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A Guide to Chalcogen-Nitrogen Chemistry Von Tristram Chi- vers. World Scienti- fic, London 2005. 318 S., geb., 52.00 £.—ISBN 981-256-095-5 1835 – zehn Jahre nach der Entdeckung des Benzols – wurde das Tetraschwe- feltetranitrid (S 4 N 4 ), eine der faszinie- rendsten Chalkogen-Stickstoff-Mole- kɒlverbindungen ɒberhaupt, erstmalig durch Gregory nachgewiesen. Mit diesem historischen Sachverhalt findet der Autor, seit Jahrzehnten einer der fɒhrenden Wissenschaftler auf dem Gebiet, den Einstieg in die Molekɒl- chemie der titelgebenden Verbindun- gen, und er macht gleich zu Beginn klar, worin die Intention des Buches liegt. Man mag meinen, dass die Molekɒl- chemie der Chalkogene eine alte Chemie sei, und in jedem guten Lehr- buch der anorganischen Chemie wird man etwas ɒber das explosive S 4 N 4 oder das polymere (SN) x lesen. Aber war das alles? Was ist mit den schweren Ho- mologen – ein Gebiet, das gerade in den letzten zehn Jahren riesige Fortschritte gemacht hat? Noch viel weniger findet man in Standardlehrbɒchern ɒber Re- aktionsmechanismen, Eigenschaften und (mɆgliche) Anwendungen von Chalkogen-Stickstoff-Verbindungen. Zwar gibt es eine Vielzahl an Ƞber- sichtsartikeln, die im vorliegenden Buch am Ende des ersten Kapitels aufgelistet werden, aber eine konzeptionelle Dar- stellung des gesamten Themengebietes, die vom Molekɒl bis zum Polymer, von der Synthese bis zum Reaktionsmecha- nismus, von der Eigenschaft bis zur Anwendung geht, die fehlte bislang. Hier schließt der Autor gekonnt mit seiner prȨgnanten, auf das Wesentliche zielenden Darstellung des Themenge- bietes eine Lɒcke. Sehr positiv fȨllt auf, dass die Originalliteratur am Ende jedes Kapitels umfangreich zitiert wird und bis Mitte 2004 berɒcksichtigt ist. Das Buch kann sowohl als Nachschlagewerk fɒr Wissenschaftler und Hochschulleh- rer wie auch als Lehrbuch fɒr fortge- schrittene Studierende empfohlen werden, die ihr Wissen ɒber die Chal- kogen-Stickstoff-Chemie vertiefen wollen. In der Einleitung wird der Leser ausgehend von ElektronegativitȨtsbe- trachtungen und der Doppelbindungs- regel in kleinen Unterkapiteln zu den Stoffklassen hingefɒhrt, die dann in den folgenden Abschnitten detailliert be- sprochen werden. Die Diskussion wird bewusst auf solche Chalkogen-Stick- stoff-Verbindungen beschrȨnkt, die mehr Heteroatome als Kohlenstoffato- me enthalten (ausgenommen der C- Atome, die Teil des Substituenten sind). Didaktisch interessant ist die Herange- hensweise an das Themengebiet, die vermutlich aus einer Vorlesung zu diesem Thema hervorgegangen ist. So folgt der Einleitung ein kurzes Kapitel zur Synthese und zum Aufbau von Chalkogen-Stickstoff-Bindungen, an das sich eine ɒbersichtliche Darstellung der gebrȨuchlichen Analysemethoden anschließt (RɆntgen-, IR-, Raman-, NMR-, EPR-, PES-Methoden werden an Beispielen diskutiert). Danach folgt eine eingehende Beschreibung der elektronischen Strukturen und Reakti- vitȨten von Chalkogen-Stickstoff-Ver- bindungen mithilfe von einfachen, zu- meist aus der klassischen organischen Chemie bekannten Konzepten (z. B. Hɒckel-AromatizitȨt, Grenzorbital- theorie). Einfache Schwarzweiß-Grafi- ken erleichtern dabei ein rasches Ver- stȨndnis. Ausgehend von der ErklȨrung der Bindungssituation (oft mit Bezug zu DFT-MO-Rechnungen) werden unter- schiedliche Reaktionsmechanismen von Chalkogen-Stickstoff-Verbindungen konzeptionell diskutiert. Was in diesem Kapitel ein wenig fehlt, ist eine Einfɒh- rung in die hȨufig verwendeten Valence- Bond-Modelle und ein Hinweis auf das Problem hypervalenter Verbindungen, gerade wenn es um elektronenreiche Spezies geht. Erst mit dem fɒnften Kapitel be- ginnt die eigentliche, gut strukturierte Darstellung der Stoffchemie, wobei immer wieder Bezug auf die einleiten- den Kapitel genommen wird. Erwar- tungsgemȨß beginnen die Ausfɒhrungen mit binȨren Systemen (neutrale, anio- nische und kationische Molekɒle sowie kettenfɆrmige und cyclische Spezies und KȨfige). Es folgt eine Beschreibung von cyclischen Chalkogenimiden und Me- tallkomplexen, ehe zu Chalkogen- Stickstoff-Halogen- und Chalkogen- Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen ɒbergeleitet wird. Jedem Kapitel vor- angestellt ist wiederum eine kurze Ein- fɒhrung in die Stoffklasse, sodass jedes Kapitel in sich abgeschlossen ist. Unter den folgenden Kapiteln ist besonders das Kapitel 11 interessant, in dem cy- clische Kohlenstoff-Stickstoff-Chalko- gen-Verbindungen besprochen werden. Ausgehend von monomeren Radikalen bis hin zu Polymeren, die mit ihren spezifischen Eigenschaften (Magnetis- mus, LeitfȨhigkeit) als Funktionsmate- rialen dienen kɆnnen, gibt der Autor einen Ausblick in die mɆgliche Zukunft der Chalkogen-Stickstoff-Chemie. Unter dem gleichen Aspekt ist auch das Kapitel ɒber Chalkogen-Stickstoff- Ketten und -Polymere zu sehen, dem geschickterweise ein Kapitel ɒber He- terocyclothiaazene und Heterocyclosel- anaazene vorangestellt wird. Letztere sind geeignete Vorstufen, die z.B. durch thermische RingɆffungspolymerisation zu anorganischen Polymeren fɒhren. Das Buch schließt mit einem kurzen Kapitel ɒber schwache intramolekulare Chalkogen-Stickstoff-Wechselwirkun- gen, die oft von großer Bedeutung fɒr die ReaktivitȨt und fɒr die Stabilisie- rung von reaktiven funktionellen Gruppen sind. Dem Autor ist es gelungen, die Chalkogen-Stickstoff-Chemie in einem handlichen Buch umfassend, spannend und didaktisch geschickt abzuhandeln. Die kurzen Kapitel sind systematisch und inhaltlich aufeinander abgestimmt, wie schon ein schneller Blick in das In- haltsverzeichnis verrȨt. Das Buch ist leicht zu lesen und macht Lust auf Mo- lekɒlchemie. Axel Schulz Institut fɒr Chemie Abteilung Anorganische Chemie UniversitȨt Rostock DOI: 10.1002/ange.200585473 Bücher 1796 www.angewandte.de # 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2007, 119, 1795 – 1796

