlich betrachtet,kommt zum Schluss, dass sie doch letztlich alleauf das Gleiche hinauslaufen. Ihre Wege undZiele sind denkbar unterschiedlich.Viele Menschen unserer Kultur missbrauchen dieReligionen als Steinbruch, aus dem sie sich belie-big das herausbrechen, was ihnen passt. Wer somit Religionen umgeht, nimmt sie nicht ernst.

2. Weil Atheismus keine brauchbareAlternative ist„Atheist: ein Mensch, der ohne unsichtbare Un-terstützung auskommen muss.“ Robert Lemke,Fernsehmoderator, Journalist.

Eigentlich sind Atheisten konsequente Menschen.Aus dem, was sie erleben schlussfolgern sie, esgibt keinen Gott. Schliesslich kann man Gott nichtsehen, ja, man kann sich ihn nicht einmal vorstel-len. Und wenn man wirklich mal Gott braucht, ister nicht da. Man spürt ihn nicht. Man kann ihnnicht beweisen. Die vernünftige Konsequenzheisst: Es gibt ihn nicht. Der Mensch hat einfachseine Sehnsüchte und Hoffnungen an den Himmelprojiziert.Ja, Gott kann man sich nicht vorstellen. Er passtnicht in unseren Kopf – denn, wie kann der Ozeanin eine Tasse passen? Auch die Bibel schildert dieAbwesenheit Gottes. Der Grund besteht aber nichtin Gottes Nichtexistenz, sondern in einer Mauer,die zwischen ihm und uns steht. Jes 59,1.2: „Ihrmeint wohl, der Herr sei zu schwach, um euch zuhelfen, und dazu noch taub, sodass er eure Hilfe-rufe nicht hört. O nein! Eure Schuld steht wie eineMauer zwischen euch und eurem Gott.“Atheismus entsteht aus der konsequenten Reflexi-on der Wirklichkeit. Das Christentum bleibt abernicht bei dieser Wirklichkeit stehen. Es lädt denMenschen ein, aus der Entfremdung von Gottaufzubrechen und Gott zu begegnen. Im Chris-tentum ist die Nächstenliebe sicher wichtig, aberletztlich geht es darum, dass Menschen Gott er-kennen und ihn erfahren.

Konsequenzen des Atheismus:- Wenn es keinen Gott gibt, dann weiss der

Mensch nicht wirklich, wer er ist. Erweiss nicht, dass er geliebt wird, undglaubt sich als Zufallsprodukt.

- Dann hätte der Mensch kein eigentlichesZiel.

- Es gäbe keine verlässlichen, absolutenWertmassstäbe über Gut und Böse.

- Es gäbe keine letzte Rechenschaft, die derMensch ablegen muss. Dann hätte derAusbeuter gesiegt.

- Der Mensch wäre im kalten, sinnlosen U-niversum alleine. Niemand würde seineHerzensschreie hören.

Das finde ich so schrecklich, dass ich mich auf-gemacht habe, Gott zu suchen.

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3. Weil es ohne Gott kein Leben gibt„Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwis-senschaft macht atheistisch, aber auf dem Grunddes Bechers wartet Gott.“ Werner Heisenberg1901-1976

Es gibt gute Gründe für den Glauben an Gott,auch für naturwissenschaftlich denkende Men-schen, denn es gibt nicht nur die Möglichkeit„entweder Schöpfung oder Evolution“. Beideskann zusammen gehen.

Naturwissenschaft kontra Glaube?Ein Naturwissenschaftler, der seine Forschungs-ergebnisse für ein Indiz gegen ein Schöpfungs-wirken Gottes hält, masst sich etwas an, wofür ernicht zuständig ist und wovon er vermutlich auchkeine Ahnung hat. Er überschreitet seine Kompe-tenz, wenn er das Wirken eines Schöpfers ver-neint. Selbst wenn wir alle Gesetze kennen wür-den, die zur Entstehung des Lebens führten, ist dieFrage, ob ein Gott schuf oder nicht, in keinerWeise beantwortet. Das heisst aber auch umge-kehrt, dass aus dem Glauben keine naturwissen-schaftliche Theorie gemacht werden darf, wie esbeispielsweise der amerikanische Kreationismusversucht.Selbst wenn viele naturwissenschaftliche Er-kenntnisse den Glauben bestätigen, kann eineSchöpfung durch Gott keine wissenschaftlicheTheorie sein. Gott lässt sich nicht in die Katego-rien menschlicher Wissenschaft stecken. Ich binüberzeugt, dass Glaube und Naturwissenschaft,Schöpfungsglaube und Evolutionslehre keineWidersprüche sind. Sie versuchen lediglich, sichder Wahrheit von verschiedenen Seiten anzunä-hern.Der Naturwissenschaftler versucht den Gesetzenauf die Spur zu kommen, der Glaubende dem���Schöpfer.���Gläubige Menschen erliegen immer wieder derVersuchung, das Wirken Gottes in dem anzusie-deln, was nicht erklärt werden kann. Das ist einIrrweg. Das Wirken Gottes vollzieht sich nicht nurin dem, was wir nicht analysieren können, son-dern gerade in dem, was wir logisch erklären undnachvollziehen können.

Glaube und Naturwissenschaft���Die Aussagen der Bibel „Am Anfang schuf GottHimmel und Erde“ und „Gott schuf den Men-schen nach seinem Bilde“ stehen in keinem Ge-gensatz zu den Erkenntnissen der Naturwissen-schaft. Glaube und Naturwissenschaft widerspre-

chen sich nicht, sie ergänzen einander, da sie ganzunterschiedliche Fragen stellen. Die Naturwissen-schaft stellt die Wie-Fragen: Wie ist etwas ���entstanden? Der Glaube stellt die Warum-Fragen:Warum ist etwas entstanden? Der Glaube fragtnach dem Grund, nach dem Sinn und nach demZiel des Seins. Beide Fragen darf man nicht, ge-geneinander ausspielen. Naturwissenschaft istnicht kompetent für die Warum-Fragen, wie der ���Glaube nicht zuständig ist für die Wie-Fragen.Der Physiker, Nobelpreisträger und Begründer derQuantentheorie Max Planck (1858-1947) sagtedazu: „Wohin und wie weit wir also blicken mö-gen, zwischen Religion und Naturwissenschaftfinden wir nirgends einen Widerspruch, wohl abergerade in den entscheidenden Punkten volle Über-einstimmung. Religion und Naturwissenschaftschliessen sich nicht aus, wie heutzutage mancheglauben und fürchten, sondern sie ergänzen undbedingen einander. Gott steht für den Gläubigenam Anfang, für den Physiker am Ende allen Den-kens.“Der Französische Philosoph Jean Guitton sagte1995 in einem Spiegel-Gespräch: „Wer nicht be-sonders viel weiss. ist oft überzeugt, dass die Wis-senschaft die Religion widerlegt. Wer hingegenwirklich viel weiss, der sieht, dass er sich mitjedem weiteren Schritt einer Konzeption nähert,die der der Religion entspricht.“Es gibt viele vernünftige und auch wissenschaftli-che Gründe dafür, dass Gott die Erde und dasLeben geschaffen hat. Da Glaube und Naturwis-senschaft zwar getrennt sein müssen, aber den-noch zusammengehören, wenn man das Ganzenicht aus dem Blick verlieren will, ist es nötig,naturwissenschaftliche Argumente zu nennen, die���für eine Schöpfung durch Gott sprechen.���Am Anfang aller Naturwissenschaft: das Stau-nen über die Schöpfung���1998 veröffentlichte Der Spiegel einen Artikelzum Thema „Astronomen entdecken Gott“, indem der verwunderte Leser zur Kenntnis nehmenkonnte, dass sich viele Naturwissenschaftler dieimmer wundersamer erscheinende Entstehung desUniversums nur durch einen Schöpfer erklärenkönnen. Allan Sandage, der ehemals streibareAtheist, ehrfürchtig „Mister Cosmology“ genannt,legte ein überraschendes Bekenntnis ab: „DieErforschung des Universums hat mir gezeigt, dassdie Existenz von Materie ein Wunder ist, das sichnur übernatürlich erklären lässt. Schon 1964 re-sümierte der Physik-Nobelpreisträger CharlesTownes: „Bei den Gesetzen des Universums istein intelligentes Wesen involviert.“

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A. Garth: Warum ich kein Atheist bin 4

Ob wir in den Makrokosmos schauen oder in denMikrokosmos, überall erkennen wir eine faszinie-rende Organisation. Uns umgibt ein gigantischesOrdnungssystem, das geheimnisvoll in der Balan-ce gehalten wird. Und wir fragen staunend: Wieist aus dem Chaos von Materie und Energie soeine grossartige Harmonie entstanden, die nichtaus dem Gleichgewicht gerät?Die Gravitationskraft ist die schwächste von allenNaturkräften. Wäre sie nur eine Idee stärker, sohätten sich keine Galaxien, Sonnensysteme undPlaneten bilden können (Athropisches Prinzip).Johann Dorscher, Astrophysiker an der Universi-tät Jena, sagt: „Es hat wirklich den Anschein, alsob wir von Anfang an eingeplant gewesen waren.“Vor einigen Jahren machte das Wissenschaftsma-gazin Nature eine Umfrage unter Biologen, Phy-sikern und Mathematikern. Das überraschendeErgebnis: Rund 40 Prozent der Forscher glaubenan einen persönlichen Gott.

Schöpfung oder Zufall?���Die Frage ist nicht; Evolution oder Schöpfung. Eskann sein, dass Gott durch Evolution geschaffenhat. Ganz einfach, indem er in das Chaos eingriffund aus ungeordneter Materie über einen langenZeitraum von vielen Millionen Jahren hinweghochkomplexe Lebewesen kreierte.Das Problem der Evolutionslehre ist nur ein klei-nes Wort: das Reflexivpronomen „sich“: Das Le-ben hat sich entwickelt. Wir sagen: Gott hat ent-wickelt. Das ist eine Aussage des Glaubens. DerNaturwissenschaftler kann ruhig das Wörtchen„sich“ verwenden, wenn er im Bereich einer na-turwissenschaftlichen Theorie bleibt. Der Natur-wissenschaftler verwendet das Wort „sich“, weiler die Frage nach dem Woher und dem Wozunicht beantworten kann. „Sich“ heisst: Jemandoder etwas hat entwickelt. Wie man das „Sich“füllt, ist keine naturwissenschaftliche Aussagemehr, sondern eine weltanschauliche. „Sich“ kannheissen; Gott, Natur oder Zufall.���

O du unkreativer Zufall!���Um die Entstehung des Universums und des Le-bens zu beschreiben, muss immer wieder der Zu-fall herhalten: Der Nobelpreisträger Jacques Mo-nod (1910-1976) bringt das so auf den Punkt:„Das Universum trug weder das Leben noch trugdie Biosphäre den Menschen in sich. Unsere,Losnummer' kam beim Glücksspiel heraus. Ist esda verwunderlich, dass wir unser Dasein als son-derbar empfinden?“Allerdings erweist sich der Zufall als ungeeigneterSchöpfer, weil er nicht kreativ ist.

Um die Ordnung im Universum und die Entste-hung von Leben zu erklären, wird der Zufall wieein Joker ins Spiel gebracht, der eigentlich mitWissenschaft nichts zu tun hat. Die Annahmeeines Schöpfers ist zwar auch eine Art Joker, aberdas Wirken eines Gottes halte ich für wesentlichplausibler.���

Alles zerfällt irgendwann in seine Einzelteile ���Der zweiten thermodynamischen Hauptsatzessagt: Alle Systeme bewegen sich sozusagen inRichtung Zerfall, also von einem geordneten,komplexen Zustand zu einem chaotischen, sys-temlosen Zustand.Jedes Ordnungssystem verfällt mit der Zeit in einChaos, wenn es sich selbst überlassen bleibt. Essei denn eine ordnende Macht (z.B. der Mensch)greift ein. Daher kann es keine Selbstorganisie-rung der Materie vom Chaos zur Ordnung geben.Der Zufall führt immer umgekehrt von der Ord-nung zum Chaos. Alle unkontrollierten Aktivitä-ten führen zu grösserer Unordnung.Der amerikanische Biologe Edwin Couklin hat einGleichnis dafür gefunden: „Die Entstehung desLebens auf der Erde mit dem Zufall erklärenheisst, von der Explosion einer Druckerei dasZustandekommens eines Lexikons zu erwarten.“Ordnung entsteht nicht zufällig, sondern sie ist dasResultat geplanten Einsatzes von Energie. Aberdie blosse Zufuhr von Energie (Sonne) lässt dieUnordnung in einem System nicht abnehmen.Was dem Ganzen fehlt, ist nicht Energie, sondernIntelligenz, welche die Energie systembildendeinsetzt.Der Wissenschaftler Sir Arthur Keith (1866-1955)sah das Problem und schrieb dazu: „Die Selbst-entwicklung der Welt und des Lebens ist unbe-wiesen und unbeweisbar. Wir glauben aber daran,weil die einzige Alternative dazu der Schöpfungs-akt eines Gottes ist, und das ist undenkbar.“ Auchdem Biochemiker Ernest Kahane (1903-1996) wardie Idee, dass doch ein Gott in der Schöpfung amWerk war, unheimlich: „Es ist absurd und absolutunsinnig zu glauben, dass eine lebendige Zellevon selbst entsteht; aber dennoch glaube ich es,denn ich kann es mir nicht anders vorstellen.“

Mehr als die Summe seiner Teile„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“,sagt Aristoteles (384-322 v. Chr.).Garth argumentiert hier mit dem typischen „ID-Einwand“ (u.A. der Bakteriengeissel) und ver-weist auf die „irreduzible Komplexität.