A Guide to Chalcogen-Nitrogen Chemistry. Von Tristram Chivers

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A Guide to Chalcogen-NitrogenChemistry

Von Tristram Chi-vers. World Scienti-fic, London 2005.318 S., geb.,52.00 £.—ISBN981-256-095-5

1835 – zehn Jahre nach der Entdeckungdes Benzols – wurde das Tetraschwe-feltetranitrid (S4N4), eine der faszinie-rendsten Chalkogen-Stickstoff-Mole-k%lverbindungen %berhaupt, erstmaligdurch Gregory nachgewiesen. Mitdiesem historischen Sachverhalt findetder Autor, seit Jahrzehnten einer derf%hrenden Wissenschaftler auf demGebiet, den Einstieg in die Molek%l-chemie der titelgebenden Verbindun-gen, und er macht gleich zu Beginn klar,worin die Intention des Buches liegt.Man mag meinen, dass die Molek%l-chemie der Chalkogene eine alteChemie sei, und in jedem guten Lehr-buch der anorganischen Chemie wirdman etwas %ber das explosive S4N4 oderdas polymere (SN)x lesen. Aber war dasalles? Was ist mit den schweren Ho-mologen – ein Gebiet, das gerade in denletzten zehn Jahren riesige Fortschrittegemacht hat? Noch viel weniger findetman in Standardlehrb%chern %ber Re-aktionsmechanismen, Eigenschaftenund (m8gliche) Anwendungen vonChalkogen-Stickstoff-Verbindungen.Zwar gibt es eine Vielzahl an :ber-sichtsartikeln, die im vorliegenden Bucham Ende des ersten Kapitels aufgelistetwerden, aber eine konzeptionelle Dar-stellung des gesamten Themengebietes,die vom Molek%l bis zum Polymer, vonder Synthese bis zum Reaktionsmecha-nismus, von der Eigenschaft bis zurAnwendung geht, die fehlte bislang.Hier schließt der Autor gekonnt mitseiner pr?gnanten, auf das Wesentlichezielenden Darstellung des Themenge-bietes eine L%cke. Sehr positiv f?llt auf,dass die Originalliteratur am Ende jedesKapitels umfangreich zitiert wird und

bis Mitte 2004 ber%cksichtigt ist. DasBuch kann sowohl als Nachschlagewerkf%r Wissenschaftler und Hochschulleh-rer wie auch als Lehrbuch f%r fortge-schrittene Studierende empfohlenwerden, die ihr Wissen %ber die Chal-kogen-Stickstoff-Chemie vertiefenwollen.