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Wie entsteht Information?Die DNS mit ihrer verschlüsselten Informationwird für die Informatik sehr interessant, weil siedie Grundlagen und Gesetze der Informationsver-arbeitung erforscht. Die Informatik hat dreigrundlegende Gesetze: Es gibt keine Informationohne Sender, Information hat immer eine geistigeQuelle und Information beruht niemals auf Zufall.Bezogen auf den Menschen kann man fragen: Wieist die menschliche Erbinformation entstanden?Ist eine zufällige Entstehung überhaupt möglich?Entstand der genetische Code zufällig oder ist erdas Resultat einer kreativen geistigen Macht? Werhat dieses unglaublich geniale Werk verfasst undentwickelt? Die Natur? Kann die Natur denkenund kreativ wirken?���

Naturwissenschaft als Quasi-Religion ���Der Zufall als kreatives Prinzip ist vielen Wissen-schaftlern nicht geheuer. Genügt das Prinzip Zu-fall, um das Werden hochkomplexer und intelli-genter Systeme zu erklären?Sätze wie „Das hat die Natur so eingerichtet“, „Dahat sich die Natur etwas dabei gedacht“ verraten,dass die Natur bzw. die Materie plötzlich etwaskönnen, das vorher nur Gott und sein Ebenbild,der Mensch, konnten: denken sowie sinnvolleDinge planen und schaffen. Mit anderen Worten:Die Materie bekommt eine religiöse Dimensionund Dignität. Man ist fein raus, denn die Ent-wicklung der Maus aus lebloser Materie warmöglich, weil die Natur kreativ ist. Gott als unsunendlich überlegene kreative und machtvolleIntelligenz wird ersetzt durch eine intelligente,wollende und kreative Materie. Das ist Etiketten-schwindel. Der atheistische Glaube an die kreativeKraft der Natur ist eine säkulare Variante desPantheismus. Gott wird entpersonalisiert und alsMaterie gedacht. Diese bringt nun all die wunder-baren Dinge fertig, die vorher Gott zugeschriebenwurden. Der Glaube an den Zufall, der aus leblo-ser Materie das Leben entstehen liess, ist säkulari-sierte Religion. Ihre Anhänger glauben an dieKreativität der Materie, die tatsächlich Lebenentstehen liess, indem Materie, Energie, sehr vielZeit und Zufall zusammenkamen. Dieser Glaubebeinhaltet ein grosses und blindes Vertrauen in dieMacht der Natur, die es schon irgendwie hinge-kriegt hat, dass hoch komplizierte Ordnungssys-teme das Ergebnis von vielen Zufällen sind.���Wir merken: Wer so glaubt, ist äusserst glaubens-stark. Im Angesicht dieser herrlichen Welt mitihrer Vielfalt an wunderbaren Lebensformen andas kreative Wirken des Zufalls zu glauben ist ein���

viel grösserer Glaube als der an einen Schöpfer.Der Präsident des katholischen Komitees für Ge-schichtswissenschaften, Walter Brandmüller, sagt:„Wenn ich die Existenz eines unendlichen Geis-tes, aus dessen Gedanken und Willen die gesamteWirklichkeit hervorgegangen ist, leugne, dannmuss ich doch wohl erklären können, wieso dannWelt und Mensch überhaupt existieren. Urknall,Evolution, Selbstorganisation einer (nicht vorhan-denen) Materie anzunehmen erfordert weit grösse-re Gläubigkeit, als die Kirche für ihre Dogmenverlangt.“

Kein neuer Gottesbeweis!���Das Leben ist nicht zufällig entstanden. EinSchöpfergott hat es geschaffen. Diese Aussage istfür den Glaubenden folgerichtig und legitim.Problematisch wird es aber, wenn Gott auf natur-wissenschaftlicher Ebene bewiesen werden soll,weil der Zufall als Kriterium nicht haltbar ist. DerKreationismus versucht aus dem Wunder des Le-bens eine Art Gottesbeweis zu konstruieren. Gottist und bleibt nicht beweisbar! Er entzieht sich dermenschlichen Beweise, einfach weil er Gott ist.Ein beweisbarer Gott ist kein Gott. Wir ziehen ihndamit in die Kategorien menschlichen Denkens.Der Glaube an Gott, den Schöpfer, bleibt einGlaube, weil Glaube aus der Freiheit erwachsenmuss, ���sich Gott anvertrauen zu können. Glaube istim christlichen Sinne keine Vermutung, dass esGott gibt, sondern die Gewissheit, dass Gott ver-trauenswürdig ist. Glaube ist das Ergriffenseinvon dem unbegreifbaren Gott.���

4. Weil ich gewollt bin

Die Fragen „Wer bist du?“ oder „Was ist der Sinndes Lebens?“ lösen bei nicht wenigen Ratlosigkeitund Verunsicherung aus. Psychologen und So-ziologen sprechen von einer Identitätskrise desmodernen MenschenSigmund Freud (1856-1939) stellt sich diemenschliche Persönlichkeit wie einen Eisberg vor.10% sind sichtbar (Verstand, Bildung, Werte), dergrössere Teil liegt verborgen im Unterbewusst-sein. Von dort her wird der Mensch getrieben. Erist nicht frei.Heute wissen wir immer mehr über den Men-schen. Dieses Wissen macht und klug. Abermacht es uns auch weise? Bleiben nicht die wich-tigsten Fragen unserer Existenz offen? Wer binich? Was verleiht meinem Leben Sinn und Wür-de? Bleiben nicht die Fragen nach dem Woher,Wozu, Wohin des Lebens unbeantwortet, solange

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man sich lediglich auf der Ebene der Naturwis-senschaften bewegt? Muss nicht die Antwort aufdie Frage nach dem Sinn menschlichen Lebensumfassender sein als das, was die Humanwissen-schaften zu erklären vermögen?Sätze, die den Menschen auf ein „nichts weiterals“ reduzieren beinhalten nur Halbwahrheiten.Sicher ist der Mensch auch ein komplizierter bio-logischer Apparat, aber nicht nur. Auch eineSymphonie ist mehr als nur eine Ansammlungvon Noten. Der Sinn erschliesst sich erst aus derGesamtschau.Sind wir ein Zufallsprodukt? Ja, auch, aber ebennicht nur. Der Mensch ist beides: zufällig entstan-den, das sagt die Biologie, und er ist gewollt undgeliebt, das sagt die Bibel. Wenn man ihn auf seinbiologisches Sein reduziert, verliert er seine Wür-de. Zufall klingt auch wie Abfall. Wer zufälligentstanden ist, kann zufällig auch wieder ver-schwinden. Die Überzeugung, wir seien eine An-häufung von Atomen, die als Ergebnis beliebigerZufälle ohne Sinn entstanden ist, wertet unsereExistenz ernsthaft ab und nimmt uns unsere Wür-de. Diese Würde können wir uns nicht selber ge-ben. Ohne Gott ist die Würde des Menschen nichtmehr unantastbar. Was sich der Mensch selbstzulegt, kann ihm genommen werden. Wenn derMensch Gott abschafft, dann besteht die Gefahr,dass der Mensch auch den Menschen abschafft.Die Ermordung von Millionen Menschen wurdeideologisch dadurch vorbereitet, dass man in ih-nen keine geliebten und gewollten GeschöpfeGottes mehr sah. Es ist leichter, Zufallsprodukteeiner mechanischen Evolution umzubringen.Wenn die Würde des Menschen nicht von Gottkommt, bestimmt der Mensch selber, was seineWürde ausmacht – Rasse, Herkunft, Einstellungoder Nützlichkeit. Der Willkür ist damit Tür undTor geöffnet.Es gibt keine radikalere Begründung der Gleich-heit jedes Menschen als den jüdisch-christlichenGedanken von der Gottesebenbildlichkeit desMenschen.

Der Mensch als „hochevolutionierter“ Affe -noch ein Identitätskiller���Was ist der Mensch? Wofür ist er da? UnsereKultur glaubt, dass er nur eine Art „hochevolutio-nierter“ Affe sei, der sich aus primitiven Anfän-gen von selbst zum kulturvollen Homo sapiensentwickelt habe. ��� Der grosse russische DichterGraf Leo Tolstoi (1828-1910) sagte: „Dasmenschliche Leben ohne Glauben ist ein Tierle-ben.“ Die Evolutionsbiologie reduziert den Men-schen auf ein intelligentes Tier und verzerrt damit

sein wahres Wesen. Wenn wir dem beipflichten,gleichen wir dem Autobauer, für den ein Flugzeugeine Art weiterentwickeltes Auto ist. Was einFlugzeug von einem Auto unterscheidet, ist diezusätzliche Dimension, in der es sich bewegenkann: die Höhe. Insofern ist es nicht nur die Ver-besserung einer Art, sondern eine technologischvöllig neue Spezies. Der Mensch ist nicht nur einerheblich verbessertes Tier, er ist ein völlig neuesund andersartiges Geschöpf. Was ihn vom Tierabsolut unterscheidet, ist seine geistig-spirituelleDimension. Er handelt nicht nur nach Instinkten,sondern nach dem, was sein Verstand, sein Herzund sein Gewissen erkennen. Darum trägt derMensch auch Verantwortung. Einen Bären, derein Schaf gerissen hat, kann man für seine Tatnicht zur Rechenschaft ziehen. Er folgt einfachseinen Instinkten. Er hat keine Moral. Aber einMensch, der einem anderen Schaden zufügt, istaufgrund seiner geistig-spirituellen Dimensionverantwortlich für das, was er getan hat. Die ge-samte Rechtssprechung der Menschheit beruht aufdieser grundlegenden Gegebenheit, dass wir Men-schen für unser Handeln Verantwortung tragenund darum zur Rechenschaft gezogen und gerich-tet werden können.Wenn der Mensch wirklich ein intelligent gewor-denes, kulturell begabtes Tier wäre, was würdedas bedeuten? Solch ein Wesen würde nicht nachdem Sinn des Lebens fragen! Ihn würden die fun-damental notwendigen Dinge des Lebens wieErnährung, Fortpflanzung, Schlaf, Wärme usw.glücklich machen und ausfüllen. Aber so sind wirnicht! Wir brauchen viel mehr, um ein wirklicherfülltes Leben führen zu können. Es gäbe jenetiefen Momente nicht, in denen wir nach demSinn von allem fragen und ahnen, dass wir mehrsind als rein materielle Wesen.���Manchmal ist es die Schule des Leids, die unslehrt, dass sich unser Leben nicht in den Katego-rien biologischen Seins erschöpft.���Wenn wir einen Menschen verloren haben, denwir lieben, dann steigt die Frage in uns auf: Wasist der Mensch? Die materialistische Reduktiondes Menschen bringt Hoffnungslosigkeit hervor,die uns in die Arme des Nihilismus' und der ohn-mächtigen Verzweiflung treibt. Wenn wir aberdas Leben als umfassendes Sein auf Gott hin be-greifen, dann gesellt sich zu der dumpfen Bass-melodie des Leids der liebliche Sopran der Hoff-nung.

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5. Weil die Frage nach Gott zutiefstmenschlich ist.„Du hast uns zu dir hin geschaffen, und unruhigist unser Herz, bis es ruht in dir.“ Augustinus(354-430)

Die Frage nach Gott gehört zu den menschlichstenFragen überhaupt. Sie ist ein Kennzeichen desMenschseins. Fast jedes Grab, das Archäologenerforscht haben enthält Hinweise darauf, dassMenschen die spirituelle Dimension ihres Seinserahnen. Und jede Kultur hat Religion hervorge-bracht - selbst der Kommunismus (Personen- I-deologiekult). Religion ist der Versuch, das Lebenauf etwas Transzendentes hin zu ordnen. Sie hatihren Grund in der tiefen Ahnung des Menschen,dass er geschaffen und auf etwas Höheres ausge-richtet ist.Unsere Sehnsüchte weisen in diese Richtung:

Die Sehnsucht nach Liebe: Jeder will geachtet undwertgeschätzt werden - bedingungslos. Nietzsche(1844-1900) schrieb: Ein Ungestilltes, ein Unstill-bares ist in mir, das will laut werden. Eine Be-gierde nach Liebe ist in mir, die redet selber dieSprache der Liebe.“ Unter dem Gesichtspunkt derEvolution ist diese Sehnsucht nicht nur sinnlos,sie ist schädlich. Sie weist uns hin auf eine tiefereBestimmung unseres Seins.

Die Sehnsucht nach Sinn: Wir sehnen uns nacheinem sinnvollen, erfüllten Leben. Wir wollenwissen, wozu wir da sind und wofür wir das allesmachen. Sinnlosigkeit macht krank. Viktor Franklmeinte, dass 20% aller seelischen Erkrankungenauf die Empfindungen der Sinnlosigkeit zurückzu-führen sind.Kant (1724-1804) sagte, dass das Sittengesetz inuns auf Gott hinweise. Dieses Sittengesetz ist dieSehnsucht, etwas Sinnvolles und Gutes mit unse-rem Leben zu tun. In uns gibt es so etwas, wieeinen Kompass, der uns rät, unser Leben in Rich-tung des Guten zu steuern. Wir spüren, dass wirVerantwortung haben. Es gibt viele Faktoren, diedas Gute in uns verhindern oder vergraben, aberdennoch ist es da, weil wir uns nach einem sinn-vollen leben sehnen. Und diese Sehnsucht nachSinn, die sich auch darin ausdrückt, Schönheit undBeständigkeit zu schaffen, weist darauf hin, dasswir geistige Wesen sind. Daher ist es einer Ver-armung, wenn man den Menschen auf seine mate-riellen Dimensionen beschränkt.

Sehnsucht nach Ewigkeit: Während alles im Flussist, halten wir Ausschau nach dem, was auch dannnoch gilt, wenn wir nicht mehr da sind. Nietzsche:„Alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewig-keit.“In uns schlummert eine Ahnung, die unseremskeptischen Verstand zuflüstert: Du bist ein geis-tiges Wesen. Du wirst dich nicht in Nichts auflö-sen. Du kannst nicht einfach verschwinden, wonicht mal Energie im Kosmos verschwindet.Selbst Atheisten beginnen angesichts des Todeszu fragen, ob es nicht ein Leben nach dem Todegibt. In einem abstürzenden Flugzeug vermindertsich die Zahl der Atheisten jede Sekunde. DieSehnsucht nach Ewigkeit sitzt tief in uns – eineevolutionistische Sicht auf den Menschen erklärtda wenig.