In der Einleitung wird der Leserausgehend von Elektronegativit?tsbe-trachtungen und der Doppelbindungs-regel in kleinen Unterkapiteln zu denStoffklassen hingef%hrt, die dann in denfolgenden Abschnitten detailliert be-sprochen werden. Die Diskussion wirdbewusst auf solche Chalkogen-Stick-stoff-Verbindungen beschr?nkt, diemehr Heteroatome als Kohlenstoffato-me enthalten (ausgenommen der C-Atome, die Teil des Substituenten sind).Didaktisch interessant ist die Herange-hensweise an das Themengebiet, dievermutlich aus einer Vorlesung zudiesem Thema hervorgegangen ist. Sofolgt der Einleitung ein kurzes Kapitelzur Synthese und zum Aufbau vonChalkogen-Stickstoff-Bindungen, andas sich eine %bersichtliche Darstellungder gebr?uchlichen Analysemethodenanschließt (R8ntgen-, IR-, Raman-,NMR-, EPR-, PES-Methoden werdenan Beispielen diskutiert). Danach folgteine eingehende Beschreibung derelektronischen Strukturen und Reakti-vit?ten von Chalkogen-Stickstoff-Ver-bindungen mithilfe von einfachen, zu-meist aus der klassischen organischenChemie bekannten Konzepten (z.B.H%ckel-Aromatizit?t, Grenzorbital-theorie). Einfache Schwarzweiß-Grafi-ken erleichtern dabei ein rasches Ver-st?ndnis. Ausgehend von der Erkl?rungder Bindungssituation (oft mit Bezug zuDFT-MO-Rechnungen) werden unter-schiedliche Reaktionsmechanismen vonChalkogen-Stickstoff-Verbindungenkonzeptionell diskutiert. Was in diesemKapitel ein wenig fehlt, ist eine Einf%h-rung in die h?ufig verwendeten Valence-Bond-Modelle und ein Hinweis auf dasProblem hypervalenter Verbindungen,gerade wenn es um elektronenreicheSpezies geht.

Erst mit dem f%nften Kapitel be-ginnt die eigentliche, gut strukturierteDarstellung der Stoffchemie, wobeiimmer wieder Bezug auf die einleiten-den Kapitel genommen wird. Erwar-

tungsgem?ß beginnen die Ausf%hrungenmit bin?ren Systemen (neutrale, anio-nische und kationische Molek%le sowiekettenf8rmige und cyclische Spezies undK?fige). Es folgt eine Beschreibung voncyclischen Chalkogenimiden und Me-tallkomplexen, ehe zu Chalkogen-Stickstoff-Halogen- und Chalkogen-Stickstoff-Sauerstoff-Verbindungen%bergeleitet wird. Jedem Kapitel vor-angestellt ist wiederum eine kurze Ein-f%hrung in die Stoffklasse, sodass jedesKapitel in sich abgeschlossen ist. Unterden folgenden Kapiteln ist besondersdas Kapitel 11 interessant, in dem cy-clische Kohlenstoff-Stickstoff-Chalko-gen-Verbindungen besprochen werden.Ausgehend von monomeren Radikalenbis hin zu Polymeren, die mit ihrenspezifischen Eigenschaften (Magnetis-mus, Leitf?higkeit) als Funktionsmate-rialen dienen k8nnen, gibt der Autoreinen Ausblick in die m8gliche Zukunftder Chalkogen-Stickstoff-Chemie.Unter dem gleichen Aspekt ist auch dasKapitel %ber Chalkogen-Stickstoff-Ketten und -Polymere zu sehen, demgeschickterweise ein Kapitel %ber He-terocyclothiaazene und Heterocyclosel-anaazene vorangestellt wird. Letzteresind geeignete Vorstufen, die z.B. durchthermische Ring8ffungspolymerisationzu anorganischen Polymeren f%hren.Das Buch schließt mit einem kurzenKapitel %ber schwache intramolekulareChalkogen-Stickstoff-Wechselwirkun-gen, die oft von großer Bedeutung f%rdie Reaktivit?t und f%r die Stabilisie-rung von reaktiven funktionellenGruppen sind.

Dem Autor ist es gelungen, dieChalkogen-Stickstoff-Chemie in einemhandlichen Buch umfassend, spannendund didaktisch geschickt abzuhandeln.Die kurzen Kapitel sind systematischund inhaltlich aufeinander abgestimmt,wie schon ein schneller Blick in das In-haltsverzeichnis verr?t. Das Buch istleicht zu lesen und macht Lust auf Mo-lek%lchemie.

Axel SchulzInstitut f#r ChemieAbteilung Anorganische ChemieUniversit+t Rostock

DOI: 10.1002/ange.200585473

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1796 www.angewandte.de . 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2007, 119, 1795 – 1796