Warum werde ich nicht satt?Auf Dauer können die Dinge der Welt unsere tiefeSehnsucht nicht stillen.Für die Sinnsuche gilt eine tiefe Wahrheit: Wenndu etwas tust, das weniger ist als das, wozu duerschaffen wurdest, wird es dich auf Dauer ent-weder langweilen oder zerstören.Wenn wir unsere Sehnsucht mit den Dingen derWelt stillen wollen, werden sie anfangen uns zulangweilen oder sie machen uns süchtig. Fast alleSüchte beginnen mit dem Versuch, das gefühlteLoch im Herzen zu füllen. Die psychischen Er-krankungen nahmen seit 1991 um 51% zu.Das hängt damit zusammen, dass man immerweniger den Sinn des Lebens zu erkennen ver-mag. Der Glaube, wir seien nur ein Zufallspro-dukt, erweist sich immer mehr als Identitätskillerund verhindert, dass sich junge Menschen ernst-haft auf die Suche nach einem tragfähigen Le-benssinn machen.Was muss ich tun, um mein Leben zu versauen?Gar nichts! Du musst dich nur treiben lassen. AmGelingen des Lebens muss man arbeiten.

Wir sind geistige Wesen, darum sagte Jesus: „DerMensch lebt nicht vom Brot allein, sondern voneinem jeden Wort Gottes.“ Wir sind darauf ange-legt, die bestätigende Liebe Gottes zu erfahren.Die drei tiefen, göttlichen Sehnsüchte weisen unsdarauf hin, dass die irdischen Dinge uns nichterfüllen können. Des Menschen Herz ist so gross,dass nur Gott es ausfüllen kann.

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6. Weil das Glück des Lebens etwas mitGott zu tun hat

Das Streben nach Glück ist das zentralste Elementim Leben eines Menschen. Dieser Gedanke wurdeschon 1776 in die Unabhängigkeitserklärung derUSA aufgenommen. Meyers Lexikon definiertGlück: innere Zufriedenheit über gute taten undfortschrittliche Leistungen. Demgegenüber be-hauptet der Philosoph Michel Foucault: „DasGlück existiert nicht.“Die Glücksforschung sagt: Glück ist ein Rauschdes Gehirns, der durch Endorphine ausgelöst wird,die bei positiven Ereignissen freigesetzt werden.Leider ist dieser Rausch nur von kurzer Dauer.Unser Körper reagiert auf diesen Rausch mit ei-nem Kater. Wir brauchen immer mehr, damit sichder Rausch wieder einstellt. Ein Glücksjunkiemuss von Mal zu mal die Dosis steigern. DieWerbung macht sich diese Tatsache zu Nutzen.Untersuchungen zeigten übrigens, dass reicheVölker nicht glücklicher sind.Blaise Pascal (1623-1662) sagte: „In jedem Men-schen ist ein Abgrund, den kann man nur mit Gottfüllen.“ Das Glück hat etwas mit Gott zu tun. Mitdiesem Glück im Herzen, kann ein Mensch sogarin sehr widrigen Umständen glücklich sein. Sokann Bonhoeffer (1906-1945) im Gefängnisdichten: „Von guten Mächten wunderbar gebor-gen, behütet und getröstet wunderbar.“Der moderne Europäer weiss nicht, dass er ei-gentlich nach Gott verlangt, wenn er nach demGlück des Lebens sucht. Glücksforscher habenherausgefunden, dass der Glaube an Gott glück-lich macht, weil er seelischen Halt und Geborgen-heit verleiht.Jesus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Mitanderen Worten: „Ich bin der, nach dem sich euerHerz sehnt.“ Wenn Jesus vom Leben spricht meinter nicht „bios“ (biologisches Leben) sondern„zoe“ (Leben, das Gott selber ist).

„Du kannst mit allen Wassern der Philosophiegewaschen sein, du kannst dich mit Schnaps vol-laufen lassen und deine Adern mit Drogen voll-pumpen, du kannst aus dem Ozean der Weltreligi-onen schlürfen, du kannst aus den trüben Tümpelnder Horoskope und Wahrsagerei saufen, du kannstdas eiskalte Wasser des atheistischen Materialis-mus schlucken – aber deine Seele wird dabei ver-dursten.“Warum? Weil unsere Seele nicht gemacht ist fürdas kleine Glück. Sie sehnt sich nach dem grossen

Glück, das aus der Begegnung mit Vollkommen-heit, Ewigkeit und absoluter Schönheit erwächst.7. Weil ich durch Gott den Sinn des Le-bens finde„Wer nichts hat, wofür es sich lohnt zu sterben,der hat auch nichts, wofür es sich lohnt zu leben.“M. Luther King (1929-1968)

Vaclav Havel: „Die Tragödie des modernen Men-schen besteht nicht darin, dass er im Grunde im-mer weniger über den Sinn des Lebens weiss,sondern dass ihn das immer weniger stört.“Hängt der Sinn des Lebens davon ab, was manGutes tut? Was ist dann mit den Alten und Kran-ken? Wenn der Sinn des Lebens im Erbringen vonLeistung besteht, dann werden wir irgendwann zuSozialschrott.Ich muss wissen, wer ich bin, um herauszufinden,wofür es sich zu leben lohnt. Was Naturwissen-schaftler dazu zu sagen haben, ist wenig hilfreich.Denn die Frage nach dem Sinn, ist die Frage nachdem Schöpfer. Der Lebenssinn wird uns von ihmgegeben. Auf der materiellen Ebene sind wirvielleicht nur zufällig funktionierende Materie.Aber ganzheitlich betrachtet sind wir gewollt,geschaffen, berufen und geliebt. Wir sind ebenauch ein spirituelles Wesen. Nur in dieser Ganz-heitlichkeit finden wir unsere Würde als Mensch.Ohne Gott gibt es keine Antwort auf die zentralenFragen: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohingehe ich?Der Sinn des Lebens erschliesst sich im Geliebt-werden. Wir sind als gegenüber der Liebe Gottesgeschaffen. Dieses Liebe gilt jedem Menschen,schon bevor er irgendetwas getan hat. Sie ist be-dingungslos. Ich bin geliebt, allein weil es michgibt. Diese Liebe kann nicht durch irgendeinMensch ersetzt werden. Keine menschliche Liebekann uns das Mass an Liebe geben, für das wirgeschaffen sind. Menschliche Liebe ist vergäng-lich und bedingt.Gott aber kennt uns. In seinen Augen sind wirunendlich wertvoll – das stiftet unseren Sinn.

8. Weil mein Leben ein Ziel bekommt„Solange man nicht annimmt, dass es einen Gottgibt, bleibt die Frage nach dem Ziel des Lebenssinnlos.“ Bertrand Russell (1872-1970) Mathe-matiker, Philosoph und Literatur Nobelpreisträ-ger

Der Mensch ist eine körperlich, seelische Einheit.Es ist relativ einfach zu sagen, was er auf der kör-

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perlichen Ebene braucht. Auf der geistigen Ebenbraucht der Mensch Lebensziele, die ihn beflü-geln, herausfordern und inspirieren. Wenn er dienicht mehr hat, dann geht das Leben zurück. Esgibt so etwas, wie den „geistigen Rentnertod.“Rentner fühlen sich dann abgestellt und nichtmehr gebraucht. Menschen brauchen ein grossesZiel.Kleine Ziele erfüllen nicht: Eben stand man nochmitten im Leben und plötzlich steht man vor demSpiegel und fragt sich, ob man den alten Mann dawirklich noch rasieren soll. Man hat so gut wiealles erreicht. Und mit einem Mal rückt das Endeins Blickfeld. Auf der Karriereleiter geht es nichtweiter nach oben. Denn oben steht einfach: „letzteStufe.“ Die Kinder sind gross. Gesünder wird manauch nicht mehr. Im Gegenteil: Man muss ackernund schuften, um in Form zu bleiben, und beginntsich gesund zu ernähren. Und irgendwann hat mannur noch ein Ziel: noch ein bisschen zu leben.Man wir Zeuge des Zerfalls seines Körpers undweiss, nun kommt nur noch der Tod. Ist der Toddas letzte Ziel? Ist der Tod überhaupt ein Ziel?(Prediger 2,1-11; vgl. Mt 6,19-21)

Wir setzen uns viele Lebensziele und eilen vonNahziel zu Nahziel, aber haben wir einen Lebens-sinn vor Augen? Nahziele sind wichtig und gebenuns Orientierung für den nächsten Schritt. Wirbrauchen aber ein grosses Ziel, in dem alle Le-bensziele nur Stationen sind. Ohne grosses Le-bensziel ist unser Leben immer von der Sinnlo-sigkeit bedroht. Atheismus ist das Nirwana derSeele, weil er kein Ziel mehr kennt. Martin Hei-degger (1889-1976) schrieb am Ende seines Le-bens: „Nur Gott kann uns retten. Wenn Gott alsder übersinnliche Grund und das Ziel aller Wirk-lichkeit tot ist, dann bleibt nichts mehr, woran derMensch sich halten und wonach er sich richtenkann. Der Nihilismus, der unheimlichste allerGäste, steht vor der Tür.“In einem Altersheim sieht man den Unterschiedzwischen jenen, die nicht an Gott glauben, unddenen, die ihn kennen und lieben, sehen.Wenn wir nur noch den irdischen Teil eines Le-bens betrachten und das Ganze aus den Augenverlieren verkennen wir die Tiefendimensionmenschlichen Lebens. Denn unsere Lebensbe-stimmung kommt eben nicht in diesem Leben zurletztgültigen Bestimmung. In allen Kulturen fin-den wir diesen Gedanken. Nur der Materialismusder Moderne reduziert den Menschen auf seineirdische Existenz.Der französische Atheist und Philosoph MichelOnfray sagte: „Vom Urknall bis heute wirkte eine

Art Mechanik materieller Kausalität. Und wohingehen wir? In Richtung unseres Verschwindens.Nichts wird bleiben.“ Dieser öde Materialismusbeleidigt nicht nur unsere menschliche Würde, ermacht die Gesellschaft mit seiner zerfressendenHoffnungslosigkeit krank.Der Tod ist keine Falltür ins Nichts. Er ist dieTüre zu einem neuen Leben.

9. Weil die sichtbare Welt nur eine Di-mension der Wirklichkeit ist„Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden,als eure Schulweisheit sich träumen lässt.“Shakespeare (1564-1616)

Juri Gagarin (vermutlich von der Propagandamissbraucht, war ein gläubiger Mensch): „Ichhabe Gott nicht gesehen.“An den Gott, den viele Atheisten verneinen, glau-be ich auch nicht. Peter Horton (Musiker): „EinAtheist ist einer, der sich ein Bild macht und esverneint.“Wo wohnt Gott? Unsere Welt ist vieldimensional.Wenn wir die Zeit als vierte Dimension ansehen,dann kann sie in der fünften verschwinden, wieetwas aus den zwei Dimensionen in die dritteverschwinden kann. Das kann uns helfen, zu ver-stehen, wenn die Bibel vom Vater im Himmelspricht. Gottes Dimension ist eben eine ganz an-dere als die unseren. Er ist uns nahe, ohne ein Teildieser Welt zu sein. Alle Religionen gehen voneiner sichtbaren und einer unsichtbaren Wirklich-keit aus.Paulus sagt daher: „Wir sehen nicht auf das Sicht-bare, sondern wir sehen auf das Unsichtbare, dennwas sichtbar ist, das ist vergänglich, was aberunsichtbar ist, das ist ewig.“ (2. Kor 4,18) Offen-sichtlich geht es hier um das Sehen mit den Augendes Herzens. Er meint damit, dass es eine Wirk-lichkeit gibt, die man mit den üblichen Sinnennicht wahrnehmen kann. Diese Sicht bewirkt (Zu-sammenhang des Textes): Wir empfangen Mutund unser innerer Mensch wird von Tag zu Tagerneuert, auch wenn der äussere Mensch altert undverfällt.Die Rede von der unsichtbaren Wirklichkeit klingtwie ein theologischer Trick. Man glaubt an etwas,das man weder sehen noch beweisen kann. Nunwird es in den Bereich der Innerlichkeit verscho-ben und man ist fein raus. Viele denken, das seiGlaube – eben, weil man nichts genaues von Gottweiss. Der Glaube ist aber nicht nur Vermutung,sondern feste Gewissheit. Glaube ist das Funda-

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ment, auf das man sein Leben baut. Wie kommt esdazu, dass Menschen auf etwas Unsichtbares bau-en. Glaubende haben eine Beziehung zur Welt desGlaubens gefunden.Nun sagen aber einige Hirnforscher, Gott sei nurein Produkt des Hirns. Das ist aber wie bei einemFernseher: Er gibt durchaus etwas Reales wieder,obwohl die dargestellten Menschen nicht im Fern-sehkasten zu finden sind. So verhält es sich auchmit Menschen, die Erfahrungen mit Gott machen.Gott ist nicht im Gehirn, sondern unser Gehirnbekommt Signale aus der unsichtbaren Welt undversucht sie zu verarbeiten.Aber ist das doch nicht reine Illusion. Die Bibelsagt, Gott ist Liebe. Wenn wir aber in die Weltschauen, sehen wir diese Liebe nicht. Hier liegtein Denkfehler vor, man schliesst aus der Welt-wirklichkeit auf die Existenz des Liebenden Got-tes. Entweder ist der Satz: „Gott ist Liebe“, völli-ger Blödsinn, oder aber er ist aus einer anderenQuelle gespeist, von einer anderen Wirklichkeitinspiriert. Saint-Exupery schreibt in Der kleinePrinz: „Der Mensch sieht nur mit dem Herzen gut.Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“ Wirsind es gewohnt, die Dinge dieser Welt mit demVerstand zu erfassen. Aber um Gott zu erfahrenund zu erkennen, ist das Licht Gottes nötig, das inunser Herz und unseren Verstand fällt. Der Zu-gang zur Wirklichkeit Gottes hat etwas mit Jesuszu tun.

10. Weil Jesus die faszinierendste Per-son der Geschichte ist„Das strahlende Bild des Nazareners hat einenüberwältigenden Eindruck auf mich gemacht. Eshat sich keiner so göttlich ausgedrückt wie er. Esgibt wirklich nur eine Stelle in der Welt, wo wirkein Dunkel sehen. Das ist die Person Jesu Chris-ti. In ihm hat sich Gott am deutlichsten vor unshingestellt.“ A. Einstein (1879-1955)

- Was für ein Mensch! Kein Mensch hatte jemalsso viel Einfluss wie Jesus, obgleich er nur dreiJahre wirkte und als Verbrecher hingerichtet wur-de.- Sein Leben – kurz, intensiv, konsequent, echt!- Ein Dichter? Seine Bilder und Vergleiche gehö-ren zu dem Schönsten, was es in der Weltliteraturgibt. Dennoch war er mehr als nur ein Dichter.- Ein Wundertäter? Viele Menschen unserer Kul-tur haben Schwierigkeiten mit den Wunderbe-richten. Sie erleben kaum, dass Gott machtvollund heilend in unser Leben eingreifen kann, und

sie haben ein Weltbild, das keinen Raum für spi-rituelle Kräfte lässt. Sie haben Jesus eingesperrt indas Kästchen ihrer Alltagserfahrung. Sie setzenihm Grenzen aufgrund ihrer eigenen Begrenztheit.- Ein Menschenfreund! Die Menschen spüren: ERmag mich. Aber Jesus war mehr.- Ein Herrscher? Er ist König der Herzen. Woman ihm nachfolgt, dort bricht seine Herrschaftan. Wo man sich seiner Herrschaft unterstellt, dortkommt er, um seine Herrschaft aufzurichten. Ob-gleich König des Reiches Gottes, lebt er wie einDiener. Er ist mehr als ein König.- Ein Revolutionär? Er ist ein Bürgerschreck. Hartund schonungslos kritisiert er die Missstände sei-ner Zeit. Er kann argumentieren wie kein Zweiterund nennt Unrecht beim Namen, brandmarktAusbeutung und Heuchelei. Aber er ist mehr.- Ein Prophet? Obwohl er prophetisch begabt warwie kein anderer, so ist er doch mehr als ein Pro-phet.- Ein Bussprediger? Auch das ist nur ein Teilas-pekt seines Lebens.- Ein Lebenskünstler? Ständig sieht man ihn mitunterschiedlichsten Menschen zusammensitzen,feiern, essen, trinken und reden. So nennen sie ihn„Säufer und Fresser.“- Ein Heiliger? Sein Leben und seine Liebe sindecht. Jesus lebt durch und durch glaubwürdig. Oftverlässt er vor Anbruch des Morgens das Dorf undzieht sich zum Beten zurück- Der Sohn Gottes? Wer es mit Jesus zu tun be-kommt, der berührt den Himmel. Von Jesus gehteine Kraft aus, die nicht von dieser Welt stammt.Seine Worte sind Worte Gottes, seine Berührun-gen sind die Berührungen Gottes, seine Taten sinddie Taten Gottes.- Von einer Jungfrau geboren. Ganz Mensch unddoch Gott. Jesus sagt: Wer mich sieht, sieht denVater. Jesus zeigt, wie Gott ist und dass Gott denMenschen zu sich zurückholen will. Der Schöpferwill die zerstörte Gemeinschaft zu seinen Ge-schöpfen wiederherstellen. Gott geht durch Jesusden Menschen hinterher, um sie einzuladen, in dieGemeinschaft mit dem Schöpfer zurückzukom-men. Doch seine Sendung verstehen wir erst,wenn wir die Bedeutung seines Todes verstehen.

11. Weil Jesus für alle starb„Das Kreuz ist ein Zeichen dafür, wie weit Gottgeht, um eine zerstörte Gemeinschaft wieder her-zustellen.“ Martin Luther King (1929-1968)

Das Wichtigste an Jesus ist sein Sterben. In sei-nem Tod liegt das Geheimnis seiner Sendung. Im

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Sterben sagte er: „Es ist vollbracht „tetelestai“,d.h. die Rechnung, das Lösegeld ist bezahlt. DerSchuldner ist kein Schuldner mehr.Wenn der leidende Jesus wahrer Mensch undwahrer Gott war, dann hat das, was mit Jesus ge-schah, Gott selber betroffen. Dann ist Gott keinferner Gott, der unendlich erhaben und jenseitsallen menschlichen Leids irgendwo im Himmelthront, unberührt. Dann hat unser Schmerz seineSeele verwundet und unser Leid sein Herz be-rührt. Hier können sich alle Kranken, Leidendenund Gefolterten wieder finden. Gott weiss, wiefurchtbar Schmerz ist. Er hat ihn in Jesus durch-litten. Tiefer als Jesus, kann kein Mensch sinken.So kann eigentlich niemand, der seelisch verletzt,verspottet und entehrt ist, sagen: „Gott verstehtmich nicht.“ Gott hat in Jesus unsere Ohnmachtdurchlitten und unsere Verzweiflung durchlebt.Am Kreuz betete Jesus Ps 22: „Mein Gott, warumhast du mich verlassen.“ Hier stossen wir in dastiefste Geheimnis seines Todes. Gott zieht sichvon seinem geliebten Sohn zurück und macht ihnzum Sündenbock der ganzen Welt, um die Weltzu erlösen. Gott lädt Jesus die Sünden dieser Weltauf. Der Schuldlose wird zum Schuldigen ge-macht, um die Schuld der Welt zu sühnen. ImZentrum des christlichen Glaubens steht die Über-zeugung: Jesus hat durch seinen Tod alles auf sichgenommen, was uns von Gott trennt. Er hat alleMauern der Trennung niedergerissen, damit wirwieder die Liebe, die Nähe und Zärtlichkeit Got-tes erfahren können.Die Botschaft, dass jemand aus der Welt Gotteskommt, sich am Kreuz brutal umbringen lässt, umuns Menschen den Weg zu Gott freizumachen, istsehr merkwürdig und fremdartig für uns. Am Bei-spiel von Maximilian Kolbe, der im KZ für einenFamilienvater, stellvertretend in den Tod gegan-gen ist, können wir vielleicht erahnen, was JesuTod bedeutet.Aber warum hat Gott diesen Weg gewählt? Ei-gentlich gibt es darauf keine Antwort. Wenn manaber das Kreuz aus dem Christentum verbannt,dann bleibt von ihm ein banaler Rest. Dennoch –warum kann Gott nicht einfach sagen: Ich Verge-be euch, Schwamm darüber. Wenn er das täte,hätte das zwei Konsequenzen:Das Böse würde triumphieren. Es wäre weder alsdas Böse benannt noch bestraft worden. Das wärepervers. Unrecht, Bosheit und Schuld wäre amende Sieger.Gott stünde am Ende als der Dumme da, der sichmit seinem Projekt Mensch übernommen hätte. Erwürde seinen Anspruch an seine Geschöpfe zu-

rücknehmen und sagen: Ich habe euch zuviel zu-gemutet. Das wäre ungerecht.Nun stellt sich die Frage, wie kann er uns verge-ben und uns annehmen, ohne dass er seinen An-spruch zurücknimmt und sich selber untreu wird?Es gibt nur einen Weg: Gott selber sühnt dieSchuld. Sühne bedeutet, dass Schuld so aus derWelt geschaffen wird, dass die Gerechtigkeit nichtdarunter leidet. Gott sühnt die Schuld, indem erJesus ins Gericht schickt. Jesus hat das Lösegeldbezahlt, wir sind frei.Man kann es in seinen Gedanken drehen undwenden, die Bedeutung des Kreuzes sperrt sichjeder Logik. Dass Jesus für unsere Schuld starb istein tiefes, Leben spendendes Geheimnis. Dochwie bei einem Medikament, müssen wir seineWirkungsweise nicht völlig verstehen. Wir müs-sen es einfach einnehmen.

12. Weil Ostern alle Grenzen sprengt„Wer die Auferstehung preisgibt, der ist von Gottund allen guten Geistern verlassen.“ Wolf Bier-mann

Jesus ist auferstanden. Er lebt. Man kann zu ihmsprechen. Er hört. Man kann ihn anrufen. Er han-delt. Er lebt in Gottes Dimension.Doch ist die Auferstehung Tatsache?- Die schriftlichen Quellen: Die Geschichten umJesus sind die mit Abstand am besten bezeugtenEreignisse der Antike. Sein Leben ist besser be-zeugt als das der Cäsaren und Alexander demGrossen. Doch sind die Zeugen neutral? Es gibtkeine neutralen Zeugen. Das wird jeder Ge-schichtswissenschaftler sagen Alle Ereignisse derAntike sind von Anhängern geschrieben worden.Die Frage ist, ob wir den Anhängern trauen kön-nen.- Die verängstigte Jüngerschar flieht. Doch nacheinigen Tagen treten sie mutig auf und verkündenden Auferstandenen. Sie sind sogar zum Martyri-um bereit. Welche vernünftige Erklärung gibt esfür diese Veränderung der Jünger?- Fromme Halluzinationen? Doch waren die Jün-ger psychisch in einer solchen Verfassung, sich indiese Vorstellungen hineinzusteigern? Nein! DieJünger waren am Ende. Bis zu seinem Tod habensie eigentlich nie verstanden, was Jesu Sendungwar. Die Nachricht von Jesu Auferstehung stiessdann auch bei den Jüngern auf Unglauben. Zudemberichten die Quellen nie von Erscheinungen oderHalluzinationen. Immer ist Jesus mit leibhaftigerschienen. Er ass, trank und redete. Die Visions-hypothese kann nicht überzeugen

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- Scheintod? Die Römer verstanden ihr Tötungs-handwerk. Dass aus seiner Seite Blut und Wasserfloss, zeigt, dass er schon einige Zeit tot gewesensein muss.- Die Leiche wurde geklaut! Doch wenn die Jün-ger sie geklaut hätten, wie lässt sich ihre Todesbe-reitschaft erklären. Es macht einfach keinen Sinn,die Leiche zu klauen und dann für die Überzeu-gung in den Tod zu gehen. Zudem wurde dasGrab von Soldaten bewacht.- Alles gefakt! Wenn die Berichte erfunden wor-den wären, dann wäre zu erwarten, dass sie sehrgenau übereinstimmen. Das tun sie aber geradenicht, was ein weiterer Hinweis für ihre Echtheitist. Zudem werden Frauen als erste Zeugen er-wähnt. Damals war die Zeugenaussage einer Frauaber völlig wertlos. Wenn jemand die Berichteerfunden hätte, dann hätte er sicher Männer alserste Zeugen auftreten lassen.- In Kor 15 (ca. 25 Jahre nach Jesu Tod geschrie-ben) sagt Paulus, dass mehr als 500 PersonenJesus nach seiner Auferstehung gesehen haben.Vor allem betont er , dass viele davon noch leben– dass man sie also selber befragen könnte.

Was also ist geschehen an Ostern? Die Erklärungder Bibel scheint doch die vernünftigste zu sein.Aber was heisst hier vernünftig? Die Geschichts-wissenschaft kommt hier An eine Grenze. Obwohldie Auferstehung Jesu ein Ereignis ist, das in derGeschichte geschah, so kann man es doch nichthistorisch beweisen, weil sich eine Auferstehungden Kriterien der Geschichtswissenschaften ent-zieht. Gott hat in die Geschichte eingegriffen.Diese Tat Gottes sprengt eben alle Grenzen.Den Glauben an die Auferstehung kann selbst dieüberzeugendste Beweisführung erzwingen. Glau-be entsteht nicht dadurch, dass ich vor den Faktenkapituliere. Glaube bleibt eine freie Entscheidungdes Einzelnen, der sich für das öffnet, was Gottdurch Jesus für uns unternommen hat.

13 Weil Gott sich finden lässt

Wenn es Gott doch angeblich gibt, wieso kannGott sich nicht einfach bei mir melden? Das wür-de doch die Sache erleichtern.Dass der Mensch durch Jesus zurück zu Gott fin-den kann, ist die Grundaussage und Grunderfah-rung des christlichen Glaubens. Das heisst abereben auch, dass der Mensch von Gott getrenntwar. Nur wer in der Fremde war, muss sich nachHause aufmachen. Der christliche Glaube gehtdavon aus, dass die ganze Menschheit in die Ent-

fremdung von Gott geraten war. Wir leben ineiner tiefen Trennung zum Schöpfer. Es gibt einaltes Wort, das diesen Zustand der Trennung samtFolgen beschreibt: „Sünde“. In unserer Sprachehat dieses Wort eine andere Bedeutung als in derBibel (Hamartia = Zielverfehlung; Sund). Bei unsist es ein moralischer Begriff und umschreibt das,was ein anständiger Mensch nicht tut. In der Bibelist es kein moralischer Begriff, sondern ein relati-onaler. Er umschreibt die Beziehungsstörung.Sünde besagt, dass unsere Beziehung zu Gottnicht in Ordnung ist. Wenn die Bibel sagt: „AlleMenschen sind Sünder,“ dann bedeutet das nicht:„Alle Menschen sind schlecht,“ sondern: „AlleMenschen leben in einem Zustand des Getrennt-seins von Gott.“Wieso getrennt von Gott? Die Entfremdung vonGott ist nicht unsere Entscheidung, sondern unse-re Wirklichkeit, für die wir persönlich nichts kön-nen. Die Trennung ist nicht unsere Wahl, sie istunser Schicksal. In der Tradition spricht man vonUrsünde.In der Geschichte vom Verlorenen Sohn sehen wiraber, dass Gott uns mit offenen Armen zurücker-wartet. Als der Sohn am Schweinetrog endeteversank er nicht im Selbstmitleid, sondern tut daseinzig Vernünftige. Er macht sich auf und kehrtzurück zu seinem Vater. Er will einfach überle-ben. Interessanterweise sind Gott die Motive, ausdenen wir zu ihm umkehren, egal. Hauptsache,wir kommen!Jesus sagt über sich: „Ich bin der Weg, die Wahr-heit und das Leben. Niemand kommt zu Gott, demVater, ausser durch mich.“ (Joh 14,6) Jesus ist soetwas wie der Leitstrahl Gottes. Das klingt nachIntoleranz. Doch Toleranz meint eigentlich dasErtragen eines anderen Standpunktes. Toleranzmeint nicht Beliebigkeit und Gleichgültigkeit. Erstdie eigene Überzeugung, dass mein Weg michzum Ziel führt, macht Toleranz erforderlich. Tole-ranz sagt: Ich glaube nicht, dass dein Weg dichzum Ziel führt, aber das will ich tragen, dich ak-zeptieren und fördern.

14. Weil man Gott erfahren kann„Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein, einer,der etwas erfahren hat, oder er wird nicht sein.“Karl Rahner (1904-1984)

Gott kann man wirklich erkennen und erfahren. Erbleibt nicht in der Unnahbarkeit und Verborgen-heit. Er kommt zu uns und wirkt in unseren Her-zen, in der Kirche und in der Welt.

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Es gibt diese dreifache Erfahrung: Gott nimmtmich um Jesu willen an. Er vergibt mir meineSchuld. Er erfüllt mich mit seinem Geist.